März - eXperimenta
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eXperimenta mÄrZ 2010 Onlinemagazin des INstituts für KreAtives Schreiben, Bad Kreuznach & Bingen © Martinno/Scc.Hu 2007 Schwerpunkt: Exil & Entwurzelung Anne Ziegler Karibu Kurt Tucholsky Augen in der Großstadt Heike Strobel Vom Roadkill der realen Erfahrung eXperimenta März 2010 Helmut Gotschy Reiseeindrücke Christian C. Kruse Fünf Sequenzen Hugo von Hofmannsthal Vorfrühling Www.Experimenta.De 01. März 2010 Editorial Impression............................................................4 Exil & Entwurzelung..............................................5 Anne Ziegler: Karibu.........................................5 Exil-Literaturpreise Schreiben zwischen den Kulturen 2009.........................................................9 Kurt Tucholsky: Augen in der Großstadt.............12 Kurt Tucholsky – Der „aufgehörte Deutsche“.......13 Entwurzeltes Leben..........................................15 Vom Roadkill der realen Erfahrung....................16 Die Kunst...........................................................19 Helmut Gotschy: Reiseeindrücke.......................19 Christian C. Kruse: Fünf Sequenzen einer Veränderung.............................................................. 21 Hugo von Hofmannsthal: Vorfrühling................. 27 Die Gesellschaft & die Literatur.............................29 Sieben Fragen – ein Porträt..............................29 Von Tango und Traurigkeit................................33 Dublin und seine Writer...................................35 Die Welt des Kreativen Schreibens........................38 fuck, goddam und dieser andere Irrsinnskram....38 Das Institut......................................................... 41 Welt und Mensch............................................ 41 Worte der Menschwerdung.............................. 41 eXperimenta im Funk................................43 Der Wegweiser...................................................44 TORSO-Literaturpreis 2010.............................44 Uwe-Johnson-Preis...........................................45 Samurai.........................................................48 Was ich gerade lese.......................................48 Neuerscheinungen..........................................48 Allfälliges.......................................................49 Die Redaktion.....................................................56 Nachts sind alle Katzen geil.............................56 Neu in der Redaktion......................................58 Impressum.....................................................59 Liebe Leserinnen und Leser, © Friederike Zabel 2009 Inhalt dieser Ausgabe Schriftsteller im Exil eine besondere Herausforderung für Menschen, die sich schreibend zu Wort melden. Rousseau, Diderot, Voltaire, Else Lasker-Schüler, Brecht, Anna Seghers, ... . Die Liste der Schriftstellerinnen und Schriftsteller, die diesen harten Weg wählten, ließe sich fortsetzen. Menschen, die in ihrer Zeit etwas bewegen wollten und deren Bewegung die bestehenden Verhältnisse zu erschüttern drohte, den Zeitgeist in Frage stellten oder die Mächtigen herausforderten. Zu allen Zeiten gab es Schriftstellerinnen und Schriftsteller, die den Mut hatten, sich – (Fortsetzung Seite 3) eXperimenta März 2010: Inhalt dieser AusgabeeXperimenta März 2010 Seite 2 auch unter dem Einsatz ihres Lebens – für Ideale einzusetzen, die eine bessere, eine lebenswertere Zukunft versprachen. Das Wort, das literarische Wort, ist mächtig. Es hat die Macht, gesellschaftlich notwendige Veränderungen vorzubereiten, Regierungen zu stürzen und Tyrannen von der Tagesordnung zu lächeln. Leider sind in unserer Zeit Literaten, denen es um mehr als nur sich selbst geht, selten geworden. Zu sehr sind Nabelschau und Feuchtgebiete ins Zentrum der literarischen Aufmerksamkeit gerückt. Es scheint, viele Autoren haben es sich in ihrem Elfenbeinturm warm eingerichtet, mag es draußen noch so stürmen. Die Zukunft der Literatur liegt in den klaren Worten. Sie müssen geschrieben werden, um auf bestehende Probleme aufmerksam zu machen, oder solche zu erfühlen, die erst in Zukunft vor uns liegen. Ich fürchte aber, bis dahin werden noch einige Schriftsteller ins Exil gehen müssen – ins innere Exil im Sinne eines Rückzugs von der Oberflächlichkeit. Herzliche Grüße Rüdiger Heins Themen kommender Hefte: eXperimenta April 2010: Briefwechsel eXperimenta Mai 2010: Eifersucht Die Redaktion freut sich über Einsendungen literarischer und literaturjournalistischer Texte zu den Schwerpunktthemen. Zuschriften bitte mit Bild und Kurzvita an [email protected]. Die Texte sollten nicht länger sein als 9.000 Zeichen. Einsendungen sind in Deutsch oder einer anderen Sprache der Europäischen Gemeinschaft mit deutscher Übersetzung möglich. Hinweise für Autoren finden sich in eXperimenta September 2009. Auch Arbeiten mit einem freien Thema werden gerne angenommen. eXperimenta März 2010: EditorialeXperimenta März 2010 Seite 3 Impression Feeling Blue © Christine Seiler 2008 eXperimenta März 2010: Impression Seite 4 Schwerpunktthema: Exil & Entwurzelung Anne Ziegler: Karibu G Privatbild anz weit, ganz klar liegt es vor ihr. Fast scheint es, als hätte das Meer kein Ende. Ginge immer weiter geradeaus. Die Vorstellung macht Nilaja Angst und fasziniert sie zugleich. Immer weiter. Weiter. Weiter. Nicht mehr nachdenken. Nichts mehr fühlen. Blaues, glattes Wasser. Ein Zerren an ihrer linken Hand lässt Die Autorin sie aufblicken. Kurz fliegt ein müdes Lächeln über Nilajas Gesicht. Es soll ihm Anne Ziegler lebt in Bad Kreuznach. besser gehen als ihr. Das ist ihr größSie ist 17 Jahre alt und geht in die ter Traum. Und wahrscheinlich sogar 12. Klasse eines Gymnasiums. Teilihr einziger. Nilaja nimmt ihn auf den nehmerin an Abenteuer Schreiben Arm. Küsst ihn auf die verklebte Wanbei INKAS. Letzte Veröffentlichung ge. „Nun dauert es nicht mehr lange.“ in eXperimenta April 2008. Ihre Stimme ist warm. Jung. Und doch gezeichnet von Leid. Zu viel Leid. Die Sonne brennt vom Himmel herunter. Es ist heiß heute. Als Nilaja weiter geht, drücken sich die Pflastersteine durch ihre dünnen Sohlen. Komisch, dass sie nicht aufgeregt ist. Sie spürt nichts. Gar nichts. Da ist nur diese große Leere, die sie schon so lange mit sich herumträgt. Lange. Unendlich lange. Am Ende des Kais sitzen vereinzelt ein paar Männer. Möglichst unauffällig. Doch sie tragen kleine Reisetaschen auf dem Rücken. Ihr Blick geht in die Ferne. Weit weg. Wahrscheinlich in das Land ihrer Träume. Das Land, das hinter diesem Ozean liegt. Eigentlich nah. Und doch so weit weg. Als das kleine Schlauchboot anlegt, ist Nilaja verwirrt. So klein hat sie es sich nicht vorgestellt. Doch der Gedanke verschwindet sofort. Dafür hat sie keinen Platz in ihrem Kopf. Dafür darf sie kleinen Platz haben. Die vereinzelt sitzenden Gestalten lau- eXperimenta März 2010: Exil & Entwurzelung Seite 5 © James Moore/Sxc.Hu 2003 © Nancy Nator/Sxc.Hu 2009 fen nun Richtung Kai. Niemand schaut nach links oder rechts. Nilaja drückt ihren Sohn fester an sich. Läuft. Lässt sich von den unsicheren Schritten der Fremden mitziehen. Ein großer, weißhäutiger Mann winkt sie heran. Er sieht ungeduldig aus. Einige beginnen, schneller zu laufen. Wie eine große, zähe Masse lässt sich der Rest der Menschen mitziehen. Kein Warten. Kein Zögern mehr. Dafür ist es jetzt zu spät. Langsam reiht Nilaja sich in die Schlange der Wartenden ein. Nur noch wenige Meter. Der große Mann betrachtet sie von oben bis unten. Dann darf sie einsteigen. Ganz hinten im Boot ist noch Platz. Das Wasser kräuselt sich und schlägt immer wieder ganz sachte gegen die Bootswand. Ein beruhigendes Gefühl breitet sich in ihr aus. Der Kleine schläft. Sein Kopf liegt auf ihrer Brust. eXperimenta März 2010: Exil & Entwurzelung Seite 6 Als sie losfahren steht die Sonne schon sehr tief. Das Meer glitzert. Im Boot herrscht Stille. Einer der Männer steuert. Nilaja ist sich nicht sicher, ob er es schon jemals vorher getan hat. Aber es ist ihr egal. Sie fahren. Die Küste hinter ihnen wird langsam immer kleiner. Nilaja schaut auf das Meer hinaus. Betrachtet den Sonnenuntergang. Hört den ruhigen Atem auf ihrer Brust. © James Moore/Sxc.Hu 2003 © Nancy Nator/Sxc.Hu 2009 Erst als die Sonne längst untergegangen ist, erst als die Küste hinter ihnen nicht mehr zu erkennen ist, wird Nilaja klar, dass etwas nicht stimmt. Die Leute murmeln leise. Der Mann am Steuer sieht besorgt aus. Vielleicht kennt er sich doch mit Booten aus. Nilaja sieht sich um. Neben ihr sitzt eine junge Frau. Fast noch ein Mädchen. Sie zittert ein wenig. „Was ist los?“ Keine Reaktion. Das Mädchen schaut sie nur verwirrt an. Der Mann hinter Nilaja sagt leise: „Das Benzin reicht nicht mehr lange.“ Nilaja schaut ihn an. Kann den Blick nicht von ihm wenden. Warum? Nur dieses eine Wort. Nichts anderes geht ihr durch den Kopf. Warum? Warum hat der große, weißhäutige Mann sie alle betrogen? Warum hat sie ihm vertraut? Warum? Sie weiß, was das bedeutet. Hat es schon unzählige Male gehört. Und wollte es doch nie glauben. Es gibt kein Entkommen. Der Weg zurück ist zu lang. Der vor ihnen ebenfalls. Mit einem tiefen Seufzer erwacht ihr Sohn aus dem Schlaf. Schaut sie an. Lächelt. Und Nilaja beginnt zu weinen. Leise. Ganz leise. Eine Träne fällt auf sein junges Gesicht. Kullert seine Wange hinunter. Sie werden es nicht schaffen. Nicht beide. eXperimenta März 2010: Exil & Entwurzelung Seite 7 Migrant Mother. Dorothea Lange 1936, gemeinfrei eXperimenta März 2010: Exil & Entwurzelung Seite 8 Exil-Literaturpreise Schreiben zwischen den Kulturen 2009 Ein Literaturwettbewerb zur Förderung der Literatur von Autoren mit Migrationshintergrund und von Angehörigen ethnischer Minderheiten in Österreich. S Walking Alone © Onkel Wart/Flickr 2009 CC-by-nc-sa 2.0 eit 1997 gibt es in Wien auf Initiative des Vereins Exil das Projekt der Exil-Literaturpreise Schreiben zwischen den Kulturen. Autoren und Autorinnen wie Julya Rabinowich und Dimitrè Dinev wurden durch das Projekt entdeckt und haben in der Edition Exil ihre ersten Texte und Bücher veröffentlicht. Sie konnten dadurch im öffentlichen Kultur- und Literaturbetrieb Fuß fassen. Die Exil-Literaturpreise Schreiben zwischen den Kulturen sollen Autoren, die nach Österreich zugewandert sind, ermutigen, sich mit ihrer Lebenssituation literarisch auseinanderzusetzen. Ziel des Projektes ist es, neue literarische Talente in Österreich zu entdecken und zu fördern. Autoren, die aufgrund ihres neuen, oft unverstellten Blickes auf die deutsche Sprache imstande sind, dieser neue Impulse zu geben. Ihre arbeiten wollen wir in der Edition Exil der Öffentlichkeit zugänglich machen. Ihre literarische Auseinandersetzung mit den Themen Fremdsein, Anderssein, Integration, Identität wollen wir zum Thema machen. Jährlich werden im Rahmen der Exil-Literaturpreise Preisgelder in Höhe von 13.000 € in 8 Kategorien vergeben. Derzeit entscheiden jeweils 3 Juryteams (bestehend aus jeweils 3 Mitgliedern), die jedes Jahr neu zusammengesetzt sind, über die Vergabe der Preise. Die einzelnen Preise sind wie folgt dotiert: —— Erster Preis: 3.000, € für Prosa von Autoren mit Migrationshintergrund —— Zweiter Preis: 2.000 € für Prosa von Autoren mit Migrationshintergrund —— Dritter Preis: 1.500 € für Prosa von Autoren mit Migrationshintergrund —— Lyrikpreis: 1.500 € für Autoren mit Migrationshintergrund —— Preis für Autoren mit deutsch als Erstsprache: 1.000 € —— Preis für Texte von Teams und Schulklassen: 1.000 € eXperimenta März 2010: Exil & Entwurzelung Seite 9 —— Preis für Texte jugendlicher Autoren bis zum 20. Lebensjahr: 1.000 € —— Preis für dramatische Theatertexte, gefördert von den Wiener Wortstätten: 2.000 € Observation Point © Daniele Vigna/Flickr 2009 CC-by-nc-sa 2.0 Teilnahmeberechtigt sind Personen, die seit mindestens einem halben Jahr in Österreich (beim Dramenpreis im deutschen Sprachraum) leben. Alle Arbeiten müssen in vierfacher Ausfertigung und in deutscher Sprache eingereicht werden, vom Autor oder der Autorin selbst in deutscher Sprache verfasst und bis zum Zeitpunkt der Einreichung unveröffentlicht sein. Alle Dichtungsgattungen sind zugelassen. Die Texte sollen den Umfang von zwanzig Maschinschreibseiten nicht überschreiten und sich im weitesten Sinne mit den Themen Integration oder Assimilation, Identität oder Leben zwischen Kulturen auseinandersetzen. Ein Blatt mit Kurzbiographie und Bibliographie, ein Foto der Autorin oder des Autors sowie Adresse, Telefonnummer und Email-Adresse (bei Schulklassen der Lehrkraft) müssen beiliegen. Mit der Annahme des Preises tritt die Autorin oder der Autor die Veröffentlichungsrechte an dem prämierten und in der Edition Exil veröffentlichten Text an die Edition Exil ab. Eine Rücksendung der eingereichten Texte an die Autoren ist nicht möglich. Einsendungen an: Verein Exil, Kennwort Exil-Literaturpreise Einsendeschluß (Prosa, Lyrik, Drama): 30. April 2010 Einsendeschluß (Schulprojekte, Jugendtexte): 30. Juni 2010 Ein Projekt von: Exil, Zentrum für interkulturelle Kunst und Antirassismusarbeit in Kooperation mit der Grazer AutorInnenversammlung, dem Verein Kulturzentrum Spittelberg, und den Wiener Wortstaetten Stiftgasse 8, A-1070 Wien Tel. +43 (6 99) 12 34 44 65 Fax +43 (1 89 00) 8 72 15 Kontakt: [email protected], Www.Amerlinghaus.At; siehe auch Www.ZentrumExil.At. eXperimenta März 2010: Exil & Entwurzelung Seite 10 Flüchtlingslager bei Port Sudan © Jan Betke 1985 eXperimenta März 2010: Exil & Entwurzelung Seite 11 Wenn du zur Arbeit gehst am frühen Morgen wenn du am Bahnhof stehst mit deinen Sorgen: da zeigt die Stadt dir asphaltglatt im Menschentrichter Millionen Gesichter: Zwei fremde Augen, ein kurzer Blick, die Braue, Pupillen, die Lider – Was war das? Vielleicht dein Lebensglück ... vorbei , verweht, nie wieder. Cityscape © Zd/Sxc.Hu 2010 Du gehst dein Leben lang auf tausend Straßen; du siehst auf deinem Gang, die dich vergaßen. Ein Auge winkt, die Seele klingt, du hast´s gefunden, nur für Sekunden ... zwei fremde Augen, ein kurzer Blick, die Braue, Pupille, die Lider, Was war das? Kein Mensch dreht die Zeit zurück... vorbei, verweht, nie wieder eXperimenta März 2010: Exil & Entwurzelung Kurt Tucholsky in Paris. Lisa Matthias 1928, gemeinfrei Kurt Tucholsky: Augen in der Großstadt Der Autor Kurt Tucholsky , geboren am 9. Januar 1890 in Berlin, war Journalist und Schriftsteller. Bekannt wurde er durch seine Werke Rheinsberg (1912) und Schloß Gripsholm (1931). Er ging 1924 als Korrespondent der Weltbühne nach Paris. 1930 emigrierte Tucholsky nach Schweden, wo er am 21. Dezember 1935 starb. Du mußt auf deinem Gang durch Städte wandern; siehst einen Pulsschlag lang den fremden Andern. Es kann ein Feind sein, es kann ein Freund sein, es kann im Kampfe dein Genosse sein. Er sieht hinüber und zieht vorüber ... Zwei fremde Augen, ein kurzer Blick, die Braue, Pupillen, die Lider. Was war das? Von der großen Menschheit ein Stück! Vorbei, verweht, nie wieder. Seite 12 Kurt Tucholsky – Der „aufgehörte Deutsche“ V Vidas © Nubecilla/Flickr 2007 CC-by-nc-nd 2.0 orbei, verweht, nie wieder“: was sich für einen Großstädter des Jahres 2010 wie eine Schilderung der eigenen Lebenswirklichkeit anhört, ist in Wirklichkeitbereits im Jahr 1930 zu Papier gebracht worden. Kurt Tucholsky war im selben Jahr ins schwedische Exil ausgewandert. Obwohl er sich selbst nicht als Emigrant verstand, da er Deutschland bereits im Jahr 1924 verlassen hatte, um als Korrespondent für die Weltbühne und die Vossische Zeitung in Paris zu arbeiten, teilte er mit seinen vor den Nazis geflohenen Kollegen vor allen Dingen das Gefühl der Entwurzelung. Hatte er von Paris aus noch für ein Deutschland gekämpft, das die notwendige Erneuerung auf pazifistischem Wege erreichen sollte, mußte er nun erkennen, daß sein Bestreben vergeblich gewesen war. Insbesondere der Weltbühne-Prozess, in dem Carl von Ossietzky, damaliger Herausgeber der linksintellektuellen Theaterzeitschrift wegen eines Berichts über die verbotene Aufrüstung der Wehrmacht zu einer Gefängnisstrafe verurteilt wurde, machte deutlich, daß in Deutschland kritische Publizistik seitens der Obrigkeit nicht länger erwünscht war. Kurt Tucholsky, dessen These „Soldaten sind Mörder“ ebenfalls Gegenstand eines Prozesses gegen die Weltbühne war, entging einer Gefängnisstrafe nur, da er bereits im Ausland lebte. Er litt fortan unter dem Gefühl, seine Kollegen im Stich gelassen zu haben. „Daß unsere Welt in Deutschland zu existieren aufgehört hat, brauche ich Ihnen wohl nicht zu sagen. Und daher werde ich erstmal das Maul halten. Gegen einen Ozean pfeift man nicht an“, schrieb Tucholsky in seinen politischen Briefen. In den folgenden Jahren zog er sich nahezu völlig von der öffentlichen Berichterstattung zurück. Innerlich fühlte er sich in Bezug auf seine Haltung zu Deutschland zerrissen: „Deutschland ist ein gespaltenes Land. Ein Teil von ihm sind wir. Und in allen Gegensätzen steht – unerschütterlich, ohne Fahne, ohne Leierkasten, ohne Sentimentalität eXperimenta März 2010: Exil & Entwurzelung Seite 13 Berlin, Reichstag vor 1900. Gemeinfrei und ohne gezücktes Schwert – die Liebe zu unserer Heimat“, wie er 1929 in Deutschland, Deutschland über alles schreibt. Dennoch bezeichnete er sich zuletzt als „aufgehörten Deutschen“, ein Status, der 1933 auch zum äußerlichen wurde, als ihm von den Nazis die deutsche Staatsbürgerschaft abererkannt wurde und seine Bücher öffentlich verbrannt wurden. In der Folge bemühte sich Tucholsky um die schwedische Staatsangehörigkeit, die er jedoch nicht mehr erlangen sollte. Auch seine private Situation trug nicht dazu bei, das Gefühl der Entwurzelung und Entfremdung zu überwinden. Zwei Ehen waren gescheitert, von seiner Lebensgefährtin Lisa Matthias, die ihn nach Schweden begleitet hatte, trennte er sich im Jahre 1931. Hinzu kamen gesundheitliche Probleme. Tucholsky litt unter Magenbeschwerden, die so schwer waren, daß er ohne die Einnahme von Barbituraten keinen Schlaf mehr finden konnte. Am Abend des 20. Dezember1935 nahm er eine Überdosis der Medikamente. Ob dies absichtlich oder aus Versehen geschah, ist heute umstritten. Tucholsky fiel ins Koma, aus dem er nicht mehr erwachte. Am 21. Dezember 1935 – knapp drei Wochen vor seinem 46. Geburtstag – starb er. Heike Strobel eXperimenta März 2010: Exil & Entwurzelung Seite 14 Heimatschein & Sterbeurkunde Richard Scholz. Privatbild Richard Scholz, geboren am 25. Dezember 1895 in Olmütz, gestorben am 14. Oktober 1953 in Baldern. Schuhmacher und Vater von sechs Kindern, dessen Leben, von Krieg und Krankheit gezeichnet, an einem Ort endete, der in der kurzen verbliebenen Lebenszeit kaum mehr zur Heimat werden konnte. Spurensuche nach Puzzleteilen eines Lebens. Andrea Reiser Richard Scholz 1895 - 1953. Privatbild Entwurzeltes Leben eXperimenta März 2010: Exil & Entwurzelung Seite 15 Vom Roadkill der realen Erfahrung Nabeel’s Song E Oh the society! Oh the networking! © ρЯίтΛм 8 [busy]/Flickr 2009 CC-by-nc-nd 2.0 igentlich sollte dieser Artikel von Mifti handeln, der 16-jährigen Hauptfigur Der irakische Autor Nabeel aus Axolotl Roadkill, deren äußere LeYasin ist nach achtundzwanzig bensumstände – faktisch elternlos, SchulJahren Exil in sein Heimatland verweigerin, Drogen, schneller Sex – doch zurückgekehrt. scheinbar so hervorragend zum SchwerNabeel Yasin wurde 1978 punktthema dieser Ausgabe: Entwurzelung von Saddams Kulturschergen auf passen würden. die schwarze Liste gesetzt, weil Dann kam heraus, daß der Roman Axoseine Gedichte nicht im Intereslotl Roadkill nicht allein aus der Feder von se des Regimes waren. Er selbst Helene Hegemann stammt. Teile wurden nasagt, dass sein Exil schon eine hezu unverändert aus dem Text Strobo von poetische Grundidee war, als er Airen übernommen, den dieser in einem Innoch im Irak lebte. Als ihn die ternetblog veröffentlich hatte. Wirklichkeit einholte, erfuhr er Es stellt sich jetzt nicht nur die Frage, ob eine weitere Dimension dieser dies die Qualität des – sprachlich hervorrabitteren Erfahrung. genden – Erstlingswerks der siebzehnjähriRüdiger Heins gen Berlinerin schmälert. Vielmehr zeigt der Fall Hegemann auch auf, wer eigentlich entwurzelt ist: nicht etwa Mifti nämlich – trotz ihrer widrigen Lebensumstände – sondern in Wirklichkeit wir, die wir im sogenannten Informationszeitalter leben. Denn eines wird deutlich: Um mitreden zu können, muß heutzutage niemand mehr selbst Erfahrungen sammeln, ja nicht einmal mehr vor die Tür gehen. Ein Mausklick genügt. Es gibt viele Leute, die ihre gesamte Freizeit in Parallelwelten wie World of Warcraft oder Second Life verbringen. Offenbar hält das reale Leben für diese Leute nichts Aufregendes mehr bereit. Auch das ist eine Form der Entwurzelung. Selbst wenn wir nicht zu dieser extremen Gruppe gehören: Freundschaften schließen wir bei Facebook per Mausklick. Das Foto für unser Profil haben wir vorher digital bearbeitet, was egal ist, weil wir die meisten unserer 200 “Freunde“ ohnehin nie persönlich treffen werden. Wir suchen unsere Part- eXperimenta März 2010: Exil & Entwurzelung Seite 16 Dancer © Gyles Cowen-Jones/Scx.Hu 2007 ner online und wenn wir uns unterhalten wollen, begeben wir uns in einen Chatroom. In Wirklichkeit sitzen wir abends allein vor dem PC. Wer eine Satellitenschüssel sein eigen nennt, kann über 100 Fernsehprogramme aus aller Welt empfangen. Jeder war auf diese Weise schon einmal am Südpol. Und vom Fernsehsessel aus läßt sich das Konzert der Lieblingsgruppe viel besser verfolgen als vom Stehplatz in der letzten Reihe der überfüllten Konzerthalle. Wir neigen daher immer mehr dazu, unsere Erfahrungen aus zweiter Hand zu machen. Entscheidend ist, wie wir damit umgehen. Daß die bewußte Aneignung fremden geistigen Eigentums, wie im Fall Hegemann geschehen, gegen das Urheberrecht verstoßt, ist die eine Sache. Die andere Sache ist, daß wir, wenn wir fremde Erfahrungen ungefiltert übernehmen, Gefahr laufen, manipuliert zu werden. Denn andere haben das, was wir als Wahrheit vorgesetzt bekommen, ausgewählt und subjektiv bewertet. Vielleicht hätte sich Mifti – hätte Helene Hegemann den Club, dessen Schilderung sie von Airen übernommen hat, selbst besucht – nicht bis morgens mit irgendwelchen Drogen zugedröhnt, um dann mit Pörksen eine Nummer auf der Straße zu schieben, sondern hätte ein paar Cola getrunken und wäre um Mitternacht vom freundlichen Sicherheitspersonal gebeten worden, den Club zu verlassen. Schlimmstenfalls wird uns sogar etwas komplett Unwahres als wahr verkauft und wir können den Unterschied nicht erkennen. Nur über das, was wir selbst erlebt haben, können wir uns ein verläßliches Urteil bilden. Wir müssen folglich mit dem Erfahrenen etwas anfangen, ihm unsere eigenen Erlebnisse entgegensetzen, es einordnen, kritisieren, weiterentwickeln. Nur dann können wir letztlich Wurzeln bilden und an uns selbst wachsen. Das weiß auch Helene Hegemann, denn sie läßt Mifti und ihren Bruder Edmond auf Seite 15 ihres Romans gerade diese Thematik erörtern. Der durch Edmond geklaute Gedanke, um den es in diesem Gespräch geht, stammt übrigens – wer hätte es gedacht – von einem Blogger. Heike Strobel eXperimenta März 2010: Exil & Entwurzelung Seite 17 Drink and Nails © Lukasz Fus/Sxc.Hu 2008 eXperimenta März 2010: Exil & Entwurzelung Seite 18 Die Kunst Ich wollt’ einst ein Schnitzel in Hammamet Der Koch schrie entsetzt: „das hamma net!“ Er servierte dann Lamm das war schon ganz klamm der dusslige Brutzler aus Hammamet Der Autor Ein alter Berber aus Monastir beklagt sich über lauwarmes Bier dann – ohne ein Wort kippt er es fort der durstige Berber aus Monastir Nach mehr als 30 Jahren erfolgreichen Drehleierbaus widmet sich Helmut Gotschy nun fast ausschließlich dem Schreiben. Student des Kreativen Schreibens bei Inkas. Letzte Veröffentlichung in eXperimenta August 2009. Arabic Door © Getwired/Sxc.Hu 2009Hu 2008 Ein hellhäutiger Bey aus Touzeur wartete auf seinen Chauffeur doch der saß im Souk und trank einen Schluck so musste er gehen, der Charmeur aus Touzeur eXperimenta März 2010: Die Kunst Lyrik Privatbild Helmut Gotschy: Reiseeindrücke Es reiste ein Händler nach Tataouine auf den Kamelen fünf Fass Margarine sie schmolz in der Glut den Kamelen tat’s gut so kamen sie glänzend nach Tataouine Ein Leckermäulchen aus der Stadt Douz aß süße Datteln mit großem Genuss Er schluckte daneben und bezahlt’ mit dem Leben den Genuss der Datteln aus Douz Seite 19 Ein Beduinensohn aus Touzeur trank einst zuviel vom Dattellikör ihm wurde speiübel er kotzt in den Kübel und schwankt danach krank durch Touzeur Ein jüngerer Händler vom netten Nabeul kaufte sich frisches Olivenöl er stopfte das Fläschchen ins volle Täschchen und vertröpfelte Öl in Nabeul. Child Portrait © Cristian Popescu/Sxc.Hu 2008 Ein Winzer vom schönen Cap Bon erwog den Anbau von schlafendem Mohn der Gewinn ist bombastisch die Strafen sind drastisch drum trinkt man weiter Wein auf Cap Bon eXperimenta März 2010: Die Kunst Stellenauschreibung Mitarbeit oder Praktikum Die Redaktion der eXperimenta arbeitet ehrenamtlich. Geld bekommt niemand – den Lohn der Arbeit stellt die Freude dar, am Ende das fertige Exemplar in der Hand zu haben. Leider reicht die Arbeitskraft des Redaktionsteams kaum aus, um die Einsendungen zu bewältigen. Deswegen suchen wir weitere engagierte Freiwillige: —— Redakteure mit den Schwerpunkten Textredaktion und Autorenkontakte, —— einen Webdesigner für die Gestaltung und Pflege unserer Homepage. Gearbeitet wird größtenteils von zuhause am eigenen Pc. Etwa dreimal im Monat treffen wir uns zu Redaktionssitzungen in Frankfurt am Main. Hergestellt wird das Blatt ebenso in Frankfurt. Das Redaktionslokal der eXperimenta befindet sich in der Bar Goldmund im Literaturhaus, Schöne Aussicht 2. Die Mitarbeit an der eXperimenta ist auch als Praktikum für Studenten der Literatur- und Medienwissenschaften und der Gestaltung geeignet. Kontakt: [email protected] Seite 20 © Holger Pieper 2007 Christian C. Kruse: Fünf Sequenzen einer Veränderung Betitelt als Das Leben vor dem Tod Eine Kafkaeske 1 Prosa Der Autor Christian C. Kruse. Geboren am 21.12.1963 in Bremen. Erste Gedichte 1981. Seit 2008 mit der Gitarre in Deutschlands Straßen unterwegs. Letzte Veröffentlichung in eXperimenta Januar 2010. © Konrad Mostert/Sxc.Hu 2009 „So lass es denn heraus!“ Die Augen des grün gewandeten Harlekins blitzten dämonisch. Der Zeigefinger seiner rechten Hand wollte in mein Herz dringen, doch das ließ ich nicht zu. Die Schellen der Narrenkappe erzeugten Echos im Kirchenschiff, als der Harlekin die Treppenstufen der Kanzel hinunterwirbelte. Mit geckenhafter Behendigkeit sprang er über das Holzgeländer, und ließ sich in abwartender Haltung auf dem Taufbecken nieder, die Beine vorbildlich übereinanderschlagend. eXperimenta März 2010: Die Kunst Seite 21 Ich saß zusammengekauert auf einer der harten Holzbänke im Mittelschiff, meinen Mantel als einen Kokon benutzend. Es war kalt, und zudem musste ich pissen. Tränen liefen mir über die Wangen, und ich wurde von Krämpfen geschüttelt. „Ich kann nicht!“ brüllte ich dem Harlekin entgegen. Dieser begann meckernd zu lachen. „Du willst es nur nicht“, behauptete er höhnisch, und glitt vom Taufbecken wie eine Schlange. In stolzer, anmutiger Haltung schritt er mir entgegen, blieb vor der ersten Stuhlreihe stehen und betrachtete mich nachdenklich, die Arme vor der Brust verschränkt. „Dann kann ich Dir nicht helfen“, schloss er, und war im selben Moment vor meinen Augen verschwunden. Die schwere Eichentür krachte in das Schloss und der Widerhall presste auf meine Membrane. Ich senkte den Kopf und stellte fest, dass ich mir in die Hosen gemacht hatte. Peinlich berührt blieb ich sitzen und wagte nicht, mich zu erheben. 2 eXperimenta März 2010: Die Kunst © Joseph Hoban/Sxc.Hu 2007 Die Turmuhr schlug dunkelblau, als ich in den Schnee hinaustrat. Der kalte Wind zupfte besonders empfindlich an der nassen Stelle zwischen den Beinen. Schutzsuchend strebte ich den warmen Lichtern der Fußgängerzone entgegen. Die Leuchtreklame eines Stehcafes schrieb „Komm rein!“ auf das Pflaster, und meine linke Hand hielt den Knauf umfasst, ehe der Kopf „Ja!“ gesagt hatte. Die große weiße Tasse Milchkaffee stand dampfend auf dem runden, weißlackierten Tisch. Kleine hastige Schlucke vertrieben die Klämme, die geschmolzenen Schneeflocken auf dem Mantelstoff glitzerten wie Kristalle. Das Türglöckchen bimmelte verheißungsvoll, und so schaute ich hin. Eine zarte Hand fuhr durch glattes, dunkelbraunes Haar, das Lächeln mit den braunen Augen galt mir. Vor Schreck vergoss ich einen Schluck Milchkaffee, der sich sogleich als Lache auf dem Lack des Tisches sammelte. „Hey, Schriftsteller!“ Ihr nasses Haar bedeckte verwegen romantisch die eine Gesichtshälfte, aus der anderen blitzte das rehbraunäugige Lächeln, garniert mit rosa Zahnfleisch. „Hast Du das geschrieben?“ „Ich weiß, was ich schreibe“, antwortete ich trotzig und schaute dem Mädchen dabei nicht in die Augen. Seite 22 „Weißt Du auch, was Du willst?“ Die Frage ging leer aus, und in meinen halbgetrunkenen Milchkaffee fielen Tränen. Als ich meinte, wieder klar sehen zu können, waren nur die Tasse und der Fleck geblieben, Da wusste ich, verliebt zu sein. 3 © Joseph Hoban/Sxc.Hu 2007 Als ich die sichere Wärme des Cafes verlassen hatte, begann es zu schneien. In Abständen von wenigen Sekunden musste ich mit meinen Fingern die Gläser der Brille freiwischen, um wenigstens teilweise den Rückweg erkennen zu können. Immer stärker trieb mir der Wind die Eiskörner in das Gesicht, so dass ich in den unbeleuchteten Straßen orientierungslos daherstolperte. Erschöpft und durchfroren schloss ich die Haustür auf und verweilte einen Moment im dunklen Hausflur. Gedämpfte Stimmen summten im Treppenhaus, welche aus der Wohnung meines Vermieters kommen mussten. Ich hatte keinen Besuch zu erwarten. Langsam stieg ich die Stufen hinauf, drückte die Klinke hinunter – und sah mich nach dem Öffnen der Tür einer befremdenden Szene gegenübergestellt: ein Haufen Männer lief im Flur herum, hastig in dicht vor ihr Gesicht gehaltenen Büchern blätternd. Sie bemerkten mich erst, als ich verwundert um mich schauend meinem Zimmer entgegenstrebte, dabei in den Taschen den Schlüssel suchend. „Da ist er“, hörte ich eine triumphierende Stimme, und wie auf ein Stichwort kam noch einmal die doppelte Anzahl Männer aus der Vermieterwohnung; die in den Händen gehaltenen Bücher ließen sie achtlos auf den Boden fallen. „Mach auf!“ rief jemand, und mit fahrigen Bewegungen entriegelte ich die Tür. All diese Männer drängten sich nun in das kleine Zimmer und fielen über alle nur vorhandene Literatur her. Wie der Besucher ei- eXperimenta März 2010: Die Kunst Seite 23 © Cmpt/Sxc.Hu 2008 © Ale Paive/Sxc.Hu 2007 nes Theaterspiels stand ich da, bis einer der Männer an mich trat, dabei ein Buch in den Raum haltend. „HAST DU DAS GESCHRIEBEN?“ Unfähig zur Antwort starrte ich auf das Buch. Die anderen Männer hatten in ihren Tätigkeiten innegehalten und schauten mich erwartungsvoll an. Der Frager erhob ein zweites Mal seine Stimme gegen mich. „BIST DU DAS?“ „Ich bin alles“, presste ich zwischen den Zähnen hervor und ballte Fäuste, weil ich anfing zu zittern. Die Suchenden brachen in verhaltenen Jubel aus, reichten sich die Hände und klopften gegenseitig ihre Schultern. „Das wurde auch Zeit“, hört ich einen der Hausdurchsucher sagen, „wir haben so lange gebraucht – der Fisch fing schon an zu stinken.“ Lachend und unter lauten Zurufen polterten alle daraufhin die Treppe hinunter, ohne mich noch eines weiteren Blickes zu würdigen. Jeder hatte einen Stapel Literatur unter den Arm genommen – Bücher, Illustrierte oder lose Blätter – alles erschien ihnen lesenswert. Ich stand immer noch in der Mitte meines Zimmers. Durch das Fenster konnte ich auf die schneebedeckte Straße sehen. Ich sah die Männer in große schwarze Autos steigen, die sie auf der gegenüberliegenden Straßenseite geparkt hatten, und davonfahren. Meine Hände entkrampften sich – ich hatte aufgehört zu zittern. Da fühlte ich mich allein … 4 Die Nacht war von Feuerschein hell erleuchtet. Überall in den Straßen standen Menschen zu kleinen Gruppen versammelt und unterhielten sich in lautem und aufgeregtem Ton. Dazwischen patrouillierten Polizisten und Soldaten, in unbestimmten Abständen laut Befehle gebend. eXperimenta März 2010: Die Kunst Seite 24 © Joseph Hoban/Sxc.Hu 2008 Auf den Gehsteigen und Fahrbahnen, in den Parks und den U-Bahnstationen brannten Feuer. Ich hatte trotz ehrlicher Versuche es nicht geschafft einzuschlafen, und war schließlich in meine Kleider gestiegen mit dem Entschluss, einen kurzen Spaziergang zu machen. Nun war ich bereits mehrere Stunden unterwegs, fasziniert und verängstigt zugleich von dieser fremden Welt, in dieser Nacht. Ich blieb an einem der Feuer stehen, um mich zu erwärmen. Ein alter Mann stand bei den Flammen, und ich sah, dass er weinte. Ich fühlte mich betroffen, als der Alte zu sprechen anfing: „Sie haben mir mein Leben weggenommen.“ Er zeigte auf das Feuer und ich sah genauer hin. Es waren Bücher, die den Flammen Nahrung gaben. Ich bückte mich, um ein am Rande liegendes Druckwerk aufzuheben. Die Veränderung von innen heraus konnte ich lesen, und schon packte mich eine Hand an der lin- ken Schulter, und ein Schlagstock fuhr mir in die Seite. „Lass das liegen!“ bellte mich der Uniformierte an, den ich noch aus den Augenwinkeln erkennen konnte – „und geh weiter!“ Verwirrt und mit Schmerzen stolperte ich los, verfiel ich in ein Rennen, das sich erst wieder verlangsamte, als ich mich schon weit außerhalb der Stadt befand. Ich verspürte Durst und entdeckte kurz darauf eine Tankstelle, die auch in der Nacht geöff- eXperimenta März 2010: Die Kunst Seite 25 net war. Als ich mit den bezahlten Dosen Bier nach draußen trat, kam mir das Mädchen aus dem Stehcafe vom gestrigen Abend entgegen. Wir schauten uns eine Weile stumm in die Augen. Mein Herz schlug wild, und sie schüttelte unwillig den Kopf. „Du weißt nicht, was Du willst“, entschied sie, und dann „Ich hasse Dich!“ Dabei schlug sie mir in das Gesicht; aufgrund dessen fiel meine Brille auf den Boden und zerbrach. 5 © Eldrix/Scx.Hu 2007 © Loesje/Sxc.Hu 2008 Ich hocke in diesem Kellergewölbe und höre den Tauwassertropfen zu, wie sie von der feuchten Decke fallen – patsch – patsch… . Draußen wird es grau. Ratten suchen im Müll nach Nahrung; ich nehme einen letzten Schluck aus der Bierdose – patsch – zerdrücke sie – patsch – werfe sie dazu. Sofort wird der neue Gegenstand von den Tierchen beschnüffelt. Hier bin ich sicher – hier werden sie mich nicht finden. Manchmal steige ich die Treppenstufen hinauf, um mir etwas Essen zu holen – patsch – solange noch das Geld dafür reicht… Ein anderes Geräusch lässt mich die Treppe hinaufschauen – vor dem Eingang kratzt etwas herum. Still warte ich ab, und tatsächlich kommt jemand die Stufen herunter, zu mir in den Keller hinab. Ich höre das Klingen von Glöckchen – die Gestalt kommt näher. Schließlich, als sie dicht vor mir steht, erkenne ich sie. Es ist der Harlekin. „Ich habe Dich überall gesucht“. Seine Stimme klingt vorwurfsvoll. „Warum versteckst Du Dich hier?“ Ich bleibe stumm, und der Harlekin kniet sich nieder. Auch jetzt sind seine Bewegungen von anmutiger Eleganz. „Was ist mit Dir?“ bohrt er weiter, und dann: „Ist es das Herz?“ Da nicke ich, und er hält mir seine rechte offene Hand hin. „Gib es mir“, spricht er in einem warmen und freundschaftlichen Ton. Ohne einen Moment des Zögerns schiebe ich den Pullover hoch; seine Hand gleitet über meine Brust. Den Lustschauern folgt ein kurzer, stechender Schmerz. Dann ist es vorbei. „Jetzt ist es gut“, meint der Narr und erhebt sich. „Warum hast Du Dich nur so lange gewehrt?“ Draußen bricht es gelb durch. Saatkrähen zerren an eisigen Ackerkrumen. Ich weiß es nicht mehr… eXperimenta März 2010: Die Kunst Seite 26 Es läuft der Frühlingswind Durch kahle Alleen Seltsame Dinge sind In seinem Wehn. Er hat sich gewiegt, Wo Weinen war, Und hat sich geschmiegt In zerrüttetes Haar. Er schüttelte nieder Akazienblüten Und kühlte die Glieder, Die atmend glühten Lippen im Lachen Hat er berührt, Die weichen und wachen Fluren durchspürt. Er glitt durch die Flöte Als schluchzender Schrei, An dämmernder Röte Flog er vorbei. Er flog mit Schweigen Durch flüsternde Zimmer Und löschte im Neigen Der Ampel Schimmer. Es läuft der Frühlingswind Durch kahle Alleen, Seltsame Dinge sind In seinem Wehn. eXperimenta März 2010: Die Kunst Der Autor Hugo Laurenz August Hofmann, Edler von Hofmannsthal wurde am 01. Februar 1874 in Wien geboren. Er war Schriftsteller, Dramatiker, Lyriker und Librettist und gilt als einer der wichtigsten Repräsentanten der Wiener Moderne. Er war außerdem Mitbegründer der Salzburger Festspiele. Für Richard Strauß schrieb Hofmannsthal das Libretto zu Elektra, Der Rosenkavalier und Ariadne auf Naxos. Das Gedicht Vorfrühling entstand im Jahr 1892. Am 15. Juli 1929 erlag Hugo von Hoffmansthal in Rodaun bei Wien einem Schlaganfall. Durch die glatten Kahlen Alleen Treibt sein Wehn Blasse Schatten. Und den Duft, den er gebracht, Von wo er gekommen Seit gestern Nacht. Seite 27 Der Klassiker Hugo von Hoffmannsthal mit 19 Jahren. Schutzfreist abgelaufen Hugo von Hofmannsthal: Vorfrühling eXperimenta März 2010: Die Kunst Seite 28 Waisenhaus in Rybinsk, Rußland © Jan Betke 1990 Bei Rybinsk, Rußland © Jan Betke 1990 Die Gesellschaft & die Literatur Jasmin Ramadan © Ali Salehi 2009 Sieben Fragen – ein Porträt Die Hamburger Schriftstellerin Jasmin Ramadan A m Dienstag, dem 23. Febraur 2010, las die Autorin Jasmin Ramadan in der Frankfurter Romanfabrik aus ihrem Buch Soul Kitchen, das 2009 bei Blumenbar erschienen ist. Über die Lesung selbst werden wir in der Aprilausgabe der eXperimenta berichten. Vorab haben wir Frau Ramadan sieben Fragen zusammengestellt, mit der Bitte, aus den Antworten darauf ein literarisches Selbstporträt zu erstellen. Toni Reitz eXperimenta März 2010: Die Gesellschaft & die Literatur Seite 29 Die Fragen der eXperimenta 1. Was bedeutet es für Sie, Schriftstellerin zu sein? 2. Wie sind Sie zum Schreiben gekommen? 3. Wie sehen Sie die Zukunft der deutschen Sprache? Hat sie eine Zukunft, oder wird das universelle Englisch sie erdrücken? 4. Was bedeutet die Kleinteiligkeit von Geschriebenem, an die man sich durch das Internet gewöhnt hat, für die Entwicklung der großen Formen der Literatur? 5. Warum lesen Sie im Februar in Frankfurt – einer Stadt, die weder eine richtige Großstadt noch wirkliche Provinz darstellt? 6. Was ist Ihr Traum als Schriftstellerin – was wäre für Sie der große Erfolg? 7. Was ärgert Sie am deutschen Literaturbetrieb am meisten? Das Selbstporträt Jasmin Ramadan © Ali Salehi 2009 Als Kind hab ich mir immer Geschichten ausgedacht, während ich mit meiner Mutter beim Essen saß. Als ich in der Grundschule schreiben gelernt hatte, habe ich die Geschichten dann aufgeschrieben und meinen Freunden vorgelesen. Bis ich zehn Jahre alt war, musste ich nach der Schule direkt in den Kindergarten, da meine Mutter alleinerziehend und berufstätig war. Ich hatte also schon früh immer ein dankbares Publikum. Vor allem schrieb ich Gruselgeschichten, da die Kinder sie liebten. Das Horrorgenre werde ich allerdings nicht wieder aufgreifen Meine Mutter war Chemielaborantin, mein Vater Offizier. Auch sonst gab es in der Familie keine Künstler oder Akademiker. Ich hatte einfach einen Drang danach, das, was mir so alles einfiel, anderen zu weiter zu erzählen. Meine Mutter hat immer viel gelesen, vielleicht hat mich das motiviert. Sie war dabei stets vollkommen versunken und bemerkte manchmal gar nicht, wenn jemand sie ansprach. Sie las alles, ich erinnere mich unmittelbar an Simone de Bauvoir, Anais Nin, Toni Morrisson und Nadine Gordimer. Aber sie war auch ein großer Fan von Thomas Mann und Siegfried Lenz. Bevor ich entschied, Schreiben solle mein Beruf sein, hatte ich 16 Semester Germanistik und Philoso- eXperimenta März 2010: Die Gesellschaft & die Literatur Seite 30 Retired homeless fisherman © Pedro Simoes/Flickr 2007 CC-by 2.0 phie studiert und eigentlich die ganze Zeit über nicht gewußt, wohin die Reise gehen sollte. Ich schrieb dann meinen ersten Roman und war überrascht, dass sehr unterschiedliche Personen aus meinem Umfeld ihn mochten. Trotzdem hatte ich eine Höllenangst, bettelarm zu enden. Habe ich natürlich noch immer dann und wann. Aber wenn das Schreiben eine Notwendigkeit ist, kann man das aushalten. Würde ich nicht die meiste Zeit mit Schreiben verbringen, wäre ich frustriert. Eigentlich habe ich also keine Wahl. Wenn man sich etwas Anderes vorstellen kann, soll man besser das tun, sonst ist man nicht leidensfähig genug für diesen Weg. Ich habe eine eher traditionelle Perspektive was Literatur und Neue Medien betrifft. Mir gefällt die Vorstellung nicht, dass irgendwann nur noch am Bildschirm gelesen wird. Ich fand englische Titel für deutschsprachige Romane immer albern und nun heißt mein Debüt Soul Kitchen. Mein Arbeitstitel war Zinos Odyssee, was auch andere schön und passend fanden, aber nicht gut im Sinne der Public Relations. Und ich muss zugeben, dass es so schon oft müßig ist, wieder und wieder den Zusammenhang zwischen Buch und Film zu erklären. Wenn das Buch einen anderen Titel hätte, müsste ich ja immer wieder erklären, dass es überhaupt einen Zusammenhang gibt. Also ist es wohl besser so. Und es ist trotzdem ein schöner Titel, er klingt gut und passt ebenso gut zu der Romanhandlung wie meine erste Wahl. Zum ersten Mal in Frankfurt war ich als Teenager. Aber nur am Flughafen. Das letzte Mal dort war ich zur Buchmesse. Ich hab nicht viel gesehen, da ich so viele Termine und wenig Zeit hatte. Ich besuchte auch Freunde in Eppenhain am Taunus. Eigentlich ist diese Verknüpfung von geballter Urbanität und Idylle sehr reizvoll. Und die Frankfurter scheinen mir ein genauso vielseitiges Völkchen wie die Hamburger zu sein. Für mich ist im Moment alles neu, ich komme viel rum, sah so viel von Deutschland – und Österreich – wie vorher nie. Aber natürlich ist es auch anstrengend. Ich habe mich schon mehrfach dabei erwischt, mir meine erfolglose Gemütlichkeit zurückzu- eXperimenta März 2010: Die Gesellschaft & die Literatur Seite 31 Mykonos Cafe © Michasik/Scx.Hu 2009 wünschen. Wenn man den Schritt in die Öffentlichkeit macht, wird man angreifbar und man kommt selten zur Ruhe. Bisher hab ich das, was seit September alles passiert ist, nicht sacken lassen können. Das Wichtigste ist nicht das Drumherum, sondern noch immer, dass Leute eine gute Zeit haben, wenn sie was von mir lesen. Natürlich wäre es großartig, wenn es irgendwann so viele würden, dass ich vom Schreiben leben kann, gut leben wäre noch besser. Ob ich mal einen wichtigen Preis gewinne, ist mir egal. In den Sphären des Geschmacks gibt es keine Beweise, hab ich mal bei der geschätzten Susan Sontag gelesen – und oft steckt hinter den Entscheidungen ja auch ökonomische Klüngelei, das ist langweilig, albern und unfair. Wichtig ist mir, dass ich mit meiner Arbeit zufrieden bin. Und dafür brauche ich Gesundheit, private Ordnung, Zeit und genug Geld, um nach Feierabend ordentlich zu essen. Es ist eigentlich ein Job wie so viele. eXperimenta März 2010: Die Gesellschaft & die Literatur Seite 32 Von Tango und Traurigkeit Pablo Ramos und Daniel Adoue als Detektive des Anderen W Pablo Ramos und Peter Riepken © Heike Strobel 2010 ie jeden Sonntag war die Bar des Urugyaers voll“ – so lautet der erste Satz des Romans Vom Ursprung der Traurigkeit von Pablo Ramos, der im Mittelpunkt der Veranstaltung Detektive des Anderen aus der Veranstaltungsreihe Monday, Monday steht. Es ist zwar Montag – genauer gesagt der 22. Februar – und leider befinden wir uns auch nicht in einer Bar im sonnigen Buenos Aires, sondern im verregneten Frankfurt, aber gut besucht ist das Kellerrestaurant des Kulturzentrums Die Fabrik in Frankfurt-Sachsenhausen dennoch. „Die Veranstaltungen sind sehr beliebt“, erzählt Florian Koch, neben Peter Riepken und Peter Schneckmann einer der drei Kuratoren von Monday, Monday. So sind kurz nach 20 Uhr dann auch alle Tische des Lokals besetzt. Schon allein durch das warme orangefarbene Licht und die Speisekarte, die griechische Köstlichkeiten verspricht, fühlt man sich in südliche Gefielde versetzt. Dann betritt Daniel Adoue die Bühne. Adoue ist kein Schriftsteller, sondern Pianist. Sein Markenzeichen ist die Tour d´ Horizon, in diesem Fall ein Streifzug durch den Tango. Denn genau darin liegt das Konzept der Reihe Monday, Monday: Autoren treffen auf Musiker. „Musik und Literatur passen gut zusammen, sie befruchten sich gegenseitig. Durch die Musik werden Gedanken aus der Literatur verfestigt und verarbeitet“, erklärt Florian Koch. Peter Riepken fügt hinzu, daß die Musik dabei die literarischen Gedanken unterstreichen, aber auch kontrastieren kann. In diesem Fall ergänzt sich alles perfekt: das mediterrane Ambiente, die Tangomusik und Pablo Ramos´ Roman Vom Ursprung der Traurigkeit. Pablo Ramos kommt – wie auch Daniel Adoue – aus Buenos Aires. „Wir stellen Autoren vor, die lange im Ausland gelebt haben oder von dort stammen und über ihre Erfahrungen schreiben, eben als Detektive des Anderen“, erläutert Peter Riepken das Motto der Veranstaltung. Da Ramos nur Spanisch spricht, liest zunächst er aus seinem Buch in der Originalfassung vor. Danach folgt die deutsche Übersetzung, die von Peter Riepken vorgetragen wird. Gerade in dieser Zweiteilung liegt die Faszination der Lesung. Auch wenn man des Spanischen nicht mächtig ist, spürt man, mit welcher Leidenschaft Pablo Ramos seinen ersten Roman verfaßt hat. eXperimenta März 2010: Die Gesellschaft & die Literatur Seite 33 Argentina 2 © Cleferson Comarela Barbosa/Sxc.Hu 2005 Das Buch erzählt von dem jungen Gabriel, der – zwischen familiärer Geborgenheit und den Abenteuern der Straße – in einem Vorort von Buenos Aires aufwächst. Musik und Text wechseln sich ab, treten quasi miteinander in einen Dialog, der seinen Höhepunkt findet, als Pablo Ramos selbst zum Mikrofon greift und zeigt, daß er nicht nur ein begabter Schriftsteller, sondern auch ein guter Sänger ist. In der anschließenden Diskussion erzählt der 42-jährige Argentinier von dem Jahr, das er momentan mit einem Stipendium des DAAD in Berlin verbringen darf. Obwohl er vor kurzem einen rassistischen Übergriff erleben mußte, der zum Glück glimpflich ausging, hält er die Deutschen für freundlich und gut organisiert. „Wichtig ist, das zu sehen, was die Menschen verbindet, nicht das, was sie trennt“, erläutert er. Besser hätte man das, was die Veranstaltung Detektive des Anderen ausmacht, nicht ausdrücken können. Heike Strobel Den Schriftsteller Pablo Ramos und den Roman Vom Ursprung der Traurigkeit werden wir Ihnen in den kommenden Ausgaben der eXperimenta ausführlicher vorstellen. Die nächste Veranstaltung aus der Reihe Monday, Monday wird am 26. April im Kellerrestaurant der Fabrik in Frankfurt-Sachsenhausen stattfinden. Das Programm stand bei Redaktionsschluß noch nicht fest. Kontaktdaten: Kulturzentrum Die Fabrik, Mittlerer Hasenpfad 5, D-60598 Frankfurt. Kartenvorbestellung und –reservierung unter +49 (69) 97 84 55 12. Weitere Infos unter: Www. Die-Fabrik-Frankfurt.De. Lichtenberg Heftigen Ehrgeiz und Mißtrauen habe ich noch allemal beisammen gesehen. Georg Christoph Lichtenberg: Sudelbücher Heft A 46 eXperimenta März 2010: Die Gesellschaft & die Literatur Seite 34 Dublin und seine Writer Half-Penny Bridge, Dublin © Anne Mai 2009 Auf den Flughafen Hahn brennt die Sommersonne, während nur zwei Stunden später die Stadt Dublin mit Regenschauern und frischen Meereswinden aufwartet. Überraschend zeigt sich am Nachmittag auch hier ein blauer Himmel und verleiht der lauten Stadt am Liffey südlichen Charme. In der 500.000 Einwohner zählenden irischen Metropole tobt das junge Leben, auf den Straßen behindern zahllose Taxen ein reibungsloses Fließen des Verkehrs. Beim Flanieren über das Pflaster vor dem Trinity College denkt der Besucher unwillkürlich daran, dass hier viele bedeutende Persönlichkeiten ihre Studienzeit absolviert haben. Zu ihnen gehörte auch Samuel Beckett (1906—1989), der im Jahre 1969 den Nobelpreis für Literatur erhielt. Sein bekanntestes Werk ist Warten auf Godot. Er wurde in Dublin geboren, erhielt aber erst 1921, zu Beginn der irischen Unabhängigkeit, die irische Staatsbürgerschaft. Seine Kindheit und Jugend waren von den Freiheitskämpfen des Landes überschattet. In der Bibliothek des Trinity College wird auch das Book of Kells aufbewahrt, eines der wichtigsten Werke des frühen Mittelalters. In der Nähe dieser alten Bibliothek eXperimenta März 2010: Die Gesellschaft & die Literatur Seite 35 Forty-Foot-Badebucht, Sandycove © Anne Mai 2009 Martello Tower, Sandycove © Anne Mai 2009 befindet sich die National Library, die mit einer Ausstellung über William Butler Yeats (1865—1939) lockt. Das von rechts aufgenommene Profil des älteren Yeats mit den grauen Schläfen animiert zum Vergleich mit dem von links fotografierten Gesicht des Dichters in jungen Jahren. Hier wie dort bleibt sein Mund trotzig geschlossen, blicken die Augen hinter runden Gläsern ernst, liegt um den Hals ein weißer Kragen. Er war einer der bedeutendsten englischsprachigen Schriftsteller des 20. Jahrhunderts und erhielt 1923, als Beckett noch am Trinity studierte, den Nobelpreis. Yeats galt als Visionär und machte sich für die Wiederbelebung der irischen Dichtung stark. In einem abgeteilten Raum ist ein Tonband zu hören, auf dem Interpreten seine Texte vortragen. Besonders die rauchige Stimme von Sinéad O’Connor verführt zur Meditation im Klang seiner Worte. James Joyce (1882—1941) wurde ebenfalls in Dublin geboren. Er schilderte auf 1.000 berühmten Seiten nicht mehr und nicht weniger als einen Tag in dieser Stadt und setzte ihr damit ein Denkmal. Sein Ulysses beginnt am Morgen des 16. Juni 1904 im Martello Tower vor der Küste des Seebades Sandycove in der Dublin-Bay und macht dieses Datum für seine Anhänger zu einem Gedenktag. Bloomsday wird heute nicht nur in Dublin festlich zelebriert. Manche tun es sogar in der Kleidung der damaligen Jahrhundertwende. In Joyces Roman wandert der Annoncenakquisiteur Leopold Bloom am 16. Juni 1904 quer durch Dublin und trifft am Abend im Bett auf seine nicht immer treue Frau Molly, die gerade im Schlaf auf einem Bewusstseinsstrom in Form eines inneren Monologes dahingleitet. Dabei durchlebt sie ihre Gefühle auf 80 Seiten ohne Punkt und Komma. Mit dieser Form des Erzählens setzte Joyce neue Maßstäbe. Den ihm sicherlich ebenfalls gebührenden Nobelpreis für sein Meisterwerk erhielt er dennoch nicht. Ein Grund mag der Vorwurf der Obszönität gewesen sein. Der Ulysses war deshalb in Großbritannien und den USA lange verboten. Im Martello Tower hat Joyce einige Tage an seinem Werk geschrieben. Heute ist dort ein Joyce-Museum eingerichtet. Von der oberen Plattform des Wehrturmes gegen die Truppen Napo- eXperimenta März 2010: Die Gesellschaft & die Literatur Seite 36 Temple Bar, Dublin © Anne Mai 2009 leons genießt man einen Blick auf die Badebucht Forty Foot, ursprünglich eine legendäre Nacktbadestelle „for gentlemen only“. Über die Felsstufen steigen selbst an diesem kühlen Besuchstag Badewillige in die Irische See, allerdings unter Missachtung der FKK-Pflicht. Dublin ist fruchtbarer Wortboden. Nicht weit von der O’Connell Street und dem neuen Wahrzeichen der Stadt, dem 2003 errichteten Spire, liegt das Writers Museum, das sich der literarischen Geschichte Dublins widmet. Hier finden sich Manuskripte, aufgezeichnete Originalstimmen, aufschlussreiche Dokumente und Gegenstände aus dem Besitztum der Schriftsteller. Die Besucher können sich in Ruhe dem Leben und Werk der Großen der irischen Literatur nähern. Um nur einige von ihnen zu nennen: Brendan Behan, IRA-Aktivist, begnadeter Dramatiker und Trinker; der Nobelpreisträger George Bernhard Shaw; Bram Stoker, Schöpfer des Dracula; John Millington Synge schuf einen wichtigen Teil der irischen Nationaldichtung; Oscar Wilde, Das professionelDandy und Skandalautor, Autor von Das le Manuskript Bildnis des Dorian Gray; Sean O’Casey, Freiheitskämpfer, Sozialist und berühmter Sie möchten einen Text für die Dramatiker. eXperimenta einsenden, Das Writers Museum weckt eingehensind sich aber unsicher, wie ein des Interesse an irischer Literatur und den guter Beitrag gestaltet wird? Wunsch, sich intensiver mit ihren Werken Unsere Korrespondentin Marzu beschäftigen. lene Schulz hat in ihrem Artikel Das professionelle Manuskript Bibliographie: alle wesentlichen Regeln und HilJames Joyce: Ulysses. Roman. Kommentierfen zusammengestellt. Der Text te Ausgabe. / Dirk Vanderbeke, Dirk Schultist in der eXperimenta Sepze, Friedreich Reinmuth et al. (Hrsg.), Hans tember 2009 abgedruckt, aber Wollschläger (Übers.), Frankfurt am Main auch als Sonderdruck bei der Re(Suhrkamp) 2004. – ISBN 978-3-518daktion erhältlich. 41585-6. 1.122 Seiten. 50,00 €. Anfragen bitte an den Redaktionsbriefkasten [email protected]. eXperimenta März 2010: Die Gesellschaft & die Literatur Seite 37 Die Welt des Kreativen Schreibens fuck, goddam und dieser andere Irrsinnskram Zum Tod von Jerome David Salinger W enn ihr das wirklich hören wollt, dann wollt ihr wahrscheinlich als Erstes wissen, wo ich geboren bin und wie meine miese Kindheit war und was meine Eltern getan haben und so, bevor sie mich kriegten, und den ganzen David-Copperfield-Mist, aber eigentlich ist mir gar nicht danach, wenn ihr’s genau wissen wollt. Erstens langweilt mich der Kram, und zweitens hätten meine Eltern dann jeweils ungefähr zwei Blutstürze, wenn ich was ziemlich Persönliches über sie erzählen würde. […] Außerdem erzähl ich euch auch nicht meine ganze verfluchte Autobiographie oder so was. Ich erzähl euch bloß von diesem Irrsinnskram, der mir so um letztes Weihnachten passiert ist, bevor es mit mir ziemlich bergab ging und ich hierher kam und es ruhiger angehen lassen musste.“ So beginnt der 1951 veröffentlichte Roman Der Fänger im Roggen von J. D. Salinger, dem Hemingway ein „verteufeltes Talent“ attestierte. Die Zeilen gehören zu dem 17-jährigen Ich-Erzähler Holden Caulfield und gleichsam könnte es die Aussage Salingers über sich selbst sein, der jahrzehntelang äußerst darauf bedacht war, seine Privatsphäre zu schützen. Jerome David Salinger wurde 1919 in New York City als Sohn eines jüdischen Vaters und einer schottisch-irischen Mutter geboren. Seine Eltern waren wohlhabend und hatten ihn als Erben ihres Lebensmittel-Importgeschäftes bestimmt. Nach dem Schulbesuch verbrachte er auf Drängen des Vaters seine Lehrzeit in einem verwandtschaftlichen Schlachtereibetrieb in Österreich. Er reiste durch Europa, besuchte ein Militärcollege und diente als Soldat. In dieser Zeit begegnete er dem damaligen Kriegskorrespondenten Ernest Hemingway in Paris. Laut einer unautorisierten Biographie von Ian Hamilton, die 1988 erschienen ist, schrieb Salinger in jungen Jahren Filmkritiken, betätigte sich als Theaterkritiker und Kolumnist. Mit 22 Jahren veröffentlichte er seine erste Kurzgeschichte in einem College-Magazin, nachdem er einen Kurs zum Schreiben von Short Stories besucht hatte. Das College verließ er ohne Abschluss. eXperimenta März 2010: Die Welt des Kreativen Schreibens Seite 38 Den Biographen Hamilton hat Salinger übrigens später verklagt. Außerdem verfolgte und beanstandete er immer wieder Internetseiten, die ihn zu ausgiebig zitierten. Salinger zog sich zwei Jahre nach dem Erscheinen seines Erstlings mit seiner Familie in einem Bauernhaus in New Hampshire zurück. In seinen Büchern gab er immer wieder irreführende Lebensdaten an. Interviews waren ihm zuwider. Briefe ließ er unbeantwortet und vom gesamten Literaturbetrieb hielt er sich fern. Vor zu viel Neugier schützte er sich mit Zäunen, Verbotsschildern, notfalls mit einem Schuss aus einer Waffe. Sein Gesamtwerk beläuft sich auf einen Roman und 35 Kurzgeschichten, die der Öffentlichkeit bekannt sind. Von ihm sind fünf Erzählungsbände erschienen. Einige davon wurden von Heinrich Böll ins Deutsche übersetzt. Salingers letzte Veröffentlichung ist aus dem Jahr 1965, danach trat er nicht mehr an die Öffentlichkeit. Von diesem Zeitpunkt an schrieb er nur noch für sich. „Ich dachte mir aus, dass ich mich taubstumm stellen würde. Auf diese Weise bräuchte ich keine verdammten, blöden, nutzlosen Gespräche mit irgendjemand zu führen. Falls mir jemand etwas mitzuteilen hatte, musste er es eben auf einen Zettel schreiben. Das würde die Leute bald langweilen, dachte ich, und dann hätte ich für den Rest meines Lebens alle Gespräche hinter mir.“ Diese Worte aus dem Mund des Holden Caulfield im Fänger des Roggen hätten die von Salinger selbst sein können. Lediglich eine Ex-Geliebte und seine Tochter Margaret beschrieben Salinger in ihren Büchern. Darin wurde er tituliert als Paranoiker und Essgestörter, als manischer Sinnsucher, der von Religion zu Religion hetzte – zeitweise beschäftigte er sich auch mit dem Buddhismus – und als schroffer Egomane, der Herzen brach. Einer, der zu beängstigenden Zornesausbrüchen fähig gewesen sein soll. Kurzum ein unangenehmer Zeitgenosse. Die kritische Auseinandersetzung mit den beiden Werken zeigt: Hier wurde in der Öffentlichkeit schmutzige Wäsche gewaschen, was Salinger deutlich getroffen haben musste. Mit seinem berühmtesten Werk Der Fänger im Roggen wurde Salinger international bekannt. Der Protagonist sträubt sich – ins Zeitloch zwischen Kindheit und Erwachsensein gefallen – zum einen gegen die Erwartungen der Erwachsenenwelt und fühlt sich zum anderen von den Erwachsenen nicht ernst genommen und wertgeschätzt. Das Buch legte die Verlogenheit der spießbürgerlichen amerikanischen Gesellschaft offen. Es gilt als Kultbuch mit gemeinsamem Nenner der Hippie Generation und des jugendpolitischen Widerstandes gegen den Vietnamkrieg. Die saloppe Sprache führte sowohl zu großer Begeisterung, vor allem unter den jungen Leserinnen und Lesern, als auch zum Skandal. In einigen Ländern wurde es zeitweise verboten. In der Originalausgabe enthielt es 255 Mal das Wort goddam und 44 Mal das Wort fuck. Das Buch verkauft sich auch heute noch weltweit etwa 250.000 Mal im Jahr. eXperimenta März 2010: Die Welt des Kreativen Schreibens Seite 39 Die Beziehungen zu seinen potentiellen Herausgebern waren davon geprägt, dass Salinger verlangte, dass seine Texte ohne Änderungen veröffentlicht wurden. Sein Eigensinn war bemerkenswert: wie er sich gegen eine gierige Öffentlichkeit widersetzte, sich nicht prostituierte und nicht seine Lebensgeschichte auskotzte. Gleichwohl war er selbst der Überzeugung, dass er mit seinen Geschichten genug über sein Leben und sein Streben erzählte. Das Spießbürgerliche, das Konventionelle ist es, dem er vor allem mit dem Fänger im Roggen eine Absage erteilt. Neben diesem Roman sind auch seine Erzählungen lesenswert. Beeindruckend ist in dem Band Neun Erzählungen, wie er in einigen Texten seitenweise Dialoge schrieb und damit seine Geschichten erzählt hat. Geschichten von verschrobenen, verstörten, zermürbten Gestalten, die er in bizarrer Weise, sarkastisch humorvoll und bewegend darstellte. Mit seinen Miniaturen, die häufig etwas mit Jugend oder Kindheit zu tun haben, zeichnete Salinger eine beachtenswerte Poesie subtiler Wahrheiten. Die Neun Erzählungen sind von einem raschen Erzähltempo geprägt, das nur so dahin galoppiert, insbesondere bei Die blaue Periode des Herrn de Daumier-Smith, die nicht nur äußerst witzig ist, sondern auch von der Kreativität des Autors und seiner Phantasie zeugt, die ins herrlich Absurde führt. Ein Reichtum an verrückten Ideen, die eine nach der anderen mit hoher Geschwindigkeit ans Licht kommt. So ist die Leserin und der Leser abwechselnd mit Schmunzeln und Kopfschütteln beschäftigt. Gleichzeitig erzeugt Salinger durch seine Sprache ein jugendliches Feeling. Überhaupt schwingt bei den Geschichten, der Fänger im Roggen eingeschlossen, etwas Jugendliches mit: Der kindliche Ich-Erzähler, der als Protagonist ziemlich erwachsen auftritt oder das Verhalten einer erwachsenen Hauptfigur, die – wie auch immer geartet – sich jugendlich ausgelassen verhält. Ein bisschen abgedreht eben. „Ich liebe das Schreiben. Aber nur für mich und zu meinem Vergnügen“, sagte er einmal über sich selbst in einem Interview, als er noch welche gab. Am 1. Januar 2010 vor 91 Jahren wurde Jerome David Salinger geboren. Er starb am 27. Januar. Marlene Schulz Bibliographie Ian Hamilton: Auf der Suche nach J. D. Salinger. Orig.: In Search of J. D. Salinger: A Writing Life. München (Limes) 1997. – ISBN 978-3809022756. 272 Seiten. Antiquarisch. J. D. Salinger: Der Fänger im Roggen. Orig.: The Catcher in the Rye. Reinbek bei Hamburg (Rowohlt) 2004. – ISBN 978-3-499-23539-9. 270 Seiten. 8,95 €. J. D. Salinger: Neun Erzählungen. Orig.: Nine Stories Reinbek bei Hamburg (Rowohlt) 1968. – ISBN 978-3499110696. 192 Seiten. 7,95 €. eXperimenta März 2010: Die Welt des Kreativen Schreibens Seite 40 Das Institut Welt und Mensch Kreatives Schreiben im Kloster Himmerod Ein Seminar zum Jahresthema Himmerod – Ein Ort der Mensch-Werdung 11. bis 14. März 2010 Candle Light Reading 1 © Sias van Schalkwyk/ Sxc.Hu 2008 Am Anfang war das Wort. Die Sprache als Ausdrucksmittel des Seins im Hier und Jetzt. Sprache aber auch als Bindeglied zwischen dem Vergangenen und dem Kommenden. Bewusst lebende Menschen geraten immer wieder an die Grenzen der Sprachlosigkeit. Hier taucht die Frage auf, ist diese Sprachlosigkeit gewählt oder durch äußere Einflüsse herbeigeführt? Am Ende jeder Sprachlosigkeit steht das Wort. Am Anfang und am Ende: das Wort. Auf Grundlage der Lieder und Brieftexte der Heiligen Hildegard von Bingen begeben sich die Seminarteilnehmer auf eine Spurensuche zur inneren Spiritualität, die im Außen mit Worten zu Papier gebracht werden. Mensch-Werdung durch das Wort. Es entstehen Gedichte, Kurzgeschichten und fragmentarische Momentaufnahmen. Ein Seminar in Zusammenarbeit mit der Säkulargruppe der Abtei Himmerod. Worte der Menschwerdung Kreatives Schreiben im Kloster Himmerod, 08. bis 11. Juli 2010 Die Sprache als Ausdruck von Gefühlen, Gedanken, der Liebe und des Glücks. Worte können verletzen, Worte können heilen. Menschen geraten immer wieder an einen eXperimenta März 2010: Das Institut Seite 41 Temple Bar, Dublin © Anne Mai 2009 Punkt, sich mit unbewältigten Mustern der Vergangenheit zu beschäftigen. Diese Unruhe der Seele ruft nach der Ordnung durch Kreativität. Nur wer dazu in der Lage ist, seine Erinnerungen auszudrücken, wird auch wieder das Glück der Kreativität erfahren können. Durch individuelle Schreibarbeit werden kreative Prozesse ausgelöst, die unsere bisherige Wahrnehmung verändern können. Das gesprochene, aber auch das geschriebene Wort materialisiert unsere Gedanken und Gefühle. Die Schreibübungen sind so angelegt, dass die Seminarteilnehmer den Erinnerungsfundus ihrer eigenen Biographie nutzen können, um Gedichte und Kurzgeschichten zu schreiben. Ein Seminar in Zusammenarbeit mit der Säkulargruppe der Abtei Himmerod. Die Seminare und Veranstaltungen von INKAS werden geleitet von Rüdiger Heins. Informationen unter Www.RüdigerHeins.De. INKAS Institut für Kreatives Schreiben Bad Kreuznach und Bingen Magister-Faust-Gasse 37, D-55545 Bad Kreuznach Dr.-Sieglitz-Straße 49, D-55411 Bingen Homepage: Www.Inkas-Id.De E-Mail: [email protected] Anmeldungen telefonisch unter +49 (67 21) 91 10 60 eXperimenta März 2010: Das Institut Seite 42 Studiogäste: —— Andrea Wessely, Illustratorin und Märchenbuchautorin —— Petra J. Dröscher spicht über ihr Buch Macht macht Ohnmacht mächtig —— Charlotte Ries, Verlegerin, und Sabine Schabicki, Autorin, sprechen über ein gemeinsames Buchprojekt Am Telefon: Renate Naber mit ihrem neuen Krimi Zeit der Strafe Hörer und Hörerinnen können live in der Sendung anrufen, um ihre Texte und Gedichte vorzutragen! eXperimenta kann auch über das Internet empfangen werden. Internet Live Stream: Www.Radio-Rheinwelle.De Sendefrequenzen: Wi 92,5 Mhz (Ukw), Wi 99,85 Mhz (Kabel), Mz 192,7 Mhz (Kabel) Studiotelefon: +49 (6 11) 6 09 93 33 Kontakt: [email protected] Website: Www.eXperimenta.De Sendeleitung: Rüdiger Heins, Www.RuedigerHeins.De Old Radio © Brano Hudak/Sxc.Hu 2007 Rüdiger Heins eXperimenta März 2010: Das Institut Seite 43 eXperimenta im Funk eXperimenta im Funk Das Radiomagazin für Kreatives Schreiben bei Radio Rheinwelle. Sendetermin: Dienstag, 2. März 2010 von 15:00 bis 17:00 Uhr. Der Wegweiser TORSO-Literaturpreis 2010 Thema: Traum [email protected] oder in vierfacher Ausfertigung per Post an: Hermann Wenzel Breisacher Straße 1 D-81667 München Die Teilnahmegebühr beträgt 10 €. Female Torso © Jesspc/Sxc.Hu 2009 Auch im Jahre 2010 wird wieder der mit 300 € dotierte TORSO-Literaturpreis verliehen. Durch diese Auszeichnung sollen Lyrik, Prosa und Essay in deutscher Sprache gefördert werden. Dazu bieten wir den Teilnehmern die Möglichkeit, ihre Werke im TORSO zu veröffentlichen und bei Lesungen vorzutragen. Jeder, der an diesem Wettbewerb teilnehmen will, kann einen Text aus den Kategorien Prosa, Lyrik oder Essay einreichen. Die Beiträge dürfen 5 (fünf) DIN A4 Seiten (1,5 Zeilenabstand) bzw. die Anzahl von fünf Gedichten nicht überschreiten. Sie dürfen auch anderweitig noch nicht veröffentlicht sein. Ihre Texte senden sie bitte, mit Namen und Adresse versehen, per E-Mail an Einsendeschluss ist der 31. Juli 2010. Eine gesonderte Eingangsbestätigung erfolgt nicht. Aus den eingesandten Texten wählen die Herausgeber vier Beiträge aus, die im nächsten TORSO (Nr. 19) veröffentlicht werden. Die Autoren erhalten die Möglichkeit, ihre Texte bei der Präsentation des Heftes vorzutragen. Aus den vier eingeladenen Autoren wählen die Herausgeber den Preisträger aus. Ein Lesehonorar kann nicht verbindlich zugesagt werden. Reisekosten bis zur Höhe einer Bahnfahrt 2. Klasse werden ersetzt. Weitere Informationen unter Www.Torso-Lit.De. eXperimenta März 2010: Der Wegweiser Seite 44 Uwe-Johnson-Preis Prosa und Essayistik Gemeinsam mit der Mecklenburgischen Literaturgesellschaft e. V. vergibt der Nordkurier zum neunten Mal den mit 12.500 Euro dotierten Uwe-Johnson-Preis. Mit dem Preis sollen deutschsprachige Autorinnen und Autoren gefördert werden, in deren Schaffen sich Bezugspunkte zu Uwe Johnsons Poetik finden und die heute mit ihrem Text ebenso unbestechlich und jenseits der „einfachen Wahrheiten“ deutsche Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft reflektieren. Einreichen können Autorinnen und Autoren oder deren Verlage veröffentlichte und unveröffentlichte Arbeiten (Prosa/Essayistik). Veröffentlichte Arbeiten müssen nach dem 31. März 2008 erschienen sein. Die Preisstifter streben durch die Preisverleihung an, das literarische Leben in Mecklenburg-Vorpommern – der Region, zu der Johnson enge Beziehungen hatte –, zu bereichern. Mit der Preisträgerin oder dem Preisträger soll deshalb über den Zeitraum eines Jahres eine Zusammenarbeit vereinbart werden. Bisherige Preisträger sind Kurt Drawert, Walter Kempowski, Marcel Beyer, Gert Neumann, Jürgen Becker, Norbert Gstrein, Joochen Laabs und Uwe Tellkamp. Einsendeschluss ist der 31. März 2010. Eingereichte Arbeiten sind an folgende Adresse zu richten: Nordkurier Uwe-Johnson-Preis 2010 Flurstraße 2 D-17034 Neubrandenburg. Weitere Informationen unter: Www.Nordkurier.De/Uwe-Johnson-Preis Uwe Johnson Mit der Aufhebung der deutschen Teilung erfährt ein Schriftsteller besondere Aufmerksamkeit, der über Jahrzehnte als ein „Dichter der beiden Deutschland“ oder als „Autor der deutschen Teilung“ etikettiert worden war: Uwe Johnson. Ein Grund ist darin zu suchen, daß es ihm in seinen Werken immer um „die Grenze: den Unterschied: die Entfernung“ ging. Die Grenzerfahrung bedeutete für Uwe Johnson auch den Versuch, das Auseinanderleben und das Fremdwerden der Deutschen zu erfassen und jeweils „die andere Seite mit ihren eigenen Augen“ zu sehen. Dabei ist Uwe Johnson mit Vergangenheit in einer Weise erzählerisch umgegangen, die ein Wiedererkennen ermöglicht, auch und gerade obwohl er keine „Wirklichkeitsschaufelei“ betreibt. eXperimenta März 2010: Der Wegweiser Seite 45 Wahrheitsfindung, Erinnerungssuche, Gedächtnis, Trauerarbeit, Zeugenschaft, Dokumentation, Spurensuche, Grenz-Erfahrung – das sind nur einige Stichworte, mit denen Aspekte des Johnsonschen Werkes vereinfachend umschrieben werden können. Die Spezifik von Johnsons Erzählkonzept hat eine Ursache in seinem Wissen, daß es eine – wie auch immer geartete – einfache Wahrheit nicht gibt. Aus eben diesem Wissen erklärt sich seine zurückhaltende Einladung, die im Roman angebotene „Version der Wirklichkeit zu vergleichen mit jener, die Sie unterhalten und pflegen“. Es geht also nicht nur um das Tolerieren des „unterschiedlichen Blicks“, sondern jener ist Grundlage moralischer und ästhetischer Existenz. Preis Mit dem Preis sollen deutschsprachige Autorinnen und Autoren gefördert werden, in deren Schaffen sich Bezugspunkte zu Johnsons Poetik finden und die in ihren literarischen oder essayistischen Texten ebenso unbestechlich und jenseits der „einfachen Wahrheiten“ heute deutsche Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft in den Blick bekommen. Bedingungen Für den Preis können Autoren oder deren Verlage in Abstimmung mit den betreffenden Autoren veröffentlichte und unveröffentlichte Arbeiten (Prosa/Essayistik) einreichen. Veröffentlichte Arbeiten müssen in den vergangenen drei Jahren (nach dem 31. März 2004) erschienen sein. Um ein möglichst breites Spektrum literarischer Leistungen im Sinne dieser Satzung in die Auswahl preiswürdiger Texte einzubeziehen, kann das Kuratorium Arbeiten aus aktuellen Verlagsproduktionen vorschlagen. Dotierung Der Preis ist mit € 12.500 in einer einmaligen Zuwendung dotiert. Verpflichtung des Autors Der Autor erklärt sich über den Zeitraum von einem Jahr zu folgenden Leistungen bereit: eXperimenta März 2010: Der Wegweiser Seite 46 · Publizistische Auswertung des Preises im Feuilletonteil des Nordkurier (Autorenporträt, Interview, Besprechung). · Mindestens drei unentgeltliche Lesetage im Verbreitungsgebiet des Nordkurier. · Herausgabe des eingereichten Textes im Gesamtumfang und Veröffentlichung in der Auswahl eingereichter Arbeiten nach zu vereinbarenden Konditionen. Ort und Zeitpunkt der Preisvergabe Kuratorium Die Preisvergabe erfolgt durch ein aus sieben Personen bestehendes Kuratorium. Dieses ist zu besetzen durch zwei Mitglieder des Nordkurier, zwei Mitglieder der Mecklenburgischen Literaturgesellschaft e.V., des Literaturzentrums Neubrandenburg e.V. und eine neutrale Person. Skulptur Uwe Johnsons von Wieland Förster vor dem John-Brinckman-Gymnasium in Güstrow © Mrs Meyer 2008 CC-by-sa 3.0 Ort der Preisverleihung ist Neubrandenburg. Damit wird ein Bezug hergestellt zum realgeschichtlichen Hintergrund eines Kapitels aus Johnsons Hauptwerk Jahrestage, in dem das Lager Fünfeichen bei Neubrandenburg Gegenstand der literarischen Darstellung ist. Der Termin der Preisverleihung wird durch das Kuratorium auf den 30. September 2006 festgelegt. Jury Der Laureat wird dem Kuratorium durch eine fünfköpfige Jury aus Autoren und Literaturwissenschaftlern/Publizisten vorgeschlagen. Die abschließende Entscheidung trifft das Kuratorium. Ausrichtung der Preisverleihung Die Verleihung des Preises findet in Neubrandenburg statt und wird vom Nordkurier ausgerichtet. Die Laudatio hält ein dem Preisträger nahestehender Autor oder Literaturwissenschaftler. Das Kuratorium benennt den Festredner. eXperimenta März 2010: Der Wegweiser Seite 47 Samurai ARTE widmet sich im März dem Thema Samurai. Zu sehen sind – neben Dokumentarfilmen und der TV-Serie Shogun - fünf Spielfilme: —— Die sieben Samurai (1954), Akira Kurosawa: Montag, 8. März 2010., 2015 Uhr —— Der Samurai, den ich liebte (2005), Mitsuo Kurotsuchi: Mittwoch, 10.März 2010., 2150 Uhr —— Samurai in der Dämmerung (2002), Yoji Yamada: Mittwoch, 17.März 2010, 2145 Uhr —— Tabu (1999), Nagisa Oshima: Donnerstag, 18. März 2010, 2015 Uhr —— Ichi – Die blinde Schwertkämpferin (2008), Fumihiko Sori: Mittwoch, 24. März 2010., 2145 Uhr Was ich gerade lese Und außerdem empfiehlt der Doktor: Ein irritierendes Buch. Ein Autor, der sich nur auskotzt, oder ein neuer Blick auf die Wirklichkeit. Eine ausführliche Rezension folgt im März. Aber bis dahin: allemal lesenwert. Stefan Gaffory Kreisklassenhölle. Katharsis I. Roman. Main (gONZo) 2 2009. – Isbn 978-3-9812237-4-3. 244 S. 12,95 € Toni Reitz Neuerscheinungen An die Redaktion wurden folgende Titel eingesandt: Felix Mennen: Keiner sagt: I love you. Berliner Trilogie II. Berlin (Rot und Licht) 2009. – Isbn 978-3-941931-00-8. 168 S. 13,80 €. Nana Schwarzkopf: Mit ist so heiß, Herr Doktor! oder Eine Krankenschwester kommt selten allein. Berlin (Rot und Licht) 2009. – Isbn 978-3-9811434-4-7. 200 S. 14,90 €. Tanja Steinlechner (Hrsg.): Porno Royal. Erotische Geschichten / Pikomi (Ill.). Berlin (Edition Erozuna) 2008. – ISBN 978-3-9811434-2-3. 185 S. 14,90 €. eXperimenta März 2010: Der Wegweiser Seite 48 Tanja Steinlechner (Hrsg.): Ich bin ein Schwein. Erotische Kriminal- und Gaunergeschichten. Berlin (Rot und Licht) 2009. – Isbn 978-3-941931-03-9. 205 Seiten. 14,90 €. Allfälliges Ausschreibungen 15. März 2010 8. Feldkircher Lyrikpreis Unveröffentlichte deutschsprachige Lyrik Kontakt: Www.Saumarkt.At 31. März 2010 5. ALFA-Multimediawettbewerb Thema: Spuren Texte bis 10.000 Zeichen in deutscher Sprache, oder: ausstellbare Bilder Kontakt: Www.Alfacultura.Com 31. März 2010 Förderpreis Lionsclub Hamburg-Moorweide Thema: Uferbefestigungen Unveröffentlichte Kurzgeschichten Kontakt: [email protected] 30. April 2010 Menantes-Preis für erotische Dichtung Erotische Gedichte oder Kurzgeschichte (unveröffentlicht) Kontakt: Www.Menantes-Wandersleben.De Lichtenberg Die Entschuldigungen, die man sich selbst macht wenn man etwas unternehmen will, ist ein vortrefflicher Stoff für Monologen, diese werden selten anders gemacht, als wenn man allein ist und sehr oft laut. Georg Christoph Lichtenberg: Sudelbücher Heft A 75 eXperimenta März 2010: Der Wegweiser Seite 49 Seminare 5. — 7. März 2010 Landkarten des Lebens Zentrale Schreibimpulse aus der eigenen Biographie schöpfen Literaturhotel Franzosenhohl, Iserlohn Seminarleitung: Anton G. Leitner; Dr. med. Felizitas Leitner Kontakt: +49 (23 71) 8 20 71-0 13. & 14. März 2010 Hamburger Autorendock Schreibseminar mit Tilmann Rammstedt Kontakt: Www.Autorendock.De 17. & 18. April 2010 Hamburger Autorendock Schreibseminar mit Alexa Hennig von Lange Kontakt: Www.Autorendock.De 20. — 22. April 2010 Nie mehr verstimmt Lese- und Auftrittstraining für Autoren Bundesakademie Wolfenbüttel Seminarleitung: Thomas Lang, Theaterpädagoge und Regisseur Kontakt: Www.Bundesakademie.De 29. April 2010 Soziale Verantwortung im Kommunikationsdesign Vortrag und Gespräch Atelier Beinert Seminarleitung: Bernhard Pompeÿ Kontakt: Www.Beinert.Net 16. — 18. Mai 2010 Der Titel ist die halbe Miete Kolumnen zum Zeitgeschehen schreiben Bundesakademie Wolfenbüttel Seminarleitung: Harald Martenstein, Kolumnist der Zeit und Chefreporter beim Tagesspiegel; Dr. Olaf Kutzmutz Kontakt: Www.Bundesakademie.De eXperimenta März 2010: Der Wegweiser Seite 50 28. — 30. Mai 2010 Text-TÜV Kritische Lektüre eigener Manuskripte Bundesakademie Wolfenbüttel Seminarleitung: Prof. Dr. Martin Hielscher, Programmleiter Belletristik bei Beck; Dr. Olaf Kutzmutz Kontakt: Www.Bundesakademie.De 17. Juni 2010 Welche Zukunft haben Designer noch? Vortrag und Gespräch Atelier Beinert Seminarleitung: Thomas Friedrich Kontakt: Www.Beinert.Net 30. September 2010 25books. Der Kleinste, aber der Mutigste ... Vortrag und Gespräch Atelier Beinert Seminarleitung: Hannes Wanderer Kontakt: Www.Beinert.Net 25. November 2010 Bilanz 1951 — 1970, die ersten 20 Jahre im Beruf Vortrag und Gespräch Atelier Beinert Seminarleitung: Olaf Leu Kontakt: Www.Beinert.Net Television 3. März 2010 2150 Uhr, arte Liebesleben Verfilmung des gleichnamigen Bestsellers der Israelin Zeruya Shalev - das Regiedebüt der Schauspielerin Maria Schrader eXperimenta März 2010: Der Wegweiser Seite 51 13. März 2010 21 Uhr, arte So entstand der Koran Filmemacher Bruno Ulmer lädt in seiner Dokumentation zu einer Entdeckungsreise des wichtigen religiösen Dokuments ein. Er stellt den Koran zwischen Tradition und wissenschaftlicher Forschung vor. 20. März 2010 2330 Uhr, arte Metropolis U.a. mit einem Spezial zur Pariser Buchmesse sowie einem Beitrag zum Thema Schriftsteller und Internet 21. März 2010 17 Uhr, arte Siri Hustvedt In dem Porträt von Nicola Graef spricht die erfolgreiche New Yorker Schriftstellerin über ihre Kindheit, ihr Leben mit drei Schwestern und den gemeinsamen Alltag mit Paul Auster und Tochter Sophie in Brooklyn 28. März 2010 17 Uhr, arte Donna Leon – Über die Autorin der Brunetti-Krimis Filmautor Ralf Pleger folgt der Schriftstellerin in die USA und durch ihren Alltag in Venedig, wo ihr die Ideen zufliegen 28. März 2010 2015 Uhr, arte Fräulein Smillas Gespür für Schnee Der Film von Bille August entstand nach dem gleichnamigen Bestseller-Roman von Peter Hoeg aus dem Jahr 1992 Carla Capellmann eXperimenta März 2010: Der Wegweiser Seite 52 Hörspiel 5. März 2010 2010 Uhr, Deutschlandradio Kultur Ricarda Bethke: Antigone oder Nachhilfeunterricht für eine Deutschlehrerin Erst Jahre nach dem Mauerfall begreift die Autorin, einst Literaturlehrerin in der DDR, die Zusammenhänge zwischen ihrem Unterricht zur Antigone des Sophokles und dem Schicksal einer ihrer Schülerinnen. Eike S. hat ihre ehemalige Lehrerin nach 1990 mehrmals besucht. In intensiven Gesprächen stellt sich die Bedeutung des Antigone-Unterrichtes heraus, auch die schrecklichen persönlichen Erfahrungen im Konflikt zwischen Staatsgehorsam und Familienliebe. Die Lehrerin erhält Nachhilfe in Dingen, die genau zu wissen sie einst vermieden hat. Sie erfährt von tragischen Verbindungen zwischen einem der letzten vollstreckten Todesurteile der DDR-Justiz und der über Jahre in DDR-Gefängnissen verschwundenen Mutter der Schülerin. Produktion: Deutschlandfunk 2010 – Feature 14. März 2010 2005 Uhr, Deutschlandradio Kultur Christian Blees: Ich schreibe, also bin ich. Der Wunsch nach dem eigenen Buch Immer mehr Menschen wollen ihr eigenes Buch veröffentlichen. Im Zeitalter des Book on demand - BOD – wird jeder in die Lage versetzt, sein Werk in professioneller Aufmachung für potenzielle Leser anzubieten. Das „Buch auf Bestellung“ wird erst auf Anfrage gedruckt – jedes einzeln. Unter den im deutschsprachigen Raum ständig lieferbaren Titeln sind die BOD-Veröffentlichungen von 17.000 Ende 2006 auf 100.000 Ende 2008 angewachsen – Tendenz steigend. Das Feature beschreibt, zu welchen Auswüchsen der Drang zum eigenen Buch geführt hat, und, welche Vorteile dies für die Kultur mit sich bringen kann. Produktion: Deutschlandfunk 2010 - Freistil eXperimenta März 2010: Der Wegweiser Seite 53 27. März 2010 1605 Uhr, SWR2 Katrin Zipse: Mamas Mord „Was wäre, wenn“, fragt sich die elfjährige Svenja. Diese Frage hat nichts mit einem Märchen zu tun, sondern mit ihrem tatsächlichen Leben, das alles andere als lustig ist: „Was wäre, wenn mein Vater vor sieben Jahren gar nicht an einer Krankheit gestorben wäre, sondern wenn meine Mutter ihn umgebracht hätte?“ Svenja muss der Sache auf den Grund gehen und herausfinden, was wirklich passiert ist. Denn wie soll sie weiter mit ihrer Mutter zusammenleben, wenn sie diesen schrecklichen Verdacht hat? Ein weiteres Problem: Ihre Mutter hat sich in Pierre verliebt, der für Svenja nur Scheißhaufenpierre ist und nach Svenjas Ansicht überhaupt nicht in die Familie passt. Wenn er weiß, dass ihre Mutter Männer umbringt, haut er bestimmt ab. Svenjas beste Freundin Jette kennt sich bestens in Psychologie und Mordtheorien aus und ist bereit, ihr zu helfen. Aber dann macht Svenja eine schreckliche Entdeckung, bei der es selbst Jette zu viel wird. Regie: Ulrich Lampen Produktion: SWR 2010, Kinderhörspiel 29. März 2010 2305 Uhr, WDR 3 open Gunnar Luetzow und Ingo Kottkamp: Hospital FM. Die Meditainment-Strategien der Pharma-Industrie Bei Hospital FM groovt der Kampf zwischen Krankheit und Gesundheit im Herzschlagrhythmus aus medizinischen Lehrschallplatten. Ans Licht kommt, wie Medikamente im aggressiven Pull-Marketing beworben, Ärzte mit luxuriösen Kongressreisen geködert und Wirkungsstudien umgedeutet werden. Bleiben Sie dran – bis der Arzt kommt. Realisation: die Autoren Produktion: WDR 2007 eXperimenta März 2010: Der Wegweiser Seite 54 2205 Uhr, SWR2 Michael Weisfeld: Wachleute, Türsteher, Neonazis. Die private Sicherheitsbranche in Deutschland Sie beobachten Innenstädte und Plattenbausiedlungen, halten Wache in der Notaufnahme des Klinikums, in der Wartezone des Arbeitsamtes, im Asylbewerberheim, sie kontrollieren am Diskothekeneingang. Sie stehen vor Juweliergeschäften, breitbeinig in Schwarz, die Pistolen am Gürtel. Das Feature begleitet Sicherheitsleute bei ihrem Einsatz. Die meisten verrichten ihren Job solide – und zu einem Stundenlohn, der sie manchmal zwingt, nebenbei Hartz IV zu beantragen. Aber die Branche zieht auch gewaltorientierte Männer an. Einige Firmen sind aus rechtsradikalen Kampfsportvereinen hervorgegangen. Auch organisierte Kriminelle haben im Sicherheitswesen Fuß gefasst. Eine politische Debatte über die Gefahren der privaten Sicherheit gibt es nicht – noch nicht. Regie: Iris Drögekamp Produktion: SWR 2010 – Feature - Erstsendung Anne Mai Guard © Hans Thoursie/Sxc.Hu 2008 31. März 2010 eXperimenta März 2010: Der Wegweiser Seite 55 Die Redaktion Ebenso sorgte die Burlesquetänzerin Miss Little Red Diamond dafür, rasch die vereisten Berliner Straßen und den nicht endenden Schneefall zu vergessen. Wobei aber sicher das ein oder andere Glas Wein auch seinen Beitrag leistete. eXperimenta März 2010: Die Redaktion Sämtliche Fotos in diesem Artikel: © Edition Erozuna Krischan v. Schöninger 2010 Geplant war ein rein dienstlicher Lesungsbesuch. Die Edition Erozuna hatte zu einer Lesung Erotisches zur Nacht eingeladen. Doch gleich die Begrüßung durch die Sektdamen versprach mehr. Seite 56 Von der Schreibtischkante Nachts sind alle Katzen geil Erotisches zur Nacht am 11. Februar 2010 im Café Mein Haus am See, Berlin-Mitte Maria Berlucci und Krischan von Schoeninger beginnen erst verhalten mit einer ruhigen Erzählung von Henry Slesar, die unsere Bildredaktion zur Bemerkung „Überhaupt nicht erotisch!“ veranlaßt. Später jedoch – irgendwann kommt auch Stephan Schlage zu den Vorlesern dazu – wird es lebendiger. Spätestens bei der titelgebenden Geschichte Nachts sind alle Katzen geil wird klar, warum sie so heißt. Höhepunkt des Abends war dann nach der Pause die Story vom Sexualkundeunterricht, der nicht verklemmt sein muß, sondern doch einfach halten könnte, was sein Name verspricht. Worauf das Publikum eine kleine Abkühlung durch einen erneuten Auftritt von Miss Little Red Diamond gerne entgegen nahm. Die ersten Stunden der Veranstaltung hielt sich unsere Redaktion noch wacker aufrecht – und dachte nur an den Bericht über die Edition Erozuna, der in der Aprilausgabe der eXperimenta vorgesehen ist … … doch Alkohol und Nikotin zwangen unser Team später doch in die Sessel. Aber kleine Sünden straft der Herr sofort: am nächsten Morgen war der Flughafen Tegel eingeschneit, und der Weg nach Hause war versperrt. Toni Reitz eXperimenta März 2010: Die Redaktion Seite 57 Neu in der Redaktion Heike Strobel Mirjam Schmitt Privatbild Mein Name ist Mirjam Schmitt. Ich komme von der schönen Mosel und bin am 19. Dezember 1983 in Koblenz geboren. Seit neun Semestern studiere ich Islamwissenschaften und Pädagogik in Mainz. Zur Zeit bastele ich an meiner Magisterarbeit, deshalb kann ich die Redaktion vorerst nur aus der Ferne unterstützen. Doch ich freue mich sehr auf die Mitarbeit bei der eXperimenta. Außerdem haben an diesem Heft erstmals Andrea Reiser und Sandra Trauner als Redakteurinnen mitgewirkt. Sie werden sich beide in der kommenden Ausgabe der eXperimenta näher vorstellen. eXperimenta März 2010: Die Redaktion Seite 58 Personelles Privatbild Ich heiße Heike Strobel und wurde am 29. Januar 1974 in Bad Homburg geboren. Nach dem Abitur habe ich Jura studiert und arbeite nun bei einer großen Versicherungsgesellschaft in Frankfurt. Erste journalistische Erfahrungen habe ich als Helferin beim Pressedienst des Deutschen Turnfestes und bei einem Radioprojekt des Medienhauses Frankfurt gesammelt. Daneben schreibe ich selbst gerne kreativ und bin seit mehreren Jahren Mitglied einer Schreibwerkstatt. Als ich auf die eXperimenta gestoßen bin, wußte ich daher gleich: Da will ich mitarbeiten! Und jetzt freue ich mich darauf, künftig dazu beizutragen, daß Sie weiterhin gerne jeden Monat in Ihrer eXperimenta lesen. eXperimenta Zeitschrift für zeitgenössische Lyrik und Prosa Herausgegeben von: INKAS – Institut für Kreatives Schreiben im Netzwerk für alternative Medien und Kulturar-beit e. V., Magister-Faust-Gasse 37, D-55545 Bad Kreuznach und Dr.-Sieglitz-Straße 49, D-55411 Bingen, Telefon & Fax +49 (67 21) 92 10 60, E-Mail: Info@ Inkas-Id.De Herausgeber: Rüdiger Heins Redaktionsanschrift: Ludwig-RuppelStraße 31, D-60437 Frankfurt am Main Redaktion: Susanne Feser, Toni Reitz – Schriftleitung, Andrea Reiser, Heike Strobel, Mirjam Schmitt, Sandra Trauner, Arabell Weigel-Hafsia Korrespondenten: Carla Capellmann – Television, Anne Mai – Hörspiel, Marlene Schulz – Kreatives Schreiben Herstellung: Susanne Feser – Layout, Toni Reitz – Chef vom Dienst, Arabell Weigel-Hafsia – Graphik Auflage: 5.112 Einsendungen: Literarische Beiträge bitte mit Bild und Kurzvita an [email protected]. Für eingesandte Beiträge kann keine Haftung übernommen werden. Die Rechte an namentlich gekenn-zeichneten Beiträgen liegen beim jeweiligen Autor. Alle sonstigen Rech-te liegen beim Institut für Kreatives Schreiben mit Sitz in Bad Kreuznach und Bingen und eXperimenta März 2010: Die Redaktion bei ID Netzwerk für alternative Medienund Kulturarbeit e. V. © ID Netzwerk für alternative Medienund Kulturarbeit e.V. ISSN 1865-5661, URN: urn:nbn:de: 0131-experimenta3 Sollte gegen geltendes Urheberrecht verstoßen worden sein, bitten wir um umgehende Benachrichtigung. Bilder: Nicht namentlich gekennzeichnete Bilder der Autoren und Redakteure wurden von ihnen selbst als Privatbilder zur Verfügung gestellt. Lizenzen: GNU Free Documentation License (GNU FDL) www.fsf.org/licensing/licenses/fdl.html, Creative Commons-Lizenzen (CC) http://creativecommons.org, Free Art License http://artlibre.org/licence. In der Rechtschreibung folgen wir jeweils den Gepflogenheiten des Autors. eXperimenta ist gesetzt aus der Linotype Futura von Paul Renner. F e e l you © Gonejustlikebefore (Sophie)/Deviantart. Com 2009 Impressum Seite 59