mit teilstandardisiertem Gesprächsleitfaden

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mit teilstandardisiertem Gesprächsleitfaden
Der qualitative Zugang zur Realität
Qualitative Befragung (Gruppendiskussionen, qualitative Einzelinterviews)
mit teilstandardisiertem Gesprächsleitfaden
Dr. Beate Großegger: STEP 5
Ablaufschema einer sozialwissenschaftlichen Studie
Konzeptualisierung
Erkenntnisinteresse – forschungsleitende Fragestellung: Was will ich wissen? (Warum?)
Theorie
Stand der Forschung: Forschungsliteratur erarbeiten, Sekundär(daten)analyse
Konkretisierung der forschungsrelevanten Fragestellungen; Begriffsdefinitionen; Exposé
Empirie
•
Bestimmung des Auswahlverfahrens: Wer soll untersucht werden?
Definition der Untersuchungsobjekte (MerkmalsträgerInnen); Auswahl der Untersuchungsobjekte
•
Dimensionierung: Was soll untersucht werden?
zu untersuchende Dimensionen/Merkmale/Variablen werden festgelegt
Operationalisierung/Formatierung: Wie soll das untersucht werden?
!Erhebungsverfahren und Erhebungsinstrument (z.B. Focus Groups; Gesprächsleitfäden)
Erhebung
Auswertung
Berichtslegung
Dr. Beate Großegger: STEP 5
1.) diskussionsbasierte Verfahren: Focus Groups und Gruppendiskussionen als „Klassiker“ der
qualitativen Befragung
Dr. Beate Großegger: STEP 5
Gruppendiskussionen/Focus Group: die Methode
Spontaner Gedankenaustausch in der Gruppe – WICHTIG: quasi-natürliche Umgebung!
Die Methode geht von der Annahme aus, dass das Gespräch zwischen Menschen die
ursprünglichste Form der Meinungsbildung ist
Gruppendiskussionen/Focus Groups
• dienen zur Exploration von Meinungen und Einstellungen in einer bestimmten
Zielgruppe (TeilnehmerInnen-Stichprobe)
• gewinnen im Bereich der Motivanalyse im kommerziellen und nicht-kommerziellen
Sektor immer mehr an Bedeutung
• sehen TeilnehmerInnen als ExpertInnen ihrer eigenen Lebenswelt
• liefern Antworten auf Fragen, die für die Analyse eines sozialen Phänomens von
großer Bedeutung sind, vom ForscherInnenteam aber vielleicht noch gar nicht
berücksichtigt wurden (Generierung neuer Forschungsfragen, Vertiefung der
Perspektive)
Dr. Beate Großegger: STEP 5
Gruppendiskussionen/Focus Group: Wie geht man vor?
Gemäß den Zielen des Forschungsplans wird eine Stichprobe gezogen
• 7 bis 12 Teilnehmer (Prinzip der Anonymität; Teilnehmer sollen sich nicht kennen;
alters- und geschlechtshomogen)
• Dauer: 1 bis 3 Stunden
Es wird ein teilstandardisierter Interview-/Gesprächsleitfaden erstellt
Ein Grundreiz dient quasi als „Ankick“ der Diskussion
• „tieferliegende“ Meinungen unter Nutzung der Gruppendynamik „raus-kitzeln“;
spontane Reaktionen provozieren
Häufig: ergänzend zur Diskussion kurzer schriftlicher Fragebogen mit den wichtigsten
demographischen Merkmalen (Alter, Geschlecht, Schulbildung)
Transkription; Auswertung plus Dokumentation auf Video!
Dr. Beate Großegger: STEP 5
Theoretische Konzepte: Gruppendiskussionsverfahren im deutschsprachigen Raum
1.
•
•
Das Individuum in einer öffentlichen Gesprächssituation: Frankfurter Schule (Horkheimer/
Adorno)/Institut für Sozialforschung – 1950er Jahre
Gruppendiskussionen als Alternative zur isolierten Befragung der klassischen
Umfrageforschung
Diskussion in der Gruppe soll die öffentliche Gesprächssituation nachbilden; Ziel: tiefer
liegende politische Meinungen/latente Einstellungen aufdecken
2. Das Modell der informellen Gruppenmeinung: Mangold – 1960er Jahre
• geht davon aus, dass die Gruppenmeinung nicht in der Diskussionsrunde produziert, sondern
lediglich aktualisiert wird
• die Diskussionsteilnehmer sind Repräsentanten eines bestimmten Kollektivs/einer bestimmten
Gruppe und vertreten in der Diskussion die dort vorherrschende Gruppenmeinung
3. Das Modell des interpretativen Aushandelns von Bedeutung
• 70er Jahre: in der Gruppendiskussion werden durch die Interaktionen der
Diskussionsteilnehmer Bedeutungen ausgehandelt und so Meinung(en) produziert
Dr. Beate Großegger: STEP 5
Theoretische Konzepte: Gruppendiskussionsverfahren im angelsächsischen Raum
1. Focus Groups
•
•
•
von Merton – 1950er Jahre: als neues Verfahren in der Rezeptionsforschung zur
Wirkung von Propagandasendungen im 2. Weltkrieg eingeführt
Focus Groups werden als reines Pre-Test-Verfahren gesehen (Generierung von
Forschungsfragen und Hypothesen)
Gruppe wird aus einander nicht bekannten, nach dem Zufallsprinzip ausgewählten
Personen zusammengesetzt
2. Group Discussions
•
•
•
CCCS – 1970er Jahre
Gruppen werden als Vertreter eines Kollektivs (meist Klasse/Schicht) verstanden
und daher nach bestimmten demographischen Kriterien (Beruf, Ausbildung, Alter)
zusammengesetzt
Konzept der „interpretative community“: man geht davon aus, dass milieu-bzw.
klassenspezifische Codes in der Diskussion repräsentiert werden
Dr. Beate Großegger: STEP 5
2.) leitfadengestützte qualitative Interviews (= Einzelinterviews) als weitere wichtige Variante der qualitativen
Befragung
Dr. Beate Großegger: STEP 5
Qualitative Interviews – fokussierte, problemzentrierte Interviews: Wie geht man vor?
… so wie bei Gruppendiskussionen
Gemäß den Zielen des Forschungsplans wird eine Stichprobe gezogen
• Die StudienteilnehmerInnen werden zu Einzelinterviews eingeladen
• Dauer: 1 bis 2,5 Stunden
Es wird ein teilstandardisierter Interview-/Gesprächsleitfaden erstellt
Ein Grundreiz dient quasi als „Ankick“ der Diskussion
• „tieferliegende“ Meinungen „rauskitzeln“; spontane Reaktionen provozieren;
ev. biographisch-narrative Passagen initiieren
Häufig: ergänzend zum Interview kurzer schriftlicher Fragebogen mit den
wichtigsten demographischen Merkmalen (Alter, Geschlecht, Schulbildung)
Transkription; Auswertung plus Dokumentation auf Video!
Dr. Beate Großegger: STEP 5
Focus Groups oder qualitative Einzelinterviews?
Vorteil der Gruppendiskussion
• mehr Argumente aus verschiedenen Blickwinkeln!
• Strategische Nutzung der Gruppeninteraktion, um Daten/Einsichten zu
bekommen, die in Einzelinterviews nicht zu bekommen wären!
Problem bei Gruppendiskussionen: dominante TeilnehmerInnen/Schweiger!
Qualitative Einzelinterviews sind sinnvoller:
•
•
•
•
bei sensiblen Themen, bei denen zu erwarten ist, dass das Phänomen der
Schweiger besonders stark durchschlägt,
bei Fragestellungen, bei denen sehr detailliert subjektive Sichtweisen und
Handlungsstrategien des/der Einzelnen interessieren,
bei Fragestellungen, bei denen die Berücksichtigung des biographischen
Hintergrunds relevant ist,
wenn qualitative Typologien gebildet werden sollen
Dr. Beate Großegger: STEP 5
Ablaufschema einer sozialwissenschaftlichen Studie
Konzeptualisierung
E r k e n n t n i s i n t e r e s s e !forschungsleitende Fragestellung: Was will ich wissen? (Warum?)
Theorie
S t a n d d e r F o r s c h u n g : Forschungsliteratur erarbeiten, Sekundär(daten)analyse
Konkretisierung der forschungsrelevanten Fragestellungen; Begriffsdefinitionen; Exposé
Empirie
Bestimmung des Auswahlverfahrens: Wer soll untersucht werden?
8 Definition der Untersuchungsobjekte (MerkmalsträgerInnen); Auswahl der Untersuchungsobjekte
O p e r a t i o n a l i s i e r u n g/ D i m e n s i o n i e r u n g : W a s s o l l u n t e r s u c h t w e r d e n ?
8 zu untersuchende Dimensionen/Merkmale/Variablen werden festgelegt
O p e r a t i o n a l i s i e r u n g/ F o r m a t i e r u n g : W i e s o l l d a s u n t e r s u c h t w e r d e n ?
8 Erhebungsverfahren und Erhebungsinstrument (z.B. Focus Groups; Gesprächsleitfäden)
Erhebung
Auswertung
step 5 / SS 2008 !dr. beate großegger
Interpretation
Forschungsbericht; Management Summary
Was kommt dann noch?
• Erhebung
• Datenaufbereitung
• datennahe Analyse
• Interpretation
• Ableiten von Konsequenzen
• textierter Endbericht
Erhebung
Auswertung
Interpretation
Forschungsbericht; Management Summary
Dr. Beate Großegger: STEP 5
Von der Arbeit „im Feld“ zum fertigen Endbericht
1. Datenerhebung
2. Datenbeschreibung
3. Datenerfassung (Transkribieren/bandbassierter Protokolle,
Codieren) und inhaltsanalytische Auswertung – thematische
Systematisierung
4. Interpretation – interpretative Systematisierung
Dr. Beate Großegger: STEP 5
Datenbeschreibung
Infos zur Erhebungssituation sowie Kontextinformation zum Fall =
interpretationsrelevant
(Achtung: Anonymität der GesprächsteilnehmerInnen wahren)
• „Feldtagebuch“
• „Postscriptum“ (detaillierte Fallnotizen)
• Fall- bzw. Personenprofile Anknüpfungspunkt: Memo-Schreiben in der Grounded Theory (CodeNotizen, theoretische Notizen, Planungsnotizen) – Tool zur Entwicklung analytischer Ideen
und Grundlagenmaterial für die Publikation
Dr. Beate Großegger: STEP 5
Schritt 1: Daten erfassen und aufbereiten – drei Varianten
a. Erstellung eines Gesprächsprotokolls als Grundlage für protokollbasierte
Auswertungen: ist für unseren Bedarf (= inhaltsanalytische Bearbeitung/
Auswertung der Gesprächsdaten) zu ungenau
b. Erstellung eines bandbasierten Protokolls: alle Passagen, die für die
Beantwortung der Forschungsfrage relevant sind (das sind in jedem Fall alle
im Gesprächsleitfaden als Leitfadenfrage operationalisierten Fragen) werden
transkribiert; ausgenommen sind lediglich Fragen, die als reine Faktenfragen
gestellt werden (= Antworten auf Faktenfragen werden nicht im Originalwort
erfasst!) – Grundlage für systematische vergleichende Analysen auf hohem
sozialwissenschaftlichen Niveau
c. Erstellung einer kompletten Transkription – (nur) bei narrativen
Erhebungsverfahren (z.B. narrativ-biographische Interviews) und
rekonstruktiven Auswertungsverfahren sinnvoll und notwendig; ACHTUNG:
hier gibt es diverse Transkriptionsregeln; in der Berichtslegung müssen die
Transkriptionsregeln in jedem Fall erläutert werden
Dr. Beate Großegger: STEP 5
Bandbasiert protokollieren: Transkription nach Kuckartz u.a. 2008
1. Es wird wörtlich transkribiert, also nicht lautsprachlich oder
zusammenfassend. Vorhandene Dialekte werden nicht mit transkribiert.
2. Die Sprache und Interpunktion wird leicht geglättet, d.h. an das
Schriftdeutsch angenähert. Beispielsweise wird aus „Er hatte noch so’n Buch
genannt“ – „Er hatte noch so ein Buch genannt“.
3. Alle Angaben, die einen Rückschluss auf eine befragte Person erlauben,
werden anonymisiert.
4. Deutliche, längere Pausen werden durch Auslassungspunkte (…) markiert.
(Institut für Jugendkulturforschung: Längere Pausen werden durch eine in
Klammer gesetzte Anmerkung erfasst – als Anm. kenntlich gemacht)
5. Besonders betonte Begriffe werden durch Unterstreichungen
gekennzeichnet. (Institut für Jugendkulturforschung: Besondere Betonungen
werden in einer Anmerkung vermerkt – als Anm. kenntlich gemacht)
Literatur: Udo Kuckartz u.a.: Qualitative Evaluation. Der Einstieg in die Praxis. (2., aktualisierte Auflage). Wiesbaden: VS Verlag. 2008
Dr. Beate Großegger: STEP 5
Auswertung von Gesprächsdaten
Die
Auswertung erfolgt zweistufig:
1. die Ergebnisse werden einer thematischen Systematisierung
unterzogen; Ziel: Zugang zu lebensweltlichen Wissensbeständen
erhalten und Aufschluss über lebensweltrelevante Themen bekommen
2. mittels interpretativer Systematisierung werden subjektive
Deutungsmuster sowie Handlungsmotive und handlungsleitende
Wissensbestände rekonstruiert.
Analyse und Interpretation erfolgen unter Berücksichtigung von Ergebnissen
vorliegender qualitativer und/oder quantitativen Studien zum Thema
(Stichwort: Stand der Forschung).
„Mit Theoriegeleitetheit ist gemeint, daß der Stand der Forschung zum
Gegenstand und vergleichbaren Gegenstandsbereichen systematisch bei allen
Verfahrensentscheidungen herangezogen wird.“ (Mayring 2003: 45)
Dr. Beate Großegger: STEP 5
Teil-standardisierter Gesprächsleitfaden als 1. grober Analyseraster
Wissenschaftliche Fragestellung (abstrakte
Formulierungen, Meta-Ebene – können als
Themenüberschriften im GLF dienen):
Frage 1: ................................
Gesprächsleitfaden – Übersetzung in die
Alltagssprache der zu Befragenden:
....................................
!Frage(n):
Frage(n): ....................................
Frage 2: ................................
Frage 3: ................................
Frage 4: ................................
!
....................................
!Frage(n):
!
....................................
!Frage(n):
!Frage(n): ..................................
Frage 5: ................................
Frage 6: ................................
Dr. Beate Großegger: STEP 5
Frage(n): ....................................
Auswertungsverfahren
weniger komplex, weniger „wissenschaftlich“
komplexer und „wissenschaftlicher“, weil betont
regelgeleitet („systematisch“)
Deskriptiv-reduktive Analysen • mittels Kodierung/
Kategorisierung
a) Cut-and-Paste-Technik
•
Interpretativ-reduktive Analysen
mittels Kodierung/Kategorisierung
a) Qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring
b) Thematisches Codieren
Ziel ist es hier in erster Linie, die
erkenntnisrelevanten Infos im
(thematischen) Überblick
darzustellen
•
MAFO: informationsermittelnde
Funktion von qualitativer
Forschung
Dr. Beate Großegger: STEP 5
•
Rekonstruktive
Analyse-Verfahren – hier nicht
behandelt
a) Dokumentarische Interpretation (Bohnsack)
b) Objektive Hermeneutik (Oevermann)
Die Cut-and-Paste-Technik (rein deskriptiv!)
1. Aus den Fragestellungen/dem GLF wird ein Kategoriensystem entwickelt
(Kategorien/Dimensionen; Kodiereinheiten/Analyseeinheiten – Wörter, Sätze,
Phrasen
oder Statements – z.B. Statement für Statement codieren)
2. Der Forscher/die Forscherin, der/die die Daten analysiert, nimmt am Gespräch teil
3.
Es wird ein Video-/Audioprotokoll des Gesprächs erstellt
4. Forscher/Forscherin schreibt direkt im Anschluss an das Gespräch ein Memo
(zentrale Inhalte, Zwischenergebnisse, auch offene Fragen)
5.
Transkription jener Passagen, die für die Fragestellung(en) relevant sind
6. Ordnen des Materials: einzelne Textpassagen werden den forschungsleitenden
Fragestellungen/Themenstellungen zugeordnet (Fragen an den Text herantragen;
Um-/Zusammenkopieren
am Computer)
7. IN DER MAFO ÜBLICH: Ergänzend zum thematisch geordneten Material wird ein
stichpunktartiges, zwei- bis dreiseitiges Resümee (Key Outcomes) erstellt:
Zusammenfassung der zentralen Ergebnisse plus ausgewählte Original-Zitate; in
der akademischen Forschung: klassischer Forschungsbericht!
Dr. Beate Großegger: STEP 5
In-vitro-Codes
In-vivo-Codes
•
•
•
Analytische Perspektive und
daran angelegte
Begrifflichkeit
Beispiel „Dimensionen/
Qualitäten von TVUnterhaltung aus Sicht der
ZG“: „schräger Humor“
Dr. Beate Großegger: STEP 5
•
Veranschaulichung durch „words
of relevant mouth“
Beispiel „Dimensionen/Qualitäten
von TV-Unterhaltung aus Sicht der
ZG“/„schräger Humor“: „Lustig,
weil total behindert“
Strukturierung: Arbeiten mit einem Kategoriensystem
Was sind Kategorien?
Wenn man die Alltagssprache bemüht, kann man sich Kategorien als Themenschlagworte
vorstellen (Merkmalstypus, der durch zusammengefasste Merkmale entsteht)
!
Prinzip der Klassifikation (Zuordnung/Nicht-Zuordnung oder Rangfolge/Intensität
der Ausprägung)
!
„Kategorien stellen Abstraktionen vom Material dar. Für die Kategorienbildung
muß (...) eine Verdichtung der Information vorgenommen werden.“
(Bilandzic/
Koschel/Scheufele 2001: 102)
!
Bei der Kategorienbildung geht es um ein Aufteilen des Textes in inhaltliche
Segmente.
Orientierungskategorien sind im Idealfall durch Themenüberschriften bereits im
Gesprächsleitfaden festgelegt. Ein Grobgerüst für eine inhaltsanalytische Bearbeitung
von Gesprächsdaten kann/sollte auf Basis der theoretischen Vorarbeiten (Ausloten des
Standes der Forschung) sowie einer intensiven Brainstormingphase, die der Erstellung
des Erhebungsinstruments vorgelagert ist (Stichwort: Dimensionierung) bereits vor der
ersten Sichtung des Materials erfolgen.
Dr. Beate Großegger: STEP 5
Qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring (Mayring 2003: 98)
Dr. Beate Großegger: STEP 5
Thematisches Codieren nach Flick (1996)
•
•
•
•
1. Schritt: Kurzbeschreibung des Falls (fallbezogene Analyse)
Eine für den Fall typische Aussage: das Motto des Falls
Kurzinfo zur Person
Kurzinfo zu Umfeldbedingungen und Location
Die zentralen Themen, die im Interview angesprochen worden sind
(Variante: mit O-Ton!!)
2. Schritt: thematisches Codieren (fallübergreifender Vergleich)
• Das Material wird nach thematischen Bereichen/Begriffen „sortiert“
• Bei Flick wird aus den zuerst analysierten Fällen eine „thematische
Struktur“ entwickelt, die die Grundlage für die Analyse der weiteren
Fälle dient
Dr. Beate Großegger: STEP 5
Vergleichsanalyse =
komparative Analyse
1. Vergleich ähnlicher Fälle:
• dient der Absicherung der Geltungsbereichs
2. systematischer Vergleich von Extrem und „Mainstream“:
• dient der Ausweitung des Geltungsbereichs der Analyse – höhere
Generalisierbarkeit der Ergebnisse
Dr. Beate Großegger: STEP 5
ACHTUNG: Die Qualität der Auswertung beeinflusst maßgeblich die Qualität der
Dateninterpretation!
Dr. Beate Großegger: STEP 5
Thematisches Codieren: konzeptuelle Basics
• geht von der Annahme aus, dass in unterschiedlichen sozialen Welten bzw.
unterschiedlichen sozialen Gruppen unterschiedliche Sichtweisen anzutreffen
sind; Ziel ist, Erkenntnisse über gruppenspezifische Sicht- und Erfahrungsweisen
zu entwickeln
• Sampling ist an den Gruppen orientiert, deren (lebensweltliche) Perspektiven und
(Alltags-)Erfahrungen für das zu untersuchende Phänomen besonders relevant
sind – Stichprobenbildung: „bewusste Auswahl“ (theoriegeleitete Überlegungen)
• Datenerhebung folgt dem Prinzip „Vergleichbarkeit durch strukturierende
Vorgaben plus inhaltliche Offenheit“: Vergleichbarkeit durch Vorgaben von
Themen bei gleichzeitiger Offenheit für die Perspektiven und Erfahrungen der
Gesprächspartner
• Verallgemeinerungen basieren auf Fall- bzw. Gruppenvergleichen (Typenbildung
möglich!)
Dr. Beate Großegger: STEP 5
In der Forschungspraxis heißt das
1.
•
•
2.
Material wird reduziert und systematisiert 1: Paraphrase – Zusammenfassen der
„Hard Facts“
WICHTIG: keine Wertungen, keine unscharfen Formulierungen/keine
Eventualsätze
Erstellen eines Kategoriensystems
Material wird reduziert und systematisiert 2: Zuordnung zu
einer Themenkategorie (ermöglicht systematischen Vergleich, ist Grundlage für
Bildung qualitativer Typologien) – Vercoden des Materials
•
Originalzitate – wörtlich!!
In-vivo-Codes sind für die Interpretation relevant und können in der Darstellung
der Ergebnisse beispielhaft (veranschaulichend) miteinbezogen werden
ACHTUNG: Transkription ist notwendig! (Originalzitate können dazu dienen, das
Typische/Allgemeingültige im Einzelfall aufzuzeigen und lebensweltliche Deutungen/
Sinnkonstruktionsprozesse verständlich zu machen oder – in der Kontrastierung mit
anderen Fällen – die Spezifik des Einzelfalles aufzuzeigen)
Dr. Beate Großegger: STEP 5
Fallvergleich als Grundlage
für Entwicklung qualitativer Typologien
Was heißt Typologie? – Eine Typologie = Konstruktion von
Merkmalsräumen:
•
•
•
ordnet eine Vielzahl von Objekten in überschaubare Gruppen
Merkmalskombinationen = Zusammenhänge von Merkmalen
Extremgruppenvergleiche auf Basis von Typologien möglich!
-
-
Idealtypen: generalisierende Elemente; weisen den Weg zur
Hypothesenbildung (sind aber keine Hypothesen)
Realtypen: Abweichungen vom idealen Typus
Dr. Beate Großegger: STEP 5
„Der
Idealtypus ist ein Instrument, also ein Mittel der
wissenschaftlichen Erkenntnisbildung, ein Gedankengebilde, das
erstellt wurde, um ein soziales Phänomen verstehen zu können, ein
scharfes Werkzeug, das man weglegt, wenn man es nicht mehr
braucht oder wenn es stumpf geworden ist.“ (Richter 2002: 44f)
Dr. Beate Großegger: STEP 5
„Schöne neue Arbeitswelt“: vier Mentalitäts-Typen
Persönliches
Lösungskonzept
Kein persönliches
Lösungskonzept
Modernisierungssensible:
Nicht-Modernisierungssensible:
neue Arbeitswelt bedeutet Überforderung
neue Arbeitswelt bedeutet nicht Überforderung
Die „Traditionell-Soliden“
Die „Eigeninitiativen“
Suche nach langfristiger Sicherheit;
Berufswahl, die kaum Karrierechancen,
aber dafür Stabilität bietet
flexibel, motiviert, setzen auf Eigeninitiative;
Gefahr, den persönlichen
Handlungsspielraum zu überschätzen
Die „Orientierungslosen“
Die „Nicht-Jetzt-Akteure“
„Modernisierungsverlierer“ – keine
konkreten Berufsziele; Mangel an
Qualifikationen; Mangel an Flexibilität
und Selbstmanagement
Geringes Reflexionsniveau; Bildungs- und
Berufsentscheidungen werden hinausgezögert; Problemgruppe in der Phase des
Berufseinstiegs – höhere Bildungsschichten!
Institut
für Jugendkulturforschung
Dr. Beate
Großegger: STEP 5 im Auftrag des BMSG (2005): Jugend und Beschäftigung – Wege in die Arbeitswelt
Typologie als Zielgruppensegmentierungstool
Persönliches
Lösungskonzept
Kein persönliches
Lösungskonzept
Modernisierungssensible:
Nicht-Modernisierungssensible:
neue Arbeitswelt bedeutet Überforderung
neue Arbeitswelt bedeutet nicht Überforderung
Die „Traditionell-Soliden“
Suche nach langfristiger Sicherheit;
Die „Eigeninitiativen“
Berufswahl, die kaum Karrierechancen,
aber dafür Stabilität bietet
tendieren dazu, den persönlichen
Handlungsspielraum zu überschätzen
Erwartungen: Angebote zu sinnvoller
Freizeitgestaltung, Ausgleich zu
Ausbildung/Beruf, Kontakte zu anderen
Menschen (Hobbyisten)
Erwartungen: Nutzenaspekt –
Suche nach spannenden Angebote „on demand“,
die Entwicklungsmöglichkeiten akzentuieren
(fachlich und Persönlichkeit)
Die „Orientierungslosen“
„Modernisierungsverlierer“ – keine
Die „Nicht-Jetzt-Akteure“
konkreten Berufsziele; Mangel an
Qualifikationen; Mangel an Flexibilität
und Selbstmanagement
Berufsentscheidungen werden hinausgezögert – bildungsnahe Jugendliche
Erwartungen: keine!
aufsuchende Strategien notwendig, um die
Zielgruppe zu erreichen; hoher Bedarf an
Qualifizierung, aber geringe Motivation
Dr. Beate Großegger: STEP 5
flexibel, motiviert, hohe Eigeninitiative;
Geringes Reflexionsniveau; Bildungs- und
Erwartungen: Angebote die Kreativität
fördern und einen Kontrast zum monoton u.
entfremdend empfundenen Schul-/ Studienalltag
bieten; eher wenig Realitätssinn, instrumenteller
Nutzen nicht im Vordergrund (Selbverwirklicher)
Dateninterpretation
•
Der theoretischer Hintergrund wirkt wie eine Brille, durch die man
die Daten sieht – entscheidet darüber, was man sieht
•
Stichwort „kommunikative Validierung“: Team-Arbeit und MemberCheck als Mittel der Qualitätssicherung
Dr. Beate Großegger: STEP 5
ACHTUNG: Interpretationen dürfen nicht selbst-erfüllende Prophezeiungen sein
1. Augenmerk auf Anomalien legen
•
•
Gerade das, was am Material irritiert, ist wichtig
Kritische Selbstreflexion und offen sein: sich irritieren lassen, um nicht in
eigenen Vorannahmen bzw. Vorurteilen stecken zu bleiben
2. Die Beziehung zwischen Material und Kontext begründen/ argumentieren
•
Dazu gehört auch, dass man hypothetische Annahmen tätigt, in welchen
Kontexten das zu interpretierende Phänomen sonst noch auftauchen könnte
und in welchen Kontexten das nicht denkbar wäre
3. Methodische Betonung des Zweifels: „Nur wenn man Vertrautes anzweifelt
(...), stellt man eine Frage, die über bereits Bekanntes hinausführen
kann“ (Lueger 2000: 76) •
Die quasi-sokratische Deutungstechnik nach Hitzler zeigt vor, wie das in
einer ForscherInnengruppe funktionieren kann
Dr. Beate Großegger: STEP 5
www.hitzler-soziologie.de
www.jugendszenen.com
Prinzip quasi-sokratischer Deutungstechnik nach Hitzler
•
Erste hermeneutische Schleife: Expliziere, was Du – z.B. in einer
Textpassage oder an einem anderen Artefakt – zu sehen meinst,
und plausibilisiere – gegen meinen Deutungswiderstand –,
aufgrund welcher, wiederum explizierbarer Kriterien Du zu sehen
meinst, was Du zu sehen meinst!
•
Weitere hermeneutische Schleifen: Expliziere, was Du nach dem
Durchgang durch die erste hermeneutische Schleife zu sehen
meinst, usw.
Dr. Beate Großegger: STEP 5
Als Grundregel für die Interpretation gilt:
Bei den ersten Interpretationsschritten besonders gründlich sein:
Zeit zum Nachdenken lassen, im Team über Interpretationsmöglichkeiten diskutieren, mit Hitzlers
„quasi-sokratischer Deutungstechnik“
arbeiten!
Für die erste Interpretationsphase gilt:
„Langsamer = schneller“ – fördert die Qualität des Gesamtergebnisses!
Dr. Beate Großegger: STEP 5

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