Öffentliche Räume - Mobilité pour tous
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Öffentliche Räume - Mobilité pour tous
Nr. 1/08, januar 200 2008 Wenn Nachhaltigkeit auf die Strasse geht Öffent l i c h e R äu m e : O h n e e c h t e Leben s r ä u m e k e i n e I n t e g r a t i o n Gelungen sind öffentliche Bereiche, wenn sie allen zugänglich sind und Gesundheit sowie soziale Bindung fördern. Seite 2 Burgdorf, Stadt der Fussgänger Erfahren Sie im Gespräch mit der Projektleiterin „Verkehr und Umwelt“ der städtischen Baudirektion mehr über die vorbildlichen Massnahmen zur Erschliessung des öffentlichen Raums für alle. Seite 7 Editorial Öffentliche Räume: Ohne echte Lebensräume keine Integration Der öffentliche Raum muss schon in der Gestaltung einer Vielfalt von Nutzungsmöglichkeiten und Nutzern Rechnung tragen. Tatsache ist, dass öffentliche Bereiche heute nicht immer als „Lebens“-Räume konzipiert sind. Die Gemeinden müssen lernen, diese Flächen wieder aufzuwerten, sonst besteht die Gefahr, dass sie die Ausgrenzung fördern. Besser leben in einer wohlbedachten Umgebung Ökoquartiere sind „in“. So pilgern Jahr für Jahr mehr Menschen nach Freiburg im Breisgau (D), um den Stadtteil Vauban und seine Entwicklung mit eigenen Augen zu sehen und zu verstehen. equiterre stellt eine einfache Gleichung auf: Will man die Stadtflucht und die Zersiedelung der Landschaft durch den Bau neuer Einfamilienhäuser verhindern, muss man die Lebensqualität in der Stadt verbessern und den Menschen (wieder) Lust auf das Leben in der Stadt machen. Dazu gehört eine Wiederaufwertung der Natur in der Stadt, aber auch die Schaffung von Orten zur Förderung der sozialen Bindung zwischen den unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen. Es müssen – in jedem Sinne – nachhaltige Quartiere entstehen, in denen der Dimension „Soziales und Gesundheit“ der grösste Stellenwert zukommt, wird sie doch in der Nachhaltigkeitsdebatte häufig vernachlässigt. Was muss getan werden? Besonders gilt es, die Strategien der öffentlichen Hand auf allen institutionellen Ebenen kohärenter zu machen, wenn es um die Schaffung allen unmittelbar zugänglicher öffentlicher Räume geht. Der Bund muss die richtigen Anreize geben, wie er es bereits tut. Wichtigster strategischer Bestandteil von Agglomerationsprojekten sollten die (Wieder )Aufwertung des öffentlichen Raums und der Langsamverkehr sein, bei denen die Gemeinden „am gleichen Strick ziehen“ müssen. Und schliesslich muss bei der Gestaltung dieser Bereiche auf Qualität und Zugänglichkeit für alle geachtet werden. Abschliessend sind wir nach wie vor der Meinung, dass sich Behörden, Städteplaner und Einwohnerschaft gleichermassen an der Einrichtung öffentlicher Flächen beteiligen sollten. Nur so lässt sich gewährleisten, dass sie von den Nutzern angenommen werden, allen ein Gefühl von mehr Sicherheit vermitteln und überdies als gemeinsame Räume respektiert werden. Natacha Litzistorf Geschäftsleiterin von equiterre Der öffentliche Raum gehört allen Der öffentliche Raum erfüllt eine wesentliche Funktion für die Bevölkerung. Sich darin zu bewegen und aufzuhalten gibt ein Gefühl der Zugehörigkeit, was für die Integration des Einzelnen in der Gesellschaft grundlegend ist. Spazierengehen, sich zur Arbeit begeben, Geschäfte aufsuchen, sich im Park entspannen oder auf einem Platz Freunde treffen sind vielfältige Möglichkeiten, den öffentlichen Raum zu nutzen, und sind für den Menschen Baustein seiner Identität. Daher ist es wesentlich, dass die Vielfalt dieser Nutzungen und Bedürfnisse im öffentlichen Raum Ausdruck findet. Der öffentliche Raum als Vektor für die soziale Bindung „Haus der Gemeinschaft“ und Niemandsland zugleich - der öffentliche Raum ist eine der wichtigsten Begegnungsstätten, wo wir unsere sozialen Kontakte pflegen können. Hier müssen wir unser Bedürfnis ausleben können, Beziehungen aufzubauen, am gemeinschaftlichen Leben teilzunehmen, uns mitzuteilen und auszutauschen, weil wir uns sonst ausgegrenzt und allein fühlen. Mit der Gestaltung von öffentlichen Bereichen, die Mobilität und gesellschaftlichen Kontakt fördern, kann zudem der Ausgrenzung und Marginalisierung entgegengewirkt werden, die soziale, wirtschaftliche und kulturelle Ursachen haben. Zerstückelter öffentlicher Raum Leider entspricht die Wirklichkeit nicht immer dem Ideal eines integrativen öffentlichen Raums. So sieht man immer häufiger verkommene oder mutwillig zerstörte Einrichtungen, sowie Bereiche, denen die öffentliche Hand durch eine zunehmende „Museifizierung“1 ihren ursprünglichen Zweck genommen hat. In den Vorstädten und Randgebieten, wo mehr Wert auf Privatflächen und Wohnbauten gelegt wird, sucht man öffentliche Räume oft vergeblich. Darüber hinaus entstehen auf Initiative des Privatsektors immer mehr neue „halböffentliche Räume“ wie Einkaufszentren und Freizeitparks, die, eingezwängt zwischen Parkplätzen und Zugangsstrassen, keinen Anschluss an wirkliche Lebensräume haben. Der Kontrast zwischen städtischen Zentren und peripheren Gebieten ist die Folge einer Politik der funktionalen Raumaufteilung. So kommt es nicht selten vor, dass Herr Schweizer in Zug wohnt, in Zürich arbeitet und am Wochenende im Einkaufszentrum von Dübendorf shoppen geht. Verbindende Massnahmen zwischen den einzelnen Zonen gibt es, wenn überhaupt, vor allem für den motorisierten Individualverkehr. Öffentlicher Raum und Autonomie Tatsache ist, dass die Aufteilung der hiesigen Flächen den Bedürfnissen von Fussgängern nicht immer gerecht wird. Obwohl sie die am meisten gefährdeten Verkehrsteilnehmer sind, bleiben sie in der Städteplanung häufig unberücksichtigt, umso mehr, wenn es sich um Personen mit eingeschränkter Mobilität handelt (vgl. Tabelle im nebenstehenden Kasten). Daher wird die Fortbewegung im öffentlichen Raum für diese Personen mitunter zum beunruhigenden und unbequemen Hindernislauf2. Der Beweis: der Fussgänger ist heute der Strassenverkehrsteilnehmer mit den meisten Unfällen, wobei ein Drittel aller schwer verletzten oder getöteten Fussgänger älter als 64 Jahre ist.3 1 Man denke nur an die Fussgängerzonen verschiedener Stadtzentren, die vorrangig für Touristen und/ oder für Kunden von Luxusboutiquen konzipiert wurden. 2 Auch die Zugänglichkeit von Gebäuden und Wohnungen ist wesentlich, da viele Personen mit eingeschränkter Mobilität ihr Zuhause sonst nicht verlassen und wichtige Geschäfte und Dienste nicht in Anspruch nehmen können. Das ist jedoch unabdingbar, will man ein selbstständiges Leben führen. 3 Esther Walter et al., Fussvekehr. Unfallgeschehen, Risikofaktoren und Prävention, Sicherheitsdossier Nr. 03, Schweizerische Beratungsstelle für Unfallverhütung bfu und Fonds für Verkehrssicherheit FVS, 2007. Als pdf erhältlich unter: http://www.bfu.ch/PDFLib/972_22473.pdf 2/8 Die Strassenüberquerung - kritischer Moment der Fortbewegung zu Fuss - kann mit tempodrosselnden Massnahmen, wie zum Beispiel einer signalisierten Einengung der Fahrbahn, gesichert werden. Wegen der fehlenden Anpassung von öffentlichen Anlagen an ihre Mobilitätsbedürfnisse sind ältere Menschen, Rollstuhlfahrer, Personen mit Gehhilfen, Krücken oder Gehstöcken, Blinde und Sehbehinderte, Taube und Hörbehinderte bisweilen den Risiken von Bewegungsmangel, Einsamkeit und Autonomieverlust ausgesetzt. Dadurch lässt sich der Bezug zwischen gut konzipierten öffentlichen Anlagen und gesünderen Mitgliedern einer Gemeinschaft erklären: Leicht zugängliche, benutzerfreundliche und sichere Anlagen laden zum Gehen ein, die einfachste Methode, um fit zu bleiben, sich etwas Gutes zu tun und gesellschaftliche Kontakte zu pflegen. Die positiven Folgen für die Gesundheit betreffen sowohl das körperliche als auch das psychische Wohlbefinden. (Fortsetzung, Seite 4) Die Tabelle rechts zeigt die unterschiedlichen Arten von Personen mit eingeschränkter Mobilität im Überblick und gibt eine Schätzung ihrer Zahl in der Schweiz. Sie werden feststellen, dass wir alle Personen mit eingeschränkter Mobilität sein könnten oder es mit steigendem Alter werden. Personen mit eingeschränkter Mobilität Anzahl in der Schweiz Blinde Menschen 6’000 Taube Menschen 8’000 Kleine Menschen ( als 1,50m) Rollstuhlfahrer Schwangere 9’000 35-40’000 53’000 /Jahr Ältere Menschen mit Gehhilfen 65’000 Sehbehinderte Menschen 80’000 Begleiter von Personen ohne/ mit geringer Autonomie 150’000 Ältere Menschen mit Gehstock 170’000 Eltern mit Kinderwagen 500’000 Eltern, die ein Kind tragen 650’000 Hörbehinderte Menschen 700’000 Kinder (0-12 Jahre) 975’000 Unfallgeschädigte (mit Krücken, Schienen, ...) mit vorübergehend eingeschränkter Mobilität 1’000’000 /Jahr Durch MP3-Player oder Natel „behinderte“ Personen 5’500’000 Menschen mit Einkaufstaschen Alle Menschen mit Gepäck Alle Quelle: „Un espace public pour tous : guide pour une planification cohérente“, Igor Moro und Gaëlle Haeny, equiterre, Genf, 2007, 120 S. (nur in frz. Sprache) 3/8 Um die Kapazitäten der Gemeinden zu stärken, öffentliche, für alle zugängliche Anlagen zu schaffen, hat equiterre die Wegleitung „Un espace public pour tous“ (Öffentlicher Raum zugänglich für alle) für Gemeinden und Städteplaner veröffentlicht (weitere Informationen Seite 8). Diese ist momentan ausschliesslich in französischer Sprache erhältlich. Auf Deutsch ist kürzlich das Handbuch „Die hindernisfreie Gemeindeverwaltung“ vom Verein Zürcher Gemeindeschreiber und Verwaltungsfachleute VZGV4 zum Thema Menschen mit Behinderung und Bauten, Anlagen und Dienstleistungen der Gemeindeverwaltung erschienen. Fachübergreifende Zusammenarbeit – eine Notwendigkeit Um dem öffentlichen Raum Zweck und Vielfalt zurückzugeben und ihn damit attraktiv für zahlreiche Nutzungen und Nutzer zu machen, muss die öffentliche Hand neue Wege gehen. Durch gemeinde- und gebietsübergreifende Zusammenarbeit gilt es, ein Netzwerk von öffentlichen Räumen zu schaffen, in dem die verschiedenen territorialen Stufen zusammenlaufen. Damit die Raumaufteilung den Bedürfnissen aller Mitglieder einer Gemeinschaft entspricht, müssen die Städteplaner verstärkt mit Institutionen und Verbänden, insbesondere aus den Bereichen Soziales, Gesundheit und Mobilität, zusammenarbeiten. In den daraus entstehenden Dialog müssen sodann die Nutzer der jeweiligen Bereiche einbezogen werden, denn es sind ihre Erfahrungen, die zählen. Stärkere kommunale Kapazitäten Dieser auf Zusammenarbeit und Abstimmung beruhende Ansatz muss die Unterstützung der politischen Entscheidungsträger erhalten, ohne die es nicht möglich ist, die Prioritäten schon zu Beginn der Planung öffentlicher Räume neu zu definieren. Für eine kohärente und nachhaltige Planung ohne Ausgrenzung ist es daher entscheidend, dass die Gemeinden in den kommenden Jahren ihre Kapazitäten zur Wiederaufwertung des öffentlichen Raums stärken. Igor Moro Projektleiter equiterre 4 Siehe www.vzgv.ch SPIELEN SIE MIT! Welche Nutzer von öffentlichen Räumen würden die folgenden Hindernisse stören oder sogar behindern (zutreffende Antworten bitte ankreuzen): A B Wegesperren C Zu hohes Trottoir Pers. 1 Rollstuhlfahrer Pers. 2 Menschen mit Gehhilfen Pers. 3 Ältere Menschen Pers. 4 Blinde oder Sehbehinderte Pers. 5 Eltern mit Kinderwagen 4/8 D Pflaster mit breiten Fugen Falschparker Service LITERATUR WEBSEITEN Fuss- und Veloverkehr auf gemeinsamen Flächen. Empfehlungen für die Eignungsbeurteilung, Einführung, Organisation und Gestaltung von gemeinsamen Flächen in innerörtlichen Situationen, Fussverkehr Schweiz, Pro Velo Schweiz, Zürich und Bern, 2007, 48 S. www.stadt-zuerich.ch/mobilitaetskultur Konflikte zwischen Velofahrern und Fussgängern werden immer häufiger. Die Gründe dafür sind einerseits die Umgestaltung und Ausdehnung von Flächen zu Gunsten der Fussgänger, andererseits die Förderung des Veloverkehrs, welche ein Netz von durchgängigen Routen für Velos anstrebt. Wie sollen die gemeinsamen Flächen für den Fuss- und Veloverkehr optimal organisiert werden? Mittels Literaturanalyse, Expertenbefragungen und Dokumentation von Beispielen wurden Ansätze für eine zweckmässige Organisation dieser Flächen erarbeitet. Lust auf Stadt - Ideen und Konzepte für urbane Mobilität, Leitschuh-Fecht Heike, Haupt Verlag, Bern, 2002, 215 S. Trotz der ungeheuren Dynamik und der grossen Entwicklungen in den vergangenen Jahren ist Zürich eine der weltweit attraktivsten Städte geblieben. Ein wichtiger Beitrag zu diesem Erfolg ist die gut funktionierende Mobilität für alle. Die Mobilitätsstrategie schreibt für Planungen im öffentlichen Raum vor, dass die Anliegen von Behinderten und Betagten gleich viel zählen wie andere Anliegen. Gerade für mobilitätsbehinderte Personen hängt die Lebensqualität von guten Infrastrukturen und Einrichtungen ab. Neben ganz vielen Tipps findet man auf der Homepage sogar eine Liste mit den rollstuhlgängigen WCs und einen dazugehörigen Stadtplan. www.plattform-gsr.ch Die «Plattform GSR - Forum für Gemeinde-, Stadt- und Regionalentwicklung» des gleichnamigen Vereins hat zum Ziel Menschen, die sich für Fragen der Gemeinde-, Stadt- und Regionalentwicklung engagieren, zu vernetzen. In dieser Plattform des Austausches werden transdisziplinäre Sicht- und Arbeitsweisen berufsübergreifend initiiert und gefördert. Unter der Rubrik “Aktuell“ Die Autorin zeigt anhand von elf spannenden Modellen aus vier europäischen Ländern, wie man die Stadt als Lebensraum lebendiger und lustvoller machen kann. Es geht neben Autos, Bussen, Strassenbahnen, Fahrradwegen und Fussgängerzonen auch um die Wechselwirkungen sozialer, kultureller, ökologischer und wirtschaftlicher Aspekte der Stadtentwicklung. werden Entwicklungen, Veranstaltungen und Publikationen in den Bereichen Mitwirkung, interdisziplinäre Prozessentwicklung und nachhaltige Entwicklung in der Gemeinde-, Stadt- und Regionalentwicklung aufgeführt. PROJEKTE Dreiländereck Basel Basel ist seit jeher stark mit Deutschland und Frankreich verbunden: Die Städte Strassburg und Freiburg i. Breisgau liegen in Reichweite und regionale Subzentren wie Lörrach oder Saint-Louis grenzen direkt an das Zentrum Basel. Die Gebietskörperschaften, die diese Stadtregion mit über 800’000 Einwohnern bilden, haben den Mehrwert der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit erkannt und den trinationalen Eurodistrict Basel (TEB) gegründet. Sie kooperieren in immer mehr Bereichen, d.h. zu den bisher bearbeiteten Themen Raumentwicklung und Mobilität sind inzwischen auch Gesundheit, Kultur, Bildung, Tourismus und Wirtschaftsförderung gestossen, was eine ganzheitliche, koordinierte und somit nachhaltige regionale Entwicklung ermöglicht. Weitere Informationen zu den einzelnen Projekten des TEB: www.eurodistrictbasel.eu BaBeL Dieser Name steht für einmal nicht für den berühmten Turmbau, sondern für das Projekt „Basel-/ Bernstrasse Luzern“. Seit 2001 wird in vielen kleinen Schritten das Quartier nachhaltig aufgewertet, zuerst hauptsächlich durch Massnahmen im sozio-kulturellen Bereich und neu auch durch städtebauliche Veränderungen und in Partnerschaften mit dem lokalen Gewerbe. So kann man zum Beispiel beim geführten Rundgang „Shop and Food“ die exotischen „Lädeli“ des Quartiers erkunden, sich am Quartiertreff beteiligen und schon bald durch die neu gestalteten Velowege flitzen. Mehr Infos: wwww.babelquartier.ch 5/8 Intern MITGLIEDERPORTRÄT Das Wort hat Hansjakob Gächter (73 Jahre), Solothurn Welchen Beruf üben Sie aus? Rentner Woher kennen Sie equiterre? Die Solothurner Zeitung berichtete 2005 über eine Tagung zum Thema Nachhaltigkeit, was mich sofort ansprach und zur Teilnahme und schliesslich zum Beitritt animierte. Was gefällt Ihnen an equiterre? Die Perspektive für unsere und natürlich auch meine Nachkommen, in einem weit weniger freundlichen - um weitere 2 Grad Celsius wärmeren Klima mit all den schon voraussehbaren Folgen - leben zu müssen, belastet mich. In equiterre habe ich eine Organisation gefunden, die sich sehr konkret mit Massnahmen zur Nachhaltigkeit unseres Tuns befasst. Sie stellt eine Informationsplattform zur Verfügung mit Veranstaltungsagenda, Links zu aktuellen Themen sowie praktischen Tipps. Obwohl in den letzten 150 Jahren die Durchschnittstemperatur auf der Erde erst um 0,7 Grad Celsius angestiegen ist, spüren wir die Veränderungen an allen Ecken und Enden. Die Politik glaubt der Erde noch weitere 2 Grad Celsius zumuten zu können, obwohl sich kaum jemand vorstellen kann, was das alles bedeutet und wie viel Leid die Erdbevölkerung dabei zu ertragen hat. Der freiwillige Beitrag jedes Einzelnen genügt bei weitem nicht, die langfristigen, weltweiten Probleme der Erderwärmung und Ressourcenknappheit zu lösen. Noch fehlt bei vielen Politikern und Regierungen der Wille, die notwendigen Massnahmen zum Erreichen auch nur dieses insoweit ungenügenden Zieles zu beschliessen und durchzuführen. Erfreulicherweise zeigen aber Umfragen, dass die Problematik des Klimawandels bei der Bevölkerung wieder vermehrt wahrgenommen wird. Auf dieser Basis verfolgt equiterre einen guten Ansatz, die Politik von der Dringlichkeit des Anliegens der nachhaltigen Nutzung der Ressourcen zu überzeugen. So wünsche ich den notwendigen und fundierten politischen Stellungnahmen von equiterre Erfolg. HALLO PETER! Ein herzliches Willkommen an Peter Zemp, der im Juli 2007 zu unserem Team gestossen ist. Der 30-jährige Politologe arbeitet zu 60% als Projektleiter im Büro Zürich. Er kümmert sich dort hauptsächlich um die Kommunikation, hat den equiterre-Ausflug „Orte der Nachhaltigkeit“ ins Gundeldinger Feld vom Oktober 2007 organisiert und wird sich in Zukunft unter anderem auf die Förderung der Gesundheitsverträglichkeitsprüfung im Deutschschweizer Raum konzentrieren. Sein Credo: Umweltsensibilisierung funktioniert nur, wenn man aufzeigen kann, dass nachhaltige Entwicklung nicht Einschränkungen mit sich zieht, sondern mehr Lebensqualität bedeutet! „MONATSKOLUMNE VON RENÉ LONGET“ – DIE NEUE RUBRIK IM INTERNET Das Hauptanliegen von equiterre ist die Förderung einer nachhaltigen Entwicklung und die Anwendung ihrer Prinzipien in unserem Land. Zu diesem Zweck arbeitet equiterre seit vielen Jahren mit wichtigen Partnern wie Gemeinden und Kantonen zusammen, die sich in ihrer Tätigkeit stärker an den Grundsätzen der Nachhaltigkeit orientieren wollen. Ein weiterer Aspekt unserer Arbeit ist die Stellungnahme zu aktuellen Entwicklungen, die zum Ziel haben, jene Werte zu schützen, die uns wesentlich scheinen, und einem breiten Publikum fundierte Informationen zu geben. Um einen umfassenderen Einblick in unser Wirken und unsere Stellungnahmen zu geben, haben wir auf unserer Webseite eine neue Rubrik eingerichtet. Die Monatskolumne unseres Präsidenten René Longet informiert über das Engagement von equiterre zugunsten einer faireren, gerechteren und umweltfreundlicheren Gesellschaft. Die Artikel können auf www.equiterre.ch in der Rubrik „Wissenswertes“ unter „Monatskolumne von René Longet“ abgerufen werden. Wir freuen uns auf Ihre Kommentare zu den Themen dieser neuen Monatsrubrik. NACHRUF AUF GONZAGUE PILLET Wir trauern um Gonzague Pillet, der am 30. Oktober 2007 im Alter von 59 Jahren nach schwerer Krankheit gestorben ist. Auf den Gebieten Wirtschaft und Umwelt leistete er Pionierarbeit mit seinen Konzepten, die der Natur ihren Platz als Wirtschaftsfaktor zurückgeben. Gonzague Pillet hat zahlreiche Arbeiten veröffentlicht. In den langen Jahren als Vorstandsmitglied und Vizepräsident von equiterre war er Autor von mehreren equiterre-Publikationen, darunter Ökonomische Umweltkonten (1992) und Ökologische Steuerreform (1999). Wir gedenken seiner mit großer Sympathie. Interview Burgdorf, Stadt der Fussgänger Wenn es um die Förderung vom Langsamverkehr geht, gehört Burgdorf zur Avantgarde. 1994 zur Fussgänger- und Velomodellstadt (FuVeMo) erkoren, setzt die Stadt zahlreiche Massnahmen für eine nachhaltige Mobilität und die Reduktion des Fahrzeugaufkommens in der Innenstadt durch. Das Gespräch mit Aline Renard, Projektleiterin Verkehr/ Umwelt in der Baudirektion von Burgdorf, gibt Aufschluss über die von der Stadt ergriffenen Initiativen. Welche Faktoren haben Sie dazu veranlasst, Massnahmen für eine nachhaltige Mobilität zu ergreifen? Im Grunde engagiert sich die Stadt Burgdorf schon seit langem für die nachhaltige Entwicklung. In Sachen Mobilität wurde Burgdorf im Rahmen des Programms „Energie 2000“ zur „Fussgänger- und Velomodellstadt“ erklärt, ein Pilotprojekt, das 1994 vom Bundesamt für Energie (BFE) und vom VCS lanciert wurde. Antrieb für dieses Projekt war die Feststellung, dass Fussgänger in Mobilitätsstatistiken kaum oder gar keine Erwähnung finden und daher in den Raumplanungsstudien nahezu unberücksichtigt bleiben. Dabei geht fast jeder zu Fuss, und sei es nur um zum Auto, zum Fahrrad oder zur Bushaltestelle zu gelangen. Burgdorf erfüllte die vom BFE vorgegebenen Kriterien und die Offenheit von Gewerbe und Einzelhandel für dieses Projekt konnte die Jury überzeugen. Das Modellstadt-Pilotprojekt verlief in zwei Fünfjahresphasen von 1995 bis 2000 und von 2001 bis 2006. (Informationen auf www.modelcity.ch) Welche anderen Massnahmen wurden seither ergriffen, um den öffentlichen Raum zugänglicher zu machen? Im Rahmen der Modellstadt-Initiative hat Burgdorf zunächst eine neue Form des Zusammenlebens im öffentlichen Raum geschaffen. Die gewerblichen Innenstadtbezirke mit hohem zerstreuten Fussgängeraufkommen wurden zu sogenannten „Begegnungszonen“ mit Regeln zur Förderung des Langsamverkehrs: unein- geschränkter motorisierter Verkehr, aber Tempo-20-Zone, Fussgängervortritt in der gesamten Zone sowie entsprechende Einrichtungen (mehr Querungshilfen, Strassenüberquerung überall möglich). Schweizweit wurden seit dem 1. Januar 2002, dem Datum der Integration der Begegnungszonen in die Signalisationsverordnung, nicht weniger als 140 solche Zonen eingerichtet und beschildert. Gleichzeitig wurde auf Initiative der örtlichen Sektion der IG Velo Schweiz ein Hauslieferdienst auf die Beine gestellt. Um die Lieferungen kümmern sich Langzeitarbeitslose mit Elektrovelos und Transportanhängern. Rund vierzig Geschäfte im Stadtzentrum beteiligen sich an diesem Service, insbesondere auch die Grossverteiler Coop und Migros. Es herrscht eine rege Nachfrage, die seit zehn Jahren stetig zunimmt (vgl. Statistik auf http://www.wir-bringens.ch/hauslieferdienst/statistik.htm). Gegenwärtig nutzt jeder fünfte Haushalt diesen durchaus erschwinglichen Service: Eine Lieferung kostet 2, ein Jahresabo 100 Franken. Das ist einer der grossen Würfe Burgdorfs. Weiter wurde anlässlich des Modellstadt-Projekts im Partizipationsverfahren ein Bericht erstellt, der alle Orte auflistet, die von den Nutzern als wenig oder gar nicht sicher empfunden werden. Diese äusserst wertvolle Datenbank wird regelmässig mit anderen verfügbaren Informationen ergänzt und aktualisiert (z.B. Schreiben der Elternoder Quartierverbände, Beschwerden der IG Velo Schweiz usw.). Wir haben daraus sogar eine GIS-Plattform gemacht, die konsultiert wird, wenn neue Arbeiten geplant sind. Das hat den Vorteil, dass wir die notwendigen Massnahmen in Abstimmung mit anderen Initiativen ergreifen können. Zuletzt gibt es noch eine ständige Kommission für Altersfragen, die unter anderem für Projekte im Zusammenhang mit der Zugänglichkeit von öffentlichen Anlagen angefragt wird und sich für die Interessen der Senioren einsetzt. Welche Punkte sollten Ihrer Meinung nach in Zukunft in Angriff genommen werden? Zweifellos wurden in den vergangenen Jahren viele Fortschritte gemacht. Dennoch bleibt noch viel zu tun. So muss Burgdorf etwa seinen Aktionsradius ausdehnen, zum Beispiel durch Einrichten von ähnlichen Diensten in anderen Gemeinden und durch die Schaffung neuer Synergien, z.B. mit der Bahn. Ein weiteres wesentliches Projekt in den kommenden Jahren ist die Neugestaltung des Bahnhofplatzes. Einerseits soll hier mehr Raum für Fussgänger geschaffen werden, andererseits sollen die Bahn-Bus- und Bus-Bus-Verbindungen verbessert werden. Nicht zuletzt gibt es zwar ein Fussgängerleitsystem, doch überlegen wir uns, mit welchen Mitteln wir es verbessern und ergänzen könnten. Interview: Gaëlle Haeny und Camille Rol In Burgdorf wurden Begegnungszonen so gestaltet, dass alle Nutzer gleichberechtigt davon profitieren. Nicht mehr ausschliesslich dem Verkehr gewidmet, wird so der öffentliche Raum zu einem wahren Ort der Begegnungen. 7/8 Projekte ORTE DER NACHHALTIGKEIT: GUNDELDINGER FELD Im Rahmen der Mitgliederveranstaltungsreihe «Orte der Nachhaltigkeit» hat equiterre mit rund einem Dutzend Interessierten am 20. Oktober das Quartierzentrum Gundeldinger Feld in Basel besucht. Das ehemalige Industrieareal ist im Rahmen eines nachhaltigen Umnutzungskonzeptes zum sozialen und integrativen Gewerbe-, Freizeit- und Dienstleistungszentrum des grössten zusammenhängenden Quartiers der Schweiz umgewandelt worden. Nach einem Vortrag von equiterre über nachhaltige Entwicklung in der Stadt und einem gemeinsamen Mittagessen hat uns Matthias Scheurer, Geschäftsführer der Kantensprung AG, durch das Gundeldinger Feld geführt. Gespickt mit spannenden Anekdoten aus der Entstehungszeit, hat er uns über die Geschichte und die aktuelle Nutzung des Areals informiert. Das Industrieareal wurde in den letzten 6 Jahren Schritt für Schritt zu einem vielfältigen und sehr einladenden Zentrum umgebaut. Zentrale Kriterien dieser Umnutzung sind Quartierbezogenheit, Ökologie und Integration. So finden sich dort Restaurants, Kindergarten und Schulen, ein Backpacker Hotel und eine Bibliothek ebenso wie die Büros von Pro Natura Schweiz, sowie eine Reihe von Kleinunternehmen und Organisationen, die in den ehemaligen Industriebauten Unterschlupf gefunden haben. equiterre bedankt sich bei Kantensprung AG für den herzlichen Empfang und die fachkundige Führung. Ausserdem bedanken wir uns bei den Teilnehmenden für die angeregten Diskussionen rund ums Thema. Nähere Informationen finden Sie unter www.gundeldingerfeld.ch. UN ESPACE PUBLIC POUR TOUS – GUIDE POUR UNE PLANIFICATION COHÉRENTE (ÖFFENTLICHER RAUM ZUGÄNGLICH FÜR ALLE – LEITFADEN FÜR EINE KOHÄRENTE RAUMGESTALTUNG) Eine Umgebung, die an die Mobilität aller angepasst ist, erzeugt nicht nur mehr Gerechtigkeit – was wichtig ist für eine nachhaltige Entwicklung –, sondern fördert auch das körperliche und psychische Wohlbefinden. Die öffentliche Hand hat also ein Interesse daran, die Bedürfnisse aller Fussgänger in ihre Raumplanungsprojekte einzubeziehen. Mit der Wegleitung „Un espace public pour tous“ stellt equiterre Städteplanern, politischen Entscheidungsträgern und Fachleuten ein unverzichtbares Hilfsmittel zur Verfügung. Anhand von zehn technischen Themenkarten zeigt die Publikation, welchen Hindernissen Fussgänger aller Art im öffentlichen Raum begegnen, wie man sie beseitigt oder von Anfang an vermeidet. Die Wegleitung ist in mehrfacher Hinsicht innovativ. Zunächst trägt sie den Bedürfnissen aller Fussgänger Rechnung – von Kindern und Senioren über Eltern mit Kinderwagen bis hin zu Rollstuhlfahrern. Dann illustriert sie deren Schwierigkeiten bei der Fortbewegung und zeigt systematisch, wie die richtigen raumplanerischen Massnahmen den Bedürfnissen der unterschiedlichen Fussgängerkategorien gerecht werden. Damit können die Fachleute die Schwierigkeiten besser nachvollziehen und sie bei der Planung angemessen berücksichtigen. Schliesslich enthält die Wegleitung Empfehlungen, die zum Teil über gesetzliche Bestimmungen und Normen in der Schweiz hinausgehen, weil sie die reellen Bedürfnisse der Fussgänger widerspiegeln. Durch Befolgen der ausführlich beschriebenen Empfehlungen dieser Weg- leitung schaffen Städteplaner einen öffentlichen Raum, der für alle Fussgänger zugänglicher, bequemer zu nutzen und sicherer ist und die Selbstständigkeit des Einzelnen unterstützt. Gleichzeitig tragen sie aktiv zur Gesundheitsförderung bei. In einer älter werdenden Gesellschaft, in der es unausweichlich immer mehr anfällige und gefährdete Menschen geben wird, ist es wesentlich, bei Raumplanungsprojekten einen solchen Leitfaden zu Rate zu ziehen. Für weitere Auskünfte zur Wegleitung und Bestellungen besuchen Sie bitte unsere Webseite www.equiterre.ch oder wenden Sie sich an Igor Moro ([email protected] / 022 329 99 29). Hinweis: die Wegleitung ist ausschliesslich in französischer Sprache erhältlich. Unterstützen auch Sie die nachhaltige Entwicklung ! Werden Sie Mitglied bei equiterre Einzelmitglied: CHF 70.- (pro Jahr) AHV, IV, Studenten, Arbeitlose: CHF 20.Kollektivmitglied: CHF 300.Mitglied auf Lebenszeit: CHF 2000.Fördermitglied: freier Betrag IMPRESSUM equiterre info Nr.01/2008, Januar 2008 Redaktion: Camille Rol Texte: Natacha Litzistorf, Igor Moro, Gaëlle Haeny, Peter Zemp, Thierno Diallo, René Longet, Claudia Bogenmann, Camille Rol Fotos: Burgdorf, Igor Moro, Gaëlle Haeny, Camille Rol Gestaltung: Rafael Schweizer, Lausanne Übersetzungen: Susanne Coat-Tober und Elisabeth Kopp-Demougeot Auflage: 7’300 ex., Cyclus Print 100% Recyclingpapier Herausgeberin: equiterre (ehemals SGU) Merkurstrasse 45, 8032 Zürich Tel: 043 / 268 83 33 Fax: 043 / 268 83 30 E-Mail : [email protected] Internet : www.equiterre.ch Postcheckkonto: 80-20177-4