sommer in orange

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sommer in orange
8.2011
SOMMER
IN ORANGE
EIN FILM VON MARCUS H. ROSENMÜLLER
www.sommerinorange.de
www.engels-kultur.de
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Das Heimatbier, Foto: Francis Lauenau
www.engels-kultur.de I August 2011
Bier statt Wackelpudding
Irgendwann, so prophezeien manche Kulturpessimisten, werden alle Lebensmittel aus Bielefeld kommen. Nicht nur Pudding und Backpulver, wie schon
seit Jahrzehnten, sondern auch Pizza und Joghurt sowie Sekt und Bier stellt
der Doktor aus Ostwestfalen bereits her. Mit eigener Reederei und eigener
Bank kommt das Unternehmen auf einen Jahresumsatz von knapp 10 Milliarden Euro. Auch das Wicküler, einst weltbekanntes Pils aus Elberfeld, wird
inzwischen als Billigplörre vom Götterspeisen-König gebraut. Andy Warhol
formulierte einmal höchst sarkastisch: „Das Schönste in Tokio ist McDonald‘s,
das Schönste in Stockholm ist McDonald‘s, das Schönste in Florenz ist
McDonald‘s. Moskau und Peking haben noch nichts Schönes.“ Andy kannte
Dr. Oetker nicht. Die Uniformierung von Speisen und Getränken schreitet
scheinbar unaufhaltsam voran. Nun droht der Privatbrauerei in Schwelm
nach Insolvenz die Schließung zum Ende des Monats. Vielleicht verlängern
ein paar beherzte Schwelmer mit einer Geldspritze den Braubetrieb um noch
ein paar Monate. Wenn nun aber jeder biertrinkende engels-LeserInnen auf
das in der Region beheimatete Bier umsteigen würde - das Unternehmen
könnte auf Dauer bestehen und die Lebensmittelmultis müssten ihre Gerstengetränke anbieten wie Sauerbier.
Unser Heimatbier ist also zu retten. Ist aber die CDU noch zu retten? Seit
Monaten streiten sich Wuppertals Christdemokraten im Rat und auf offener
Straße, dass die Fetzen fliegen. Unser Thema im September heißt deshalb
KRISE DER LOKALPOLITIK. Vielleicht sollten die Beteiligten ins VON-DERHEYDT-MUSEUM gehen. In der aktuellen Ausstellung ICH werden ausschließlich Selbstportraits aus der eigenen Sammlung ausgestellt, die genau
zeigen, in welcher Lebenskrise der jeweilige Künstler gerade verweilte. Ein
anschließender Blick auf alte Wahlplakate könnte zu Selbsterkenntnis führen. Oder die geplagten und plagenden Politiker besuchen das SOMMERLOCH in den alten Elba-Hallen. Das Kulturfestival für Daheimgebliebene bietet sich an, um auf andere Gedanken zu kommen. Außerdem empfehlen wir
der CDU-Fraktion und natürlich auch allen anderen LeserInnen die komische
Oper DER BARBIER VON SEVILLIA im Theater Hagen. Ein Tag ohne Lächeln,
das wusste schon Charlie Chaplin, ist nämlich ein verlorener Tag. Harmonie
erfahren kann man auch in einem der Chöre, die von JENS BINGERT geleitet
werden. Wir portraitieren den Ausnahmemusiker.
Natürlich klärt auch das Kino über Beziehungskrisen auf. Beim Ehedrama
BLUE VALENTINE möchten Dean und Cindy während eines Wochenendes in
einem Motel ihre fade Beziehung aufpäppeln. Ob das gelingen kann? Im
Film DIE ANONYMEN ROMANTIKER hingegen klappt es mit der Liebe besser,
obwohl der Ausgangspunkt nicht schwieriger sein könnte. Zwei krankhaft
schüchterne Menschen vergucken sich ineinander. Und da der Streifen ein
französischer ist, spielt eine Schokoladenfabrik eine nicht unwesentliche
Rolle. Vielleicht sollten wir ein paar Tafeln ins Rathaus schicken – als Nervennahrung.
LUTZ DEBUS
engels-Thema.
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Krise der Kommunalpolitik. Zur Parteiendämmerung im Wuppertaler Rat
Bühne.
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Bühne: Theater-Veranstaltungen beim Sommerloch-Festival
Tanz in NRW: Hanna Koller zeigt Tanz-Gastspielreihe in Köln
Theater in NRW: Theater Bonn siegt beim Theatertreffen NRW und verliert sei
nen Intendanten
Oper in NRW: „Der Barbier von Sevilla” in Hagen
Kino.
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Film des Monats: „Blue Valentine”
weitere Filmkritiken
Roter Teppich: Schauspieler Georg Friedrich über „Sommer in Orange“
Hintergrund: „Die Anonymen Romantiker”
Filmwirtschaft: Der Fall „www.kino.to”
Gespräch zum Film: Marie Kreutzer über ihren Debütfilm „Die Vaterlosen“
Literatur.
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Wortwahl /ComicKultur – Neue Buch- und Comicerscheinungen
Poetry – Shir Khan beißt Paul Panzer in den Schritt
Textwelten – Eine Hommage an die Schreibschrift
Musik.
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Der Chordirektor der Wuppertaler Bühnen Jens Bingert
Pop in NRW/Improvisierte Musik in NRW
Kompakt Disk: Besondere neue Tonträger
Kunst.
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Wupperkunst: Das Von der Heydt-Museum zeigt Selbstporträts aus seiner
Sammlung
Kunst in NRW/Kunstwandel
Sammlung: Anime zwischen Tradition und Moderne. Kurator Stefan Riekeles
über die Ausstellung „Proto Anime Cut“ im HMKV im Dortmunder U
Kunst-Kalender/Langen Foundation
Service.
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Intro
Engels Zungen/Auswahl
Kolschewsky
lmpressum/Verlosungsbox
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Bühne
Sommerloch
Seite 8
Film des Monats
"Blue Valentine"
Seite 12
Pop in NRW
„Die Rückkehr der Riot Grrrls”
Seite 22
portrait
Hauptverantwortlicher für die NRW-weite Anerkennung des Wuppertaler Chores, Chorleiter Jens Bingert, Foto: Milena Holler-Lück
Zweite Reihe, erste Sahne
Mit ihrem Chordirektor Jens Bingert sind Opern-, Kinder- und Extrachor künstlerisch einen großen Schritt weiter gekommen
Der Chor der Wuppertaler Bühnen war im vergangenen Jahr nach der Inszenierung „Griechische Passion“ des Komponisten Bohuslav Martinus bei der
NRW-Kritikerumfrage achtmal als einer der drei besten Chöre nominiert,
„Unser Chor war vorher auch schon sehr gut. Unter Jens Bingert hat sich
sein Repertoire auch auf Kammerchor-Repertoire erweitert - sie haben beispielsweise diese beiden fantastischen Konzerte in der Citykirche gemacht,
wo sie allerschwerstes a cappella-Repertoire gesungen haben, zuletzt das
Programm mit türkischer Musik, Bartók und Hindemith“, urteilt Johannes
Weigand, seines Zeichen Opernintendant.
Herzblut und positive Impulse
„Ich versuche, jeden einzelnen Sänger persönlich wahrzunehmen“, beschreibt Jens Bingert, der mit sechs Jahren Klavier zu spielen begann,
nach eigener Erinnerung „schon immer“ gesungen hat und bereits als
Abiturient den C-Schein hatte, um den sonntäglichen Gottesdienst an
der Orgel begleiten zu können, seine Arbeitsweise jenseits der rein technisch-musikalischen Ansprüche. „Die Art, wie ich mit Menschen umgehe,
erweckt oft einen anderen Klang. Ich bin kein Monarch, die Choristen keine Sing-Maschinen. Jeden Einzelnen zu motivieren, ist ganz wichtig. Das
ist eine positive Stimulation.“ In seiner Beschreibung, Qualität zu halten
und weiterzuentwickeln, erinnert er an Pierre Boulez, der dem Vernehmen nach mit dieser ungeheuren Ruhe dasteht und immer so unaufgeregt
freundlich ist.
Seit der Spielzeit 2009/10 ist der gebürtige Rheinland-Pfälzer Jens Bingert,
der in Köln Kirchenmusik und anschließend an der Folkwanghochschule
Chor- und Orchesterleitung studierte, also bestens ausgebildet ist, in Wuppertal angekommen.
Durch den Weggang Jaume Mirandas war der Posten als Chorleiter ausgeschrieben, und Bingert, bis dahin Chordirektor und Kapellmeister in Trier,
bewarb sich. Für einen solchen Job gibt es eine Art „Test", er hat also eine
Stunde mit dem Chor geprobt. Anschließend zählt maßgeblich das Votum
des Chores. „Nun ja, und in seinem Fall waren der Chor und ich uns schnell
einig, dass wir ihn engagieren wollen“, erinnert sich Johannes Weigand.
Ohne guten Chor geht gar nichts, in keiner Musikinszenierung. Der Chordirektor fände für jedes Werk genau die richtige Zusammenstellung, immer
stimmt die Mischung perfekt.
„Ich höre gerne zu, wenn Menschen singen“, beschreibt Jens Bingert
unprätentiös eine Leidenschaft. „Ob Solo oder im Chor, das gefällt mir.
Ich mag auch Geigen und Oboen, aber die Stimme ist ein absolut pures
Ausdrucksmittel.“ Obwohl er nach dem Studium bereits auf „einem guten
Weg“ war, ein Dirigent von Format zu werden, entschied er sich für die
Karriere als Chorleiter. „Als Dirigent ist man separierter, das ist nichts
für mich.“
Theater ist Leben
Mit dem Engagement als Solorepetitor in Köln 2000 war alles klar: „Vom
Theater möchte ich nie wieder weg.“ Der Startschuss um 19.30 Uhr, das ist
seine Zeit. Das Gefühl, wenn der Vorhang aufgeht, sei großartig, „in meinem
Empfinden hat Theater mehr Leben“. Solche konstruktiven Auseinandersetzungen mag er, der immer so in sich zu ruhen scheint und gelassen-höflich
ist, „sehr gerne“.
Abends allerdings klappt der Mann, der als stilsicherer Vollblutmusiker gilt,
gerne die Ohren zu, „ich höre selten zu Hause Musik“. Er ist vom Präsens
fasziniert und Gegenwart gibt es in musikalischer Hinsicht für ihn beispielsweise nicht, wenn Musik von einer CD abgehört wird. „Da weiß ich vorher,
wie es klingt. Ich mag das Live-Erlebnis.“ Das muss dann nicht perfekt, aber
schön sein, um ihn zu berühren. Abstand von seinem Job – der ihm schon
keine Zeit mehr lässt, selbst zu singen, wovon er manchmal träumt – Abstand von diesem mit Herzblut gelebten Beruf findet er im Garten. „Das ist
mein Hobby. Mich entspannt es, wenn ich verblühten Löwenzahn zupfen
kann.“ In so kontemplativen Aufgaben findet er Kraft für neue Herausforderungen. Und an denen mangelt es an den Wuppertaler Bühnen nicht.
Die neue Spielzeit wird mit Wagners „Fliegendem Holländer“ eröffnet, die
„Lustige Witwe“, die schon in Solingen Premiere hatte, kommt ebenso. Bestimmt wird auch das „Emil"-Musical mit dem Kinderchor im November
eines der Highlights der Saison. Die Kinder wollten unbedingt mal etwas
Nicht-Klassisches machen. Ein weiterer Vorteil des wunderbaren Musikers,
der eben nicht „nur“ auf Oper beschränkt ist, sondern vielseitig ist.
„Ich bin sehr gespannt auf das Oratorium ‚Nazım‘ von Fazıl Say, das wir
im April 2012 in der Stadthalle zum ersten Mal in Deutschland spielen. Da
braucht es einen großen Extrachor. Es sind salopp gesagt eine Art ‚türkische
Carmina burana‘ – und der Chor steht ziemlich im Mittelpunkt. Ohne Jens
würde ich das nicht auf den Spielplan setzen“, so Johannes Weigand.
VALESKA VON DOLEGA
Übrigens: Für den Extra-Chor werden immer wieder erfahrene Sänger gesucht.
Mehr per Mail an [email protected]
„Die lustige Witwe“ von Franz Léhar I R: Pascale Chevroton
Opernhaus Wuppertal I 15.10. 2011 (P) I 0202 569 44 44
„Nazim“ von Fazil Say I 1.4. 2012
Stadthalle Wuppertal I 0202 569 44 44
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thema
Auch im Rathaus schaut man sich nicht mehr ins Gesicht, Foto: Francis Lauenau
Die Krise als Chance
Zur Parteiendämmerung im Wuppertaler Rat
Ein Nachbarschaftsstreit in einer gutbürger- die Bezirksversammlungen tagten. Aber der
lichen Eigenheimsiedlung ist nichts gegen Mehrheit der Mandatsträger lag damals das
das, was sich in den letzten Monaten im Rat Gemeinwesen am Herzen. Oder? Zumindest
der Stadt Wuppertal ereignete. Der Disput, war der Lokalpolitiker schon immer jemand,
der letztlich zur Spaltung der CDU-Fraktion der sein Foto gern in der Zeitung sah. Und vor
führte, wurde aber nicht wegen zu hohen He- langer Zeit waren die Anlässe, die mediale Aufmerksamkeit mit sich
cken, spielenden Kinengels-Thema im August:
brachten,
durchaus
dern oder Partylärm
angenehm. Hier wurausgetragen. Es ging
de ein Kindergarten
um
Bedeutenderes:
Haushaltsnot, Sparzwang und Ideenlosigkeit schweeingeweiht, dort ein
um Geld und Macht.
ben über den Ratsbänken der Wuppertaler FraktiEinkaufszentrum erEinige Mitglieder des
onen. Dringend werden neue Impulse gebraucht,
öffnet. Die Zeiten aber
Fraktionsvorstandes
aber die Kommunalpolitik erfreut sich trotz aufkommender Bürgerbeteiligung keiner großen Zuläufe.
haben sich geändert.
warfen ihrem VorsitDer Stadtsäckel ist kein
zenden den selbstherrlichen Umgang mit Personalkosten vor. Darauf- wundersames Füllhorn mehr. Aufträge müssen
hin wollte Fraktionschef Bernhard Simon jene europaweit ausgeschrieben werden. Der PolitiQuerulanten aus dem Vorstand abwählen las- ker wird nicht mehr als Wohltäter, sondern als
sen und zu diesem Zweck die Satzung ändern, Kürzer und Streicher wahrgenommen. Und für
die hierfür bislang eine Zweidrittel-Mehrheit die weitere politische Karriere ist der Posten
vorsah. Inzwischen sind neun Ratsfrauen und als Ortsvorsteher einer Partei eher hinderlich.
-männer aus der CDU-Fraktion ausgetreten und Wer mit 38 Jahren Vizekanzler wird, hat keine
haben eine eigene gegründet, die Fraktion der Zeit, sich um die Baumsatzung und die FriedChristlich Demokratischen Bürger (CDB). Die hofsordnung im Heimatdorf zu kümmern.
Union ist somit nach der SPD nur noch zweitstärkste Kraft im Stadtparlament. Soweit die „Die Finanzsituation der Kommunen wird
Vorgeschichte, die allerdings kommunalpoli- als Politikersatz missbraucht.“
tisch interessierten Lesern bekannt sein dürfte. Ist Lokalpolitik also angesichts leerer Kassen
überflüssig geworden? Fragt man die betrofAber interessieren sich viele Menschen über- fenen Bürgervertreter, bekommt man andere
haupt noch für Lokalpolitik? Früher bekleidete Antworten. Die Gestaltungsmöglichkeiten im
ein Ratsherr ein einigermaßen ehrenwertes Rat seien längst nicht ausgereizt. So sagt LoEhrenamt. Zwar gingen manche Zeitgenos- renz Bahr von den Grünen: „Die Finanzsituatisen in die Politik, um sich durch so entstan- on der Kommunen wird als Politikersatz missdene Beziehungen einen persönlichen Vorteil braucht. Der Stadtkämmerer spricht: ‚Nichts
zu verschaffen. Landwirte konnten durch ihre geht mehr, alles unterliegt der HaushaltskonParteifreunde Ackerland zu Bauland umwid- solidierung.‘ Die Politiker verstecken sich hinmen lassen. Firmen konnten lukrative Aufträ- ter ihm. Dabei bleibt jede Kreativität auf der
ge erhalten. Auch war die Lokalpolitik in der Strecke und es geht tatsächlich nichts mehr.“
Regel die Eintrittskarte für die große Politik. Auch Jörn Suika von der FDP sieht das Problem
Der Karriereweg der Landes- und Bundes- im fehlenden Selbstbewusstsein seiner Ratspolitiker führte zwangsläufig durch die ver- kollegen. Entscheidungen würden ohne Not an
rauchten Hinterzimmer der Kneipen, in denen die Verwaltung abgegeben. Politikverdrossen-
Krise der Kommunalpolitik
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heit würde sich breit machen und diese würde sich auch auf die Medienberichterstattung
auswirken. „In der letzten Ratssitzung sind die
Pressevertreter eine Stunde vor Ende der Sitzung gegangen, so dass niemand mitbekommt,
was im Stadtrat passiert. Während in ebenfalls
unter Nothaushalt leidenden Nachbarstädten
die Presse einen Online-Liveticker über Ratssitzungen erstellt, geht bei uns die Presse.“ Der
grüne Fraktionsvorsitzende Peter Vorsteher
hingegen sieht vor allem den Imageschaden:
„Der Konflikt in der CDU tut allen Parteien
weh. Die Öffentlichkeit erwartet von uns gerade in schwierigen Zeiten konstruktives Verhalten.“
Die Fraktionssitzungen dienen dazu, die
im inneren Zirkel gefassten Beschlüsse
abzunicken
Die Lähmung der Kommunalpolitik mag auch
an der langjährigen Zusammenarbeit zwischen
CDU und SPD in der Stadt liegen. Jeden Mittwochmorgen, so berichtet ein Insider, sitzen
Fraktionsgeschäftsführer und Fraktionsvorsitzende von CDU und SPD mit dem Oberbürgermeister und dem Stadtkämmerer zusammen,
um über die Entscheidungen der Woche zu
beraten. Die Fraktionssitzungen der beiden
großen Parteien hingegen dauern in der Regel
nur eine Stunde und dienen dazu, die im inneren Zirkel gefassten Beschlüsse abzunicken.
Die zahlenmäßig kleine Opposition im Rat ist
machtlos. Dieser Zustand könnte sich durch
die Spaltung der CDU-Fraktion ändern. Ohne
CDB-Fraktion verfügen SPD und CDU nur noch
über eine hauchdünne Mehrheit. Und wenn
bis zur nächsten Kommunalwahl der Riss zwischen den Christdemokraten nicht gekittet
ist, könnte die CDB eigenständig kandidieren
und so Leben in die Wuppertaler Parteienlandschaft bringen. Jede Krise kann auch eine
Chance sein.
LUTZ DEBUS
thema
Christdemokraten gehen fortan getrennte Wege, Foto: Francis Lauenau
„Junge Leute kommen nicht“
Dorothea Glauner über die Probleme in der Kommunalpolitik
engels: Frau Glauner, macht Kommunalpolitik sicherung verstecken, weil sie keine Kreativität
mehr entwickeln.
noch Spaß?
Dorothea Glauner: Sie sollte Spaß machen, weil Da könnte ein kleines Stückchen Wahrheit dran
sie die Politik ist, die am nächsten am Bürger ist. sein. Dies würde aber auch von den Bürgern
Man weiß, wo der Schuh drückt, man möchte viel Eigeninitiative erfordern. In Ronsdorf und
sich einsetzen. Aber dieser Einsatz ist inzwi- Vohwinkel haben sich Vereine und Bürger geschen schwierig geworden. Wir
funden ihr Bad in Eigenregie
„Viele haben vergessen,
stehen unter Haushaltssicheweiterzuführen. Solch ein Enwelches hohe Gut
rung. Es macht keinen Spaß,
gagement sollte von der Stadt
die Demokratie darstellt.“
Maßnahmen ergreifen zu müsbelohnt werden. Stattdessen
sen, die dem Bürger wirklich wehtun. In Kür- sollen die Finanzmittel ganz gestrichen werden.
ze wird sich entscheiden, ob das Bürgerbad in Es ist absehbar, dass der Förderverein allein die
Ronsdorf geschlossen wird. Kein Mensch will, Kosten nicht tragen kann, das gilt zumindest für
dass Bäder geschlossen werden. Viele alte Men- Ronsdorf.
schen wohnen da oben auf der Höhe, müssen
auf andere Bäder in Wuppertal ausweichen. Wer geht eigentlich noch in die KommunalpoKinderschwimmen ist nur noch möglich, wenn litik? Haben Sie Nachwuchssorgen?
Fahrtwege in Kauf genommen werden. Da Dieses Thema macht mir große Bauchschmerzen.
möchte man gern mit der Opposition stimmen. Unsere Bezirksvertretungen sind oft mit Leuten
Aber so ist das Problem der Überschuldung noch besetzt, die auf die Siebzig zugehen. Junge Leute
nicht gelöst.
kommen nicht. Und wenn sie kommen, sind sie
ganz schnell wieder weg.
Lorenz Bahr von den Grünen sagte mir, dass
sich die meisten Politiker hinter der Haushalts- Was ist so schwierig, junge Menschen an die
Demokratie heranzuführen?
Ich mache da auch der Presse einen Vorwurf. Öffentlich wird der Politiker oftmals als Egoist dargestellt. Es wird nicht erwähnt, was Lokalpolitiker
an wöchentlicher ehrenamtlicher Arbeit leisten.
Wir müssen junge Menschen für diese Demokratie wieder begeistern. Viele haben vergessen,
welches hohe Gut die Demokratie darstellt. Da
haben Menschen ihr Leben für gelassen. Die heutige Demokratie ist letztlich aus zwei Diktaturen
entstanden.
ZUR PERSON:
Dorothea Glauner (62) ist Bürgermeisterin der Stadt Wuppertal, Mitglied der CDU und fraktionslose Ratsherrin
Foto: CDU
Lesen Sie die Langfassung des
Interviews unter: www.engels-kultur.de/thema
„Gewählt, um Probleme zu lösen“
Bernhard Simon über die Aufgaben von Ratsvertretern
engels: Herr Simon, wie ergeht es Kommu- ßen. Gute Kommunalpolitik muss sich stets dieser
nalpolitikern bei schrumpfenden Handlungs- Herausforderung stellen.
spielräumen?
Bernhard Simon: Geringer werdende Spielräume Ist die Aufgabe, in der Bezirksvertretung oder im
ergeben sich zwar vor dem Hintergrund der Spar- Rat Politik zu machen, undankbarer geworden?
anstrengungen Wuppertals, doch damit wäre der Undankbarer sicher nicht, aber schwieriger.
Handlungsrahmen von Kommunalpolitikern nur un- Sie müssen bei Anliegen von Bürgern auch mal
zureichend umschrieben. Nicht bei
Nein sagen können. Die Haus„Die Haushaltsmittel sind zwar
allem, wo wir als Politiker geforhaltsmittel sind zwar kleiner,
kleiner, die Erwartungen an die
dert sind, geht es um Geld. Es geht Politik jedoch größer geworden.“ die Erwartungen an die Poliauch um das Aufgreifen guter
tik jedoch größer geworden.
Ideen von Bürgern unseres Stadtteils oder darum, ei- Gerade die Nähe zu den Bürgern und auch die
nen Rahmen für privates Engagement zu setzen und Tatsache, dass wir direkt auf der Straße auf
um das Eintreten hierfür in den Bezirksvertretungen Probleme angesprochen werden, haben seiund im Stadtrat. Außerdem müsste jedem Kommu- nen Reiz. Vieles von dem, was wir für die Mennalpolitiker vor Beginn seiner politischen Laufbahn schen in Wuppertal politisch umsetzen, geht
klar sein, dass die rosigen Zeiten mit gut gefüllten zudem schneller, als wären wir Volksvertreter
Kassen längst Vergangenheit sind. Es kommt darauf im Landtag oder Bundestag. Wir sind eben stänan, mit den vorhandenen Mitteln intelligent umzu- dig vor Ort und sehen auch früher den Erfolg
gehen und sich Sparvorschlägen nicht zu verschlie- unserer Arbeit.
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Wer geht überhaupt noch in die Kommunalpolitik?
Das sind Menschen, die sich für die Entwicklung
ihres Stadtteils interessieren und sich für ihre Mitbürger einsetzen möchten. Einen Prototyp des erfolgreichen Kommunalpolitikers gibt es nicht. Ob
jung oder erfahren - entscheidend ist, dass man Biss
mitbringt und bereit ist, an einer Sache so lange
dran zu bleiben, bis sie gelöst ist. Man darf auch
nicht allzu viel Dankbarkeit von den Bürgern erwarten. Schließlich wurden wir Kommunalpolitiker gewählt, um Probleme zu lösen.
INTERVIEWS: LUTZ DEBUS
ZUR PERSON:
Bernhard Simon (65) ist Vorsitzender der CDU-Fraktion im Rat
der Stadt Wuppertal
Foto: CDU
thema
Der Kommunalpolitiker ist nicht immer eine Lichtgestalt – und hieß nicht immer Johannes Rau, Foto: Francis Lauenau
Bürger beteiligen?
Modelle direkter Demokratie boomen besonders in der Lokalpolitik
Die finanzielle Lage der Stadt Wuppertal könnte
dramatischer kaum sein: Die Verschuldung der
Stadt liegt bei annähernd zwei Milliarden Euro,
ein Ende der Zeit der roten Zahlen ist trotz Haushaltssicherungskonzept und Einsparungen nicht
in Sicht. Viele Wuppertaler Bürger sind unzufrieden – mit den Folgen der Einsparungen für das
Leben in ihrer Stadt, aber auch mit den Entscheidungen der Politiker. Die Wahlbeteiligung bei
den Kommunalwahlen sank, wenn auch weniger
schnell als die Schulden stiegen. Sie lag im Jahr
2009 nur noch bei etwa 45 Prozent. Aber sind
die Bürger tatsächlich desinteressiert? Laut einer Umfrage der Bertelsmann Stiftung aus dem
Juni 2011 würden sich die Bundesbürger deutlich
stärker politisch engagieren, wenn sie tatsächlich mitentscheiden könnten. Das Interesse an
Volksentscheiden, Bürgerbegehren oder -befragungen ist entsprechend groß. Auch an den sogenannten Bürgerhaushalten besteht Interesse.
Bürger können sich hierbei aktiv an der kommunalen Haushaltsplanung beteiligen und werden
in Entscheidungsprozesse eingebunden. In über
90 Kommunen der BRD wird dieses Modell der
Bürgerbeteiligung bereits praktiziert – demnächst
auch in Wuppertal?
Nun ist es notwendig, ein Beteiligungsverfahren zu etablieren
Bürgerhaushalte unterschiedlicher Konzeption finden sich vielfach in Kommunen, deren finanzielle
Lage wenig vielversprechend ist. So ist es nicht
verwunderlich, dass in der Sitzung des Wuppertaler Stadtrats vom 23.05.2011 die Bürgerbeteiligung im Rahmen der Haushaltsplanaufstellung
beschlossen wurde. Ein erster Schritt Richtung
Bürgerhaushalt ist somit getan. Nun ist es notwendig, ein Beteiligungsverfahren zu etablieren.
Wie sollen Vorschläge entwickelt, aufbereitet, beraten und eingebracht werden? Eine Online-Beteiligung ist vorgesehen, auch wenn diese laut aktueller Bertelsmann-Studie nur wenig beliebt ist.
Manche Städte haben mit Online-Beteiligungen
inzwischen gute Erfahrungen gemacht. Wie aber
auch immer die Formen der Beteiligung aussehen
werden, das Schuldenproblem wird sich dadurch
nicht lösen lassen, trotz vieler wertvoller Impulse,
die aus den Reihen der Bevölkerung zu erwarten
sind. Dennoch wären von einer stärkeren Bürgerbeteiligung positive Effekte zu erwarten. Bereits
vorhandenes Engagement wird gestärkt, zudem
steigt die allgemeine Bereitschaft zur Mitarbeit
durch die Partizipationsmöglichkeiten. Der Bürger
wird über die geplante Verteilung der finanziellen
Mittel angemessen informiert und entwickelt
dadurch nicht nur ein bloßes Kostenbewusstsein. Die Diskussion kann auch Konsens in Zeiten
knapper Kassen fördern, um vorhandene Handlungsspielräume nutzen zu können. Ob die Stadt
Wuppertal es schaffen wird, in naher Zukunft gemeinsam mit den Bürgern einen Bürgerhaushalt
zu etablieren, der langfristig nicht allein dazu beiträgt, Politik- und Parteiverdrossenheit abzubauen, sondern auch die Schuldenbremse zu treten,
wird sich zeigen. Die Wuppertaler mit in die Verantwortung zu nehmen und aktiv einzubinden, ist
allerdings nicht nur zeitgemäß, sondern vielleicht
auch längst an der Zeit.
MARTIN THELEMANN
Der Einzelgänger
Rolf-Jürgen Köster betreibt Politik jenseits der Parteien
In der CDU-Fraktion im Rat der Stadt wütet der
Spaltpilz. Eine andere Partei, die FDP, hatte vor
zwei Jahren ähnliche Probleme. Inzwischen ist einer der damals Beteiligten, Dr. Rolf-Jürgen Köster,
mit seiner „Bildungsoffensive für Wuppertal“ in
den Rat gewählt worden. Noch immer wird er von
ärgerlichen Wählern angesprochen. „Da kommen
Leute, fragen, was wir Politiker denn überhaupt
machen und wissen gar nicht, dass wir in einer
de facto insolventen Gemeinde nur sehr geringen
Handlungsspielraum haben“, erzählt der ehemalige Vorsitzende der Wuppertaler FDP. Als im Rat
der Rotstift die Politik übernahm, wuchs seine
Unzufriedenheit: „Wenn man etwa in der Kultur
überlegt, ob die Sparte Schauspiel eingespart
wird und damit der einzige Bereich, in dem sich
überhaupt ab und zu Jugendliche in Turnschuhen blicken lassen, ist das wenig sinnvoll. Und bei
Überlegungen über Einsparungen im Bereich des
Sinfonieorchesters geht es um Spareffekte, die,
wenn überhaupt, erst in 20 Jahren eintreten werden.“ Kein Mensch, da ist Köster sicher, wolle diese
Situation, in der Politik handlungsunfähig gewor-
den ist. Aus der Dauerkrise zog er seine eigenen
Schlüsse: „Irgendwann habe ich festgestellt, dass
viele Probleme in der Politik nicht gelöst werden.
Da gibt es Erklärungen und Positionen, aber das
reicht nicht“, erinnert er sich.
„Gute Ideen wurden kaputt gemacht, weil
sie von der falschen Partei kamen.“
Die Erkenntnis, dass nicht parteipolitische Statements sondern parteiübergreifende Ziele und Einigungen gefragt sind, führte ihn schließlich 2009
dazu, sein Amt als Parteivorsitzender aufzugeben
und aus der FDP auszutreten: „Dazu kam, dass
die FDP sich mit der Fokussierung auf Steuersenkungen und einem Verlust an Tiefenschärfe in
rechtspolitischen Fragen deutlich in eine Richtung
entwickelte, die nun bundesweit zur Krise führte,“
bilanziert Köster. Für seine Partei war der Austritt
bitter: „Es gab damals heftige Auseinandersetzungen, in deren Folge vier Mitglieder austraten.
Damit verlor die FDP drei Mandatsträger im Stadtrat. Ein Trost war, dass es nur neun Monate waren bis zur Kommunalwahl,“ erinnert sich Marcel
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Hafke, Kreisvorsitzender der FDP Wuppertal. Während die FDP einen Relaunch durchlief und den
Wahlkampf vorbereitete, konzentrierte sich Köster
auf die Bildungspolitik: „Integration wird ohne
Bildung und Chancengleichheit kaum gelingen.
Und die Jugendlichen, die heute ohne Abschluss
die Schulen verlassen, sind die Arbeitslosen von
morgen. Bildung ist demnach der Schlüssel zur
Lösung vieler sozialer Fragen“, führt er aus. Als
Einzelkämpfer zog er Ende August für die neu gegründete „Bildungsoffensive“ in den Stadtrat. „Ich
habe oft erlebt, dass gute Ideen kaputt gemacht
wurden, weil sie von der falschen Partei kamen“,
erinnert er sich. Damit das nicht passiert, sucht er
seither Gesprächspartner, wo er sie findet: „Man
muss Gespräche mit allen Parteien führen, wenn
man für die Sache etwas erreichen will.“ Und
sind es auch nur eine Handvoll kleiner sozialer
Projekte, die so entstehen, ist es für ihn dennoch
eine sinnvolle Sache, denn es ist mehr als nichts
in Zeiten, in denen gestaltende Politik kaum mehr
möglich ist.
DAGMAR KANN-COOMANN
bühne
Erst in der scheinbaren Leere zwischen Häusern entsteht Festivalatmosphäre, das Sommerloch-Festival an den ELBA Fabrik-Hallen
Schönes Strandgut im Sommerloch
Bildung macht reich, das ist bekannt. Nur weil die großen Häuser Ferien machen, muss keiner geistig verarmen
Spontan, eigen, alternativ und gerne jenseits des Mainstreams organisiert
das Team Sommerloch ihren gleichnamigen Veranstaltungsreigen. Im vergangenen Jahr erstmal rund um eine leer stehende Villa an der FriedrichEbert-Straße an den Start gegangen, gibt es in diesem Jahr eine Neuauflage. Ein bisschen länger dauert es diesmal, die Location wurde, weil es
dem Vernehmen nach Theater mit der Stadt gab, auch gewechselt. Die
Moritzstraße 14, also die früheren Elba-Hallen, sind nun Schauplatz für
das Alternativ-Kultur-Festival. Die Frage, warum gerade dieser Ort ausgewählt wurde, wird überaus poetisch beantwortet: „Ein einzelner Ton ist
Geräusch. Erst in der scheinbaren Leere zwischen Tönen entsteht Klang.
Die Geräusche vieler alter Produktionsgebäude entlang der Wupper sind
verstummt. Was bleibt ist der Charme der alten, leer stehenden Industriehallen. Eine verfallene, ungenutzte Leere, die in diesem Jahr zu einem
Klangkörper wird - für das Sommerloch 2011.“
Der Style ist wie das Programm – abgerockt
Seit Juli läuft das Event mit seiner Mixtur aus Musik, Lesung, Ausstellungen und der Talkshow „Dem lieben J sein Wuppertal“. Die Grundidee
hinter dem Konzept ist, „Kunst und Kultur in Wuppertal stärker zu vertreten. Diese Stadt hat eine Menge Potenzial und viele Menschen, die gern
an kulturellen Dingen teilhaben. Der Verfall der Kultur in dieser Stadt und
ihrer Umgebung soll mit diesem Kulturforum aufgehalten werden.“ Mehr
als 60 Veranstaltungen sind es insgesamt, die die gemeinnützige Organisation „Sommerloch e.V.“, eine Kulturoffensive, präsentiert. Es ist eine
Gruppe junger Kreativer aus verschiedenen Bereichen, die sich „schon
lange kennen“ und für dieses Projekt „zum Kollektiv“ geworden sind. Mirka Pflüger beschreibt, was Kulturinteressierte erwartet: „Geöffnet sind die
Hallen und Innenhof des Geländes in der Moritzstraße immer Mittwochs
ab 16 Uhr mit der Veranstaltung OFFEN, die zu gemütlicher Plauderei,
Ausstellungen und Konzerten einlädt. Der Eintritt ist frei. Jeden Freitag verhelfen im Rahmen der Reihe *#123 wechselnde DJs und Liveacts
Freunden elektronischer Musik zu neuen Entdeckungen.“ Hochkarätige
Jazzkonzerte, kulinarische Zaubereien, grandiose Clubnächte und Sommer-Rock-Abende, das versprechen die wöchentlichen Samstags-Events,
die für besondere Veranstaltungen und abwechslungsreiches Programm
reserviert sind. Ein Wiedersehen gibt es mit Lando Kal ebenso wie dem
Gaslamp Killer. „Der war auch schon in Wuppertal und freut sich sehr
wieder zu kommen.“
Ein Programm, das hält, was es verspricht
Alle Wunschkandidaten haben die Sommerlöchler dabei, und auch Veranstalter sind Fans: „Schön ist, dass der Jazzmusiker Ravi Coltrane dabei
war. Und am 3. August spielt das Christof Söhngen Trio. Sehr sehenswert ist auch der Film „Der Fall des Elefanten“ von Volker Anding, der am
10. August gezeigt wird.“ Dann gibt es die Samstagveranstaltungen, die
randvoll mit hochkarätigen Künstlern bestückt sind. Unter Anderem treten da auf Boca45, Give the drummer some scott hendy, Gaslamp Killer,
Free the robots und Juha. „Die Acts aus der Umgebung kannten unsere
Veranstaltung bereits und haben sich gefreut mitzumachen“, beantwortet Mirka Pflüger die Frage, wie die Neulinge ins Boot geholt wurden. „Die
Acts aus anderen Orten wie Los Angeles, Amsterdam oder London waren
von der Idee dieser Veranstaltung begeistert und haben zügig zugesagt.
Das verspricht ein heißer Sommer zu werden."
Termine für Kinder
Wuppertal erfindet sich in diesem Sommer aber nicht nur zwischen den Tönen. Für den Nachwuchs gibt es immerhin zwei Veranstaltungen beim vom
Haus der Jugend organisierten SommerTheater 2011. Nicht wie noch im vergangenen Jahr im Botanischen Garten, sondern beim Spielplatzhaus auf der
Hardt gibt es diesmal sonntägliche Veranstaltungen nach dem Motto „umsonst und draußen“. Das Theater des Lachens spielt „Der große Zauberer und
der kleine Hase“, ein temporeiches, witziges Stück mit Puppen und Objekten
am 7. August um 16.30 Uhr. Christiane Weber präsentiert als „Krümelmücke“
sieben Tage später (am 14.8.) zur gleichen Uhrzeit eine bunte Welt gesungener, lustiger und phantasievoller Geschichten auf Ohrwurm-Niveau.
VALESKA VON DOLEGA
Sommerloch 2011 I Elba-Hallen Wuppertal I bis 20.8.
www.sommerloch-wuppertal.de
SommerTheater 2011 I Spielplatzhaus Hardt I So 7.8., So 14.8. je 16.30 Uhr
hdj.liveclubbarmen.de
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Action
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Expressionistisch
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Jugend
KINO
Alle Filme, alle Kinos, alle Termine,
Interviews und Links:
engels-kultur.de
facebook.com/engelsKultur
tanz in nrw
theater in nrw
Szenenfoto aus „Körper“, Foto: Bernd Uhlig
Kaspar im Theater Bonn, Foto: Thilo Beu
Pralinées zum Hauptgang
Neoliberaler Discount
Von Thomas Linden
Jedes Mal die Hütte voll, was kann man sich in Oper und Schauspiel da noch
wünschen? Neun Gastspiele international renommierter Tanz-Kompanien
holte Hanna Koller in der letzten Spielzeit für die Kölner Bühnen an den
Rhein, darunter die Ensembles von Maurice Béjart aus Lausanne, Akram
Khan und Michael Clark jeweils aus London oder Sidi Larbi Cherkaoui und
Damien Jalet aus Brüssel. Mit knapp einer Million Euro wird Hanna Koller
für ihre Reise um die Welt ausgestattet. „Ich nehme kein Mittelmaß“, sagt
die ehemalige Tänzerin, die in den neunziger Jahren zu den markantesten
Ensemble-Mitgliedern in Jochen Ulrichs Tanzforum zählte, bevor sie von der
Bühne ins Management wechselte.
Wie reagiert denn das Publikum in Paris und London auf die aktuellen Entwicklungen der Tanzkunst? „Dort ist der „Hanna Koller gefällt am Kölner
Umgang mit Tanz viel selbstverständ- Publikum, dass es in seiner Alterslicher“, erklärt Hanna Koller, „die Leute
struktur durchmischt ist“
gehen gleich von der Arbeit ins Theater,
das ist für sie so normal wie das tägliche Brot. Man ist begeisterungsfähig,
findet nicht alles gut, ist dabei aber nie böse in der Kritik“. In Köln gehört
die Standing Ovation bei den Gastspielen schon fast zum Ritual, so dass
die Begeisterung inflationären Charakter anzunehmen droht. Hanna Koller
gefällt aber an diesem Publikum, dass es in seiner Altersstruktur durchmischt ist, viele junge Leute sitzen im Parkett, und es findet ein lebendiger
Austausch über die Produktionen statt. Anders als in Düsseldorf, wo das
Publikum des Haus-Choreographen Martin Schläpfer - den die Kölner nur
zu gerne engagiert hätten - eher die älteren Jahrgänge lockt. „Die stehen
dann schnell auf, wenn es ein bisschen experimentell wird“, gibt Hanna
Koller zu bedenken.
Im Gegensatz zu Düsseldorf dienen die Gastspiele in Köln eben auch als
Trostpflaster für ein Publikum, dem man weder ein Tanzhaus noch ein eigenes, städtisches Ensemble gönnt. Hanna Koller bietet in dieser Situation
die Pralinées, die man sich nur zu gerne munden lässt. Sie versteht ihre
Rolle jedoch durchaus als pädagogische Aufgabe. „Ich möchte den Leuten
sagen: Schaut euch doch einmal das andere an, es gibt eine internationale
Vielfalt auf hohem Niveau“. Deshalb präsentierte sie auch Maurice Béjarts
50 Jahre alten „Bolero“. Alle sollen den Klassiker einmal erlebt haben. Die
strenge Stilistik eines Michael Clark muss man ebenfalls gesehen haben,
auch wenn dessen frostige Choreographien erwartungsgemäß nicht begeistert aufgenommen wurden. Hanna Koller sieht ihren Auftrag im Versuch,
die Faszination für den Tanz so lange am Leben zu erhalten, bis eine eigene Kompanie an den Kölner Bühnen installiert sein wird. Das Bemühen
um eine solche Truppe ist jedoch in der politischen Landschaft der Stadt
weit und breit nicht zu sehen, daher könnten die Gastspiele zur Dauereinrichtung werden und Hanna Kollers
Funktion als Geschmacks-Testerin in Sachen Tanz wird
sicherlich in Zukunft eine noch wesentlich größere Bedeutung zukommen. Sie hat verstanden, worum es geht,
darin bestehen auch deshalb keine Zweifel, weil die neue
Spielzeit gleich mit einem Paukenschlag beginnt. Denn
Thomas Linden ist
Journalist, Autor
mit Sasha Waltz‘ Inszenierung „Körper“ steht am 6. und
und Jurymitglied des
7. Oktober eine der bedeutendsten Choreographien der
Kölner Kinder- und
Jugendtheaterpreises.
deutschen Tanzgeschichte auf dem Programm.
Von Hans-Christoph Zimmermann
Am Ende herrscht grausiges Schweigen, wenn der Kannibale von Rotenburg in
völliger Dunkelheit mit seinem Opfer diskutiert. Hermann Schmidt-Rahmers Inszenierung ließ den Schluss von Elfriede Jelineks „Rechnitz (Ein Würgeengel)“
unangetastet und sorgte so in Düsseldorf für einen Skandal. Beim Gastspiel in
Wuppertal zeigte sich, wie intelligent die Regie diesen Botenbericht vom Massaker einer Schlossgesellschaft an jüdischen Zwangsarbeitern steigert. Jelineks
Betonung der rauschhaften Seite des Holocaust wird mit einer beißenden Exegese der NS-Rezeption konfrontiert, vom diarrhoehaften Geschichts-Small Talk,
über NS-Aufarbeitungsliteratur, Feldforschung nach Leichen bis zum NS-Porno
ist alles dabei. Dafür gab’s zu Recht den Publikumspreis des Theatertreffen NRW
in Wuppertal.
Das Festival mit dem merkwürdigen Untertitel „Westwärts“ ist eine Best of-Show
mit unscharfer Kontur. Eine Jury hat zehn „bemerkenswerte und künstlerisch herausra-gende Inszenierungen“ der insgesamt 19 NRW-Bühnen ausgewählt. Viele
wollten dabei sein, nicht jeder durfte. An
„Es ist ein bitterer Sieg.“
Herbert Fritsch kommt derzeit allerdings niemand vorbei. Wie schon beim Berliner Theatertreffen sorgte seine Oberhausener „Nora“-Inszenierung auch an der Wupper
für Begeisterung. Ibsens angestaubter Emanzipationsklassiker wird zur gnadenlos stilisierten Beziehungsgroteske zwischen Filmtrash, Courteline und Slapstick.
Fritsch treibt den Personen die Psychoflausen aus und macht aus ihnen Pathosmonster mit aufgerissenen Augen und schreckgeweiteten Mündern.
Dem Oberhausener Theater geht es schlecht, dem Wuppertaler auch und deswegen wurde auch eifrig diskutiert und ein Thesenpapier mit halbgaren Thesen vom
Theater als Thinktank, als Bildungsstätte, als Ort der Identifikation und Vielfalt der
Produktionsformen veröffentlicht. Lob erhielt die Landesregierung, die im Rahmen eines Theaterpakts ab 2012 den notleidenden NRW-Theatern und -Orchestern weitere Zuschüsse von 4,5 Mio. Euro, der freien Szene 1,5 Mio. zusagt. Das
ist auch dringend nötig, wie gerade der Fall Bonn zeigt. Dort haben Kultur- und
Finanzausschuss Sparmaßnahmen von 3,5 Mio. Euro pro Jahr ab 2013, manche
sagen sogar 7 Mio. Euro beschlossen. Der derzeitige Etat von 27 Mio. Euro würde damit um fast 13 Prozent zusammengestrichen. In ähnlicher Größenordnung
schrumpft auch die Freie Szene. Generalintendant Klaus Weise hat daraufhin
auf eine Vertragsverlängerung über 2013 hinaus verzichtet.
Da nutzte es auch nichts, dass das Theater Bonn für seine
„Kaspar“- Interpretation in Wuppertal mit dem Preis für die
beste Inszenierung ausgezeichnet wurde. Alexander Riemenschneider richtet Handkes Sprachdressurstück auf Unterhaltungs- und Motivationsformate aus. Die Schauspieler inszenieren eine Animationsshow mit dem Publikum und setzten
Hans-Christoph
Zimmermann ist
die Titelfigur einem Discount-Motivationspush aus, der am
Theaterkritiker
Ende in einen neoliberalen Identitäts-Habitus mündet. Das
für Printmedien
und Hörfunk.
ist mitreißend inszeniert, doch es bleibt ein bitterer Sieg.
Hanna Koller zeigt starke Tanz-Gastspielreihe in Köln
Theater Bonn siegt beim Theatertreffen NRW und verliert seinen Intendanten
Das gesamte Gutachten zu den Kooperationsmöglichkeiten der Ruhrgebietstheater finden Sie unter: www.nrw-kultur.de/gutachten
Lesen Sie auch unsere Musicalkolumne unter:
www.engels-kultur.de/musical-nrw
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oper in nrw
Fair! Ice Tour 2011
Ben & Jerry’s kommt vor Deine Haustür
Eine Nase voll Lachgas
„Der Barbier von Sevilla” in Hagen
Von Karsten Mark
Gut zwei Jahre ist es her, da gaben Regisseurin Annette Wolf und Ausstatterin Lena Brexendorff an der Hagener Oper ihren Einstand und landeten
mit Rossinis „La Cenerentola“ prompt einen Coup. Die komische Oper kam
nicht als museales Schmunzelstück für Kenner daher, sondern als tempound pointenreicher Brüller. Ihr Aschenputtel schuftete in der Würstchenbude, während die bösen Stiefschwe„Munter springen die Funken
stern als It-Girls durch die Partyszene
zwischen Orchestergraben und
der Reichen und Schönen tingelten. InBühne hin und her“
tendant Norbert Hilchenbach hatte mit
Wolf und Brexendorff offensichtlich ein
Dreamteam für Komödien verpflichtet. Nun sind den beiden Frauen nach
Hagen zurückgekehrt und übertreffen sich selbst – wieder mit Rossini und
wieder mit einem Partyschönling, dieses Mal allerdings einem männlichen:
dem Barbier von Sevilla.
Raymond Ayers gibt den eitlen Figaro mit trendiger Fransenfrisur, Sonnenbrille und weißem Aufschneideranzug. Und er darf seine Rolle auch
gesanglich ausgiebig persiflieren, was ihm gut gelingt. Gegen den coolen Barbier wirkt Jeffery Krueger als verliebter Incognito-Graf Almaviva
reichlich vertrottelt – eine gute Voraussetzung für allerlei kleine Gags bis
hin zu ausgewachsenen Slapstickeinlagen. Regisseurin Wolf findet stets
das rechte Maß, wobei die Stärke ihres Barbiers eindeutig in der kräftigen
Überzeichnung liegt. Rossini und sein Librettist Cesare Sterbini haben in
mancher Szene das reinste Tohuwabohu entfesselt. Annette Wolf kostet
das in vollen Zügen aus. Dabei kann sie auf eine äußerst spielfreudige Solistenriege zurückgreifen, die ebenfalls für jeden Spaß zu haben ist. Baßbariton Rainer Zaun etwa schneidet als rabiater Zahnarzt Doktor Bartolo
Grimassen, als wäre er bei Louis de Funès in die Lehre gegangen. Und seine ältliche Helferin Marcellina (Christine Graham im Wechsel mit Tanja
Schun) nimmt in der Praxis gern mal eine Nasevoll Lachgas, wenn gerade
kein Likörchen in Reichweite ist.
Das alles ist so grotesk und comichaft, dass Ausstatterin Brexendorff
konsequenterweise das Bühnenbild schwarzweiß mit groben Strichen
zeichnet und den Figaro zu Beginn direkt durch die Papierwand in die
Szene springen lässt. Auf der Drehbühne sind schnelle Wechsel zwischen
Zahnarzt-OP, Wohnzimmer und dem Schlafzimmer Rosinas möglich –
und entsprechend turbulente Szenen. Regisseurin Wolf brennt ein solches Feuerwerk an Action, Gags und vielen kleinen Überraschungen ab,
dass die 90 Minuten des ersten Aktes wie im Fluge vergehen und auch
der zweite Akt schnell wieder Fahrt aufnimmt. Den Schwung bezieht die
Regie dabei unmittelbar aus der Musik. Partitur und Regie widerstreben
an keiner Stelle. Und Bernhard Steiner dirigiert die
Hagener Philharmoniker mit Elan und Pfeffer. Wenn
das zuweilen auch mal etwas rustikaler klingt, hat das
durchaus seinen Charme. Munter springen die Funken
zwischen Orchestergraben und Bühne hin und her.
Rossinis Musik ist springlebendig und dabei durchaus
handfest. So wird sie in Hagen gespielt auch gesunKarsten Mark ist freier
gen – nicht zuletzt von Kristine Funkhauser als Rosina,
Journalist und lebt im
Ruhrgebiet. Kultur und die neben jugendlicher Leichtigkeit in den Höhen auch
besonders das Mueine erdige Mezzo-Fundierung beweist. So macht Oper
siktheater gehören zu
seinen Schwerpunkten. Spaß!
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Eine Ausstellung organisiert von der Hayward
Gallery, London, in Zusammenarbeit mit der
Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf
K20 GRABBEPLATZ
Düsseldorf
www.kunstsammlung.de
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Mike Kelley, Test Room Containing Multiple Stimuli Known to Elicit Curiosity And Manipulatory
Responses (Detail), 2001 © Courtesy of Kelley Studio, Foto: Fredrik Nilsen/Kelley Studio
Rosina kann ihren Vormund Doktor Bartolo nicht ausstehen. Foto: Stefan Kühle
Immer dann, wenn Ihr dringend ein Ben & Jerry’s
Eis braucht, ist gerade keines in der Nähe? Tja, das
Leben ist nicht immer fair. Ben & Jerry’s aber schon.
Und deswegen kommt der Ben & Jerry’s Bus diesen
Sommer direkt zu Euch. An 38 Tagen geht es durch 35
Städte in Deutschland, Österreich und der Schweiz –
und immer mit an Bord: eine extra große Ladung Fairtrade Eiscreme for free. Kommt vorbei und holt Euch am
07.08. in Wuppertal eine Portion Ben & Jerry’s Eis ab. Besonders fair ist, dass Ihr via Facebook selbst Vorschläge
machen könnt, wo der Bus halten soll. Ob schöne Parks,
ein gemütliches Grillfest, ein Konzert der Lieblingsband, das eigene
Büro oder eine Demo zur fairen Behandlung von Milchkühen – unter
www.facebook.com/benjerry.de könnt Ihr der Crew Eure Vorschläge
schicken. Aus allen Ideen wählt das Fair! Ice Tour-Team spontan die
kreativsten, sympathischsten oder fairsten Tourstopps aus und kommt
direkt vorbei. Die genauen Stopps der Fair! Ice Tour 2011 könnt Ihr zu
jeder Zeit auf der Facebook-Fanpage
e verfolverfol
gen. „Fast“ wie in guten alten Zeiten…
en…
denn 1986 starteten Ben Cohen und
d
Jerry Greenfield eine – bis heute –
legendäre und einzigartige Bustour: Im „Cowmobile“, einem umgebauten Wohnmobil, kurvten
sie durch die USA und verteilten
kostenlos Eiscreme.
film des monats
Freunde sein? Der Anfang vom Ende für Cindy (Michelle Williams) und Dean (Ryan Gosling)
Szenen einer Ehe
„Blue Valentine“ von Derek Cianfrance
Seit sechs Jahren sind Dean und Cindy verheiratet. Doch die Ehe steht an
einem Scheidepunkt. Die Lebensentwürfe scheinen unvereinbar.
→ Schonungsloses Liebesdrama
Der erste Eindruck trügt: Ein idyllischer Blick auf ein Haus auf der Wiese, die Familie beim Frühstück, der Mann kaspert mit der Tochter rum. Doch die Frau ist
leicht genervt davon. Leicht genervt ist stark untertrieben, wie sich später zeigt.
Wir wohnen vielleicht dem baldigen Ende der Beziehung von Dean (Ryan Gosling)
und Cindy (Michelle Williams) bei. Die Liebe ist schon länger erkaltet, nun scheint
sie nur noch das Kind zu verbinden. Dean ist zwar nicht der Vater des Mädchens,
aber das ist das geringste Problem – die beiden verstehen sich prächtig. Nur kann
das wohl kaum die Beziehung von Dean und Cindy retten, die offensichtlich am
Tiefpunkt ist.
Akt der Verzweiflung
Nach seinem gefeierten Debüt „Brothers Tied“, der aus rechtlichen Gründen nie ins Kino kam, wandte sich der Regisseur, der bei der Experimentalfilmlegende Stan Brakhage studiert hat, dem Dokumentarfilm zu. Doch
die ganze Zeit über hat er nebenher an seinem zweiten Spielfilm gearbeitet. Auch das neue Projekt war problembelastet. Bereits 2003 hat er
Michelle Williams das Drehbuch geschickt, aber für den Dreh fehlte lange
Zeit das Geld. Dann kam der frühe Tod von Michelle Williams' Freund
Heath Ledger, der der Schauspielerin erst eine Auszeit und dann um Williams' und Ledgers' Tochter wegen dem Film einen Drehortwechsel abverlangte. Am Ende hat sich die Ausdauer gelohnt.
Dean und Cindy haben wenig gemein außer ihrer Herkunft aus schwierigen Verhältnissen. Sie arbeitet in einem Krankenhaus und hat gerade
die Chance, ihre Karriere voranzutreiben. Er begnügt sich mit einem Job
als Anstreicher und trinkt lieber ein Bier und albert mit der Tochter rum.
Als die Kälte zwischen den beiden kaum noch zu überspielen ist, schlägt
er eine gemeinsame Nacht in einem Motel vor. Cindy ist nicht sonderlich
begeistert, kommt aber dennoch mit. Als wären ihre Gefühle nicht schon
kalt genug und ihre Zukunft düster, wählen sie im Themen-Motel das
Science Fiction-Zimmer. Dort mühen sie sich damit ab, die alte Liebe zu
finden. Sie kehren in Gedanken an den Anfang ihrer Beziehung zurück:
Dean, der charmante Kindskopf, ist für Cindy eine Möglichkeit, aus ihrer
verkorksten Beziehung mit Bobby, von dem sie ein Kind erwartet, rauszukommen. Dean ist zur Stelle, und er bleibt auch in den nächsten sechs
Jahren genau an dieser Stelle. Cindy macht seine Genügsamkeit wahnsinnig. Deans Versuch, die Probleme mit einer tollen Liebesnacht zu klären,
ist ein Akt der Verzweiflung, der grausam scheitert. Am nächsten Tag
kommen sie um eine Entscheidung nicht länger herum.
Psychologie statt Handwerk
Die verschachtelte Erzählstruktur von „Blue Valentine“ ist nichts Neues in
der Filmgeschichte und auch für die Erzählung einer Liebesgeschichte bereits mehrfach verwendet worden. Nicht nur François Ozon hat 2004 in
„5x2“ rückwärts von einer gescheiterten Beziehung erzählt. Schon 1967
drehte Stanley Donen mit „Zwei auf gleichem Weg“ mit Audrey Hepburn
einen Blueprint für diese Erzählform. Sie ist für ein Beziehungsdrama so geeignet, weil sich mit ihr das vielzitierte hilflose „Was ist nur aus uns geworden?“ entschlüsseln lässt. Blickt man mit dem Ende im Kopf auf den Anfang,
sieht man bereits in den kleinsten Details Hinweise auf eine Entwicklung,
die schleichend zum Erlahmen der Liebe führt. Eine der größten Qualitäten
von „Blue Valentine“ liegt darin, dass Derek Cianfrance es schafft, ohne
plakative Dramaturgie, dafür mit vielen kleinen Einzelheiten seine beiden
Protagonisten zu charakterisieren bis langsam ein Bild entsteht, das der
Zuschauer am Ende viel deutlicher vor Augen hat als die Figuren selbst. Hier
kommt die Qualität der beiden Hauptdarsteller ins Spiel – beide zugleich
große Stars und Ikonen des Independent-Kinos. Ohne sie hätte Cianfrances
Unterfangen leicht scheitern können. Dessen war sich der Regisseur wohl
bewusst und hat anstelle langer Proben zur Vorbereitung einfach die Filmfamilie in dem Filmhaus zusammen leben lassen. Wie Williams in einem Interview betont, hat sich Cianfrances dann kaum um das technische Beiwerk
gekümmert. Lichtsetzung und andere Vorbereitungen waren in 15 Minuten
erledigt, damit der Rest der Zeit voll und ganz auf die Performance der
Darsteller verwendet werden konnte, um die psychologischen Feinheiten
auszuarbeiten. Williams‘ und Goslings Palette ist dafür groß genug: Sie
zeigen die erste Annäherung als naiv-schüchternes Spiel und enden beim
gewaltigen Drama. Pathos bleibt dabei außen vor, weil sie stets in ihren Figuren bleiben. Der verspielte Anfang ist ganz zaghaft und weiß noch nichts
Genaueres von der kommenden Liebe. Im entromantisierten Alltag ist dann
auch kein Platz für Pathos, da gibt es nur noch tiefe seelische Verletzungen.
Warum einen so deprimierenden und fast illusionslosen Film ansehen? Weil
er genau hinguckt und einem das zeigt, was man selbst sonst nicht sieht.
Man kommt aus dem Kino und will vor allem eins: es besser machen.
CHRISTIAN MEYER
San Francisco Film Critics Circle Award 2010: Beste Hauptdarstellerin
BLUE VALENTINE
San Francisco Film Critics Circle Award 2010: Beste Hauptdarstellerin
USA 2010 - Drama - Regie: Derek Cianfrance - Kamera: Andrij Parekh
mit: Mike Vogel, Ryan Gosling, Michelle Williams - Verleih: Senator
Start: 4.8.
12
neue filme
neue filme
Trügerisches Familienidyll? Clotilde Hesmé, Grégory Gadebois und Antoine Couleau (l.)
Was würde Louis de Funès dazu sagen?
Grenzdebil
Überspannt und Frivol
Ein belgischer und ein französischer Grenzpolizist werden zur Zusammenarbeit verdonnert. Start frei für den Revierkampf!
→ Belgisch-Französische Patrioten-Posse
Was Angèle in dem kleinen Küstenstädchen sucht, fragt sich nicht nur der
Fischer Tony. Die hübsche Frau hütet gleich mehrere Geheimnisse.
→ Gefühlvolles Sozial- und Liebesdrama
Europa ist vereint – die Grenzen sind geöffnet! Dass dem Sachverhalt allerlei Skeptiker kritisch gegenüber stehen, ist nicht erst vereinzelten Staatspleiten geschuldet. Denn echten Patrioten geht es nicht
um spontane Notlagen, sondern ums Prinzip. Und im Prinzip ist eine
Grenze nichts anderes als eine wertvolle Hinterlassenschaft der Ahnen,
vor allem aber ein Wall gegen Barbaren und von daher eine sehr vernünftige, ja existenzielle Einrichtung, die es zu wahren und verteidigen
gilt. So sieht das zumindest der belgische Zollbeamte Ruben (Benoît
Poelvoorde), der in seinem Dörfchen Courquain mit vollem Übereifer die
Grenze nach Frankreich sichert. Etwaiger Kritik entgegnet er schlagfertig verklärt: „Wir sind überlegen, nicht überheblich!“ Als die Umstrukturierungen der Europäischen Union greifen, ist plötzlich sein Posten in
Gefahr: Stationären Grenzkontrollen droht das Aus. Als wäre das nicht
schon schlimm genug, soll Ruben in Zukunft mobile Kontrollen durchführen – in Begleitung des französischen Zollbeamten Mathias (Dany
Boon). Der ist prinzipiell nicht minder patriotisch eingestellt, muss sich
allerdings zügeln, weil er ein Auge auf Rubens Schwester (Julie Bernard)
geworfen hat.
Regisseur Dany Boon hat sich auf Komödien eingeschossen, die sich
genüsslich am Aufeinandertreffen kultureller Unterschiede reiben.
Nach seinem auch in Deutschland erfolgreichen „Willkommen bei den
Sch’tis“, in dem es noch der Südfranzose war, der auf die Nordfranzosen
trifft, gestaltet sich das Ganze hier nun länderübergreifend und so für
den internationalen Betrachter noch zugänglicher. Die Idee mag nicht
originär sein, umso erfreulicher aber ist, wie erfrischend Boon an seine
Geschichte herangeht. Denn neben zynischen Wortgefechten scheut
der Franzose in seinem heiteren Camembert-Fritten-Duell auch den
Klamauk nicht. Temporeich prallen hier Slapstick, Wortwitz, Vorurteile,
schrullige Figuren und vor allem Zitate aufeinander, die bis in die 70er
Jahre zurückreichen, in denen Louis de Funès noch als uneinsichtiger,
hitzköpfiger Streifenpolizist auf Touristen und Landsleute losgelassen
wurde. Vergleichbar cholerisch geben sich die Kindsköpfe in diesem
Streifen – und ebenso französisch charmant. Boon gelingt somit nicht
nur eine freche Posse, er verneigt sich zugleich vor seinen Vorbildern
und zeigt, wie unbeschwert gutes Mainstream-Kino sein kann.
Eine freche, unterhaltsame, bewusst trashige Stunde der Patrioten, mitunter auch mal überzogen, aber durchgehend souverän gestemmt von
den beiden Hauptdarstellern, von denen vorneweg Benoît Poelvoorde
(„Mann beißt Hund“, „Coco Chanel – Der Beginn einer Leidenschaft“)
überzeugt. Und dass der Film am Ende Toleranz huldigt, ohne predigen
zu wollen, und dabei verblendetem Nationalstolz entsprechend an den
Kahn fährt, ist eine sympathische Randerscheinung.
HARTMUT ERNST
Die erste Einstellung macht klar: Dem klassischen Mutterbild entspricht Angèle
nicht: Sie fickt mit einem Typen im Hauseingang – der gibt ihr danach die
versprochene Actionfigur für ihren Sohn Yohan. Gleich danach trifft sie den
Seemann Tony per Kleinanzeige. Aber der ist von ihrer überspannt-frivolen Art
eher abgeschreckt. Dass der grob gebaute Tony nicht auf ihre Avancen eingeht,
irritiert die hübsche Angèle zwar. Doch seine ruhige Ausstrahlung gibt ihr Halt.
Und genau das braucht sie, um nach einem Gefängnisaufenthalt das Sorgerecht
für ihren Sohn wiederzubekommen. Alix Delaporte erzählt in ihrem stilsicheren
und zärtlichen Debüt unpathetisch von einer ungewöhnlichen Liebesgeschichte
und macht sich für einen hoffnungsvollen Realismus stark. CHRISTIAN MEYER
„Nichts zu verzollen“ von Danny Boon
„Angèle und Tony“ von Alix Delaporte
NICHTS ZU VERZOLLEN
ANGELE UND TONY
F 2010 - Drama / Lovestory - Regie: Alix Delaporte - Kamera: Claire Mathon
mit: Grégory Gadebois, Clotilde Hesme, Antoine Couleau - Verleih: Kool
Start: 4.8.
Nigel (Freddie Highmore) weiß was Mädchen mögen.
Kochduell
„Toast“ von SJ Clarkson
Nigel Slater entdeckt in den 60er Jahren seine Leidenschaft fürs Kochen.
Als sein Vater eine Haushaltshilfe engagiert, kommt es zum Duell.
→ Amüsanter Nostalgietrip
Slater ist in Großbritannien ein Kochidol, das auch von Jamie Oliver bewundert wird.
Basierend auf seiner Autobiografie wirft „Toast“ einen Blick auf die größtenteils
unglückliche Jugend des Gourmets. Mag die Geschichte nicht viel Originelles aufweisen und die Figuren ein wenig oberflächlich daherkommen, so gleicht SJ Clarkson
das durch eine detailreiche und authentische Schilderung des Lebens im Großbritannien der 60er Jahre wieder aus. Die vehement verfochtenen Standesunterschiede,
die Reserviertheit gegenüber Neuem und das Festhalten an lieb gewonnenen Traditionen formen zusammen mit einer gelungenen Ausstattung ein ansprechendes Zeitgemälde. Außerdem versteht es Helena Bonham Carter („Harry Potter“, „The King's
Speech“) auch hier, jede ihrer Szenen durch ihre Präsenz zu adeln.
FRANK BRENNER
TOAST
F 2011 - Komödie - Regie: Dany Boon - Kamera: Pierre Aïm
mit: Dany Boon, Guy Lecluyse, Benoît Poelvoorde - Verleih: Prokino
Start: 28.7.
13
GB 2010 - Komödie - Regie: S.J. Clarkson - Kamera: Balazs Bolygo
mit: Ken Stott, Oscar Kennedy, Helena Bonham Carter - Verleih: MFA
Start: 11.8.
roter teppich
Siddharta genießt mit Amrita (Petra Schmidt-Schaller) das Kommunenleben: Georg Friedrich in „Sommer in Orange“, Foto: Majestic/Mathias Bothor
„Je extremer eine Figur ist, desto lieber spiele ich sie“
Georg Friedrich über „Sommer in Orange“, Film in Österreich und sein Faible für ungewöhnliche Charaktere
Seit 1983 wirkt der 1966 in Wien geborene Schau- zeptanz zu zeigen gegenüber Dingen, die man nicht
spieler Georg Friedrich in zahlreichen Film- und versteht. Leben und leben lassen.
Fernsehproduktionen mit. Durch seine Auftritte in
„Hundstage“, „Wolfzeit“, „Böse Zellen“, „Silenti- Ihre Figur Siddharta ist voller Extreme, Sie scheium“ oder „Import/Export“ wurde er zum Gesicht nen ein Faible für etwas freakigere Rollen zu hades neuen österreichischen Films. Der viel beschäf- ben…
Ja, das mache ich schon sehr gern.
tigte Mime, der 2004 auf der
Berlinale zum österreichischen „Man muss Akzeptanz zeigen Je extremer eine Figur ist, desto
Shooting Star gekürt wurde, ist gegenüber Dingen, die man lieber spiele ich sie. Obwohl eine
nicht versteht.“
Figur auch in ihrer Einfachheit exin diesem Monat in Marcus H.
trem sein kann. Nicht nur die StrizRosenmüllers neuem Film „Sommer in Orange“ zu sehen, in dem er den ehemaligen zis (wienerisch für Zuhälter, aber auch Strolche im
RAF-Terroristen Siddharta spielt, der in einer Kom- Allgemeinen; die Red.) und RAF-Terroristen können
extrem sein, sondern auch ein Universitätsprofessor
mune seine Erfüllung findet.
– für mich sogar noch mehr als ein Strizzi. Für mich
engels: Herr Friedrich, „Sommer in Orange“ ist das dann eine größere Herausforderung, das zu
spielt 1980, als Sie selbst noch Teenager wa- machen. Bei „Sommer in Orange“ haben wir täglich
ren. Was haben Sie für eine Erinnerung an diese 12 bis 15 Stunden zusammen gearbeitet und sind
dabei auch persönlich zusammengewachsen. Ich
Zeit?
Georg Friedrich: Ich habe noch eine relativ gute habe dort bei der Arbeit Freunde gefunden. Das ist
Erinnerung an die Zeit, als Jugendlicher bekommt das Tolle an dem Beruf, dass man mit vielen „emoman schon einiges mit. Von den 70er Jahren kann tional schönen Menschen“ zusammenarbeiten kann,
ich nur noch ein bisschen erinnern, aber die 80er die ich dann auch sehr ins Herz schließe. Das ist,
glaube ich, in keiner anderen Branche so extrem.
waren meine Zeit, da bin ich groß geworden.
Man arbeitet sehr intensiv zusammen und trennt
Gibt es bei Ihnen konkrete Erinnerungen an die sich dann wieder.
Friedensbewegung oder die Bhagwan-Anhänger?
Da gibt es wenig. Ich weiß nur noch, dass in den Ist so eine Trennung dann nicht umso schwerer,
80er Jahren München für Wiener Verhältnisse eine wenn man eine solche emotionale Nähe aufgeGroßstadt war. Da war damals schon wahnsinnig baut hat?
viel los, in Wien dafür eher wenig. Damals gab es Ja, mir fällt das immer schwer. Man ist aber auf der
in Wien noch nicht so viele Lokale und Clubs, und anderen Seite auch froh, weil es doch sehr anstrenMünchen war dann für uns Wiener ziemlich hip. gend ist. Man ist froh, wenn diese Anstrengung vorWenn man nach München gefahren ist, ist man in bei ist, andererseits ist man traurig, weil man sich
von Leuten, die man irgendwie ins Herz geschlossen
die große weite Welt hinausgefahren.
hat, wieder verabschieden muss.
Nach 30 Jahren greift der Film nun die Bhagwan-Bewegung in seiner Geschichte auf. Welche Unter Michael Glawogger, Wolfgang Murnberger und Barbara Albert sind Sie zum Gesicht des
Bedeutung hat dieses Thema heutzutage?
Welche Relevanz das für die heutigen Kinozuschau- neuen österreichischen Films geworden. Wo seer hat, muss jeder für sich selbst bestimmen. Aber hen Sie diesen heute?
wenn ich mir den Film ansehe, besinne ich mich Dafür, dass wir so ein kleines Land sind, haben wir in
einfach wieder, dass es auch andere Dinge gibt als den letzten Jahren großes Glück gehabt, dass wir so
nur zu arbeiten und Kohle zu machen. Es geht auch interessante und gelungene Filme zustande bekomdarum, sich um seine Freunde und seine Familie zu men haben. Gute Filme werden ja nicht unbedingt
kümmern, um die Menschen, die man gern hat. Und auch zu großen Publikumserfolgen. Aber mir ist es
für sich selbst einen offenen Weg zu finden und Ak- gar nicht so wichtig, dass Filme ein großes Publikum
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haben. Mir ist es nach der Premiere wichtig, dass
mir der Film gefällt. Da ist es egal, ob zwei Millionen
in den Film gehen oder achthundert. Klar, wenn er
einen großen Erfolg hat, dann freue ich mich auch,
in erster Linie für den Regisseur. Ich finde es oft
schade, wenn Filme, die ich mag, zuschauermäßig
auf der Strecke bleiben. Viele Filme finden ja auf
Festivals unter Cineasten ihr Publikum, gewinnen
dort Preise, werden aber anschließend im Kino von
niemandem gesehen. Der Österreicher sieht sich nur
ungern österreichische Filme an. Der österreichische
Durchschnittszuschauer geht eher in die amerikanischen Blockbuster. Bei uns ist ein Film schon mit
100.000 Zuschauern ein Riesenerfolg. Damit es mal
mehrere hunderttausend Zuschauer werden, muss
schon ein Kabarettist die Hauptrolle spielen. Die
erfolgreichsten Filme sind oft solche, die ich selbst
überhaupt nicht mag, die ich ganz furchtbar finde.
Da kann ich mir überhaupt nicht erklären, wieso die
dann zum Publikumserfolg werden.
Was sind Ihre Kriterien bei der Rollenwahl?
Ich lese das Buch. Wenn mir das Buch und die Figur
gefallen, dann treffe ich mich mit dem Regisseur.
Das sind häufig Bauchentscheidungen, gerade bei
Kinofilmen. Ich habe häufig Bücher in die Hand bekommen, zu denen mir nicht viel eingefallen ist, wie
das am Ende aussehen könnte. Oft sind dann dabei
ganz tolle Filme herausgekommen. Auf der anderen Seite habe ich auch Drehbücher gelesen, die mir
unheimlich gut gefallen haben und die dann am
Ende nichts geworden sind. Man kann wirklich keine Prognose abgeben, bevor der Film nicht zu Ende
gedreht, zu Ende geschnitten und zu Ende gemischt
ist. Die Mischung kann einen Film groß machen
oder sie lässt ihn klein bleiben.
INTERVIEW: FRANK BRENNER
Die Langfassung des Interviews mit
Georg Friedrich lesen Sie unter:
www.engels-kultur.de/roter-teppich
neue filme
neue filme
Gil findet in Adriana charmante Gesellschaft aus der Vergangenheit
Von einer solchen Kulisse wagten die Hobbyfilmer nicht mal zu träumen
E.T. & Co. lassen grüßen
Kulturgeisterstunde
In einer ländlichen US-Kleinstadt bekommt es eine Gruppe von Jugendlichen mit mysteriösen Ereignissen zu tun.
→ Vergnügliche Hommage an Sci-Fi-Klassiker
Ein nostalgischer Autor sucht in Paris Inspiration. Auf nächtlichen Spaziergängen bekommt er überraschende Hilfe: Von Hemingway, Fitzgerald und Gertrude Stein persönlich.
→ Kulturbeflissene Zeitreise
„Super 8“ von J.J. Abrams
„Midnight in Paris“ von Woody Allen
„Super 8“ verfügt über erstklassige Referenzen: Neben „E.T. – der Außerirdische“, „Unheimliche Begegnung der dritten Art“ (beide von Steven
Spielberg), „Invasion of the Bodysnatchers“ und den „Goonies“ finden
sich auch Spurenelemente des ersten „Alien“ in J.J. Abrams’ Film wieder.
Darüber hinaus fungierte Spielberg höchstpersönlich als Produzent und
konnte sich quasi selbst beklauen. Die Mixtur, die Abrams als Regisseur
und Drehbuchautor von „Super 8“ angerührt hat, ist entsprechend Spielberg-like – aber sie stimmt. Ein Film, wie ihn der Meister vor 30 Jahren
selbst inszeniert hätte, mit ein paar modernen Spezialeffekten aus dem
Rechner angereichert.
Die entlang von gängigen Sci-Fi-, Thriller- und Mystery-Mustern erzählte
Geschichte spielt im Jahr 1979 in einer fiktiven Kleinstadt namens Lillian
in Ohio. Eine Gruppe von sechs Jugendlichen um die 13 Jahre will mit einer
Super 8-Kamera einen Zombiefilm drehen. Um die von Regisseur Charles
gewünschten „Schauwerte“ zu bekommen, filmen sie eines Abends an einer
stillgelegten Bahnstation und warten auf einen Zug. Der liefert tatsächlich
Schauwerte, denn er entgleist, nachdem sich ihm ein Auto auf den Schienen entgegengestellt hat – in einer imposanten Action-Szene. Inmitten
eines infernalischen Trümmerfelds finden die Kinder in dem Auto ihren
schwer verletzten Biologielehrer Dr. Woodward. Der wusste offenbar um
ein düsteres Geheimnis des Zuges und schickt sie fort, als Militär anrückt.
Vorher warnt er sie davor, mit irgendjemandem über das zu sprechen, was
sie gesehen haben. In der Folgezeit geschieht in und um Lillian immer mehr
Mysteriöses. Menschen, Tiere und Dinge verschwinden – Paranoia greift um
sich („Das waren die Sowjets!“). Also müssen die Kinder Detektiv spielen.
Parallel dazu verläuft die langsame Annäherung zwischen „Star“ Alice und
„Maskenbildner“ Joe, die durch ein familiäres Unglück vorbelastet ist.
Im Spiel und Umgangston der Teenager spiegelt sich auf vergnügliche
Weise das Verhalten von Erwachsenen und wird ein ironischer Seitenblick
auf das Filmemachen geworfen. Vorzügliche jugendliche Darsteller, allen
voran die hochbegabten Elle Fanning (Alice) und Joel Courtney (Joe), tragen ihren Teil dazu bei, aus „Super 8“ einen packenden und unterhaltsamen Film zu machen. So geht das, Michael Bay: Katastrophen, Ballereien
und Alles-in-Schutt-und-Asche-legen nehmen Zuschauer nur mit, wenn
sie Sympathien für die Hauptfiguren entwickeln können. Dann ist RegieHandwerk mit dosierten Effekten aus der digitalen Hexenküche allemal in
der Lage, Spannung zu erzeugen und 3D-Overkill locker zu übertrumpfen
– zumal die Gestalt des unheimlichen Monsters in guter alter „Alien“Tradition erst peu à peu enthüllt wird. Der witzige Super 8-Zombiefilm der
Kiddies wurde übrigens auch fertig gestellt und wird dem Publikum nicht
vorenthalten. Tipp: Beim Abspann dranbleiben!
MICHAEL HERMANN
Woody Allens Europareise geht in die nächste Runde: der 75-Jährige lässt in
seiner 41. Regiearbeit einen erfolgreichen Drehbuchautoren Hollywoods in Paris die höhere Poesie suchen. Mit seinem nostalgischen Blick verliert er zwar
zunehmend seine Braut in spe aus den Augen, findet aber per Zeitreise die
Gesellschaft der Pariser Kunstzirkel der 1920er Jahre. Allen hat großen Spaß,
an der Zeit zu drehen und Hemingway, Scott Fitzgerald, Picasso oder Man Ray
klischeebeladen auferstehen zu lassen und damit zugleich auch seinen eigenen
Hang zur Nostalgie zu karikieren. Starbesetzt wie immer, hat dieses Mal sogar
Präsidentengattin Carla Bruni einen kleinen Auftritt. Allens Energie schwindet
nicht: Zurzeit dreht er in Rom schon seinen nächsten Film.
CHRISTIAN MEYER
MIDNIGHT IN PARIS
E/USA 2011 - Komödie - Regie: Woody Allen - Kamera: Darius Khondji
mit: Adrien Brody, Carla Bruni, Owen Wilson - Verleih: Concorde
Start: 18.8.
Spaßfaktor mit skurrilem Touch
In geheimer Mission
„Cars 2“ von John Lasseter und Brad Lewis
Abschleppwagen Hook wird irrtümlich für einen Agenten gehalten und
bringt so Lightnings Teilnahme am World Grand Prix in Gefahr.
→ Ideenreiche Fortsetzung
SUPER 8
„Cars“ war nicht einer der besten Pixar-Filme, und doch hat das Studio diesen
Film nun nach „Toy Story“ als zweiten auserkoren, um in Serie zu gehen. Doch
der Spaßfaktor ist bei der Fortsetzung enorm hoch. Schon in den Eröffnungsszenen werden genüsslich Stereotypen aus Agentenfilmen parodiert, was mit
den Autos als Protagonisten einen sehr skurrilen Touch erhält. Später wird die
Spionagestory noch durch den Handlungsstrang um das Autorennen erweitert,
was den Machern Gelegenheit für Seitenhiebe auf das Medienbusiness und
den Rennfahrrummel gibt. Wie bei allen Pixar-Filmen steckt auch dieser voller selbstironischer Details, die man beim ersten Ansehen kaum alle entdecken
wird. Das gilt auch für den tollen „Toy Story“-Vorfilm „Urlaub auf Hawaii“.
FRANK BRENNER
USA 2011 - Science Fiction - Regie: J.J. Abrams - Kamera: Larry Fong
mit: Ron Eldard, Ryan Lee, Kyle Chandler - Verleih: Paramount
Start: 4.8.
USA 2011 - Trickfilm - Regie: John Lasseter, Brad Lewis - Verleih: Disney
Start: 28.7.
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CARS 2
hintergrund
Wecken Bemutterungsgefühle: Angelique und Jean-René
Süße Verführung
„Die Anonymen Romantiker“ von Jean-Pierre Améris
Als der kontaktscheue Besitzer einer Schokoladenmanufaktur eine ähnlich gehemmte Chocolatière einstellt, stehen die beiden plötzlich vor der
Herausforderung, ihr ganz persönliches Rezept für die sich anbahnende
Liebe finden zu müssen.
→ Tragikomische Liebesgeschichte
Statistisch gesehen leben etwa 12 Millionen hochsensible Menschen in
Deutschland, für die landesweit „Selbsthilfegruppen“ angeboten werden. Am
meisten fürchten die von ihrer Umwelt als extrem schüchtern oder ängstlich
wahrgenommenen den intimen Kontakt mit anderen Menschen. Diese „Behinderung“ hat Regisseur Jean-Pierre Améris nun als Folie genommen, um
uns eine romantische Liebesgeschichte voller Poesie und verhaltener Tragik
zu erzählen.
Schon bei ihrer Abschlussprüfung fiel Angelique (Isabelle Carré) in Ohnmacht,
als der berühmte Chocolatiére Mercier ihr Talent lobte. Seitdem arbeitet Angelique inkognito für Mercier. Als ihr Chef stirbt, bewirbt sich Angelique bei
der kurz vor dem Bankrott stehenden Schokoladenmanufaktur von Jean-René
(Benoît Poelvoorde), der sie allerdings als Vertreterin und nicht als Chocolatière einstellt. Die beiden entdecken ihre Seelenverwandtschaft, denn auch JeanRené leidet unter Berührungsängsten. Als ihm sein Psychiater rät, Angelique
zum Essen einzuladen, könnte das Happyend eingeläutet sein – beruflich wie
privat. Doch bis dahin gibt es noch einige Hürden zu nehmen, die für normal
sensible Menschen eventuell ein Leichtes, für zwei Hochsensible wie Angelique und Jean-René jedoch fast unüberwindlich sind.
Mit dem gleichen Genuss, den Angeliques Pralinen versprechen, erzählt Amé-
ris seine romantische Liebesgeschichte, deren kreative Füllung erst den vollen
Geschmack ausmacht. Die Gags passieren manchmal am Rande, etwa wenn
Angelique bei ihrer ersten Selbsthilfe-Gruppenstunde gleich vom Stuhl kippt,
manchmal werden sie genüsslich ausgespielt, wie beim ersten gemeinsamen
Dinner, als Jean-René ständig auf dem Klo verschwindet, um seine Angstschweiß-getränkten Hemden zu wechseln. Aber weil Améris so wunderbar die
Balance zwischen Märchen und Realität hält – was sich auch in den zeitlosen
Kostümen und Dekors manifestiert - lacht man immer mit und nie über seine
Protagonisten. Und die sind einfach zum vernaschen: Benoit Poelvoorde mag
zwar im ersten Moment etwas zu Altbacken für die mädchenhafte Angelique
wirken. Aber sein vereinsamter Dackelblick dürfte auch beim (weiblichen) Publikum „Bemutterungsgefühle“ wecken. Und Isabelle Carré, die uns schon in
Zabou Breitmans kleinem Meisterwerk „Claire – Sich erinnern an die schönen
Dinge“ zutiefst berührte, verzaubert uns hier mit ihrem unschuldigen Charme.
Wenn sie zu der Melodie „I Have Confidence in me“ (Ich hab Selbstvertraun´zu
mir) aus dem Richard Rodgers-Musical „Sound of Music“ durch eine Einkaufspassage tanzt, dann möchte man am liebsten, dass sie einem direkt in die
Arme rennt. Süßer kann ein Film kaum sein – nicht nur wegen der Schokolade.
ROLF-RUEDIGER HAMACHER
DIE ANONYMEN ROMANTIKER
F/B 2010 - Komödie / Lovestory - Regie: Jean-Pierre Améris - Kamera: Gérard
Simon - mit: Isabelle Carré, Lise Lamétrie, Benoît Poelvoorde - Verleih: Delphi
Start: 11.8.
DIE ANONYMEN ROMANTIKER – AM RANDE
Menschen mit psychischen Störungen eignen sich immer bestens für den
Film – sei es fürs Drama, für den Thriller oder wie in diesem Fall für die
Komödie. Hitchcocks Norman Bates, der von Jack Nicholson gespielte
Melvin Udall aus „As good as it gets“ oder Russel Crowes Interpretation
des Mathematikers John F. Nash in „A beautiful Mind“ – die Liste ist ewig
erweiterbar. Abweichendes Verhalten wird in bestimmten Fällen von der
Medizin als krankhaft beschrieben. Die soziale Phobie oder auch soziale
Angststörung ist ein Phänomen, das die Betroffenen unter enormen Leidensdruck stellt. Ist ja auch klar – den Mitmenschen kann man nur selten
entkommen. Wenn man jetzt etwa Spinnen oder die Höhe fürchtet, ist das
wesentlich vermeidbarer. Die soziale Phobie macht sich durch Angst vor
der Bewertung Anderer bemerkbar. Sie kann in bestimmten Umgebungen
auftreten oder sich auf den Umgang mit dem jeweils begehrten Geschlecht beziehen. Soziale Isolation durch das Meiden dieser Situationen
ist oft die Folge. Schon das kleinste zwischenmenschliche Gespräch kann
einen enormen Kraftaufwand bedeuten. Doch woher kommt die soziale
Phobie? Oft beginnt sie schon in der Kindheit und wird von den Eltern
nicht erkannt. Eine familiäre Häufung der Fälle lässt wohl, zusätzlich zu
erlernten Verhaltensweisen, auf eine genetische Disposition schließen.
Das größte Problem ist die späte Diagnose und somit auch verspätete
Hilfe sowie mögliche Folgeerkrankungen.
INGA SELCK
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neue filme
filmwirtschaft
Fröhliche Ankunft der Kommunarden im erzkatholischen Bayern
Kommunenleben
Der aktuelle Status auf kino.to, Abbildung: www.kino.to
Film ohne Grenzen
Der Schlag gegen kino.to weckt Sensibilität bei den Usern
„Sommer in Orange” von Marcus H. Rosenmüller
Die Mitglieder einer sexuell freizügigen Berliner Wohngemeinschaft verschlägt es 1980 in die bayerische Provinz, wo sie mit dem konservativen
Weltbild der erzkatholischen Dorfgemeinschaft kollidieren.
→ Kunterbunte Sommerkomödie
Die Entmystifizierung von Bhagwan Shree Rajneesh und seiner Bewegung
sollte 1980 erst noch anstehen. Damals drangen zwar schon erste negative
Schlagzeilen über den Sex-Guru und die fragwürdigen Praktiken in seinem
Ashram an die Öffentlichkeit, die großen Skandale, die mit dem Umzug
seiner Kommune nach Oregon begannen, waren jedoch noch Zukunftsmusik. Marcus H. Rosenmüller beabsichtigt in seinem neuen Spielfilm „Sommer in Orange“ allerdings auch gar nicht, in das gleiche Horn zu blasen
wie beispielsweise Sabine Gisiger und Beat Häner, die im vergangenen
Jahr „Guru: Bhagwan, His Secretary & His Bodyguard“ in unsere Kinos
brachten. Rosenmüller geht es vielmehr um einen ungewöhnlichen und
farbenfrohen Background für seine liebenswerte Sommerkomödie, den die
Jünger in Orange auf jeden Fall bieten können.
Als Bezugsperson dient ihm die zwölfjährige Lili (Amber Bongard), die
in der neuen Schule den Spott ihrer Mitschüler ertragen muss und zum
ersten Mal mit spießigen Traditionen wie Schützenvereinen und Volksmusikgruppen in Berührung kommt. Aber vielleicht ist die Sicherheit, die
diese neue Lebensweise mit sich bringt, am Ende sogar den allzu lockeren
Sitten der Mutter vorzuziehen, die darüber schon mal ihre elterliche Fürsorge vergisst. In fünf Jahren hat es Marcus H. Rosenmüller geschafft,
acht Spiel- und einen Konzertfilm abzudrehen. Ein unglaublicher Output,
bei dem allerdings erstaunlicherweise die Qualität nicht zu leiden scheint.
Nicht immer hat er mit seinen oftmals stark im Bayerischen verwurzelten
Geschichten an den Erfolg von „Wer früher stirbt ist länger tot“ anknüpfen
können. Aber auch mit „Die Perlmutterfarbe“ oder jetzt mit „Sommer in
Orange“ hat er nachhaltig gezeigt, dass er ein Kinoerzähler ist. Und ein
hervorragender Kinderregisseur! Viel zu oft leiden insbesondere deutsche
Produktionen, in denen Kinder zentrale Rollen zu bekleiden haben, unter
deren Laienhaftigkeit. Nicht so bei Rosenmüller, der ein goldenes Händchen beim Casting und bei der Schauspielführung beweist, wenn bei ihm
selbst die Jüngsten vor der Kamera natürlich und glaubwürdig rüberkommen. Hier ist es die 1997 geborene Amber Bongard („Groupies bleiben
nicht zum Frühstück“), die als Ich-Erzählerin die Sympathien schnell auf
ihrer Seite hat. So ist hier eine nostalgisch angehauchte Familiengeschichte entstanden, die einen herrlich unverbrauchten, teilweise auch sehr trockenen Humor an den Tag legt. Der seit „Wer früher stirbt…“ sicherlich
massentauglichste und publikumswirksamste Film Rosenmüllers, dem man
einen ähnlichen Erfolg prognostizieren möchte, wie seinem Debüt aus dem
Jahr 2006.
FRANK BRENNER
SOMMER IN ORANGE
D 2011 - Komödie - Regie: Marcus H. Rosenmüller - Kamera: Stefan Biebl
mit: Wiebke Puls, Georg Friedrich, Petra Schmidt-Schaller - Verleih: Majestic
Start: 18.8.
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Nach mehreren Jahren Vorarbeit wurde Anfang Juni das illegale Filmportal
kino.to vom Netz genommen. Auf dieser Webseite wurden vor allem aktuelle Kinofilme millionenfach runtergeladen. Während der Server in Russland
stand, weil die dortigen Behörden in dieser Hinsicht wenig Kooperationsbereitschaft gezeigt haben, waren die Hintermänner sowie der überwiegende
Teil der Nutzer in Deutschland zu finden.
Schäden in Millionenhöhe
Dank der Ermittlungsbehörden in Dresden konnten die wichtigsten Drahtzieher festgenommen und das Portal geschlossen werden. Was unter dem
Deckmantel der Meinungsfreiheit und freiem Zugang zu Filmen eher wie die
Tat von Robin Hood aussah, war und ist in Wahrheit ein saftiges Geschäft
der Datendiebe. Denn die Filme wurden illegal kopiert (teilweise im Kino,
teilweise von Presse-DVDs, teilweise von den Ansichtskopien für die Mitglieder der Oscar-Akademie) und anschließend zum Download oder Streaming
ins Netz gestellt. Denn nicht nur die Urheberrechtsverletzung der Kreativen
in aller Welt ist zu beklagen, sondern auch, dass mit diesen Filmportalen viel
Geld verdient wird. Werbeeinnahmen, die ebenfalls in die Millionen gehen,
machen deutlich, dass es eben nicht nur darum geht, hochwertige Filme kostenlos zur Verfügung zu stellen. Der Schlag war deshalb so erfolgreich, weil
nicht nur die Verantwortlichen ins Netz der Fahnder gerieten, sondern auch
die Server beschlagnahmt wurden.
Die Reaktion aus dem illegalen Umfeld kam prompt. Hinter dem erfolgreichen Schlag gegen die Filmpiraterie, die der Filmproduktion, dem Filmvertrieb, den Kinos und den DVD-Herstellern jährliche Schäden in Millionenhöhe zufügt, steht in Deutschland die GVU, die Gesellschaft zur Verfolgung von
Urheberrechtsverletzungen. Schon wenige Stunden nach der Stilllegung des
Portals wurde die Webseite der GVU mit Beschwerdemails lahmgelegt. Und
natürlich ist mit diesem Schlag die Filmindustrie noch nicht von diesem Übel
befreit, wenngleich die Publizität dieses Vorgangs dazu führt, dass die Sensibilität des Publikums für diesen kriminellen Tatbestand geschaffen wurde.
Strafen und Wirkung
Den Hintermännern drohen Strafen von bis zu fünf Jahren Gefängnis sowie
Verfahren wegen Steuerhinterziehung und Bildung einer kriminellen Vereinigung. Wie erfolgreich der Schlag gegen kino.to war, zeigt, dass es mehr
als fünf Wochen gedauert hat, bis das Nachfolge-Portal kinox.to wieder erreichbar war. Doch auch wenn viele Nutzer darauf zurückgreifen, sind die
Reaktionen auf den einschlägigen Portalen durchaus von Respekt gegenüber dem zu schützenden Filmwerk geprägt. Offenbar haben die vielfältigen
Kampagnen – insbesondere im Kino – auch dazu beigetragen, dass nur über
reguläre Verwertung eine hochwertige Filmproduktion überhaupt möglich
ist. Ansonsten wird es nur noch selbst gedrehte Filmchen auf YouTube geben,
weil es sich kein Filmproduzent mehr leisten kann, nennenswerte Summen in
einen aufwändigen Spielfilm zu investieren.
Parallel zu den Portal-Betreibern geraten aber auch die Nutzer ins Visier. Dabei spielt die Frage, ob beim Streaming nun eine wenn auch nur für wenige
Millisekunden realisierte Zwischenspeicherung stattfindet oder nicht, keine
nennenswerte Rolle. Denn die Kopien auf den einschlägigen Portalen sind
bereits illegal hergestellt worden und somit ist auch die Verbreitung wie die
Nutzung illegal.
KIM LUDOLF KOCH
neue filme
gespräch zum film
Unter der Oberfläche gehren bereits die Konflikte
Regisseurin Marie Kreutzer, Foto: Thimfilm
Wenn die Nacht am tiefsten
Geborgenheit und Freiheit
Zum Tod des Vaters kehren die Kinder ins Haus der ehemaligen Kommune zurück.
Nicht nur Trauerarbeit, auch Vergangenheitsbewältigung haben sie vor sich.
→ Ungewöhnliches Familiendrama
Marie Kreutzer, 1977 in Graz geboren, studierte Romanistik und
Germanistik, bevor sie an die Wiener Filmakademie wechselte und
die Fächer Drehbuch und Dramaturgie belegte. Seit dem Jahr 2000
drehte sie vier teils prämierte Kurzfilme. Ihr erster Kinolangfilm „Die
Vaterlosen“ feierte auf der diesjährigen Berlinale seine Premiere, wo
er den Preis für den besten Debütfilm erhielt.
„Die Vaterlosen“ von Marie Kreutzer
Der Vater ist tot, und damit auch ein Übervater gestorben. Er hatte einst eine Kommune
gegründet. Die Liebe war befreit, entsprechend verwirrend die Vaterschaftsverhältnisse. Aber
auch die Erziehungsmethoden des Patriarchen stehen nach all den Jahren auf dem Prüfstein.
Noch seine letzten Worte im Totenbett sind eine Provokation. Marie Kreutzer entfaltet langsam und poetisch das komplexe Beziehungsgeflecht der Figuren – von der Mutter zu den
Kindern und deren Partnern. Vor allem in den Rückblenden ist der Film unnötig dramaturgisch aufgeladen, womit er ein wenig seine Allgemeingültigkeit verspielt. Dennoch sieht man
dem psychologischen Spiel der durchweg guten Darsteller gerne bei ihrer Selbstfindung zu.
Berlinale 2011: bester Debütfilm
CHRISTIAN MEYER
DIE VATERLOSEN
A 2011 - Drama - Regie: Marie Kreutzer - Kamera: Leena Koppe - mit: Andrea
Wenzl, Emily Cox, Philipp Hochmair - Verleih: Thimfilm
Start: 4.8.
Die Österreicherin Marie Kreutzer über ihren Debütfilm „Die Vaterlosen“
engels: Frau Kreutzer, haben sie einen biografischen Bezug zum Thema
ihres Debütfilms?
Marie Kreutzer: Ich bin nicht in einer Kommune aufgewachsen, aber ich
habe auch eine Familie – und ich bin auch in einem alten Haus in ländlicher
Umgebung aufgewachsen. Außerdem war ich in einer Alternativschule mit
dem Ideal antiautoritärer Erziehung, was sicher in die Kommunenszenen
eingeflossen ist.
Die Geschichte ist so sehr mit einem einzigen Ort verbunden, dass man
meinen könnte, die Filmcrew hätte in dem Haus ebenso als WG gewohnt
wie die Figuren. Wie gestaltete sich der Dreh tatsächlich?
In dem Haus gab es weder Strom noch fließendes Wasser, das wäre also
etwas unbequem geworden. Aber natürlich haben wir sehr viel Zeit zusammen in und um dieses Haus verbracht, sind dort abends nach dem Drehen
in der Wiese oder am Lagerfeuer gesessen. Es war ein idealer Drehort, eine
wirkliche Homebase, und alles an einem Motiv zu drehen, war auch organisatorisch sehr günstig. Der Dreh dort war eine sehr intensive Erfahrung,
sodass ich mich dem Haus sehr verbunden fühle – und immer noch so etwas
wie Heimweh empfinde, wenn ich daran denke.
„Die Vaterlosen“ ist in der Gegenwart angesiedelt, doch es gibt auch
Rückblenden. Wie hat sich das Verhältnis der Zeitebenen ergeben?
Die Rückblenden-Ebene war von Anfang an Bestandteil des Drehbuchs.
Sie ist allerdings immer fragmentarischer geworden, im Schnitt haben
wir nochmals einige Szenen verloren. Die Rückblenden sollen sich anfühlen wie Erinnerungen – unvollständig, assoziativ, mit einer starken Atmosphäre von Sommer und Kindheit, aber eben nicht zu komplett, nicht
zu erklärend.
Für mich verliert der Film durch den schicksalhaften Vorfall in der
Vergangenheit ein wenig seinen allgemeingültigen Charakter. Ging es
Ihnen denn überhaupt um das Thema alternativer Familienmodelle im
Allgemeinen?
Ich sehe das nicht so. Das Ereignis in der Vergangenheit ist eng mit den
Themen des Films verknüpft. Oder anders gesagt: Es ging mir um Familie im
Allgemeinen, um die Suche nach dem Gleichgewicht zwischen Geborgenheit
und Freiheit, und ich habe diese Geschichte mit genau diesem Ende gewählt,
um darüber zu erzählen.
Gibt es bereits Pläne für ein neues Projekt?
Ja, Pläne gibt es sogar für zwei, aber ich stehe noch am Anfang der Schreibarbeit. Ich will aber nicht, dass zu viel Zeit bis zum nächsten Film vergeht,
weil mich die Arbeit am Set und im Schneideraum sehr erfüllt. Ich kann mir
keine schönere Arbeit vorstellen.
INTERVIEW: CHRISTIAN MEYER
18
neue filme
Green Lantern
Resturlaub
USA 2011 - Action - Regie: Martin Campbell - Verleih: Warner
Regisseur Martin Campbell („Casino Royal“) schickt Ryan Reynolds ins Comic-Universum: Als einziges menschliches Mitglied der Superheldenfraktion Green Lantern Corps muss er nicht nur auf Erden, sondern und vor allem im Universum für
Recht und Ordnung sorgen. Im Kampf gegen Bösewicht Parallax sind dem Helden
die menschlichen Züge sowohl von Vor- als auch von Nachteil. Comic-Spaß. HE
Start: 28.7.
D 2011 - Komödie - Regie: Gregor Schnitzler - Verleih: Sony
Ein Impuls öffnet dem festgefahrenen Brauerei-Manager Pitschi Greulich
(Maximilian Brückner) die Augen: Kurzentschlossen entzieht er sich dem alljährlichen Mallorca-Urlaub und steigt in einen Flieger nach Buenos Aires.
Dort will er neu anfangen. Doch schon bald offenbaren sich ihm die Vorzüge
seines zurückgelassenen Spießerlebens. Midlife-Crisis-Komödie.
HE
Start: 11.8.
Die Schlümpfe
Captain America
USA 2011 - Trickfilm - Regie: Raja Gosnell - Verleih: Sony
Ups – die Schlümpfe in New York? Schuld daran ist Schurke Gargamale (Hank
Azaria, „Godzilla“), der die verschlumpften Blaublüter aus ihrem Dorf verjagte. Die
blauen Zwerge mit den weißen Mützen staunen nicht schlecht über die Großstadtmenschen, wollen aber vor allem eins: Zurück ins Dorf! In neuem 3D-Anstrich
schlumpfen die Kultfiguren aus Belgien zurück auf die Leinwand.
HE
Start: 4.8.
USA 2011 - Action / Abenteuer - Regie: Joe Johnston - Verleih: Paramount
Neulich noch kämpfte er als Menschliche Fackel für die „Fantastic Four“ – jetzt
darf Chris Evans als Captain America im Alleingang die Welt retten. Die wird
nämlich während des Zweiten Weltkriegs von einem mächtigen Nazi-Agenten
bedroht (Hugo Weaving, „Der Herr der Ringe“). Comic-Spektakel aus dem MarvelUniversum mit Tommy Lee Jones und Stanley Tucci.
HE
Start: 18.8.
Plötzlich Star
Crazy, Stupid, Love
USA 2011 - Abenteuer / Komödie - Regie: Thomas Bezucha - Verleih: Fox
Grace (Selena Gomez) und ihre beste Freundin Emma (Katie Cassidy) haben gerade
die Highschool hinter sich und begeben sich auf einen Trip nach Paris. Graces Mami
aber stellt ihnen Stiefschwester Meg als Aufpasserin zur Seite. Vieles geht schief in
der Stadt der Liebe, bis Grace mit einem Superstar verwechselt wird. Quietschlustige, romantische Komödie über Freundschaft und Verwechslungen.
HE
Start: 4.8.
USA 2011 - Komödie - Regie: Glenn Ficarra, John Requa - Verleih: Warner
Cal (Steve Carell) ist seit Jahrzehnten mit Emily (Julianne Moore) verheiratet –
da knallt sie ihm plötzlich und unerwartet die Scheidung hin. Der Mittvierziger
ist wieder Single und weiß überhaupt nicht mehr, wie man sich in dieser Rolle
verhält. Jacob (Ryan Gosling) ist zehn Jahre jünger und schult ihn in Sachen
Flirt und Mut für den Neuanfang. Liebeskrisenkomödie.
HE
Start: 18.8.
Planet der Affen: Prevolution
Homies
USA 2011 - Science Fiction - Regie: Rupert Wyatt - Verleih: Fox
Das war wohl überfällig: Nach dem Remake (2001) jetzt also das Prequel zum
Science-Fiction-Klassiker von 1968. Der Film erzählt davon, wie aus den Affen
schlechte Menschen wurden: Ein junger Forscher (James Franco) entwickelt ein
Heilmittel, das er an Affen testet. Dabei vergisst er, zu Risiken und Nebenwirkungen seinen Arzt oder Apotheker zu fragen. Digitale Affenshow-Party. HE
Start: 11.8.
D 2010 - Komödie / Musikfilm - Regie: Adnan G. Köse - Verleih: Kinowelt
Jimi Blue Ochsenknecht mimt den jungen Rebellen Marvin, der aus dem bürgerlichen Mief ausbrechen will. Entgegen der Vorstellungen seiner Mutter, einer Immobilienmaklerin, will Marvin nämlich eine Musikerkarriere starten. Coming-of-AgeDrama, in dem der Held seinen Weg sucht und dabei zu seinen Wurzeln stehen muss.
Popstar-Juror Detlef D! Soost steht ihm dabei als Mentor zur Seite.
HE
Start: 18.8.
19
comickultur
wortwahl
Zittriger Fluss
Egoshooter
„Warum gibt es keine Antworten, die nicht tendenziös sind“, fragt Sarah
Glidden in ihrem autobiografischen Bericht „Israel verstehen – In 60 Tagen
oder weniger“ über eine Reise nach Israel. Die 10-tägige Reise wird gestiftet,
um Juden aus aller Welt das Leben in Israel näher zu bringen. Glidden gelingt
das, was sie suchte: Ihr Reisebericht ist geprägt von ständiger Selbstreflexion,
und die Autorin ist klug genug zu wissen, dass es immer verschiedene
Wahrheiten gibt. Das Ganze ist leichtfüßig in farbigen Aquarellzeichnungen
erzählt, so dass Verbissenheit und Dogmatismus auf keiner Ebene eine Chance
haben (Panini).
Mein Haus, mein Auto, mein Vorgarten. Madame in der Wanne, mit Blick auf
den Pool. Die Familie: andächtig der töchterlichen Cheerleader-Performance
im heimischen Wohnzimmer beiwohnend. Dad mit schlafendem Babyboy auf
dem Bauch oder die junge Lady bei der Selbstverwirklichung im heimischen
Akt-Malstudio. Perfekte Inszenierungen der eigenen Häuslichkeit. So
sehen sie also aus, die „Suburban Dreams“ (Kehrer, 96 S., 30€). Alles
individuell arrangiert, eingerichtet, aufgeräumt und sortiert, abgestimmt
und maßgeschneidert auf seine stolzen Besitzer. Nur hin und wieder
durchbricht ein missmutiger Seitenblick der Ma auf ihre Tochter oder ein
chaotisches Jugendzimmer das anheimelnde Vorstadtidyll. Aber nichts, was
die Verwirklichung des kleinen privaten Traums gefährden könnte. Und doch
sind es genau diese leisen Dissonanzen, nach denen man unweigerlich in
Beth Yarnell Edwards‘ fotografischer Sammlung trauten Glücks fahndet.
Wo ist der Riss in der Fassade, wo bröckelt ein wenig Putz, wo keimt der
erste Funken Wahnsinn, der die in ihren kleinen Paradiesen schwelgenden
Gutbürger in sich gegenseitig zerfleischende Vorstadtkrokodile verwandelt?
Wann erlischen „Die Lichter von Bullet Park“ (Dumont, 256 S., 19,99€),
wann implodieren sie mit großem Getöse? Alles nur eine Frage der Zeit, bis
das (schein)heilige Gebäude in sich zusammenbricht. John Cheever macht
da erst gar kein großes Federlesen: Hier die Hammers, deren unterschwellig
brodelnder Konflikt im neu bezogenen Elysium erst richtig Feuer fängt. Dort
die Nailles, die die Depression ihres Sohnes nur als schrecklich unverdienten
Zusammen mit Zeichner Ryan Kelly widmet sich Brian Wood mit „Local“
einer Ausreißerin: Megan haut immer wieder ab, mit 17 dann endgültig. Sie
zieht zwölf Jahre durch die USA, ist immer an anderen Orten – Großstädten,
Kleinstädten, auf dem Land. Sie lernt die unterschiedlichsten Menschen aus
den unterschiedlichsten Schichten kennen. Mal ist sie nur Nebenfigur, meist
aber steht sie im Zentrum dieses fast 400 Seiten starken Kaleidoskops eines
Landes, das zugleich eine Coming-of-Age-Geschichte einer jungen Frau ist –
beeindruckend (Modern Tales). Gleich ein halbes Leben spiegelt Manuele Fior
mit „Fünftausend Kilometer in der Sekunde“. Eine kurze Jugendliebe ist der
Auftakt, von dem aus Fior die getrennten Lebenswege der beiden Protagonisten
verfolgt. Damit fängt er meisterlich die Ernüchterung vom Lebenstraum zum
Alltag ein und entlässt uns mit einem Hauch Melancholie (avant verlag).
Eine Kinderfreundschaft ist der Ausgangspunkt für die Gefühlsirrungen
in „Hair Shirt“. Büßerhemd bedeutet das, und John büßt! Mit surrealen
Alpträumen, die die Vergangenheit nicht ruhen lassen. Was das alles mit
seiner Freundin Naomi zu tun hat, die nach Jahren wieder in die trostlose
Heimatstadt zurückgekehrt ist, muss John langsam und schmerzlich erfahren.
Der Kanadier Patrick McEown zeichnet den adoleszenten Alptraum in
zittrigem Fluss (avant verlag).
Altmeister Enki Bilal hat sich mit „Julia & Roem“ wieder erfolgreich dem
klassischen Erzählen zugewandt. So klassisch, dass er sich mit seiner
Science Fiction Liebesgeschichte sogar elegant an Shakespeare anlehnt.
Die Figuren in dem apokalyptischen Szenario sehen zwar nach wie vor wie
Waves anno 1983 aus, aber seine geheimnisvollen Kreisezeichnungen und
der untergründige Humor machen den Band zu einem Ereignis (Ehapa).
Mit „Gemma Bovery“ widmet sich Posy Simmonds nach „Tamara Drewe“
(erfolgreich verfilmt als „Immer Drama um Tamara“) erneut dem Liebesleid
in der britischen Mittelschicht. Anhand von Tagebuchaufzeichnungen wird
das Leben der verstorbenen Gemma erzählt, die sich mit ihrem Mann in der
Normandie niedergelassen hat, aber todunglücklich ist. Die Sehnsucht nach
einem anderen Leben kurbelt die Ereignisse an. Wie Bilal lehnt sich auch
Simmonds wieder an einen Klassiker der Literaturgeschichte an und erzählt in
ihrer eigentümlichen Kombination aus Comic und Textpassagen (Reprodukt).
Das Comiczeichnerinnen Kollektiv „Spring“ setzt sich in der achten Ausgabe der
gleichnamigen Anthologie mit „Familiensilber“ auseinander. Nicht nur Themen
und Stil, auch die Technik der Beiträge ist sehr unterschiedlich. Die Palette
reicht vom klassischen Comic (Claire Lenkova, Uli Lust, Barbara Yelin) über
abstraktere Grafikarbeiten, Fotoübermalungen, Pappcollagen bis hin zu bemaltem
Geschirr. Ohne Rücksicht auf Grenzen wird hier der Freiheit des Erzählens gefrönt,
und dass mit berührenden, persönlichen Themen.
Irrtum des Schicksals zu begreifen vermögen. Nomen est Omen treibt der
Bitterböseste unter den amerikanischen Vorstadtchronisten den stählernen
Dorn weiter und weiter in die trügerische Glückseligkeit dieses Garten Eden.
Ein grausam-geniales Spiel, das Louise Erdrich in eine vermeintlich
reflektierte Künstlerehe verlegt. In einem wahren Strudel aus Sehnsucht
und Leidenschaft dreht sich das Paar, ein jeder auf immer und ewig in sich
selbst gefangen, schneller und schneller um sich selbst: Während Gil seine
Gefühle und Stimmungen verzweifelt versucht auf die Leinwand zu bannen,
treibt Irene ihren Mann – und sich selbst – mit immer perfideren Einträgen
im gefälschten Tagebuch in ein Martyrium, bei dem sie ihre ganze Familie
verzehren. Ein egomaner Wahnwitz namens „Schattenfangen“ (Suhrkamp,
239 S., 17,90€), bei dem nun wirklich keiner gewinnen kann.
Doch selbst wenn der Mensch schon »Nackt« danieder liegt, weigert er sich
immer noch ‚standhaft‘ das irdische Dilemma anzuerkennen. Die Menschen
können selbst bei aller Liebe nicht miteinander verschmelzen. Vielmehr sind es
die Normen und Konventionen, die uns einander ähnlich machen, mit denen wir
uns in verzweifelter Leidenschaft aneinander binden und unser anarchistisches
Ich ausblenden. Von Story zu Story tritt dieses Schicksal in der Sammlung bisher
unveröffentlichter Erzählungen von Joyce Carol Oates zutage. So schonungslos wie
beiläufig: „Die Lästigen“ (Eichborn, 384 S., 32€) sind die in uns schlummernden
Ichs, die unsere mühsam errungene Eintracht beständig torpedieren.
Eine Erkenntnis, die „Die Party bei den Jacks“ (Manesse, 352 S., 24,95€) auf
grandiose Weise eskalieren lässt. Unfassbar, wie Thomas Wolfe in seinem erst
im Nachlass entdeckten Meisterwerk sich über seitenlangen und dennoch
nie ermüdenden Detailzeichnungen seinen Protagonisten nähert, vom
Äußersten ins Innerste vordringt, um am Abend vor dem großen Börsencrash
das Gebäude aus gesellschaftlichen Konventionen und Errungenschaften mit
feiner Ironie in Flammen aufgehen zu lassen.
LARS ALBAT
CHRISTIAN MEYER
20
poetry
textwelten
Sebastian23 hat keinen Fernseher
Verschwindet die Schreibschrift?, Foto: Hannah Linden
Shir Khan beißt Paul Panzer in den Schritt Schreiben ist Denken
Sebastian23 zählt an: elf – die Video-Kolumne
Die fatale Idee, die Handschrift aufzugeben
Der dumme August ist der Monat, in dem man die meiste Zeit draußen verbringt.
Wenn ich so durch meine ausgedehnten Liegenschaften im grünen Süden Bochums
flaniere und mir die dort lebenden Hobbits und Elfen fröhlich zuwinken, dann frage
ich mich schon, ob die viele Sonne gut für mich ist. Meine Mütze wird im Sommer
zu meinem privaten Hochofen und die Gedanken zu Eisenerzschlacke. Doch ich
werde die Dampfhaube auch nicht abnehmen, denn dann fragen mich die Menschen immer, ob ich mir die Haare schwarz gefärbt habe. Dabei sind die einfach
nur verbrannt.
So trage ich also meinen Hitzkopf durch das Auenland und denke mit Wehmut an
mein klimatisiertes Gutshaus, in dem mich meine Bediensteten mit sehnsüchtigen
Blicken zurückerwarten. Ich bin ein guter Lehnsherr und schicke nicht mehr als
drei pro Tag in die Strafkammer. Die anderen kriegen was zu essen und im Sommer
sogar Getränke.
Karpfen gegen Anti-Schuppen-Schampoo
Das klingt vielleicht hart, aber im Zuge der Demokratiemüdigkeit unterwerfen
sich immer mehr Menschen freiwillig meiner tyrannischen Willkür, denn wenigstens exportiere ich keine Panzer. Außer Paul Panzer, den verkaufe ich demnächst an eine taiwanesische Fischfabrik. Als Karpfen.
Dabei hab ich gar keine Ahnung, wer dieser Paul Panzer eigentlich genau ist.
Ich habe nämlich keinen Fernseher zu Hause. Im bin im Sinne des Höhlengleichnisses entrückt von der Welt. Wenn mir jemand sagt, dass das „Sommermädchen“ auf Pro7 nichts als komprimierte Dackelkacke ist, dann ahne ich nur die
Bedeutung der Worte. Ich habe auch ehrlich nicht die geringste Ahnung, wer
„Daniela Katzenberger“ ist und ob es diese Person wirklich gibt, oder ob sie der
pervertierten Fieberfantasie einiger ehemaliger Freunde entsprungen ist. Aus Sicherheitsgründen rede ich jedenfalls nicht mehr mit denen.
Die Erde ist eine linke Kniescheibe
Und ich weiß auch nicht, ob das Programm schlechter geworden ist, denn ich
hab schon lange keinen Fernseher mehr. Im letzten Dschungelcamp, das ich
noch gesehen habe, waren Shir Khan, Mogli und Balu, der Bär. Ist lange her, aber
ich glaube, Mogli wurde am Ende Dschungelkönig.
Es kommen natürlich Leute zu mir, die sagen, es gäbe schon ein, zwei interessante Sendungen auf Spartenkanälen. Zu denen sage ich immer: „Freunde“, sage
ich, „ich heirate doch auch keine Frau, nur weil sie eine attraktive linke Kniescheibe hat. Denkt an meine Worte: Daniela Katzenberger hat eine attraktive
linke Kniescheibe.“
Dann nicken alle verständnisvoll und leicht angewidert und keiner merkt, dass
ich keine Ahnung habe, was ich da grade gesagt habe. Vermutlich hab ich einfach nicht alle Schnitzel in der Pfanne, aber ich sehe nicht ein, wieso ich Geld
ausgeben sollte, damit mir jemand auf Knopfdruck ins Wohnzimmer kackt. Dafür habe ich schließlich die Strafkammer für Aufsässige in meinem Hofstaat.
Und in meiner Strafkammer sieht es aus, wie im innersten Kreis der Hölle: Es
gibt nichts außer einem riesigen Fernseher, einem teuflisch weichen Sofa und
schüsselweise frittierter Nahrungsmittel. Trotzdem benehmen sich in letzter Zeit
auffällig viele Bedienstete daneben. Keine Ahnung, was mit denen los ist.
TEXT: SEBASTIAN23
Sebastian23 - Die Video Kolumne: Auf youtube und auf trailer-ruhr.de
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Wofür brauchen wir noch die Handschrift, wir schreiben doch sowieso
auf dem Computer? Eine weitverbreitete Ansicht, die man offenbar auch
in Hamburgs Schulbehörde teilt. Als erstes Bundesland gibt Hamburg die
verpflichtende Handschrift auf, dort können die Erstklässler in Zukunft auch
in Druckbuchstaben schreiben. Die Erfahrung zeigt, wo die Freigabe einmal
erfolgt ist, wird das bestehende System bald verschwinden, schon alleine,
weil die Lehrer keine Rückendeckung bei ihrer Arbeit mit dem alten System
von Seiten der Schulbehörde zu erwarten haben. Die Einführung der Druckschrift vereinfache vielen Kindern das Schreiben, meint man in Hamburg.
Eine Ansicht, die auch schon bei der Einführung der Rechtschreibreform
ins Feld geführt wurde. Offenbar soll sich das gesamte System vor den IDötzchen verneigen, die ja eigentlich in die Schule gekommen sind, um
etwas zu lernen. Wer einmal beobachtet hat, wie stolz Kinder darauf sind,
ihre eigene Handschrift zu zeigen, wundert sich darüber, dass ihnen dieses
erste Erlebnis von Erfolg und Identität genommen werden soll.
Nun könnte man einwenden, dass der Untergang des Abendlandes nicht bevorsteht, wenn ein paar Sechsjährigen keine Handschrift mehr beigebracht
wird. Andererseits darf man sich fragen, ob sich das Abendland nicht gerade
über seine Kultur definiert. Handschrift ist ein Stück Identität, das wissen
nicht nur die Graphologen. Was wir auf dem Papier sehen, ist geronnene
innere Bewegung, die einen Blick auf Denken und Fühlen bietet. Dass die
Buchstaben miteinander verbunden werden, entspricht nicht bloß einem
Bedürfnis nach Dekoration. Spätestens seit der Veröffentlichung von Stanislas Dehaenes bahnbrechender Untersuchung „Lesen“ (Textwelten 11/2010)
wissen wir, dass vom Auge jeder einzelne Buchstabe aufgenommen und im
Gehirn zu einem Wort zusammengesetzt wird.
Indem sich die Buchstaben zu einem Wort fügen, entsteht Sinn. Ein geistiger
Prozess, dem wir im Schreiben manuell Ausdruck verleihen. Das Schreiben
bildet die Bewegung des Denkens ab. Die eilige Forderung nach Effizienz ist
hier fehl am Platz. Lernen braucht Zeit, hat man die, entwickelt sich Kreativität und das Neue kann geboren werden. Schreibt man in Druckschrift,
muss die Hand immer wieder absetzen, der Fluss der Bewegung geht verloren, das verkrampft die Hände und man wagt sich gar nicht vorzustellen,
wie jemand in der Lage sein soll, seitenweise auf diese Weise mit der Hand
zu schreiben. Der Wechsel auf die Tastatur des PCs ist nur logisch.
Das Schreiben stellt jedoch das Paradebeispiel für eine Kulturtechnik dar,
die sich in den Körper einschreibt. So gehört die Handschrift zu den komplexesten Bewegungsabläufen des Menschen. Nicht nur die Motorik wird
auf Trab gehalten auch im Gehirn geht während des Schreibens ein Feuerwerk im Spiel der Neuronen ab. Analphabeten haben tatsächlich andere
Gehirnstrukturen und ziemliche Probleme mit Tätigkeiten, die feinmotorische Finesse verlangen. Hamburg steht mit seiner bequemen Entscheidung jedoch nicht alleine da, andere Bundesländer wollen nachziehen, auch
NRW. Wieder einmal zeigt sich, wer vom Wert kultureller Errungenschaften
nicht überzeugt ist, der schafft sie irgendwann einfach ab und da kann eine
Schulbehörde sicher besonders effiziente Ergebnisse erzielen.
THOMAS LINDEN
popkultur in nrw
improvisierte musik in nrw
Slutwalk in Manchester, Foto: Phil King
Ein normaler Blick hinab von Montepulciano, Foto: Olaf Weiden
Good Grrrls are to be heard – and seen
Kein stilles Örtchen
Von Christian Werthschulte
Zugegeben, manchmal ist der Titel dieser Kolumne irreführend. Denn was in diesen Zeilen Monat für Monat unter dem Label „Unterhaltungsmusik“ besprochen
wird, ist ja meistens erst dann interessant, wenn es über die kulturindustrielle
Klebrigkeit hinausgeht. Zwischen dem 20. und 25. August 1991 geschah dies.
In dieser Woche trafen sich in Olympia, im Nordosten der USA, eine Reihe von
Underground-MusikerInnen zur International Pop Underground Convention, auf
der sich alle Protagonistinnen einer Szene versammelt hatten, die vielleicht letzte
Jugendbewegung mit Gitarren in der Hand bilden würde: Riot Grrrl.
Die Geschichte dieser Popfeministinnen hat jetzt die Essener Kulturwissenschaftlerin Katja Peglow zusammen mit dem Literaturwissenschaftler Jonas Engelmann
im Buch „Riot Grrrl Revisited“ aufgearbeitet. „Zum ersten Mal in der Musikgeschichte wurden bei den Riot Grrrls Frauen zu Anführerinnen einer popkulturellen
Bewegung“, erzählt sie. Zwar hatten schon in der Hochphase von Punk besonders
junge Frauen die alten Rollen von Fan und Sängerin verlassen und erfolgreich
Bands gegründet, waren aber mit dem Abebben der ersten Punkwelle wieder in
der Versenkung verschwunden. Das sollte
„Unterhaltungsmusik ist
sich diesmal ändern. Die Platten, Bücher und
eigentlich erst dann
Fanzines, „die uns ansprechen, in denen wir
interessant, wenn sie
uns mit eingeschlossen und verstanden fühlen“, wie es im Riot Grrrl-Manifest von 1991 kulturindustrielle Klebrigkeit
hinter sich lässt.“
heißt, wurden im Selbstverlag produziert und
per Eigenvertrieb um die Welt geschickt. So
bildete sich ein Netzwerk, das auch dann noch Bestand hatte, als die Medien das
Phänomen als „Girlie“ längst verniedlicht hatten. Und auch der Sound änderte
sich im Laufe der Jahre. Waren die ersten Riot Grrrl-Veröffentlichungen noch lärmige Punkplatten, orientierten sich die Protagonistinnen der Szene spätestens ab
den späten Neunzigern am DIY-Gedanken elektronischer Musik. So schafften die
Riot Grrls den Brückenschlag zu queeren Subkulturen und wurden zu Vorbildern.
Wenn Beth Ditto, die Sängerin von The Gossip, am 30.7. als Headlinerin beim
Juicy Beats auftritt, dann nur, weil sie als Jugendliche von den Riot Grrrls inspiriert wurde, ihre eigene Band zu gründen. „Nach der Aufbauarbeit der Initiative
Rocksie! in den frühen Neunzigern ist spätestens mit Beth Dittos Auftritt das
Phänomen auch im Ruhrgebiet angekommen“, urteilt Peglow. „Und dann findet
zwei Wochen später noch der erste Slutwalk statt.“ Eine Parallele, die einleuchtet. Die Riot Grrrls forderten in ihren Songs immer wieder das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung ein - genau wie es die Teilnehmerinnen der Slutwalks
auch tun. Der erste Slutwalk fand im April 2011 in Toronto als Reaktion auf die
Äußerung eines ein Polizisten statt. Dieser hatte erklärt, dass Frauen sich nicht
„wie Schlampen“ kleiden sollten, wenn sie sexuelle Gewalt vermeiden wollten.
„Dadurch findet eine Schuldumkehrung statt, die absolut fatal ist“ erklärt Anni Lischewski vom Organisationsteam Ruhr.
Sexuelle Gewalt sei in erster Linie in ungleichen Machtpositionen begründet. In Anlehnung an die 2000 Frauen, die in
bewusst ‚schlampiger‘ Kleidung zum Hauptquartier der Polizei in Toronto zogen, will der SlutWalk Ruhr am 13.8. in der
Essener Innenstadt demonstrieren. „Wir gehen auf die Straße
Christian Werthschulte
für unser Recht auf Selbstbestimmung - über unsere Körper
lebt in Köln und mag
Pop
und unsere Leben.“
Von Olaf Weiden
Bildungsreisen führten gern mal gen Italien, ganz berühmte Visiten verknüpfen sich mit dem Namen Goethe und denen der Familie Mozart. Auch
Mendelssohn reiste in das Land, in dem „Hier wurde ein Paradies gealle Pizzabäcker angeblich so schön singen schaffen für kreative Leute“
können. Und er war entsetzt, wie schändlich nachlässig, geradezu schlampig die Italiener mit der hohen Kunst ernster
Musik verfuhren. Auch heute strotzt das Land in Stiefelform nicht mit den
tollsten Orchestern der Welt, die wohnen ganz woanders. Was dieses Land
aber bieten kann, gerade einem Reisenden, das ist die Allgegenwärtigkeit
von kultureller Geschichte, das sind sanfte, herrlich von der Natur gemischte
Farben, flammende Pflanzenbüsche und fließende Hügellandschaften.
Diese einzigartige Rezeptur können sich seit zehn Jahren Musikstudenten in
ganz Europa verschreiben und sich auf einen Meisterkurs im sonnigen Montepulciano bewerben. Die Hochschule für Musik und Tanz Köln hat damals
einen verrotteten Palazzo in jenem toskanischen Bergstädtchen angemietet,
in dem in den Siebzigern der heute sehr prominente Komponist Hans Werner
Henze mit der Stadtverwaltung ein erstes Musikfestival gegründet hatte.
Nach zehn arbeits- und – durch Sponsoren gedeckt – kostenintensiven Jahren steht heute der Palazzo Ricci, den einst ein mehrfacher Papstkandidat
bewohnte, wie ein Vorzeigeobjekt da. Ein Konzertsaal, Probenzimmer, Räume
der Stille und natürlich Räume für die Organisation sind bestens mit Instrumenten und Gerät ausgestattet. Zum zehnjährigen Geburtstag schenkte sich
das erste und einzige eigene, im europäischen Ausland gelegene Institut einer
deutschen Musikhochschule ein kleines Festival mit Dozentenkonzerten, studentischen Vorspielen und öffentlichen Meisterkursen, die von einer ganzen
Schar prominenter Vertreter aus Politik und Wissenschaft besucht wurden.
Das Institut genießt nämlich große Aufmerksamkeit auch auf Landesebene,
die es 2010 zu einem „Internationalen Kolleg Montepulciano“ beförderte,
was nun auch interdisziplinäre Projekte für die Studierenden an Kunst- und
Musikhochschulen in NRW ermöglicht.
Übersetzt für den Alltag: Hier wurde ein Paradies geschaffen für kreative
Leute, die in ihrer Freizeit oder als Teil ihrer Ausbildung eigeninitiativ Fortbildung auf höchstem Niveau und in höchster Konzentration betreiben wollen.
Die Bedingungen sind sensationell, die Stimmung im nur mäßig touristisch
belasteten Ort ist sehr entspannt, die Bewohner geben sich freundlich, der
Wein ist gut, das Essen ist besser. Mit den gehobenen Umständen wächst
auch die Bereitschaft prominenter Dozenten aus Klassik und Jazz, diese Reise
anzutreten. Aber wer einmal die muffig satte Luft in den kühlen Weinkellern
oder die würzig warmen Stadtwinde im Burgpark geschnuppert hat, den lässt
dieser schöne Ort nicht mehr los. Sensationell ist der Blick
aus den Fenstern des Palazzos, besonders wenn die Sonne
sich langsam hinter die Hügelketten senkt.
Die Auslastung des Hauses tendiert bei den Meisterkursen
aktuell gegen 100 %, und Projekte auf Landesebene stecken noch in den Kinderschuhen. Da ist „Improvisation“
angesagt, das Thema des im nächsten Monat beginOlaf Weiden arbeitet
nenden ersten gemeinsamen Kolleg-Projekts artfremder
als Musiker und
Musikkritiker in NRW.
Kunsthochschulen aus NRW. Auf nach Monte!
Riot Grrrl Revisited von K. Peglow und J. Engelmann, Ventil Verlag 2011. 16,90 €
SlutWalk Ruhr I 13.8. I Essen I www.slutwalkruhr.blogsport.de
www.palazzoricci.com
www.hfmt-koeln.de/hochschule/institute-und-zentren/montepulciano
Die Geschichte der Riot Grrrls ist noch nicht zu Ende
In Montepulciano lehren Meister Klassik und Jazz
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kompakt disk
Rumpeln im Gebälk
And so I watch you from afar ist der Name einer nordirischen Band, die
sich dem instrumentalen Mathcore verpflichtet. Auf ihrem zweiten Album
„Gangs“ gibt es tricky Rhythmen, Breaks und Tempowechsel. Die Gitarre
kratzt immer haarscharf an Metal- und Art Rock-Klischees vorbei, die Double-Bassdrum ergänzt den Eindruck, als Gegengewicht gibt es aber Punk
Rock-Feeling (Richter Collective). Wooden Shjips
benennen sich zwar nach einem Stück von David Crosby (mit Schreibfehler),
beziehen sich mit ihrem Space Rock aber deutlich auf die psychedelischen
Hippies bzw. deren Nachfahren. Als hätte es Spacemen 3, deren Sonic Boom
produziert hat, nie gegeben (Thrill Jockey).
Der zwölfte Jahresbericht von Kölns Techno-Flagschiff Kompakt fährt die Anstrengungen der letzten Jahre etwas zurück und präsentiert sich als einfache
CD. Zwölf Stücke gibt es auf „Total 12“. Mit dabei sind alte Hasen wie Wolfgang und Reinhard Voigt, Michael Mayer, The Modernist, Superpitcher
und Matias Aguayo und einige Neuzugänge mit meist geschmackvollem,
melodiösen Techno – ein paar Mal rumpelt es aber auch ordentlich im Gebälk.
Noch ein Lokalmatador: Hans Nieswandt, seit Ewigkeiten bekannt als DJ,
Autor und Produzent, versammelt auf „Hans is playing House“ seine Remixe der letzten Jahre. 14 Mal hat er Originale von Knarf Rellöm über
Jens Friebe zu Barbara Morgenstern individualistisch verhoused, ohne
Angst vor drolligem deutschen Disco (bureau b). Die französischen DJs Jess
& Crabbe stellen mit "Bazzerk – African Digital Dance“ auf zwei CDs Kuduro vor, eine Musik aus Angola, die afrikanische Rhythmen und Sounds
mit Techno, House, Rap und Dancehall mischt. Eine Verwandtschaft zum
rauen Baile Funk aus Brasilien lässt sich ausmachen. International bekannt
geworden ist der Stil durch die Portugiesen Buraka Som Sistema und M.I.A.,
die den Sound in ihre Musik einfließen lässt. „Bazzerk“ versammelt 27 umwerfende Dancetracks (Mental Groove). Aus Mali kommt das L'Orchestre
Kanaga de Mopti, deren gleichnamiges Album 1977 auf einem staatlichen
Label erschien und inzwischen Kultstatus genießt. Was nicht wundert, denn
der Afro Funk ist sehr mit typischen Stammesgesängen und tribalistischen
Xylophon-Phrasen durchsetzt – großartig (Kindred Spirits).
In der „Original Album Series“ werden für wenig Geld fünf Original-Alben
in dünnem Originalcover ohne Schnickschnack zusammengefasst. Neben
vielem mediocrem 70er und 80r Kram erscheint jetzt auch je eine Box von
zwei der bedeutendsten Jazz-Erneuerern: John Coletrane und Ornette Coleman. Beide Boxen demonstrieren mit den Alben für das Label Atlantic
– darunter das programmatische „Free Jazz“ von Coleman, den Umbruch in
den frühen 60er Jahren zum freieren Jazz (Rhino). Das Harmonium sieht aus
und spielt sich wie eine Kirchenorgel, die Tonerzeugung ist ähnlich wie beim
Akkordeon. Man kennt es in der Popmusik vor allem von Nico. Auf Sigbjørn
Apelands instrumentalem Soloalbum „Glossolalia“ ist es sehr flächig eingesetzt, wogt mal beruhigend, mal schaukeln sich die Klangwellen hoch oder
getragene Melodien halten einkehr. Sehr schön, sehr kontemplativ (Hubro).
Jim O'Rourke arbeitet seit Jahren an der Grenze zwischen Pop und Experiment. Mit der Reihe Old News räumt er sein Archiv auf und veröffentlicht
experimentelle Stücke der letzten 15 Jahre. „Old News #5“, versammelt vier
Stücke von 1992 bis 2010, deren elektronische Klänge wie ein Geräuschorchester erscheinen, mitunter sehr harsch, dann wieder schälen sich wunderbare Melodien aus den Drones. Vinyl only (Editions Mego).
CHRISTIAN MEYER
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wupperkunst
Ausschnitt aus: Hans von Marées, Skizze der „Pergola“, 1873, Öl auf Leinwand, 73,5 x 63 cm (Ausschnitt), © Von der Heydt-Museum, Wuppertal
Der Maler als eigener Herr
Das Von der Heydt-Museum zeigt Selbstporträts aus seiner Sammlung
Ausstellungen zum Selbstporträt sind selten. Denn so viele derartige Bildnisse gibt es ja gar nicht, und dann werfen sie in ihrer Verschiedenheit ein
Bündel an Fragen, Überlegungen und Ansätzen auf. Bei diesen Werken ist
der Künstler alleine oder mit anderen zu sehen, in der Ausübung seiner
Tätigkeit oder in gesellschaftlichen Zusammenhängen oder ganz auf sich
konzentriert. Im Gegensatz zum Auftragsporträt entscheidet ausschließlich der Künstler, was er mitteilen möchte und wie er sich folglich darstellen möchte, ob es ihm gefällt oder nicht. Das Selbstporträt vermittelt
Statusbehauptung und Selbstbewusstsein, auch in eigenen Krisenzeiten.
Der Künstler versteht sich als herausgehobene Persönlichkeit – und oft
stellt das Selbstporträt einen besonderen, verdichteten Höhepunkt in
seinem Werk dar. Kurzum, man kann die künstlerischen Beiträge dieser
persönlichsten künstlerischen Gattung aus der Zeitgeschichte heraus begreifen oder sie etwa malerisch oder psychologisch untersuchen und verorten. Dazu sind Selbstporträts meist schonungslos und ungeschönt. Sie
intensivieren die Wahrnehmung des Gesichts und des Körpers, mit dem
Ziel, hinter jede Oberfläche zu dringen. Wichtig ist oft die Kenntnis von
der Lebenssituation, in der sich der Künstler da befand.
All das spricht nun die Ausstellung an, die das Von der Heydt-Museum
ganz aus seinem eigenen Besitz zusammengestellt hat. Sie umfasst –
locker präsentiert – rund vierzig Kunstwerke: Gemälde, Papierarbeiten,
Skulpturen und eine fotografische Sequenz, in welcher der abstrakt-informelle Maler Wols (1913-51) seine Mimik spielen lässt. Die zeitgenössische
Kunst aber ist in der Ausstellung deutlich in der Unterzahl; tatsächlich
spielen Porträt und Selbstporträt seit langem schon keine so große Rolle
mehr. Und während ein zeitgenössischer Maler wie der aus Wuppertal
stammende Peter Schmersal ausschließlich sein Gesicht, und das auch nur
im Ausschnitt zeigt, – wobei er sein eigenes Sehen und Wahrnehmen thematisiert – stellen sich die früheren Generationen mit ihren Darstellungen
meist in künstlerische oder gesellschaftliche Kontexte. Auf den Werken
des 19. und frühen 20. Jahrhunderts liegt nun auch der Schwerpunkt der
Ausstellung, entsprechend zur grandiosen Sammlung des Von der HeydtMuseum. Deren hoher Rang blitzt bereits bei diesen wenigen Arbeiten auf.
In unsicheren politischen Zeiten
Vertreten sind Künstler wie der „Brücke“-Maler Otto Mueller mit seinem „Selbstbildnis mit Pentagramm“ (1922) als still konzentrierter Bohème in einer mystischen, von Geheimnis umwehten, dabei nicht weiter bestimmten Umgebung, und
Oskar Kokoschka mit seinem expressiven Selbstbildnis (1917), welches sich vor
einem blauen Fond direkt dem Betrachter zeigt und psychische Labilität signalisiert. Ganz anders dagegen Otto Dix im Vordergrund des Gemäldes „An die Schönheit“ (1922), kontrolliert im Blick und in der Haltung, fast lauernd und mit wenig
Interesse an der Tanzszene dahinter. Im Anzug und mit dem Telefonhörer definiert
er sich hier nicht als Maler im Atelier, sondern als aufmerksamer Berichterstatter
in unsicheren politischen Zeiten, mit Verpflichtung gegenüber der Gesellschaft.
Natürlich ist Hans von Marées dabei, der 1837 in Elberfeld geborene Maler
aus dem Kreis der Deutschrömer, der 2008 mit einer Einzelausstellung im Von
der Heydt-Museum gewürdigt wurde. Ausgestellt ist jetzt die Öl-Skizze zum
„Pergola“-Fresko in der Stazione Zoologica in Neapel (1873), in der er sich sitzend am Tisch gemalt hat: den Kopf auf die linke Hand gestützt und ruhig zum
Betrachter schauend – so hat er sich in allen seinen Selbstbildnissen gezeigt.
Sein berühmtes Selbstbildnis mit Hildebrand und Grant (1873), das die gleiche
Tischgruppe zeigt, ist freilich zunächst noch in der hauseigenen SchatzhausAusstellung zu sehen. Nach auswärts aber entliehen ist derzeit Max Beckmanns Selbstbildnis (1915) – denn die Bilder des Von der Heydt-Museums
gehen auf Reisen, als Leihgaben zu externen Ausstellungen. Das ist die Voraussetzung dafür, dass das Wuppertaler Museum seinerseits demnächst für seine
Alfred Sisley-Ausstellung Gemälde anderer Museen erhält. Aber erst anhand
dieser feinen und tiefschürfenden Schau der Selbstporträts wird deutlich, wie
außerordentlich die Dimensionen und Facetten der eigenen Sammlung sind.
THOMAS HIRSCH
„Ich!“ – Künstlerporträts in der Sammlung des Von der Heydt-Museum
Bis 3.4. 2012 I Von der Heydt-Museum I 0202 563 62 31
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kunst in nrw
kunstwandel
Ernesto Neto: Humanóides, 2011, Thyssen-Bornemisza Art Comtemporary,
Foto: courtesy of Galeria Fortes Vilaca, Sao Paulo/Arp Museum Bahnhof Rolandseck
Cindy Sherman, „Untitled Film Still # 25“, 1978, Courtesy Galerie Sprüth Magers
Skulptur der Gegenwart
Das Konzept des Bildes
Von Thomas Hirsch
Am Anfang jeder ernsthaften Themenausstellung steht die Feststellung wiederkehrender Sachverhalte. Derzeit wenden sich (jedenfalls) drei Ausstellungen der zeitgenössischen Skulptur zu und gehen ihren spezifischen Phänomenen nach. Sie legen diese frei und klären die Verfahren und den „Look“.
Eine Ausstellung im renommierten Museum Morsbroich in Leverkusen widmet
sich der Rolle der Collage bei der Konstitution dreidimensionaler Arbeiten:
dem „Zusammengesetzten“ heutiger Skulpturen, wobei die Verbindungsstellen häufig provisorisch wirken und die Einheit der
Erscheinung relativieren. Unterschiedliche Wirk„Motive und Modi
kehren wieder“
lichkeitsfragmente sind zueinander gesetzt, nach
System und einer Konzeption folgend. In Leverkusen werden dazu sehr verschiedene Positionen vorgestellt, die das Spektrum
zwischen einheitlicher Erscheinung und offen vorgetragener Assemblage mit
unterschiedlichen Materialien umreißen. Durchgehend findet sich die Neugierde der Künstler an den Wirkweisen und Erscheinungen des Heterogenen,
am Disparaten, das wie ein Riss durch die Konstruktion fährt und so deren
Dreidimensionalität betont. „Schnitte im Raum“: ein kluger Ausstellungstitel.
Dass zeitgleich die Ausstellung „Biomorph!“ im Arp Museum Bahnhof Rolandseck stattfindet, ist eine glückliche Koinzidenz. Sie geht anderen Befunden im
Bereich der aktuellen Plastik nach, auf der Grundlage des Werkes von Hans
Arp (1886-1966). Sie stellt seine anthropomorph anmutenden Formulierungen
mit einer homogenen Oberfläche vor – als revolutionäre Neuerung, die bis in
die zeitgenössische Kunst hinein wirkt, und sie zeigt dafür Beispiele. Weitere
Aspekte, die ausgehend von Arps organischer Abstraktion sowohl mit seinen
Arbeiten als auch mit Werken heutiger Künstler angesprochen werden, betreffen das Verhältnis von Gesamtform und detaillierter Strukturierung sowie
die volumetrische Präsenz, die sich sukzessive in den Raum hinein tastet. Dazu
sieht man im Bahnhof Rolandseck etliche hervorragende Werke, etwa von
Tony Cragg, Ernesto Neto und Thomas Rentmeister.
Wenn von der Formensprache von Hans Arp die Rede ist, ist natürlich Richard
Buckminster Fuller (1895 - 1983) nicht fern, und umgekehrt. Umso mehr
macht es Sinn, auf die Werkschau des amerikanischen Architekten, Theoretikers und Ökologen und auf die begleitenden Beiträge jüngerer Künstler im
Marta Herford hinzuweisen. Tatsächlich kehren die Motive und Modi seiner
biomorphen Architektur mit schwebenden Strukturen und geodätischen Kuppeln und sein utopischer Anspruch zumal in jüngerer Zeit
– oft implizit und aus innerer Notwendigkeit – wieder,
hier zu sehen anhand von Werken etwa von Björn Dahlem,
Olafur Eliasson und Michel François. Vor allem hier und
in Leverkusen gibt es zudem weniger bekannte Künstler
zu entdecken. Alle drei Ausstellungen aber zeichnet noch
eines aus: Indem sie die Gemeinsamkeiten hervorheben,
Thomas Hirsch ist
arbeiten sie auch die jeweiligen Eigenheiten heraus – eben
Kunsthistoriker, Kudas, was Stil ausmacht.
rator und Journalist.
Von der Technik hinter den klimatisierten Räumen im Bonner Kunstmuseum
ist nichts zu sehen oder zu hören, dennoch ist die unsichtbare Belüftungsanlage irgendwie symbolisch für die aktuelle Ausstellung „Through the Looking
Brain“. Die sehenden Gehirne sind international renommierte Fotografen, die
nicht grummelig wie Humpty Dumpty aus Lewis Carrols Fortsetzung von
Alice im Wunderland, aber doch kritisch die Welt betrachten. An der Museumsmeile ist jetzt die nie öffentlich gezeigte, international bedeutende
Fotosammlung der Schweizer Zellweger Luwa AG zu sehen, die sich als multinationaler Konzern mit Klima- und Lüftungsanlagen beschäftigt und sich
eine solche Sammlung leistet, deren wertvolle Exponate aber mitarbeiterfreundlich in Büros und Kantinen hingen. Nach dem Eintritt in die verwinkelten Ausstellungsräume lassen die Formate der Fotografien den Betrachter
erst einmal erstarren. Rund sechs Quadratmeter Fläche bei Thomas Ruff, Andreas Gursky oder Jeff Wall werden nicht mehr in der muffigen Dunkelkammer abgezogen. Diese Bilder benötigen schon industrielle Präzisions-Plotter,
um fehlerfrei reproduziert zu werden. Es waren die Söhne der Firmengründer
(Ruedi und Thomas Bechtler, Ruedi Bechtler ist selbst Fotograf) die 1990 die
fotografische Sammlung begründeten, sie gilt heute als eine der besten und
umfassendsten Sammlungen im Bereich konzeptueller, vorwiegend seriell
angelegter Fotografie.
Da sind natürlich alle Größen des Kunstmarkts vertreten, ihre Meisterwerke
hängen wie selbstverständlich in jedem großen Museum weltweit. Darunter
Abzüge die schon oft gesehen wurden, wie die inszenierten Landschaften
von Jeff Wall, das riesige „Paris, Montparnasse“ (1993) von Andreas Gursky,
aber auch die ersten Filmstills (# 25, 1978) von Cindy Sherman. Erstaunliche Entdeckungen kann der Besucher aber auch machen. Ungewöhnlich
wie viele Künstler, die normalerweise nicht mit dem Medium Fotografie
verbunden werden, in dieser Ausstellung vertreten sind. „Psychobuildings“
(1988) nennt da Martin Kippenberger seine Serie aus 85 Alltagsdokumentationen und „zufälliger Landart“. Von Sigmar Polke ist die Fotoserie „Magie
der Dinge“ von 1969 zu sehen. Auch Imi Knoebel hat in dieser Zeit mit serieller Schwarzweiß-Fotografie experimentiert (Projektion I, 1968-71). Fast
ein Jahrzehnt davor hatte Ed Ruscha die Konzeptfotografie in eine neue
Dimension gehoben. Er fotografierte Tankstellen (Gasoline Stations, 1962)
entlang der berühmten Route 66, und das mit absichtlicher Fehlerhaftigkeit.
Langeweile und Gleichgültigkeit scheinen die menschenleeren Darstellungen
zu dominieren.
Menschenleer sind auch die 111 Doppelbelichtungen vom schweizerischen
Künstlerduo Fischli und Weiß, die einen ganzen Raum füllen. Die „BlätterBlumen-Box“ (1998) zeigt Pflanzen, Obst und hin und wieder ein paar
Schmetterlinge. Durch das visuelle Bombardement intensiver bunter Motive,
deren Anachronismus aus fotografischen Stilleben und Naturdokumentation
durch die geschickte Überblendung noch verstärkt wird, zitieren Fischli und
Weiß nicht nur die klassische Moderne, sondern auch die enorme Bilderflut
und die nicht eindeutige Wahrhaftigkeit der fotografischen Abbildung.
Ausstellungen in Leverkusen, Remagen und Herford
„Through the Looking Brain“ im Bonner Kunstmuseum
PETER ORTMANN
„Schnitte im Raum – Skulpturale Collagen“
Bis 21.8. I Museum Morsbroich in Leverkusen
„Biomorph! Hans Arp im Dialog mit aktuellen Künstlerpositionen“
Bis 22.1. 2012 I Arp Museum Bahnhof Rolandseck in Remagen
„Wir sind alle Astronauten. Universum Richard Buckminster Fuller
im Spiegel zeitgenössischer Kunst“ I Bis 18.9. I Marta Herford
“Through the looking brain” I Kunstmuseum Bonn
Bis 25.9. I 0228 77 62 60
25
sammlung
Filmstill aus: Neon Genesis Evangelion, Abbildung: Studio Khara_Universum Film GmbH
„Es gibt keinen großen Bruch“
Anime zwischen Tradition und Moderne. Kurator Stefan Riekeles über die Ausstellung „Proto Anime Cut“ im HMKV im Dortmunder U
Auch wenn die Möglichkeiten der Computergrafik immer ausgefallener und unsichtbarer werden, beim japanischen Anime, einem filmischen
Genre, bei dem man die neueste Technik hinter
den laufenden Bildern immer vermuten würde,
spielt sie nur eine begleitende Rolle. Noch immer
sitzen die Zeichner mit Bleistift und Pinsel vor
Papierstapeln, um den Filmen diese unnachahmliche Optik zu geben.
engels: Herr Riekeles, ist Heidi in Japan in der postatomaren Apokalypse angekommen?
Stefan Riekeles: Aus heutiger Sicht ist Heidi für
Anime interessant, weil in den 1970er Jahren in
Deutschland kaum jemand wusste, dass es eine japanische Produktion war. Andererseits ging auch das
japanische Publikum davon aus, dass es keine japanische Produktion ist, weil es in den Bergen in Europa
spielt und nicht besonders japanisch aussah.
Aber irgendwie erinnern viele Figuren noch heute
an Heidi.
Die großen Augen, auf die Sie anspielen, sind nicht
von den Heidi-Produzenten vorangetrieben worden.
Die lassen sich eher auf eine Entwicklung zurückführen, die von Osamu Tezuka ausging, der in seinen
Comics immer mehr Wert auf die Ausarbeitung der
Augen gelegt hat. Seine Mangas hatten einen großen
Einfluss auf die Entwicklung. Heute existiert ein stereotypes Bild von Anime Figuren, die große Augen und
mindestens noch einen Roboteranzug in der Garderobe hängen haben müssen. Das erklärt sich einmal aus
der Faszination für Zukunftsszenarien, für die Anime
immer ein Medium waren, aber auch aus einer Verweigerung oder der Suche nach Identität jenseits der
japanischen. Das Besondere an den großen Augen ist,
dass es eben keine asiatischen sind, deshalb sind die
so groß.
Von „Godzilla“ bis „Ghost in the shell“ sind viele
Ängste der Japaner auch in die künstlichen Welten,
in sehr spezieller Science-Fiction eingebunden. Inwieweit spielt denn die Hiroshima-Bombe in der
Entwicklung von Anime eine Rolle?
Die Hiroshima-Bombe in Japan ist ein noch immer
sehr schwieriges Thema. Es ist bekannt, dass die Geschichtsaufklärung, wie wir sie für den 2. Weltkrieg
fast exzessiv betreiben, in Japan nicht besonders stark
stattfindet. Es gibt aber in Filmen und Comics diese
Monster und Mutanten, die durch Strahlung jedweder Art aus dem Meer kriechen. Meiner Meinung nach
können die tatsächlich als so eine Verarbeitungslei- werden, dass es den typischen Anime-Look behält,
stung gelesen werden. Vor allem Godzilla, der nur ein der eben immer etwas Handgezeichnetes hat. Man
paar Jahre nach dem Bombenabwurf aus dem Meer sieht das am besten bei den Zeichnungen von Takashi
Watabe, der ganze Räume als 3D
steigt und erst mal Tokio verwüComputermodelle entwirft, die als
stet. Und er hat unzählige Nach„Der Regisseur hat beim
Computergrafik eigentlich relativ
folger – also rumort da was. Die
Anime eine wesentlich
schnell gerändert werden könnten,
Godzilla Filme werden auch nie abstärkere Rolle als im norer druckt sie aber nur als Rastermogeschlossen werden, genauso wie
mal gedrehten Film, weil er
sich die Monster-Ikonografie in tatsächlich die komplette Welt dell aus, zeichnet dann noch mehr
Details ein, scannt alles wieder
den Mangas und Animes fortsetzt.
kontrollieren und die kreaEs gibt also tatsächlich so eine Art tiven Entscheidungen sehr viel ab und danach ist es einfach eine
handgezeichnete Hintergrundvorvon Aktualität der Bombe in der jadirekter umsetzen kann.“
lage. Die Digitalisierung dringt tief
panischen Kultur, und das Bedürfnis sich damit auseinander zu setzen. Diese Kreaturen in die Produktionsprozesse ein, wodurch zum Beispiel
sind ein gutes Medium, um sozusagen zwischen Tech- manche Hintergrundbilder, die wir in der Ausstellung
nik, Kultur, Natur zu operieren und das zu verhandeln. sehen, relativ leer wirken. Bei den Layouts fehlen dann
immer die entscheidenden Stellen, da steht dann nur
Die Filme sind immer ein Gesamtkunstwerk. Domi- ein großes 3D-CG, das ist der Aufruf an die Computergrafik da nachzulegen. Nur die Konzeptentwicklung
nieren die Zeichner sie?
Die Filme sind Gesamtkunstwerke in dem Sinne, dass und ersten Zeichnungen sind immer Bleistiftzeichein ganzes Team daran beteiligt ist und gemeinsam nungen auf billigem Papier. Die tragen aber schon die
ein Kunstwerk schafft. Es gibt einige dominante Stel- Botschaft in sich.
len in der Produktion, in der Entscheidungen getroffen werden, die den Gesamt-Look und den gesamten Das Potential für die Zukunft?
Film durchdringen. Das sind aber nur wenige Positi- Es geht schon in den letzten Jahren immer mehr daonen. Das sind das Storyboard, das Concept Design, rum, große Franchises um einzelne Figuren und eindas Background Design, die Charakterentwürfe, die zelne Storys zu bauen. Die Welt in „Evangelion“ haAnimation und alles koordiniert vom jeweiligen Regis- ben wir hier, aber es gibt Hunderte solcher Universen,
seur. Der Regisseur hat beim Anime eine wesentlich wo es eine ganz enge Medienverknüpfung zwischen
stärkere Rolle als im normal gedrehten Film, weil er Computerspielen, Animes, Mangas, Figuren, Spiele für
tatsächlich die komplette Welt kontrollieren und die Handy und Internetportale gibt. Da wird versucht ein
kreativen Entscheidungen sehr viel direkter umsetzen ganzes Verkaufssystem aufzubauen, das von verschiekann. So gibt es da beispielsweise wenig Verhand- denen Firmen bedient wird die alle auf einen Handlungsspielraum für den Kameramann. Aber der Con- lungsuniversum gründen. Das wird stark zunehmen
cept Designer hat dafür eine wesentlich stärkere Rolle, und auch bei uns wahrscheinlich immer weiter wahrweil er die Welt erschaffen muss und erst mal nach genommen werden.
seinen Kriterien entwirft.
INTERVIEW: PETER ORTMANN
Shinji Aramaki hat 2004 auf der DVD von „Appleseed“ im Interview gesagt, dass er bestimmte
Szenen vorsätzlich einfach gezeichnet hat, um zu
zeigen, welche technischen Möglichkeiten zu der
Zeit möglich waren. Wie weit ist die Animation vorangeschritten?
Das Verblüffende an Anime ist, und das kommt hoffentlich auch durch unsere Ausstellung heraus, dass
es trotz einem Jahrzehnt Digitalisierung immer noch
aussieht wie Anime. Es gibt keinen großen Bruch und
eines der wirklich verblüffenden Erkenntnisse ist,
dass zwar computergenerierte Bilder an allen Stellen
eingesetzt werden, sie zum Schluss so überzeichnet
26
„Proto Anime Cut – Räume und Visionen im
japanischen Animationsfilm“
HMKV im Dortmunder U I Bis 9.10.
0231 496 64 20
ZUR PERSON
Stefan Riekeles (35) studierte audiovisuelle Medien in Stuttgart, Neue Medien in
Zürich und Kulturwissenschaft in Berlin.
Seit 2002 ist er Projektleiter und Kurator
für die „transmediale“, Festival für Kunst
und digitale Kultur Berlin. 2008 gründete
er zusammen mit Andreas Broeckmann
„Les Jardins des Pilotes“.
Foto: Peter Ortmann
kunst-kalender
KLEVE – Museum Kurhaus
www.museumkurhaus.de
Max Pechstein, bis 1.11.
Der Hauptvertreter der deutschen
expressionistischen Malerei in einer
Werkschau
BOCHUM – Kunstmuseum
www.bochum.de/kunstmuseum
Carl Andre, bis 28.8.
Der amerikanische Pionier des Minimalismus
Bildvertrauen/Studio Jaeschke, bis 7.8.
Gegenständliche Malerei und Plastik aus
Deutschland seit den 1970er Jahren
BONN – Kunstmuseum
www.kunstmuseum-bonn.de
Rosemarie Trockel, bis 4.9.
Zeichnungen, Collagen und Entwürfe für
Bücher der bedeutenden Kölner Künstlerin
BONN – Kunst- und Ausstellungshalle
www.kah-bonn.de
Anime!, bis 8.1.2012
Überblick über die Ästhetik und
Produktionsweisen der japanischen
Animationsfilme
BOTTROP – Josef Albers Museum
www.quadrat-bottrop.de
Yuji Takeoka: Museo, bis 11.9.
Werkschau des puristischen Objektkünstlers
BRÜHL – Max Ernst Museum
www.maxernstmuseum.lvr.de
Kurt Schwitters & Ray Johnson, bis 21.8.
Positionen des Dadaismus und Surrealismus
DÜSSELDORF – Kunsthalle
www.kunsthalle-duesseldorf.de
KÖLN – Museum Ludwig
www.museum-ludwig.de
Sternstunden des Glamour, bis 4.9.
Frühe Fotografien zu Mode und Filmstars
KÖLN – SK / Photographische Sammlung
www.sk-kultur.de
August Sander – Sardinien, bis 21.8.
Der berühmte deutsche Fotograf mit seiner
Dokumentation von Sardinien von 1927
KÖLN – Wallraf-Richartz-Museum
www.wallraf.museum
Vasari 500, 19.8.-13.11.
Italienische Zeichnungen des 15./16.
Jahrhunderts aus der Museumssammlung
KREFELD – Haus Esters
www.kunstmuseenkrefeld.de
Latifa Echakhch, bis 25.9.
Die marokkanische Mies van der RoheStipendiatin mit ihren poetischen Werken
LEVERKUSEN – Museum Morsbroich
www.museum-morsbroich.de
Schnitte im Raum, bis 21.8.
Zeitgenössische plastische Kunst, für die
Collage und die Assemblage konstitutiv sind
MÖNCHENGLADBACH – Museum Abteibeiberg
www.museum-abteiberg.de
Tomma Abts, 16.7.-3.10.
Die Turner-Preisträgerin mit einer neuen
Werkgruppe abstrakt geometrischer Malerei
DÜSSELDORF – K 20 Kunstsammlung
www.kunstsammlung.de
Evelyne Axell, bis 3.10.
Werkschau der belgischen Pop Art-Malerin
Move – Kunst und Tanz seit 1960, bis 25.9.
Internationale Koryphäen der Avantgarde
zwischen bildender und darstellender Kunst
DÜSSELDORF – Museum Kunstpalast
www.smkp.de
Das Bauhaus und danach, bis 18.9.
Werner Graeff und weitere Künstler mit Tendenzen zu Einfachheit u. Geometrie um 1950
Metallarbeiten 1920er-1950er J., bis 16.10.
Kunsthandwerk des Art déco und des
Jugendstil aus der Sammlung Giorgio Silzer
DUISBURG – Museum DKM
www.museum-dkm.de
Iran Amlash, bis 24.10.
Beiträge zur eisenzeitlichen Kultur im Norden
des Iran, 9.-8. Jahrhundert v. Chr.
DUISBURG – Lehmbruck Museum
www.lehmbruckmuseum.de
Fabrice Samyn, bis 21.8.
Der belgische Konzeptkünstler im Dialog mit
der Gemälde-Sammlung
ESSEN – Museum Folkwang
www.museum-folkwang.de
Joel Sternfeld, bis 23.10.
Elf Projekte im Werk des US-amerikanischen
Pioniers der Farbfotografie
ESSEN – Villa Hügel
www.villahuegel.de
Krupp Fotografien, bis 11.12.
Einblick in das bedeutende Fotoarchiv
zwischen Repräsentation und Dokumentation
MÜLHEIM a.d. RUHR – Kunstmuseum
www.kunstmuseum-mh.de
OBERHAUSEN – Ludwiggalerie
www.ludwiggalerie.de
Elliott Erwitt, bis 11.9.
Der amerikanische Fotograf mit seinen
Dokumentarfotografien und Hundefotos
RECKLINGHAUSEN – Kutscherhaus
www.kunst-re.de
Legacy Swarm for the Ruhrgebiet, bis 11.9.
Vier internationale Landschafts- und
Naturprojekte im Kutschhaus und im
Erlbruchpark
REMAGEN – Arp Museum Rolandseck
www.arpmuseum.de
Martin Noël. bis 14.8.
Abstrakte Gemälde, Holzschnitte, Zeichnungen
des verstorbenen Bonner Künstlers
SIEGEN – Museum für Gegenwartskunst
www.mgk-siegen.de
Cy Twombly: Photographien, bis 30.10.
Polaroid-Aufnahmen 1951-2010 des
legendären amerikanischen Malers und
Zeichners
Empfehlungen von Thomas Hirsch
27
VISUAL STORIES
AHLEN – Kunstmuseum
www.kunstmuseum-ahlen.de
ヴィジュアル・ストーリー―日本の絵は語る
絵巻ーマンガーアニメ
Die Kunst-Termine NRW
Japans Bilder erzählen: Bildrollen, Manga, Anime
Langen Foundation Neuss. 16/07/2011—06/11/2011
www.langenfoundation.de
Jessica Stockholder, Ohne Titel, 2001, © J. Stockholder / Museum Morsbroich, Leverkusen
zungen
auswahl
Bis Do 1.9. I ab 19 Uhr
RATHAUSPLATZ
Remscheid
REMSCHEID LIVE
mit
-zungen
Foto: I. Arndt, Montage: K. Nikolic
Hottingen, 17. September 1886
Lieber Engels!
Ich weiß nicht, wie groß die Zahl der Briefe und Sendungen, für die ich Dir
Dank und Antwort schuldig bin, und noch weniger weiß ich die Zahl der
Briefe, die ich willens war, an Dich zu schreiben, aber soviel weiß ich, daß die
letztere Zahl die größere. Nimm daher, bitte, die gute Absicht für die Tat, wer
bei dem Nichtschreiben verloren hat, bin ja doch eigentlich mehr ich als Du.
Die Parteikonflikte sind jetzt zwar nicht beigelegt, aber von der Oberfläche
zurückgedrängt.
[…]
Unter diesen Umständen habe ich mich denn nun endlich zu einem Schritt
entschlossen, den man sonst auch am liebsten erst unternimmt, wenn man
weiß, wovon morgen leben. Ich habe mich mit einer „Edin“ versehen. Es ist
eine gute Genossin und bereit, allen Verpflichtungen, die meine Stellung mir
auferlegt, sich zu unterwerfen. Kautskys kennen sie und können Dir näheres
von ihr erzählen. Jedenfalls ist nicht zu befürchten, daß sie mich philiströser
machen wird, als ich ohnehin bin.
Wir haben uns schon seit Jahren gern, aber das verdammte Gefühl, jeden Tag
mein Bündel schnüren zu müssen, ließ mich alle andern Wünsche unterdrücken. Außerdem drückte mich der Gedanke, ich könnte, wenn verheiratet, in
die Lage kommen – denn wir haben beide nichts – einmal aus materiellen
Gründen mich an meinen Posten zu klammern, aber mein Weiberl denkt zum
Glück in diesem Punkt fast noch schroffer wie ich und wird gegebenenfalls
lieber alle Entbehrungen tragen als mitansehen, daß ich meine Überzeugung
prostituiere.
Na, das wäre nun vom Herzen, und nun können wir wieder auf allgemeine
Angelegenheiten zurückkommen.
[…]
Bitte, entschuldige mich bei Kautsky, ich stecke bis über die Ohren in Familienkorrespondenz, Wohnungssuchen etc.
Es grüßt Dich bestens
Noch bis zum September bedeutet
in diesem Sommer wieder jeder
Donnerstag in Remscheid: Bunte
Live-Musik, von Coverbands verschiedenster Stilrichtungen, unter
freiem Himmel auf dem Rathausplatz. Ab 19 Uhr kann sich hier
jeder bei kostenlosem Eintritt einfinden (es muss lediglich einmalig
ein Remscheid-Live-Getränkebecher
erworben werden), zum Feiern und
Entspannen. Das Musikevent geht
bereits in die vierte Runde und verspricht wieder tausende Besucher
aus der ganzen Region anzuziehen.
Bis So 25.9. I 11-18 Uhr
KUNSTHALLE BARMEN
Wuppertal
STREETART
Dein Ede [d.i. Eduard Bernstein]
Eduard Bernstein (1850-1932) war während des Sozialistengesetzes Redakteur der illegalen, in
der Schweiz produzierten und nach Deutschland geschmuggelten Parteizeitung „Der Sozialdemokrat“. Seine damit verbundene unsichere Lebenslage wird in dem Brief angesprochen. Die
Auserwählte hieß übrigens Regina.
engels zungen in der Engels-Stadt:
Wir lassen Zeitgenossen des
Kapitalisten und Revolutionärs zu
Wort kommen, zitieren Briefe an
Wuppertals berühmten Sohn.
.
Quellenangabe: Eduard Bernsteins Briefwechsel mit
Friedrich Engels, Assen 1970, S. 337-341;
Abb.: Francis Ludwig Carsten: Eduard Bernstein 1
850-1932, München 1993, Umschlag
Eduard Bernstein
Dreizehn Künstler aus der ganzen
Welt, die meist unter Pseudonym
auftreten und ihre Maßnahmen
im öffentlichen Raum sozusagen
ungefragt anbringen, verlassen ihr
Terrain – und gehen in die Kunsthalle. Kuratiert vom Hamburger
Rik Reinking, haben die Künstler
hier vor Ort gearbeitet. Sie decken
das Spektrum der künstlerischen
Medien auf hohem handwerklichen
Niveau ab, mit viel Phantasie und
Witz und verblüffenden Effekten.
Und doch – viele Arbeiten verlieren
hier und in diesem Kontext die
Notwendigkeit, die ihnen eigentlich zugrunde liegt: die Verdeutlichung sozialer Missstände und
die subversive Kommentierung
gesellschaftlicher Zustände.
28
Bis So 2.10. I 14-18 Uhr
STÄDTISCHE GALERIE REMSCHEID
Remscheid
STEFAN WISSEL:
LATENTE
RESSOURCEN
Neue Skulpturen des Düsseldorfer Künstlers, der 1960 in
Hamburg geboren wurde und an
den Akademien in Münster (bei
Ulrich Erben) und Düsseldorf (bei
Michael Buthe) studiert hat. Aber
im Gegensatz zu den Werken seiner
Lehrer sind seine Arbeiten extrem
reduziert. Sie bestehen häufig aus
Metallstangen, Gerüsten, metallenen Flächen; konstituierend sind
lineare Verläufe, die einen leeren
Raum umschreiben, teils in offene
Kabinen gesetzt sind, damit wie aus
dem funktionalen Leben genommen
wirken, nur ihrer Funktion beraubt
sind. In ihrer Knappheit deuten sich
erzählerische Momente an, als eine
vage, nicht eingelöste Ahnung.
Di 2.8. I 20 Uhr
DIE BÖRSE
Wuppertal
WORTEX CHARITY SLAM
Der Wortex am 2.8.2011 wird ein
ganz besonderer Poetry-Slam, denn
es ist der erste Benefiz-Slam der
Wortpiraten Wuppertal. Die Börse
und die Wortpiraten spenden alle
Einnahmen des Abends an den Ambulanten Kinderhospizdienst Bergisch
Land, der sich vorbildlich um die
Betreuung von Kindern mit lebensverkürzenden Krankheiten kümmert.
Und auch die Zuschauer können
auf eine besondere Weise spenden:
Abgestimmt wird an diesem Tag
nicht mit Goldmünzen, sondern mit
echtem Geld. Die Slammer, die am
meisten Spenden gesammelt haben,
kommen eine Runde weiter.
Mi 3.8. | 20 Uhr
ELBA-HALLE
Wuppertal
SOMMERLOCH:
CHRISTOF SÖHNGEN TRIO
auswahl
DDas Sommerloch-Festival vermag
dank seines umfangreichen Programms vor allem in musikalischer
Hinsicht das berüchtigte kulturelle
Loch zum Sommer zu stopfen. Das
Christof Söhngen Trio, dem neben
Gitarrist Christof Söhngen noch
die beiden Musiker Jörg Brinkmann (Cello) und Patrick Hengst
(Schlagzeug) angehören, widmet
sich dem zeitgenössischen Jazz
und überzeugt bei den Improvisationen durch intensive und
klangvolle Melodik. Gemeinsam
brachten sie das Album „Il était
une fois“ heraus. Der Eintritt zu
ihrem Sommerloch-Konzert ist
kostenlos.
www.sommerloch-wuppertal.de
Mi 3.8. I 21 Uhr
ALTE FEUERWACHE
Wuppertal
WORTWACHE@HOME
Die Lesereihe, bei der Jörg
Degenkolb-Değerli und Gäste
selbstverfasste und stets unterhaltsame Texte zu verschiedenen
Themen vortragen, präsentiert
sich in diesem Sommer mit einer
Open-Air-Spezialausgabe in der
Alten Feuerwache – also an jenem
Ort, an dem die Wortwache ihren
Anfang fand. Maximal eine Viertelstunde ist jedem Vorleser zum
Vortrag seines Textes gegeben.
Wie auch bei den regulären Wortwachen ist der Eintritt für alle
Zuhörer kostenlos.
Infos: 0202 40 86 99 00
Do 4.8. I 19.30 Uhr
IMMANUELSKIRCHE
Wuppertal
EURO MUSIC FESTIVAL:
CELLO-ABEND
Bereits seit 1998 findet das Euro
Music Festival an wechselnden
Orten in Europa statt. In diesem
Jahr ist Wuppertal der Mittelpunkt des Festivals, zu dessen
Kursen und Konzerten Künstler
aus aller Welt anreisen. Die
Konzerte im Konzertsaal der
Musikhochschule und in der
Immanuelskirche sind für jedermann kostenlos zu besuchen. Am
Cello-Abend im August erfüllen
Emil Rovner, Peter Bruns, Hee
Song Song und das Seoul Soloists
Cello Ensemble die Immanuelskirche mit Stücken von Schuhmann,
Piazzolla und Weinberg.
Sa 6.8. I 21.15 Uhr
PLATZ AN DER LUISENSTRAßE
Wuppertal
OPEN-AIR-KURZFILMABEND
Der Platz an der Luisenstraße
wartet am Abend des 6. August
mit animierten Kurzfilmen fernab
des Mainstreams auf. Der Eintritt
zum Kino unter freiem Himmel
ist kostenlos, ganz im Sinne der
aufgeführten Filme: Gezeigt werden ausschließlich frei zugängliche Creative-Commons-Filme.
Mithilfe dieser speziellen Lizenz
lassen sich Inhalte frei veröffentlichen, um sie einem breiten
Publikum leicht zugänglich zu
machen. Die thematische Bandbreite reicht von humorvollen
über phantastische Filme bis hin
zu Beiträgen, die zum Nachdenken anregen.
Sa 6.8. | 21.30 Uhr
ALTE FEUERWACHE
Wuppertal
TALFLIMMERN:
VORPREMIERE „THE GUARD“
Trotz des anhaltend herbstlichen
Wetters ist das Freiluftkino „Talflimmern“ auch in diesem Sommer
im vollen Gang. Auf der Freilichtbühne im Innenhof der Alten Feuerwache wird den Kinobesuchern
dank eines flexiblen Dachs aus
Planen stets ein trockenes KinoErlebnis geboten. Die Komödie
„The Guard“ mit ihrem schwarzen Humor und den schrulligen
Charakteren überraschte bei der
diesjährigen Berlinale und ist beim
Talflimmern als Vorpremiere zu
29
sehen. Bei schlechter Witterung
empfiehlt es sich trotz der Überdachung, Decken und Sitzkissen
mitzubringen – denn Lachen allein
hält nicht auf Dauer warm. Infos:
Infos: 0202 40 86 99 00
Mo 8.8. | 20 Uhr
ALTER BAHNHOF/SCHALTERHALLE
Solingen
WOLF CODERAS SESSION
POSSIBLE
Mehrmals im Monat trifft sich der
Saxophonist Wolf Codera mit internationalen Musikern, vornehmlich aus dem Bereich des Pop,
um gemeinsam mit ihnen Musik
zu machen. Die Session Possible
wurde aus der ursprünglichen Idee
geboren, Pop- und Soul-Sessions
im Ruhrgebiet zu etablieren, ähnlich den gängigeren Jazz-Sessions.
Während seiner Sessions, die
stets an einem anderen Ort in der
Region stattfinden, stehen die
Spielfreude und der Austausch
der Musiker im Vordergrund. Und
das ist für die Zuhörer überaus
unterhaltsam.
So 14.8. 19 Uhr
SKULPTURENPARK WALDFRIEDEN
Wuppertal
CRISTINA BRANCO & ENSEMBLE
Wie sehr eine warme Stimme die
vermeintlichen Grenzen zwischen einzelnen musikalischen
Genres auftauen lassen kann,
beweist Cristina Branco seit
Jahren. Einst als Nachfolgerin der
Fado-Legende Amália Rodrigues
gekürt, wandte sie sich aber nach
kurzer Zeit auch Spielformen
zwischen Jazz und lateinamerikanischer Musik zu. Neben Bossa
Nova-Rhythmen kamen ab dem
April Tango-Stücke ins Spiel. Das
Urgestein Rodrigues wich langsam
der Begeisterung für Sängerinnen
wie Ella Fitzgerald, Billy Holliday
auswahl
oder Janis Joplin. Mit Ricardo J.
Dias am Piano, Bernardo Couto
an der portugiesischen Gitarre,
Carlos M. Pruenca an der Gitarre
und Bernardo Moreira am Bass
hat sie musikalisch stilweites und
–sicheres Ensemble um sich, das
auf einen multinationalen Konzertabend einstimmen dürfte. Bereits
am Tag davor ist im Rahmen des
Klangart-Festivals ein anderes
Konzert im Skulpturenpark zu
Gast. Mit dem Portico Quartet
kommt eine Jazz-Fraktion, die
eher Richtung Elektor und Indie
schlägt.
Infos: 0202 317 29 89
So 14.8. I 19.30 Uhr
FREIBAD MIRKE
Wuppertal
SOMMERRESIDENZ:
TANZ-IMPROVISATION
Ab August eröffnet der Kunstkomplex im Freibad Mirke mit
der „Sommerresidenz“ bis zum 4.
September einen Ort für Kunst
und Kultur. Daheimgebliebene
können hier durch eine Freiluftgalerie wandeln, Künstlern bei
der Arbeit zusehen oder an vielfältigen Kulturveranstaltungen
teilnehmen. Wegen technischer
Mängel bleiben die Schwimmbecken des historischen Freibads
in diesem Sommer leider ohne
Wasser, aber dank der Sommerresidenz auch nicht gänzlich
leer: Absolventen der Folkwang
Universität der Künste nutzen
das Becken am zweiten AugustWochenende für eine abendliche
Tanzperfomance.
Fr 19.8. I 19.00 Uhr
ELBA-HALLE
Wuppertal
SOMMERLOCH: LESEBÜHNE
STRÄTER & SALMEN
Zum Sommerloch 2011 füllen sich
die ehemaligen Industriehallen an
der Wupper wieder mit Menschen
und Kultur. Neben dem umfangreichen Musikprogramm gibt es
noch mehr Unterhaltung für die
Ohren: Die beiden Autoren, Poetry
Slammer und „Bühnenleser“ Patrick Salmen und Torsten Sträter
treten beim Sommerloch mit
Geschichten, Poesie, Kabarett und
Comedy gegen kulturelle Leere im
Sommer an. Auch außerhalb des
Festivals sind sie in Wuppertal
jeden Monat mit ihrer Lesebühne
in der Shakespeare-Live!-Akademie zu sehen. Der Eintritt zu ihrer
Sommerloch-Lesebühne kostet 5
Euro.
Fr, 26.8. I 19 Uhr
WALDBÜHNE HARDT
Wuppertal
LUXUSLÄRM
Mit „1000km bis zum Meer“ hat alles angefangen, jetzt hat Luxuslärm
den Durchbruch geschafft. Über
100.000 verkaufte Alben, Platz 13
der offiziellen deutschen Album-
charts mit dem zweiten Album
(„So laut ich kann“), eine ECHONominierung und über 5 Millionen
Aufrufe bei Youtube. Nun sind sie
auf Deutschlandtour und machen
Halt in Wuppertal. Nichts wie hin.
So, 28.8. I 19 Uhr
WALDBÜHNE HARDT
Wuppertal
ELEMENT OF CRIME
Nichts neues eigentlich, aber
immer wieder schön. Die Band
um Autor Sven Regener spielt auf
der Wuppertaler Waldbühne: Eine
Band, die 1985 beim legendären
AtaTak-Label ihr erstes Album
aufnahm und seither zwölf Studioalben geschaffen hat, hätte viel
zu erzählen: von Düsseldorf und
dem Pyrolator, von London und
30
John Cale, von den Anfängen in
den klammen Kellern der Westberliner Postpunk-Szene. Und all
die Tourgeschichten aus den 80er,
90er und 00er Jahren, und das
immer mit derselben Crew, wer
kann das schon bzw.: wer will das
schon? Element of Crime. Eben.
Mi 31.8. | 19.30 Uhr
HISTORISCHE STADTHALLE
Wuppertal
WUPPERTALER MUSIKSOMMER:
KONZERT DER DOZENTEN
Mit dem August kommt auch der
„Musiksommer 2011“. Bis Ende
September finden die Internationalen Meisterkurse statt, geleitet
von Dozenten der Hochschule für
Musik und Tanz des Standorts
Wuppertal. Ort des Unterrichts ist
die Hochschule selbst, die Konzerte werden im MendelssohnSaal der Historischen Stadthalle
aufgeführt. Gleich zu Beginn des
Musiksommers stellen sich die
diesjährigen Dozenten und Dozentinnen Ende August in einem
Konzert vor, das jedem kostenlos
zugänglich ist.
ZUSAMMENGESTELLT VON
INGA SELCK, MAREN LUPBERGER UND
THOMAS HIRSCH
AKTUELLELLE EMPFEHLUNGEN
AUCH UNTER:
WWW.FACEBOOK.COM/ENGELSKULTUR
magenbitter
service
VERLOSUNGS-BOX
Foto: Presse
Die Feder vom Vogel Greif
Foto: Kurt Bouda, pixelio.de
Warum die Leber der Kultur so schmackhaft ist
I want to fly like an eagle
Till I'm free
Oh, Lord, through the revolution (Steve Miller)
Von Peter Ortmann
Immer wenn ich auf mein Konto schaue, denke ich an Griechenland. Immer wenn ich an Griechenland denke, schaudert es mich. Direkt nach der
Volksschule wollte man mich auf ein altsprachliches Gymnasium schicken, wo ich in der Sexta mit Griechisch beginnen sollte. Meine damalige
Klassenlehrerin fand das wohl schick, ich fand allein die Vorstellung beklemmend, rettete mich in eine „normale“ Penne, wo ich „nur“ mit Latein
startete. Auch die damals in Stuttgart stattgefundene Uraufführung von
Carl Orffs „Prometheus“, bei dem die Götter nebst Okeaniden-Chor zweieinhalb Stunden lang auf altgriechisch plapperten, hätte meine Aversion
gegen das altsprachliche kaum abbauen können, außerdem wusste ich
damals noch nichts von Orff und dieser Inszenierung. Das kam erst später, als Schellentrommeln, Xylophone und die allseits beliebte Triangel
den Musikunterricht verfeinerten und das Orff-Schulwerk mächtig „in“
war. Dieser Lautewirrwarr führte später zu einer meiner ersten LPs: „Ceremony“ von Pierre Henry zusammen mit Spooky Tooth und zu weiteren
Henry-Werken. Irgendwie war das echte Avantgarde. Orff mochte ich
damals noch gar nicht. Aber der Prometheus hat mich wieder eingeholt. 2012 kommt er in einer Inszenierung des aus Samoa stammenden
Künstlers Lemi Ponifasio zur Ruhrtriennale, selten gespielt wird er, aber
im Ruhrpott mit 800.000 Euro Steuergeldern vom Bund gefördert. Ich
frage mich sofort in welche Taschen die wohl wandern und nehme für
den flauen Magen mal ein Gläschen Feuerwasser, die hochprozentige
Flüssigkeit hat schließlich mehr Kultur vernichtet als Armeen.
Gleichzeitig kämpft das Bochumer Theater ums Überleben. Das in Wuppertal tut es ohnehin. Hier wie dort fehlt eine ähnliche Summe, nicht
für ein Highlight oder eine bauliche Maßnahme. Nein, schlicht für den
ganz normalen Betrieb. Wie geht das zusammen? Welchen Wert hat da
der Prometheus noch? Ist es nicht so, dass der irgendwann einmal Feuer
und Kultur zu den Menschen gebracht hat, auch wenn davon heute eher
die Fernsehköche partizipieren? Aber auch der alte Kultur-Titan hatte es
nicht leicht. Den Göttern missfiel der ganze Aufwand. Schließlich konnte es nur einen geben und der hieß Zeus. Er ließ den Unsterblichen in
die schlimmste Einöde des Kaukasus (und nicht Hindukusch) verschleppen, wo er unsere Freiheit verteidigte. Gefesselt an einen Felsen musste
er dort ausharren, ohne Mahlzeit, Freibier und Schlaf. Und dann kam
täglich Adler Ethon und zerbiss seine Leber. Glücklicherweise war der
Recke kein Alkoholiker und nicht sterblich. So ähnlich müssen sich Theaterintendanten heute in Deutschland einig Vaterland fühlen. Kultur ja,
aber ohne Speis und Trank. Dazu die Kämmerer, die an den Eingeweiden
fressen. Na wir alle wissen, wie diese altsprachliche Tragödie ausging:
Ganz im Sinne der Uraufführung 1968: Als Herakles Prometheus befreite, erschlug er Ethon. Nun will ich ja gar nicht sagen, dass dies auch
heute noch eine zeitgenössische Lösung ist – oder doch?
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Women’s Run Köln: Am 13. August startet
der 4. Reebok Women’s Run am Tanzbrunnen in Köln unter dem Motto „Laufen, lachen und relaxen“. 6.000 Frauen werden erwartet, die eine attraktive Strecke von fünf
oder acht Kilometern laufen oder walken
können. Das Konzept aus Sport, Spaß und
Entspannung überzeugt Jahr für Jahr mehr Frauen. Und die kommen nicht
nur aus Köln, sondern auch aus dem Ruhrgebiet oder sogar Luxemburg.
Informationen unter www.womensrun.de. engels verlost 5 Startplätze.
E-Mail bis 9. 8. an [email protected], Kennwort: Womens Run
Kölner Musiknacht: Zum ersten Mal setzen
die Organisatoren der Kölner Musiknacht mit
dem Thema Stimme einen Schwerpunkt, der
sich durch alle musikalischen Genres zieht. Und
so klingt (und singt!) Köln am 10. September
wieder an allen Ecken und Enden und zeigt die
Vielfalt der Freien Musik. Um 19 Uhr treten
die Multiinstrumentalisten Verena Guido und Adrian Ils im Belgischen
Haus auf. Ihre Musik bewegt sich im weiten Feld der Weltmusik, des
Jazz, der Klassik und des Chanson. Für die Musiknacht haben sie neben
Liedern aus der jiddischen Tradition u.a. auch Arbeiter- und SchubertLieder ausgewählt. engels verlost 2x2 Tickets für das Konzert. E-Mail
bis 29.8. an [email protected], Kennwort: Musiknacht
Remscheid live: Pünktlich zum Beginn der
warmen Jahreszeit findet mit „Remscheid
live“ zum vierten Mal ein Open Air-Spektakel auf dem Rathausplatz statt. Auch 2011
werden professionelle Cover-Bands unterschiedlicher Stilrichtungen auftreten. Vom
14. Juli bis zum 1. September kann man
donnerstags von 19 bis 22 Uhr bei guter Livemusik, unter freiem Himmel
und vor allem bei freiem Eintritt gemeinsam die Sommerabende genießen. engels verlost 5x2 Pfandbecher inkl. je 3 Getränkemarken. E-Mail
bis 10. August an [email protected], Kennwort: Remscheid live
Claudius Therme: Die Claudius Therme im Kölner Rheinpark ist eines der
schönsten Thermalbäder Europas. Am Samstag, den 13. August ist die Claudius Therme von 9-24 Uhr nur für weibliche Gäste geöffnet und bietet ein
einzigartiges Sonderprogramm nur für Damen, die von der Wellnessabteilung, der Gastronomie sowie dem Bad- und Saunateam rundum verwöhnt
werden. Live Musik, Kosmetikaktionen, besondere Aufgüsse und Peelings
in entspannter Atmosphäre und einem exklusiven Ambiente lassen diesen Besuch zu einem außergewöhnlichen Erlebnis werden. engels verlost
5x2 Gutscheine für den Damentag XXL bzw. Tagesgutscheine für Männer.
E-Mail bis 9. August an [email protected], Kennwort: Therme
IMPRESSUM
Herausgeber:
engels Verlag
Joachim Berndt, Büro Köln
Maastrichter Str. 6-8, 50672 Köln
E-Mail: [email protected]
Tel. 0221 272 52 60, Fax: -88
Redaktion:
Dawid Kasprowicz (v.i.S.d.P.), Inga Selck
Mitarbeit an dieser Ausgabe:
Frank Brenner, Lutz Debus, Valeska von Dolega,
Hartmut Ernst, Thomas Hirsch, Dagmar KannComann, Kim Ludolf Koch, Thomas Linden, Maren
Lupberger, Karsten Mark, Christian Meyer, Peter
Ortmann, Sebastian23, Inga Selck, Martin Thelemann, Olaf Weiden, Christian Werthschulte, HansChristoph Zimmermann, Andreas Zolper
Grafik: Michael Hennemann,
Mathias Mortag, Katharina Olma
Anzeigenverwaltung:
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Dr.-C.-Otto-Str. 196, 44879 Bochum
www.berndt-media.de
Tel. 0234-941910, Fax -9419191
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Karin Okniewski
Druck:
Henke Druck
Verbr. Auflage:
14.915 Ex. IVW II/2011
Alle nicht gesondert gekennzeichneten Bilder
sind Pressefotos.
8.2011
www.engels-kultur.de
DIE ANONYMEN
ROMANTIKER
EIN FILM VON JEAN-PIERRE AMÉRIS
www.die-anonymen-romantiker.de
ab 11.8. im Kino

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