Leseprobe

Transcrição

Leseprobe
Diplom-Biologin, Studium an der Universität Karlsruhe
Dozentin an verschiedenen Schulen für Physiotherapie,
Logopädie, Ergotherapie und Podologie
Fachbuchautorin (Handbuch für die medizinische Fußpflege)
Lehrkraft für die Fächer Anatomie, Physiologie, Hygiene,
Mikrobiologie, Allgem. Krankheitslehre
Seit 2006 stellvertretende Schulleiterin an der Schule für
Podologie, Neuenbürg
Kampf der Keimverschleppung
Auch wenn es sehr martialisch klingt: Es ist eine berechtigte Forderung, dass Sie als
Praxisbetreiber aktiv gegen die Verbreitung und Verschleppung pathogener Keime
vorgehen müssen. Es geht dabei um Ihren persönlichen Schutz als Behandler, aber
vor allem auch um den Schutz des Kunden vor einer möglichen Infektion durch Keime
des Vorgängers. Richtlinien und Verordnungen gibt es viele. Nicht immer sind sie verständlich, sehr häufig nicht gerade praxisorientiert und oft auch widersprüchlich. Mit
diesem kompakten Leitfaden möchte wir versuchen, einen Pfad in den Vorgabendschungel zu schlagen, auf welchem Sie sich sicher und zielgerichtet bewegen können.
Dabei hatte die Orientierung an der Praxis oberste Priorität. Auch das Basiswissen
über Hygiene, auf Ihr spezifisches Arbeitsgebiet zugeschnitten, kommt nicht zu kurz.
PRAXISHYGIENE I Ein Leitfaden für Podologie und Fußpflege
Friederike Fütterer
Friederike Fütterer
PRAXISHYGIENE
Ein Leitfaden für Podologie und Fußpflege
Aus dem Inhalt:
–
–
–
–
–
–
–
Grundlagen der Mikrobiologie und Hygiene
Checklisten zur personenbezogenen Hygiene
Instrumentenaufbereitung
Hygiene für Raum und Flächen
Wäsche und Abfallbeseitigung
Hygieneplan
Gesetzliche Vorgaben und wichtige Adressen
Anschrift des Herausgebers:
Verlag HELLMUT RUCK
Daimlerstraße 23
75305 Neuenbürg
www.hellmut-ruck.de
K\JLHQHBFRYHULQGG
Friederike Fütterer
ISBN 978-3-928122-04-7
Verlag HELLMUT RUCK
www.hellmut-ruck.de
Friederike Fütterer
PRAXISHYGIENE
Ein Leitfaden für Podologie und Fußpflege
www.die-hygiene-experten.de
Herausgeber: Verlag Hellmut Ruck, Neuenbürg
EXFKBK\JLHQHLQGE
Anschrift des Herausgebers:
Verlag HELLMUT RUCK
Daimlerstraße 23
75305 Neuenbürg
www.hellmut-ruck.de
Printed in Germany 2010
Druck: Biesinger-Druck, Neuenbürg
ISBN 978-3-928122-04-7
Geschützte Warennamen (Warenzeichen) werden nicht gesondert kenntlich
gemacht. Aus dem Fehlen eines solchen Hinweises kann also nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handelt. Das
Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede
Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne
Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für
Vervielfältigungen, Übersetzungen und die Einspeicherung und Verarbeitung
in elektronischen Systemen.
WICHTIGER HINWEIS
Wie jede Wissenschaft sind Medizin und Mikrobiologie ständigen Entwicklungen unterworfen. Der Leser darf zwar davon ausgehen, dass Autorin
und Verlag große Sorgfalt darauf verwendet haben, dass alle Angaben dem
Wissensstand bei Fertigstellung des Werkes entsprechen. Es kann jedoch
für solche Angaben keine dauerhafte Gewähr übernommen werden. Jeder
Benutzer ist angehalten, durch persönliche Prüfung (z. B. der Beipackzettel)
festzustellen, ob die dortigen Angaben und Empfehlungen von den Angaben
in diesem Werk abweichen. Es kann keine juristische Verantwortung sowie
Haftung in irgendeiner Form für Druckfehler, fehlerhafte Angaben und daraus
entstandene Folgen vom Verlag bzw. von der Autorin übernommen werden.
EXFKBK\JLHQHLQGE
Vorwort von Georg H. Birkner
Sie sind überall, wir tragen Millionen davon mit uns herum und nur manche
machen Probleme. Wir benötigen eine ganze Anzahl von Mikroorganismen
zum Leben. Aber allzuviele an der falschen Stelle sind ungesund. Ein intaktes Immunsystem reguliert Menge und Art unserer Keimbesiedelung in der
Regel ausgezeichnet. Ausnahmen bilden besonders aggressive Spezies
unter den Kleinstlebewesen oder ein Massenangriff, mit welchen unsere
Abwehrzellen nicht mehr fertig werden.
Sie als Behandler sollten alles tun, damit Ihre Kunden nicht belastet oder
gefährdet werden, vor allem nicht durch pathogene Hinterlassenschaften
des „Vorher-Kunden“. Dafür ist das Hygienemanagement in Ihrer Praxis zuständig. Anzahl und Umfang von Richtlinien, Gesetzen und Empfehlungen
machen es nicht gerade leicht, den Überblick zu bewahren. Mit diesem
Leitfaden möchten wir Ihnen eine klar strukturierte und praxisorientierte
Zusammenfassung relevanter Punkte an die Hand geben.
Die Autorin, Friederike Fütterer ist Diplom-Biologin, Dozentin und stellvertretende Schulleiterin an der Schule für Podologie in Neuenbürg. Die Mikrobiologie ist ihr erklärtes Spezialgebiet. Mit diesem breiten Wissen, flankiert durch
die praktischen Erfahrungen aus dem Schulalltag gelang es, aus der Vielzahl
der Vorgaben einen Extrakt zu bilden, welcher Schritt für Schritt die Abläufe
zur Keimminimierung im Praxisgeschehen erläutert. Zur Wissensvertiefung
dienen Quellenangaben und nützliche Adressen am Ende des Leitfadens.
EXFKBK\JLHQHLQGE
Seite I |
Inhaltsverzeichnis
INHALTSVERZEICHNIS
1
Grundlagen
1.1 Grundlagen der Hygiene und Mikrobiologie
Infektionsquellen und Infektionswege
2
3
4
Praxisrelevante Erreger
7
Schutz vor Infektionen
14
1.2 Grundlagen der Reinigung und Desinfektion
16
Reinigung
16
Desinfektion
17
1.3 Grundlagen der Sterilisation
19
2
22
Personenbezogene Hygiene
2.1 Hygiene des Behandlers
Händehygiene
23
Arbeitskleidung
28
Persönliche Schutzausrüstung (PSA)
29
2.2 Hygiene des Patienten
30
Fußbad
30
Hautantiseptik/Hautdesinfektion
30
Wunddesinfektion
32
2.2 Checklisten zur personenbezogenen Hygiene
3
23
33
Checklisten Hygiene des Behandlers
33
Checkliste Hygiene des Patienten
35
Instrumentenaufbereitung
36
3.1 Instrumentenvorbereitung
41
3.2 Instrumentendesinfektion
41
3.3 Spülung, Reinigung, Trocknung
43
3.4 Prüfung auf Sauberkeit, Pflege und Instandsetzung
44
EXFKBK\JLHQHLQGE
Inhaltsverzeichnis
| Seite II
3.5 Verpackung
44
3.6 Sterilisation/Thermodesinfektion
45
3.7 Freigabe zur Benutzung oder Lagerung
46
3.8 Dokumentation
48
4
50
Raum und Flächen
4.1 Grundlagen der Fußbodendesinfektion
51
4.2 Wischmethoden für den Fußboden
53
4.3 Flächendesinfektion im Behandlungsraum
57
4.4 Flächendesinfektion im Instrumentenaufbereitungsraum
60
5
62
Praxiswäsche und Abfälle
5.1 Wäsche
63
5.2 Abfälle sammeln und entsorgen
64
6
66
Hygieneplan
Literaturverzeichnis
I
Abbildungsverzeichnis
IV
Tabellenverzeichnis
V
Stichwortverzeichnis
V
Anhang
XI
Gesetzliche Vorgaben
XII
Wichtige Adressen
XV
Hygieneverordnungen nach Bundesländern
XXI
Manuelle Aufbereitung der Instrumente
XXV
Übersicht behüllte und unbehüllte Viren
XXVII
EXFKBK\JLHQHLQGE
Seite 2 |
1 Grundlagen
1 Grundlagen
EXFKBK\JLHQHLQGE
1 Grundlagen
| Seite 3
1.1 Grundlagen der Hygiene und Mikrobiologie
In keinem anderen europäischen Land gab es in den
letzten Jahren einen so rasanten Anstieg von MRSA
(Methicillin resistenter Staphylococus aureus) Infektionen wie in Deutschland. Nach Erregern suchen, anstatt
auf Infektionen zu reagieren – diese in den Niederlanden und den USA praktizierte Haltung hat dazu geführt,
dass die Zahl der MRSA-Infektionen dort stark zurückgegangen ist. Wichtigstes Instrument ist das Screening
(routinemäßige Tests) von Patienten und Personal, um
Keimträger zu erkennen und diese zu behandeln, bevor
andere Personen sich direkt oder indirekt (über kontaminierte Gegenstände) anstecken können.
r MRSA -Prophylaxe
In der podologischen Praxis ist das Screening natürlich kein gangbarer Weg, dennoch sollte klar sein, dass
jeder Gegenstand und jeder Mensch als potenzielle
Infektionsquelle gelten, so lange nicht das Gegenteil
bewiesen ist.
Abb. 1.1 Die potenziellen Infektionswege
EXFKBK\JLHQHLQGE
Seite 4 |
1 Grundlagen
Infektionsquellen und Infektionswege
T Infektionsquellen erkennen
„Das ist aber unhygienisch!“ Ein Ausspruch, den jeder
kennt und sofort weiß, da ist etwas unsauber. Was
bedeutet aber „unhygienisch“? Ist es das Gleiche wie
„unsauber“?
Im Grunde ja. Sauber heißt frei von sichtbaren Verschmutzungen, hygienisch bedeutet frei von sichtbaren und unsichtbaren Verschmutzungen. Sauberkeit
ist also ein wichtiger, grundlegender Teil der Hygiene.
Gerade die „unsichtbaren Verschmutzungen“ durch
Krankheitserreger wie Bakterien, Viren oder Pilze machen in der Praxis Probleme und rücken das Thema
„Hygiene“ mehr und mehr in den Blickpunkt. Um die
Übertragung von Infektionen zu verhindern, ist hygienisches Handeln unerlässlich.
r Infektion
Dringen Mikroorganismen wie Bakterien, Pilze, Protozoen oder Viren in einen Wirtsorganismus ein und vermehren sich dort, so spricht man von einer Infektion.
Grundsätzlich sind alle Körperöffnungen wie Atemwege, Harnwege oder Geschlechtsorgane potentielle
Eintrittspforten für Erreger. Wunden ermöglichen das
Eindringen von Mikroorganismen über die Haut oder
Schleimhaut.
r Infektionsquelle
Die Infektionsquelle stellt ein Erregerreservoir dar, von
dem eine Infektion ihren Ausgang nimmt.
Lebewesen, die einen Erreger tragen, bezeichnet man
als infiziert. Gegenstände, die mit Keimen behaftet
sind, als kontaminiert. Sehr häufig ist der Mensch
selbst die Infektionsquelle, wobei nicht nur Menschen
mit Krankheitssymptomen den Erreger weitergeben
können. Auch von verunreinigtem Wasser oder Nahrungsmitteln kann eine Infektion ihren Ausgang nehmen.
EXFKBK\JLHQHLQGE
1 Grundlagen
T Infektionswege unterbrechen
Von Patient zu Patient, von einer Körperstelle des Patienten auf eine andere, vom Patient zum Behandler,
vom Behandler zum Patient – Infektionswege, die in
der Praxis relevant sind und die es zu unterbinden gilt.
| Seite 5
r Infektionswege
Keime können direkt d. h. über Körperkontakt oder
indirekt über Gegenstände übertragen werden.
Die Keimverschleppung von Patient zu Patient erfolgt
meist durch kontaminierte Gegenstände.
Dieser häufig als „Schmierinfektion“ bezeichnete Weg
ist durch konsequente Reinigung, Desinfektion und
gegebenenfalls Sterilisation leicht zu unterbrechen
und stellt ein beherrschbares Risiko dar. Kontaminierte Gegenstände können z. B. Instrumente, Behandlungsstuhl oder Fußbecken sein.
SIXARP
Abb. 1.2  Mögliche Kontamination in der Praxis
EXFKBK\JLHQHLQGE
Seite 6 |
r Hautflora
1 Grundlagen
Schwieriger wird es bei der Verschleppung von Keimen von einer Körperstelle des Patienten auf eine
andere. Die gesunde Hautflora jedes Menschen besteht aus unterschiedlichen Mikroorganismen, die
auf der Hautoberfläche nützlich, in einer Wunde aber
infektionsauslösend sein können. Jede unabsichtlich
gesetzte Verletzung birgt deshalb das Risiko einer
Infektion. Der Behandler muss deshalb stets Sorge
tragen, die Areale, die er behandelt sorgfältig zu desinfizieren. Sterile Instrumente, die die Haut berührt
haben und dann eine Verletzung herbeiführen, können ebenso wie nicht sterilisierte Instrumente eine
Infektion auslösen. Um dieses Risiko zu mindern ist
die sorgfältige Hautantiseptik die einzig effiziente
Maßnahme.
Während der Behandlung spielt die Übertragung vom
Patient auf den Behandler eine große Rolle. Hautkontakt mit infizierter Haut, Verletzungen, Schleifstaub
oder Hautschuppen können Infektionen auslösen.
Geeignete Schutzmaßnahmen können hier Abhilfe
schaffen.
Auch der Behandler kann zum Infektionsrisiko für
den Patienten werden, wenn er Träger von infektiösem Material ist. Entweder leidet er selbst unter einer
Infektionskrankheit oder er überträgt Keime, die von
einem anderen Patienten stammen. Besonders die
Hände sind unter dem Gesichtspunkt des Infektionsschutzes von besonderer Bedeutung. 90% der
nosokomialen Infektionen d.h. im Krankenhaus oder
in medizinischen Einrichtungen erworbenen Infektionskrankheiten werden durch die Hände übertragen.
Händehygiene ist die wichtigste Hygienemaßnahme,
vorausgesetzt sie wird konsequent und richtig angewendet.
EXFKBK\JLHQHLQGE
1 Grundlagen
| Seite 7
Praxisrelevante Erreger
Klein, fein und gemein – Bakterien, Viren, Pilze
Wir sehen sie nicht mit bloßem Auge, aber sie sind trotzdem vorhanden – Mikroorganismen.
Apathogene (nicht-krankmachende) und pathogene
(krankmachende) Kleinstlebewesen tummeln sich überall. „Die guten ins Töpfchen, die schlechten ins Kröpfchen“ das hat sich schon Aschenputtel ausgedacht,
aber leider ist das nicht so einfach.
Wie schnell und wie stark sich ein Erreger ausbreitet,
hängt neben der Abwehrlage des Wirtes ganz entscheidend von der Virulenz (Aggressivität) des Erregers ab.
Dazu besitzen Keime unterschiedliche Virulenzfaktoren wie Enzyme oder Toxine. Sind die Virulenzfaktoren
so ausgelegt, dass ein Erreger immer in der Lage ist,
eine Infektion auszulösen, so bezeichnet man diesen
Erreger als obligat pathogen. Andere Keime hingegen
sind fakultativ pathogen d. h. sie können nur dann eine
Erkrankung auslösen, wenn die Bedingungen für sie
geeignet sind oder wenn der Wirt ihnen aufgrund einer
schwachen Abwehrlage die Möglichkeit dazu bietet.
Solche Keime werden auch als opportunistische Keime
bezeichnet.
r Virulenz
T Bakterien
Staphylococcus aureus, Streptococcus pyogenes,
Pseudomonas aeruginosa.
Staphylococcus aureus verursacht eitrige Haut, Schleimhaut-, und Wundinfektionen. Jede zweite Wundinfektion
ist derzeit auf Staphylococcus aureus zurückzuführen.
Das Bakterium ist sehr widerstandsfähig und konnte
noch nach 160 Tagen im Staub lebend nachgewiesen
werden (Grünewald, 2001, S. 151). Besonders gefährdet sind vor allem immungeschwächte Personen, alte
Menschen oder Diabetiker.
EXFKBK\JLHQHLQGE
r Bakterien –
Staphylococcus
aureus
Seite 8 |
1 Grundlagen
Abb. 1.3 Staphylococcus aureus
r MRSA
Auch ohne Krankheitszeichen tragen 20 bis 50 %
der Erwachsenenbevölkerung diesen Keim auf Haut
oder Schleimhaut, bevorzugt im Nasen- und Rachenraum, aber auch im Stirnbereich sowie am Haaransatz
(Grünewald, 2001, S. 151). Gelangt der Erreger jedoch in eine Wunde, so vermag er eine Wundinfektion
auszulösen. Vor allem beim Berühren und Versorgen
einer Wunde und beim Verbandwechsel besteht die
Gefahr einer Infektion. Händedesinfektion aber auch
Instrumenten- und Flächendesinfektion mit einem
bakteriziden Desinfektionsmittel sind deshalb wichtige vorbeugende Maßnahmen.
Ein großes Therapieproblem stellen mittlerweile methicillin-resistente Staphylococcus aureus-Stämme –
häufig auch als multi-resistente Staphylococcus
aureus bezeichnet – (MRSA) dar. Diese Bakterien
sind unempfindlich gegenüber vielen Antibiotika. Eine
Resistenz gegenüber Desinfektionsmitteln besteht
jedoch nicht, denn deren Inhaltsstoffe greifen nicht
wie Antibiotika in den Stoffwechsel der Bakterien ein,
sondern zerstören direkt die Struktur des Bakteriums.
Streptococcus pyogenes verursacht eitrige Lokalinfektionen im Nasenrachenraum wie z. B. Angina, ist
aber auch ein häufiger Erreger von Hautinfektionen.
EXFKBK\JLHQHLQGE
1 Grundlagen
Die Übertragung erfolgt durch Tröpfcheninfektion
infolge von Husten oder Niesen, aber auch durch
direkten Hautkontakt. Der Keim ist gegenüber Umwelteinflüssen längst nicht so widerstandsfähig wie
Staphylococcus aureus, kann aber auch einige Tage
im Staub oder infiziertem Material überleben. Durch
Desinfektionsmittel sind Streptokokken einfach abzutöten.
Problematisch können die Spätfolgen einer Streptokokkeninfektion wie Myokarditis (Herzmuskelentzündung) oder Glomerulonephritis (Nierenentzündungen) sein.
Pseudomonas aeruginosa verursacht eitrige Lokalinfektionen mit charakteristischer blaugrüner Eiterbildung bis hin zur Sepsis (= Blutvergiftung), besonders
bei Verbrennungswunden. Es handelt sich um einen
sehr anspruchslosen Keim, der meist im Wasser vorkommt. Waschbecken, Luftbefeuchter, Waschlappen
und Reinigungsutensilien bieten ihm die geeigneten
Lebensbedingungen. Die Übertragung erfolgt durch
direkten Kontakt oder kontaminierte Gegenstände.
Der Erreger zeigt oft ausgeprägte Resistenzen gegenüber Antibiotika. In der podologischen Praxis ist deshalb dem Nassbereich (Fußbecken, Waschbecken)
besondere Aufmerksamkeit hinsichtlich einer korrekten Desinfektion zu schenken.
| Seite 9
r Bakterien –
Streptococcus
pyogenes
r Bakterien –
Pseudomonas
aeruginosa
T Viren
Papilloma-Viren, Hepatitis-Viren, HI-Viren
Humane Papilloma-Viren (HPV) sind Auslöser für
meist gutartige Neubildungen, die man Warzen (=
Verrucae) nennt. Bisher sind über 70 verschiedende
Typen bekannt.
Einige bösartige Neubildungen wie das Zervixkarzinom der Frau werden mit bestimmten Papilloma-Viren
in Zusammenhang gebracht. Auch die Entstehung
von Hautkrebs durch HPV wird diskutiert.
EXFKBK\JLHQHLQGE
r Papilloma-Viren
Seite 10 | 1 Grundlagen
Abb. 1.4 Papilloma-Virus
r Warze
r Hepatitis-Viren
EXFKBK\JLHQHLQGE
Das HPV dringt in eine in der Tiefe der Oberhaut liegende lebende Zelle ein, woraufhin diese neue Viren
produziert. Gleichzeitig verändert sich die Hautzelle und
beginnt nun sich vermehrt und ungeregelt zu teilen. Eine
Neubildung in Form einer Warze entsteht.
In den Zellen der Warze sind Viren enthalten, die wieder
neue Hautzellen im selben Körper oder auch bei einem
anderen Menschen infizieren können. So hinterlässt beispielsweise ein warzenbehafteter Fuß virenhaltige Zellen
auf dem Boden, die auf der Haut einer anderen Person
wieder eine Infektion auslösen können. In der podologischen Praxis muss davon ausgegangen werden, dass
jede Oberfläche, die mit Warzen in Berührung gekommen ist, mit Papilloma-Viren kontaminiert wurde. Dies
gilt auch für die Hände des Behandlers. Papilloma-Viren
werden durch den natürlichen Abtrag von Hautzellen in
die Umgebung abgegeben. Eine Verletzung des Gewebes ist hierfür nicht notwendig, ebenso wenig blutende
Hautverletzungen im Bereich des Warzengewebes. Blut
enthält keine Papilloma-Viren, sondern wird selbst beim
Austritt mit Warzenviren kontaminiert. Mit dem kontaminierten Blut jedoch können die Erreger weitertransportiert werden. Blut stellt also einen Vektor für die HPV dar.
Ursache einer Virus-Hepatitis können verschiedene
Viren sein. Aufgrund der verschiedenen Infektionswege stellt man die durch Nahrungsmittel oder fäkal-
1 Grundlagen | Seite 11
Abb. 1.5 Warze
orale Schmierinfektion übertragenen Hepatitiden den
durch Blut-zu-Blut-Kontakt weitergegebenen Transfusionshepatitiden gegenüber.
In der Podologie sind vor allem die mit dem Blut übertragenen Hepatitis-B, -C und -D-Viren von Bedeutung,
weil in der Praxis durch Stich- oder Schnittverletzungen jederzeit die Möglichkeit besteht, direkt mit Blut
in Kontakt zu kommen. Auch Eiter enthält diese Viren
und stellt jederzeit für den Behandler eine Infektionsquelle dar. Kontaminiertes Instrumentarium gefährdet
vor allem andere Patienten. Eine Impfung gegen das
Hepatitis-B-Virus (HBV) stellt zusammen mit der Vermeidung einer Infektion durch das Tragen von Handschuhen einen wirkungsvollen Schutz dar. Bei der
Auswahl der Desinfektionsmittel ist darauf zu achten,
dass diese auch gegen Hepatitisviren wirksam sind.
AIDS (erworbenes Immunschwäche- Syndrom) wird
durch das Humane Immunschwäche Virus (HIV) ausgelöst. Dieses Virus wird durch Blut, Samenflüssigkeit, Vaginalsekret oder Speichel übertragen und befällt spezielle Abwehrzellen im Blut (T4-Helferzellen).
Dadurch wird das Immunsystem so geschwächt, dass
der Körper Krankheitserregern wehrlos ausgeliefert
ist. Auch harmlose Erreger können dann schwerwiegende Infektionen auslösen, die dann auch zum Tode
führen. Die Zeit zwischen Infektion und dem Auftreten
EXFKBK\JLHQHLQGE
r HI-Virus
Seite 12 | 1 Grundlagen
von Krankheitssymptomen (= Inkubationszeit) kann
bei diesem Virus mehrere Jahre dauern. Leider verfügt
die Medizin bisher nicht über eine Schutzimpfung gegen HIV, so dass auch hier die Expositionprophylaxe
d. h. die Meidung von Infektionsquellen den einzigen
Schutz darstellt. Die Behandlung von AIDS macht
zwar große Fortschritte, aber heilbar ist diese Krankheit noch nicht.
T Pilze
Dermatophyten, Hefen, Schimmelpilze.
In der Medizin werden die Pilze nach dem DHS-System eingeteilt.
DHS bedeutet: Dermatophyten oder Fadenpilze
Hefen oder Sprosspilze
Schimmelpilze
Krankheiten, die durch Pilze ausgelöst werden, bezeichnet man als Mykosen.
r Pilze –
Dermatophyten
Dermatophyten sind spezialisiert zum Wachstum
in Haut, Haaren und Nägeln, da sie über Enzyme
(= Keratinasen) verfügen, die das Keratin der Haut
auflösen können. Sie zeichnen sich durch sehr langsames Wachstum bei Temperaturen um 25 °C aus.
Dermatophyten werden nicht über den Blutweg im
Körper weiterverbreitet und lösen deshalb auch keine
systemischen Mykosen aus, sie besitzen kein allergenes Potenzial und produzieren auch keine Pilzgifte
(= Mykotoxine).
Die wichtigsten Vertreter der Dermatophyten sind
– Trichophyton rubrum:
Weltweit der beim Menschen am häufigsten
vorkommende Dermatophyt. (Tietz, Ulbricht,
1999, S. 73). Die Übertragung erfolgt direkt von
Mensch zu Mensch oder indirekt durch kontaminierte Gegenstände.
EXFKBK\JLHQHLQGE
1 Grundlagen | Seite 13
– Trichophyton mentagrophytes:
Die Übertragung erfolgt direkt vom Tier
zum Mensch oder über kontaminierte
Gegenstände aber auch durch Haustiere
wie Meerschweinchen, Kaninchen, Hamster.
Sporen überleben Jahre.
Abb. 1.6 Trichophyton rubrum
Hefen sind Auslöser von Haut- und Nagelmykosen
sowie Schleimhautmykosen z. B. im Verdauungstrakt.
Die Verbreitung der Hefepilze kann über den Blutweg
erfolgen und systemische Mykosen wie z. B. Pneumonie, Arthritis, Meningitis bei abwehrgeschwächten
Menschen auslösen. Hefen sind meist fakultativ pathogen d. h. es muss eine besondere Empfänglichkeit
des Patienten für diese Erreger vorliegen (Veränderung der bakteriellen Normalflora, Stoffwechselerkrankungen oder hormonelle Veränderungen).
r Pilze –
Hefen
Der wichtigste Vertreter der Hefen ist
– Candida albicans:
Häufigster Verursacher von Hefepilzinfektionen
der Haut, Nägel und Schleimhäute. Die Übertragung erfolgt von Mensch zu Mensch oder auch
als Autoinfektion.
EXFKBK\JLHQHLQGE
Seite 14 | 1 Grundlagen
r Pilze –
Schimmelpilze
Schimmelpilze sind selten Auslöser von Haut- oder
Nagelmykosen, können aber als Sekundärinfektion
auf vorgeschädigter Haut Mykosen auslösen. Sie
bilden zahlreiche Sporen, die ein hohes allergenes
Potenzial besitzen. Außerdem bilden sie starke Mykotoxine.
Die wichtigsten Schimmelpilze sind:
– Scopulariopsis brevicaulis kann Nagelmykosen
v. a. der Großzehen auslösen, da er Keratinasen
besitzt.
– Aspergillus fumigatus besitzt ein hohes allergenes
Potenzial, löst aber in der Regel keine primären
Infektionen der Haut oder Nägel aus. Erregerreservoire sind Blumentöpfe über Heizkörpern,
Heu, Kompost, Müll, verdorbenes Getreide oder
Backwaren.
Schutz vor Infektionen
Um eine Infektion zu verhindern, gilt das Fernhalten
von der Infektionsquelle immer als der beste und wirkungsvollste Schutz. Häufig ist die Infektionsquelle
jedoch nicht bekannt oder nicht zu umgehen (Händedruck, Verletzungen, Operationen). Deshalb verfügt der
menschliche Körper über eine Vielzahl von Abwehrmechanismen, die in ihrer Gesamtheit als Abwehrsystem
(Immunsystem) bezeichnet werden.
Dringen Erreger in den Körper ein, so müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein, damit eine Infektionskrankheit entstehen kann. Vor allem die Anzahl der
Erreger spielt hierbei eine wichtige Rolle: eine geringe
Anzahl von Keimen wird von unserem Abwehrsystem
ohne große Probleme unschädlich gemacht. Ist die Zahl
der Erreger jedoch sehr hoch, so ist die Wahrscheinlichkeit zu erkranken relativ groß. Der Hygiene kommt
deshalb eine besondere Bedeutung zu, da sie auf jeden
Fall eine Keimreduzierung erreicht.
EXFKBK\JLHQHLQGE
1 Grundlagen | Seite 15
Ein wirkungsvoller Schutz vor Infektionen sind Impfungen. Grundsätzlich werden 2 verschiedene Verfahren
unterschieden:
T Aktive Immunisierung (Schutzimpfung):
Das Verfahren der aktiven Immunisierung stellt immer eine vorbeugende Maßnahme dar und hat zum
Ziel, den Körper immun gegen einen Erreger zu machen. Die Immunität wird dadurch erreicht, dass der
Körper aktiv Antikörper gegen einen bestimmten
Erreger bzw. dessen Oberflächenmerkmale (Antigene) bildet, sobald er damit in Kontakt kommt.
Diese Antikörper bieten dann einen Schutz bei einer neuerlichen Infektion. Die Antikörperbildung,
die mehrere Tage oder auch Wochen dauern kann,
wird durch das Verabreichen von abgeschwächten
Erregern oder Erregerbruchstücken ausgelöst. Häufig
müssen mehrere Impfungen in einem bestimmten
zeitlichen Abstand verabreicht werden, um eine ausreichende Antikörperbildung zu gewährleisten.
Auffrischimpfungen, die in der Regel alle 10 Jahre
erfolgen sollten, erhalten dann die Immunität aufrecht.
r Schutzimpfung
T Passive Immunisierung:
Im Falle einer bereits erfolgten Infektion oder bei dem
Verdacht auf eine Infektion, also postexpositionell,
besteht bei einigen Erregern die Möglichkeit, direkt
Antikörper von anderen Menschen, Tieren oder auch
gentechnisch gewonnene, zu übertragen. Diese als
Hyperimmunseren bezeichneten Impfstoffe sind jedoch zeitlich nur begrenzt wirksam, da die Fremdantikörper nach einigen Wochen wieder abgebaut
werden.
Die Impfempfehlungen der ständigen Impfkommission am Robert Koch Institut (STIKO) werden ständig
aktualisiert und können im Internet unter www.rki.de
eingesehen werden.
EXFKBK\JLHQHLQGE
Seite 16 | 1 Grundlagen
Die aktive Immunisierung ist eine prophylaktische
Maßnahme, die einen langandauernden Schutz gewährleistet.
Die passive Immunisierung bietet dagegen einen
Sofortschutz, der aber nur kurze Zeit anhält.
1.2 Grundlagen der Reinigung und Desinfektion
Abb. 1.7 Reinigung und Desinfektion
Als Antiseptik bezeichnet man alle Maßnahmen, die
einer Keimverminderung dienen. Das maximal erreichbare Ziel ist die Asepsis d.h. die völlige Keimfreiheit.
Alle Hygienemaßnahmen sind antiseptische Maßnahmen.
Reinigung
Das einfachste antiseptische Verfahren ist die Reinigung. Reinigung bedeutet die Entfernung von sichtbaren Verschmutzungen.
Desinfektion
Die Desinfektion (Entkeimung) bewirkt die Abtötung,
Reduzierung und Inaktivierung von Krankheitserregern
mit dem Ziel, das Objekt in einen nicht infektiösen Zustand zu versetzen. Durch eine wirksame Desinfektion
EXFKBK\JLHQHLQGE
1 Grundlagen | Seite 17
wird die Anzahl der Keime soweit verringert, dass von
ursprünglich 100 000 Keimen nur 1 Keim übrig bleibt
(„Reduktion um 5 log-Stufen“).
T Desinfektionsverfahren
Die verschiedenen Desinfektionsverfahren arbeiten
mit chemischen Substanzen oder mit physikalischen
Parametern wie Hitze oder Strahlung. Aus Sicht des
Gesundheits- und Umweltschutzes ist den physikalischen Verfahren der Vorzug zu geben, was aber nicht
immer praktikabel ist.
T Anwendungsbereiche von Desinfektionsmitteln
– Haut- und Händedesinfektion:
meist auf alkoholischer Basis
– Flächendesinfektion (kleine Flächen):
meist auf alkoholischer Basis
– Flächendesinfektion (große Flächen):
meist quaternäre Ammoniumverbindungen
– Instrumentendesinfektion:
meist quaternäre Ammoniumverbindungen
– Für jede Anwendung muss ein spezielles Mittel
verwendet werden.
T Wirkspektrum von Desinfektionsmitteln
– Bakterizid (bakteriozid): wirkt bakterienabtötend
– Tuberkulozid: tötet Tuberkulosebakterien ab
– Fungizid: tötet Pilze ab
– (Levurozid: tötet Hefepilze ab)
– Begrenzt viruzid: inaktiviert behüllte Viren
– Viruzid: inaktiviert unbehüllte und behüllte Viren
– Es dürfen nur Mittel verwendet werden, die in der
VAH-Liste erfasst sind.
T Desinfektionsmittel-Listen
– Robert Koch-Institut (RKI)
www.rki.de/Desinfektionsmittelliste
– Verbund für angewandte Hygiene (VAH)
www.vah.de/Desinfektionsmittelliste
EXFKBK\JLHQHLQGE
r DesinfektionsmittelListen
Seite 18 | 1 Grundlagen
– IHO-Viruzidie-Liste
www.iho-viruzidie-liste.de
T Anforderungen an Desinfektionsmittel
– Haut- und Händedesinfektion
Bakterizid, fungizid, begrenzt viruzid (RHP),
in einigen Bundesländer viruzid oder mindestens
wirksam gegen Warzenviren
– Flächendesinfektion
Bakterizid, fungizid, begrenzt viruzid,
Wirksamkeit gegen Warzenviren ist zu
beachten (RHP, DGKH)
– Instrumentendesinfektion
Bakterizid, fungizid,
viruzid, wenn Desinfektion der letzte Schritt der
Aufbereitung
begrenzt viruzid, wenn nach Desinfektion noch
Sterilisation folgt
T Ansetzen, Standzeiten und Umfüllen von
Desinfektionsmitteln (DM).
– Desinfektionsmittelkonzentrate werden nach
Angaben auf der Verpackung verdünnt.
– Die Einwirkzeit und das Erregerspektrum sind zu
beachten.
– Die Herstellung der gebrauchsfertigen Lösung
erfolgt mit kaltem Wasser und einer Dosierhilfe.
– Die Standzeiten (wie lange darf eine angesetzte,
nicht benutzte DM-Lösung verwendet werden)
sind zu beachten. Benutzte Lösungen sind mindestens arbeitstäglich zu wechseln.
Gebrauchsfertige Lösungen werden direkt aus dem
Behältnis verwendet.
Desinfektionsmittel möglichst nicht umfüllen – Verwechslungsgefahr und Kontaminationsgefahr. Händedesinfektionsmittel dürfen nicht umgefüllt werden.
EXFKBK\JLHQHLQGE
1 Grundlagen | Seite 19
1.3 Grundlagen der Sterilisation
Die gesamte Entwicklung von Vorschriften und Verfahren zur Sterilisation ist durch den Konflikt zwischen dem
Anspruch der Herstellung eines absoluten Zustandes
und dessen praktischer Realisierbarkeit gekennzeichnet. (Kramer, Assadian, 2008, S. 41)
Sterilisation ist die irreversible Inaktivierung aller vermehrungsfähigen Mikroorganismen.
Die häufig gebrauchte Formulierung: „Sterilisieren heißt
keimfrei machen“ ist falsch. Im Regelfall werden vorhandene Mikroorganismen nicht entfernt, sondern meist nur
inaktiviert d. h. die „Reste“ der Mikroorganismen sind
immer noch vorhanden. Solche abgetöteten Bakterien
oder deren Stoffwechselprodukte werden als Pyrogene
(fiebererzeugende Stoffe) bezeichnet.
Gelangen Pyrogene in größeren Mengen in den
menschlichen Körper, so reagiert dieser auf diese Stoffe
mit einer Kaskade von Entzündungsmediatoren, die
im ZNS Fieber und in anderen Organen dramatische
Veränderungen auslösen. Alles Material, das direkt oder
indirekt in den Körper gelangt, muss deshalb nicht nur
steril, sondern auch pyrogenfrei sein (z. B. Implantate,
Infusions- und Injektionslösungen, aber auch Spritzen,
Kanülen, Venenkatheter und Infusionsschläuche) (Hof,
Dörries, 2009, S. 687).
EXFKBK\JLHQHLQGE
Seite 20 | 1 Grundlagen
Thermoresistenz von Mikroorganismen
Bei den Mikroorganismen werden verschiedene Resistenzstufen gegenüber Wasserdampf unterschieden:
Von einer Sterilisation kann nur gesprochen werden,
wenn Bakterien der Resistenzstufe 3 irreversibel inaktiviert werden (Hof, Dörries, 2009, S. 688).
Resistenzstufe
Mikroorganismen
Resistenzstufe 1:
Inaktivierung bei 100 °C
in Sekunden bis Minuten
– Alle Bakterien, die nicht zur
Sporenbildung befähigt sind
– Alle Pilze inklusive ihrer Sporen
– Alle Viren
– Alle Protozoen und höhere
Organismen
Resistenzstufe 2:
Inaktivierung bei 100 °C
in 5 Minuten
– Milzbrandsporen
Resistenzstufe 3:
Inaktivierung bei 100 °C,
1 bar, erst nach 10 Stunden.
Oder
Inaktivierung bei 121 °C,
2 bar, in 10- 20 Minuten.
Oder
Inaktivierung bei 134 °C,
3 bar in 5 Minuten.
– Mesophille Erdsporen inklusive
pathogener anaerober.
– Sporenbildner (Clostridien
der Gasbrandgruppe,
Tetanuserreger).
Tabelle 1.1: Thermoresistenz von Mikroorganismen (Eigene Darstellung)
Sterilisationsverfahren in der Praxis
T Thermische Sterilisation mit trockener Luft
(Heißluftsterilisation)
Heißluft von 180 °C kann innerhalb von 30 Minuten
die Inaktivierung aller Mikroorganismen herbeiführen
(Gesamtbetriebszeit 60 Minuten, inkl. Aufheiz- und
Abkühlphase). Bei 200 °C verkürzt sich die Sterilisationszeit auf 10 Minuten. Bei einer Temperatur von
160 °C hingegen verlängert sich die Einwirkzeit auf
3,5 Stunden.
Dieses Verfahren ist nur einsetzbar bei hitzestabilen
Materialien (Glas-, Keramik- und Metallartikel, Puder,
Fette und Öle). Nicht geeignet sind Textilien, Flüssigkeiten und Kunststoffe.
EXFKBK\JLHQHLQGE
1 Grundlagen | Seite 21
T Thermische Sterilisation mit feuchter Luft
(Dampfsterilisation)
Heißer Wasserdampf ist wesentlich wirksamer als trockene Wärme gleicher Temperatur, weil sein Energiegehalt (Wärmekapazität) größer ist. Bakteriensporen
quellen durch die Feuchtigkeit und werden dadurch
empfindlicher.
Um die Temperatur des gesättigten Wasserdampfes auf die erforderliche Sterilisationstemperatur zu
bringen, muss er unter Druck gesetzt werden. Hierzu
benötigt man einen Dampfsterilisator (Autoklav). Bei
einem Druck von 2 bar erhitzt sich der Dampf auf
121 °C. Die Einwirkzeit beträgt 20 Minuten. Wird der
Druck auf 3 bar erhöht (134 °C) verkürzt sie sich auf
5 Minuten.
Ein Sterilisationseffekt ist nur zu erwarten, wenn keine Luft (Vakuum) vorhanden ist. Die Entfernung der
Luft aus dem Sterilisationsbereich durch Absaugen
oder Austreiben gehört zum technischen Vorgang
des Autoklavierens.
Auch thermolabilere Materialien wie Flüssigkeiten,
Kunststoffartikel und Textilien können behandelt werden. Zur Verpackung eignen sich Metallbehälter, die
allerdings Öffnungen zum Auslass der Luft und zum
Einlass des Dampfes haben müssen oder dampfdurchlässige Papiere, Folien oder Tücher.
Durch den Wasserdampf wird das Sterilgut feucht
und muss unbedingt vor der Lagerung getrocknet
werden. Bei manchen Geräten (S-Autoklav oder
N-Autoklav mit aktiver Trocknung) kann nach dem
Sterilisationsvorgang noch ein Trockenvorgang angeschlossen werden.
EXFKBK\JLHQHLQGE
r Vorteil
r Nachteil