Öffentliche Räume - Mobilité pour tous

Transcrição

Öffentliche Räume - Mobilité pour tous
Nr. 1/08, januar 200
2008
Wenn
Nachhaltigkeit
auf die Strasse
geht
Öffent l i c h e R äu m e : O h n e e c h t e
Leben s r ä u m e k e i n e I n t e g r a t i o n
Gelungen sind öffentliche Bereiche, wenn sie allen zugänglich sind und
Gesundheit sowie soziale Bindung fördern. Seite 2
Burgdorf, Stadt der Fussgänger
Erfahren Sie im Gespräch mit der Projektleiterin „Verkehr und Umwelt“
der städtischen Baudirektion mehr über die vorbildlichen Massnahmen
zur Erschliessung des öffentlichen Raums für alle. Seite 7
Editorial
Öffentliche Räume: Ohne echte
Lebensräume keine Integration
Der öffentliche Raum muss schon in der Gestaltung einer Vielfalt von
Nutzungsmöglichkeiten und Nutzern Rechnung tragen. Tatsache ist,
dass öffentliche Bereiche heute nicht immer als „Lebens“-Räume
konzipiert sind. Die Gemeinden müssen lernen, diese Flächen wieder aufzuwerten, sonst besteht die Gefahr, dass sie die Ausgrenzung
fördern.
Besser leben in einer wohlbedachten Umgebung
Ökoquartiere sind „in“. So pilgern Jahr
für Jahr mehr Menschen nach Freiburg
im Breisgau (D), um den Stadtteil Vauban
und seine Entwicklung mit eigenen Augen
zu sehen und zu verstehen.
equiterre stellt eine einfache Gleichung auf: Will man die Stadtflucht und die
Zersiedelung der Landschaft durch den
Bau neuer Einfamilienhäuser verhindern,
muss man die Lebensqualität in der Stadt
verbessern und den Menschen (wieder)
Lust auf das Leben in der Stadt machen.
Dazu gehört eine Wiederaufwertung der
Natur in der Stadt, aber auch die Schaffung von Orten zur Förderung der sozialen
Bindung zwischen den unterschiedlichen
Bevölkerungsgruppen. Es müssen – in
jedem Sinne – nachhaltige Quartiere entstehen, in denen der Dimension „Soziales
und Gesundheit“ der grösste Stellenwert
zukommt, wird sie doch in der Nachhaltigkeitsdebatte häufig vernachlässigt.
Was muss getan werden? Besonders
gilt es, die Strategien der öffentlichen
Hand auf allen institutionellen Ebenen
kohärenter zu machen, wenn es um die
Schaffung allen unmittelbar zugänglicher öffentlicher Räume geht. Der Bund
muss die richtigen Anreize geben, wie er
es bereits tut. Wichtigster strategischer
Bestandteil von Agglomerationsprojekten sollten die (Wieder )Aufwertung des
öffentlichen Raums und der Langsamverkehr sein, bei denen die Gemeinden
„am gleichen Strick ziehen“ müssen. Und
schliesslich muss bei der Gestaltung dieser Bereiche auf Qualität und Zugänglichkeit für alle geachtet werden.
Abschliessend sind wir nach wie vor
der Meinung, dass sich Behörden, Städteplaner und Einwohnerschaft gleichermassen an der Einrichtung öffentlicher
Flächen beteiligen sollten. Nur so lässt
sich gewährleisten, dass sie von den Nutzern angenommen werden, allen ein Gefühl von mehr Sicherheit vermitteln und
überdies als gemeinsame Räume respektiert werden.
Natacha Litzistorf
Geschäftsleiterin von equiterre
Der öffentliche Raum gehört allen
Der öffentliche Raum erfüllt eine wesentliche Funktion für die Bevölkerung.
Sich darin zu bewegen und aufzuhalten
gibt ein Gefühl der Zugehörigkeit, was für
die Integration des Einzelnen in der Gesellschaft grundlegend ist. Spazierengehen,
sich zur Arbeit begeben, Geschäfte aufsuchen, sich im Park entspannen oder auf einem Platz Freunde treffen sind vielfältige
Möglichkeiten, den öffentlichen Raum zu
nutzen, und sind für den Menschen Baustein seiner Identität. Daher ist es wesentlich, dass die Vielfalt dieser Nutzungen und
Bedürfnisse im öffentlichen Raum Ausdruck findet.
Der öffentliche Raum als Vektor für die
soziale Bindung
„Haus der Gemeinschaft“ und Niemandsland zugleich - der öffentliche Raum
ist eine der wichtigsten Begegnungsstätten, wo wir unsere sozialen Kontakte
pflegen können. Hier müssen wir unser
Bedürfnis ausleben können, Beziehungen
aufzubauen, am gemeinschaftlichen Leben
teilzunehmen, uns mitzuteilen und auszutauschen, weil wir uns sonst ausgegrenzt
und allein fühlen. Mit der Gestaltung von
öffentlichen Bereichen, die Mobilität und
gesellschaftlichen Kontakt fördern, kann
zudem der Ausgrenzung und Marginalisierung entgegengewirkt werden, die soziale,
wirtschaftliche und kulturelle Ursachen
haben.
Zerstückelter öffentlicher Raum
Leider entspricht die Wirklichkeit nicht
immer dem Ideal eines integrativen öffentlichen Raums.
So sieht man immer häufiger verkommene oder mutwillig zerstörte Einrichtungen, sowie Bereiche, denen die öffentliche
Hand durch eine zunehmende „Museifizierung“1 ihren ursprünglichen Zweck genommen hat.
In den Vorstädten und Randgebieten,
wo mehr Wert auf Privatflächen und Wohnbauten gelegt wird, sucht man öffentliche
Räume oft vergeblich. Darüber hinaus
entstehen auf Initiative des Privatsektors
immer mehr neue „halböffentliche Räume“
wie Einkaufszentren und Freizeitparks,
die, eingezwängt zwischen Parkplätzen
und Zugangsstrassen, keinen Anschluss
an wirkliche Lebensräume haben.
Der Kontrast zwischen städtischen
Zentren und peripheren Gebieten ist die
Folge einer Politik der funktionalen Raumaufteilung. So kommt es nicht selten vor,
dass Herr Schweizer in Zug wohnt, in
Zürich arbeitet und am Wochenende im
Einkaufszentrum von Dübendorf shoppen
geht. Verbindende Massnahmen zwischen
den einzelnen Zonen gibt es, wenn überhaupt, vor allem für den motorisierten
Individualverkehr.
Öffentlicher Raum und Autonomie
Tatsache ist, dass die Aufteilung der
hiesigen Flächen den Bedürfnissen von
Fussgängern nicht immer gerecht wird.
Obwohl sie die am meisten gefährdeten
Verkehrsteilnehmer sind, bleiben sie in der
Städteplanung häufig unberücksichtigt,
umso mehr, wenn es sich um Personen
mit eingeschränkter Mobilität handelt (vgl.
Tabelle im nebenstehenden Kasten). Daher wird die Fortbewegung im öffentlichen
Raum für diese Personen mitunter zum
beunruhigenden und unbequemen Hindernislauf2. Der Beweis: der Fussgänger
ist heute der Strassenverkehrsteilnehmer
mit den meisten Unfällen, wobei ein Drittel aller schwer verletzten oder getöteten
Fussgänger älter als 64 Jahre ist.3
1 Man denke nur an die Fussgängerzonen verschiedener Stadtzentren, die vorrangig für Touristen und/ oder für
Kunden von Luxusboutiquen konzipiert wurden.
2 Auch die Zugänglichkeit von Gebäuden und Wohnungen ist wesentlich, da viele Personen mit eingeschränkter
Mobilität ihr Zuhause sonst nicht verlassen und wichtige Geschäfte und Dienste nicht in Anspruch nehmen können. Das ist jedoch unabdingbar, will man ein selbstständiges Leben führen.
3 Esther Walter et al., Fussvekehr. Unfallgeschehen, Risikofaktoren und Prävention, Sicherheitsdossier Nr. 03,
Schweizerische Beratungsstelle für Unfallverhütung bfu und Fonds für Verkehrssicherheit FVS, 2007. Als pdf
erhältlich unter: http://www.bfu.ch/PDFLib/972_22473.pdf
2/8
Die Strassenüberquerung - kritischer Moment der Fortbewegung zu Fuss - kann mit tempodrosselnden Massnahmen, wie zum Beispiel einer
signalisierten Einengung der Fahrbahn, gesichert werden.
Wegen der fehlenden Anpassung von
öffentlichen Anlagen an ihre Mobilitätsbedürfnisse sind ältere Menschen, Rollstuhlfahrer, Personen mit Gehhilfen, Krücken
oder Gehstöcken, Blinde und Sehbehinderte, Taube und Hörbehinderte bisweilen den
Risiken von Bewegungsmangel, Einsamkeit und Autonomieverlust ausgesetzt.
Dadurch lässt sich der Bezug zwischen
gut konzipierten öffentlichen Anlagen und
gesünderen Mitgliedern einer Gemeinschaft erklären: Leicht zugängliche, benutzerfreundliche und sichere Anlagen laden
zum Gehen ein, die einfachste Methode,
um fit zu bleiben, sich etwas Gutes zu tun
und gesellschaftliche Kontakte zu pflegen.
Die positiven Folgen für die Gesundheit
betreffen sowohl das körperliche als auch
das psychische Wohlbefinden.
(Fortsetzung, Seite 4)
Die Tabelle rechts zeigt die unterschiedlichen Arten von Personen
mit eingeschränkter Mobilität im
Überblick und gibt eine Schätzung
ihrer Zahl in der Schweiz. Sie werden
feststellen, dass wir alle Personen
mit eingeschränkter Mobilität sein
könnten oder es mit steigendem
Alter werden.
Personen mit eingeschränkter Mobilität
Anzahl in der Schweiz
Blinde Menschen
6’000
Taube Menschen
8’000
Kleine Menschen (
als 1,50m)
Rollstuhlfahrer
Schwangere
9’000
35-40’000
53’000 /Jahr
Ältere Menschen mit Gehhilfen
65’000
Sehbehinderte Menschen
80’000
Begleiter von Personen ohne/ mit
geringer Autonomie
150’000
Ältere Menschen mit Gehstock
170’000
Eltern mit Kinderwagen
500’000
Eltern, die ein Kind tragen
650’000
Hörbehinderte Menschen
700’000
Kinder (0-12 Jahre)
975’000
Unfallgeschädigte (mit Krücken, Schienen, ...)
mit vorübergehend eingeschränkter Mobilität
1’000’000 /Jahr
Durch MP3-Player oder Natel
„behinderte“ Personen
5’500’000
Menschen mit Einkaufstaschen
Alle
Menschen mit Gepäck
Alle
Quelle: „Un espace public pour tous : guide pour une planification cohérente“, Igor Moro und Gaëlle Haeny,
equiterre, Genf, 2007, 120 S. (nur in frz. Sprache)
3/8
Um die Kapazitäten der Gemeinden
zu stärken, öffentliche, für alle zugängliche Anlagen zu schaffen, hat
equiterre die Wegleitung „Un espace
public pour tous“ (Öffentlicher Raum
zugänglich für alle) für Gemeinden und Städteplaner veröffentlicht
(weitere Informationen Seite 8). Diese ist momentan ausschliesslich in
französischer Sprache erhältlich. Auf
Deutsch ist kürzlich das Handbuch
„Die hindernisfreie Gemeindeverwaltung“ vom Verein Zürcher Gemeindeschreiber und Verwaltungsfachleute VZGV4 zum Thema Menschen mit
Behinderung und Bauten, Anlagen
und Dienstleistungen der Gemeindeverwaltung erschienen.
Fachübergreifende
Zusammenarbeit
– eine Notwendigkeit
Um dem öffentlichen Raum Zweck und
Vielfalt zurückzugeben und ihn damit attraktiv für zahlreiche Nutzungen und Nutzer
zu machen, muss die öffentliche Hand neue
Wege gehen. Durch gemeinde- und gebietsübergreifende Zusammenarbeit gilt es, ein
Netzwerk von öffentlichen Räumen zu schaffen, in dem die verschiedenen territorialen
Stufen zusammenlaufen. Damit die Raumaufteilung den Bedürfnissen aller Mitglieder
einer Gemeinschaft entspricht, müssen die
Städteplaner verstärkt mit Institutionen und
Verbänden, insbesondere aus den Bereichen
Soziales, Gesundheit und Mobilität, zusammenarbeiten. In den daraus entstehenden Dialog
müssen sodann die Nutzer der jeweiligen
Bereiche einbezogen werden, denn es sind
ihre Erfahrungen, die zählen.
Stärkere kommunale Kapazitäten
Dieser auf Zusammenarbeit und
Abstimmung beruhende Ansatz muss
die Unterstützung der politischen Entscheidungsträger erhalten, ohne die es
nicht möglich ist, die Prioritäten schon zu
Beginn der Planung öffentlicher Räume
neu zu definieren.
Für eine kohärente und nachhaltige
Planung ohne Ausgrenzung ist es daher
entscheidend, dass die Gemeinden in
den kommenden Jahren ihre Kapazitäten
zur Wiederaufwertung des öffentlichen
Raums stärken.
Igor Moro
Projektleiter equiterre
4 Siehe www.vzgv.ch
SPIELEN SIE MIT!
Welche Nutzer von öffentlichen Räumen würden die folgenden Hindernisse stören oder sogar behindern
(zutreffende Antworten bitte ankreuzen):
A
B
Wegesperren
C
Zu hohes Trottoir
Pers. 1
Rollstuhlfahrer
Pers. 2
Menschen mit
Gehhilfen
Pers. 3
Ältere Menschen
Pers. 4
Blinde oder
Sehbehinderte
Pers. 5
Eltern mit Kinderwagen
4/8
D
Pflaster mit
breiten Fugen
Falschparker
Service
LITERATUR
WEBSEITEN
Fuss- und Veloverkehr auf gemeinsamen Flächen. Empfehlungen
für die Eignungsbeurteilung, Einführung, Organisation und Gestaltung von gemeinsamen Flächen in
innerörtlichen Situationen, Fussverkehr Schweiz, Pro Velo Schweiz,
Zürich und Bern, 2007, 48 S.
www.stadt-zuerich.ch/mobilitaetskultur
Konflikte
zwischen Velofahrern und Fussgängern
werden
immer
häufiger.
Die Gründe dafür
sind einerseits die
Umgestaltung und
Ausdehnung von
Flächen zu Gunsten der Fussgänger, andererseits
die Förderung des Veloverkehrs, welche ein
Netz von durchgängigen Routen für Velos
anstrebt. Wie sollen die gemeinsamen Flächen für den Fuss- und Veloverkehr optimal
organisiert werden? Mittels Literaturanalyse, Expertenbefragungen und Dokumentation von Beispielen wurden Ansätze für eine
zweckmässige Organisation dieser Flächen
erarbeitet.
Lust auf Stadt - Ideen und Konzepte für
urbane Mobilität, Leitschuh-Fecht Heike, Haupt Verlag, Bern, 2002, 215 S.
Trotz der ungeheuren Dynamik und
der grossen Entwicklungen in den vergangenen Jahren ist Zürich eine der weltweit attraktivsten Städte geblieben. Ein
wichtiger Beitrag zu diesem Erfolg ist die
gut funktionierende Mobilität für alle. Die
Mobilitätsstrategie schreibt für Planungen im öffentlichen Raum vor, dass die
Anliegen von Behinderten und Betagten
gleich viel zählen wie andere Anliegen.
Gerade für mobilitätsbehinderte Personen hängt die Lebensqualität von guten
Infrastrukturen und Einrichtungen ab.
Neben ganz vielen Tipps findet man auf
der Homepage sogar eine Liste mit den
rollstuhlgängigen WCs und einen dazugehörigen Stadtplan.
www.plattform-gsr.ch
Die «Plattform GSR - Forum für Gemeinde-, Stadt- und Regionalentwicklung» des gleichnamigen Vereins hat
zum Ziel Menschen, die sich für Fragen
der Gemeinde-, Stadt- und Regionalentwicklung engagieren, zu vernetzen.
In dieser Plattform des Austausches
werden transdisziplinäre Sicht- und Arbeitsweisen berufsübergreifend initiiert
und gefördert. Unter der Rubrik “Aktuell“
Die Autorin zeigt anhand von elf
spannenden Modellen aus vier europäischen Ländern, wie man die Stadt als
Lebensraum lebendiger und lustvoller
machen kann. Es geht neben Autos, Bussen, Strassenbahnen, Fahrradwegen und
Fussgängerzonen auch um die Wechselwirkungen sozialer, kultureller, ökologischer und wirtschaftlicher Aspekte
der Stadtentwicklung.
werden Entwicklungen, Veranstaltungen
und Publikationen in den Bereichen Mitwirkung, interdisziplinäre Prozessentwicklung und nachhaltige Entwicklung in
der Gemeinde-, Stadt- und Regionalentwicklung aufgeführt.
PROJEKTE
Dreiländereck Basel
Basel ist seit jeher stark mit
Deutschland und Frankreich verbunden: Die Städte Strassburg und Freiburg i. Breisgau liegen in Reichweite
und regionale Subzentren wie Lörrach
oder Saint-Louis grenzen direkt an
das Zentrum Basel. Die Gebietskörperschaften, die diese Stadtregion mit über
800’000 Einwohnern bilden, haben den
Mehrwert der grenzüberschreitenden
Zusammenarbeit erkannt und den trinationalen Eurodistrict Basel (TEB)
gegründet. Sie kooperieren in immer
mehr Bereichen, d.h. zu den bisher
bearbeiteten Themen Raumentwicklung
und Mobilität sind inzwischen auch Gesundheit, Kultur, Bildung, Tourismus
und Wirtschaftsförderung gestossen,
was eine ganzheitliche, koordinierte
und somit nachhaltige regionale Entwicklung ermöglicht.
Weitere Informationen zu den
einzelnen Projekten des TEB:
www.eurodistrictbasel.eu
BaBeL
Dieser Name steht für einmal nicht
für den berühmten Turmbau, sondern
für das Projekt „Basel-/ Bernstrasse
Luzern“. Seit 2001 wird in vielen kleinen Schritten das Quartier nachhaltig
aufgewertet, zuerst hauptsächlich durch
Massnahmen im sozio-kulturellen Bereich und neu auch durch städtebauliche
Veränderungen und in Partnerschaften
mit dem lokalen Gewerbe. So kann man
zum Beispiel beim geführten Rundgang
„Shop and Food“ die exotischen „Lädeli“
des Quartiers erkunden, sich am Quartiertreff beteiligen und schon bald durch
die neu gestalteten Velowege flitzen.
Mehr Infos: wwww.babelquartier.ch
5/8
Intern
MITGLIEDERPORTRÄT
Das Wort hat Hansjakob Gächter (73 Jahre), Solothurn
Welchen
Beruf
üben Sie aus?
Rentner
Woher kennen Sie
equiterre?
Die
Solothurner
Zeitung berichtete
2005 über eine Tagung zum Thema
Nachhaltigkeit, was
mich sofort ansprach und zur Teilnahme
und schliesslich zum Beitritt animierte.
Was gefällt Ihnen an equiterre?
Die Perspektive für unsere und natürlich auch meine Nachkommen, in einem
weit weniger freundlichen - um weitere 2
Grad Celsius wärmeren Klima mit all den
schon voraussehbaren Folgen - leben zu
müssen, belastet mich. In equiterre habe
ich eine Organisation gefunden, die sich
sehr konkret mit Massnahmen zur Nachhaltigkeit unseres Tuns befasst. Sie stellt
eine Informationsplattform zur Verfügung
mit Veranstaltungsagenda, Links zu aktuellen Themen sowie praktischen Tipps.
Obwohl in den letzten 150 Jahren die
Durchschnittstemperatur auf der Erde erst
um 0,7 Grad Celsius angestiegen ist, spüren
wir die Veränderungen an allen Ecken und
Enden. Die Politik glaubt der Erde noch
weitere 2 Grad Celsius zumuten zu können, obwohl sich kaum jemand vorstellen
kann, was das alles bedeutet und wie viel
Leid die Erdbevölkerung dabei zu ertragen
hat. Der freiwillige Beitrag jedes Einzelnen
genügt bei weitem nicht, die langfristigen,
weltweiten Probleme der Erderwärmung
und Ressourcenknappheit zu lösen.
Noch fehlt bei vielen Politikern und Regierungen der Wille, die notwendigen Massnahmen zum Erreichen auch nur dieses
insoweit ungenügenden Zieles zu beschliessen und durchzuführen. Erfreulicherweise
zeigen aber Umfragen, dass die Problematik des Klimawandels bei der Bevölkerung
wieder vermehrt wahrgenommen wird. Auf
dieser Basis verfolgt equiterre einen guten
Ansatz, die Politik von der Dringlichkeit des
Anliegens der nachhaltigen Nutzung der
Ressourcen zu überzeugen. So wünsche ich
den notwendigen und fundierten politischen
Stellungnahmen von equiterre Erfolg.
HALLO PETER!
Ein herzliches
Willkommen an Peter Zemp, der im Juli
2007 zu unserem
Team gestossen ist.
Der 30-jährige Politologe arbeitet zu
60% als Projektleiter
im Büro Zürich. Er
kümmert sich dort
hauptsächlich um
die Kommunikation, hat den equiterre-Ausflug „Orte der Nachhaltigkeit“ ins Gundeldinger Feld vom Oktober 2007 organisiert und
wird sich in Zukunft unter anderem auf die
Förderung der Gesundheitsverträglichkeitsprüfung im Deutschschweizer Raum konzentrieren. Sein Credo: Umweltsensibilisierung
funktioniert nur, wenn man aufzeigen kann,
dass nachhaltige Entwicklung nicht Einschränkungen mit sich zieht, sondern mehr
Lebensqualität bedeutet!
„MONATSKOLUMNE
VON
RENÉ LONGET“ – DIE NEUE
RUBRIK IM INTERNET
Das Hauptanliegen von equiterre ist
die Förderung einer nachhaltigen Entwicklung und die Anwendung ihrer Prinzipien in unserem Land. Zu diesem Zweck
arbeitet equiterre seit vielen Jahren mit
wichtigen Partnern wie Gemeinden und
Kantonen zusammen, die sich in ihrer
Tätigkeit stärker an den Grundsätzen der
Nachhaltigkeit orientieren wollen. Ein
weiterer Aspekt unserer Arbeit ist die
Stellungnahme zu aktuellen Entwicklungen, die zum Ziel haben, jene Werte zu
schützen, die uns wesentlich scheinen,
und einem breiten Publikum fundierte
Informationen zu geben.
Um einen umfassenderen Einblick in
unser Wirken und unsere Stellungnahmen zu geben, haben wir auf unserer
Webseite eine neue Rubrik eingerichtet.
Die Monatskolumne unseres Präsidenten René Longet informiert über das Engagement von equiterre zugunsten einer
faireren, gerechteren und umweltfreundlicheren Gesellschaft. Die Artikel können auf www.equiterre.ch in der Rubrik
„Wissenswertes“ unter „Monatskolumne
von René Longet“ abgerufen werden. Wir
freuen uns auf Ihre Kommentare zu den
Themen dieser neuen Monatsrubrik.
NACHRUF AUF GONZAGUE PILLET
Wir trauern um Gonzague Pillet, der
am 30. Oktober 2007 im Alter von 59
Jahren nach schwerer Krankheit gestorben ist. Auf den Gebieten Wirtschaft und Umwelt leistete er Pionierarbeit mit seinen Konzepten, die der
Natur ihren Platz als Wirtschaftsfaktor
zurückgeben.
Gonzague Pillet hat zahlreiche Arbeiten
veröffentlicht. In den langen Jahren als
Vorstandsmitglied und Vizepräsident
von equiterre war er Autor von mehreren equiterre-Publikationen, darunter
Ökonomische Umweltkonten (1992) und
Ökologische Steuerreform (1999). Wir
gedenken seiner mit großer Sympathie.
Interview
Burgdorf, Stadt der Fussgänger
Wenn es um die Förderung vom Langsamverkehr geht, gehört Burgdorf zur Avantgarde. 1994 zur Fussgänger- und Velomodellstadt
(FuVeMo) erkoren, setzt die Stadt zahlreiche Massnahmen für eine
nachhaltige Mobilität und die Reduktion des Fahrzeugaufkommens in
der Innenstadt durch. Das Gespräch mit Aline Renard, Projektleiterin
Verkehr/ Umwelt in der Baudirektion von Burgdorf, gibt Aufschluss
über die von der Stadt ergriffenen Initiativen.
Welche Faktoren haben Sie dazu veranlasst,
Massnahmen für eine nachhaltige Mobilität
zu ergreifen?
Im Grunde engagiert sich die
Stadt
Burgdorf
schon seit langem
für die nachhaltige Entwicklung.
In Sachen Mobilität wurde Burgdorf im Rahmen
des
Programms
„Energie 2000“ zur
„Fussgänger- und
Velomodellstadt“
erklärt, ein Pilotprojekt, das 1994 vom Bundesamt für Energie (BFE) und vom VCS
lanciert wurde. Antrieb für dieses Projekt
war die Feststellung, dass Fussgänger in
Mobilitätsstatistiken kaum oder gar keine
Erwähnung finden und daher in den Raumplanungsstudien nahezu unberücksichtigt
bleiben. Dabei geht fast jeder zu Fuss, und
sei es nur um zum Auto, zum Fahrrad oder
zur Bushaltestelle zu gelangen. Burgdorf
erfüllte die vom BFE vorgegebenen Kriterien
und die Offenheit von Gewerbe und Einzelhandel für dieses Projekt konnte die Jury
überzeugen. Das Modellstadt-Pilotprojekt
verlief in zwei Fünfjahresphasen von 1995 bis
2000 und von 2001 bis 2006. (Informationen
auf www.modelcity.ch)
Welche anderen Massnahmen wurden
seither ergriffen, um den öffentlichen Raum
zugänglicher zu machen?
Im Rahmen der Modellstadt-Initiative
hat Burgdorf zunächst eine neue Form des
Zusammenlebens im öffentlichen Raum
geschaffen. Die gewerblichen Innenstadtbezirke mit hohem zerstreuten Fussgängeraufkommen wurden zu sogenannten „Begegnungszonen“ mit Regeln zur
Förderung des Langsamverkehrs: unein-
geschränkter motorisierter Verkehr, aber
Tempo-20-Zone, Fussgängervortritt in der
gesamten Zone sowie entsprechende Einrichtungen (mehr Querungshilfen, Strassenüberquerung überall möglich). Schweizweit wurden seit dem 1. Januar 2002, dem
Datum der Integration der Begegnungszonen in die Signalisationsverordnung, nicht
weniger als 140 solche Zonen eingerichtet
und beschildert.
Gleichzeitig wurde auf Initiative der örtlichen Sektion der IG Velo Schweiz ein Hauslieferdienst auf die Beine gestellt. Um die Lieferungen kümmern sich Langzeitarbeitslose
mit Elektrovelos und Transportanhängern.
Rund vierzig Geschäfte im Stadtzentrum
beteiligen sich an diesem Service, insbesondere auch die Grossverteiler Coop und
Migros. Es herrscht eine rege Nachfrage, die
seit zehn Jahren stetig zunimmt (vgl. Statistik auf http://www.wir-bringens.ch/hauslieferdienst/statistik.htm). Gegenwärtig nutzt
jeder fünfte Haushalt diesen durchaus erschwinglichen Service: Eine Lieferung kostet
2, ein Jahresabo 100 Franken. Das ist einer
der grossen Würfe Burgdorfs.
Weiter wurde anlässlich des Modellstadt-Projekts im Partizipationsverfahren
ein Bericht erstellt, der alle Orte auflistet,
die von den Nutzern als wenig oder gar nicht
sicher empfunden werden. Diese äusserst
wertvolle Datenbank wird regelmässig mit
anderen verfügbaren Informationen ergänzt
und aktualisiert (z.B. Schreiben der Elternoder Quartierverbände, Beschwerden der IG
Velo Schweiz usw.). Wir haben daraus sogar
eine GIS-Plattform gemacht, die konsultiert
wird, wenn neue Arbeiten geplant sind. Das
hat den Vorteil, dass wir die notwendigen
Massnahmen in Abstimmung mit anderen
Initiativen ergreifen können.
Zuletzt gibt es noch eine ständige Kommission für Altersfragen, die unter anderem
für Projekte im Zusammenhang mit der
Zugänglichkeit von öffentlichen Anlagen angefragt wird und sich für die Interessen der
Senioren einsetzt.
Welche Punkte sollten Ihrer Meinung nach
in Zukunft in Angriff genommen werden?
Zweifellos wurden in den vergangenen
Jahren viele Fortschritte gemacht. Dennoch
bleibt noch viel zu tun. So muss Burgdorf
etwa seinen Aktionsradius ausdehnen, zum
Beispiel durch Einrichten von ähnlichen
Diensten in anderen Gemeinden und durch
die Schaffung neuer Synergien, z.B. mit der
Bahn. Ein weiteres wesentliches Projekt in
den kommenden Jahren ist die Neugestaltung des Bahnhofplatzes. Einerseits soll hier
mehr Raum für Fussgänger geschaffen werden, andererseits sollen die Bahn-Bus- und
Bus-Bus-Verbindungen verbessert werden.
Nicht zuletzt gibt es zwar ein Fussgängerleitsystem, doch überlegen wir uns, mit welchen Mitteln wir es verbessern und ergänzen
könnten.
Interview: Gaëlle Haeny und Camille Rol
In Burgdorf wurden Begegnungszonen so gestaltet, dass alle Nutzer gleichberechtigt davon
profitieren. Nicht mehr ausschliesslich dem Verkehr gewidmet, wird so der öffentliche Raum
zu einem wahren Ort der Begegnungen.
7/8
Projekte
ORTE DER NACHHALTIGKEIT: GUNDELDINGER FELD
Im Rahmen der Mitgliederveranstaltungsreihe «Orte der Nachhaltigkeit» hat
equiterre mit rund einem Dutzend Interessierten am 20. Oktober das Quartierzentrum
Gundeldinger Feld in Basel besucht. Das
ehemalige Industrieareal ist im Rahmen
eines nachhaltigen Umnutzungskonzeptes
zum sozialen und integrativen Gewerbe-,
Freizeit- und Dienstleistungszentrum des
grössten zusammenhängenden Quartiers
der Schweiz umgewandelt worden.
Nach einem Vortrag von equiterre über
nachhaltige Entwicklung in der Stadt und
einem gemeinsamen Mittagessen hat uns
Matthias Scheurer, Geschäftsführer der Kantensprung AG, durch das Gundeldinger Feld
geführt. Gespickt mit spannenden Anekdoten aus der Entstehungszeit, hat er uns über
die Geschichte und die aktuelle Nutzung des
Areals informiert. Das Industrieareal wurde
in den letzten 6 Jahren Schritt für Schritt
zu einem vielfältigen und sehr einladenden
Zentrum umgebaut. Zentrale Kriterien dieser Umnutzung sind Quartierbezogenheit,
Ökologie und Integration. So finden sich dort
Restaurants, Kindergarten und Schulen, ein
Backpacker Hotel und eine Bibliothek ebenso
wie die Büros von Pro Natura Schweiz, sowie
eine Reihe von Kleinunternehmen und Organisationen, die in den ehemaligen Industriebauten Unterschlupf gefunden haben.
equiterre bedankt sich bei Kantensprung
AG für den herzlichen Empfang und die fachkundige Führung. Ausserdem bedanken wir
uns bei den Teilnehmenden für die angeregten
Diskussionen rund ums Thema.
Nähere Informationen finden Sie unter
www.gundeldingerfeld.ch.
UN ESPACE PUBLIC POUR TOUS –
GUIDE POUR UNE PLANIFICATION
COHÉRENTE
(ÖFFENTLICHER
RAUM ZUGÄNGLICH FÜR ALLE –
LEITFADEN FÜR EINE KOHÄRENTE
RAUMGESTALTUNG)
Eine Umgebung, die an die Mobilität aller
angepasst ist, erzeugt nicht nur mehr Gerechtigkeit – was wichtig ist für eine nachhaltige Entwicklung –, sondern fördert auch das
körperliche und psychische Wohlbefinden.
Die öffentliche Hand hat also ein Interesse
daran, die Bedürfnisse aller Fussgänger in
ihre Raumplanungsprojekte einzubeziehen.
Mit der Wegleitung „Un espace public
pour tous“ stellt equiterre Städteplanern,
politischen Entscheidungsträgern und Fachleuten ein unverzichtbares Hilfsmittel zur
Verfügung. Anhand von zehn technischen
Themenkarten zeigt die Publikation, welchen Hindernissen Fussgänger aller Art im
öffentlichen Raum begegnen, wie man sie
beseitigt oder von Anfang an vermeidet.
Die Wegleitung ist in mehrfacher Hinsicht innovativ. Zunächst trägt sie den Bedürfnissen aller Fussgänger Rechnung – von
Kindern und Senioren über Eltern mit Kinderwagen bis hin zu Rollstuhlfahrern. Dann
illustriert sie deren Schwierigkeiten bei der
Fortbewegung und zeigt systematisch, wie
die richtigen raumplanerischen Massnahmen den Bedürfnissen der unterschiedlichen Fussgängerkategorien gerecht werden.
Damit können die Fachleute die Schwierigkeiten besser nachvollziehen und sie bei
der Planung angemessen berücksichtigen.
Schliesslich enthält die Wegleitung Empfehlungen, die zum Teil über gesetzliche Bestimmungen und Normen in der Schweiz hinausgehen, weil sie die reellen Bedürfnisse
der Fussgänger widerspiegeln.
Durch Befolgen der ausführlich beschriebenen Empfehlungen dieser Weg-
leitung schaffen Städteplaner einen
öffentlichen Raum, der für alle Fussgänger
zugänglicher, bequemer zu nutzen und
sicherer ist und die Selbstständigkeit des
Einzelnen unterstützt. Gleichzeitig tragen sie
aktiv zur Gesundheitsförderung bei.
In einer älter werdenden Gesellschaft, in
der es unausweichlich immer mehr anfällige
und gefährdete Menschen geben wird, ist es
wesentlich, bei Raumplanungsprojekten einen solchen Leitfaden zu Rate zu ziehen.
Für weitere Auskünfte zur Wegleitung und
Bestellungen besuchen Sie bitte unsere Webseite www.equiterre.ch oder wenden Sie sich
an Igor Moro ([email protected] / 022 329 99
29). Hinweis: die Wegleitung ist ausschliesslich in französischer Sprache erhältlich.
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Entwicklung ! Werden Sie Mitglied bei
equiterre
Einzelmitglied: CHF 70.- (pro Jahr)
AHV, IV, Studenten, Arbeitlose: CHF 20.Kollektivmitglied: CHF 300.Mitglied auf Lebenszeit: CHF 2000.Fördermitglied: freier Betrag
IMPRESSUM
equiterre info Nr.01/2008, Januar 2008
Redaktion: Camille Rol
Texte: Natacha Litzistorf, Igor Moro, Gaëlle
Haeny, Peter Zemp, Thierno Diallo, René
Longet, Claudia Bogenmann, Camille Rol
Fotos: Burgdorf, Igor Moro, Gaëlle Haeny,
Camille Rol
Gestaltung: Rafael Schweizer, Lausanne
Übersetzungen: Susanne Coat-Tober und
Elisabeth Kopp-Demougeot
Auflage: 7’300 ex., Cyclus Print 100% Recyclingpapier
Herausgeberin: equiterre (ehemals SGU)
Merkurstrasse 45, 8032 Zürich
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Fax: 043 / 268 83 30
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