35/1930 - Volkskundemuseum

Transcrição

35/1930 - Volkskundemuseum
TS'fvn r i n T ^ n ^
.0 3
l
V'
A - 1 -
’•
b ,
W 'O V
'
'.Ai
.•
Wiener Zeiisehrifi
für Volkskunde.
(Vorm als Zeitschrift für österreichische
Volkskunde.)
H erausgegeben vom
VEREIN
FÜR
VOLKSKUNDE
i n W ie n .
G e le ite t von
Prof. Dr. Michael Haberlandt.
XXXV. J a h r g a n g 1930.
Mit 6 T a fe ln u n d 3 T e x ta b b il d u n g e n , T ite l un d Inh a ltsv e rz e ich nis.
Inhaltsverzeichnis des 35. Jahrgangs.
A b h a n d lu n g e n u n d k l e in e r e M itt e ilu n g e n .
Seite
Lily W e i s e r - A a l l :
Di e L a d e n s c h l a n g e (m it 2 A b b i l d u n g e n ) . . .
E m m e r i c h P r e t t e n h o f e r : A p u lisc h e F e l d h ii t te n u n d die Trulli
v o n A l b e r o b e l l o ......................................................................................................
1
6
Gisela
Mayer-Pitsch:
V olkskundliches a u s dem M ü rz ta l.
. .
11
Gisela
M ayer-Pitsch:
A r b e i ts li e d b e i m P i l o t e n e i n s c h l a g e n . .
16
.................................................................
17
Heinrich Jungwirth:
B e i t r ä g e z u m A b e r g l a u b e n im o b e r e n
M ü h l v i e r t e l ...............................................................................................................
33
R u d o l f K r i s s : V o l k s r e l ig i ö s e O p f e r b r ä u c h e in J u g o s l a v i e n (m it
4 B i l d e r t a f e l n ) ................................................................... • ...................................
49
A r t h u r H a b e r l a n d t : F ü h r e r d u r c h d ie S a m m l u n g e n d e s M u s e u m s
fü r V o l k s k u n d e in W i e n ...................................................................................
81
P ro f. D r . A do lf H a uffen f
J.
M a n n i n e n : K u g e l k l a p p e r u n d H illebille (m it 2 B ild e rta f e ln u n d
3 A b b i l d u n g e n ) ......................................................................................................
141
G isela'M ayer-Pitsch:
W e i h n a c h t s b r ä u c h e in Knittelfeld un d
U m g e b u n g ...............................................................................................................
148
Gisela
W e t t e r g l a u b e ...................................................
151
O s t e r e i e r im B u r g e n l a n d e ................................
152
Peter
Jandrisevits:
Eugen
Karl
M ayer-Pitsch:
Frischauf:
O esterreichische H eim atm u seen
..................
155
H o r a k : D a s V o lk slied in d e r t s c h e c h o s l o w a k i s c h e n R e p u b lik
157
B u c h b e s p r e c h u n g e n (1—5 0 ) ....................... 10—25, 6 9 —80, 132— 136, 159- -166
............................
137
T ä t i g k e i t s b e r i c h t d e s V e re i n e s u n d M u s e u m s für V o l k s k u n d e fü r d a s
J a h r 1929 ....................................................................................................................
26
H o f r a t P r o f e s s o r M ic h a e l H a b e r l a n d t ’s 70. G e b u r t s t a g
Die Ladenschlange.
V on Dr. L i l y - W e i s e r - A a l l ,
Oslo.
M it z w ei A b b ild u n g e n .
Das Museum für Volkskunde in Wien besitzt eine hölzerne
Schlange aus dem Grödenertal, die über einer W iege an der W and
befestigt gewesen sein soll. Professor A. Haberlandt machte mich
auf diesen Gegenstand aufmerksam und erzählte mir von ähnlichen
Schlangen, die früher in Greislereien über dem Ladentisch aufge­
hängt waren. Dadurch angeregt, suchte ich über die Verbreitung
und Geschichte dieser Schlangen Klarheit zu gewinnen.
In der mir bekannten deutschen volkskundlichen Literatur
w uß te ich sie nirgends erwähnt. Auf einer W anderung durch Tirol
sah ich in Sterzing in mehreren Geschäften besonders schön ge­
arbeitete hölzerne, einfarbig braune Gestänge über dem Laden­
tisch; zwei Schlangen, deren Köpfe oder Schwänze in der Mitte
kunstvoll verschlungen waren. Meist waren die gähnenden Köpfe
mit ausgestreckter Zunge, deutlichen Zähnen und Augen an den
beiden Enden der Stangen. In Graz fand, ich in einer großen
Drogerie ein ähnliches Gebilde, das aber an Stelle der Schlangen­
köpfe in zwei Fischweibchen endigte. Dozent Geramb erinnerte
sich, hölzerne Schlangen in Graz und auf dem Lande in ver­
schiedenen Läden gesehen zu haben. Auf meine schriftlichen Um­
fragen habe ich folgende Antworten erhalten. Leider habe ich
keinen Namen für den Gegenstand erfragen können und nenne ihn,
bis ich einen besseren höre, LadenschlangéT
Dr. Frischauf, Eggenburg, Niederösterreich, teilte mir mit,'
solche Ladenschlangen in Museen und Kaufläden recht oft gesehen
zu haben. In Eggenburg hängt eine Schlange mit - einer großen
Krone auf dem Kopfe heute noch in einem Geschäft. Dr. Frischauf
vermutet, d aß die Ladenschlange die Berechtigung zum Verkaufe
von Kolonialwaren anzeigen solle, wie bei Apotheken die Alliga­
toren den Verkauf überseeischer Heilmittel. „Alle älteren Kaufleute,
mit denen ich sprach, fassen diese Schlangen als Zeichen der Ge-
2
Werbeberechtigung auf.” Inzwischen ist eine bemalte Schlange aus
Golclegg, Salzburg (Abb. 1) vom Museum für Volkskunde in Wien
erworben worden.
Professor Brunner beschreibt mir eine Ladenschlange
der staatlichen Sammlung für Volkskunde in Berlin folgender­
m aßen: „Eine etwa 3 m lange Stange mit Lanzenspitze,
um welche sich zwei Schlangen winden, aus Schlesien und als
Ladenschlange bezeichnet. Es ist ein sehr schönes Stück mit Be­
malung und geschnitzten Blumen an verschiedenen Stellen der
Stange.”
Abb. 1. Kopf ein e r L a d e n sc h la n g e . G old egg, Salzburg.
(M useum für V olk sku nd e, Wien.)
Hofrat J. Leisching, erinnert sich an eine L. im Loferer Tal
(Pinzgau) und teilt mir von Oberlehrer Fiala mit, d aß es solche
auch im Pongau gibt. „Sie sind meist grün und rot bemalt, meist
auch doppelköpfig. Goldgestickte seidene Brusttücher, Kopftücher
und ähnliches hängen an ihr.”1)
Ganz ähnlich werden die L. in Schweden geschildert.2)
Im Museum in Stenbrohült hängt ein Drache mit Flügeln, rotem
Rachen und schwarzgrünem Körper, auf den blaue und w éiße •
1) S a l z b u r g e r M u s e u m s b l ä t t e r 6. Nr. 2, s. 3.
V ir d e s ta m . B o d d r a k a r . F o lk m in n e n
bd. 12, H. 2, S. 23-26.
- ) O o tth .
och
Folktankar
1925,
3
Schuppen gemalt sind. Hyitèn-Cavallius berichtet aus seiner
Schulzeit (um 1820), d aß in jedem Geschäft in Växjö „eine
u n g eh e ure/ho lzg eschn itzte, reichbemalte Schlange oder D rache”
hing. 1865 wird diese Angabe bestätigt mit der Bemerkung: solche
L. habe ich in meiner Kindheit auch in den skanischen Kramereien
gesehen. Auch in Mariestad gab es eine L., deren Körper
weiß, der Rachen rot und die Augen blau gemalt waren. Alle diese
Holzstangen trugen Haken, an die W agen und Schnüre gehängt
wurden. Ueber den Körper selbst pflegte man Tücher und andere
W aren zu hängen. Von den hier erwähnten schwedischen L. haben
alle, a u ß e r dem Drachen aus Stenbrohult, die Gestalt einer langen
Schlange ohne Flügel.
Ueber vergleichbare Gegenstände mit Schlangenmotiv bekam
ich bei meinen Umfragen über die L. folgende Auskünfte: Professor
Heerwegen teilt mit, d aß er weder im germanischen Museum in
N ürnberg noch sonst in der Stadt oder Umgebung Nürnbergs L.
gesehen habe. Dagegen sind Holzschlangen zum Aufhängen der
Hüte in älteren Bierwirtschaften der S tadt und in den ländlichen
G asthäusern der näheren und weiteren Umgebung sehr häufig,
ebenso in der Oberpfalz, Mittelfranken, der fränkischen Schweiz,
Thüringen, selten in Unterfranken, schließlich in München. Das
Altonaer Museum besitzt, wie mir Professor Lehmann mitteilt, keine
Ladenschlange. Eine doppelköpfige Schlange als Pfeifenhalter auf
einem T abakskasten der Biedermeierzeit desselben Museums zeigt
die Beliebtheit des Schlangenmotivs als Halter und Träger.
Die meisten mir bekanten L. sind längliche Bretter aus einer
oder zwei Schlangen bestehend, an die allerhand Gegenstände
gehängt werden. Außerdem wird einmal ein Drache erwähnt, der
an die exotischen Tiere in älteren Apotheken erinnert. Die L. ist
über ein weites Gebiet verbreitet: Tirol, Salzburg, Steiermark,
Niederösterreich, Schlesien, Süd- und Mittelschweden. Mehr konnte
ich bis jetzt über Aussehen und Verbreitung des Gegenstandes nicht
erfahren.
Ich möchte durch diese Zusammenstellung auf den Gegen­
stand aufmerksam machen und zur weiteren Sammlung hierher­
gehörigen Materials anregen.
Im folgenden will ich andeuten, welche Erw ägungen für die
Erforschung der Geschichte der L. m. E. grundlegend sein müssen.
Auffallend sind zwei Berichte über Bestimmung und Zweck
der Ladenschlange. Oberlehrer Fiala sagt über die L. im Pongau:
4
„Die Schlange, vornehmlich ihr Blick — das Auge ist meist auffällig
ausgezeichnet — soll die Kunden bannen, die Lust zum Kaufen er­
wecken. Für den Händler selbst ist sie ein Symbol des Glückes.”
Der erwähnte Drache in Schweden wurde 1865 von einem Kaufmann
hergestellt und über den Ladentisch gehängt. Er hatte die Aufgabe,
Leute zum Geschäft zu ziehen (dra folk), über die Kasse zu wachen
und dem Inhaber guten Gewinn zu bringen. Diese beiden Angaben
sind sicher unabhängig voneinander, und deshalb ist ihre Uebereinstimmung wichtig. Man hat den Eindruck, d aß es sich um alte
Ueberlieferung handle. Virdenstam meint auch in Uebereinstimmung
mit Hyltèn-Cavallius, der die L. „ein heiliges Symbol aus der
grauesten heidnischen Vorzeit” nennt, alle diese Gegenstände hätten
ursprünglich einem magischen Zweck gedient.
Ob es sich wirklich so verhält, muß erst untersucht werden.
Die L. findet sich in Schweden vor allem in Läden, in denen Ge­
würze und Kräuter verkauft wurden, die ähnlichen Huthalter in
Deutschland sind in W irtshäusern üblich, also an Stellen, die dem
Verkehr besonders offen sind und in regster Verbindung mit den
Städten stehen. Wie schon angedeutet, hatten besonders Apotheker
ausgestopfte fremdländische Tiere in ihren Läden aufgehängt. In
der Medizin früherer Zeiten spielten neben seltenen Tieren sogar
Fabeltiere eine gewisse Rolle. Man schrieb dem Drachenfleisch und
Fett g roß e Heilwirkung zu,3) so-dienten Fabeltiere auch als W a h r­
zeichen für Apotheken. W eit verbreitet und auch heute noch ge­
bräuchlich ist das Einhorn.4) Auch Basilisken hat man verwendet.
Von einem ist eine Abbildung vorhanden, dieses Exemplar w ar aus
einem Rochen und W achtelfüßen hergestellt.5) Besonders beliebt
waren Schlangen in der älteren Heilkunde, es wurde Schlangen-ölsalz-fleischküchlein verkauft.6) Auf einem Stich von 1622 sieht
man in einem pharmazeutischen Laboratorium neben den ver­
schiedensten ausgestopften Tieren auch zwei lange, wellenförmig
geschwungene Schlangen w agerecht an zwei Haken, wie Laden­
schlangen an der Decke hängen.7)
3) H e r m a n n P e t e r s , A u s p h a r m a z e u t i s c h e r V o rz eit in Bild u n d W o r t
( N e u e F o l g e ) 156.
4) e b d .' 160.
5) ebd . 154, A bb. 61.
e) 32 ff.
T) Vgl. a u c h P e t e r s , A r z t u n d H e ilk u n s t in d e u t s c h e r V e r g a n g e n h e it .
M o n o g r a p h i e n z u r d e u ts c h e n K u ltur u n d G e sc h ic h te . 3.
5
Auf Abbildungen von Apotheken aus älterer Zeit, oder in
Museen aufgestellten Apotheken habe ich sonst keine L. gesehen,
immer nur ganze, meist ausgestopfte Tiere. Trotzdem ist die Frage,
ob die Ladenschlange aus der Stadtapotheke stammen könnte,
ernstlich zu erörtern.
Man muß zwischen der L. und dem ganzen Tier scheiden.
Die L. ist ein Nutzgegenstand, ein Halter oder Träger, das ganze
Tier ein Symbol oder Reklamemittel. So wird es auch z. T. auf­
gefaßt. Unter dem Bilde einer Nürnberger Apotheke um 16008)
steht, das ausgestopfte Krokodil solle dem Laden ein geheimnis­
volles Gepräge geben. Die Annahme liegt nahe, d aß das Aufhängen
exotischer Tiere, wohl auch der Fabeltiere, au s dem Süden stammt
und mit den ausländischen Heilmitteln eingeführt wurde.
Die einfache Stange (ohne Tierköpfe), die an zwei Haken
von der Decke hängt, ist auch aus Darstellungen römischer Kauf­
läden bekannt.^) Die Sache ist so einfach, d aß sie überall erfunden
sein kann. In einer Zeit, in der man fast alle Hausgeräte mit Tier­
köpfen zu schmücken begann, könnte auch sie Tier- vor allem
Schlangenköpfe erhalten haben. Die L. aus Schlesien im Berliner
Museum, eine Stange, um die sich zwei Schlangen winden, erinnert
sehr an den Stab des Äskulap oder an das Kerykeion des Hermes.
Beide Symbole würden gut für Läden, der Äskulapstab besonders
für solche, in denen Heilmittel verkauft werden, passen. Aber­
gläubische, halb scherzhafte Vorstellungen von geldbewachenden
oder geldbringenden Drachen, vom bannenden Blick, könnten sich
dann leicht aus zweiter Hand an die Tiere und an die mit Tierköpfen
versehenen Stangen angeschlossen haben.
Bedeutungsvoll ist aber die Tatsache, d aß deutlich gekenn­
zeichnete Augen, ein gähnender Rachen mit Zähnen und ausge­
streckter Zunge stehende Züge an der L. zu sein scheinen. Das
sind wohlbekannte, alte volksm äßige übelabwehrende Motive und
deuten, w as bei einem so einfachen Gegenstand, wie die L. sehr
wahrscheinlich ist, auf eine volkstümliche Herkunft. Der Form nach
sehr gut vergleichbar (Abb. 2) sind die Kronstänger in Dalarne in
Schweden, kurze Querstangen, die in Tierköpfe endigen und die
auf den beiden Längsbalken des Hauses ruhen. Verschiedene
Gegenstände werden an ihnen aufgehängt. Auf den ältesten Stücken
s ) P e t e r s , A r z t etc. A b b. 82.
9)
0 . Jä h n , R ö m is c h e H a n d w e r k s z e i c h e n . B e ric h t d e r
G e se lls c h a ft d. W is s. 1861, T a fe l XI, 2, S. 371; T a fe l IX, 9; XIII, 1.
s ä c h sisc h e n
6
sind noch romanische Motive erkennbar, ihre Vorlagen sind also
sehr alt.10)
Wahrscheinlich hat beides, das städtische Gewerbezeichen
und das bäuerliche G erät zusammen die L. ergeben. Es ist die reiz-
Abb. 2. Ko pfen de einer K ro ns ta nge. SollnÖ, D aia rne, Sch weden .
(Nach S. Erixon.)
volle Aufgabe einer weiteren Untersuchung diese Fragen zu klären,
die sich mit Hilfe des mir bekannten und hier vorgelegten Stoffes
vorläufig nicht entscheiden lassen.
Apulische Feldhütten und die Trulli von Alberobello.
V on Dr. E m e ri c h P r e t t e n h o f e r .
In meinen „Beiträgen zur Sardischen Volkskunde” (Heft 4/5
u. 6 des Jahrg. 1926 d. Zeitschr.) habe ich bei „Hausbau” angeführt,
daß die Mehrzahl der Feldhütten Apuliens und alle Dorfhäuser in
Alberobello bei Bari kegelförmige Reisigdächer trügen. Dies be­
ruhte auf einer Mitteilung Professor Taramollis, die ich hinsichtlich
des Dachmateriales m ißverstanden hatte. Die Besonderheit der
Trulli oder Caselle genannten Feldhütten Apuliens, die sie von
allen anderen Italiens unterscheidet, sind nämlich die hohen, kegel­
förmigen Dächer, die massiv aus grauem K a l k s t e i n (Chiancarelle) ohne Bindemittel aufgeschichtet werden. Sie haben in dem
Gebiete von Trani im Norden bis zur Linie Francavilla-Castellanetta
im Süden einen durchaus einheitlichen T ypus und sind so zahlreich,
daß sie dem Landschaftsbilde sein Gepräge geben.
10)
S ig u r d E rixon, F a t a b u r e n 1917 u n d U p m a r k -F e s t s c h r i f t 1925,
S. 45 ff. m it T a f. 21— 23.
K r o n s la n g e n k a m e n in g a n z S c h w e d e n
v o r , a b e r n u r in
D a rl a r n e in d e r W e is e ge sc h n itz t. F ü h r e r d u rc h S k a n s e n s K u l t u rg e s c h i c h t ­
liche A b te ilu n g 1925, S. 50.
Das Bedürfnis nach Feld- und Hirtenhütten zur Nächtigung,
Schutz vor Unwetter, Aufbewahrung der Geräte ist in Apulien
noch g rö ßer als in allen anderen Teilen Italiens, denn hier ist die
Konzentration der Bevölkerung in Städten am stärksten, sind
Einzel- und Weilersiedlungen am seltesten von ganz Italien. Es
folgen in der Bevölkerungs-Zusam m endrängung in absteigender
Linie: Sardinien, Basilicata, Sizilien, Campanien, Latium, Calabrien,
die sämtlich den Durchschnitt für ganz Italien übersteigen. Trotz
des rein landwirtschaftlichen C harakters Apuliens wohnen 67.7%
seiner 2.3 Millionen Einwohner in Städten von mehr als 10.000 Ein­
wohnern, nur 7% in Einzelsiedlungen — in den Emilia dagegen
55% , fast ebenso viele in den Märkten und in Umbrien.
Bis vor einem halben Jahrhundert dienten diese Hütten
hauptsächlich den Hirten, denn bis dahin w ar Apulien ein W eide­
land, durchzogen von Tratturi, den grasigen W and erstraß en, auf
denen die Herden der Abruzzen hierher zur W interweide getrieben
wurden, um in Frühjahr auf denselben W egen in ihre Berge zurück­
zukehren. Jetzt aber sind 52.8% Apuliens Ackerland (gegenüber
einem Durchschnitt von 45.4% in ganz Italien), da ist d a s Be­
dürfnis nach Feldhütten zur Saat- und Erntezeit noch dringender
wegen der größeren Anzahl der fern von der W ohnstätte ar­
beitenden Personen.
Apulien ward von einem flachgewmlbten bis 686 m an­
steigenden Rücken von Kreidekalk durchzogen, dessen hellgraue,
stark geschichtete Platten, die aus der seichten Ackerkrume häufig
zu T age treten, liefern das Baumaterial. Das Land ist waldarm,
cias Kalkbrennen daher verhältnism äßig kostspielig. Man zieht vor,
die überall reichlich zur Hand befindlichen, leicht in Handstücke zu
teilenden Steinplatten ohne Bindemittel übereinander zu schichten
(murare a secco), braucht dabei mit dem Materiale nicht zu sparen,
im Gegenteile, je mehr Steine man aus dem Felde wegbringt, desto
besser. Die Feldhütten sind daher hier geräumiger als in allen
anderen Teilen Italiens. Ihre Form ist auf dem ganzen Gebiete des
Kalkrückens, Le Murge, kreisrund. Am Ostrande bei Trani fand ich
solche mit quadratischer Basis, die dann stufenförmig zum Kegel
übergingen. In der Höhe ober der Türe — Fenster fehlen meist —
verengt sich die konzentrische Lage der Steinschichten durch
Vorkragen allmählich zum falschen Gewölbe. Das Dach ist kegel­
förmig, durch die übereinander liegenden, 2— 4 fingerdicken Stein-
8
platten gebildet, endet in eine breite Steinplatte, seltener in ein
steinernes Kreuz oder in einen Steinkopf.
A ußer dem Gebiete der Murge, am Tavoliere von Foggia
und am Mte. Gargavo, wo nicht mehr dasselbe Steinmaterial vor­
handen ist, werden die Dächer kleiner, deutlich vom Trullo a b g e­
setzt, sie sind manchmal zementiert, haben eine flache Kuppel.
In Calabrien sah ich bei Sibari viereckige Feldhütten, aus
runden Geschieben geschichtet, bei Potrone runde, stets mit kegel­
förmigen Schilfdach, am A etna viereckige aus Lava mit kegel­
förmigen Schilfdach, südlich von Catania runde, gemauerte Hütten.
Im übrigen Sizilien besteht die Feldhütte meist aus einem meter­
hohen Steinbau (ohneKalkm örtel), von dem aus Stangen oder Rohre
sich zum kegel- oder pyramidenförmigen Dache Vorhängen, das mit
Stroh — daher der Dialektname pagghiaru für Feldhütte — oder
Buschwerk, insbesondere Ginster gedeckt ist. (S. Pitré, La Famiglia . . . del Popolo Siciliano, Palermo, 1913, S. 79 flgd.). Bei
Sezze Romane südlich von Rom sieht man Feldhütten mit ovalem
Grundrisse aus Rohr.
Die apulischen Hütten haben mit den viel kleineren, weil aus
weniger handlichem Material (viel größeren Blöcken von Granit,
T rachyt) hergestellten sardischen Hütten nur das falsche Gewölbe
gemeinsam, kegelförmige Steindächer mit gar keiner anderen Land­
schaft.
Ebenso einzig steht die .Weiterbildung dieser für einzel­
stehende Feldhütten geschaffenen B auart für Zwecke der D auer­
siedlung in-der geschlossenen S tadt Alberobello da. 64 km süd­
östlich von Bari liegt sie über 400 m hoch, inmitten eines einstigen
W aldgebietes, hat ihren Namen von den damaligen mächtigen
Eichbäumen, zählt 5850 Einwohner.
Ihr Bild unterscheidet sich wesentlich von dem aller anderen
apulischen Städte. Sonst sieht man inmitten endlos w ogender
Felder und silbriger Olivenhaine auf den Anhöhen dichtgescharte
Stadtsiedlungen, die hohen Häuser meist weißgetüncht, oft mit
flachen Dächern, die zur Anlage von Zisternen dienten — die ein­
zige Versorgung in dem quellenlosen Lande bis zum Ausbau der
großartigen W asserleitung (1906— 1926), die durch ein Netz von
2700 km das W asser des Sele-Gebietes vom W estabh ang e des
neapolitanischen Apennins 270 Gemeiden Apuliens zuführt —
überragt von romanischen Kirchen mit Kuppeln, altersbraunen
Kastellen, von hohen Palmen gesäumt. Aber mitten in dem W ellen­
lande voll Mandel-, Oliven-, W eingärten überrascht uns der An­
blick eines ganz anders gearteten Stadtbildes, nämlich von Alberobello: niedere Häuser drängen sich an- und übereinander, mit
lOOOen von hohen Zipfelmützen-Dächern in dunkelgrauem Stein,
die scharf von den w eißgetünchten Häusern sich abhebend in
bizarrer Himmelslinie zum blauen Firmament ragen.
Kleine Gruppen einzelstehender Feldhütten finden sich zum
gegenseitigen Schutze zusammen in dem einstigen Brigantenlande
Sizilien, in der Umgebung der 14 km südöstlich von Alberobello
gelegenen Stadt Mantiva Franca. Hier in Alberobello aber sind wir
in einer geschlossenen Stadt. Mehr als 2/3 der Häuser haben die
Form der Feldhütten; die Anpassung an die Bedürfnisse der Dauer­
siedlung: mehr als e i n Wohnraum, das Aneinanderreihen der
Häuser zu einer Straßenfront stellt neue Anforderungen an diese
primitive, nur für freistehende, einräumige Hütten geeignete Bau­
weise. Diesen geänderten Zwecken wurde nicht durch Aenderungen,
sondern durch Summierung der Trulli entsprochen.
Jeder W ohnraum ist Einzelbau mit eigenem Kegeldach. Dort
wo beide Kreise sich berühren, ist eine Verbindungstüre zwischen
den Trulli angebracht.
Die toten Winkel zwischen den mehreren Rundbauten des­
selben Hauses und zwischen den Häusern der geschlossenen
Straßenzeile sind durch niedere Mauern gegen die S traße ab­
gegrenzt und entweder durch eigene kleine Kegeldächer oder durch
niedrige Ausbuchtungen der anstoßenden eingedeckt. Hiedurch
wird die Absonderlichkeit des S traß en- und Stadtbildes noch erhöht.
Die so gewonnenen niedrigen Nebenräume dienen als Feuer­
stellen, Vorratskammern u. s. w. Die Mauern sind oft 2 m dick.
Nur durch das Gewicht der Steinmasse ist es zu erklären, daß
die heftigen Stürme den ohne Bindemittel aufgeschichteten Dächern
nichts anzuhaben vermögen. Im Innern ist das Vorkragen der Steine
durch den Verputz verdeckt, man haust unter einer flachgewölbten
Kuppel. Da das Steindach an und über der Kuppel massiv ist,
fehlt der Dachboden. Häufig wird ein solcher durch eine Brett­
vorlage etwa 2 m unter dem Scheitel der Kuppel geschaffen, indem
ein Segment von mehr als der Hälfte der Kreisfläche ober dem
W ohnraum e abgegrenzt wird, zu dem man auf einer Leiter em por­
steigt. Dort oben werden meist Feldfrüchte verstaut. Manchmal
sieht man nur Balken unter der Kuppel durchlaufen. Diese dienen
nicht zur Spreizung — der solide Bau bedarf dessen nicht —
10
sondern dazu, nasse Kleider zu trocknen. Die in Sizilien häufige
W ohngalerie (Solaio), die über einen Teile der Stube in deren
halben Höhe ein 2. Stockwerk schafft, fehlt hier gänzlich. Nur ein
einziges Haus, der Trulle Sovrano, das größte und höchste (15 m)
der ganzen Stadt, auch auf einem der höchsten Punkte derselben
gelegen, hat ober der Kuppel des Erdgeschoßes ein ebenso ge­
wölbtes Ober-Stiibchen. Dieser patrizische Bau besitzt einen Wall
von Spitzdächern über seinen 11 Zimmern, die jetzt in 2 getrennte
Wohnungen zerfallen, da sich 2 Brüder mit ihren Familien in den
Besitz teilen; sie haben die Verbindungstüre vermauert, da die
Schwägerinnen kein Bedürfnis nach vertrautem Verkehr mit­
einander zu haben scheinen. Dieser einzig geartete Trullo zeigt
die Höchstentwicklung der Bauform von der Hirtenhütte bis zum
Bürgerhause. Er leistet sich auch den Luxus mehrerer Fenster —
über jeden derselben ist ein flacher Bogen geschichtet — andere
Trulli der Stadt begnügen sich gleich ihrem ländlichen Vorbilde
mit der Tür als Lichtquelle oder haben nur neben oder ober der
T ür eine kleine Lücke.
Die Rauchfänge ragen neben dem Dache empor. Ueber ihnen
ist ein um eine Achse drehbares Brett befestigt, das je nach der
Windrichtung nach der einen oder anderen Seite gezogen wird.
Auch die ländlichen Trulli Apuliens haben meist Rauchfänge,
w ährend solche den Hirtenhütten anderer Teile Italiens meist fehlen.
Die Besitzer der Häuser sind stolz auf deren Eigenart. Als ich einen
der Trulli im Innern besichtigte, lud mich die zu Besuch anwesende
Besitzerin des N achbarhauses ein, auch zu ihr zu kommen. Die
W ohnräum e sind reinlich.
In dem südlichen, einen Hügel hinanziehenden Stadtteile sind
fast alle 1100 Häuser als Trulli gebaut. Dieser Stadtteil ist seit
1910 als Nationaldenkmal erklärt. Neubauten dürfen nur in gleichen
Stile aufgeführt werden. Bei einem vor 4 Jahren neuerbauten Rund­
hause fand ich auch im Inneren keinen Unterschied von den älteren.
Es bleibt ein Rätsel, warum gerade hier in Alberobello diese
Bauweise zur städtischen wurde. Der Reichtum an Ögeeignetem
O
Baustein, die Lage auf dem windgepeitschten hier 400 m hohen
Rücken der Halbinsel, die Zusam m endrängung einer Landwirtschaft
treibenden Bevölkerung in städtischen Siedlungen ist der ganzen
Landschaft gemeinsam. Der Mangel an Holz zum Bauen und Kalk­
brennen bestand gerade hier nicht.
11
W ir haben hier ein Gegenbeispiel gegen die häufige Er­
scheinung, d aß primitive Bedürfnisse auf die gleiche primitive Art
von weit entfernt voneinander wohnenden Völkern befriedigt
werden, zwischen denen weder eine Ueberlieferung durch gemein­
same Abstammung oder einstige Nachbarschaft, noch durch eine
spätere, wenn auch nur mittelbare Berührung, anzunehmen ist.
Hier haben wir dagegen eine vereinzelte Erscheinung inmitten
gleichgearteter, w egsam er Umwelt. Es ist allmählige Vergrößerung
einer kleinen Feldhüttensiedlung zu vermuten. Die Stadt reicht bis
ins 13. Jahrh. zurück, sie w ar dann Feudalbesitz der Aquaviva,
Grafen des 35 km nordwestlich gelegenen Convertane; im Jahre
1635 errichtete Graf Gion Girolamo II dort ein Landhaus, einen
Backofen, eine Mühle, Kramladen und Schenke. 1797 zählte die
S tadt schon 3200 Einwohner und wurde königliche Stadt. Die
Kirche stammt von 1609. Die Behauptung A. S t e i n i t z e r s ,
(Das unbebaute Italien, 2. Aufl., S. 236), d aß sie aus Trulli bestehe,
ist unrichtig. Auch die 6 km entfernte, 591 gegründete Kirche von
Barkoto hat zw ar Dächer gleicher Bauart, aber andere Form.
Die Aehnlichkeit mit den Trulli Sardiniens, die sowohl als
vorgeschichtliche Rundhütten rings um die Nuraghen wie auch als
Hirtenhütten der Gegenw art zu finden sind, beschränkt sich auf das
auch anderwärts, in den mykenischen und malteser Kuppelgräbern,
an irischen, nordschottischen, altbirmanischen Bauten vor­
kommende falscheGewölbe; dieses um faßt einen so weiten örtlichen
und zeitlichen Bereich, d aß keine Ueberlieferung, sondern selb­
ständige Entstehung anzunehmen ist.
Die Trulla genannte, au ßen zylindrische, innen achteckige,
im Jahre 1740 mit einer Kuppel abgeschlossene Seitenkapelle der
Kathedrale von Bari hat keine Beziehung zu den Trulli von
Alberobello.
Volkskundliches aus dem Mürztal.
Geräte, T ier- und P flanzennam en.
Dr. G ise la M a y e r - P i t s c h ,
Knitteifeld.
Im M ü rz tal, d e m seit a lt e r s h e r die p o c h e n d e n H ä m m e r d a s b e ­
s t i m m e n d e G e p r ä g e verliehen, tr itt a u c h h e u te noch, b e s o n d e r s im ob e ren
T eil v o n d e r K r a m p e n a u f w ä r t s , d e r g r o ß e B a u e r n h o f im. L a n d s c h a fts b ild e
z u rü ck . D e r H a u p tte il d e r m ä n n lic h e n B e w o h n e r s c h a f t v e r d ie n t seinen L e b e n s ­
u n t e r h a lt in I n d u s t r i e w e r k e n o d e r als H o lz arb e ite r, w ä h r e n d die Frauen-,
12
s o w e i t es m ö g lic h ist, in eige nen, g e p a c h t e t e n o d e r g e m i e te te n H ä u s c h e n
ihren G a r t e n b estellen , Z ie g e n o d e r ein e K uh halfen u n d d a s H e u v o n den
B e r g w i e s e n e rnte n. So b e k u n d e t sich die E i g e n a r t d e r G e g e n d w e n i g e r in
a n g e s t a m m t e m B r a u c h t u m , d a s A c k e r b a u u n d V ie h z u c h t m it se in en Regeln
b e h e r r s c h t , als in d e r V e r t ra u t h e i t m it b e s t im m te n G e r ä t e n , K e n n tn is d e r
E i g e n a r t v o n T ie r e n , die d e m A llta g sle b en d u r c h ihre W e t t e r v o r h e r s a g e n
w ic h ti g e r sch e inen , o d e r v on P fla n ze n , die als N u t z g e w ä c h s e im G a r t e n o d e r
als Heilp flanzen auf d e n A lm en in A n s e h e n ste h en .
M o n t a g in aller F rü h v e r la s s e n die H o lz k n e c h te ihr Heim, u m z u d e r
m e ist m e h r e r e S t u n d e n e n tf e r n te n H ü t t e a n z u s te ig e n , in d e r e n N ä h e sie bis
S a m s t a g a rb eite n . Brot, Salz, S p e c k, Mehl, Eier, E rd ä p f e l u n d Kaffee ist
d e r w o h l in d e n m eiste n R u c k s ä c k e n v o r h a n d e n e M u n d v o r r a t , a u s d e m in
d e r H ü t t e die M a h lze ite n b e r e i te t w e r d e n . N o c k e n u n d S c h m a r r e n w e r d e n
b e v o r z u g t . W ä h r e n d die W i n t e r h ü t t e a u s fe sten H o l z s t ä m m e n als B lo c k h a u s
g e f ü g t w ird, g e n ü g t fü r den S o m m e r ein m it R ind e b e k le id e te r L a t t e n b a u
In d e r H ü tte frei s t e h e n d e r h e b t sich d e r offene H e rd, E s s e g e n a n n t ,
a u s H o l z s t ä m m e n ge fü g t, m it S te in e n g e d e c k t, auf d e n e n d a s F e u e r b re n n t,
ln eine d e r V e rtie fu n g en , wie sie a h b e id e n L ä n g s s e it e n a n g e b r a c h t sind, w ir d
d e r . G o ck, d e r P fa n n h a lt e r, e in g e ste c k t. A u s Holz sc h n i tz t sich ihn
d e r H o lz k n e c h t selbst, d e r e iserne ist in G e s c h ä f t e n erhältlich. In d e r A u s ­
k e r b u n g s t e c k t d e r P fa n n e n stie l, w ä h r e n d d a s G e f ä ß se lb st ü b e r d e r H e r d ­
g lu t h ä n g t. D a s W a s s e r , d a s m a n c h m a l w e i t h e r g e h o l t w e r d e n m u ß ,
b i r g t d a s W a s s e r l a g l, das, w e n n es nich t a ll z u g ro ß ist, im Notfall ein
T r i n k g e f ä ß e rs e tz e n m u ß . An den S e i te n w ä n d e n d e r H ü t t e s t e h e n die
B e tte n o d e r die L ie g e r s tä t te n , B r e tt e r v e r s c h l ä g e auf H o lz pflö c ken, in d e n en
S t ro h u n d K o tz en v o r n ä c h tlic h e r Kälte sc h ü tz e n . Die d e m S l a w i s c h e n e n t ­
s t a m m e n d e B e z e ic h n u n g B o g e r a t , die K ra u ß , E h e r n e M a r k 1. S. 271, a n g ib t,
ist in d e r G e g e n d von K r a m p e n j e t z t u n b e k a n n t . Im „ R a s t s t ö c k l “ , a u c h T rie ch l
g e n a n n t , b i r g t d e r H o lz k n e c h t seine H a b se lig k e it. F e u c h te S p ä n e liegen z u m
T r o c k n e n auf den b e id e n parallel ü b e r d e m H e r d lau fe n d e n W i d a s e n b a m .
Um de m a n g e s ä g t e n B a u m die g e w ü n s c h e F ä llr ic h tu n g z u g e b e n , t r e i b t
m a n in den S p a lt einen Keil, d e s s e n o b e r e r Holzteil d u r c h d e n Keilring u m ­
f a ß t wird. D e r g efällte B a u m w i r d g e ä s te t. Im S o m m e r , „ s o l a n g n o c h d e r
S a ft f l ie ß t “ , w i r d die Rinde m it de m R in d e n s c h i n d e r o d e r P u d l e r a b g e l ö s t —
sc h in d en , pudeln. Ist im H e r b s t kein S a ft m e h r in den S t ä m m e n , w e r d e n sie
m it d e m S c h ö p s e r a b g e s c h ü r f t — z ö sc h e n . D e n H a u s b e d a r f a n R in d en a b fällen
t r ä g t m a n in d e r K ra x e n heim. Die für die S ä g e nich t g e e i g n e t e n S tü c k e
w e r d e n in m e t e r l a n g e K lötze z e rs c h n i tt e n u n d m it Hilfe d e r S c h a r n zu
S c h e ite rn geviertelt. U m ü b e r die g l a t t e n S t ä m m e g e h e n zu k ö n n e n , sc h n a llt
sich d e r H o lz k n e c h t d a s 10-stollige E is en a n die F ü ß e . Die B lo ch e w e r d e n m it
d e m Sapl z u r L a g e rste lle ge sc hle ift u n d v o n d o r t auf d e n W a g e n g e z o g e n .
D o r t v e r b in d e n sie e iserne K la m pfe rn u n t e r e in a n d e r . D e‘r R o a tle r z ie h t die
e iserne n K etten, die die g a n z e L a s t u m s c h n ü r e n , fe st. F ü r K e tte n u n d K la m p fe rn
ist ein u n t e r d e m B lo c h w a g e n h ä n g e n d e s K ä s t c h e n d e r A u f b e w a h r u n g s o r t . Auf
a b s c h ü s s i g e n Stellen m u ß d e r K u t s c h e r d e n W a g e n m it d e r v o r d e r e n u n d
h in te r e n Schleifn einschleifen. A u s d e m W a s s e r fisc ht m a n Holz m it d e m
P lö ß h a c k l, ein er
nach
b e id e n Se ite n spitz z u la u f e n d e n H a ck e .
Die
13
le ic hte ste A rbe it b l ü h t de m H o lz k n e c h t w ä h r e n d d e r h e r b stlic h e n J a g d e n ,
w o j e d e r s t a r k e L ärm v e r m i e d e n w e r d e n soll. D a b a r a b e r n sie, wie d a s g e m ü t ­
liche A rb e ite n g e n a n n t w ird. In d e r a rb eits freie n Z eit ü b e r w i e g t die Fröhlichkeit,
die a u c h im Lied z u m A u s d r u c k k o m m t . A u ß e r d e m a llg e m e in b e k a n n t e n Holz­
kn e chtlie d, d a s bei K r a u ß , a. a. O. S. 270 un d in Z a c k s L ie d e r b u c h fü r V olks­
sc h ulen, 2. T., S. 71 ve rö ffe n tlic h t ist, feiert ein a n d e r e s den L a h n s a t t le r
H o lz kn ec ht.
D a L a h n s a t t le r H o l z k n e c h t is a lu stig e r B u a
E r a rb e i t r e c h t fleissi und s i n g t s c h e a n da zua .
U n d w a n n er auf d ’ N a c h t in d e r H ü t t n t u a t sein
Bein K oc hen d a jo d e lt er r e c h t fein.*)
F ü r P f l u g u n d E g g e h ö rt m a n k e in e a n d e r e B e z e ic h n u n g . W ic h t ig e r
als d e r F e l d b a u e r s c h e in t die W ie s e n w i r ts c h a f t . D a s G r a s w i r d z um N a c h ­
t r o c k n e n u m Hiefln g e h ä u ft, die a u s j u n g e n N a d e l b ä u m e n h e r g e s te llt w e r d e n .
Sie w e r d e n e n tr i n d e t u n d e n tä s t e t , w o b e i m a n a b e r die q u irlfö rm ig en A st­
a n s ä t z e s t e h e n lä ß t . H e im g e s c h a f ft w i r d d a s H e u vo n den steilen H ä n g e n
m e i s t a uf d e m R ü c k en , u n d z w a r k e n n t m a n d a s S p i e ß t r a g e n u n d d a s
K o r b t r a g e n . D e r S p ie ß ist ein e t w a ein u n d einen h a lb e n M e t e r l a n g e s
o b e n z u g e s p i t z t e s Holz. E t w a 15 cm v o m u n t e r e n E n d e b e fin d e t sich ein
Q ue rh olz, v o n d e s s e n b e id e n E n d e n G u r t e n zu e iner O e se a m o b e re n E n d e
d e s S p i e ß e s g e h e n . D a s H e u w i r d in g r o ß e n B ü sc h e ln v o n o b e n n a c h u n te n
a u f g e s p i e ß t u n d f e s t g e t r e t e n , bis die S t a n g e f a s t g a n z b e d e c k t ist. D a n n
w e r d e n die G u r t e n in die O e s e ein g e h a c k t, d e r T r ä g e r kn iet n ie d e r u n d lä d t
sich die L a s t auf d e n R üc k en, ind em e r m it d e n A r m e n d u r c h die G u r t e n
fährt. Auf d e m S p i e ß l ä ß t sich eine g r ö ß e r e M e n g e H e u b e f ö rd e r n , d a s auf
d e m R ü c k e n a u c h w e n i g e r d r ü c k t als d e r Korb, bei d e m freilich d a s G le ic h ­
g e w i c h t leic hte r zu e r h a lte n ist. Am S c h e it e rb o d e n h in te r M ü r z s t e g w i r d d a s
H e u in L e i n e n t ü c h e r g e b u n d e n u n d au f d e m K opf h e im g e tr a g e n .
F ü r die G a r t e n a r b e i t n i m m t m a n die H a u n , den K r a m p e n , den W u r z e l ­
k r a m p e n u n d oft a u c h d a s Salzheindl, d a s u r s p rü n g l i c h z u m S a lz a u f sc h la g e n
b e s t i m m t w a r . W e t z s t o a u n d K u m m g e h ö r e n z u r A u s r ü s t u n g d e s M ä h e rs . Die
v e r s c h i e d e n s te n A r te n d e r H a c k e e rle ic h tern h ä u slic h e A u s b e s s e r u n g s a rb e i te n .
So die l a n g s tie lig e Z im m e r h a c k , die D a u flh ac k , die m it d e r k o n k a v e n sc h a rf e n
Seite z u m B e h a u e n d e r F a ß d a u b e n dient. Auf d e m d re if ü ß ig e n G r a ß s t o c k
w i r d m it d e r G r a ß h a c k d a s G r a ß — Fichtertreisig — z erk lein ert. Mit d e m
R e c h e n b o h r e r w e r d e n n e u e R e c h e n ge fertigt, a n d e r H o a n z l b a n k g e sc h n itzt,
m it de m T e n g l h a m m e r t e n g e l t m a n a uf de m T e n g l s t o c k .
Ein m it S ta c h e ln b e s e t z t e r H a lfte r w i r d de m Kalb u m g e l e g t, w e n n
m a n es h in d ern will, w e i te r bei d e r Kuh zu trink e n. Mit de m M istk r a tz e r ,
ein em flach en , r e c h t w i n k e l i g z u m Stiel a n g e s e t z t e n E isen, e n tf e r t m a n den
M ist a u s d e m Stall, w ä h r e n d d e r M istkra lle r, ein la n g e r, m it z w ei r e c h t ­
w in k e lig a b g e b o g e n e n Z in k e n v e r s e h e n e r S to c k , z u m A b la d en d e s M iste s v o m
W a g e n a b e r a u c h z u m A u s e i n a n d e r w e r f e n d e s K a rtoffe lfeue rs g e b r a u c h t wird.
S c h o tte r trie c h e r l, M ist t ru c h n u n d d e r e in r ä d e r ig e R a d ib o c k v e r v o ll s t ä n d ig e n
m it d e r k lo a n G o a ß l — de m kleinen Schlitten — den Inh alt d e r Z eu g h iittn .
*) V ik to r Z a c k h a t diese V e rse als z w e ite S t r o p h e eine s H o lz k n e c h t­
lied es g e fu n d e n . (Briefl. M itte ilu ng.)
14
Mit R a tz e n e ise n u n d S c h e reise n w ird den R a tte n u n d d e m M a u l w u r f z u Leibe
g e g a n g e n , H o a h ac h ! — F la c h s h e c h e l- u n d d a s Rullb rett, m it d e m die ü b e r
den N u d e l w a l k e r g e le g te W ä s c h e g e g l ä t t e t w ird , g e h ö r e n in den Bereich
d e r H a u sfra u .
B e s o n d e r e r B e a c h t u n g erfre ue n sich die T iere, a u s d e ren V e rhalten
sich auf d a s k o m m e n d e W e t t e r sc h lie ß en l ä ß t o d e r d ie s o n s t auf d a s L eben
von E influß sind. Ruft d e r G ie ß v o g e l , a u c h B a u m h a c k l g e n a n n t — d e r
S p e c h t — sein e in t ö n i g e s „ g ia ß , g i a ß l “ , d r o h t R e g e n w e t te r . E b e n s o w e n n
a m A b e n d die S u n n a w e n d k ä f e r l — G l ü h w ü r m e r — z ahlreich h e r u m s c h w i r r e n .
W ie a lle ro rts t r ä g t d a s W ie se l a u c h hier sein w e i ß e s Fel! im F r ü h j a h r so
la n g e als n o c h S c h n e e zu e r w a r t e n ist. D a s T i e r gilt fü r giftig. B e s o n d e r s
w e n n es ge re iz t ist, soll sein Biß u n f e h lb a r B l u tv e r g i f tu n g h e rv o rru fe n .
D a s G e b i ß d e s M a r d e r s sc h e in t h in g e g e n eine g e w i s s e S c h u t z w i r k u n g a u s ­
z u ü b e n . E s w ird in einen A m e is e n h a u f e n g e le gt, bis alles Fleisch d a v o n a b ­
g e fre ssen, u nd p r a n g t d a n n an d e r U h rk e tte . G e f ü r c h t e t ist d e r S c h m u tz d e r
F le d e rm a u s . Fällt er auf d a s H a ar, so verfilzt es sich un d g e h t au s. „ E s m a c h t
gleich eine g a n z e P l a t s c h e a n k n “ . S c h w a l b e n d r e c k b rin g t, w ie a u c h s o n s t in
S te ie rm ark , Blindheit. Die S p in n e n e tz e , L iebesbriefe g e n a n n t , k ü n d e n eine
b a ld ig e H o c hze it im H ause. D e r G la u b e , d a ß die Z e r s tö r e r in eine s solchen
N e tz e s nie m e h r einen L iebesbrief e rh alte, ist n ich t v e r b re ite t, d ü r f te a b e r do ch
im Z u s a m m e n h a n g m it d e r B e z e ic h n u n g ste h e n . Als D o m inik s c h w i r r t d e r
r o s ig s c h i m m e r n d e Z a u n k ö n i g d u r c h die F elstäler, d a s Haartrellerl, ein e g a n z
g r a u e A rt d e r B a ch s te lze , hä lt sich g e r n bei d e n H e r d e n auf, eine E ig e n sc h a f t,
die ihr s o n s t in O b e r s t e i e r den N a m e n S choffhalterl e in g e t ra g e n hat. — Drillen
— d re h en . Sch m eller, B a y r is c h e s W ö r t e r b u c h , S p a lte 566.
in den s a u b e r g e p fle g te n G ä r t e n w a c h s e n n e b e n den Zierpflanzen ,
wie den Dahlien, d e r e n N a m e n m eist u n b e k a n n t ist — m a n c h m a l n e n n t m an
sie W i e n e r s te r n — den F u c h se rln — F u c h sie n — , dem Z ie g e n b a r t — P h lo x —
den F e n s t e r g u c k e r in — K a p u z in e rk r e s s e — u n d d e r H e rz b lu m — T r ä n e n d e s
Herz — ein zelne Rosen. Ihre B l ä tte r w e r d e n m it Oel zu W o h l g e r u c h a n g e ­
setzt, g e tr o c k n e t g e g e n Z a h n w e h g e r a u c h t. D e r B o c k s b a r t — b u x u s s e m p e r v iren s — liefert einen T e e g e g e n W a s s e r s u c h t , K re ß u n d S c h n ittlin g w ü r z e n
den Salat. D e r L u s c h s t o c k — L evisticum — , d e r Gelsen v e rtre ib t, g i b t einen
T e e g e g e n L u n g en leid e n u n d v e r b e s s e r t die Su p p e . A b e r w ä h r e n d s o n s t in
O b e rste ie r, z. B. Knittelfelder G e g e n d , d e r L u s c h s t o c k a u c h H e rr im G a r t e n
g e n a n n t w ird, g e b ü h r t im M iirztal so w ie in d e r M ariaz eller G e g e n d d e r N a m e
H e rr im G a r t e n n u r d e r A rte m isia A b r o t a n u m , S t a b w u r z , fälschlich E d elrau te .
D iese A rte m isia h e iß t in d e r Knittelfelder G e g e n d W e i n k r a u t , bei L o b m in g
(b. Knittelfeld) A lter M a n n . U eberall b i n d e t m an sie w e g e n ih res D u f te s in
S t r ä u ß c h e n , w ü r z t d a m i t den W e i n u n d m it g a n z kleinen M e n g e n die Su p p e .
E rf re u t ist die H a u sf r a u , w e n n sie beim U m g r a b e n d e s G a r t e n s u n t e r
d e r E r d e die H o h l w u rz e n t d e c k t — r a d ix A r isto loch ia e — , ein h o hles
G e w ä c h s , d a s g e p u lv e r t tr o tz se in es b itte r e n G e s c h m a c k e s g e r n als Medizin
g e n o m m e n w i r d . 1) Die G u n d l r u a m — G u n d e l r e b e — G l e c o m a h e d e r a c e a —
l ) S te irisc h e r W o r t s c h a t z als E r g ä n z u n g zu S c h m e lle r s B a y ris c h e m
W ö r t e r b u c h ges. v. T h e o d . U n g e r, b e a r b . u n d h e r a u s g e g e b e n v. Dr. F erd.
Khull. G r a z 1903. L e u s c h n e r u n d L u b e n s k y . S. 353, 265, 361, 463, 52, 518.
15
gib t g e m i s c h t m it S p i t z w e g e r ic h einen H u s te n t e e , d a s K u t t e l k r a u t — T h y m u s
serpillum u n d v u l g a r e — stillt, g e tr o c k n e t , a u f g e b r ü h t u n d a b g e s e i h t als
U m s c h l a g M a g e n s c h m e r z e n u n d K räm p fe . S a lb eitee v e r tr e ib t Z a h n s c h m e r z e n .
A n d e r e Heilmittel holt m a n sich von den Almen. D a s K r a m p e rlm ia s — c e t r a ri a islandic a — s p e n d e t einen H u s te n t e e ; „ a b r e n n t “ e rw e ic h e n
sich die B l ä t t e r u n d g e b e n ein g u te s , H u n g e r m a c h e n d e s S c h w e in e f u tte r .
A u c h G a m s w u r z — A rnic a sc o rp io id e s — , H u n d s w u r z — T riticu m r e p e n s — ,
N a t t e r n w u r z — P o l y g a n u m b i s t o r ta — u n d B ä r w u r z — M e u m a s t h m a t ic u m —
sind wie d e r S a un igl — Sanikel — S a x i f r a g a rotun difo lia — b e lie bte A rzn ei­
mittel. Beim l e t z tg e n a n n t e n w ir d die g e p u lv e r te W u r z e l v e r w e n d e t . D a s
R a u s c h k r a u t — A lp e n ro se — v e r d a n k t den N a m e n s e in e r r a u s c h v e r t r e i b e n d e n
Kraft. F ü r d a s Vieh h e g t sich die S c h w a i g e ri n die S t r u p f p lo ts c h n , eine g r o ß ­
b l ä t t e r i g g e fleckte A m p f e r a r t — R u m e x — , die n u r auf den Almen, gedeiht,
so rg f ä ltig g e g e n ihre N a c h b a ri n ein, um nicht zu w e n i g v on de m k o s t b a r e n
G u t zu b e sitz en . Im T al w e r d e n die K r a h h a x e n , s o g e n a n n t w e g e n d e r ge ­
f iederten, K r ä h e n f ü ß e n g leic h en d e n B lätter, — eine S p i e r s t a u d e — als
S c h w e i n e f u t te r u n d d a s S c h a r k r a u t ü b e r h a u p t als V ie h fu tte r s e h r g e s c h ä tz t.
Auf den W ie s e n b lü h t d a s K l ö s c h k ra u t — N a c h t n e lk e — , d a s B u t te rröserl — T r o llb lu m e — , die H i m m e l b r a n d b l ü a — K ö n ig sk e rz e — , d e r G o ld ­
apfel — T ü r k e n b u n d , Lilium m a r t a g o n — d a s G a n s b l u m l — G ä n s e b l ü m c h e n —
u n d die K u c k u c k s b lu m — O r c h is — , die „ F le c k e n h a t wie d e r K u c k u c k “ . Z u r
S o n n w e n a z e i t d u ften die S u n n a w e n d f ä d e n — U l m b lä ttr ig e r S p ie rstr a u c h ,
S p ire a ulmifolia — , die in d e r S o n n w e n d n a c h t als S c h u tz m itte l in Stall und
G e b ä lk d e s H a u s e s g e s t e c k t w e r d e n . Auf den W ie s e n b r e ite t die K loa n tsch n
— s c h w a r z e N ie s w u r z — ihre B lätter, die w e i ß e w ird H e m d n g e n a n n t.
N u r ein m al w u r d e ein e langstielige,- r o t b lü h e n d e S t e in b r e c h a r t als g r a n t i g e r
j a g a b e z e ic h n e t, ein S p o t t n a m e , d e n sich s o n s t in S t e ie r m a r k d a s A l m b u s c h ­
w in d r ö s c h e n u n d die h a a r i g e F r u c h t d e r K ü c h en s ch e lle gefallen lassen
m ü sse n . D e r P e t e r g s t a m m — P r i m u la a u ric u la — h a t a n g e b lic h frü h er
Z a le ts c h g e h e iß e n .
F ic h te n w ip fel als S c h u tz b r i n g e n d e F i r s t b ä u m c h e n findet m a n b e ­
s o n d e r s auf d e n A lm hütte n. W e n n d e r D a c h s t u h l fe rtig isf, w ird e s ins
G s p ie r — S p a r r e n w e r k — g e s t e c k t u n d m u ß d o r t v e rb le ib e n , bis die S t ü rm e
es w e g t r a g e n . U e b e r d e r T ü r v o n G a s t h ä u s e r n h ä n g e n die W e i n w e i s e r —
bei Khull W e i n z e i g e r — , v e r k r ü p p e l te F ic h te n - u n d T a n n e n w i p fe l . D e r
S tie r b a u m ist u n b e k a n n t , w o h l a b e r w e r d e n
die K ühe beim A b trieb
g e s c h m ü c k t. An ein em e inzigen Stall fa nd sich ein Kranz, in de m n e b en
P a p i e r b l u m e n , A lm jo s e n , A e h re n u n d B a n d g r a s , M oos, Distel u n d E ic h en la u b
e in g e flo c h ten w a r . U e b e r vielen S ta lltü re n sie ht m a n Z ie g e n g e w e i h e . K ra u ß ,
1„ S. 55, gib t an, d a ß T ie re, die d a s U m g e h e n d e h a b e n , g e t ö t e t u n d ihre
- K ö p f e ü b e r die S ta lltü re g e n a g e l t w e r d e n . H e u te will m a n die S c h u t z w ir k u n g
nicht z u g e s te h e n , o b w o h l m a n a n d e r e r s e it s ein em neiderfüllten Blick o d e r
A u s ru f n o c h die M a c h t d a s Vieh zu t ö te n — zu v e r s c h r e ie n — z u tr a u t.
S o h a t sich viel U r s p r ü n g li c h e s e rh alte n , w e n n vielleicht a u c h d u rc h
den Z u z u g A u s w ä r t i g e r u n d d u r c h den F r e m d e n v e r k e h r m a n c h e s ve rlore n
g e g a n g e n ist, a n d e r e s s t a r k v e r w i s c h t w u rd e .
Arbeitslied beim Piloteneinschlagen.
( S a c h e n d o r f bei Knittelfeld, 23. Mai 1929).
M itg ete ilt v o n Dr. O. M a y e r - P i t s c h ,
Knittelfeld.
D e r innig e Z u s a m m e n h a n g z w is c h e n M u sik u n d A rb e it h a t d a s A r b e i ts ­
lied g e sc haffe n . E s e r g a b sich a u s d e m R h y t h m u s , zu d e m sich allm ählich
W e i s e u n d W o r t e gesellten. F r ü h e r b e g le ite te n diese L ieder die m e iste n
ländlichen A rbeiten. Bis h e u te h a b e n sie sich n u r e rh alte n , w o sie e n tw e d e r ,
w ie die Spinnlieder, z u r U n t e r h a l t u n g d e r A r b e i te n d e n diene n , o d e r w o es,
wie beim P fa h l e i n r a m m e n , d a r a u f a n k o m m t , die Kraft M e h r e r e r im gleichen
A u g e n b lic k e in z u se tz e n . T r o t z d e r A t e m a n s t r e n g u n g w i r d d e r G e s a n g als
ein e u n b e d i n g t e N o t w e n d i g k e i t z u r D u r c h f ü h r u n g d e r A rb e it e m p f u n d e n . Ein
a n s c h e i n e n d in S t e ie r m a r k s e h r v e r b r e i te t e s Lied d e r P i l o t e n s c h l ä c e r w u r d e
in S a c h e n d o r f g e s u n g e n :
1. U n d
und
und
und
und
u.
a m o l auf
z w a m o l d ra u f
d re im al ho ch
v ierm al no ch
fü n fm al auf
s. f.
2. U n d a m o l auf
u n d z w a m o l d ra u f
u n d d re im a l h o c h
u n d v ierm al noch.
H e r r Polier,
m ir s a n g a n z stier,
g e b n ’s u n s a n S c h u ß ,
s o n s t m a c h m a S chluß.
G e b n ’s u n s a n S c h u ß
f ü r Bier u n d W ein,
d a n n g e h t er nein
d u r c h S a n d u n d S te in ;
d u r c h Stein u n d S a n d
in’s U n te rla n d .
Er m uaß schw er tragn
viel R o ß u n d W a g n ,
viel O c h s n und Kiia,
k a J u n g f r a u nia.
W a r g u a t a W ein ,
w a r g u a t a' Bier.
/: H o c h auf
S t a m p e r l 1) drauf,
a K rü gl d a zu a ,
d a P f a r r a h a t g n u a :/
3. Am ol auf
u n d z w a m o l d ra u f
u n d d re im al h o c h
u n d v ierm al noch.
G reif m a z s a m m ,
d e r T a g is lang,
d e r S c hlegl is s c h w e r,
w a n n er e is ern w a r .
D e r L ä rc h e n Kern,
d e r g e h t nit g e rn ,
E r m u a ß hinein,
d u rc h S a n d u n d Stein,
d u rc h Stein u n d S a n d
in s U n t e r la n d ( W a s s e r l a n d ) .
— w e i te r wie 2.
4. An z u m e h r ’n,
für u n s e r n H errn,
e s w i r d s c h o w e rn ,
n a c h sein B e g e h r n .
A G la sl Bier,
a Viertl W ein ,
S o n s t la ß m a ’s d ra u fs c h l a g n
ü b e r h a u p t sein.
A m o l auf
u. s. f.
5. A n e n auf,
n ’z w e i t e n drauf,
is no nit g n u a ,
no an d a zu a ,
, j e t z t g i b s t a Rua.
J ) D ü rfte u r s p r ü n g l i c h S t a m p f e r g e h e i ß e n h a b e n .
Prof. Dr. Adolf Hauffen f .
U n s e r E h re n m itg lie d , A d o l f H a u f f e n , P r o f e s s o r d e r d e u ts c h e n
V o lk sk u n d e , s o w ie d e r d e u ts c h e n S p r a c h e u n d L it e r a t u r an d e r d e u ts c h e n
U n iv e r s itä t in P r a g , ist a m 2. F e b r u a r d. j., im 67 J a h re se in es a r b e if s- und
e rfo lgre ic h e n L e b e n s v e rs c h ie d e n . Um die B e g r ü n d u n g , die Pfle ge un d
w is s e n s c h a ftlic h e A u s w e r t u n g d e r d e u ts c h b ö h m i s c h e n V o lk s k u n d e h a t sich
d e r v e r e w i g t e G e le h rte die g r ö ß t e n V e r d i e n s t e e r w o r b e n . S e in er um sich tig en
O r g a n i s a t i o n s a r b e i t u n d s e in e r vielseitigen W e r b e k r a f t ist die H e r a n b i l d u n g
einer g r o ß e n Zahl v o n e rfolgre ic he n M i t a r b e i te r n auf de m G e b i e t e de r
d e u ts c h - b ö h m i s c h e n V o lk s k u n d e z u v e rd a n k e n . Seine v e rd ie n stv o lle L e b e n s ­
a r b e it w ir d g e w i ß v o n se inen t ü c h t i g e n S c h ü lern u n d N a c h f o lg e r n in seinem
G e is te m it s c h ö n s t e m E rfo lg e w e i t e r g e f ü h r t w e r d e n . E h r e u n d D a n k seinem
Andenken.
P rof. M. H a b e r l a n d t .
Literatur der Volkskunde.
R. K r iss : D a s G e b ä r m u t t e r v o t i v ( D a s V o lk sw e rk , B e iträ g e
z u r V o lk s k u n s t u n d V o lk sk u n d e , H e r a u s g e g e b e n v. J. M. Ritz u. A. S p a n n e r ) ,
B. Filser, A u g s b u r g 1929.
Die A rb e it ist in so fe rn e d a n k b a r z u b e g r ü ß e n , als d e r V e r f a s s e r alles
E r r e i c h b a r e a n G e b ä r m u t t e r v o t i v e n z u s a m m e n g e s t e l l t h a t u n d im B e s o n d e r e n
die K röte u n d die S ta c h e l k u g e l als G e b ä r m u t t e r v o t i v e auf d e u ts c h e m B ode n
b e h a n d e lt . E rfre u lic h e r W e i s e h a n d e l t e s sich nich t u m A u s z ü g e a u s b e re its
v o r h a n d e n e r L ite ratur, s o n d e r n um d a s E r g e b n i s h i n g e b u n g s v o ll e r u n d a u s ­
g e d e h n t e r F o r s c h u n g s f a h r t e n . D a s W e r t v o ll e a n d e m B u c h e b e s t e h t in de r
V o r l a g e d e s S toffes in s c h ö n e n F o r m e n r e i h e n , w ie sie in d ie s e r Fülle b ish e r
n i c h t Vorlagen. Als n e u e r F u n d sind die h ö lz e r n e n K rö te n zu b u c h e n . Die
b e i g e h e f t e te K a r te m it den e i n g e t r a g e n e n F u n d o r t e n e r m ö g lic h t es w e it
b e s s e r als W o r t e u n s eine V o rs te llu n g v o n d e m K e r n g e b i e te (A lt- B a y e rn ,
N o r d -T iro l, S a l z b u r g ) d ie s e r O p f e r g a b e n u n d se inen A u s lä u fern ( K ä r n te n ,
S t e ie rm a r k , O b .- u n d N ie d .- O e s t e r re i c h ) auf den e r s t e n Blick zu g e b e n . W a s
die E r k l ä r u n g o d e r D e u t u n g d e r G e b ä r m u t t e r als K rö te a n la n g t , so w e r d e n
g e t r e u alle b i s h e r in B e t r a c h t k o m m e n d e n M e i n u n g e n v e rze ic h ne t.
Mit d e m S c h l u ß e r g e b n i s d e s V e r f a s s e r s k a n n ich m ich nich t e in v e r­
s t a n d e n e r k lä r e n : „D ie K rö te als Bild d e r G e b ä r m u t t e r h a t sich also m e in e r
M e i n u n g n a c h e rs t in viel s p a t e r e r Z eit auf u n m i t t e l b a r e m W e g e a u s
d e n V o r s te llu n g e n d e r prim itiven G e m e in s c h a fts re lig io n h e r a u s in V e r b i n d u n g
m it v o lk sm e d iz in isc h e n B e o b a c h t u n g e n e n tw ic k e lt ( a b e r o h n e den U m w e g
ü b e r die M y t h o l o g i e ) . “ D e r Begriff e in er prim itiven G e m e in sc h a f tsr e lig io n
ist e t w a s viel zu W a g e s , als d a ß m a n d a m i t i r g e n d wie sic h er a r b e i te n k önn te.
Ich k e n n e n u r K u ltu r s c h ic h te n m it eine m b e s t im m te n K u ltu r g u te . L e g e n w ir
in j e d e m Falle den e n ts p r e c h e n d e n Stoff z u s a m m e n , so w i r d es u n s nicht an
E r k e n n t n i s s e n fehlen. In d e r K rö te als V o t i v g a b e sc h n e id e n sich Kultu r­
s c h ic h te n v e r s c h i e d e n e r Art. A u s d e r M y t h e n - S c h ic h t e k e n n e ich die K röte
a l s eine sich w a n d e l n d e w e iblic h e G e sta lt, als ein e H errin d e r Fülle u n d d e r
G e b u r t , m it so u n g e h e u e r r e ic h em u n d w e it r e ic h e n d e m Stoffe, d a ß m ir E in­
18
fluß von d a he r als v on se lb st g e g e b e n e rsch e in t. D a m it g la u b e ich nu n
alle rd in g s nich t alles bis ins letz te e r k lä r e n zu k ö n n e n . D a s E r g e b n i s kan n
in so s c h w i e ri g e n Fällen a u ch n ie m a ls ein e D e u t u n g o d e r g a r e i n e
D e u t u n g sein, so n d e r n n u r ein N e b e n e i n a n d e r - L e g e n von d a z u g e h ö r ig e m
Stoffe. Auf d a s W ie d e r V e r s c h m e l z u n g k o m m t es d a n n k a u m m e h r an.
K; S p i e ß .
B urgenland. V i e r t e ! j a h r e s h e f t e z u r L a n d e s k u n d e —
H e i m a t s c h u t z u n d D e n k m a l p f l e g e . (N a c h ri c h te n d e s L a n d e s a rc h iv e s de r L a n d e sb ib lio th e k , — d e s L a n d e s m u s e u m s un d d e r L a n d e s v o l k s ­
bildungsstelle.
N a c h d e m 2 J a h r g ä n g e d ie s e r für die Pfle ge d e r L a n d e s - u n d V olks­
k u n d e d e s B u r g e n la n d e s v o n den b e r u fe n e n Stellen d ieses B u n d e s l a n d e s
h e r a u s g e g e b e n e n in haltreiche n Z eitsc hrift v o rlie g en, sc h e in t e s u n s eine
Pflicht d e r Schriftleitun g, u n s e r e M itg lie der u n d L es er n a c h d rü c k lic h auf
diese V e rö ffen tlic h u n g e n a u f m e r k s a m zu m a c h e n . W ie sc h o n a u s d e r Vielzahl
d e r B ild u n g s in s titu tio n e n , w e lc h e an d e r H e r a u s g a b e d e r „ B u r g e n l a n d “ Z eitse h rift beteilig t sind, zu e rs e h e n , sind es die v e rsc h ie d e n s te n » e in s c h lä g ig e n
Disziplinen, w e lc h e d u r c h die b e ru fe n s te n und s a c h k u n d ig s te n F a c h m ä n n e r
hier f o r t w ä h r e n d Pfle ge finden. G e o g r a p h i e u n d Geo logie, die N a t u r w i s s e n ­
sc h a fte n , Pi'aehisto rie und A r c h a e o l o g i e ( b e s o n d e r s m it N a c h r i c h te n a u s dem
L a n d e s m u s e u m ) , G e s c h i c h t e und D e n k m a lp fle g e un d n a m e n tlic h a u c h die
V o l k sk u n d e sind m it g e h altv ollen B e it r ä g e n und Sto fflie ferung e n a n d e r
Arbeit. Von den vo lk sk u n d lic h e n B e it r ä g e n d e r e rsten zw ei J a h r g ä n g e seien
die M itte ilung e n von H. G r a f : „ D a s B lo c h z ie h n “ , J. B a u e r : „ V o l k s b r a u c h
in N e u e n m a r k t “ ( D a s K ip felausw erfen, d a s F a h n e n s c h w i n g e n zu F r o n ­
le ic h n a m ) , von W . D ü r r h e i m : „D ie H a fn er von S t o o b “ ; J. W a 11 n e r :
„ D a s K r a n z l a b t a n z e n “ , K. M. K l i e r : „V o lk slie d er a u s de m N a c h l a ß von
J o h a n n e s E h e n s p a n g e r “ , E. v. S c h w a r z : „D ie S t e r n s i n g e r b u b e n un d ihr
Lied im P i n k a t a l “ , endlich die z u s a m m e n f a s s e n d e S c h i ld e r u n g d e s L a n d e s ­
h a u p t m a n n e s J. L e s e r : „D ie B u r g e n l ä n d e r “ g e n a n n t . Die an die L a n d e s ­
und V o lk sk u n d e d e s B u r g e n l a n d e s ge ric h te te, in d e r G e g e n w a r t e rfre u lic h e r­
weise s e h r g e s t e i g e r t e A u f m e r k s a m k e it w e i te r Kreise a u ch in den ü b rig e n
B u n d e s lä n d e r n , z u m a l W ie n u n d N ie d e r ö ste rr e ic h , fin det in d e r trefflich
ge le ite te n Z eitschrift „ B u r g e n l a n d " reic he u n d w illk o m m e n e N a h r u n g . W ir
w ü n s c h e n d e r se lb e n d a s b e s t e G e d e ih e n u n d die e r w ü n s c h t e W ir k s a m k e i t .
Prof. M. H a b e r l a n d t .
Josef Ringler: D e u t s c h e W e i h n a c h t s k r i p p e n . Eine A u s ­
lese d e u ts c h e r K r i p p e n k u n s t a u s vier J a h r h u n d e r t e n . V e r l a g s a n s t a lt T y rolia .
I n n s b r u c k - W i e n - M ü n t h e n 1929.
In p r ä c h t i g e r A u s s t a t t u n g w ird in d ies em s c h ö n e n W e r k auf 105 T a fe l ­
seiten eine k ö stlic h e A u s w a h l a u s d e m re ic h en S c h a tz v o n W e i h n a c h t s k r i p p e n
u n d E inz elfig uren a u s so lchen, die sich in u n s e r e n A lp e n lä n d e rn u n d den
d e u ts c h e n N a c h b a r g e b i e t e n e rh a lte n h a b e n , v o rg e fü h r t, ln ein e m ü b e r a u s
g e haltvollen, h isto ris ch v e rtiefte n B e g le i ta u f s a tz h a t Jo s e f Ringler, d e r v e r ­
dienstv olle Leiter d e s herrlichen T iro le r V o l k s k u n s tm u s e u m s zu I n n sb ru c k ,
19
die G e s c h ic h te d e r d e u ts c h e n W e i h n a c h t s k r i p p e auf g erollt u n d die Rolle d a r ­
gestellt, w e lch e d ieselb e im d e u ts c h e n V olksle ben u n d B r a u c h t u m gespielt
h a t und hier bis auf den h e u tig e n T a g b e h a u p t e t . A uch die von K ü n s tle r h a n d
h e r g e s te llte n K rippen sind in den Kreis d e r B e t r a c h t u n g m it g r o ß e r U m sic h t
ein b e z o g e n . Die A b b ild u n g e n e rfa h re n in einem ausfü hrlic h g e h a l t e n e n V er­
z e ichn isse alle w ü n s c h e n s w e r t e n N a c h w e i s e b e zü g lich H e rku nft, Alter, S t a n d ­
ort, V erfertig er. D a s W e r k ist eine s e h r w illk o m m e n e B e r e i c h e r u n g de r
b e re its v o r lie g e n d e n sta ttlic h e n K r ippe n litera tur.
Prof. M. Ha b e r 1 a n d t.
F r a n z Rolf S c h r o e d e r : A l t g e r m a n i s c h e K u l t u r p r o b l e m e .
( T r ü b n e r s P h ilologisc he Bibiliothek, B a n d 11). W a l t e r de G r u y t e r & Co. 1929.
Ein e h e r s c h m a l e s a b e r h e llsic h tig es Büchlein, d a s e rw e ist, w e lch w e ite
G e s i c h ts p u n k te sich a u ch fü r den G e r m a n i s t e n a u ftu n , w e n n er seine W i s s e n ­
s c h a f t nicht b lo ß als Ein zelphilologie b e tre ib t.
B e reits in se in em B u c h e : „ G e r m a n e n t u m un d H e lle n ism u s“ h a t de r
V e r f a s s e r die P r o b l e m e a u f g e n o m m e n und b e h a n d e lt, die nun in d e r v o r ­
lie g e nden Schrift für einen w e i t e r g e z o g e n e n Kreis, als den d e r
F a c hG e r m a n i s t e n , u n t e r s u c h t u n d d a r g e s t e ll t w e rd e n . E s h a n d e l t sich um die F ra g e ,
ob un d in w e lc h e m A u s m a ß e a n tik e V o rs te llu n g e n un d U e b e r lie f e r u n g e n in
de r a l t g e r m a n is c h e n religiösen V o r s te l lu n g s w e lt e i n g e d r u n g e n sind und d o rt
ge is tig v e r a r b e i t e t w u r d e n . N a c h den e inleitenden A u s fü h r u n g e n ü b e r die
g e r m a n is c h e V ö l k e r w a n d e r u n g , w o b e i die s o g e n a n n t e K a t a s tr o p h e n th e o r i e
a b g e l e h n t u n d n a c h A. D o p s c h die K o n tin u itä t d e r E n tw ic k l u n g von der
A ntik e z u r m ittela lterliche n K ultur v e r tr e te n wird, b e h a n d e lt V e rf a s s e r in
w e ite r e n 18 A b s c h n itte n eine Reihe e in s c h lä g ig e r E n tl e h n u n g s p r o b l e m e
(T ie r o r n a m e n ti k , R u n e nsc h rift, die o rien talisc h en M y s te r ie n k u lte , d a s C h r is te n ­
tum , G e s t i r n k u lt un d P la n e t e n k u lt , die W e lts ä u le , die n o r d is c h e u n d die
iran isc h e S c h ö p f u n g s g e s c h i c h t e ) , w o b e i hier n u r eine A u s w a h l d e r b e h a n d e lte n
F r a g e n n a m h a f t g e m a c h t sind. W a s d a r ü b e r zu s a g e n ist, s a g t d e r V e r fa s se r
mit r u h i g e r u n d k lu g e r B e sc h e id u n g , die ein sic h e re s F o r t s c h re it e n auf a u s ­
sic h ts reich e n W e g e n g e w ä h r le is te t. Die Schrift ist ü b e r a u s a n r e g e n d und
sollte keinem h istorisch a r b e i te n d e n V o lk s k u n d le r fe rne bleiben.
Prof. M. H a b e r l a n d t .
Paul H errm ann: D a s a l t g e r m a n i s c h e
Priester wesen.
V e r le g t bei E u g e n D ie derich in Jena, 1929.
In d e r von d e r um die d e u ts c h e V olk s- u n d A lt e r t u m s k u n d e se h r v e r ­
d ien te n D ie d e ric h s c h e n V e r l a g s b u c h h a n d l u n g h e r a u s g e g e b e n e n g r o ß e n S a m m ­
lu n g „ D e u t s c h e V o lk s h e it“ , vo n d e r b ish e r 71 B ä n d e e rsch ie n en sind, n im m t
d a s v o rlie g e n d e , s e h r w illk o m m e n zu h e iß e n d e W 'erk einen rü h m lic h e n P latz
ein. ln a c h t A b s c h n i t te n w e r d e n die auf d a s g e r m a n is c h e P r i e s t e r w e s e n u n d d a s
g e r m a n is c h e H eiligtum b e z ü g lic h e n B e la n g e : d e r P rie ste r, W a h r s a g e r i n n e n
u n d P rie ste r in n e n , d a s E r f o rs c h e n d e r Z uk unft, Z a u b e r u n d W e i s s a g u n g ,
die heiligen S t ä tt e n , T e m p e l - u n d G ö tte r b ild e r , so w ie T e m p e l s c h a t z und
T e m p e lfr ie d e n an d e r H a n d d e r e in s c h lä g ig e n Quellen in fe s s e ln d e r D a r ­
ste llu n g b e h a n d e lt. E ine in stru k tiv e A u s w a h l von A b b ild u n g e n u n t e r s t ü t z t
den T e x t in w i l lk o m m e n e r Art. D a s B uc h bie te t eine s e h r e r w ü n s c h t e E r ­
g ä n z u n g d e r sc h o n f r ü h e r e rsc h ie n e n e n Schrift d e s gleichen V e r f a s s e rs ü b e r
„ A l td e u t s c h e K u l t g e b r ä u c h e “ .
Prof. M. H a b e r l a n d t .
20
S p ie lm u sik f ü rs Landvolk, e in g e r ic h te t von R a im u n d Z o d e r un d
O t t o E b e r h a r d . 3. H eft: V o lk sw e ise n ( F a n f a r e n , L ieder u n d T ä n z e ) für
zwei Fliig e lh ö rn er o d e r T r o m p e t e n in B. P r e is S 3.— , RM 2.— .
Die b e id e n S t im m e n h e fte e n th a l te n M u sik fü r die im V olke b e lie b te n
Fliigelh örn er, w e l c h e d u r c h T r o m p e t e n , a b e r a u c h d u rc h a n d e r e M elodieI n s t r u m e n t e e r s e t z t w e r d e n k ö n n e n . E in ige F a n fa re n , die als E in le itu n g von
F e ste n g u t e D ie n ste tu n w e r d e n , m a c h e n d e n A n fa n g . E s folgen „ A r i e n “ ,
wie d a s Volk die a u s L ie d w e is e n b e s t e h e n d e n V o r t r a g s s t ü c k e n e n n t ; solche
w e r d e n a n s c h ö n e n S o m m e r a b e n d e n auf s a n ft e n H ü g e ln g e b la s e n u n d b e le b en
s t im m u n g s v o ll die liebliche ö ste r re ic h isc h e B e r g la n d s c h a f t . D e m T a n z dienen
in e r s t e r Linie L ändler, S te irisc h e u n d W a l z e r , zu d e n e n leicht die b e g le i te n d e n
S tim m e n n a c h d e m G e h ö r g e sp ielt w e r d e n k ö n n e n . Alle S tü c k e sind echte
V olksm usik, d e m H e i m a t b o d e n e n ts p r o s s e n . M ö g e n sie f reu n d lich e A u fn a h m e
finden u n d w e it u n d b r e it im L a n d e e rklingen!
B oll Franz: S t e r n g l a u b e u n d S t e r n d e u t u n g .
Die G e ­
sc h ic h te u n d d a s W e s e n d e r A s trolog ie. U n t e r M i t w i r k u n g v o n Carl B ezold,
h e r a u s g e g e b e n v o n W . G u n d e l, L eipzig-B erlin (B. G. T e u b n e r ) 1926, 3. Aufl.
In kla r e r u n d ü b e r sic h tlic h e r W e ise , die fü r W e r k e s o l c h e r A r t b e ­
s o n d e r s zu b e g r ü ß e n ist, b e h a n d e lt d e r V e rf a s s e r : 1. Die A s tro lo g ie d e r B a b y ­
lon ie r; II. Die E n t w i c k l u n g d e r A s tro lo g ie auf k la s s is c h e m B o d e n ; III. Die
A s tro lo g ie in O s t u n d W e s t v o n d e r E n t s t e h u n g d e s C h r i s t e n t u m s bis z u r
G e g e n w a r t ; IV. Die E le m e n t e d e s H im m e lsb ild e s; V. Die M e t h o d e n d e r S t e r n ­
d e u t u n g ; VI. D e r Sinn d e r A s trolog ie. Die v o n Seite 85— 172 f o lg e n d e n N a c h ­
t r ä g e w a h r e n den T o n s t r e n g e r w i s s e n s c h a f tl i c h e r Sachlichkeit. N u r g a n z
kurz stre ift d e r V e r f a s s e r die A u s s t r a h l u n g e n a l t b a b y lo n i s c h e r G e is t e s k u lt u r
ü b e r g a n z O s ta s i e n von C h in a u n d J a p a n bis T u r k e s t a n , v o n den W e g e n
ü b e r die S ü d s e e n a c h A m e rik a g a n z z u sc h w e i g e n . Z ah lreic h e P a ra llele n u n d
G le ic h u n g e n ließen sich a u c h fü r Afrika, v o n A e g y p t e n a b g e s e h e n , e rb rin g e n ,
so z. B. die g r o ß e B e d e u t u n g d e r P le ja d e n , für d e r e n V e r b r e i t u n g w o h l in
e r s t e r Linie die A r a b e r in B e t r a c h t z u k o m m e n sc h e in e n , d e r G e b r a u c h d e r
Vier- u n d F ü n f t a g e w o c h e b e s o n d e r s in W e s ta f r ik a , die D e k a d e n z ä h l u n g , die
von A e g y p t e n e in e rse its ü b e r die M a ss ai, W a d s c h a g g a bis n a c h d e m S ü d e n
Afrikas g e b r a c h t w u r d e , w o sie in d e r M o n o m o t a p a - K u l t u r a u fsch e in t, a n d e r ­
se its bis n a c h W e s t a f r i k a d r a n g , w o sie bei den A scha n fi ihre letz te n A u s ­
läufer findet. Die g ü n s t i g e n u n d u n g ü n s t i g e n T a g e spiele n a u c h in A frika eine
g a n z h e r v o r r a g e n d e Rolle u n d W o c h e n t a g s b l ä t t e r sind u n s a u s Benin , Y o r u b a
u n d A s c h a n ti b e k a n n t . E s ist eine g a n z e Reihe a lto r ie n ta lisc h e n K a le n d e r­
g u t e s in Afrika e rh a lte n ge b lie b en , d a s un s g a n z e n ts c h ie d e n z eigt, d a ß a u c h
A frika nich t lo s g e lö s t v o n d e n alten H o c h k u l tu re n zu b e t r a c h t e n ist. I m m e r
m e h r k o m m t u n s die E in h e it a lte r H o c h k u l tu r e n d u rc h die E r f o rs c h u n g d e s
K a le n d e rs bei den N a t u r v ö lk e r n z um B e w u ß t s e in .
Dr. W a l t e r H i r s c h b e r g .
V olk sk u n st im E ls a ß : T e x t und B i ld e r s a m m l u n g v o n E r n s t P o l a c z e k .
Mit 20 0 Bildern. D e lp h in -V erlag , M ü n c h e n .
D a s v o rlie g e n d e W e r k e r sc h e in t als e r s t e r E r g ä n z u n g s b a n d z u d e r
im gleichen V e rla g h e r a u s g e g e b e n e n S a m m l u n g „ D e u t s c h e V o l k s k u n s t “ , ü b e r
21
d e r e n b i s h e r e r s c h i e n e n e 11 F o lg e n in d ie s e r Z eitsc h rift XXXI, S. 24 ff;
XXXII, S. 17 u n d XXXIII, S. 147 f. b e r ic h te t w o r d e n ist. W ä h r e n d b i s h e r die
b e h a n d e lt e n d e u ts c h e n V o l k s k u n s tp r o v i n z e n im d e u ts c h e n R e ic h s g e b ie t lagen ,
w ir d im v o r lie g e n d e n ü b e r die d e u ts c h e n R e ic h s g r e n z e n , sa c h lich v o llk o m m e n
b e r e c h ti g t , h in ü b e r g e g r iff e n u n d d e u ts c h e V o lk s k u n s t a u c h in den durch
die p olitische W a n d l u n g n i c h t d e u ts c h g e w o r d e n e n G e b ie te n z u r D a r ­
s te llu n g g e b r a c h t. W i r w o llen w ü n s c h e n , d a ß a u ch die d e u ts c h - ö s te r r e i c h is c h e
u n d e t w a a u c h die s c h w e i z e r d e u t s c h e V o l k s k u n s t in w e i te r e n E r g ä n z u n g s ­
b ä n d e n b e h a n d e lt w e r d e n w ird, u m s o m e h r , als j a in diesen b e ide n d e u ts c h e n
K u ltu rla n d s c h a f te n die V o l k s k u n s t v e r g le ic h s w e i s e eine u n gleic h s t ä r k e r e und
vielseitigere E n tw ic k l u n g g e n o m m e n h a t als in den m e is te n r e ic h s d e u ts c h e n
L a n d s c h a f te n . Um n u n auf den v o r lie g e n d e n , die V o lk s k u n s t d e s E ls a ß b e ­
h a n d e l n d e n B a n d e in z u g e h e n , so ist die A n l a g e d e s s e lb e n d e r je n ig e n de r
v o r i g e n B ä n d e gleichlaufend. D e r v o n E r n s t P o l a c z e k v e r f a ß t e T e x t t e i l b e ­
h a n d e l t in a u s r e i c h e n d e r A rt d e r R eih e n a c h ' d a s t y p is c h e D o rf- u n d S ta d tb ild ,
d a s B a u e r n - u n d B ü r g e r h a u s , die Kirche, d a s Inn e re d e s H a u s e s m it seinen
M ö be ln, die ländliche K eram ik, die g r a p h is c h e V o l k s k u n s t u n d endlich die
V o l k s t r a c h t e n d e s E ls a ß . E in e S c h i ld e ru n g d e r kirchlichen E r s c h e i n u n g des
Landes
( K i r c h e n b a u te n , G lo c k en , F r i e d h o fs a n la g e n u. s. w . ) b e s c h lie ß t
den T e x tte il, d e r 46 S eiten d e s B a n d e s u m f a ß t . Auf die gehaltvo lle
E inle itung , w e lche eine a llg e m e in e l a n d e s k u n d lic h e S c h ild e ru n g u n d einen
ge sc h ic h tlich e n U e b erb lick in Kürze b e ib rin g t, sei n o c h b e s o n d e r s v e r w ie se n .
Die A u s f ü h r u n g d e r 200 A b b i l d u n g e n ist, w ie be i den f r ü h e r e n B ä n d e n zur
„ D e u t s c h e n V o l k s k u n s t “ , eine ta d e llo s e u n d b r i n g t die v e rs c h i e d e n e n T y p e n
in s o r g f ä l ti g e r u n d c h a r a k te r i s t is c h e r A u s w a h l bei.
Prof. M. H a b e r l a n d t.
Leonhard Franz: V o r g e s c h i c h t l i c h e s
Leben
in
den
A l p e n . Mit 82 A b b ild u n g e n . V e rl a g v o n A n to n Schroll & Co., W ie n , 1929.
D a s v o r g e s c h ic h tlic h e W ir t s c h a f t s l e b e n in den O s ta l p e n w i r d in diesem
B uche, in g e m e i n v e r s t ä n d li c h e r A u s d e u t u n g d e r a r c h a e o l o g i s c h e n Z e u g n iss e ,
h ö c h s t a n s c h a u lic h g e sc hildert. L e b e n u n d A r b e it d e r B e rg le u te, die h a u p t ­
sä c hlich a u f K up fe r u n d Salz s c h o n in p r a e h i s t o r is c h e r Z eit a u s g i n g e n un d
b e s o n d e r s die b e r ü h m t e n F u n d e a u s den h e u te n o c h in N u t z u n g s t e h e n d e n
S a l z b e r g w e r k e n v o n H a lls ta tt u n d Hallein, endlich a u c h die sc h o n f rü h e zu
g r o ß e r W ic h t ig k e it g e la n g t e v o r - u n d f r ü h g e s c h ic h tlic h e E is e n p ro d u k t i o n in
den O s ta lp e n finden ihre s a c h k u n d i g e S c h ild e ru n g . In m a n c h e n D in g e n läuft
ein nie a b g e r i s s e n e r F a d e n d e r E n t w i c k l u n g a u s d e r V orz eit bis in die
G e g e n w a r t . D ies m a c h t d a s v o rlie g e n d e B u c h a u c h fü r d e n V o l k s k u n d le r und
K u ltu r h is to r ik e r i n t e r e s s a n t u n d b e d e u tu n g s v o ll. Die f lüssige tex tlic h e D a r ­
s te llu n g w ird d u r c h z ah lre ic h e in stru k tiv e A b b ild u n g e n a n g e n e h m u n te rs tü tz t.
Prof. M. H a b e r 1 a n d t.
]. G. F razer: D e r G o l d e n e Z w e i g . U e b e r s e t z t d u r c h Dr. Helen
v o n B a u e r. C. L. Hirschfeld. L eip zig 1928. 1088 S.
W e n n d e r G r o ß m e i s t e r en g lisc h en F o lk lo r e s die v o r l ie g e n d e U e b e r s e t z u n g s e in e s w o h l b e k a n n t e n M o n u m e n t a l w e r k e s g e k ü r z t u n d o h n e die fü r
22
w i s s e n s c h a ftlic h e s N a c h a r b e it e n in E in z elfra g en u n e n tb e h r lic h e n Q u e lle n ­
be le g e a u to r i s i e rt h a t, so h a t ihn d a b e i w o h l n ich t d e r G e d a n k e n a c h einer
leichteren Z u g ä n g l i c h m a c h u n g d e s v o n ihm d a r g e b o t e n e n u n g e h e u r e n T a t ­
s a c h e n s t o ff e s geleitet. Mit R e c h t n i m m t er d a fü r w o h l v ie lm e h r die W ü r d i g u n g
d e s G e d a n k e n g e b ä u d e s in A n s p r u c h , d a s a u s ' d ies em B a u sto f f g e w o n n e n
vw u r d e . U n d in d e r T a t k a u m i r g e n d w o in d e r G e s c h i c h t e d e r E th n o lo g ie, d e s
folklore o d e r d e r V ö lk e rp sy c h o lo g ie , ist d a s in d u k tiv e V e r fa h r e n z u r K lä ru n g
d e r g e is tig e n U e b e r lie f e r u n g e n d e r M e n s c h h e i t m it solc h g r o ß z ü g i g e m U e b e r blick im V erein m it s a u b e r s t e r Kleinarbeit ge le iste t w o r d e n . W ü r d e d a s W e r k
nich ts a n d e r e s b e k u n d e n als dies, es g e h ö r te sc h o n d e s h a lb in die H a n d je d e s
vo lk sk und lic h in te re s sie rte n F o r s c h e r s . Z u m a n d e r e n l ä ß t es uns, m a g
sein bei H i n t a n s e t z u n g d e r k u l t u r g e s c h i c h t l i c h e n
S y s te m a tik ,
die
großen
se e lisc hen
G r u ndlin ie n
des
M enschengeschlechtes
nie
ü b e r s e h e n , n o c h v e r g e s s e n , d a ß ü b e r h u n d e rte rle i V o lk stu m h i n w e g in
u n ters ch ied lich e n L e b e n sk re is e n u n d D a s e i n s fo r m e n dieselben G e d a n k e n un d
Sitten W u r z e l g e f a ß t h a b e n . Die k u l tu rg e s c h ic h tlic h e A n a ly se alles d e sse n
e r f ä h r t da rin i m m e r w i e d e r A n le itu n g u n d W e g b e r e i t u n g u n d die e b e n s o
e rfo lgre ic h e u n d g r o ß z ü g i g e k u ltu r g e sc h ic h tlic h e A rb e it e t w a d e r n o r d is c h e n
und finnischen F o lkloriste n ist o h n e die E r s c h l i e ß u n g so lc h e r H o r iz o n te k a um
zu d e n ken . M ö g e die d e u ts c h e V o lk s fo rs c h u n g a u s d e m W e r k e n u n m e h r
noch g e s t e i g e r t e n N u tz e n ziehen.
A. H a b e t l a n d t .
Prof. Dr. W . K ruse: D i e D e u t s c h e n u n d i h r e N a c h b a r ­
v ö l k e r . Leipzig, G e o r g T h ie m e , 1929. XIV u. 640 S., 17 Abb., 5 Taf.
F ü r seine s t a tis tis c h e U e b e r s c h a u ü b e r alles, w a s sich in d e r A n t h r o p o ­
logie m e s s e n l ä ß t u n d w a s bei k ritisc h e r u n d m a ß v o l l e r A u s w e r t u n g d ies er
Z ahlen n a ch R a u m u n d Zeit für d a s k ö rp e rlich e Bild d e s d e u ts c h e n V o lk s tu m s
sich seit d e r V o rzeit g e w i n n e n lä ß t, g i b t die v o r lie g e n d e g rü n d lic h e u n d mit
S c h r iftn a c h w e is e n v e r s e h e n e Z u s a m m e n f a s s u n g , in d e r d e r V e r fa s s e r se h r
vielfältig a u ch e ig e n e E r h e b u n g e n v e r a r b e it e t hat, b e s t e n A u fschlu ß. W e n n
sie a n d e r e r s e it s von M i t te l w e r t zu M i tte lw e rt f o r t s c h r e i te n d m it S k e p tiz ism u s
g e g e n die M e n d e ls c h e E rb g e s e t z l i c h k e i t n u r ein g e sc h ic h tlic h e s F ließ e n de r
R a s s e n fo rm e n auf G r u n d von U m w e l t s b e d i n g u n g e n als g e g e b e n a n s ie h t u n d
de m — o h n e e x a k t e un d e n ts p r e c h e n d u m ris se n e k u l tu r g e o g r a p h i s c h e und
g e sc h ic htliche K orrelation — eine beiläu fi g e k u ltu r - u n d s t a m m e s g e s c h i c h t ­
liche S c h ild e r u n g d e s D e u t s c h t u m s als „ se elisch e A n t h r o p o l o g ie “ einfach
a nreiht, so g e d e n k e n wir d a bei a n g e l e g e n t li c h d e r l a u w a r m e n M itte lw e r te
d e r M e teo ro lo g ie, die un s die W i t t e r u n g so w e n i g e rs c h a u e n lasse n, w ie hier
F e rsö n lic h k e its -, R a s s e n - o d e r V o l k s c h a ra k t e r, zu de m nun einm al i r g e n d eine
p e rsö n lic h e E in s te llu n g u n d E r f a s s u n g ü b e r R e c h e n s c h ie b e r u n d P h o t o k a m e r a
h in a u s n o t w e n d i g ist. Die V o lk sfo r s c h e r m ü s s e n d a z u freilich ih re rs e its d a r a n ­
g e hen , d a s g e sc h ic htliche W e r d e n von M e i n u n g e n u n d so m a n c h e n V o r u r ­
teilen vom V o l k s c h a ra k t e r u n d u n ters ch ied lich e n E ig e n s c h a f t e n v on Völkern
u n d R a sse n n a c h den v o r lie g e n d e n Quellen u n d B e le g en kritisch zu sich ten .
An ihnen ist es, v o r e r s t die L a n d s c h a f ts ty p e n de s V o l k s c h a ra k t e r s — alle
ä lte re n vo lk sk u n d lic h e n B e s c h r e i b u n g e n w i d m e n d e m ein p a a r Seite n —
m it d e r g e b o te n e n V o llstän d ig k e it zu e rh eb e n . E r s t n a c h so lc h e r V o r a r b e it
23
w ird m a n die A n th r o p o lo g ie für b e r e c h ti g t h a lte n k ö n n e n , de m P r o b le m von
s c h ic k s a lh a f te n Se e le n- un d R a s s e n t y p e n n a c h z u g e h e n .
A. H a b e r l a n d t .
G ottfried Pfeiffer: D a s S i e d l u n g s b i l d d e r L a n d s c h a f t
Angeln.
(Veröff. d e r S c h le s w ig - H o ls te in s c h e n U n iv e r s itä ts g e s e lls c h a ft
Nr. 18). B re slau , F erd . Hirt, 1928. 167 S., 22 Abb., 7 S c h a ltk a rte n .
V on k u l tu r g e o g r a p h i s c h e n G e s i c h ts p u n k te n a u s g e h e n d w ir d hier eine
e n tw ic k l u n g s g e s c h i c h tl i c h e U e b e r s ic h t ü b e r die S ie d lu n g in ein er G r e n z l a n d ­
s c h a ft d e s D e u t s c h e n R e ic h es g e b o te n , d e r a n g e s ic h ts d e r g e sc hic h tlich w ohl
e r w o g e n e n A n o r d n u n g de r Q u e r s c h n itte , die sie d u r c h d e n A blau f d e r B e­
s i e d lu n g in d e r V o r g e s c h ic h te , d a n n w i e d e r im 13.— 15. J a h r h u n d e r t , am
A n f a n g d e s 18. J a h r h u n d e r t s , im 19. u n d in d e r G e g e n w a r t zieht, m eh r f a c h
g r u n d s ä t z l i c h e B e d e u t u n g z u k o m m t . So, w e n n g e z e ig t w ird, wie alte g e ­
no ss e n s c h a ftlic h a n g e l e g t e D ö rfe r d a n n im 14. u n d 15. Ja h rh . von R o d u n g s ­
o rte n — W eilern u n d E inzelhöfen — u m g e b e n w e r d e n , zu d e n e n bis ins
18. Ja h r h . S tre u s i e d l u n g e n , im östlich en A ngeln a b e r a u c h g r o ß e G u ts h ö f e
hin z u tr e te n . N ic ht m in d e r b e m e r k e n s w e r t ist d e r A u s b a u d e r .alten S t r a ß e n
o d e r L a n g - D ö r f e r zu H a u fe n g e b ild e n u n d die U m l e g u n g und V e r k o p p e l u n g
d e r G e n o s s e n s c h a f ts a n t e il e zu E in z e lg ü te r n , die seit dem 18. Ja h rh . de m Sied­
l u n g sb ild einen d u r c h a u s a n d e r e n C h a r a k t e r v erleihen als in Z eiten d e r
G e m e in s c h a ft. ( E r s a t z d e r Z ä u n e d u r c h „ K n i c k s “ , d a s sind W ä lle un d G r ä b e n
m it l e b e n d e n H e c k e n ) . H a u s u n d Hof ist g e r in g e r e m m eist w irtsc haftlic h
b e d in g t e m W a n d e l u n t e r w o rf e n . M ö g e die Schrift in ih rer ü b e rsich tlic hen
ge d a n k lic h k laren A n la g e a u ch für a n d e r e G e b ie te z u r N a c h fo lg e a n r e g e n !
A. H a b e r l a n d t .
Studier och uppsater tillägn ad e O tto A nderson:
(F e s t s c h r i f t 1929).
I n s titu te t för N o rd isk E tn o lo g i vid A b o A ka d em i. 214 S. m it T e x t a b b . u. Taf.
A us d e r v o r lie g e n d e n A u fs atzre ih e greifen w ir den e rsten h e rau s.
N. E. H a m m a r s t e d t sc h r e i b t d a rin in Z u s a m m e n f a s s u n g v e rs c h i e d e n e r
V o r a r b e ite n ü b e r die Kult- u n d H o c h z e i ts b ä r e n . W i c h t i g ist die Z u r ü c k f ü h r u n g
d ies es g a n z e n ts c h w in d e n d e n V o l k s b r a u c h e s auf B ä r e n k u l t u n d B ä r e n f e s te
d e s L e b e n s k r e is e s d e r Jä g e r, wie w ir ihn in N o r d e u r o p a und N o rd a s ie n noch
e rh a lte n sehen . Z u r D e u t u n g d e r E in z e lz ü g e ( B ä r e n b r a u t ) , w ä r e mit G e w in n
de r A u fsatz vo n E. K a g a r o w in d e r O b e r d e u t s c h e n Z eitsc hrift für V o lk sk u n d e ,
2, 73 ff. h e ra n z u z i e h e n g e w e s e n . M a ig r ü n , M a i b a u m und M a i s t a n g e s u c h t
C. W . v. S y d o w in ihren Z u s a m m e n h ä n g e n u n d im W e r d e g a n g p sy c h o lo g is c h
a u s z u d e ü t e n , w o b e i a b e r d e r M a n g e l k u l tu r g e s c h i c h t li c h e r G e s i c h ts p u n k te —
j e d e d ie s e r Formen* h a t seit m e h r als ein em J a h r t a u s e n d sc h o n ihr E ig e n ­
leben — den E r t r a g ziem lich e ine ng t. U m s o b e g r ü ß e n s w e r t e r ist die gründlich
g e sc hic htlich b e s c h la g e n e A rbe it H. C e l a n d e r s ü b e r die B e z ie h u n g d e s
W a s a — W a p p e n s z u r letz te n G a r b e , a uf die a u c h d e r N a m e „ v a s a “ se lb st
sich bezieht. B e s o n d e r s u m s ic h tig ist in d ie s e r H insic h t d e r B e it r a g von
K. R. V. W i k m a n ü b e r E id b o r g s sk ä l — u n s e r e r J o h a n tie s m in n e ent-
24
s p re c h e n d — a n g e le g t. Z u r S a e h k u lt u r e r w ä h n e n w i r S. A m b r o s i a n i s
A u fs a tz ü b e r D re ifu ß tö p fe , die w ir a b e r e h e r m it s ü d e u r o p ä i s c h e n E r z - G u ß ­
fo rm e n als m it v o r g e s c h ic h tlic h e n A ltsa c h e n in C h in a z u s a m m e n b r i n g e n
m ö c h t e n u n d die g r ü n d lic h e B e s c h r e i b u n g E i n a r G a m b e r g s v o m A lp­
w e s e n in H ä rjed a le n .
A. H a b e r 1 a n d t.
Rudolf W isse l: D e s a l t e n d e u t s c h e n H a n d w e r k s R e c h t
u n d G e w o h n h e i t. H e r a u s g e g e b e n von d e r A r b e i ts g e m e i n s c h a f t fü r
d e u ts c h e H a n d w e r k s k u l t u r d u r c h Dr. K o n r a d H a h m . Bd. 11. E r n s t W a s m u t h
A. G., Berlin, 1929. XVI u. 704 S., 76 T af.
D e r de m I. B a n d r a s c h n a c h g e f o lg t e 2. T eil d e r u m f a s s e n d e n V e r­
öffen tlich u n g d e s d e u ts c h e n R e ic h s a r b e i t s m in i s t e r s e r w e i s t - sich, sofe rn es
d e sse n noch b e d u rfte , w o h l als u n e n tb e h r li c h e s Q u e l le n w e rk f ü r j e d e n V o lk s­
f o r s c h e r beim v e r g le ic h e n d e n S tu d iu m d e r alten H a n d w e r k s g e b r ä u c h e u n d
d e r v o lk stü m lich e n A rt ih rer U e berliefe run g. V on r u n d 45 H a n d w e r k e n sind
die alten R e ch tf o rm e n , Feierlichkeiten in d e r G e m e in s c h a ft, F e s t e u n d Spiele
a u s alten halb v e r k lu n g e n e n Quellen w i e d e r a n d e n T a g g e b r a c h t u n d t e x t ­
kritisch s o r g s a m a b g e w o g e n z u s a m m e n g e s t e ll t . Oft w ird m a n m it d e m - V e r f a s s e r b e d a u e r n , d a ß die bis au f die G e g e n w a r t u n v e rb rü c h lic h g e h a lte n e
V e r s c h w i e g e n h e it — a u c h d e r G e w e r k s c h a f t s v o r s i t z e n d e d e r K u p fe rs c h m ie d e
S a u p e h a t sein W is s e n s o l c h e r m a ß e n m it ins G r a b g e n o m m e n — m a n c h e
n u r m ün dlic h ü b e rliefe rte K u n d e h a t v e r s t u m m e n las se n u n d d o c h m u ß jede r,
d e r als F o r s c h e r s e lb s t a u c h Volk sein will, seine tie fere in nere F r e u d e d a r ü b e r
b e k u n d e n , d a ß die aiten H a n d w e r k e r d iesen sittlichen G e d a n k e n h o c h g e ­
h a lte n h a b e n bis auf die G e g e n w a r t . Um seine W e i t e r g a b e g e h t e s n ich t um
die F o rm e ln , sie m ö g e n inhaltlich freilich oft n o c h h ö c h s t B e d e u t s a m e s z u
biete n h a b e n . P r o b l e m e o f fe n b a r e n d e m V o lk sfo r s c h e r in d e r re ic h en U e b e r s c h a u v o r allem die B ra u e rf e ste , fe rn e r die Spiele d e r H a n s a z u B e rg e n und
d e r a u f s c h lu ß r e ic h e A b s c h n i t t ü b e r die S te in m e tz z ü n ft e u n d B a u h ü tt e n . V o r
allem a b e r gilt es d e m V e r f a s s e r zu d a n k e n dafür, d a ß er in sc h lic h te r k la r e r
S p r a c h e d e m d e u ts c h e n H a n d w e r k n u n w i e d e r seine U e b e r lie f e r u n g v o r
A u g e n ge ste llt h a t. M ö g e er d a m i t w e i t u n d b r e it A n k l a n g fin den ! N ic h t u n ­
e r w ä h n t sollen die u n g e m e in a n s p r e c h e n d e n B iid b e ig a b e n , H a n d w e r k e r b i l d e r
n a c h J. A m m a n , v a n Vliet, C h r is to p h W e ig e l, L eh r- u n d W a n d e r b r i e f e u n d
a n d e r e k ü n s tle ris c h e D e n k m ä l e r d e s H a n d w e r k e r l e b e n s u m f a s s e n d , bleiben.
A. H a b e r l a n d t .
J o h a n n B redt:
B reslau 1930.
V o 1 k s k ö r p e r f o r s c h u-n g. F e r d i n a n d
" ,
Hirt
in
W ie die E inle itu ng d ies er p r o g r a m m a t i s c h g e d a c h t e n Schrift b e s a g t,
w ir d hier A n r e g u n g u n d A n le itu n g zu e in er n e u a r t ig e n E r f o r s c h u n g s - und
B e t r a c h t u n g s w e i s e d e s V o lk s k ö rp e r s a b g e g r e n z t e r G e m e i n s c h a f t e n g e b o te n .
Ihr W e s e n b e s t e h t im A u fb a u d e r Fam ilien, se in e r G e m e i n s c h a f t u n d ih rer A n ­
e in a n d e r r e i h u n g n a c h de m g e n e a lo g i s c h e n Z u s a m m e n h a n g d e rselb e n , w o d u r c h
25
ein g le ic h sa m d u r c h s i c h t i g e s Bild d e s V o l k s k ö r p e rs g e sc h affe n wird. Die V olks­
k ö r p e r f o r s c h u n g , w ie sie in d e r v o r lie g e n d e n Schrift p r o g r a m m a t i s c h e n t ­
w ic k e lt w ird , ist a n d e r w irklic h en B e a r b e i t u n g e in e r G e m e in s c h a ft, d e r s i e b e n bürgisch-sächsischen
G em einde
K leinbistritz
erw achsen
und
a u sg e b il d e t
w o r d e n . N e b e n ihrem w i s s e n s c h a f tlic h e n E ig e n w e r t, als ein es S e i te n s p r o s s e s
d e r F a m il i e n fo r s c h u n g k ö n n t e sich dieselbe, wie d e r V e r f a s s e r hofft, w ohl
a u ch a u s w i r k e n z u m w e rtv o lle n "Hilfsmittel für K rä ftig u n g , G e s u n d u n g un d
E r h a l t u n g d e s A u s la n d s d e u t s c h t u m s u n d vielleicht d e s g e s a m t e n d e u ts c h e n
V o lk sk ö rp e rs.
Prof. M. H a b e r I a n d t.
H a n s F. K. G ü n t h e r : R a s s e n k u n d e
E u r o p a s.- M it b e s o n d e r e r
B e r ü c k s i c h t i g u n g d e r R a s s e n g e s c h i c h te d e r H a u p t v ö lk e r in d o g e r m a n i s c h e r
S p r a c h e . D ritte , w e s e n tlic h v e r m e h r t e u n d v e r b e s s e r t e Auflage. Mit 483 A b­
b i ld u n g e n u n d 34 K a rten . J. F. L e h m a n n s V e rlag. M ü n c h e n 1929.
W i e a u c h von den o p p ositione lle n
d ies es b e d e u t u n g s v o l l e n W e r k e s offen
Kritikern d e r f rü h ere n
A u fla gen
a n e r k a n n t w ird, b e d e u t e t die v o r ­
l ie g e n d e d r i t t e A u fla g e d e s s e lb e n in vieler H insic h t einen s e h r erfreulichen
u n d w e se n t li c h e n F o r t s c h r i tt . D e r g e w a l t i g e Stoff ist d u r c h w e g s in g e s c h ic h t ­
licher V e r t ie fu n g e r f a ß t u n d d a r g e s t e ll t u n d in v e r s c h i e d e n e n R ic h tu n g e n
e rw e ite rt. Die S c h ild e ru n g d e r R a sse n g e h t m e h r in die E inzelh eiten, in de r
B e u rte i lu n g ih rer se e lisc h en u n d ku lturellen W e r t e ist g r ö ß e r e O b j e k tiv itä t
g e w a h r t ; d e r B i ld e r v o r ra t ist e r g ä n z t u n d w ir d in s p ä t e r e n g e w i ß zu er­
w a r t e n d e n A u fla g en d e s W e r k e s e r w ü n s c h t e r W e i s e n o c h v e r m e h r t w e r d e n
k ö n n e n . In s e i n e r n e u e n G e s t a lt d a rf d a s Buch d e r in te res se v o lle n A u f n a h m e
s e i te n s w e i t e s t e r m it R a s s e n f r a g e n sich b e s c h ä f t i g e n d e r L e s e r k r e is e sicher
s e ,n -
Prof. M. H a b e r l a n d t .
D e u t s c h e r V o l k s k u n d e - K a le n d e r 1930. H e r a u s g e g e b e n
von Dr. Fritz
B oeh m , Berlin.
D ie se r
auch
illustrativ
sehr
hübsch
und
b e le h re n d
a usgestattete
K a l e n d e r will d a z u b e it r a g e n , n e u e F r e u n d e fü r die V o l k sk u n d e z u w e r b e n
u n d b r i n g t a u c h den F a c h g e n o s s e n m a n c h e A n r e g u n g . F ü r die M ita r b e ite r
a n de m g r o ß e n , e b en b e g in n e n d e n W e r k e d e s „ A tla s d e r d e u ts c h e n V olk s­
k u n d e “ , in de ren H ä n d e d e r V o l k s k u n d e - K a le n d e r r e c h t z ahlreich k o m m e n
m ö c h te , ist bei d e r A u s w a h l d e sse n , w a s er b r in g t, B e d a c h t d a r a u f g e n o m m e n ,
m it den F r a g e b o g e n
d e s A tlas einen e r w ü n s c h t e n Z u s a m m e n h a n g h e r z u ­
s te lle n, w o es e ben m öglic h w a r . D e r s c h ö n e K a le n d e r ist sic h er überall eine
w i l lk o m m e n e G a b e .
f
u
,
j ,
Prof. M. H a b e r l a n d t .
25
Tätigkeitsbericht des Vereines und Museums
für Volkskunde für das Jahr 1929.
W ie d a s V o r j a h r 1928 a ls e in e P e r i o d e s t e ti g e r W e i t e r e n t w i c k l u n g
u n d e r h ö h t e r G e l t u n g u n s e r e s V e re in s u n d b e s o n d e r s a u c h d e s M u s e u m s
fü r V o l k s k u n d e g e lt e n d u rfte, k a n n d e r T ä t i g k e i t s a b s c h n i t t d e s a b g e l a u f e n e n
J a h r e s 1929 in n o c h e r h ö h t e r e m M a ß e d i e V e r e i n s - u n d M u s e u m s l e i t u n g m it
B e fr ie d ig u n g erfüllen. D a n k d e m e ifrigen u n d v e r s t ä n d n i s v o l l e n Z u s a m m e n ­
w ir k e n d e r im M u s e u m s a u s s c h u s s e v e r t r e t e n e n F a k t o r e n , d e s B u n d e s , d e r
W i e n e r S t a d t v e r w a l t u n g u n d d e r K a m m e r fü r H a n d e l, G e w e r b e u n d I n d u s tr ie ,
s o w ie d e r M itg lie d e r d e s w i s s e n s c h a f t l i c h e n A u s s c h u s s e s k o n n t e n V e rein
u n d M u s e u m ihren b e d e u t u n g s v o l l e n B i l d u n g s a u f g a b e n in s te tig e r w e i t e r t e m
Ausm aße nachkom m en.
D ie „ W i e n e r Z e i t s c h r i f t
für
V o l k s k u n d e “, die 1929
b e r e i ts int 34. J a h r g a n g h e r a u s k a m , b r a c h t e n e b e n vielen k le in e n Mit­
te ilu n g e n u n d B u c h b e s p r e c h u n g e n w e r tv o lle , z u m T e il d u r c h A b b i l d u n g e n
u n t e r s t ü t z t e B e i t r ä g e v o n P. T s c h u r t s c h e n t h a l e r , E u g e n K a g a r o w , L e o p o l d
Höfer, R i c h a r d P ittio ni, Karl S p ie ss, P a u l K re t s c h m e r , A r t h u r H a b e r l a n d t,
Karl A d ria n u n d G i s e l a M a y c r - P i t s c h . V o n d e r r e ic h h a l t ig e n S a m m l u n g :
„ W i e n e r K i n d e r g l a u b e “ d e s O b e r l e h r e r s L e o p o l d H öfe r, die in 10 F o r t ­
s e t z u n g e n in d e n J a h r g ä n g e n 3 2 —34 u n s e r e r Z e its c h rif t z um A b d r u c k
g e la n g te , w u r d e n 200 S o n d e r d r u c k e a u f g e l e g t , d ie im J a h r e 1930 g r ö ß t e n t e i l s
d a n k e in e r e in s ic h t s v o l le n V e r f ü g u n g d e s W ie n e r S t a d t s c h u l r a t e s z u r V e r­
t e ilu n g a n d ie W i e n e r H a u p t s c h u l e n g e la n g e n w e r d e n . D e r T a u s c h v e r k e h r
m it in- u n d a u s l ä n d i s c h e n F a c h z e i t s c h r i f t e n u n d I n s t i tu t e n e r w e i t e r t e sich
u m f ü n f u n d b e t r ä g t g e g e n w ä r t i g 92 N u m m e r n .
U n sere H auptschöpfung, d a s M u s e u m f ü r V o l k s k u n d e nahm
w ie i m m e r in d e n V o r j a h r e n d ie u m f a s s e n d s t e O b s o r g e d e r V e r e i n s - u n d
M u s e u m s l e i t u n g in A n s p r u c h , d ie sic h d a n n a u c h d u r c h d ie h ö c h s t e r fr e u l ic h e
W e i t e r e n t w i c k l u n g d e s I n s t i tu t e s a u f s B e s t e lo h n te . Die v o l k s k u n d l i c h e n
S a m m l u n g e n e r fu h r e n d u r c h A n k a u f a u s V e r e i n s m i t te ln (S. 1935), d u rc h
G e s c h e n k e u n d T a u s c h ein e V e r m e h r u n g u m 223 N u m m e r n . Ih re G e s a m t ­
z ahl b e lä u f t sic h b e r e i t s a u f 41.330. In f o lg e e i n e r d a n k e n s w e r t e n Verfüg ung ,
d e r L i q u i d i e r u n g s a b t e i l u n g d e s F i n a n z m i n i s t e r i u m s w u r d e n d ie b i s h e r d e m
M useum n u r z u r V e rw a h ru n g ü b e rg e b e n e n h ö c h st in teressan ten und w e rt­
v o lle n v o l k s k u n d l ic h e n u n d v o l k s k ü n s t l e r i s c h e n O b j e k t e d e r e h e m a l i g e n
„ P a tr i o t i s c h e n K r i e g s m e t a l l s a m m l u n g “ e n d g iltig in d e n B e s t a n d u n s e r e r
S a m m l u n g e n e in g e r e i h t ( r u n d 800 N u m m e r n ) . F ü r g e s c h e n k w e i s e Z u ­
w e n d u n g e n ist u n s e r M u s e u m d e n n a c h f o l g e n d g e n a n n t e n H e r r e n u n d F r a u e n
z u w ä r m s t e m D a n k v e r p fl i c h t e t: R eg. R a t A u g u s t u n d A g a t h e G i n z b e r g e r ,
D r. E. F r i s c h a u f in E g g e n b u r g , B ü r g e r m e i s t e r Karl K o c h in R o h r w i e s e n ,
F r ä u l e i n Mily N i e d e n fü h r, M i n i s t e r i a lr a t Dr. H a n s F a b r itiu s, Dr. G e o r g Kotek,
I n s p e k t i o n s r a t B r u n n e r , Dr. B e tt y K u rth, F r a u P f i s t e r e r - A u h o f , F r a u Ing.
l o h . Köchl, F r a u F r i e d a L ö w y , R o b e r t M u c n ja k , M a l e r H a n s L arw in,,
P f a r r e r Fr. R u d o lf in S e e w i e s e n , B ü r g e r s c h u l d i r e k t o r E d. D l a s k e , N o r b e r t
S c h w a r z in P e r c h t o l d s d o r f ,
Ing. Karl Z a h l b r u c k n e r ,
Dr. B. K riss in
B e r c h t e s g a d e n . D u r c h H errn Carl D r ä c h s i e r w u r d e d ie s c h l e s i s c h e
W e b s t u b e n e i n r i c h t u n g m it A u f z ie h e n v o n G a r n u. s. w. d u r c h A rb e ite r
s e i n e r F i r m a w i e d e r v o l l s t ä n d i g in S t a n d g e s e tz t. D e m S p e n d e r sei h ie f ü r
v e r b in d l i c h s t g e d a n k t. H e r r n O. B r a u n d a n k e n w i r b e s t e n s fü r die z ie rv olle
B e s c h r if t u n g d e r S a m m i u n g s g e g e n s l ä n d e .
D i e b e r e i ts s e h r sta tt l ic h e n B e s t ä n d e u n s e r e r F a c h b ib l i o th e k e rfu h r e n
d u r c h A n k a u f, g e s c h e n k w e i s e u n d d u r c h B e s p r e c h u n g s s t ü c k e z a h l re i c h e r
ö s t e r r e i c h i s c h e r u n d d e u t s c h e r V e r l a g s h a n d l u n g e n e in e V e r m e h r u n g um
80 N u m m e r n . D e r Z u w a c h s a n P h o t o g r a p h i e n b e lie f sich a u f 163, an
s o n s t i g e n A b b i l d u n g e n a u f 54, a n D i a p o s i t i v e n a u f 37 Stüc k . D i e B e n ü t z u n g
d e r B ib lio th e k e r f ä h r t e in e s te tig e S t e ig e r u n g , d e r P a r t e i e n v e r k e h r belief
sic h a u f 646 P e r s o n e n . F ü h r u n g e n d u rc h d ie M u s e u m s s a m m l u n g e n für
S c h u len , B i ld u n g s v e r e i n e u n d K u r s t e i l n e h m e t w u r d e n in d e r Z a h l v o n 28
v e r a n s t a l t e t , w o v o n d e r D i r e k t o r 16, F r a u Dr. A. P e r k m a n n 12 ü b e r n o m m e n
ha t. W ie a lljäh rlic h w u r d e n (m it F ü h r u n g e n v e r b u n d e n e ) v o l k s k u n d l i c h e
K u r s e fü r V o l k s - u n d H a u p t s c h u l l e h r p e r s o n e n , f ü r M itte lsc h u lle h rk r ä fte
u n d für d ie T e i l n e h m e r i n n e n a n d e r F o r t b i l d u n g s s c h u l e f ü r V o lk sp fle g e
abgeh alten .
D e m s c h o n s e it J a h r e n in u n s e r n J a h r e s b e r i c h t e n g e ä u ß e r t e n d r i n g e n d e n
W u n s c h d e r M u s e u m s l e it u n g , e in e d u r c h g r e i f e n d e b a u li c h e I n s t a n d s e t z u n g
d e s M u s e u m s g e b ä u d e s u n d b e s o n d e r s a u c h e in e e n t s p r e c h e n d e R e n o v ie r u n g
d e r H a u s - u n d H o f f a s s a d e d u r c h g e f ü h r t z u s e h e n , h a t d ie W i e n e r S t a d t ­
v e r w a l t u n g im B e r ic h t s j a h r e m it e in e m K o s t e n a u f w a n d v o n ü b e r 25.000 S
in g r o ß z ü g i g e r W e i s e e n ts p r o c h e n . D e r w ä r m s t e D a n k d e r M u s e u m s l e i t u n g
u n d a ll e r F r e u n d e u n d B e s u c h e r d e s I n s t i tu t e s sei h ie r a u c h öffentlich
g e z i e m e n d z u m A u s d r u c k g e b r a c h t , w i e d e r s e l b e a u c h b e r e i t s in p e r s ö n l i c h e r
V o r s p r a c h e de m
H e rrn B ü r g e r m e i s t e r K a r l S e i t z u n d H errn
S t a d t r a t H u g o B r e i t n e r a b g e s t a t t e t w o r d e n ist. A u c h d e n m it
d e r D u r c h f ü h r u n g u n d Ü b e r w a c h u n g d e r b a u li c h e n A rb e i te n b e m ü h t e n
F u n k t i o n ä r e n d e s S t a d t b a u a m t e s , H e rr n
O b e rb a u ra t Fürst
und
O b e r i n s p e k t o r J a w o r s k i , s o w i e d e r Abt. 27 d i e s e s A m t e s sei d e r
v e r b i n d l i c h s t e D a n k f ü r alle ihre B e m ü h u n g e n a u s g e s p r o c h e n , d e m letztg a n a n n t e n A m t a u c h fü r die im B e r i c h t s j a h r zu E n d e g e b r a c h t e v o l ls tä n d i g e
N e u a n l a g e d e r e l e k t r i s c h e n B e l e u c h t u n g im M u s e u m s g e b ä u d e .
D er B e s u c h d e s M u s e u m s h a t t e in d e n e r s t e n s t r e n g e n W i n t e r ­
m o n a t e n 1929 u n d z u fo lg e d e r m e h r a ls d re i M o n a t e ( J u l i — S e p t e m b e r)
d a u e r n d e n b a u li c h e n R e n o v i e r u n g s a r b e i t e n im S o m m e r n a t u r g e m ä ß e m p ­
find lic h z u leid e n . W i r v e r z e i c h n e t e n im m e r h in 2764 z a h l e n d e , ( d a r u n t e r
z a h l r e i c h e F r e m d e ) 126 n ic h t z a h l e n d e B e s u c h e r , 2726 S c h ü l e r u n d 126 S c h u l ­
k l a s s e n (bei fr e i e m E in tritt). D e r M i t g li e d e r s ta n d d e s V e r e i n s h a t sich z u folg e
eif r ig e r W e r b e b e m ü h ü n g e n d e r M u s e u m s l e i t u n g u m 24 g e h o b e n .
U m d e n v i e ls e itig e n A n s p r ü c h e n für d ie V e r e i n s - u n d M u s e u m s ­
t ä t i g k e i t e n t s p r e c h e n z u k ö n n e n , b e d u r f t e e s b e d e u t e n d e r , v o n J a h r zu J a h r
a n w a c h s e n d e r Mittel, w e l c h e fü r d ie w i s s e n s c h a f t l i c h e n V e r e i n s z w e c k e im
B e t r a g e v o n S 3,350.43, fü r die M u s e u m s b e d ü r f n i s s e in d e r H ö h e v o n
S 19,841.73 z u r V e r f ü g u n g s t a n d e n .
28
Rechnungsabschluß des Vereines
Einnahm en.
für das
Schilling
K a s s a s a l d o e x 1928
30 1 7 .1 0
...................................................
V e re in :
M i tg lie d e r- u n d B e z u g s b e i t r ä g e ............................ S 1.746.70
V e rk a u f von ä lt e r e n J a h r g ä n g e n d e r Z eitsc h rift,
E rgänzungsbände, Sonderabdrücke . . . .
„ 1.262.95
Su b v en tio n d e s U nterrichts-M inisterium s . . „ 3 0 0 , V e r k a u f v o n E x e m p l a r e n d e r E i n f ü h r u n g in
32.40
d ie V o l k s k u n d e .......................................................
8.43
Sonstige E in n a h m en
..............................................
M useum :
Su bvention des B u n d e sm in iste riu m s für U n ter­
r ic h t ...................................................................................
S u b v e n t i o n d e r S t a d t W i e n .....................................
S u b v e n t i o n d e r K a m m e r f ü r H a n d e l, G e w e r b e
u n d I n d u s t r i e .................................................................
S u b v e n t i o n d e r A r b e i t e r k a m m e r ............................
S p e n d e d e s B a n k e n v e r b a n d e s ................................
S p en d e des K o m m erzialrates O s k a r T reb itsch
K r a n k e n k a s s a b e i t r ä g e d e s P e r s o n a l s ...................
P a u sc h a lz ah lu n g e n für K urse un d F üh rungen .
E i n t r i t t s g e l d e r .................................................................
R e f u n d i e r u n g e n .................................................................
S o n s ti g e klein e E in n a h m e n . . . .
• . . . .
3.350.48
S 9.562.70
„ 4 .0 0 0 ,„ 2 .5 0 0 .„ 5 0 0 .„ 2 0 0 .„ 6 0 0 .„ 474.29
„ 458.50
„ 1.352.55
76.04
„
117.70
19.841.78
/
S u m m e d e r E in n ah m en . . .
26.209.36
G e p r ü f t u n d in
Prof. D r. H. Jun g w irth
als Rechnungspiüfer.
29
und Museums für Volkskunde
Ausgaben.
Jahr 1929,
Sc hilling
Verein :
B u c h d r u c k e r e i „ H e l i o s “ u n d „ P a g o “ für D r u c k
d e s J a h r g a n g e s XXXIV u n d d e r S o n d e r ­
abdrücke
S 2.241.50
D ruck des Ja h resb eric h te s
„
40.—
K lisch ees
„
207.41
V e rse n d u n g d e r Z eitschrift u nd so n stig e Porti „
127.80
R e d a k t i o n s h o n o r a r ........................................................... „ 3 0 0 .—
H o n o r a r e f ü r B u c h b e s p r e c h u n g e n in d e r Z eit­
sc hrift, J a h r g . 34
„
200.—
K a n z l e i a u s l a g e n u n d D r u c k s o r t e n ...........................„ 127.65
R ü c k k a u f ä l t e r e r J a h r g ä n g e d e r Z e i t s c h ri ft . . „ 154.32
B e i t r ä g e f ü r V e re in e . . . . . . . . . . . .
23.76
3.422.44
M useum :
G e h a l t e u n d A u s h i l f e n ................................................. S
K r a n k e n k a s s e .........................................................................
K a n z l e i a u s l a g e n ................................................................„
S tem p elab zü g e
. „
P o s t g e b ü h r e n etc. . . . • .............................................„
F a h r t e n u n d R e i s e n ........................................................... „
M i e t z i n s .................. '
„
Telephon .
........................................................................„
S a m m l u n g s a n k ä u f e ...........................................................
R e s t a u r i e r u n g d e r S a m m l u n g e n ............................... „
In s t a ll a ti o n u n d A n s c h a f f u n g e n ...............................
R e i n i g u n g ..............................................................................„
B i b l i o t h e k .............................................................................
B e le u ch tu n g
„
B eheizung ( G a s k o n s u m u nd K ohlenheizung)
. „
G arten p fleg e
„
H o n o r a r e fü r K u r s e u n d F ü h r u n g e n ......................„
B e w a c h u n g a n S o n n t a g e n .............................................„
9.625.15
918.77
269.71
96.90
352.47
264.87
1.348.89
664.70
1.935,—
648.84
1.279 44
322.81
525.58
2.76.36
1.428 41
204.59
421.50
208.20
Sum m e der Ausgaben . . .
' Saldo
. .
O rd n u n g befunden:
D r. R obert Heine
als R echnung sprü fe r.
20.792 20
24.214.64
1.994.72
30
M it w ä r m s t e n D a n k v e r z e ic h n e n w ir d e n E i n g a n g v o n S 9,562.70 a ls
Subvention
des
Bundesministeriuffls
für Unterricht,
z u r B e s t r e i t u n g d e r A u s la g e n f ü r d a s P e r s o n a l , B e h t i z u n g , T e l e p h o n u n d
A d m i n i s t r a t i o n , w o f ü r d e n V e r t r e t e r n d e s s e l b e n im M u s e u m s a u s s c h u ß ,
H e r r n M i n i s t e r i a l r a t Dr . L. P e t r i n u n d P r ä s i d e n t e n D r. F. S c h u b e r t S o l d e r n d e r b e s t e D a n k g e s c h u l d e t w ird . S e i te n s d e r G e m e i n d e
W i e n floß u n s e in e S u b v e n t i o n im e r h ö h t e n B e tr a g v o n S 4000.— zu, u n d
e s sei h i e f ü r d e m S t a d t s e n a t u n d G e m e i n d e r a t , s o w i e im B e s o n d e r n H e r r n
B ü r g e r m e i s t e r K a r l S e i t z , H errn P rä sid e n te n d e s S tad tsch u lra te s
O t t o G l ö c k e l und H errn S t a d t r a t H u g o B r e i t n e r d er ergebenste
D ank a u sg e sp ro ch e n . D an k d e r B efürw ortun g d e s H errn K a m m e r r a t e s
H e r m a n n K a n d l b e w illig te die K a m m e r f ü r H a n d e l , G e w e r b e
u n d I n d u s t r i e w ie in d e n V o r j a h r e n e in e S u b v e n t i o n v o n S 2.500.— ,
w ä h r e n d von d e r A r b e i t e r k a m m e r e in e s o l c h e v o n S 5 00.—, v o m
V e r b a n d d e r B a n k e n u n d B a n k i e r s ein B e t r a g v o n S 200.—
eing ing. V o n u n s e r e m b e w ä h r t e n G ö n n e r K o m m e r z i a l r a t O s k a r T r e b i t s c h
w u r d e d e m M u s e u m im G e d ä c h t n i s s e i n e s B r u d e r s Dr. R u d o l f T r e b i t s c h
e in e S p e n d e v o n S 600 zuteil. A llen g e n a n n t e n K o r p o r a t i o n e n u n d S p e n d e r n
sei d e r w ä r m s t e D a n k h ie r a u c h öffen tlich a u s g e s p r o c h e n . E b e n s o sei H e r rn
M i n i s t e r i a l r a t Dr . M a j e r fü r d e n z u G u n s t e n u n s e r e r Z e itsc h rift
g e w ä h r t e n U n t e r s t ü t z u n g s b e i t r a g (S 300.— ) v e r b in d l i c h s t g e d a n k t .
An
dem w eiteren
A u s b a u d e r a u s w ä r t i g e n f r e u n d s c h a f t li c h e n
B e z i e h u n g e n u n s e r e s V e r e in s u n d M u s e u m s w u r d e v o n d e r M u s e u m s l e i t u n g
m it r e g s t e m E ifer g e a r b e it e t. Bei d e r f e ie rli c h e n E r ö f f n u n g d e s s c h ö n e n
T i r o l e r V o l k s k u n s t m u s e u m s in I n n s b r u c k v e r t r a t d e r M u s e u m s d i r e k t o r
P ro f. D r. A r t h u r H a b e r l a n d t u n s e r e n V e rein u n d se i n M u s e u m ,
d e s g l e i c h e n b e i d e r T a g u n g d e s V e r b a n d e s d e r D e u t s c h e n V o lk S k u n d e v e r e i n e in Berlin. An d e n B e r a t u n g e n d e s V o l k s k u n s t k o m i t e e s d e s In stitu te
I n te r n a tio n a le d e C o o p é r a t i o n in te lle ctue lle in B e r n im April d. J. n a h m
P r o f . A. H a b e r l a n d t a ls M itglie d d e r i n te r n a t i o n a l e n V o l k s k u n s t k o m m i s s i o n
e b e n f a ll s teil. A u c h d a s g r o ß e U n t e r n e h m e n d e s D e u t s c h e n V o l k s k u n d e A tla s b e s c h ä f t ig t e d e n M u s e u m s d i r e k t o r , d e r z u m L e i t e r d e r e in s c h l ä g i g e n
A r b e i te n in N i e d e r ö s t e r r e i c h u n d W ie n b e s t e l l t w u r d e , m i t o r g a n i s a t o r i s c h e n
V o r a r b e i t e n b e r e i t s in i n te n s i v e r W e ise , V o lk s k u n d l i c h e V o r trä g e , die d a s
I n t e r e s s e w e i t e s t g e z o g e n e r K r e is e fü r d ie ö s t e r r e i c h i s c h e V o l k s k u n d e u n d
V o l k s k u n s t z u w e c k e n g e e i g n e t u n d b e s t i m m t w a r e n , w u r d e n in d e r „ R a v a g “
v o n d e n P r o f e s s o r e n M ic h ae l u n d A r t h u r H a b e r l a n d t, s o w i e v o n F r a u
D r. A. P e r k m a n n m e h r f a c h a b g e h a l t e n . In b e i d e n S e m e s t e r n ’ 1929 hielt
P rof. A. H a b e r l a n d t s e h r g u t b e s u c h t e U n i v e r s i t ä t s - V o r l e s u n g e n u n d Ü b u n g e n
z u r E in f ü h r u n g in die V o l k s k u n d e ab.
Z u m l e b h a f te n B e d a u e r n d e s V e r e i n s u n d d e r M u s e u m s l e i t u n g h a b e n
w ir d e n g e t r e u e n u n d g e w i s s e n h a f t e n M u s e u m s - O b e r a u f s e h e r F r a n z
M u c n j a k, d e r d e m M u s e u m d u r c h m e h r a ls ein J a h r z e h n t s t e t s g e s c h ä t z t e
D i e n s t e g e le is te t hat, a m J a h r e s e n d e d u r c h d e n T o d v e r l o r e n . W ir b e w a h r e n
i h m ein e h r e n v o l l e s u n d d a n k b a r e s A n d e n k e n . A llen A n g e s t e ll t e n d e s
M u s e u m s , F r a u Dr. A. P e r k m a n n , F r ä u l e i n Id a S c h u s t e r , P r ä p a r a t o r R o b e r t
M u c n j a k u n d H ilfs a r b e ite r L. N e p r a c , d ie u n s e r e m I n stitu te n a c h K räften
31
p f l ic h t g e t r e u u n d e r fo l g r e ic h
w ä rm ste n s gedankt.
d ien e n ,
sei
auch
für
das abgelaufene ja h r
Alle A n z e i c h e n s p r e c h e n d a fü r, d a ß d a s N e u j a h r 1930 u n s e r e m V erein
u n d s e i n e m M u s e u m n i c h t n u r s e i n e b i s h e r ig e a n s e h n l i c h e S t e ll u n g im
ö ffe n tlic h e n u n d k u l t u r e l l - w i s s e n s c h a f t l i c h e n L e b e n W ie n s u n d Ö s te r r e i c h s
b e w a h r e n w ird , s o n d e r n d a ß die g e s a m t e B e v ö lk e r u n g die b e d e u t u n g s v o l l e n
B i l d u n g s a n r e g u n g e n , die v o n u n s e r e m In s t i tu t e u n d s e i n e r A rb e it a u s g e h e n ,
in i m m e r re ic h e r e m M a ß e z u w ü r d i g e n u n d a u f z u n e h m e n G e l e g e n h e i t
n e h m e n w ird.
D ie V e r e in s le it u n g im J a h r e 1929.
Präsident:
H o f r a t U n iv .-P r o f . Dr. M i c h a e l H a b e r l a n d t .
V i z e p r ä s i d e n t e n : S e k t i o n s c h e f a. D. Dr. A r t h u r B r e y c h a , P r ä s i d e n t
N a t i o n a l r a t O t t o G lö c k el, H o f r a t U n iv .-P ro f . D r. E u g e n O b e r h u m m e r ,
H o f r a t U n iv .-P ro f . D r . A lfon s D o p s c h .
•Generalsekretär:
U n iv .-P r o f. Dr. A r t h u r H a b e rla n d t.
G e n e r a l s e k r e t ä r - S t e l l v e r t r e t e r : U n iv .-P r o f .
K a s s i e r : F a c h l e h r e r i. R. J u l i u s T h irrin g .
Dr. J o s e f
W e n in g e r .
. A u s s c h u ß r ä t e : H o fr a t D r Karl G ia n n o n i, K a m m e r r a t H e r m a n n Kandl,
L e h r e r Karl M. Klier, Dr. G e o r g K otek, Hof r a t U n i v .-P r o f. Dr. P a u l
K r e t s c h m e r , U n i v . - P r o f . Dr. G e o r g Kyrie, K u s t o s Dr. V ik tor L e b z e lte r,
U n iv .-P ro f . D r. R u d o l f M uc h, Dr. F r a n z O t t m a n n , D r. A d e lg a r d
P e r k m a n n , U n i v .-P r o f . Dr. L u d w i g R a d e r m a c h e r , R e g ie r u n g s r a t P ro f.
D r . G. S c h l e s in g e r , P rof. Dr. Karl S p ie ß , H o f r a t U n iv .-P ro f . Dr. Jo s e f
S t r y g o w s k i, O b e r l e h r e r R a i m u n d Z o d e r.
M u se u m s-A u ssc h u ß :
P r ä s i d e n t : H o f ra t P ro f. Dr. M. H a b e r l a n d t.
V e r t r e t e r d e s B u n d e s m i n i s t e r i u m s f ür Unt erri cht :
r a t D r. L. P e t r i n , P r ä s i d e n t D r. F. S c h u b e r t - S o l d e r n .
M i n is te ria l­
V e r t r e t e r d e r S t a d t W i e n : P rä sid e n t d e s S ta d tsch u lra te s N ation alrat
O tto G l ö c k e l, G y m n a s i a l d i r e k t o r D. E. Z e l l w e c k e r .
V e r t r e t e r d e s V e r e i n s f ü r V o l k s k u n d e : S e k t io n s c h e f Dr. A. B r e y c h a .
K a m m e r r a t H e r m a n n Kandl.
Vertreter des
Museums
■Dr. A. H a b e r l a n d t.
für
V o l k s k u n d e :
M u se u m fü r V o lk s k u n d e :
D i r e k t o r : U n iv .-P ro f. Dr. A r t h u r H a b e r l a n d t .
Bibliothekarin:
Dr. A d e l g a r d P e r k m a n n .
P r ä p a r a t o r : R o b e r t M u c n ja k .
O b e r a u f s e h e r : Franz M ucnjak f .
K a n z l i s t i n : I d a S c h u ste r .
H i l f s d i e n s t : L udw ig N eprac.
H a u s w a r t : F r a n z W ellan .
D irektor
P r o f.
32
EHRENM ITGLIEDER.
G e h e i m r a t Pro f. Dr. j. Bolte, Berlin (1920).
H o f ra t U n iv .-P r o f . D r. R. M e r in g e r , G r a z (1920).
U niv .-P ro f. Dr. G. P o liv k a , P r a g (1920).
O b e r l e h r e r J o s e f B lau, F r e ih ö ls (1920).
H o fra t U n iv.-P rof. Dr. M. H a b e r l a n d t (1920).
U n iv .-P ro f . Dr. A. H a uffen, P r a g (1920).
U n iv .-P ro f . Dr. E d. H o f fm a n n - K ra y e r, B a se l (1920). ■
Dr. M a x H u s s a r e k - H e i n le i n (1912).
( G r ä f in ) N a n d i n e B e rc h to ld , B u c h la u (1914).
Karl ( F r e i h e r r v o n ) R u m e r s k i r c h (1914).
KORRESPO NDIERENDE M ITGLIEDER.
S c h u l r a t Karl A d ria n , S a lz b u r g .
N o t a r D r. E u g e n F r i s c h a u f , E g g e n b u r g .
M u s e u m s v o r s t a n d Dr. K. B r u n n e r , B erlin.
M u s e u m s v o r s t a n d Dr. V. G e r a m b , G r a z .
L a n d e s s c h u l i n s p e k t o r Dr. G. G r ä b e r , K la genfu rt.
U n iv .-P r o f. D r. N. K re b s, Berlin.
U n iv .-P r o f. Dr. O. L au ffer, H a m b u r g .
D i r e k to r J u liu s L e i s e b i n g , S a l z b u r g .
P r o f . J o s e f T v r d y , W is c h a u
U n iv .-P ro f. D r. M. M u rk o , P r a g .
Dr. F r a n z F r e i h e r r v. N o p c s a , B u d a p e s t.
U niv.-P rof. D r . R. K aindl, G ra z.
U n iv .-P r o f . Dr. J o h n M e ie r, F r e i b u r g i. Br.
U n iv .-P r o f. Dr. L. R iitim e y e r, Basel.
U n iv .-P ro f . A d a m W r e d e , Köln.
D i r e k t o r Fr. P o s p is i l, B r ü n n .
H o f r a t F e r d . R a u n e g g e r , K la g enfu rt.
Prof. Dr. G. J u n g b a u e r , P r a g .
P ro f. D r. E. S c h n e e w e i s s , P r a g .
Dr. H. B ä c h t o l d - S t ä u b l i , Basel.
P r o f . Dr. A. B y h a n , H a m b u r g .
P r o f . Dr. H. N a u m a n n , F r a n k f u r t a. M.
D i r e k to r S i g u r d E rix o n , S to c k h o lm .
D i r e k t o r D r. J. M a n n in e n , H e lsin g f o rs.
P r o f . P a u l S a r to ri, D o r t m u n d .
Pro f. Dr. D. Selenin, L e n i n g r a d .
He rausgebe r, E ig en tü m e r u. Verleger: Verein für V olk skunde ( P r ä s id e n t Prof. Dr.'M. H a b er la n d t.)
V e ra ntw ort li c he r R e d a kte ur: Prof. Dr. M icha el H a b e r l a n d t , W ie n, VIII. L a u d o n g a s s e 17. —
Buch druck ere i Pa go, W ie n, II. G ro ße Sch iff gass e 4.
33
Beiträge zum Aberglauben im oberen Mühlviertel.
E in e B e stan d sau fn a h m e
v o n D r . H e in ric h J u n g w i r t h
im S o m m e r 1929.
W er ein Gebiet der Volkskunde wissenschaftlich bearbeiten
will, wird der großen Schwierigkeit gegenüberstehen, d a ß das in
Büchern und Zeitschriften gesammelte reiche Material keine Aus­
kunft gibt, ob es' sich um noch lebendiges volkstümliches Gut
handelt oder um schon geschwundenes.
Begreiflicherweise kann die zeitliche Scheidung der volks­
kundlichen Materialien nur mit Bezug auf die G egenw art erfolgen
und wenn wir den Besitzstand an lebendiger Volkskultur als den
der „Eltern”, d. i. der Generation von 30— 60 Jahren bezeichnen,
so müssen wir alles, was die Alten über 60 Jahren noch zu erzählen
wissen, als das vergangene volkstümliche Gut, das der „G roß­
eltern” zusammenfassen. W ichtig ist aber meines Erachtens auch
die Feststellung, ob es sich um eine allgemeine und geschlossene
Verbreitung einer bestimmten volkstümlichen Erscheinung handelt,
oder ob eine Einzelheit vorliegt, eine Art Petrefakt. Eine ungefähre
Scheidung wenigstens nach Generationen ist besonders auf dem
Gebiet des Aberglaubens nötig. Ein derartiger Versuch wurde von
mir im Sommer 1929 in meiner Heimat, Kirchberg an der Donau
(pol. Bezirk Rohrbach, O.-Oe.) gemacht.
Diese kleine Gemeinde am linken Donauufer, zwischen G roßer
und Kleiner Mühl und der Donau, ist, abgesehen von der nicht un­
bedeutenden Papierindustrie an der Kleinen Mühl, rein bäuerlich;
Ackerbau und Viehzucht halten sich auf der etw a 600 m hoch ge1
34
iegenen Hochfläche die W aage. Städtische Beeinflußung ist bis in
die letzten Jahrzehnte wenig gewesen, da die Entfernung nach Linz
groß ist (8 Gehstunden, nächste Bahnstation etwa 2 Stunden).
Die Bestandsaufnahme aus dein Gebiet des Aberglaubens
ist deshalb schwierig, weil nichts in die Menschen hineingefragt
werden soll. Ich wollte nur im Anschluß an Beobachtungen ge­
legentlich fragen und mich auf die. „Behorchung” beschränken.
Meine Lage ist insofern sehr günstig, als ich durch meine bäuerliche
Abstammung reiche Gelegenheit habe, meine U m gebung betreffs
ihrer abergläubischen Anschauungen zu belauschen, besonders aber
meine 70-jährige Mutter. Sie stammt aus einem alten Bauern­
geschlecht, ist über die engste Heimat nie länger hinaus gekommen.
W as sie aus ihrer Jugend und ihren reifen Jahren zu geben vermag,
stellt somit jetzt den lebendigen Aberglauben aus Großm utterszeit
dar, was ihre Nachkommen und die gegenwärtige reife Generation
davon hat, ist noch lebendiger Aberglaube. In derfolgenden Sammlung
werden einzelne Gebiete mit wenig Material vertreten sein, so z. B.
Hochzeit. Das ist deswegen lehrreich, weil im Sommer keine Hoch­
zeit w ar und deshalb für mich keine unmittelbare Gelegenheit zur
Beobachtung. Dagegen ist Gewitter und Hagel sicher vollständig
aufgenommen.
I. Volksmedizinisches.
Hier spielt noch heute das Wenden, Besprechen eine große
und lebendige Rolle.
1. Fingerwurm, genannt Beisser (P a n a ritiu m ). Ueber die Ent­
stehung dieser Krankheit besteht keine genaue Vorstellung; man
kann noch aus der Beschreibung der Ursache bei alten Frauen
heraushören, d aß sie diese auf einen Wurm (Beisser) zurück­
führen. Allerdings von seinem Aeußern und dem Vorgang, wie er
in den Finger hineingekommen sein soll, haben sie keine Vor­
stellung und machen sich auch keine. Die höchst altertümliche
Heilung, die noch ohne Besprechen mit den häufigen Wurmsegen
erfolgt, beruht auf dem Vorbildzauber. Diesen vollzieht eine Person,
meist eine Frau aber nur dann, wenn sie
a) atn Georgitag (24. April), dem T a g des D rachen-W urm ­
töters geboren ist,
35
b) wenn ihr als Kind ein W urm in die Hand gegeben
wurde, damit sie ihn zerdrückte, worauf er vernichtet (ver­
brannt) wurde. Oder es wurde dem Kind ein Hammer in
die Hand gegeben und diese von der Mutter oder jemandem
anderen so geführt, d a ß es den Wurm schlug.
Der Vorgang beim W enden besteht darin, d aß die wendende
Person den kranken Finger in die Hand nimmt und eine Zeitlang
drückt.
In dieserW eise wird in diesem Gebiete gegen die Beisser noch
jetzt von einer Häuslersfrau A. G.1) gewendet. Sie erklärte mir,
d aß sie w ährend des kurzen Druckes ein paar Vaterunser bete, daß
dieses G ebet aber nicht notwendig w ä re;’ sie besitze durch ihre
Geburt am Georgitag und durch die T ötung eines W urm es diese
Kraft, auch schreibe sie dein Kranken kein Gebet vor. W enn sie
den Finger halte, verspüre sie besonders stark das Schlagen und
Pochen des Beissers, der sich dagegen wehre. Der Patient em p­
finde einige Zeit einen heftigen Schmerz, verfalle nach etwa
2 Stunden in einen schlafähnlichen Zustand, fühle sich aber nach
dem Erwachen besser und die Heilung erfolge. Dieselbe Behandlung
wende sie auch gegen Kopfschmerzen an, die durch einen pochenden
Schmerz auf eine dem Fingerwurm ähnliche Ursache schließen
lassen; sie lege dabei die rechte Hand auf den Kopf. Dabei ist zu
bemerken, d aß die Frau diesesW enden nicht gegen eine Entlohnung
vornimmt und nur auf Ersuchen von Seiten des Kranken; bei meinem
Besuch an einem Sonntag im Sommer 1929 sprach sie und die an­
wesenden Frauen und ihr Gatte mit einer an religiösen Ernst ge­
mahnenden Ueberzeugung von der W irksamkeit dieser Heilmethode.
Zu dieser unmittelbarsten Quelle bekam ich a u ß e r der Be­
stätigung noch eine Variante in der Behandlung des Beissers von
einer 80-jährigen Greisin. Die Körperstelle mit dem Beisser werde
nicht gedrückt, sondern mit der Hacke geschlagen, um den Wurm
zu töten.
2.
Englische Krankheit. Dagegen wird noch sehr viel ge­
wendet in der ganzen Umgebung und im oberen Mühlviertel über0 D en N am en kann ich nicht nennen.
l*
36
haupt. In Kirchberg, wohin Mütter auch von der Umgebung
mit den kranken Kindern kommen, besorgt dies eine in
der Mitte der Dreißiger stehende Besitzersfrau, K. R., in deren
Familie diese Heilkunst als Geheimnis erblich ist und die sie von
ihrer Mutter übernommen hat. Da hiermit eine sehr bescheidene
Entlohnung verbunden ist, wird das „gewisse G ebet” als Geheimnis
bew ahrt und ich konnte es von dieser Frau nicht erfahren. Sie sagte
mir noch, d aß das W enden nur bei Vollmond erfolge, und zwar
gegen den „abnehmenden Mond hin”. Auf dem betreffenden Körper­
teil wird zuerst ein Kreuz gemacht, dann dieser mit der Hand
mehrmals bestrichen und dabei das gewisse Gebet gesprochen,
darauf wird ein Vaterunser gebetet. Bei sehr starken Fällen wird
das W enden beim nächsten Vollmond und dann noch ein drittes
Mal wiederholt.
3. Auszehrung. Mit 9 Vaterunser im T a g wird begonnen, dann
wird an jedem folgenden T a g ein Vaterunser weniger gebetet. Ein
etwa 50 Jahre alter Häusler, M. G., berichtete mir mit ehrlicherUeberzeugung, daß ihm dieser Vorgang geholfen hatte. Vor 20— 30 Jahren
wurde gegen die Auszehrung das sogenannte Spannen angewendet.
Allerdings wissen auch alte Leute hier nichts Genaueres darüber, nur
d aß der Spanner mit den ausgespreitzten Fingern (Spanne) gewisse
Messungen am Arm vornahm. In unserem Gebiet scheint es keine
des Spannens kundige Person gegeben zu haben, sondern man
w andte sich an einen Mann in Helfenberg, der den Namen SpannerPeter hatte (In Helfenberg konnte ich bisher über diese Persön­
lichkeit noch nichts W eiteres ausforschen).
4. Gegen die Veraeidung des Viehes und den bösen Blick.
An den bösen Blick glauben alte Leute (besonders Frauen) auch
jetzt noch; dagegen zeigen junge und reife, vor allem Männer, nur
seltene Spuren von diesem Glauben. Es starb vor kaum 20 Jahren
ein Mann, den man in keinen Stall hineinließ, weil er „scharfe Augen
h atte”, so d aß das Vieh nicht mehr fraß, besonders wenn es schön
w ar und ihm gefiel. Dagegen suchte man von ihm ein Kleidungs­
stück zu bekommen, verbrannte es und räucherte damit das Vieh.
Besonders Schweine gelten als sehr oft verneidet; da die Schweine­
fütterung nur die Weiberleute angeht und sie tatsächlich dabei off
mehrere Jahre hindurch vom M ißgeschick verfolgt sind und trotz
aller Sorgfalt keine M ästung erreichen, wofür ihnen die Schuld
3?
vom Mann gegeben wird, kommen sie leicht dazu, auf Verhexung
und Verneidung durch Fremde zu schließen. W enn das Schwein
bei allfälligem Verkauf im neuen Stall frißt und gedeiht, so ist die
Bestätigung der Verneidung gegeben. Diesen Glauben an die Ver­
neidung ihres einzigen Schweines beobachtete ich bei armen
Leuten bis in die letzten Jahre und auch heute wird er noch ang e­
troffen. Die Redensart: Die Sau frißt nicht, als o b ’s verneidet wäre,
ist geläufig und beweist, daß dieser Aberglauben erst seit ein paar
Jahren im Schwinden begriffen ist.
Daher soll ein Fremder beim Betreten des Stalles das Vieh
nicht zu laut und überschwenglich loben; man hat das (auch jetzt
noch) nicht gern. Man soll sagen: Ich wünsche dir viel Glück, um
zum Ausdruck zu bringen, d a ß man keinen Neid hegt, und soll auf
den Fußboden schauen, dann schadet kein scharfes Auge.
5. Leisten. So wird eine eigenartige Geschwulst des Euters
genannt, weil dieses durch die G estaltung eine entfernte Aehnlichkeit mit einem Schuhleisten bekommt. Die Heilung beruht auf
dem Sympathiezauber. Es wird mit einem ungebrauchten Schuh­
leisten (er soll mindestens ein Jahr nicht mehr verwendet worden
sein; infolge der noch üblichen Störarbeit der Schuster finden sich
solche leicht in den Häusern) dreimal das Kreuz über die Geschwulst
gemacht; darauf wird er in den Fuftertrog geworfen, wo er drei T age
liegen muß und nicht herausgenommen werden darf.
In dieser W eise wird noch jetzt diese auf Verkühlung der
Milchgefäße beruhende Entzündung geheilt; allerdings wurde diese
Art der Behandlung von einer Fürkäuflerin vor etwa 20 Jahren
hierher gebracht und es ist der Verbreitungsweg von der einen
Frau, die diese empfohlen bekam, festzustellen. Die Anwendüngdes Mittels gegen den Leisten konnte ich im eigenen Vaterhaus und
auch in anderen W irtschaften beobachten.
6. Kaum mehr gewendet wird gegen Warzen.
Dagegen wendete vor 25— 30 Jahren ein alter Mann. Unter
Stillschweigen wickelte er einen Faden 9 mal um die W arze und
wieder ab; darauf vergrub er ihn unter der Dachtraufe; wenn der
Faden hier verfault war, sollte auch die W arze geschwunden sein.
Dieses Verfahren wurde von diesem Manne mehrmals bei mir an­
gewendet. Jetzt wird meist darüber gelacht.
38
II. Gewitter und Hagel.
Bei Gewitter wird noch gegenw ärtig sofort das Herdfeuer
gelöscht; auch das Schmiedefeuer wird gedämpft. Fenster und
Türen werden geschlossen, damit der Blitz keinen Zug hat. In den
Herd wird etwas Geweihtes vom Weihpalm gegeben oder ein kleines
Kranzei von Fronleichnam, das aus Kudelkraut und Jungfrauen­
mantel gebunden ist, oder Laub von der Fronleichnamsbirke, ln
der Stube wird gemeinsam gebetet, wobei man knien soll, es wird
die W etterkerze angeziindet. Rote und schwarze Wetterkerzen
brachten früher die Mariazeller W allfahrer mit. Manche legen gegen
den Hagel ein sogenanntes Antlaßei hinaus ins Freie (es ist dies ein
am Gründonnerstag gelegtes und am Ostersonntag geweihtes Ei).
Da man bei besonders großen Schloßen (Rieseln) sagt, „sie sind
groß wie Tau ben eier”, so erklärt sich der sympathetische Abwehr­
zauber mit dem Antlaßei. W eihw asser wird auf den Tisch gestellt,
in den Ofen und ins Freie gespritzt; Haselnußlaub soll man unter
das Fenster geben. Bei jedem Blitz ist zu sagen: Helf uns Gott!
Nach dem Blitz darf man nicht mit dem Finger zeigen. Es ist ein
Hervorbrechen primitivster Religiosität, wenn bei der Sturm kata­
strophe am 6. Juli 1929 eine religiöse Besitzersfrau, F. J., die sonst
wenig Abergläubisches an sich hat, mit dem W eihw asser ins Freie
wollte, um damit um das Haus zu eilen und gegen den Sturm zu
spritzen. Bei derselben Gelegenheit konnte ich den Glauben an den
Schutzzauber der Haselnuß noch lebendig bemerken. Bis dahin
hatte ich ältere Frauen öfters sagen gehört, „man hat früher gesagt,
die Haselstaude schütze, weil die Jungfrau Maria auf der Flucht
unter ihr Schutz gesucht h a b e ”. Jetzt erklärte mir eine verwandte
Bäuerin am T age nach dem Sturm, sie habe sich unter eine Hasel­
staude geflüchtet, weil sie ihr Haus nicht mehr erreichen konnte.
Diese schwerste über die Gegend in einigen Minuten herein­
brechende Elem entarkatastrophe ließ auch sonst Spuren primitivster
Religiosität hervorbrechen, so wenn ein Mann, L. N., auf die er­
staunte Frage, weshalb der Sturm nicht auch das Dach seines Hauses
mitgenömmen hätte, dies dem unmittelbaren Eingreifen einer Josefs­
statue zuschrieb, die unter dem Giebel angebracht ist. Er habe laut
zu diesem Heiligenbild um Schutz hinaufgerufen.
Noch nicht geschwunden ist der Glaube, d aß ein roter ge­
brannter Ziegelstein, in eine Zwiesel eines Apfelbaumes gelegt,
dessen Blüte gegen Blitz schütze. Der zur Zeit der Baumblüte be­
39
sonders stark leuchtende Blitz verursache das Brandigwerden der
empfindlichen Apfelbliiten. Der Ziegel ist wohl ein Donnerstein.
Bis zum Krieg konnte man die Steine auf Apfelbäumen recht oft
bemerken, vereinzelt noch im letzten Sommer. Jedenfalls wissen die
Erwachsenen noch, welche Bewandtnis es mit dem Ziegel hatte,
wenn sie auch selbst nichts mehr tun. Aus der eigenen Kindheit
(35 Jahre etw a) kenne ich noch das Gewitterglöckchen; kleine
Glocken, meist aus Ebenzweier (Kloster bei Gmunden) stammend,
von wo es Frauen, die dort Exerzitien machten, mitgebracht hatten.
Sie wurden w ährend des Gewitters geläutet und zwar womöglich
von einem kleinen Kinde. Das W etterglöckchen wird selten, aber
vereinzelt doch noch immer in den Familien geläutet. Dasselbe ist
auch der Fall bei dem Johannesevangelium, dessen Anfang dreimal
gelesen wurde. Dagegen ist das W etterläuten seit der Jugend meiner
Mutter (etw a 1875) nicht mehr gebräuchlich. Dies besorgte der
Schullehrer, der als Entlohnung bei den Bauern die sogenannte
W ettergarbe sammelte. Es ist somit deutlich, daß durch das W e tte r­
läuten das Unwetter von den Getreidefeldern fern gehalten werden
sollte. Bis ungefähr in dieselbe Zeit sprach mancher Geistlicher
den W ettersegen. Ebenso warf man Brot ins Feuer. Je stärker ein
Gewitter ist, je g röß er die dadurch ausgelöste seelische Er­
schütterung ist, desto unvermittelter tritt primitive Religion hervor.
Um den Hagel (Schauer) von den Aeckern fernzuhalten,
wurde vor 40— 50 Jahren am Schauerfreitag (Freitag nach Christi
Himmelfahrt) auf den Aeckern nichts gearbeitet; ebenso soll am
Leonhardstag nicht geackert werden, es ist der Viehfeiertag. Gegen
die Reifezeit des Kornes hin und während es in den Mandeln stand,
wurde unter den Bauern nicht mehr getanzt, man fürchtete schwere
Gewitter; auch jetzt widersetzt sich mancher Bauer um diese Zeit
einem T anz in seinem Haus.
III. Arbeit im Felde.
1.
Des Bauers Zukunft ist von der Natur abhängig; daher
sucht er den günstigen Zeitpunkt zur Verrichtung gewisser Arbeiten
zu erforschen. Gerade hier ist bei der Jugend so ziemlich alles ge­
schwunden, auch die gegenwärtigen Bauern wissen kaum mehr
etwas; nur Greise erzählen noch manches. Zur Erforschung, ob der
W interroggen spät oder früh angebaut werden sollte, hatte mein
40
G roß vater am Jakobitag vor Sonnenaufgang oder nach Sonnen­
untergang oder in der 12. Stunde je eine Handvoll Korn angebaut.
Entwickelte sich das vor Sonnenaufgang gebaute am schönsten, so
baute man früh, wenn das nach Sonnenuntergang, dann spät.
Der Haar (Flachs) wird lang, wenn die ersten Maiblumen
(hier der Löwenzahn) recht langstielig sind.
Am O stertag soll es regnen, denn soviel Tropfen, soviel
Aepfel. (Ein gutes O bstjahr mit viel Most, der reichlich als Haus­
trunk getrunken wird.) Auch der Faschingdienstag hat dieselbe
Vorbedeutung.
2. Anbau: Ziemlich allgemein wird beobachtet, d a ß der Anbau
nicht bei abnehmendem Mond und im Zeichen des Krebses erfolgt.
Es gibt noch heute Leute, die besonders die Erdäpfel nicht setzen
wollen, wenn der Mond noch „jung ist”. Besonders beim Kraut­
pflanzensetzen wird noch ziemlich allgemein hierauf geachtet und
dieser Glaube ist noch so verbreitet, d aß man bei Mißlingen des
Krautes die Schuld auf den zu „jungen” Mond oder den Krebs
schiebt. Das Sätuch m ußte aus einem Garn hergestellt sein, das von
einem Kind unter 6 Jahren gesponnen war. Meine G roßm utter hat
noch solches Garn gesponnen, also w ar dieser Glaube zwischen
1830— 1840 noch lebendig.
3. Das Kornbeten bestand ebenfalls etwa vor 70— 80 Jahren
noch allgemein, in der Zeit der Großeltern. Unsere Eltern kennen
es nur mehr aus den Erzählungen ihrer eigenen Eltern. Doch als
ein Rest des alten Kornbetens, wenn auch njcht mehr als solches
gefühlt, muß die bis vor 10— 15 Jahren geübte Andacht an be­
stimmten alten Feldkreuzen und Kapellen am Abend vor Maria
Heimsuchung (2. Juli) betrachtet werden. Es versammelten sich
alle Hausleute eines oder zweier B auernhäuser oder eines Dorfes
zu einer stimmungsvollen, gemeinsamen Andacht.
4. Ernte, Kom schneiden: Bis in die 80er Jahre des vorigen
Jahrhunderts machten die Schnitter bei Beginn des Händvollschneidens beim ersten Bandl ein Kreuzzeichen über die linke Hand,
damit sie sich nicht schneiden. W äh rend der Arbeit wurde sehr
viel gejuchzt, noch bis zum Krieg, jetzt aber selten. Man wollte
damit die Freude und den Jubel über die gute Ernte ausdrücken.
41
Den Juchzer führten meist die Männer aus, indem sie einander
gegenüberstehend der eine juh, der andere huh machten, solange
sie es aushielten. Sie wurden immer rascher und vereinigten sich
zu einem gemeinsamen hochgehenden Juchzer, der aber ganz ver­
schieden ist vom Jodler.
Früher achtete man immer darauf, daß die letzte Garbe groß
gemacht wurde, damit im nächsten Jahr „braves” (reichliches) Korn
werde. W enn man auch jetzt nicht mehr an die Vorbildwirkung
glaubt, kann man doch immer wieder die Aeußerung hören, daß die
Garbe möglichst groß sein soll. Man sieht das noch immer gern.
Vor einigen Jahrzehnten setzten sich die Schnitter auf die letzte
Garbe und beteten einige Vaterunser, um das Korn glücklich heim­
zubringen und im nächsten Jahre eine gute Ernte zu haben.
5. Durchschnitt: Die ältesten Leute wissen noch davon, meist
aber auch nur vom Hörensagen. Die jungen Leute wissen nichts.
Die Alten glauben an die Tatsache des Durchschnittes und es wird
von einem Weibsbild, das um das ja h r 1850 im Rufe einer Hexe
starb, erzählt, d aß sie den Durchschnitt verstand. Andere schreiben
seine Kenntnis Leuten zu, die gewisse „scharfe Augen” haben.
6. Flachs: Das Haarstreuen besorgen die Frauen allein; die
M änner machen bloß die Händvoll Haar und reichen sie ihnen. Zu
Beginn und am Ende werden aus Haar 3 Kreuze gelegt; das ge­
schieht jetzt noch aus alter Gewohnheit, damit der W ind nicht den
Haar holt. Früher sprach man dabei: Im Namen Gottes des Vaters
u. s. w. Einst kam es vor, d aß sich die Großdirn auf die erste und
letzte in Kreuzform gestreute Handvoll daraufsetzte. Dieser Brauch
ist zw ar unter den Frauen noch allgemein bekannt, wird aber nicht
mehr geübt, man lacht darüber.
Früher allgemein (manchmal auch jetzt noch), ließ man zu
Fronleichnam Kränzchen weihen, die man an langen Stecken be­
festigte und in den Haaracker steckte, damit der Haar recht lang
werde. Bekannt ist auch noch, daß die Mädchen über das Sonnwendfeuer springen sollen, damit der Haar lang werde. Bauen soll
man den Haar am Vormittag, damit er gedeiht; würde er erst am
Nachm ittag gebaut, würde er sehr lange blühen, was nicht sein soll.
Früher bekam der Bauer für das Bauen des Flachses einen Eierkuches (Oarinschm alz).
42
7.
W etterprozessionen: Prozessionen um Regen, und schönes
W etter fanden bis in die letzte Zeit nach derselben Waldkapelle
mit einer Lorettomadonna (schwarze M adonna) statt. Früher w ar
die Beteiligung allgemein und vor 25— 30 Jahren nahm auch die
Geistlichkeit daran teil (eine eigene kleine Fahne, die jetzt noch
vorhanden ist und für dieses „Betengehen” bestimmt war, wurde
dem Zug von einem Ministranten vorausgetragen; ich selbst habe
das mehrere Male getan). Die Mehrzahl der Teilnehmer waren
Frauen, Männer hielten sich meist fern. Da die Bauern und
Bäuerinnen nicht mittaten, lehnten es auch die kleineren Landwirte­
irauen und besitzlosen Inwohnerinnen mit der Zeit ab, für die
anderen um Regen und schönes W etter beten zu gehen. Die frühere
allgemeine Beteiligung von bodenbesitzenden und nicht besitzenden
Gemeindeangehörigen w ar der Ausdruck für die gemeinsame Ver­
bundenheit aller Bauersleute.
Die erste Frucht des Baumes soll ein Vater oder ein Kind
nehmen. W ird diese gestohlen, so trägt der Baum nicht mehr oder
stirbt ab. Dieser Glaube ist noch jetzt lebendig.
IV. Haus und Vieh.
1. Hennen. W enn die Hennen Eier ohne Schale nur mit der
Haut legen, gibt man ihnen gern geschabte Kirchhofsmauer; auch
jetzt noch wird dieses Verfahren von manchen Frauen angewendet.
Damit sie fleißig legen, ließen viele (manche tun es auch jetzt
noch) am Palm sonntag in einem Säckchen Gerste weihen, die sie
ihnen am O stersonntag als Futter gaben.
Damit im Jahr mehr Hennen (Singerl) als Hähne werden,
muß am Ostersonntag das „Stubenmensch” mit dem Geweihten
vor den Burschen heimkommen. W ürden die Burschen (der Hirten­
bub und Futterer) zuerst zu Hause sein, würden mehr Hähne
werden. So verlassen noch jetzt die Mädchen am O stersonntag das
Hochamt vor Schluß und es beginnt ein W ettlauf nach allen Rich­
tungen zwischen Mädchen und Burschen.
2. Bienen. Man darf sie nicht beschimpfen, nicht Fluchworte
über sie aussprechen, weil sie das W achs machen, aus dem Kerzen
verfertigt werden, die man zum Sterben braucht, um den bösen
Feind zu vertreiben. Den Bienen soll der Tod des Besitzers ange­
sagt werden; sie dulden kein Glockengeläute. Damit man für das
43
nächste Jahr Glück hat, soll man von jeder Honigernte etwas ver­
schenken, an Kinder und arme Leute. Der Grund ist zwar un­
bekannt, doch soll wahrscheinlich durch eine freiwillige Gabe der
Neid gebannt werden.
3.
Vieh. Damit das Vieh gesund bleibt, steht noch in einem
oder zwei Ställen der Gemeinde ein Geisbock; er zieht alle Krank­
heiten an sich. Wird die Kuh abends zum Stier getrieben, bekommt
sie nachts das Kalb. Die Frau, die sie führt, soll dazu ein schönes
Kleid anlegen, damit sie ein schönes Kalb bekommt. An diese be­
kannte Vorbildhandlung glaubt man zwar nicht mehr, gibt aber den
Mädchen die Gelegenheit, sich zu putzen. Nach dem Stierweisen
wird der Kuh bei ihrer Rückkehr etw as Geweihtes gegeben, so
einige Katzerln der Saalweide aus dem W eihpalm zwischen zwei
Broten, die mit W eihw asser bespritzt werden, ln manchen Ställen
ist ein Kreuz auf die T ü r gezeichnet, W eihw asser ist immer vor­
handen, ebenso der W eihpalm ; früher w ar etwas Geweihtes unter
der Schwelle. W enn man aus dem Stall geht, soll man sagen: ln
Gottes Namen. Ich wünsche den armen Seelen eine glückselige Auf­
erstehung und glorreiche Himmelfahrt. (Von einer Frau, die es so
hielt bis zu der vor 4 Jahren erfolgten Abgabe der Stallarbeit.)
Am Ostertag m ußten die Mägde früh aufstehen und in
ihren Fürtüchern Kornsaher (die Spitzen der jungen S aat) heimtragen; er wurde zwischen zwei Brote gelegt und dem Vieh
gegeben, damit man damit Glück habe (heute nicht mehr üblich,
doch von einer 80-jährigen Greisin, M. Sch., als ein in ihrer Jugend
allgemein üblicher Brauch berichtet). Die erste Milch einer jungen
Kuh soll man verschenken, damit man Glück hat. (W ird nur ganz
vereinzelt mehr eingehalten.) Der Kuh wird nach dem Kalben als
Erstes ein Stück Brot mit W eihw asser bespritzt, gereicht. Wenns
nichts nützt, schadet es auch nichts.
Viehkauf— Verkauf. Es gibt noch den Leutkauf, wenn er auch
im Abkommen begriffen ist. Ein Kuhkauf ist noch mehr eine be­
sondere Angelegenheit als der eines Ochsen. So bekommt der
Käufer noch jetzt ein Stück Brot oder eine Brotrinde vom Verkäufer
mit, wenn etwa die Kuh (w ie man es begründet) auf dem W eg
matt werden sollte. Da dieses auch gereicht wird, wenn der Verkauf
über die S traß e stattfindet, ist es das sogenannte Gewöhnbrot.
Früher wurde dem Käufer auch der Strick mitgegeben. Das verkaufte
Kalb muß auch jetzt noch verkehrt aus dem Stall gebracht werden.
44
V. Hexen.
D aß es Hexen gegeben hat, ist besonders unter den Frauen
ein allgemein verbreiteter Glaube. Z w ar verwendet man für
sie nicht die Bezeichnung Hexen, noch auch Hexerei und Zauberei
für ihr Tun, sondern man sagt von ihnen, d aß sie etwas „konnten”.
ln unserem Gebiet haben die Alten noch die Erinnerung an
zwei solche W eiber von diesem Ruf; sie starben etwa zwischen
1850— 1870. Von der einen hat der eigene Sohn über das Treiben
seiner Mutter erzählt und meine Mutter hat es als' junges Mädchen
aus seinem Mund gehört. Besonders verstand sie es, den Kühen
nach dem Kalben die Milch auszumelken; wenn : man aber den
Kühen rechtzeitig ein Antlaßei gab, konnte sie ihnen nichts mehr
antun. Mit ihrer Tochter, die zur Mutter hielt, soll sie aus Tan nen­
reisig Korn gedroschen und aus den Zizeln eines Grastuches Milch
gemolken haben u. a. mehr.
Zur Abwehr der Hexen vom Vieh werden noch manche Vor­
kehrungen getroffen. So darf am Sonnwendtag kein Gras einge­
bracht werden, weil man Hexen mitbringen würde, die dem Vieh
im Stall schaden könnten. Darauf wurde in meinem eigenen Vater­
haus bis jetzt strenge geachtet.
W enn die kleinen Besitzer zum Heueinbringen gro ße Leinen­
tücher (sogenannte Grastücher) verwenden, so dürfen diese nicht
ausgebreitet auf der W iese liegen. Damit sich die Hexe nicht darauf
setze, m uß zumindestens ein Büschel Heu darauf liegen. Hierauf
wird noch immer geachtet, man kann beobachten, d a ß ein wenig
Heu nach altem Brauch darauf geworfen wird, allerdings denkt man
wohl nicht mehr immer an die Hexe.
VI. Mutter und Kind, Schwangerschaft, Geburt und Taufe.
Versehen der Mutter: Die schwangere Frau darf nichts H ä ß ­
liches, keinen Toten, keinen M ißgestaltigen ansehen; sie soll das
Feuer nicht zu sehr ansehen. Daß schwangere Frauen, die bei einer
Feuersbrunst zusehen, von anderen Frauen weggewiesen und
auf die Gefahr aufmerksam gemacht werden, kann man immer
noch beobachten. Sie dürfen nichts nehmen, was ihnen nicht gehört,
denn sonst würde das Kind diebisch. Die N achgeburt wird unter
einem Baum vergraben. Das Neugeborene wird mit W eihw asser
bespritzt. Das Kind soll am selben T a g getauft werden, denn stirbt
45
ein ungetauftes Kind, w äre es besser, es ginge ein Königreich zu
Grunde. Bei der Taufe erhält das Kind ein W estergeld, das man
früher in die aus einem Evangelienbuch herausgerissenen Blätter
wickelte; jetzt geschieht das nicht mehr. Die Wöchnerin gilt für die
älteren Frauen noch jetzt als unrein, bis sie in der Kirche für­
gegangen ist. Fürgehen dürfen nur die Verheirateten, aber auch bei
diesen kommt es immer mehr ab. Die Wöchnerin muß in der
Sakristei warten, bis sie vom Geistlichen in die Kirche geleitet wird.
Sie soll von einer verheirateten Frau begleitet sein; beide gehen
hernach manchmal ins W irtshaus.
Außerdem ist der 9. T ag für sie besonders wichtig. Bis zu ihrer
Reinigung soll die Wöchnerin in keinen Spiegel schauen, kein W eih­
w asser nehmen, denn es „gilt bei ihr nicht”. Sie soll nicht über die
Dachtropfen herauskommen, sonst könnte sie der Teufel holen.
Der Täufling soll zur Kirche getragen werden, in der Regel
von der Hebamme. Bei Bauern mit Pferden wird schon öfters das
Fuhrwerk benützt. Vor etwa 50 Jahren wurde auf dem W eg zur
Kirche geschossen, besonders bei einem Buben. Der Vater bekommt
beim Gevatterbitten einen Eierkuchen (Oarinschm alz). Der Taufschmaus auf Kosten des Vaters findet so ziemlich noch immer statt,
meist am T a g der Taufe, wegen vieler und drängender Erntearbeit
auch am folgenden Sonntag.
Kinderjahre. Kleine Kinder wiegt man auch jetzt ungern, denn
man befürchtet ihren Tod. Vor der Jahreszeit (bevor sie ein Jahr
alt sind) sollen ihnen Haar und Nägel nicht geschnitten werden;
die letzteren soll ihnen die Mutter abbeißen. Um die Kinder sanges­
begab t zu machen, gab man ihnen vor 1— 2 Generationen als erstes
Fleisch Vogelfleisch, so von einer Krähe. Bei mir hat vor etwa
40 Jahren das zarte Fleisch eines Krametsvogels allerdings nicht
geholfen.
VII. Hochzeit.
Bauernhochzeiten finden nur Montag oder Dienstag statt. Bei
der Trauun g müssen die Brautleute so enge beisammenstehen, daß
man nicht durchsieht; es muß daher die Prangerin, wenn sie hinter
den Brautleuten stehend einen Zwischenraum sieht, diesen ver­
stellen; zauberkräftige Leute könnten ihnen sonst Böses antun. Die
Brautm utter darf weder bei der Trauung noch beim Mahl anwesend
sein, sie würde die Not nachtragen.
46
VIII. T o d .
Vor allem steht auch der hiesige Bauer dem Tod nüchterner
gegenüber als der Stadtmensch. Recht lautes Schluchzen und
W einen soll
werden.
beim
B egräbnis
und
beim
Sterben
unterlassen
An das Anzeigen wird noch allgemein geglaubt und fast in
jedem Haus kann man hierüber einen an einen bestimmten Todesfall
geknüpften Bericht hören, so z. B. d aß das Geschirr beim Ofen ohne
ersichtlichen Grund erschüttert wird, d aß auf dem Boden Gegen­
stände umgeworfen werden, besonders oft hört man, d aß Laden und
Latten auf dèm Boden umgeschichtet werden; man glaubt auf der
S traß e ein Fuhrwerk vorüberfahren zu hören, ein Glöckchen zu ver­
nehmen, bei einer Kapelle vor dem Haus wird dreimal um Hilfe
gerufen. Das Schreien der Elster um das Haus eines Schwerkranken
wird als böses Vorzeichen aufgefaßt. W enn der Sterbende die
Daumen krampfartig einzieht, muß man ihm diese lösen, damit er
leichter sterben kann. W äh ren d des Sterbens wurde noch vor
10 Jahren beim T od eines 90-jährigen Greises mit einem kleinen
Glöckchen geläutet, in Anwesenheit des Priesters; jener hatte sich
ausdrücklich „ausgetragen” (bestim m t), d aß ihm im Todeskampf
das Glöckchen geläutet würde.
Mit dem W eihw asser soll man immer außen um das Bett
herumspritzen und dabei sagen: Jesus, Maria und Josef, steht ihm
bei in der letzten Stunde! Da ich als Ministrant bei Versehgängen
oft bei Sterbenden anwesend war, konnte ich sehen, daß mit dem
W eihw asser 3-mal auch zum Fenster hinausgespritzt wurde. Laut
geweint und geklagt soll nicht werden, weil das dem Sterbenden
weh tut, es wird ihm das Sterben noch „stärker”, (es erfolgt schwerer
und m ühsam er). Nach dem eingetretenen Tod wird die Uhr stehen
gelassen, der Spiegel wird verhängt oder weggeschafft, die Fenster
dürfen jedoch im Aufbahrungsraum nicht geöffnet werden, damit
die Leiche keinen Geruch bekommt.
Herrichtung der Leiche: Mund und Augen müssen zugedrückt
werden; offene Augen bedeuten, d a ß bald jem and aus der Freund­
schaft (Verwandtschaft) nachstirbt. W enn die Augen nicht ge­
schlossen bleiben, legt man einen Kreuzer darauf, damit sie halten.
Das W asser, mit dem die Leiche gewaschen wurde, wird so weggeschiittet, d a ß niemand darübergeht.
47
Vielen wird noch jetzt der Hochzeitsstaat angelegt, besonders
das Hemd. Es werden der Leiche Strümpfe, aber keine Schuhe an­
gezogen. Eine W ochenbetterin wird w eiß gekleidet, bekommt den
Brautkranz und ein w eißes gefaltetes Tuch umgebunden (das so­
genannte Maultüchl, das sie auch beim Fürgehen träg t). Die Leiche
wird so aufgebahrt, d aß die F üß e gegen die T ür gerichtet sind.
Damit man sich vor der Leiche nicht fürchtet, soll man sie berühren.
Leichenbegängnis: Bei Ledigen (vor etwa 30 Jahren) trugen
alle Teilnehmer Kunstblumensträuße, jetzt nur mehr die Leichen­
träger und der Kreuzträger, die ledige Nachbarsburschen sind. Diese
trugen einst Rosmarinkränzchen am Hut oder am Rock. Bei einem
Ledigen sagt man noch jetzt, „er (sie) hat den Hochzeitstag”. Daher
ein Kranz mit lichten Blumen und w eiße Kleider. Die Leiche muß
mit den F üßen voran aus dem Haus getragen werden. Der Auf­
bahrungsraum wird zuerst kurz geöffnet, dann wieder verschlossen
und alles von der Aufbahrung m uß rasch weggeräum t werden. Das
Bettstroh wird verbrannt, sobald man mit der Leiche weggefahren
ist, oft wird es aber sogleich nach dem Hinscheiden angezündet.
Der Fuhrmann darf nicht umschauen; ein trächtiges Pferd darf
nicht verwendet werden, es könnte ihm schaden. Im W inter darf
kein Schlittengeläut verwendet werden.
T otenw ege: Der Leichenwagen darf seit alters nur bestimmte
W ege benützen; besonders wird darauf geachtet, d aß keine W ege
benützt werden, die durch die Nachbargemeinde führen; so müssen
die Leichenzüge von Obermühl nach Kirchberg die neue bequeme
F ah rstra ß e an der Stelle verlassen, wo diese das Gemeindegebiet
verläßt; sie müssen den alten ehemaligen F ahrw eg nehmen. Früher
m ußte gezahlt werden, wenn aus einem dringenden Grund ein Toter
durch eine Nachbargemeinde durchgeführt werden mußte. Die noch
jetzt streng eingehaltenen Totenw ege lassen die Richtung einstiger,
durch bequemere S traßen ersetzte Fahrwege erkennen, denn solche
müssen es sein, kein Feldweg. Bei W egkreuzen und Kapellen wird
haltgem acht und etwas gebetet, w as auch w ährend des ganzen
W eges geschieht.
G rab: Von einem Grab darf man keine Blume abreissen, noch
daran riechen, sonst verliert man den Geruch. Man kann Mütter
oft hören, wie sie ihren Kindern diese Ermahnungen geben, des­
gleichen darf über G räber nicht gesprungen und gestiegen werden.
48
IX. B ro tb a c k e n ,
An einem Freitag soll nicht gebacken werden; es könnte ein
Unglück geschehen. Dies wurde früher allgemein beachtet und man
lieh sich lieber Brot aus, als d aß man am Freitag buck. In manchen
Häusern achtet man auch heute noch darauf. Nach dem Anrühren
mit Sauerteig und dem Kneten wird auf den zum Gären fertigen
Teig 3-mal mit der Hand das Kreuz gezeichnet und W eihw asser
daraufgespritzt, damit dem Teig nichts angetan werden kann. Beim
Formen der Laibe muß auf einen jeden eine Kreuzform mit der
Hand eingedrückt werden. Beim Einschießen der Laibe in den Ofen
m ußte früher gesagt werden: In Gottes Namen, d aß das Brot wieder
recht wird. Die Ofengeräte, wie Backschüssel, Ofenwisch- und
Krücken sollen ordentlich aufbewahrt werden, damit kein „böser”
Unfug (Z auber) mit ihnen getrieben werden kann.
X. Dieb- und Fuhrmannsbannen.
D aß gewisse Leute das konnten, wissen die alten Leute noch,
doch wie der Vorgang des Bannbrechens war, ist mir persönlich
nicht bekannt geworden, auch bei Greisen konnte ich ihn nicht er­
fahren. Zum Schutz gegen Diebe soll man alle T ag e ein paar
Vaterunser für die armen Seelen beten; diese sind froh darum und
wecken den Schläfer zur rechten Zeit, so d aß die Diebe gehört
werden. Dasselbe m acht man auch, wenn man frühzeitig aufwachen
will. (Mir wurde versichert, d a ß das immer geholfen hat.)
XL Feuerbannen.
D aß Geistliche das Feuer bannen können, ist ein Glaube, den
ich unter noch jetzt lebenden Alten wahrnehmen konnte; entweder
liest er aus einem Buch oder geht mit dem Allerheiligsten um den
Brand, besonders wenn die Kirche brennt. Man wirft auch ein ge­
weihtes Brot (m an spritzt W eihw asser darauf) ins Feuer; das Brot
darf aber nicht mit der bloßen Hand berührt werden.
XII. Sympathie zwischen Baum und Menschenleben.
Der Glaube ist zw ar allgemein nicht mehr nachweisbar, und
auch bei einzelnen Menschen nur mehr selten zu finden, doch h a t .
49
mein Vater noch 1910 das Absterben zweier Obstbäum e als Zeichen
seines eigenen Todes und des eines Sohnes angesehen; der ein ja h r
später erfolgte Tod beider wurde als Bestätigung betrachtet.
Gibt es recht viele Haselnüsse im Jahr, so gibt es viele
Mädchen mit ledigen Kindern. Eine oft gehörte, wenn auch scherz­
haft verwendete Redensart.
Volksreligiöse Opfergebräuche in Jugoslavien.
V on R u d o l f K r i s s, B e r c h t e s g a d e n .
M it 4 B ild ertafeln .
ln folgenden Zeilen soll versucht werden, eine knappe Uebersicht über die in der Gegenw art noch geübten Opferkulte Jugoslaviens, wie sie sich mir bei meiner Durchforschung verschiedener
W allfahrtsorte darboten, zu geben. Ohne Anspruch auf Voll­
ständigkeit zu erheben, beabsichtige ich lediglich, meine auf
mehreren Reisen in den einzelnen Landesteilen des neuen südslavischen Staates gemachten Beobachtungen schriftlich nieder­
zulegen. Da mit ganz geringen Ausnahmen fast keine Literatur zu
meinem Them a vorhanden ist, was mir auch von den Fachgelehrten
des Landes bestätigt wurde, muß ich mich auf mündliche Berichte
und in der Hauptsache auf eigene Erfahrung beschränken.
Bevor ich zu meinem eigentlichen Them a übergehe, soll ein
für jeden Volkskundler, der über Jugoslavien arbeitet, geltender
Leitgedanke hervorgehoben werden, nämlich der von der ver­
schiedenartigen kulturellen Schichtung dieses Landes. Es sind im
wesentlichen drei Kulturkreise, die auf die jugoslavische Bevöl­
kerung einen weitgehenden Einfluß ausgeübt haben. Ich nenne
zuerst den von Norden kommenden deutschen Einfluß, der sich
namentlich in Slovenien und in einem Teile Kroatiens bem erkbar
macht; ferner den östlichen, der vom Balkan über Serbien und
Bosnien herauf eindringt, und sich in Kroatien mit dem deutschen
vermischt, und den westlichen, italienischen, der allerdings nur
einen ganz unwesentlichen Gebietsteil, einen schmalen Küsten­
streifen am adriatischen Meere umfaßt. Selbstverständlich ist dies
nur ein ganz allgemeiner, cum grano salis zu nehmender Satz.
Auch verschieben sich die Grenzen bei den einzelnen volkskund2
50
lichen Substanzen ganz erheblich. So dringt z. B. der östliche,
orientalische Einfluß auf dem Gebiete der T racht und bei den in
der Textilindustrie Anwendung findenden Ornamenten und Mustern
außerordentlich weit herauf, andere Einflüsse fast ganz ver­
drängend; ein Blick ins ethnographische Museum von Zagreb tut
dies zur Genüge kund. Meine oben vorgenommene, ungefähre Ab­
grenzung ist derjenigen angegliedert, die Dr. Vurnik im Etnolog
1928 anläßlich der Bearbeitung der diversen Bauernhaustypen zog.
Diese Grenzen haben, von kleineren Verschiebungen abgesehen,
auch für die Verbreitung der verschiedenen Votive und W eihegaben
Geltung. Ein weiterer, wesentlicher Faktor allerdings kommt noch
hinzu: Er besteht in der konfessionellen Gliederung des Volkes.
Hier macht sich der östliche Einschlag seitens der griechischorthodoxen Konfession und für Bosnien und Herzegowina auch des
Mohammedanismus, die allem Votivkulte abhold sind, vor­
wiegend negativ bemerkbar; das Opferbrauchtum gelangte eigent­
lich nur bei den römisch-katholischen Volksteilen, von welchem die
Griechisch-Orthodoxen im allgemeinen nur wenig beeinflußt
wurden, zur vollen Blüte; hier machen sich naturgem äß zwei Ein­
flüsse geltend; der nördliche, der die Eigenheiten des deutschen
Katholizismus über Slovenien bis weit nach Kroatien verpflanzt,
und der westliche, dessen für den italienischen Volkskatholizismus
charakteristische Besonderheiten sich längs der adriatischen Küste
vorgeschoben haben.
I.
W ir beginnen unsere Untersuchung mit dem in unserem Sinne
ergiebigsten nördlichen Kreise, den wir kurz als den slovenischen,
wegen seiner in diesem Landesteile in erster Linie feststellbaren
Gepflogenheiten, bezeichnen wollen. Bei unserem Berichte werden
wir auf die lokalen, von den deutschen Gebieten abweichenden
Sitten, besonders achtgeben. (Kenntnis der prinzipiellen Dinge setze
ich voraus; ich verweise auf Richard Andree: Votive und W eihe­
gaben des katholischen Volkes in Süddeutschland 1904 und auf
meine eigene Arbeit: das Gebärmuttervotiv nebst einer Einleitung:
Arten und Bedeutung der deutschen Opfergebräuche der Gegen­
w art 1929).
Die w ä c h s e r n e n Opfergaben, die aus Holz- oder Gips­
modeln in verschiedenen W achsziehereien gew erbsm äßig her-
51
gestellt werden, sind noch überall bekannt, wenngleich ihr
Gebrauch besonders seit dem Kriege stark zurückgegangen ist;
eine derartig weitgehende Verbreitung wie bei u n s/h a b e n sie wohl
überhaupt niemals gehabt; nach Ansicht der Fachleute (ich ver­
danke vor allem Herrn Professor Tkalcic, Direktor des Ethn.
Museums von Zagreb wertvolle Aufschlüsse) ist der Brauch erst
in der Gegenreformation von Deutschland her eingeführt worden.
D aß er kein ursprünglicher, sondern importierter war, läß t sich
auch aus anderen Gründen erkennen. W ährend bei uns, von einigen
allerjüngsten Degenerationserscheinungen abgesehen, die Formen
aus kunstvoll geschnitzten Modeln, die bei den menschlichen
Figuren oft die kleinsten Details der Trächten hervorarbeiteten,
gegossen wurden, sind hier die Holz- oder Gipsmodel im allge­
meinen w eitaus primitiver. Man erkennt dies an den fertigen
Figuren, welche mit Verzicht auf alle Einzelheiten der Kleidung
usw. nur die ganz einfachen Umrisse der dargestellten Objekte er­
kennen lassen und vorne und hinten gleich aussehen, so d aß man
gerade noch die Art des Gegenstandes, z. B. ob Mann oder Frau,
aber gar keine Einzelheiten mehr erkennen kann. Tafel I, 2— 7.
jedenfalls trifft dies für viele derartige Erzeugnisse, wie sie mir aus
Zagreb, Ljubljana und Recica bekannt wurden, zu; bessere, mehr
den aus Andree bekannten Formen gleichende Votive kommen in
Karlovac vor, wo ich u. a. eine Kröte mit dem Monogramm
Mariens erwerben konnte. Die zur Darstellung gelangenden Gegen­
stände weisen nicht entfernt die Mannigfaltigkeit auf, wie sie aus
deutschen Wachsziehereien bekannt sind. Das mir zu Gesicht ge­
kommene Material setzt sich zusammen aus männlichen und weib­
lichen Figuren, Wickelkindern, Köpfen, Augen, Ohren, Armen,
Beinen, der Kröte und dreierlei Arten von Haustieren, Pferden,
Rindern und undefinierbaren Kleintieren. W eder die durch Kleidung
und G röße bedingten Spielarten innerhalb der betreffenden Figuren
selbst, sind in den einzelnen Geschäften vorhanden, noch auch die
vielerlei bei uns üblichen Objekte, wie Eingeweide und anderes
mehr, ja nicht einmal die obenangeführten Dinge besitzt ein
Geschäft auf einmal; meistens beschränken sich die Vorräte auf
Männer, Frauen, Arme, Beine, Augen und indifferente Haustiere.
Als Material wird meistens gelbes oder braunes noch stark nach
Honig riechendes W achs verwendet. All dies läß t erkennen, daß
die ganze Sitte nur in abgeschw ächtem M aße Eingang gefunden hat.
2*
52
Auch ist in zahlreichen W allfahrtsorten der Verkauf dieser
Wachsvotive überhaupt eingestellt worden. So erfuhr ich in dem
berühmtesten und bislang votivreichsten marianischen W allfahrts­
orte von Oöerkrain, Brezje, d a ß seit dem Kriege die W achsvotive
nicht mehr geführt würden. Den Verkäuferinnen in den zahlreichen
Krambuden am Kirchpiatze waren sie nur mehr aus der Erinnerung
bekannt; auch in Ljubljana hat der W achszieher den Betrieb ein­
gestellt, einzig in Zagreb und Bistrica (Kroatien) konnten die ge­
suchten Gegenstände noch gekauft werden, ln anderen W allfahrts­
kirchen sind die Figuren noch aus früheren Zeiten vorhanden, und
wrerden aus dem in der Kirche und in der Sakristei aufbewahrtem
Vorräte an die W allfahrer zum Opfergang ausgeliehen, aber nicht
mehr neu hergestellt.
Um gleich an dieser Stelle auf ein spezielles Votiv, nämlich
die Kröte als Symbol der Gebärm utter zu sprechen zu kommen,
so beziehe ich mich hier auf die Abhandlung von Mirko Kus-Nikolajew „Votive nerotkinja” (Etnolog 1928, Zagreb) und auf mein
eigenes B uch: „Das Gebärmuttervotiv 1929”, worin das Problem
nach der prinzipiellen Seite erörtert wird. Die genannte Sitte hat
wohl aus den benachbarten kärntnerischen und steirischen Gebieten
nach Jugoslavien übergegriffen’, und zwar gleichfalls in der Zeit
der Gegenreformation. Professor Tkalcic gelang es, wächserne
Kröten in folgenden Orten nachzuweisen: Zagreb, Bistrica, Recica,
Pokupsko, Zazina, Pokupski-Brest, Karlovac (für Kroatien), Torany
und die Gegend von Pakraz und Sissak (für Slavonien). W eiter
hinab ist die Sitte nicht mehr gedrungen. Der oben angeführte
Bericht im Etnolog deckt sich ohne nähere Ortsangaben mit obiger
Aussage. Der Verfasser bringt Abbildungen von W achskröten aus
Bistrica und Stenjevec. Durch Anführung des letztgenannten Ortes
wird die Liste der Fundorte durch einen weiteren Beleg ergänzt.
Die Abbildungen weichen von dem in Deutschland üblichen Durch­
schnittstyp nicht ab; im Vergleich zu dem von mir in Zagreb er­
worbenen Exemplar, das nur die gröbsten Umrisse wiedergibt,
sind sie etwas sorgfältiger ausgeführt. W a s Slavonien betrifft, so
kann ich die Kröte nachweisen aus Brezje und durch Umfragen
erfuhr ich, d aß auch im übrigen Oberkrain dié Krötenopferung bis
vor dem Krieg in einzelnen Fällen vorkam.
Außer den gew erbsm äßig hergestellten Wachsvotiven, Tafel I,
Fig. 2— 7, kommen in entlegenen Gegenden auch noch h a n d g e -
53
f o r m t e Votive vor,die,weil in Deutschland nicht mehr gebräuchlich,
unser besonderes Interesse wachrufen. Professor Tkalcic fand sie in
verschiedenen Kirchen im Kulpatal (Kroatien), wie in Recica und
konnte mehrere Exemplare für das ethnographische Museum er­
werben. ln Recica, wohin ich von Karlovac aus fuhr, konnte ich
mich persönlich von ihrem Vorhandensein überzeugen. Es fanden
sich männliche und weibliche Figuren, eine Hand und Kinder. Die
Abbildungen sind nach den Objekten meiner Sammlung, die mir
durch Vermittlung des ethnographischen Museums in Zagreb
besorgt wurden, gefertigt. Die Bäuerin knetet diese Votive bei
Bedarf aus freier Hand, wobei ihr ein dickes, vorher erweichtes
W achsstück als Masse dient. Die. G röße der Figuren bew egt sich
zwischen 10 und 15 cm, die Beine sind der leichteren Bildbarkeit
halber geschlossen, manchmal deuten rohe Eindrücke am Kopfe
schwach das Gesicht an. Die Arme sind entweder aus dem Stück
heraus gefertigt, oder bestehen aus einem dünn gerollten W a ch s­
streifen, der um den Leib herumgelegt und ihm eingedrückt wird;
vorne ist diese Rolle breit gedrückt und mit den Händen aneinander­
geklebt, wodurch die betende Handstellung zum Ausdruck gebracht
wird. Kleiner, aber im Prinzip genau so gefertigt, sind die Kinder;
die weiblichen sind dadurch kenntlich gemacht, daß am Hinterkopf
ein Stückchen W e rg oder rote Wolle ins W a ch s gedrückt ist, den
Zopf symbolisierend. Abweichend von diesen sogenannten Voll­
figuren wurde eine große männliche Gestalt dadurch hergestellt,
d aß man das W achs wohl auf einer Tischplatte breit drückte, und
dann die ungefähren Konturen herausschnitt, wodurch eine Art von
flacher Utnrißplatte entstand. Tierfiguren in dieser Art sind mir
nicht untergekommen. Die Kinder werden meist bei Unfruchtbarkeit
gespendet, ln Recica fand ich auch doppelseitige, aus Formen ge­
gossene Votivfiguren, die wohl dadurch entstanden sind, d aß nur
ein Halbmodel vorhanden war, und man zwei Güsse mit der nichtausgeführten Rückseite aneinanderklebte.
Eine weitere Spezialität sind die zopfartig aus W achs ge­
flochtenen Ketten oder Kränze, Tafel 1, Abb. 1, die das ethn. Museum
von Zagreb gleichfalls aus Recica erwarb. Bei meinen Unter­
suchungen an Ort und Stelle fand ich diese Ketten noch in großer
Zahl in einer Kiste in der Sakristei der Dorfkirche aufbewahrt,
während die übrigen der oben geschilderten Opfergaben nur sehr
spärlich vertreten waren. Die Ketten werden aus rotem, weißem
oder gelbem W ach s gefertigt, sind verschieden lang, meistens aber
54
erreichen sie einen Umfang, d a ß man sie über den Kopf bringt und
um den Hals, oder nach Art der Brautkränze um die Stirne legen
kann. Ursprünglich dienten sie als Votive gegen Kopfweh, jetzt hat
sich nach Mitteilung des Dorfpfarrers bei der Bevölkerung die Sitte
herausgebildet, sie sich am Patroziniumsfeste, dem einzigen Tage,
wo alljährlich der Concurs stattfindet, in der Sakristei zur Opferung
auszuleihen. Die spezielle Zwecksetzung scheint verlorengegangen
zu sein. Der Brauch wird ganz allgemein, sei es als Heil- oder
bloßes Präventivmittel geübt. Auch Votivkerzen werden mitunter
dargebracht. Sie werden gew erbsm äßig hergestellt, sind mit ver­
schiedenen Verzierungen versehen und tragen ein Gnadenbildnis
aufgemalt; auch sind sie öfters mit blauweißroten Streifen, den
Landesfarben, geschmückt, ein merkwürdiges Zusammentreffen von
Religion und Nationalismus.
Ich komme im folgenden auf eine weitere Art von Opfergaben
zu sprechen, die einen Uebergang zwischen W achs- und Holz­
votiven darstellen und in verschiedenen Orten Sloveniens Vor­
kommen. Ich wurde auf sie aufmerksam gemacht, durch fünf im
Museum von Ljubljana vorhandene eigentümliche Pferdevotive, von
denen ich eines gegen Tausch für meine Sammlung erwerben
konnte. Wie die Abbildung, Tafel II, 8 zeigt, handelt es sich um
äu ßerst primitive Bildungen, die aus der Hand gefertigt wurden
Eine mehr oder minder dicke W achsschicht ist um ein einfaches aus
Kork oder Holz bestehendes Innere gelegt; letzteres bildet sozusagen
den Rahmenbau, das Gestell, das der W achsm asse den nötigen Halt
gibt; die Beine bestehen aus roh geschnittenen Holzstäbchen, von
denen das W achs schon zum Teil abgefallen ist. Die Mähne und der
Schweif sind aus Wolle oder Seide in verschiedenen Farben, die
dem weichen W achs eingepreßt sind. Es sind dies sämtlich ältere
Stücke, die aus Begunje (Oberkrain) und Koprivnik (W ocheinerGegend) stammen und am Stephanstage geopfert werden. Außer
diesen als Seltenheiten zu bezeichnenden Objekten besitzt das
Museum noch eine Reihe von typischen Wachsvotiven, wie sie in
den Lebzeltereien hergestellt werden und oben beschrieben wurden.
Auf meiner Reise im Juli 1928 gelang es mir, noch weitere^
Fundorte für die beschriebenen Votive auszukundschaften: der
slovenischen Geistlichkeit, die mir, so oft ich auch in verschiedenen
Pfarrhöfen vorsprach, stets in liebenswürdigster W eise auf meine
diesbezüglichen Fragen Auskunft gab, sei auch an dieser Stelle
55
mein Dank zum Ausdruck gebracht. Gleich in der allernächsten
Nähe Ljubljanas, in Stjepanovas, traf ich auf zahlreiche hölzerne
Pferde von ziemlicher Größe.
Es sind jüngere gew erbsm äßig gearbeitete Exemplare, an
Spielwaren erinnernd; die hölzernen Tiere sind mit einer dünnen
weißen W achsschicht überzogen; Mähne und Schweif sind aus Wolle,
welche in eigens angebrachten Ritzen im Holze eingeklebt sind.
Die Farben der Wolle wechseln, ziemlich häufig sind sie b lau w e iß ­
rot, den Landesfarben gleich; und gerade jene Exemplare waren es,
auf die der Herr Pfarrer besonders stolz war, und mich ausdrücklich
darauf aufmerksam machte; wiederum m ußte ich mich wundern,
wie selbstverständlich bei diesem Volke Nationalgeftih! und
Religion Zusammengehen und lächelte bei dem Gedanken, was ein
deutscher Priester sagen würde, wenn man etwa in Altötting eine
schwarzrotgoldene Votivkerze darbrächte. Ich glaube mich nicht
zu irren, wenn ich vermute, d aß ein solches Objekt ziemliches Auf­
sehen erregen und möglichst schnell beiseitegeschafft würde! - -.
Die Tiere, es sind nur Pferde vorhanden, werden hier am Stephansiag geopfert. Stjepanovas ist eine Filialkirche der Pfarrei St. Peter
von Ljubljana; der Pfarrer, bei dem ich vorsprach, teilte mir mit,
daß sich in seiner Pfarrei noch eine zweite Gemeinde, namens St.
Martin, befände, in der gleichfalls solche Pferde dargebracht
würden. Auch aus seiner Heimat in Oberkrain könne er mir zwei
Orte nennen, wo ebenfalls Opfergaben zu finden seien. St. Stephan
bei A dergaß und Smartno bei Cerklje, beide in der Nähe von Kranj.
Ich fuhr also, es w ar ein glühend h eißer Tag, mit meinem
Motorrad nach Cerklje, wo ich Mittags ankam und nach dem Essen
mit einem Kaplan zu dem benachbarten Smartno hiniiberwanderte.
Als ich die Kirche betrat, bemerkte ich sofort einen breiten, auf der
linken Altarseite vor dem Chorgestühl stehenden, rot überzogenen
Tisch, auf dem die W eihegaben an bestimmten Tagen des Jahres,
nämlich an Martini und am Sonntage darauf, für den Opfergang
bereit gestellt werden. In der übrigen Zeit sind sie hinter dem Hoch­
altäre in einer Vertiefung der Rückwand aufbewahrt; der Mesner
schleppte mir das ganze Material herbei und als ich es aufgestellt
hatte, hielt ich Auswahl. Es waren fast nur hölzerne bemalte Tiere
ohne W achsüberzug vertreten und zwar Pferde und Rinder, Ochsen,
Stiere und Kühe, mit oder ohne trinkendem Kalb. Tafel III, 3— 5.
Ein einziges, ziemlich großes, wächsernes Pferd mit wollenem
56
Schwanz und Mähne und zündholzartigen Beinen, in der ganzen
Technik den Exemplaren des Museums von L. stark ähnelnd,
konnte ich entdecken. Tafel II, 1. Es w ar wohl der einzige Ueberrest aus einer älteren, primitiveren Epoche. Die übrigen Tiere sind
in stark wechselnder Größe, zwischen 10 und 30 cm Länge vor­
handen und meist gut geschnitzt, doch trifft man auch jüngere,
spielzeugartige Tiere darunter. Bei manchen Pferden sind Schwanz
und Mähne aus Wolle und bei einigen Rindern Ohren und Hörner
aus Gummi oder Leder. Tafel III, 1, 2. Auf meine Frage, warum
keine Schweine unter den Votiven seien, wurde mir erwidert, diese
brauche man nicht, da man dafür am Antoniustage Schinken opfere.
(Näheres darüber später).
Einige Kilometer weiter nordwestlich erhebt sich auf einer
Hügelkette, die das breite Savetal gegen Norden zu abschließt,
das obengenannte Stephanskirchlein. In dem Kloster Adergaß
hinterstellte ich mein Rad und stieg durch waldiges Gelände empor.
In dem einsamen, fünf Minuten unterhalb der Kirche gelegenen
M esnerhaus entlieh ich mir den Schlüssel und stieg dann vollends
hinan zu dem verwitterten Bergkirchlein. Oben wehte ein frischer
Wind und es bot sich ein prächtiger umfassender Blick auf die
Karawanken einerseits und das Savetal mit seinen umgebenden
Höhenzügen andererseits; die gesuchten Tiere standen auf einem
Kasten in der Sakristei. Sie glichen in der Technik völlig den Holz­
votiven von Smartno, nur d aß die Pferde in der Ueberzahl waren.
W achstiere sind mir von hier nicht erinnerlich. Auf weiteren Er­
kundigungen erfuhr ich, d aß der Brauch, solche Holzvotive zu
opfern, sehr selten sei, und diese beiden Orte weithin die einzigen
seien, wo er sich verbuchen lasse.
Wie aus meiner Darstellung hervorgeht, handelt es sich dabei
überall um Stephans- oder Martinskirchen, welche beiden Heiligen
hierzulande die beliebtesten Viehpatrone sind. St. Leonhard fällt
dagegen kaum ins Gewicht, dafür spielt St. Antonius der Ein­
siedler als Schweinepatron eine erhebliche Rolle, wie wir weiter
unten bei Besprechung des Naturalienopfers sehen werden. Ein
weiterer, schon jetzt bem erkbarer Unterschied zum deutschen
Brauchtum liegt darin, daß es mit einigen Ausnahmen, wie z. B.
Bistrica oder Brezje, keine eigentlichen Wallfahrtskirchen gibt, zu
denen das ganze Jahr hin Pilger kommen. Meistens sind es Pfarrund Filialkirchen, bei denen nur an bestimmten T agen der Concurs
57
stattfindet, wie am Stephans-, Martins- oder Antoniustag, zuweilen
unabhängig davon, ob jene Heiligen auch wirklich die Kirchen­
patrone sind.
E i s e r n e Opfertiere kommen, soweit mir bisher bekannt,
nur ein einzigesma] vor und zw ar in St. Oswald im Drautal; der hart
an der steirischen Grenze gelegene Ort ist aber noch deutsch­
sprachig und dem steirischen Brauchtum zuzuzählen, wo die Eisen­
votive noch sehr häufig sind, (vergl. Kriss: Wallfahrtswanderungen
in Steiermark, in Festschr. für M arie-Andree-Eysn 1928.) Ich habe
ihn daher auch schon in meinem damaligen Aufsatze besprochen,
setze aber das wichtigste auch an diese Stelle. Das vorhandene
Material, soviel ich weiß, nur Pferde und Rinder, soll den
steierischen Typen mit dem aus einem dicken Eisenstab gehäm ­
merten Leib und den durchgesteckten oder eingekeilten Extremi­
täten völlig gleichen; diese roh geschmiedeten Opfergaben sind hier
weit weniger zahlreich als an anderen Orten Steiermarks. Es sollen
nur ungefähr 14 Stück vorhanden sein, und zwar deshalb, weil die
Tiere hier nicht wie anderwärts herumgetragen werden, sondern
lediglich das der Bitte entsprechende Stück berührt oder geschupft
wird und dabei an seinem Platze verbleibt. Diese Art der Benützung
macht eine größere Zahl überflüssig. Im eigentlichen Slovenien sind
Eisenvotive unbekannt, und die drei eisernen Gpfertiere im Museum
von Celje, deren Provenienz ich nicht ermitteln konnte, stammen
wohl auch aus Steiermark.
Ich gehe nun zur Besprechung weiterer Votivgaben über.
Dabei fällt besonders auf, d a ß die Votivtafeln, wie sie in deutschen
Gebieten gang und gäbe sind, fast völlig fehlen. Die bei uns so be­
liebten Darstellungen der eigenen Person, oder ganzer betender
Familien, von Haus und Hof, Unglücksfällen usw., wie sie unsere
Wallfahrtskirchen in bunter Mannigfaltigkeit schmücken, sind hier
ungebräuchlich. Ich bemerkte solche Tafeln nur an zwei Orten und
zwar in Ljubno und Brezje, beide in Oberkrain, wo der deutsche
Einfluß noch in stärkerem M aße bem erkbar ist; doch waren es,
wie sich bei der Lektüre des Textes dieser Tafeln ergab, fast aus­
schließlich deutsche Familien, von denen solche Darstellungen ge­
stiftet worden waren. Im Vergleich zu den zahllosen Heiligenbildern,
modernen Farbendrucken mit schriftlich angefügter Widmung, die
die Slovenen opfern, fielen sie kaum ins Gewicht. Der Um gang in
der Gnadenkapelle von Brezje ist dicht behängen von solchen
58
Heiligendarstellungen; meist steckt ein Zettel dabei, der den Dank
des Stifters für eine erwiesene Gnade ausdrückt, in anderen Orten
ist auch dieser Brauch verhältnism äßig selten. Brezje w ar der ein­
zige Ort, wo ich auch geopferte Krücken, Zöpfe, silbergefaßte
Nadeln und Knöchelchen sah, wie sie bei uns so häufig sind.
Auch der Inhalt der Krambuden des Kirchenplatzes von Brezje
ist recht uninteressant. Er beschränkt sich auf neumodische
Heiligenbilder, Medaillen, Gebetzetteln und ähnliche Dinge; die
für den Volkskundler so belangreichen Amulette, Zaubersprüche
und Segen fehlten gänzlich.
An Stelle der Votivbilder fand ich in der W allfahrtskirche von
Reinette bei Zagreb zahlreiche Wandmalereien, welche allerlei
wuinderbare Heilungen darstellen, wie sie sich im 17. und 18. Jh.
auf Fürbitte der M adonna hin ereignet haben. Sie füllen einen
großen Teil des Gewölbes aus. Die Phantasie trägt dabei in dicken
Farben auf. Da werden Tote auferweckt, Taubstum m e gesund und
Teufel ausgetrieben, daß es nur so eine Freude ist. Dazu kommen
die realistischen Ausmalungen der einzelnen Vorgänge. Der Teufel
ist viermal abgebildet als ein schwarzer Kerl mit Hörnern, Flügeln,
Schweif und Krallen. Man sieht u. a., wie er eine Person mit seinen
Klauen am Arme festhält oder wie er sich, der größeren Macht der
hilfreichen Gottesm utter unterliegend, zürnend abw endet und sein
Opfer fahren läßt. Bei den Totenerweckungen erblickt man D ar­
stellungen, wo der Tote bereits auf einem Schubkarren zum Be­
gräbnis gefahren wird und plötzlich wieder aufsteht. Gewöhnliche
Krankenheilungen sind hier gar nichts besonderes. Der die Male­
reien erklärende Begleittext ist in lateinischer Sprache abgefaßt
und die einzelnen Ereignisse mit der Jahreszahl versehen.
Ich komme nun auf den letzten Zweig des Votivkultes zu
sprechen, der in Slovenien vor allen übrigen wohl den breitesten
Raum einnimmt, nämlich auf das N a t u r a l i e n o p f e r . Soweit
meine Informationen reichen, spielt es besonders in der deutschen
Enclave von Gottschee (Kocevje), dessen verschiedene Gemeinden
kirchlich unter dem Dekanate der Stadt Gottschee stehen, eine
große Rolle. Es ist ja eine bekannte T atsache, d aß sich in der
Diaspora die Sitten und Bräuche eines Volkes oft reiner erhalten
als im Heimatlande. In solch isolierten Sprach- und Kulturinseln
halten die Leute, die von der Entwicklung abgeschlossen sind, viel
zäher an der alten überkommenen Tradition fest. So kommt es, daß
59
hier im Gottscheer Kreis das Naturalienopfer, das im deutschen
Mutterlande sich nur mehr in wenigen Resten erhalten hat, noch
sehr im Schwünge ist. Der Dekan von Gottschee teilte mir bei
meinem Besuche im Juli 1928 folgendes mit: Ein eigentlicher W all­
fahrtsort im obenbesprochenen Sinne existiert innerhalb seiner
Pfarrei nicht, doch findet zu bestimmten Zeiten im Jahre bei- ge­
wissen Kirchen der Concurs statt. Dem hl. Antonius, dem Ein­
siedler, opfert man in seiner Kirche im Büchel bei Nesseltal
Schinken. In der Kirche Corpus Christi bei Gottschee werden vier­
mal im Jahre (Sonntag nach Christi Himmelfahrt, Sonntag nach
Fronleichnam, Sonntag nach Georgi und Sonntag nach Martini)
Butter, Eier, Kopftiichel, Kleider, Korn, Kukuruz und Schinken ge­
opfert. Nach dem Gottesdienste werden die geopferten Gegen­
stände auf dem Kirchplatz an den Meistbietenden versteigert, der
Erlös gehört der Kirche. Ein ähnlicher Brauch findet zweimal im
Jahre in der Kirche am Leonhardsberg bei Götternitz statt, wie
auch in Maria Schnee bei Tiefenthal. Opfergaben in figürlicher
Form wie Wachsvotive, Tafeln usw. sind gänzlich unbekannt.
Scheinbar sind diese Varianten des deutschen Kultes in der Ab­
geschiedenheit der Bewohner doch verloren gegangen.
Umgekehrt hat aber die Sitte des Naturalienopfers in
stärkerem oder geringerem M aße auf die slovenischen N achbar­
gebiete übergegrifi'en. So wird im Umkreise von Velike Lesce (nord­
westlich von G ottschee), wo ich im Pfarrhofe gleichfalls Er­
kundigungen einzog, der Sitte des Natufalienopfers von der slove­
nischen Bevölkerung in ziemlich bedeutsamen Ausm aße gehuldigt.
Der Pfarrer teilte mir mit, daß auch hier der sogenannte Sautoni
(Antonius der Einsiedler) sehr stark verehrt würde, und d aß man
ihm in seiner Kirche in Gutenfeld an vier Markttagen im Jahre
Schweinsfüße opfere. Außerdem würde zu bestimmten Zeiten auch
zur hl. Maria vom Frieden, zur hl. Maria in Neustift und zum hl.
Rochus gepilgert. An Naturalien bringe man Weizen, Schmalz und
Butter. Ab und zu seien auch die hohlen wächsernen Votiv­
figuren zu treffen, die von den Gläubigen auf den Altar gestellt
würden, und dort solange stehen blieben, bis sie zerbrächen,
herunterfielen oder sonstwie abhanden kämen. Es gäbe dort Arme,
Beine, Herzen, Figuren und Halbkörper; die Kröte sei unbekannt.
Je weiter man nach Südosten vordringt, destomehr verliert
sich die Sitte. In W eißkrain kommt noch die Opferung von Ge-
60
fiiigel, Korn und Wein zuweilen vor. In Kroatien stirbt der Brauch
dann ganz aus. W ährend, wie mir Professor Tkalcic (Brief vom
31. 10. 1928) mitteilt, anläßlich verschiedener festlicher Begeben­
heiten, z. B. bei der Grundsteinlegung eines Hauses, der Vollendung
eines Baues, Hochzeit- oder Todesfeierlichkeiten allerhand Gaben
gespendet werden, ist der Brauch, solche natürliche Opferungen
auch verschiedenen Heiligen darzubringen, nicht üblich. Mit Recht
fügt Tkalcic hinzu: „Die Gaben, die von den Leuten anläßlich der
Taufe, der Hochzeit, des Begräbnisses etc. der Kirche, d. h. dem
Pfarrer gegeben werden, z. B. Handtücher, Leinen oder Hanf­
gespinst, Kerzen u. dergl. können meines Erachtens wohl nicht als
Naturopferungen gelten. Vielleicht sind sie Rudimente eines solchen,
aber mit den Heiligen haben sie nichts zu schaffen.”
Dagegen kommt das Naturalienopfer noch vor in den, dem
deutschen Einfluße noch stärker ausgesetzten Gebieten des nörd­
lichen Slovenien wie in Oberkrain und der Gegend von Celje; d aß
in Smartno bei Cerklje dem hl. Antonius Schinken geopfert werden,
habe ich bereits berichtet, ln der Gegend südlich von Celje opfert
man nach mündlicher Mitteilung eines Kaplans von Bad Tiiffer
dem hl. Antonius an den Stätten seiner Verehrung auch noch ganze
lebende Schweine, w ährend man anderen Heiligen Butter und Eier
darbringt; in St. Hermagoras kommen auch wächserne Opfertiere
vor. St. Leonhard gilt zw ar auch als Viehpatron, wird aber nur
wenig verehrt. Um mir den einzelnen Besuch der ungezählten Bergund Wallfahrtskirchen in der Gegend zwischen Celje und Ljubljana
zu sparen, beschloß ich vorher Erkundigungen in verschiedenen
Pfarreien einzuholen. Ich erfuhr dabei, d aß in den mir wegen ihrer
exponierten Lage verdächtigen Bergkirchen von St. Leonhard und
auf der Hl. Alpe gar nichts geopfert werde. Bei einer solchen Ge­
legenheit erzählte mir der Pfarrer von St. Oswald, an der S traße von
Celje nach Ljubljana, d aß in seiner Gegend eine W allfahrt zu St.
Valentin existiere, wo man lebende Schweine darbringe und eine
andere zur hl. Lucia, wohin man Geflügel brächte. Das Schweine­
opfer für Antonius und das Opfer von Butter und Eiern wurde mir
für jenen Bezirk ebenfalls bestätigt, jedoch ohne nähere Ortsangabe.
II.
Damit ist alles, was mir aus den nördlichen Gebieten Jugoslaviens bekannt wurde,erschöpft. ImOsten desLandes gibt es keine
61
Votive in unserem Sinn. Hier ist die Bevölkerung griechisch-orthodox
und die Lehren jener Konfession stehen der Entwicklung eines
solchen Volksbrauches im W ege. Nur in einigen griechisch-katho­
lischen Wallfahrtskirchen an der Dalmatinischen Küste kommen
silberne Votivgaben vor. doch ist dies dem römisch-katholischen
Einfluße zuzuschreiben; doch darüber im dritten Hauptabschnitt!
Das einzige, was ich in Qrthodoxen-Kirchen, wie z. B. in einer sehr
alten W allfahrtskirche zur hl. Maria in Sarajevo fand, sind Heiligen­
bilder in oft sehr kunstvoller Ausführung, die von den Gläubigen
als Ausdruck des Dankes oder der Bitte gespendet werden. Es sind
dies keine Votivtafeln in unserem Sinne mit bildlicher Darstellung
des Bittstellers, oder des in seinem Gebete intendierten W u nsch­
objektes. Doch wirken auch die massenhaft angebrachten Heiligen­
bilder auf den Beschauer oft sehr stark. Ich konnte mich dem tiefen
Eindruck nicht entziehen, den die ebengenannte Kirche auf
mich machte, die innen eine Unzahl von Marienbildern enthält,
welche die W ände des Raumes bekleiden. Sämtliche Bildnisse sind
gemalt und besitzen höchstens teilweise Auflagen aus Silber, wie
z. B. die Krone der Madonna oder die Hände und F ü ß e der Mutter
und des Kindes; oder es sind ungekehrt nur die Köpfe gemalt und
die übrige Fläche des Bildes besteht nach russischem Vorbild aus
flach getriebenem Silber. Fesselnd ist der Anblick der durch Alter
und W eihrauch gedunkelten Bildnisse im Kontrast zum Glanze des
Silbers im Kerzengeflacker zusammen mit der eigenartigen G e­
sam twirkung der Orthodoxen-Kirchen, die nach Vorschrift des
Dogmas nichts Figürliches enthalten dürfen und diesen Mangel
durch reichliche Anwendung von Gold und Silber ersetzen. Eine
Folge dieser Vorschrift ist wohl auch das Fehlen von Votivgaben.
Meine Forschungen hatten durchaus negative Ergebnisse;
soweit ich in den Museen von Belgrad und Sarajevo überhaupt
Opfergaben fand, stammten sie aus römisch-katholischen Kirchen.
Aussagen der Fachleute ergaben dasselbe Bild; immerhin aber gebe
ich zu, daß meine Untersuchungen, namentlich was Altserbien be­
trifft, noch unzureichend sind, also zu diesem Punkte vielleicht
noch Ergänzungen möglich sind. In Bosnien gab es in den Franzis­
kanerklöstern von Kresevo und Foinica Silbervotive; sie sind jetzt
dort nicht mehr vorhanden, was Kresevo betrifft, so wurden sie
beim Umbau des Klosters verkauft. So fanden sich in den Museen
von Zagreb, Belgrad und Sarajevo solche von dort stammende
62
Silberopfer, die in ihrer Typik völlig den in den Küstengebieten
unter italienischem Einfluß aufgekommenen gleichen. Soweit ich
unterrichtet bin, drangen seinerzeit die Franziskaner ja auch von
Dalmatien her in die mohammedanischen Gebiete Bosniens vor und
gründeten im Innern des Landes ihre Niederlassungen, so d aß an­
genommen werden kann, d aß durch sie die Sitte des Votivopfers
importiert wurde. Die vorhandenen Objekte sind aus dünnstem
Silberblech gefertigt; meist sind die zur Darstellung gelangenden
Arten aus rechteckigen Plättchen herausgetrieben. Ich sah männ­
liche und weibliche Figuren, einzelne Köpfe, Arme, Beine und
Aügen. Besonders fielen mir die originellen Augenvotive auf, die
aus feinem geschlagenen Silber mit eingesetzten roten Halbedel­
steinen oder Glas als Augäpfel bestehen. Aehnlich im Typ sind die
Gesichter und Figuren mit den aus einem flach gehämmerten Silber­
streifen schwach herausgetriebenen Andeutungen von Nase, Augen,
Mund und Ohren (siehe auch Teil III). A ußer diesen Opferungen
im engeren Sinne kommen noch Fälie-vor, wo die gläubigen Frauen
ihren silbernen Kopfschmuck herschenken oder flachgehämmerte
Silberkronen zum Schmucke der Madonnenbildnisse spenden, ln
Foynica teilte mir ein Franziskaner mit, d aß ausnahmsweise auch
Kleider mit Stickereien gebracht würden, die die Kirche nachher
wieder verkaufe. Dies sei noch der Brauch in St. Jakob (oberhalb
Foynica im Gebirge) und in jaice beim hl. Antonius. Mehr habe ich
nicht erfahren. Orthodoxe und M ohammedaner, bei welch letzteren
der Monotheismus wohl am konsequentesten durchgebildet ist,
haben den Brauch nicht entwickelt.
Dafür findet man bei diesen ein ausgebildetes Amulettwesen
vor, über das ich, obwohl es eigentlich nicht zu unserem Them a
gehört, doch in Kürze das W ichtigste mitteilen will. Die Amulette
bestehen aus geschriebenen Zetteln, welche der Hodza (B e­
zeichnung für die mohammedanischen Priester) auf Verlangen aus­
stellt. Diese enthalten meist irgend eine Zauber- und B eschw örungs­
formel, verschiedene magische Zeichen und schließen mit einem
Abschnitt aus dem Koran. Man kann sich solche Schriftstücke für
die verschiedensten Anliegen ausstellen lassen, am häufigsten sind
sie für Kinder begehrt, die den bösen Einwirkungen des Verrufens
und anderer schädlicher Einflüsse n a c h . dem Volksglauben am
meisten ausgesetzt sind (vergl. Anton Hangi: Sitten und Gebräuche
der Moslims in Bosnien und H erzegow ina). Solche Schutzbriefe
schreibt zwar jeder Hodza, der darum gebeten wird, aber nach der
63
Meinung der Leute vermag nicht ein jeder einen gleich wirksamen
zu verfertigen, vielmehr stehen manche von ihnen im Rufe, ganz
unfehlbare Amulette verfassen zu können; zu ihnen wird oft aus
weiten Entfernungen gepilgert und man ist bei ihrer Bezahlung
nicht sparsam. Zur Aufbewahrung dieser Schutzbriefe dienen ganz
bestimmte Behälter, Tafel IV, 1, 2, 3, und zwar entweder kleine
hohle, zylindrische Rollen von ca. 8 bis 10 cm Länge, oft aus kunst­
voll getriebenen oder mit Filigranmustern durchbrochenem Silber
oder aber dreieckige Hülsen aus Silber oder rotem Leder, erstere
ebenfalls in meist recht hübscher Ausführung. Man kann sie auf der
Carsija, wie die Geschäftsviertel der größeren Orte heißen, überall
kaufen. Das Amulett soll nicht geöffnet werden, und darf auch an
keinem unreinen Orte aufbewahrt werden, damit das darin en t­
haltene Schriftstück, das je nach Art des Behälters gerollt oder zu­
sammengefaltet ist, seiner W irkung nicht verlustig geht. Der Brauch
hat ein solches Ausmaß angenommen, daß er sich auch bei den
katholischen Franziskanern einbürgerte. Auch die Mönche ver­
kaufen, schon aus Gründen der Konkurrenz, solche Schutzbriefe,
welche in kleinen silbernen viereckigen Kapseln mit der Ein­
gravierung J, H. S. aufgehoben werden. Man bekommt diese Zettel
an der Klosterpforte ausgefolgt. Sie sind zusammengeklebt, ich
öffnete den meinigen aber doch, und fand nichts als eine gedruckte,
kirchliche Benediktionsformel.
Außer diesen am meisten verbreiteten Amuletten gibt es noch
allerhand Anhänger, die gewöhnlich aus einem flach gepreßten
Silberstück bestehen, das den Namen des T rägers eingraviert
enthält, nebst verschiedenen Emblemen, die je nach der Konfes­
sionszugehörigkeit islamitische Symbole oder das christliche Kreuz­
zeichen vorstellen. Tafel IV, 4— 7. In Gegenden, wo beide Kon­
fessionen annähernd gleich stark vertreten sind, wie in Mostar,
fand ich zuweilen beide Zeichen zugleich auf der Vorder- und Rück­
seite desselben Anhängers vereinigt, was wohl dem Verlangen nach
doppelseitigem Schutze entsprungen ist, um für alle Fälle gedeckt
zu sein.
III.
Ich gehe nun zum dritten Eingangs gekennzeichneten Brauch­
gebiet über und bespreche die längs der dalmatinisch-kroatischen
Küste vorkommenden Opfergaben, wie sie von dem fast aus­
schließlich römisch-katholischen Volke dargebracht werden. Im
64
wesentlichen sind sie auf silberne W eihegeschenke und Votivbilder
beschränkt. Die silbernen Opfer sah ich zuerst in einer marianäschen
Wallfahrtskirche von Dance auf einer Halbinsel nächst Dubrovnik.
Dort besteht nämlich eine frequentierte W allfahrt und die zahlreich
geopferten Bildervotive, männliche und weibliche Figuren, Köpfe,
Wickelkinder, Brüste, Rümpfe, Arme, Beine, Herzen, Augen und
Ohren wurden zusam m engeschweißt und umfassen kranzartig, als
ein imposanter Rahmen, das Gnadenbild auf dem Hochaltar. Auf
der benachbarten Halbinsel Lapad liegt in einem Felseinschnitt die
Wallfahrtskirche M adonna delle Grazie, die von Franziskanern be­
treut wird. Hier fanden wir zum erstenmal wieder die Votivtafeln
in der auch in Deutschland üblichen Art. Besonders häufig sind
Bilder von in Seenot befindlichen Schiffen mit W idm ung des be­
treffenden Kapitäns; leider fand ich keine plastischen Schiffs­
modelle, wie ich sie aus italienischen W allfahrtskirchen kenne. Es
sind ferner nach Aussage des Superiors 200 Silberopfer vorhanden,
die jedoch nicht zu sehen sind, da sie aus Sicherheitsgründen im
bischöflichen Palaste verw ahrt sind und nur am 8. September, dem
Hauptwallfahrertage, in der Kirche ausgehängt werden. Tafel IV.
Diese Silbervotive kann man in ähnlicher Art in den Goldschmied­
geschäften von Dubrovnik auch heute noch kaufen. Sie sind aus
rechteckigen silbernen Plättchen hervorgetrieben und meist ziemlich
undeutlich; fast alle in den Kirchen geopferten Gegenstände, wie ich
sie oben beschrieben habe, sind noch zu haben; Tiervotive sind an­
scheinend nicht gebräuchlich. Auf gefällige Ausführung der dar­
gestellten Objekte wird im allgemeinen wenig W ert gelegt, sie
werden serienweise aus vorhandenen Formen gepreßt, die scheinbar
wenig sorgfältig modelliert sind; doch kommen Ausnahmen vor. So
kaufte ich bei einem Uhrmacher in Kotor ein Ohr und einen mit
einem Tuch umwickelten Rumpf, welcher Gegenstand bei Ver­
rücktheit geopfert wird und die Zwangsjacke andeuten soll. Beide
Gegenstände waren hübsch gearbeitet und fielen vom Durchschnitt
weg. Tafel IV, sub. 8. Auffallenderweise fehlen die Wachsvotive.
W eitaus der berühmteste W allfahrtsort des südlichen Dal­
matiens ist jedoch G ospa od Skrpjela. Die Kirche erhebt sich auf
einer gleichnamigen Insel inmitten der Bocca di Cattaro in präch­
tiger Lage. Im hintersten Winkel der Bocca, die hier wie ein dunkler
See zwischen den hohen kahlen Felsbergen Montenegros eingebettet
liegt, ragen zwei kleine Inseln aus dem W a sser auf, beide mit
Kirchen geschmückt. W ährend jedoch die eine davon, Sveto Juraj,
T a fe l I.
A bb. 1. W ac h sk rä n ze au s R ecica.
A bb. 2—7. W a c h sv o tiv e a u s Z ag reb .
T a fe l II.
A bb. 1. O p ferp ferd a u s S m a rtn o .
A bb. 2—7 W ac h sv o tiv e au s R ecica.
A bb. 8. Opferpfercl a u s L ju b ljan a (L aibach).
T afel III.
A bb. 1. P ferd au s S tjep a n o v a c.
A bb. 2. W ac h sp fe rd au s S m a rtn o .
A bb. 3—5. H olzvotive a u s S m artn o .
T afel IV.
A bb. 1—3. A m u letth ü lsen .
A bb. 4—7. A n h än g er, k a th o lis c h u n d m o h a m m e d an isc h .
A bb. 8 und fo lg e n d e : S ilb erv o tiv e a u s D u b ro v n ik (R a g u sa ); O hr, R um pf au s K otor.
65
ganz verlassen ist, bildet G ospa od Skrpjela den Hauptwallfahrts­
ort der Katholiken Dalmatiens, welche am T age Maria Himmel­
fahrt, am 15. August, hierher kommen. In der alten, halb verfallenen
Küstenstadt Perast mieteten wir uns ein Ruderboot, auf dem wir in
zehn Minuten das Inselchen erreicht hatten. . D as Innere der Kirche
enthält a u ß e r dem Gnadenbilde eine Unzahl dünner Silbervotive,
welche zu T ausenden die Längs- und Querwände der Kirche in
Form einer \^/% rn breiten Bordüre erfüllen. Dort sind sie in unun­
terbrochener langer Reihe angenietet, nur im Chore ist noch etwas
Raum frei für die alljährlich neu hinzukommenden Opfergaben.
Unter ihnen sind auch Schiffe, Dampf- und Segelboote zahlreich
vertreten. Daneben auch die übrigen Weihegeschenke, menschliche
Figuren und einzelne Körperteile in der oben beschriebenen Art.
Wie überall im Lande fehlen die Innenorgane au ßer dem Herzen und
die Haustiervotive ganz. Auch die Darbringung hölzerner Schiffe
und wächserner Gaben ist unbekannt, ln zwei Nebenräumen im
Obergeschoß sind die Votivbilder wie in einer Bildergalerie auf­
gehängt; es sind meist Schiffsdarstellungen mit einer W idm ung des
Kapitäns und häufiger Angabe des Ortes, an dem der Seesturm
oder was sonst für ein Ereignis das Gelübde veranlaßte, stattfand.
Man findet darunter Namen, von historischer Bedeutung. Im Erdgeschoße, neben der Sakristei, sind mehrere Schiffstaue, Anker und
zerbrochene Gewehre zu sehen; letztere wurden geopfert, wenn
bei dem Bruche der Waffe der Schütze ohne Verletzung davonge­
kommen war. Am 15. August findet auf der Insel ein feierlicher
Gottesdienst statt, wozu sich zahlreiche Schiffe einfinden, die die
Insel w ährend des Festes umlagern. .
W a s für die römisch-katholische Gospa od Skrpjela, das
bedeutet das serbische W allfahrtskloster Savina für die griechischorthodoxe Bevölkerung von ganz Herzegowina und Montenegro.
Es liegt am Eingang der Bocca und ist von Hercegnovi aus in einer
halben Stunde leicht zu erreichen. Eine alte, steinerne Treppe führt
von der Küstenstraße durch prächtige Gartenanlagen empor zu
Kirche und Kloster. Der etwas verwahrloste Park mit den frucht­
beladenen O rangen- und Zitronenbäumen, den dunklen Pinien und
Zypressen bringt in seiner idyllischen Verträumtheit die weltent­
rückte Stimmung prächtig zum Ausdruck. Die einsame Ruhe wird
durch nichts gestört. W ir steigen langsam aufwärts und betreten
durch ein steinernes Portal den engeren Bereich des Klosters. Hart
am Bergrand steht das kleine Gebäude, w ährend sich auf einem
3
66
grünen, von einem niederen Mäuerchen eingeschlossenen Platz die
Hauptkirche und die ältere kleine Wallfahrtskapelle aus dem 11. Jh.
erheben. Besonders letztere, mit dem wundertätigen Marienbilde,
ist das Ziel der Wallfahrer, die am 28. August, dem T age Maria
Himmelfahrt, nach orthodoxem Kalender, in Mengen hierher­
strömen. Die Kirche enthält prachtvolle Bilder der M adonna mit
dem Kinde und anderer Heiliger. Diese dunkelgetönten Bilder mit
den glänzenden Silberbeschlägen der griechisch-byzantinischen
Stilperiode iiben auch hier wieder eine bezaubernde dekorative
W irkung aus. In einem hohen Glasschreine sind auch Votivgaben
aufbewahrt, wie sie früher auch hier geopfert wurden. Man sieht
flache in Silber g epreßte Schiffe, Figuren, Köpfe, Augen und Glied­
massen, vorwiegend aber Madonnenbilder in jenem Kasten. Die
Darbringung solcher Votive zählt in den griechischen Kirchen zu
den Ausnahmen; doch hat sie sich hier wohl als Folge einer Ein­
wirkung des römisch-katholischen Brauchtums seitens der über­
wiegend zu diesem Bekenntnis gehörigen Bevölkerung in be­
scheidenem Umfange verbreitet.
W ir wandern nun längs der Küste nach Norden. Bei einem
Juwelier in Split fand ich aberm als einige Silbervotive, Männer,
Frauen, Kinder und Schiffe, ähnlich jenen von Dubrovnik, nur etwas
hübscher gefertigt. Eine halbe Stunde auß erh alb von Split liegt am
M eeresstrand die katholische W allfahrtskirche von Poisan, die mir
als besonders votivreich genannt wurde. An der Rückwand be­
merkte ich auch tatsächlich neben einigen Seefahrer-Votivtafeln
fünf prächtige holzgeschnitzte Modelle von Segelbooten und ein
blechernes Dampfschiff, alle in ganz respektablen Ausmaßen. Vor
der Renovierung der Kirche gab es hier jedenfalls viel mehr, doch
wurden sie entfernt und die wenigen Prachtexem plare nur als
Dekorationsstücke übrig behalten. Derartige Modelle kommen in
italienischen Wallfahrten, soweit sie von Seefahrern besucht
werden, des öftern vor, hier in Jugoslavien gehören sie zu den
Seltenheiten.
Ich fand sie v/ieder in der orthodoxen Wallfahrtskirche von
Senj, die in erster Linie von Seeleuten besucht wird. Das G ottes­
haus, eine Marienkirche, steht etwas außerhalb des Ortes. Im Innern
derselben hängen an Drähten von der W a n d herab fünf große
Segelschiffe, das größte davon wurde von der österreichischen
Marine gestiftet und ist ungefähr zwei Meter lang und ein Meter­
hoch. Die vier übrigen sind etwas kleiner, vielleicht 60-80 cm lang.
67
Andere Votive sind nicht mehr vorhanden und die Vorhalle der
Kirche ist ganz leer.
Auf der Insel Rab gilt die Kirche Madonna delle Grazie, eine
der fünf Kirchen der gleichnamigen Stadt, als Wallfahrt. Ich konnte
bei meinem Aufenthalte im Sommer 1927 beobachten, wie an einem
Sonntag vormittag zahlreiche W allfahrer herbeikamen. Die Frauen
zogen am Kirchenportal ihre Schuhe aus und rutschten dann in
Strümpfen und auf den Knien durch die ganze Kirche bis
vor das Gnadenbild, wo sie eine Zeitlang beteten; dieser
Vorgang wiederholte sich dreimal hintereinander. Eine solche
Wallfahrt muß jeden ersten Sonntag im Monat ausgefiihrt werden,
so will es der Brauch und das Verlöbnis. Man kommt in den ver­
schiedensten Anliegen, Votive werden jedoch keine mehr mitge­
bracht, höchstens silberne Kerzen oder Schmuck. Dafür trägt jede
Frau ein Körbchen am Arm, welches mit allerlei Naturalien, meist
Obst, gefüllt ist; dieses wird hernach an der Klosterpforte abg e­
geben und hiefür seitens der Schwestern eine kleine Stärkung, Suppe
oder Schnaps verabreicht.
Ich beschließe meine Schilderungen mit Jugoslaviens be­
rühmtester Wallfahrtskirche am Trsat, oberhalb Susak, bei Fiume.
Das Gnadenbild der dort verehrten Madonna del mare erinnert in
seiner byzantischen Pracht an die M uttergottes von Czenstochau;
der P apst hat es im Jahre 1715 selbst gekrönt. Der Ruhm der W a ll­
fahrt gründet s.ich auf ein höchst wunderbares Geschehnis. Am
10. Mai des Jahres 1291 nämlich wurde die sogenannte Casa Santa,
das heilige Haus, darin die M uttergottes einstens in Nazareth ge­
w ohnt hat, von Engeln hier niedergesetzt. Himmlische Hände hatten
es in Palästina in die Luft erhoben und übers Meer getragen;
allerdings blieb der Trsat nicht sein endgültiger Standplat-z. N ach­
dem eine Zeit von drei Jahren verstrichen war, wurde es eines
Nachts abermals entführt und setzte seine Reise über das Adria­
tische Meer hinweg fort, bis es die Engel in Loreto in Italien end­
gültig zur Erde niederließen. In Erinnerung des wunderbaren
Geschehnisses jedoch ließ der Schloßherr der benachbarten Francopan-Burg auch am T rsat ein Gotteshaus erstehen, zu dem all­
jährlich am 15. August Tausende von italienischen und slavischen
Pilgern herbeiströmen. Eine steinerne Stiege führt von Susak aus
zur W allfahrtskirche empor. Von oben bietet sich ein einzigartiger
Blick über den Golf von Fiume mit all seinen Küstenstädten und
vorgelagerten Inseln. Auf einem freien Platze vor der Kirche be3*
68
finden sich einige Krambuden, wo allerhand Devotionalien verkauft
werden: Kerzen, Heiligenbilder, Walifahrtsmünzen, Rosenkränze,
Muttergottesfiguren aus verschiedenstem Material angefertigt und
ähnliche Dinge, billige und teuere, aber meistens unschöne Fabriks­
ware. In einem Stand gab es auch noch Votive zu kaufen, doch ist
nur ganz minderwertige W are vertreten und zwar in drei Gattungen:
Figuren, Arme und Beine. Sie sind aus gelblichem W achs, das noch
stark nach Honig riecht, gepreßt. Jedoch handelt es sich um kleine,
ganz flache Gebilde, die nicht viel mehr als die äußeren Konturen
des G egenstandes — nicht einmal Männer und Frauen sind zu unter­
s c h e id e n — erkennen lassen. Das Innere der Kirche ist aus früherer
Zeit behängen mit zahlreichen Votivtaxeln, die sich meist auf in
Seenot befindliche Schiffe beziehen. Die ältesten Segelboote.und die
modernsten Dampfschiffe sind hier im Bilde festgehalten, fast wie
in einem Museum kann man die Entwicklung der Schiffahrt auf der
Adria verfolgen. Auch das hölzerne Modell eines Segelbootes hinter
Glas und Rahmen konnte ich bemerken. Mitunter wird auf histo­
rische Ereignisse und Persönlichkeiten angespielt, so bedankt sich
der Capitano Cosulich für Rettung aus g rö ßter Seenot, und ein ein­
gerahm ter Zeitungsausschnitt enthält den Bericht vom Untergang
der Titanic im Jahre 1914; er wurde wohl von einem Passagier,
der dem Tode des Ertrinkens entronnen war, hier aufgehängt.
Hinter dem Gnadenaltar sah ich noch einige Krücken und Bruch­
bänder. Um das Gnadenbild herum, das ein goldgrundiertes Ge­
mälde der M adonna mit dem Kinde darstellt, hängen silberne
W eihegaben, fast nur Herzen und Schmuck. An den W änden und
der Decke der Kirche erblickt man mehrere Gemälde, die die Ent­
stehungsgeschichte der Wallfahrt, den englischen T ran spo rt des
heiligen Hauses und w as damit zusammenhängt, zum Vorwurf
haben. Von den zahlreichen Votiven, mit denen früher einmal das
ganze Kircheninnere gespickt war, ist jetzt nichts mehr zu sehen.
Ein P ater sagte mir, sie seien verkauft.worden.
Damit bin ich am Ende meines Aufsatzes angelangt. Wenn er
zu erschöpfenderer Darstellung des interessanten Stoffes seitens
einheimischer Gelehrter Anlaß gibt, so ist sein Zweck vollauf er­
reicht. Als landesfremder Reisender konnte ich eben nur über das,
was ich mehr- oder weniger durch Zufall beobachten konnte, be­
richten.
Berchtesgaden, Oktober 1929.
69
Literatur der Volkskunde.
P e tr i, B. E ., N a r o d n o e i s k u s s t v o v Sibiri. V o p r o s y s o b i r a n i j a i
izu c e n ija . ( V o l k s k u n s t in S ibirien. F r a g e n d e r S a m m l u n g u n d E r f o r s c h u n g . )
S i b i r is c h e r S t a a t s v e r l a g , I r k u t s k e r A b te ilu n g 1923. 29 S. m it 19 Abb.
D e r b e k a n n t e I r k u t s k e r E t h n o g r a p h u nd A rc h ä o lo g , P r o f e s s o r an d e r
d o r tig e n S ta a t s u n i v e r s i tä t, will m it d e r v o rl ie g e n d e n Schrift einem g r ö ß e r e n
P u b lik u m eine A n le itu n g z u m S a m m e ln so w ie z u r w is s e n s c h a ftlic h e n V e r­
a r b e i t u n g v o n D e n k m ä l e r n d e r V o lk s k u n s t g e b e n . E r e rk lä rt, e b en s o , w ie m an
die W ir t s c h a f t s l a g e ein es V olkes s o w ie seine V o lk slite r a tu r erfo rs ch te , e b e n s o
m ü ß t e n s y s te m a t i s c h a u c h die G e g e n s t ä n d e d e r V o l k s k u n s t g e s a m m e l t un d
a u s g e w e r t e t w e r d e n . F ü r die M u s e e n k ä m e n in F r a g e : 1. K in d e rz e ic h n u n g e n ,
2. Z e i c h n u n g e n von E r w a c h s e n e n , 3. K in de rsp ielze u g, 4. O r n a m e n t e u n d V e r­
z ie r u n g e n , 5. Religiöse D a r s te llu n g e n . — D ie se s ku rz d e r I nh a lt d e s e rsten
Kapitels.
D a s z w e i t e K apitel „ E in ig e t h e o r e ti s c h e M itte ilun ge n, die beim Stu d iu m
d e r F r a g e n o t w e n d i g s i n d “ , ist fü r u n s i n t e r e s s a n t e r als d a s e r s t e Kapitel,
d a s eig entlich n ic h ts N e u e s b rin g t. E s sei d e s h a lb au f d a s z w e i t e Kapitel n ä h e r
e in g e g a n g e n . P e tr i b e k l a g t es, d a ß b i s l a n g die K u n s tg e s c h i c h t e n m e i s t noch
im m e r m it d e r D a r s t e l l u n g d e r K u n s t A s sy rien s , P h ö n iz ie n s u n d Ä g y p t e n s
b e g ä n n e n u n d g a n z vo n d e r K u n s t d e r N a t u r v ö lk e r a b s ä h e n , w o d o c h auch
die K u n s t ü b u n g e n d ies er alten H o c h k u l tu rv ö l k e r auf ein em sc h o n v o n a n d e r e n
V ölkern a u s g e b il d e t e n B o d e n sich e n tw ic k e lt h ä tt e n . M a n b r a u c h t e n u r auf
Völker, w ie die T u n g u s e n u n d die J a k u t e n als G r a p h i k e r o d e r auf T s c h u k t s c h e n
und E s k im o als P l a s t ik e r z u se h e n , u m sich vo n d e m B e s t e h e n e iner K u n s t
d e r N a t u r v ö lk e r zu ü b e r z e u g e n .
Die K u n s t d e r Prim itiv en w i r k t sich n a c h P e tr i u n t e r B e v o r z u g u n g
d e r z e ic h n e r isc h e n u n d m a le ris c h e n K ü n s te n o c h in d e r S k u l p t u r u n d teilw eise
in d e r A r c h i te k tu r aus. N a c h d e m P e tri ein ige W o r t e ü b e r die U r s a c h e n g e s a g t
h a t, a u s d e n e n eine K u n s t b e t ä t i g u n g d e s prim itiven M e n s c h e n flie ßen k ö n n t e ,
k o m m t er zu ein er Klassifikation d e r O r n a m e n t e . E r u n te r s c h e id e t drei A rten
von O r n a m e n t e n : 1. sy m b o l is c h e O r n a m e n t e — 2. a rc h i te k t o n is c h e O r n a m e n t e
u n d 3. t e c h n i s c h e O r n a m e n t e .
D a s s y m b o l i s c h e O r n a m e n t ist n a c h P e tr i im m e r ein fig ü r­
liches. Seine A n sic ht ist die, d a ß d e r prim itive M e n s c h sich se l b s t o d e r sein
H a u s, sein e G e g e n s t ä n d e u n d W a ff e n m it einer D a r s t e l l u n g se in er G o tth e it
s c h m ü c k t . D iese D a r s t e l l u n g stellte den M e n s c h e n o d e r den G e g e n s t a n d u n te r
den S c h u tz d e r b e tr e ff e n d e n G o tth e it. N u n w e r d e a b e r die G o t t h e i t n ich t
i m m e r v o lls tä n d ig d a rg e ste ilt, s o n d e r n n u r ein b e s o n d e r s k e n n z e ic h n e n d e r
T eil o d e r ein e b e n s o lc h e s M e rk m al, w ie Kopf, G e w e ih , Fell, P fo te , S p u r u sw .
D e r e rste K ü nstler, d e r ein e so lc h e G o t t h e i t z u r D a r s t e l l u n g b ra c h t e , w a r
n o c h b e s t r e b t , sie so ähnlich wie m öglic h de m V orbild, ein em m y th is c h e n
m e n s c h e n - o d e r tie räh n lich e n W e s e n , zu g e sta lte n , w ä h r e n d die N a c h k o m m e n
sich sc h o n an die v o r h a n d e n e k ü n s t l e r i s c h e D a r s t e l l u n g hielten u n d diese im
Laufe d e r Zeit i m m e r m e h r u n d m eh r, s c h e m a ti s ie r t und a b g e w a n d e l t w u r d e ,
so d a ß d a r a u s endlich g e o m e t r i s c h e G e b ild e e n t s tä n d e n , die j e d o c h von den
H e rstellern n o c h g u t begriffen w ü r d e n u n d v o n ihnen e r lä u te r t w e r d e n
70
k ö n n te n . Bei ein em R e lig io n sw e c h se l e t w a k ö n n e n solc h e O r n a m e n t e ganz
die alte B e d e u t u n g v erlieren u n d zu e infa che n V e r z i e r u n g e n w e r d e n .
U n t e r A r c h i t e k t u r O r n a m e n t v e r s t e h t P e tr i eine V e r b i n d u n g
vo n Linien, P u n k t e n , F ig u re n , T ie re n , B lättern , o h n e eine v e r b o rg e n e B e ­
d e u tu n g , die z u r V e r z i e r u n g ein es G e g e n s t a n d e s auf d ies em z u r D a r s t e l l u n g
g e b r a c h t w e rd e n .
Als d r itte O r n a m e n t a r t u n t e r s c h e id e t P e tr i d a s t e c h n i s c h e O r n a m e n t, d a s se inen U r s p r u n g in d e r H e rs t e l l u n g s t e c h n i k ein e s G e g e n ­
s t a n d e s hat.
D e m Inhalt n a c h u n t e r s c h e id e t P e tr i P fl a n z e n o r n a m e n t, T i e r o r n a m e n t
u n d g e o m e t r i s c h e O r n a m e n t e u n d n a c h d e r A u s f ü h r u n g : F lä c h e n -, H ohl- o d e r
T ie f- O r n a m e n t , e r h a b e n e s R e lie fo rn a m e n t u n d schlie ßlic h F la c h re lie fo rn a m e n t.
W e i te rh in s p r ic h t P e tri v o n d e r T e c h n ik u n d m a c h t se inen L e s e r n den
U n te r sc h ie d z w i s c h e n O r n a m e n t m o t i v u n d O r n a m e n t k o m p o s i ti o n k la r u n d
b e h a n d e lt w e ite rh in die G e s e t z e v o n R h y t h m u s und S y m m e tr ie , n a c h d e n en
alle O r n a m e n t e a u f g e b a u t sind.
D a s dritte K apitel (S. 20— 24) b e h a n d e l t die „ M e th o d e n z u r E r f o rs c h u n g
vo n V o l k s o r n a m e n t e n “ . Z u n ä c h s t h a n d e l t e s sich n a tü rlich um die B e s c h a f fu n g
ein es m ö g lic h s t u m f a s s e n d e n T a t s a c h e n m a t e r i a l s , d a s a u c h w ic h ti g ist, um
in den M u s e e n v o r h a n d e n e n ich t g e n a u b e s t im m te S tü c k e e in o r d n e n u n d für
die F o r s c h u n g v e r w e r t e n z u k ö n n e n . Bei d e r B e a r b e i t u n g s t e h e n z w ei W e g e
offen, u n d z w a r ein m al die A u fs te llu n g einer v e r g le ic h e n d e n U e b e r s ic h t d e r
O r n a m e n t m o t i v e m it d e r K u n s t v e r s c h i e d e n e r N a c h b a r v ö l k e r u n d z w e ite n s
die B e s c h r ä n k u n g d e r A n a ly se auf ein b e s t i m m t e s G e b i e t o d e r Volk. P e tri
meint, d a ß d e r e r s t e W e g w e g e n d e r auffa lle nde n G le ic h heit d e r v e r s c h i e ­
d e n s t e n O r n a m e n t e bei v e r s c h i e d e n e n V ölke rn oft z u F e h ls c h lü s s e n fü hren
k ö n n te , w e s h a l b die e r ste M e t h o d e v o r z u z ie h e n w ä r e , die ü b e r h a u p t bei de r
E r f o r s c h u n g d e r O r n a m e n t ik d e r N a t u r v ö lk e r g e g e b e n w ä re . Sie k ö n n e j e d o c h
n u r bei de m V o r h a n d e n s e i n re ic h e r u n d s t r e n g w i s s e n s c h a ftlic h g e s a m m e l t e r
M a terialien a n g e w e n d e t w e r d e n u n d s e t z t e U n t e r s u c h u n g e n an O r t u n d Stelle,
bei d e m in F r a g e s t e h e n d e n Volk, v o ra u s.
„ I n d e m w ir im b e s o n d e r e n zu d e m O r n a m e n t d e r Sibirien b e w o h n e n d e n
V ölker ü b e r g e h e n , ü b e r z e u g e n w ir uns, d a ß w i r in dies em G e b i e t bei u n s n u r
eine ä u ß e r s t g e r in g e A nz ah l von F o r s c h u n g e n z u r V e r f ü g u n g h a b e n , u n d das,
w a s g e d r u c k t ist, stellt b ish e r kein M a te r ia l dar, auf d e s s e n G r u n d l a g e m a n
irg e n d w e l c h e V e ra l l g e m e in e r u n g e n m a c h e n o d e r a u c h n u r die E le m e n t e a uf­
kläre n k ö n n te , a u s d e n en sich d a s O r n a m e n t d e r e inzelnen Sibirien b e w o h ­
n e n d e n V ö lk e r sc h a f te n e n tw ic k e lt hat. D a s P r o b l e m d e s sibirisch en O r n a m e n t s
w ird ä u ß e r s t k o m p liz ie r t infolg e d e r e th n i s c h e n V e r s c h ie d e n a r t i g k e i t Sibiriens,
se in er k o m p liz ie rte n g e sc h ic h tlich e n E n tw ic k l u n g , die m it v e r s c h i e d e n a r t ig s te n
E in flüssen H a n d in H a n d g e h t, in d e r e n F o lg e sich die B e w o h n e r m it a n d e r e n
V ö lk e rsc h a fte n v e r m is c h te n , so w ie d u r c h die E n t l e h n u n g bei d e r A s sim ilie rung
o d e r d e r V e r m is c h u n g g a n z e r V ö l k e rg ru p p e n . A rb e ite n a llg e m e in e n C h a ­
r a k te rs , in d e n e n einig e a llg e m e in e G r u n d z ü g e g e g e b e n o d e r die R ic h tu n g
für eine w e ite re E r f o r s c h u n g a u f g e s te llt w ä r e n , g ib t e s nicht, u n d e s ist leicht,
sich d a v o n z u ü b e r z e u g e n , d a ß g e g e n w ä r t i g die d r i n g e n d s t e A u f g a b e in d e r
E r f o r s c h u n g d e s sibirischen O r n a m e n t e s die S a m m l u n g u n d V e rö ffen tlic h u n g
71
von M aterialien z u r O r n a m e n t i k d e r ein zelnen V ö lk e r sc h a f te n S ib irie ns ist,
so w ie d e r je n ig e n V ölker, die m it ih n en in u n m it t e l b a r e B e r ü h r u n g g e k o m m e n
u n d d e m o h n e h in s c h o n r e ic h en u n d v iela rtig en sibirischen O r n a m e n t n e u e
E le m e n t e h i n z u g e f ü g t h a b e n “ .
Um so lc h e F o r s c h u n g e n zu erleichtern und ein heitlich er zu g e sta lte n ,
h a t P e tri einen F r a g e b o g e n a u s g e a r b e i t e t , den e r in se in er Schrift v e r ­
öffentlicht, u n d um den F r e u n d e n u n s e r e r W is s e n s c h a f t eine g e n a u e B e u r ­
t e ilu n g m ö g lic h zu m a c h e n , will ich d ieses n ü tzliche Hilfsm ittel e benfalls
m itteilen:
1. Einführung.
1. K u rz e C h a r a k t e ri s t i k d e s V o lke s im Z u s a m m e n h a n g m it W o h n g e b i e t ,
L e b e n s a r t u n d religiösen V o rs te llu n g e n .
2. Die w i c h ti g s t e n M o m e n te se in er G e s c h ic h te ( m it b e ilä u fig e r B e ­
m e r k u n g d a r ü b e r , m it w e lc h e n a n d e r e n V ö lk e r s c h a f te n e s in B e r ü h r u n g g e ­
k o m m e n ist, u n t e r w e l c h e m K ultu reinflu ß es sich b e fin d e t u n d w e l c h e E n t ­
l e h n u n g e n m a n a n z u tre f f e n e r w a r t e n k a n n ) .
3. B e s i tz t d a s Volk in d e r G e g e n w a r t sein e alten O r n a m e n t e in voll­
k o m m e n e m A u s m a ß o d e r h a t es diese in g e w i s s e n G e b i e t e n v e r lo r e n und
d u r c h E n t l e h n u n g e n ( v o n w e m ) e rs e t z t o d e r d u rc h F a b r i k s w a r e .
4. G r ü n d e d e s V e r s c h w i n d e n s einer O r n a m e n t ik a n b e s t im m te n O rten.
II. U ebersich t über die P roduktion und die G egen stän d e, auf denen O rnam ente
d a rgestellt sind.
1. D a s A e u ß e r e d e s G e g e n s t a n d e s .
2. M aterial, a u s d e m er b e ste h t.
3. B e d e u t u n g d e r G e g e n s t ä n d e u n d ihre Rolle im L eb e n d e s Volkes.
4. A lter d e r G e g e n s t ä n d e .
5. K ü n s tle r u n d K ü n s tle r in n e n — B e s o n d e rh e i te n ih rer g e se llsc h a ft­
lichen S te llu n g im Z u s a m m e n h a n g m it ih rer K u n s t (vgl. A b s c h n itt 111 d e s
Program m s).
6. A r b e i ts g e rä t.
7. A rb e i ts m e t h o d e n .
Anmerkung,
j e d e P r o d u k t i o n s a r t m u ß in ein em
K apitel o d e r einem b e s o n d e r e n A b s c h n i t t b e h a n d e l t w e rd e n .
b e s o n d e re n
III, D ie H ervorbringer und Schöp fer d e s O rnam entes.
IV. A llgem ein e Charakteristik d e s O rnam entes und A n alyse der O rnam ent­
m otive nach T hem en (su je ts ).
V, D ie ornam entalen M otive.
1. W a s stellt d a s O r n a m e n t d a r ( d a r g e s t e ll t e s T h e m a ) .
2. W e l c h e religiösen V o r s te llu n g e n sind m it d e m in F r a g e st e h e n d e n
G e g e n s t a n d v e r k n ü p f t u n d w e l c h e Rolle sp ielt le t z te r e r in d e m religiösen
L ebe n d e s Volkes.
3. H e r k u n f t de s O r n a m e n t m o t i v e s .
4. Die V a ria tio n e n d e s M otives.
72
5. R e s u l ta t d e r E n tw ic k l u n g d e s O rn a 'm en tm o tiv es .
6. W e l c h e K o m b in a tio n e n g e h t d a s M otiv m it a n d e r e n M o tiven ein,
A n m e r k u n g . J e d e s einzelne o r n a m e n ta l e Motiv w i r d n a c h
d a r g e l e g t e n P la n b e a r b e ite t.
dem
VI. Varianten von O rnam entm otiven in A b h än gigk eit von d er H erstellu n gs­
tech nik; B edingungen des O rnam entcharakters in A b h ängigkeit von M aterial
und T echnik.
VII. A llgem eine S ch lu ß folgeru n gen und Stelle d es untersu ch ten O rnam entes
in der R eihe der O rn am en te anderer V ölkerschaften.
VIII. A rt der durch den A utor an g ew a n d te n R eproduktion d er O rn am en te:
D urchzeächnung, P h otograp h ie, Z eichn un g, S ch em a u sw .
in einem S c h l u ß a b s c h n i t t vo m Kapite l 111 w e n d e t sich P e t r i d a g e g e n ,
O r n a m e n t e n a c h d e n P ro d u k t i o n s t e c h n i k e n o d e r d e m M a terial zu u n t e r s u c h e n ,
auf d e m sie e r sch e in en , also e t w a N ä h o r n a m e n t e , in Holz g e s c h n it z t e O r n a ­
m ente , S c h m ie d e o rn a m e n t e u s w . O r n a m e n t e m ü ß t e n n a c h
den Q raam eib ■
m otiv e n u n t e r s u c h t w e r d e n , d e n n
„ je d e s O r n a m e n t m o t i v ist ein v o lls tä n d ig
g e n a u b e s t i m m t e s M u s te r, d a s alle sein e E ig e n tü m lic h k e ite n b e w a h r t , auf
w e lc h e m M a terial es a u c h im m e r a u s g e f ü h r t i s t “ .
Kapitel IV b r i n g t „ E in ig e W o r te ü b e r die U n t e r s u c h u n g a n d e r e r Z w e ig e
v o lk stü m lic h e r d a r s t e l l e n d e r K u n s t “ , w o rin au f K in d e r z e ic h n u n g e n , E r w a c h ­
s e n e n z e ic h n u n g e n unc! religiöse D a rs t e l l u n g e n h in g e w ie s e n wird. A b s c h n i t t V
e n th ä lt „ B e m e r k u n g e n zu d e n Z e i c h n u n g e n “ .
S o w e i t also d e r In halt von P e t r is Schrift. E s ist von m ir r e c h t a u s ­
führlich auf P e t r is G e d a n k e n g ä n g e h i n g e w ie s e n w o rd e n , d a die O r n a m e n t ik
de r sib irischen V ölker u n s eine s
d e r w ic h ti g s t e n Mittel in die H a n d gibt,
n ä h e r in die K u ltu r g e s c h ic h te d e r ein zelnen V ölker e in z u d rin g e n . W i r k ö n n e n
nicht nur, wie P e tr i es will, a u s d e n ge sc h ic h tlic h e n V o r g ä n g e n R ü c k s c h lü s s e
d a h in z ielen d g e w in n e n , w e lc h e O r n a m e n t e w i r bei ein em Volke ü b e r h a u p t
e r w a r t e n d ürfen , s o n d e r n die O r n a m e n t e s a g e n u n s bei d e m F eh len h isto ris ch e r
N a c h ric h te n , w ie es d o c h in Sibirien die R egel ist, w ie die kulturelle E n t ­
w ic k lu n g ein es V o lkes ve rla ufen ist, u n t e r w e l c h e E inflüsse es gerie t, und
so m i t w ir d die O r n a m e n t k u n d e zu e iner d e r w i c h ti g s t e n k u ltu r h is to r is c h e n
H ilfsw iss en s ch a fte n . U e b e r h a u p t sc h e in t m ir die h isto ris c h e F r a g e s t e l l u n g
a u c h fü r die sibirisch en V ö lk e r sc h a f te n ü b e r die M a s s e n v e r n a c h lä s s ig t zu sèin.
Die b i o ß e b e s c h re i b e n d e V ö lk e rk u n d e, die den kultu relle n T a t s a c h e n b e s t a n d
ein es im w e ite n Sinne als G e g e n w a r t zu b e z e ic h n e n d e n Z e i t r a u m s u n t e r s u c h t ,
b e d a r f r e c h t d r i n g e n d ein es h isto ris c h e n U n t e r b a u e s , den zu liefern in d e r
H a u p t s a c h e die V o r g e s c h ic h t e in d e r L a g e ist, o h n e d e r e n E r g e b n i s s e eigentlich
nicht m e h r r e c h t g e sc hic htliche V ö lk e rk u n d e g e tri e b e n w e r d e n k a n n , a u ch
n icht in Sibirien. Die O r n a m e n t k u n d e Sibirie ns b e d a r f d e s v o rg e sc h ic h tlic h e n
U n t e r b a u e s g a n z b e s o n d e r s dringlich, n u r fehlt e s m e ist n o c h an U rm a te ria l,
bei d e sse n H e r b e i s c h a f f u n g P r o f e s s o r P e tri als einer d e r allerfleiß igsten un d
e rfo lg re ic h ste n M i t a r b e i te r g e n a n n t w e r d e n m u ß . E r u n d seine S c h ü le r sind
in Sibirien f a s t die ein zigen, die sich von d e n P u b l i k a t i o n s z e n t r e n de'r S o w j e t ­
union, M o s k a u u n d L e n in g ra d , u n a b h ä n g i g g e m a c h t u n d ihre A rb e ite n an
73
O rt u n d Stelle, in Irkutsk, v e röffen tlich en u n d d a d u r c h A u ß e r o r d e n t l ic h e s für
d a s A n s eh e n d e r sibirischen W i s s e n s c h a f t g e le istet h a b e n .
Z u d e m zu B e g in n d e r B e s p r e c h u n g a n g e f ü h r t e n H in w e is P e t r is auf
die g r a p h is c h e K u n s t d e r T u n g u s e n und J a k u t e n , k a n n m a n s a g e n , d a ß die
J a k u t e n eig entlich hier nich t zu n e n n e n w ä r e n , d a sie die E r b e n einer a u s
d e r w e s tlic h e n H o c h k u l tu r s t a m m e n d e n K u n s t ü b u n g sind, u n d a u ch die
S te llu n g d e r tu n g u s i s c h e n K u n s t ist v o rläu fig n o c h r e c h t rä ts e lh a ft, im m e rhin ,
w e n n die J a k u t e n ihre K u n s t in d e r H a u p t s a c h e a u s de m W e s t e n b e z o g e n
h a b e n , so h a t e s den A n sche in, als ob die T u n g u s e n , w e n i g s t e n s die östlichen,
von C h in a her, E inflüsse a u f g e n o m m e n h a b e n . Im m e rh in blicken w i r vo rläu fig
in diesen F r a g e n n o c h nicht g a n z klar, d a S p e z ia l u n te r s u c h u n g e n n u r ü b e r die
■Amurvölker v o rlie g en (v o n B. L ä u fe r).
Die S c h ild e r u n g d e r - E n t s t e h u n g d e s s y m b o lis c h e n O r n a m e n t e s d urc h
Petri ist n a türlich ein e D e d u k tio n , u nd es ist eine offene und vielleicht a uch
m ü ß i g e F r a g e , w e l c h e O r n a m e n t e u r s p r ü n g l i c h e r sin d : die figürlichen o d e r
die g e o m e t ri s c h e n . Auf d e d u k tiv e m W e g e k ö n n e n w ir a b e r ü b e r h a u p t nicht
zu e in er B e a n t w o r t u n g d ies er F r a g e k o m m e n . Hier ist w i e d e r u m a ussc hlie ß lic h
eine Z u s a m m e n a r b e i t m it d e r V o r g e s c h ic h t e u n d die F e s t s t e ll u n g n o t w e n d ig ,
w i e w e i t sich die O r n a m e n t e eine s b e s t im m te n V o lke s a u ch in d e r v o r g e ­
s c h ichtlic hen H i n t e r l a s s e n s c h a f t se in er V o r f a h r e n (kulturell g e s p r o c h e n ) fe s t­
stellen lassen. E r s t w e n n w i r d a A n h a l ts p u n k te g e w o n n e n h a b e n , k ö n n e n wir
zu solchen F r a g e n e r n s t h a f t S te llu n g n e h m e n , o b in einem b e s t im m te n G e b ie t
die figürliche O r n a m e n t ik d e r g e o m e t ri s c h e n v o r a n g e g a n g e n ist o d e r nicht.
Ich m ö c h t e bei d ies er G e l e g e n h e i t n ich t verfehlen, auf eine B e o b a c h t u n g M ax
S c h m id t s h in z u w e ise n , d e r sich so e in g e h e n d m it den A n f ä n g e n d e r O r n a ­
m e n tik b e s c h ä f t ig t h a t u n d n e u e r d i n g s a u c h die te c h n is c h e n V o r a u s s e t z u n g e n
bei d e r E n t s t e h u n g v o n O r n a m e n t e n in S ü d a m e r i k a in ein er g r o ß e n z u s a m m e n ­
f a s s e n d e n A rbe it b e h a n d e lt h a t (Die te c h n is c h e n V o r a u s s e t z u n g e n in de r
O r n a m e n t ik d e r E in g e b o r e n e n S ü d a m e r i k a s , J a h r b u c h fü r P r ä h i s t o r is c h e un d
E t h n o g r a p h i s c h e K un st, j g . 1926, S. 142 bis 174). Hier h a n d e l t e s sich um
die feine B e o b a c h tu n g , d a ß bei d e n In d ian e rn d e s X i n g u q u e ll g e b ie te s d a s ­
se lbe G e f l e c h ts m u s te r m o ti v (a ls o ein t e c h n i s c h - o r n a m e n t a l e s M otiv n a ch
P e t r is T e r m i n o lo g i e ) , u n d z w a r in diesem Falle d e r auf d e r Spitze s t e h e n d e
R h o m b u s , ein m al m it d e m Fisc h m o tiv , d a s a n d e r e Mal m it d e m V o g e lm o tiv
und d a s dritte M al m it d e r m en s c h lic h e n F i g u r als M otiv v e r b u n d e n ist. M ax
S c h m id t sc h r e i b t d a zu (V ö lk e rk u n d e , Berlin, Ullstein 1924, S. 235 f .) : „Bei
vielen V ö l k e r s t ä m m e n , u n d z w a r tr itt diese E r s c h e i n u n g bei b e s t im m te n
K u ltu r a rte n b e s o n d e r s s t a r k h e rv o r, iiben die a u s d e r F le c h tte c h n ik e n t ­
s t a n d e n e n g e o m e t r i s c h e n O r n a m e n t e einen so s t a r k e n Ein fluß auf d a s k ü n s t ­
lerische E m p f in d e n aus, d a ß die F lä c h e n o r n a m e n ti k ü b e r h a u p t w ie v o n ihr
g e b a n n t ersche int. Alle figürlichen V o r s te llu n g e n , w e lc h e d e r K ü n s tle r auf
d e r F lä c h e se in er G e b r a u c h s g e g e n s t ä n d e z u r D a r s t e l l u n g b r i n g e n will, w e r d e n
d a n n g e w i s s e r m a ß e n in den V o r s te l lu n g s k r e i s b e h e r r s c h e n d e n g e o m e t r i s c h e n
M u s te r hinein g e p r e ß t , so d a ß sie n u r in s t a r k stilisierte r F o rm z u m A u s d r u c k
k o m m e n u n d d ies er stilisierten figürlichen D a r s t e l l u n g g e g e n ü b e r die freie
n a tu r a lis tis c h e D a r s t e l l u n g fig ü rlic h er M o tive n ich t z u r E n tf a l t u n g k o m m e n
k a n n . H ie rd u rc h ist z ugle ich eine E r k lä r u n g für die auffällige E r s c h e i n u n g
74
g e g e b e n , d a ß die freie n a tu ra lis tis c h e Z e i c h n u n g m e h r f a c h g e r a d e bei den
a uf n i e d rig s te r K u lturstu fe s te h e n d e n u n d d a h e r v o n den G e f l e c h ts m u s te r n
n o c h u n b e e i n f lu ß t g e b lie b e n e n V ölke rn in b e s o n d e r s v o l lk o m m e n e r F o rm a u s ­
ge b ild e t ist.“
Z u P e t r is A b l e h n u n g d e r v e rg le ic h e n d e n M e t h o d e bei d e r O r n a m e n t ­
b e t r a c h t u n g sei n o c h g e s a g t, d a ß m a n sich n a tü r lic h e r s t ein m al ein en U e berblick ü b e r d e n G e s a m t s c h a t z von O r n a m e n t e n ein es V o lkes v e r sc h a f fe n m u ß ,
ehe m a n a n w e ite r e V e r g le ic h u n g e n g e h e n darf, a b e r g e r a d e bei d e r a u c h von
P e tri b e to n t e n universellen V e r b r e i t u n g vieler O r n a m e n t m o t i v e k a n n die B e ­
s c h r ä n k u n g d e r B e h a n d l u n g auf ein ein z eln e s M otiv u n d auf ein einzelnes
Volk zu r e c h t a b w e g i g e n E r g e b n i s s e n führen. Die E r f o r s c h u n g u n d V e röffent­
l ic h u n g d e r O r n a m e n t e eine s b e s t im m te n Volkes, wie e t w a P e t r is h e r v o r ­
r a g e n d e r A rb e it ü b e r die O r n a m e n t e d e r K u d in sc h e n B u r j a t e n ( S b o r n i k M u z e ja
A n tropo logii i E tn o g ra fii pri A ka dem ii N a u k , St. P e t e r b u r g 1918) g i b t un s
n a tü rlich w i e d e r die M ö g lich k e it zu e in er W e i t e r v e r a r b e i t u n g in v e r s c h i e d e n e r
R ichtu ng, zeitlich u n d örtlich. Mit d e r S a m m l u n g u n d w is s e n s c h a ftlic h e n V e r­
ö ffen tlich u n g d e s O r n a m e n t b e s t a n d e s eine s V o lke s w ir d e r s t die n o t w e n d i g e
sich ere G r u n d l a g e fü r die e b e n s o w i c h tig e n v e rg le ic h e n d e n F o r s c h u n g e n g e ­
schaffen, w o d u r c h erste're ja r e c h t eigentlich ihre L e b e n s k r a f t u n d N o t w e n d i g ­
keit e rw e ise n .
H a n s F i n d e i s e n, Berlin.
Sigurd E rixon und Sigurd W allin: S v e n s k a K u 11 u r b i 1 d e r I, II.
Sto c k h o lm 1929. ( D a s W e r k v/ird in z w ö lf T eilen h e r a u s g e g e b e n w e r d e n ,
j e d e r m it e t w a 165 Seiten. J e d e s J a h r w e r d e n vier T eile e rsc h e in e n . Je d e r
Teil k o s t e t Kr. 11.50.)
D a s sc h ö n a u s g e s t a t t e t e k u l tu r g e s c h i c h t li c h - e t h n o g r a p h i s c h e W e r k h a t
die A bsicht, den L e s e r m it d e n c h a r a k te r i s t is c h s te n F o r m e n d e r s c h w e d i s c h e n
Kultur d e r n e u en Z eit in l e i c h tv e r s tä n d lic h e r D a r s t e l l u n g b e k a n n t z u m a c h e n .
N a c h d e r A n s ic h t d e r Schriftleitung , die in die H ä n d e d e r o b e n e r w ä h n t e n
h e r v o r r a g e n d e n s c h w e d i s c h e n F o r s c h e r g e le g t w o r d e n ist, ist es n o c h n ich t
m ög lic h eine z u s a m e n f a s s e n d e s c h w e d i s c h e K u l t u r g e s c h ic h te auf e t h n o g r a ­
p h i s c h e r G r u n d l a g e z u s c h reib e n . Sie h a b e n d a h e r d e n M o d u s g e w ä h lt,
w e se n tlic h e Z ü g e u n d b e k a n n t e M o n u m e n t e d e r s c h w e d i s c h e n K u ltur in ku rz en
E in z e ld a rs te llu n g e n z u g e b e n . Die m e iste n A u fs ä tz e sin d v o n d e n H e r a u s ­
g e b e r n g e s c h rie b e n , a b e r a u c h eine g a nze ' Reih e a n d e r e r k u ltu rg e sc h ic h tlic h
u n d e t h n o g r a p h i s c h t ä t i g e r F o r s c h e r h a b e n z u d e m W e r k e B e it r ä g e bei­
g e s te u e r t.
B e s o n d e r s w e rtv o ll v o m v o l k sk u n d lic h e n S t a n d p u n k t a u s sind die
A u fsätze v o n E rix on. E r sc h ild e rt u. a. ein en g r ö ß e r e n , m it M a lere ie n v o r n e h m
a u s g e s t a t t e t e n B a u e r n h o f a u s N o r d s c h w e d e n u n d g i b t d a n n als w i r k u n g s v o lle s
G e g e n s t ü c k ein a n s c h a u lic h e s Bild d e r E n t s t e h u n g eine s V e r w a n d t s c h a f t s ­
d o rfes a u s S ü d s c h w e d e n , d. h. ein es D orfes, d a s a u s T e i l u n g ein es u r s p r ü n g ­
lichen E inz elh ofe s e n t s t a n d e n ist. Die a lte rtü m lic h e n G e b r ä u c h e d e r G e m e in d e
ein es D o rfe s in W e s t e r g ö t l a n d , S ü d s c h w e d e n , b e h a n d e l t d e r V e r f a s s e r in
ein em a n d e r e n A u fs atze . Die alten D ö r f e r w a r e n w i e R eiche f ü r sich m it ihren
e ig e n e n G e s e t z e n u n d B e a m t e n u sw . E n d e M ai o d e r A n f a n g Juni v e r s a m m e l t e n
sich die B a u e r n z u g r a n n ö 1, eigen tlich N a c h b a ' r n b i e r . ln d e r S tu b e ,
w o diese Z u s a m m e n k u n f t a b g e h a lt e n w u r d e , w ü r d e d e r E h r e n s t a b u n d Ab-
Zeichen d e s V o rs itz e s in den B o d e n g e s t o ß e n , d a ß er f e s t sta n d . E r sollte in
d ie s e r W e i s e als ein F rie d e n s z e ic h e n ste h e n , bis die V e rh a n d l u n g e n u n d d a s
d a n a c h fo lg e n d e B ie r g e la g e zu E n d e w a r e n . W e n n j e m a n d den S t a b u m stie ß ,
m u ß t e er d a fü r ein p a a r G e l d s t ü c k e d e r G e m e i n d e k a s s e b e z a h le n . Die V e r­
h a n d lu n g e n e n d e te n m it d e m B ie r g e la g e , w o b e i d a s B ier a u s ein em g e ­
w a l ti g e n K essel m it d e m g r o ß e n Dorflöffel g e h o lt u n d in eig e n tü m lich e
Sc h a le n g e s c h ö p ft w ü rd e . Mit R e c h t b e z e ic h n e t d e r V e r f a s s e r d iese G e r ä t e
als E r b s c h a f t v o n d e n he id n isc h en O p f e r g e l a g e n . D a s E s s e n b e s t a n d a u s
Brot, B u t te r u n d E iern. E rix o n sc h ild e rt a u ch einen B e s u c h bei e in e r B r a u t ­
k leid ve rfe rtige rin u n d d a s V o r k o m m e n in S c h w e d e n v o n H o c h z e i ts s t u b e n
d e r D o r f g e m e in d e n .
ln d ies em Z u s a m m e n h a n g sei au f S ö d e r b ä c k s e in g e h e n d e S c h ild e r u n g
e in e r H o c h z e it bei den auf R a g ö an d e r K ü s te E s t l a n d s w o h n h a f t e n S c h w e d e n
v e r w ie s e n . — Auf d e m G e b i e t e d e r T r a c h t e n k u n d e gib t u n s d a n n Sigfrid
S v e n s s o n die G e s c h ic h te d e s J u n g f e r n k r a n z e s u n d d e s K o p ftu c h e s d e r v e r ­
h e ir a te t e n F r a u e n . W ie f rü h e r P e r L u gn ist a u c h e r d e r A nsicht, d a ß diese
Sitten m it d e r g e sc h le ch tlic h e n B e d e u t u n g d e s H a a r e s d e r F r a u e n Zusam m en­
h ä n g e n , w a s er du rc h m e h r e r e b i s h e r u n b e k a n n t e s c h w e d i s c h e B e le g e zu
b e w e i s e n v e r s u c h t . — In eine m A u fs a tz ü b e r S c h litte n fo r m e n m a c h t G ö s ta
B e r g es w a h r sc h e in lic h , d a ß ein in S c h w e d e n v o r k o m m e n d e r leic hte r S c h litten ­
t y p u s m it d e m in den Alpen auftretenden ,B o c k sc h litte n z u s a m m e n h ä n g t .
D e r R a u m m a n g e l e r la u b t u n s n ich t auf die a n d e r e n A u f s ä tz e n ä h e r ein­
z u g e h e n , die sich m e iste n te ils auf d en d e r V o l k s k u n d e v e r w a n d t e n G e b ie te n , wie
K u n s tg e s c h ic h te , W a f f e n g e s c h i c h t e u sw . b e w e g e n . D o c h sei e r w ä h n t die k ü n s t ­
lerisch g e s t a l t e t e u n d p e rsö n lic h g e h a l t e n e S c h ild e ru n g S ig u r d W a llin s von
H a m m a r b y , d e m Hofe d e s b e r ü h m t e n B o t a n i k e r s Carl v o n Linné.
Ragnar
Jirlow.
Der W eltkrers. M itte ilu n g e n d e r V e re i n i g u n g fü r V ö lk e r k u n d e und v e r ­
w a n d t e W is s e n s c h a f t e n , Berlin. H e r a u s g e g e b e n im A u f t r ä g e d e r V e r e in ig u n g
von H a n s F i n d e i s e n. J a h r g a n g 1929, Nr. 1— 4.
V on d ie s e r v o n Dr. H a n s F ind e isen b e g r ü n d e t e n V e r e i n i g u n g v ö lk er­
k u n d lic h e r In t e re s s e n t e n w e r d e n in z w a n g s l o s e r F o lg e Völker- u n d v o lk s k u n d ­
liche M itte ilu n g e n a u s O s t e u r o p a u n d Sibirien v eröffen tlich t, auf w e l c h e hier
m it b e s o n d e r e r . W ä r m e a u f m e r k s a m g e m a c h t w e r d e n soll. E s seien a u s dem
m a n n ig f a ltig e n Inhalt d e r b i s h e r e r sc h ie n e n e n 4 Hefte h e r v o r g e h o b e n : d e r se h r
le b e n d i g sc h ild e r n d e A u fs a tz von N a t a F i n d e i s e n : „ V o n Sitten und
G e b r ä u c h e n eip es a u s s t e r b e n d e n sibirischen P o l a r v o l k e s “ ( E rle b n is s e bei den
J e n i s s a j - O s t j a k e n ) , e b e n s o d e r A u f s a tz : „ A u s d e r L ü n e b u r g e r H e i d e “ mit d e r
s e h r a n s p r e c h e n d e n S c h ild e r u n g ein es n i e d e rs ä c h s is c h e n B a u e r n h o fe s, fe rn e r
fünf b u r j a t i s c h e E r z ä h lu n g e n , u n d die L e n i n g r a d e r Skizzen (in Heft 3, 4 ) . W i r
w ü n s c h e n de m U n t e r n e h m e n u n d seinen A rb e ite n r e c h t gedeihlichen F o r t ­
schritt.
Prof. M. H a b e r l a n d t .
Tirol:
N a t u r , K u n s t , V o l k , L e b e n . Z w e it e Fo lge , H e ft 8, 1930.
D a s v o rlie g en d e , a u c h illustrativ p r ä c h t i g a u s g e s t a t t e t e Heft d ies er
Z eitschrift, die d a s reich e N a t u r - u n d K u ltu rk a p ita l T iro ls fü r einen w e i t ­
76
g e z o g e n e n L e s e rk re is in z w a n g l o s e n F o lg e n sich a u s z u s c h ö p f e n b e s t r e b t ,
b e s c h ä f t ig t sich in einer Reihe geh'altsvoller A b h a n d l u n g e n m it de m T iro le r
V o lk ss ch a u sp ie l im W a n d e l d e r Z eiten. D e r b e k a n n t e L ite r a tu r - u n d V olks­
f o r s c h e r Dr. A. D ö r r e r sc h ild e rt in l e b e n d i g e r Art T iro le r S p i e lb r ä u c h e a u s
6 J a h r h u n d e r t e n , d a s ku ltisc h -litu rg isc h e Spiel d e r Kirche, w o b e i b e s o n d e r s
die P a s s io n s s p ie le u n d die F ro n le ic h n a m s s p ie le h e r v o rt r e te n , die B ü rg e rsp iele,
die Spiele d e r H a n d w e r k e r u n d f a h re n d e n K o m ö d ia n te n , d a s K u n s t- u n d Schu ld r a m a , die F i g u ra lp r o z e s s i o n e n , die B a u e r n s p ie le u n d schließlich die P a s s i o n s ­
spiele. D e r A u t o r b r i n g t ü b e r d ies es b ish e r n o c h r e c h t w e n i g e r fo r s c h te K apitel
d e r tirolisehen K u ltu rg e s c h ic h te eine u n g e a h n t e Fülle n e u e n M a te r ia ls a n s
Lieht, d a s ü b e rd ie s d u r c h ein e g a n z e Z a h l w e r t v o ll e r Bilder b e re i c h e rt wird.
Im A n s c h lu ß a n D ö r r e r s A b h a n d l u n g b e s p r i c h t Pro f. A n to n M ü l l e r ( B r u d e r
W illr a m ) d a s „ P a s s i o n s s p ie l v o n B r i x le g g “ , so w ie in gleichen A rn o F r a n z
B i n n a d a s „ P a s s i o n s s p ie l v o n T h i e r s e e “ z u m G e g e n s t a n d i n t e r e s s a n t e r
M itte ilu n g e n m a c h t, ln ein em reich illustrierten A u fs a tz w ü r d i g t Karl P a u 1 i n
d a s k ü n s tle r is c h e W ir k e n d e r E x l-B ü h n e . E in en b e s o n d e r e n S c h m u c k d e s
H e ftes bilden im A n s c h lu ß ein er la n d s c h a f tlic h e n S c h ild e r u n g T iro ls p r ä c h t ig e
L a n d s c h a f ts b il d e r a u s den s c h ö n s t e n G e g e n d e n d e s L ande s.
Prof. M. H a b e r l a n d t .
Lutz M ack en sen: A u f r i ß d e r e n g l i s c h e n V o l k s k u n d e .
( H a n d b u c h d e r E n g la n d k u n d e II. Teil, S. 13— 5 4 ) . V e r l a g M oritz D i e s t e rw e g ,
F ra n k f u r t a. M. 1929.
Die v o lk sk u n d lic h e Skizze, die R e fe r e n t 1926 in d e m W e r k e : „Die
V ölker E u r o p a s u n d ihre v o lk stü m lic h e K u l t u r “ , S. 223— 232, v o n d e r B evö l­
k e r u n g G r o ß b r i t a n n i e n s auf b e s c h r ä n k t e m R a u m zu . g e b e n sich b e m ü h t h a t,
ist im v o rlie g e n d e n „ A u friß d e r en g lisc h en V o l k s k u n d e “ in s e h r w i llk o m m e n e r
A rt u n d auf d a s S a c h k u n d i g s t e v o n ein em t ü c h t i g e n K en ner, w ie Lutz
M a c k e n s e n e r w e i t e r t w o r d e n . A u s d e r f o l g e n d e n I n h a lt s a n g a b e d ies es Auf­
r isse s sind die ieiten d e n G e s i c h t s p u n k t e d e r D a r ste llu n g , die v o l k s w i r t s c h a f t ­
liche G r u n d l e g u n g u n d d a s A u s e i n a n d e r h a lt e n d e r k e ltisc h en u n d d e r g e r m a ­
n isc hen V o lk sk u ltu ren klar zu e rseh e n . Die vo lk sk u n d lic h e S o n d e r s t e ll u n g
E n g l a n d s h ä n g t m it d e m N i e d e r g a n g u n d F e h len e in e s eig e n tlich e n B a u e r n ­
s t a n d e s z u s a m m e n — w o b e i die a n d e r s a r t i g e n V e rh ä ltn is se in S c h o t tl a n d und
die L a g e in Irland ihre B e rü c k s ic h ti g u n g finden. N a c h M ög lich k e it e in g e h e n d
w ird s o d a n n die keltische V o lk sk u ltu r n a c h S p r a c h e , Festen,- S ie d lu n g s f o r m e n ,
C l a n w e s e n , T r a c h t , M usik, L ieder u n d T ä n z e n , S itte n u n d B r a u c h t u m g e ­
schild ert. E s folgt d a n n , wie die v o r a n g e h e n d e D a r s t e l l u n g auf g e sc h ic h tlich e r
G ru n d l a g e , die v o l k sk u n d lic h e S c h i ld e r u n g d e r g e r m a n i s c h e n B e v ö lk e ru n g ,
die z ufolge d e s F e h le n s eine s eig e n tlich e n en g lisc h en B a u e r n s t a n d e s die v o lks­
k u ndlic he S o n d e r s t e ll u n g E n g l a n d s (S. 13 b e s o n d e r s b e t o n t ) k la r h e r v o r t r e te n
lä ß t. E ine 4 S eiten u m f a s s e n d e L it e r a t u r ü b e r s ic h t b e s c h li e ß t in s e h r er­
w ü n s c h t e r A rt d e n a u s g e z e ic h n e te n A b riß. A u ß e r d ie s e m vo lk sk u n d lic h e n
A b s c h n i t t e n th ä l t d e r v o rlie g e n d e B a n d d e r „ E n g l a n d k u n d e “ a u c h eine v o r ­
treffliche D a r s t e l l u n g d e r V or- u n d F r ü h g e s c h i c h t e d e r b ritisc h e n Inseln von
Dr. E r n s t W a h l e u n d einen n ich t m in d e r g e h altv o llen B e it r a g z u r R a s s e n ­
k u n d e G r o ß b r i t a n n i e n s v o n Dr. W a l t e r S c h e i d t , die fü r d e n V o lk sk u n d le r
b e s o n d e r e s I n te r e sse b e sitz en . E s sei n ich t u n e r w ä h n t , d a ß a b e r a u c h alle
77
ü b r ig e n A b s c h n i t te d e s O e s a m t w e r k e s (die e n g lisc h e W ir t s c h a f t , D r a m a tik ,
Musik, d a s religiöse L eb en, d a s B i ld u n g s w e s e n u n d d a s m o d e r n e E n g l ä n d e r ttim in d e r en g lisc h en L it e r a t u r d e r K rie gs- u n d N a c h k r i e g s z e i t ) fü r je d e n L es er
von h o h e m W e r t u n d In t e r e s s e sind. E s ist s e h r z u b e g r ü ß e n , d a ß d e r V e r la g
in seinen „ H a n d b ü c h e r n d e r A u s l a n d s k u n d e “ die g e b ild e te d e u ts c h e Oeffentü e h k eit in so lc h e r Art, wie die v o r lie g e n d e „ E n g l a n d k u n d e “ es so vortrefflich
leistet, m it den ü b ri g e n e u r o p ä i s c h e n V ölk e rn u n d d e r e n K ulturen v e r tr a u t
m a c h t. A u c h die v e rg le ic h e n d e e u ro p ä is c h e V o lk sk u n d e , die auf d e m W e g e
ist, w ir d d a v o n re ic hen G e w in n h a b e n .
Prof. M. H a b e r l a n d t .
W e r n e r Zirus: A h a s v e r u s , d e r e w i g e j u d e. (S to ff- u n d M otivge sc h ic h fe d e r d e u ts c h e n L ite r a tu r ; H e r a u s g e g e b e n von P a u l M e r k e s und
G e r h a r d L iidtke.) W a l t e r de G r u y t e r & Co. 1930.
W e n n die E n t s t e h u n g de‘r S a g e vo m E w i g e n Ju d e n a u ch n u r d en e rsten
e inleitenden A b s c h n itt d e s v o r lie g e n d e n W e r k e s d arstellt, so d ü rfen w i r auf
d a s s e l b e d o c h a u c h im R a h m e n d i e s e r v o lk sk u n d lic h e n Z eitsc h rift a u fm e r k s a m
m a c h e n . W i r e rfa h re n h i e ra u s auf G r u n d d e r F o r s c h u n g e n v o n S im rock,
G r ä ss e , G a s t o n P a ris, N e u b a u e r u. A., w ie die S a g e von A h a sv e r , d e m
e w ig e n W a n d e r e r , d u rc h lite rarisc he T ä t i g k e i t in w e i te s t e m Sinne z u s t a n d e
g e k o m m e n ist. Biblische A n r e g u n g e n , E x e g e s e n von kirchlichen Schriftstellern,
F lu g b lä tte r, V olksliede r u n d V o l k s b l ä tt e r sind hier als d e r M u t t e r b o d e n u n s e r e r
S a g e n a c h g e w i e s e n , die ü b r i g e n s n ich t so alt ist, als m a n g e w ö h n lic h g la u b t
u n d e r s t seit de m 13. J a h r h u n d e r t in ihren e r ste n A n d e u t u n g e n u n d S p u r e n
n a c h w e i s b a r ersche int. D e r w e i t a u s g r ö ß e r e Teil d e s v o r lie g e n d e n W e r k e s
b e s c h ä f t ig t sich in s e h r a u sfü h rlic h e r u n d s e h r a n r e g e n d e r A rt m it d e r A u s ­
g e s t a l t u n g d e r S a g e vo m E w i g e n Ju d e n d u rc h die D i c h tu n g f a s t z w e i e r J a h r ­
h u n d e r te , o h n e d a ß d ieselbe a u ch n u r a n n ä h e r n d zu ein em dich te ris ch e n
A b s c h l u ß g e b r a c h t w o r d e n w ä r e , w ie die F a u s t s a g e d u rc h die u n ste rb lic h e
D i c h tu n g G o e th e s .
'
Prof. M. H a b e r 1 a n d t.
Dr. H ans F. K. G ünther: R a s s e ii k u n d e d e s j ü d i s c h e n
V o l k e s . Mit 305 A b b ild u n g e n und 6 K a rten . J. F. L e h m a n n s Verlag,
M ü n c h e n 1930.
P ro f. Dr. S. P a s s a r g e : D a s J u d e n t u m a l s I a n d s c h a f : s k u n d l i c h - e t h n o l o g i s c h e s P r o b l e m . M it 153 Bildern. J. F. L eh­
m a n n s V e rlag, M ü n c h e n 1929.
Z w e i s t r e n g sa c h lich e A u s e i n a n d e r s e t z u n g e n m it d e r vielleicht am
m e iste n u n t e r allen v ö lk e r k u n d lic h e n P r o b l e m e n u m s t r it t e n e n „ J u d e n f r a g e “ ,
die sich auf d a s G lü c k lic h ste ergänze n. G ü n t h e r s u c h t d a s W e s e n des
j u d e n t u m s v o m ra s s e n k u n d l ic h e n S t a n d p u n k t in o b je k t i v s t e r Art zu e r g rü n d e n
und g e l a n g t zu d e m E rg e b n i s , d a s J u d e n t u m als ein a n s einem R a s s e n g e m i s c h
h e r v o r g e g a n g e n e s V o lkstum a u fz u f a sse n . P a s s a r g e g e h t als G e o g r a p h
und E th n o l o g an d a s J u d e n p r o b l e m h e r a n lind s u c h t die B e s o n d e r h e i te n de r
jüdischen. V o l k s a r t u n g a u s U m w e lt, L e b e n s s c h ic k s a le n u n d G e s c h i c h t e zu
e rklä ren. B eid en B ü c h e r n ist im h o h e n G r a d e u n v o r e in g e n o m m e n e B e t r a c h ­
t u n g s w e i s e u n d r u h i g e E r ö r t e r u n g d e s G e g e n s t a n d e s n a c h z u r ü h m e n , bei
g rü n d l ic h e r A u fro llu n g ein e s r e ic h en M a te ria ls a n th r o p o l o g i s c h e r , e th n o l o ­
g i s c h e r u n d g e is te s g e s c h ic h t li c h e r Art. M it d e r A n a ly se d e r a lt t e s ta m e n t li c h e n
78
U e b erliefe ru n g auf G r u n d d e r Z w e ig e s c h le c h ts th e s e k a n n sich R e fe r e n t aller­
d i n g s nich t e i n v e r s t a n d e n e rk lä ren .
Prof. M. H a b e r l a n d t .
Lutz M ack en sen: D i e d e u t s c h e n V o l k s b ü c h e r ( F o r s c h u n g e n
z u r d e u ts c h e n G e i s t e s g e s c h i c h t e d e s M itte lalters u n d d e r Neuzeit, h e r a u s ­
g e g e b e n v o n P. M e r k e r und W . S ta m m le r , 2. B a n d ) . V e r la g Q uelle un d
M e y e r in Leipzig, 1927. 152 S.
D e r V e r fa s s e r stellt sich die A u fg a b e , d a s W e s e n d e r d e u ts c h e n V olks­
b ü c h e r und ihre B e d e u t u n g in d e r d e u ts c h e n L ite ra tu r k larz ustellen , so w ie die
g e is te sg e sc h ic h tlic h e n Z u s a m m e n h ä n g e a u f zu z eig e n , die zu ih rer E n t s t e h u n g
u n d E n tw ic k l u n g b e itr u g e n . W a s d e r v o r lie g e n d e n Stud ie einen b e s o n d e re n
Reiz verleiht, ist d e r U m s t a n d , d a ß sie, von d e r H e e r s t r a ß e lite r a rh isto r is c h e r
D a r s t e l l u n g a b s e it s eifrig S e ite n p fa d e su c h e n d , den U r s a c h e n d e r w e c h s e l n d e n
B eliebth eit d ies er B ü c h e r n a c h s p ü r t , die E in w ir k u n g v o n A u s s t a t t u n g , A n ­
p r e is u n g und inhaltlicher A n p a s s u n g an d e n G e s c h m a c k d e s P u b l i k u m s auf
d e n A b s a tz an H a n d g e n a u e r D a te n v o m W i e g e n a l t e r d e s d e u ts c h e n B u c h ­
d r u c k e s u n d B u c h v e r l a g e s a n zu e r fa s s e n b e s t r e b t ist. D a d u r c h w e r d e n dem
L e s e r d e r Schrift tiefe, leb ensvolle E in blicke in D e n k w e is e u n d G e s c h m a c k
n a m e n tlic h d e r U n t e r s c h i c h te n u n s e r e s V olkes w ä h r e n d d e r l e t z tv e r g a n g e n e n
v ier J a h r h u n d e r t e eröffnet. D e n V o l k s ro m a n e n w e r d e n die n u r ih rer V e r­
b r e it u n g n a c h v o lk stü m lic h e n R itt e r r o m a n g e g e n ü b e r g e s te l lt . D e n Kern d e r
V o l k s r o m a n e (z u den b e lie b te ste n g e h ö r t F o r t u n a t, F a u s t , E u le n sp ie g el, die
S c h i ld b ü r g e r) bilden a ltü berlieferte, v o lk stü m lic h e S a g e n -, S c h w a n k - u n d
M ä r c h e n m o ti v e (S. 112 ff.). D e r V e r f a s s e r v e r fo lg t in seinen w o h l b e le g t e n
A u s f ü h r u n g e n nich t n u r die Sc h ick s ale d e r e ige ntliche n V o lk sb ü c h e r, so n d e r n
u n t e r r i c h t e t a u c h ü b e r a n d e r e s v o lk s tü m lic h e s S c h rifttu m v e r g a n g e n e r J a h r ­
h u n d e r te , wie L e g e n d e n , K alend er, m e d iz inisc he u n d n a tu r w is s e n s c h a f t li c h e
B ü cher, R e is e b e s c h r e i b u n g e n , Los-, Z a u b e r - u n d H isto r ie n b ü c h e r , W e r k e , in
d e n e n d e r l eh rh a fte Z u g d e r Z eit n o c h s t ä r k e r a u s g e p r ä g t ersche int. Diese
Kapitel m it den d a z u g e h ö r i g e n L it e ra tu rh in w e is e n m ö g e n d e m V o lk sfo rs c h e r
in b e s o n d e r e m M a ß e w illk o m m e n sein. Ein ausführlic hes, vierteiliges R e g is te r
( P e r s o n e n , Stoffe u n d B ü c her, Kulturelles, F o r m a le s ) b e s c h li e ß t d a s Buch.
Dr. E d u a r d W e i n k o p f.
D as D eutsch tum im A usland. M o n o g r a p h i e n s a m m l u n g , h e r a u s g e g e b e n
v o n Dr. K. Bell. Südtirol. U n t e r M i t w i r k u n g v o n D. D ietrich , A. D o e r r e r,
L. Jutz, H. Kinzi, J. Ringler, J. R u n g g , W . R o h m e d e r, O. Stolz, J. W e i n g a r t n e r ,
H. W o p f n e r etc. D r e sd e n , W . B e r g e r, 1927, 271 Seiten, 1 Karte.
U n t e r d e n d e u ts c h e n G e b ie te n , die d u r c h d e n F r i e d e n s s c h lu ß v o n S a in tG e r m a in v o m g e s c h lo s s e n e n d e u ts c h e n S t a m m e s g e b i e t a b g e t r e n n t w u r d e n ,
ist S ü dtiro l d a s a m h ä r t e s t e n b e tro f fe n e u n d hier h a b e n sich a u ch a m f r ü h e s t e n
die G e le h r te n e rh o b e n , u m d e n N a c h w e i s d e r d u r c h N a t u r u n d G e s c h ic h te
g e g e b e n e n Z u s a m m e n g e h ö r i g k e i t v o n N o r d - u n d S ü dtirol z u e rb rin g e n .
D a s v o rlie g e n d e B u c h e n th ä l t eine Reih e v o n A b h a n d l u n g e n a u s de r
F e d e r d e r b e r u fe n s t e n F a c h g e l e h r t e n ü b e r S ü d tiro ls L an d , Volk, G e sc h ic h te
u n d Kultur.
F ü r d e n V o lk sk u n d le r v o n b e s o n d e r e m In t e re s s e sind die A b s c h n i t te :
D ie v o l k l i c h e E i n h e i t T i r o l s u n d i h r e E n t s t e h u n g
a u s d e r F e d e r d e s h e r v o r r a g e n d e n G e l e h r t e n u n d B e g r ü n d e r s d e r tirolischen
79
H a u s - u n d S i e d lu n g s f o r s c h u n g U niv.-Prof. H. W o p f n e r , d e r S i e d lu n g s fo rm und
O r t s n a m e n k u n d e a ls Z e u g e n d a fü r h e r a n z ie h t, d a ß e rs t d e u ts c h e A rbe it den
B o d e n d e r W ild n is a b g e r u n g e n hat.
Dr. iur. e t phil. J. R u n g g b r i n g t eine lehrre ic he A b h a n d l u n g ü b e r die
E n tw ic k l u n g d e r V o l k s t r a c h t
und ein e h ü b s c h e S c h ild e ru n g d e r
B r ä u c h e Südtiro ls, v o n d e n e n b e s o n d e r s die W i n t e r - u n d F rü h l i n g s b r ä u c h e
alte F o r m e n b e w a h r t h a b e n u n d t y p is c h e E i g e n a r t zeigen.
Die s p r a c h l i c h e n V e r h ä l t n i s s e b e h a n d e lt Univ.-D oz. L. Jutz
un d w e is t a u c h hier völlige E in he itlichk e it und Z u s a m m e n g e h ö r i g k e i t d e s tirolischen S t a m m e s nach.
Im A b s c h n i t t:
S ü d t i r o 1 i m d e u t s c h e n S c h r i f t t u m e n tw ir f t d e r du rc h
sein e F o r s c h u n g e n ü b e r die tirolischen P a s s io n s - S p ie le rühm lich b e k a n n t e
V e r fa s s e r Dr. A. D ö r r e r ein a n s c h a u l ic h e s Bild d e r reichen S c h ä tz e tiroliseher
V o lksp oe sie in allen ihren Spie la rten, ln diesem Land , w o die m o d e r n e Kluft
z w is c h e n Volk u n d G e b ild e te n n ic h t b e s t e h t , sin d die G r e n z e n z w i s c h e n V olk sun d K u n s t d i c h t u n g m it u n t e r s c h w e r zu ziehen.
Die A b s c h n itte ü b e r M a l e r e i (D r. iheol. et phil. J. W e i n g a r t n e r )
u n d B a u k u n s t u n d P l a s t i k (D r. J. R in g le r) v e r v o lls tä n d ig e n d a s Bild
tirolischen K u n s ts c h a f fe n s , d e s s e n E i g e n a r t in allen se inen W e r k e n h e r v o rtr itt,
H e r a u s g e b e r u n d V e r l a g sind zu b e g lü c k w ü n s c h e n , d a ß es ih n en g e ­
lu n g e n ist, die b e r u f e n s t e n F a c h g e l e h r t e n als M i t a rb e i te r fü r d ies es W e r k zu
g e w i n n e n , d e s s e n g e d ie g e n e r u n d r e ic h e r Inhalt j e d e n L e s e r fesseln m u ß .
Dr. A. P e r k m a n n .
H ein rich
M a rze ll:
Bayerische
Volksbotanik
(L o re n z
Spindler, N ü r n b e r g o. J. ) , 252 Seite n m it B u c h s c h m u c k v o n C o n r a d S c h erzer.
Die b e m e r k e n s w e r t u m s i c h t i g a n g e l e g t e A rbe it d e s seit la n g e m als
f ü h re n d b e k a n n t e n F o r s c h e r s glie d e rt d e n Stoff n a c h V e r w e n d u n g d e r P fla nze n
a n F e stz e ite n d e s B a u e r n j a h r s , bei G e b u r t , H o c h ze it u n d T o d , im Kinderspiel,
im l a n d w ir tsc h a f tlic h e n A b e r g l a u b e n , in d e r Volksm ed izin , wie in Z a u b e r un d
G e g e n z a u b e r u n d V o lk s s a g e , o h n e v om sic h ere n W e g rein in d u k tiv e r E r ­
k l ä r u n g ih rer „ W i r k s a m k e i t “ , die j a d ä m o n i s t i s c h e r o d e r a n im is tis c h e r A n­
s c h a u u n g e n oft g e n u g d u r c h a u s b a r ist, a b zu irren . Ein b e z e ic h n e n d e s Beispiel
liefert e t w a die B e t r a c h t u n g d e r „ G e w i t t e r p f l a n z e n “ , z u m e is t F rü h l i n g s b l u m e n
o d e r P fla n ze n m it r o t e n Blüten. Die S c h l u ß a b s c h n i t t e ü b e r P f l a n z e n z a u b e r
u n d P f l a n z e n s a g e n g e b e n in kritisch b e s o n n e n e r A u s w a h l n o c h g e n u g B elege
dafür, w ie m a g i s c h e lind d ä m o n i s t i s c h e V o r s te llu n g e n sich schlie ßlic h zum
na iv e n W e l t b il d d e s V olkes z u s a m m e n f ü g e n , ln einem w ä r e vielleicht g e g e n ­
ü b e r d e m sc h o n r e c h t s c h l a g w o r t a r t i g a b g e b r a u c h t e n S a m m e lb e g r if f „ A b e r ­
g l a u b e n “ eine b e ric h ti g e n d e „ r a t i o n a l e r e “ E in s te llu n g g e m e inhin in d e r v olks­
tü m lich e n P f l a n z e n k u n d e a n z u b a h n e n ; w ir m ein e n d e n l a n d w ir ts c h a ftlic h e n
„ A b e r g l a u b e n “ , bei de m es sich d o c h i n s g e m e in z u v ö r d e r s t u m „ B a u e r n ­
p r a k t i k a “ , d a s sind beiläufige E r f a h r u n g e n im Ablauf d e s V e g e t a ti o n s j a h r e s
u n d vielfach w ie bei den H e i li g e n - N a m e n s t a g e n als M e r k t a g e n fü r P f l a n z - und
A n b a u t ä t i g k e i t u m b e a b s ic h ti g t e m n e m o t e c h n is c h e A n h a l ts p u n k te h a n d elt. Die
reichlich s p ä t e A nz eig e d e s B u c h e s v e r m a g g leic h w o h l ein u n m it t e l b a r e s
G e g e n w a r t s i n t e r e s s e a n ihm h e r v o rz u h e b e n . D e n n es b r i n g t vielfach die E r-
80
g e b n is s e von U m f r a g e n an die L e h r e r s c h a f t und s ic h te t den Stoff a u ch in
se in er k u l tu r g e o g r a p h i s c h e n U m g r e n z u n g , b U n e s L e istu n g e n , die d e r nun
m it den e rs t e n U m f r a g e n s o e b e n e in s e t z e n d e „ A tla s d e r D e u t s c h e n V o l k s k u n d e “
fü r die g e s a m t e D e u t s c h e V o lk s f o rs c h u n g zu sy s te m is ie re n v e r su c h t. M ö g e
ih nen gleich u m sic h tig e g e istige B e w ä l t i g u n g d u r c h die F o r s c h e r p e r s ö n li c h ­
ke iten zuteil w e r d e n , wie h ier die P e r s o n d e s B u c h e s G e s t a lt u n d W e s e n b e ­
d e ute t.
A. H a b e r 1 a n d t.
Franz H em p ier: P s y c h o l o g i e d e s V o l k s g l a u b e n s i n s b e -
s o n d e r e der v o l k s t ü ml i c h e n Na t u r - und He i l k u n d e des
W e i e h s e i l a n d e s. E inz elschritte n d e r H isto risc h e n K om m is sio n für ostund w e s t p r e u B is c h e L a n d e s f o r s c h u n g 4. ( K o m m is s i o n s v e r la g G rä fe u n d Unzer,
K ö n i g s b e r g i. Pr., 1930), 112 S.
V o r den h e r k ö m m lic h e n B e a r b e it u n g e n d e s V o l k s a b e r g l a u b e n s b e k e n n t
d e r R efere nt n a c h oft e n t t ä u s c h t e r A u f n a h m s b e r e i ts c h a f t ö d e s G r a u e n . A b e r
die v o rlie g e n d e Schrift h a t ihn d o c h d u r c h a u s a n g e s p r o c h e n d u r c h die auf­
sc h l u ß r e i c h e A rt d e r E in fü h lu n g d e s V e r f a s s e rs in L ebe n u n d E rle b n is d e s .
V o lk sm e n sc h e n , die allsogleich a u c h d e r w is s e n s c h a f tlic h e n E r k e n n t n i s für
F r a g e k o m p l e x e d e r le b e n d i g e n G e g e n w a r t z u g u t e k o m m t . E ine k u rz e Auf­
z ä h l u n g d e r A b s c h n i t te m a g d a s R ü s t z e u g d e s V e r fa s s e r s d a r tu n , d a s wir
j e d e r d e r a r t ig e n A u s w e r t u n g e in s c h lä g ig e n S to ffes w ü n s c h e n . Solch e leb e n d ig e
B e o b a c h t u n g e n finden w ir a u f s c h lu ß re ic h e in g e s t r e u t e t w a z u r E r l ä u t e r u n g
d e s H e x e n w e s e n s , d e r sinnlo sen A b w e h r h a n d l u n g e n im Affekt, die B e griffs­
b ild u n g e n ü b e r den T o d , Heilm ittel a u s de m G e w ü r m d e r E r d é fü r K r a n k ­
h eiten z ufo lge L ie g en s auf d e r E r d e u n d a n d e r e s m eh r. E s e r w e i s t sich i m m e r
w ie der, d a ß in aller V olks- u n d V ö lk e r k u n d e jen e R ic h tu n g , die die E r le b n is ­
g r u n d l a g e n d e r v o lk stü m lic h e n G e istig k e it z u n ä c h s t einm al u n m it t e l b a r zu
e rfa ss e n su c h t, b e v o r sie sich a n e k le k tis ch e g e sc h ic h tlich e S p e k u la tio n h e r a n ­
w a g t , n ich t n u r die se l b s t v e r s tä n d l ic h e V o r a u s s e t z u n g j e d e r Q u e lle n k u n d e b e ­
de u te t, so n d e r n im m e r noch a m tie fsten a u c h in d a s V e r s t ä n d n i s d e s e r s t a r r t e n
F o r m e n k r e i s e s v o n Kultur un d G e s c h i c h t e e inführt.
A. H a b e r l a n d t .
Julius
L eithaeuser:
Volksund
H eim atkunde
des
Wuppe'rlandes.
Mit e iner K a r te d e r b e r g i s c h e n
S p r a c h ­
g r e n z e n . (A. M a rtini & G rü ttefien , E lbe rfeld 1926), 238 S.
W ie die S e l b s t a n z e i g e z u m B u c h e b e s a g t, b e r ü c k s i c h ti g t es in weitem
U m f a n g V o lk s s p ra c h e und V o l k s a n s c h a u u n g , s o w e i t sie in de r N a m e n k u n d e ,
d e r V o lk s d i c h tu n g u n d V o lksw eish e it, in G la u b e n , Sitte u n d B r a u c h z um
A u s d r u c k k o m m e n . D e m m ö c h t e n w ir hin zu fü g e n , d a ß es eine v e r s t ä n d n i s ­
volle und e r w ü n s c h t e A u s w e i t u n g d e s B egriffes d e s V o lk stü m lic h en b e d e u te t,
d a ß d e n P e rsö n lic h k e ite n im U m k re is d e r b e t r a c h t e t e n L a n d s c h a f t eine W ü r ­
d i g u n g ih res Volk un d H e im a t g e w i d m e t e n S c h a ffe n s zuteil w ird , — V o lk s­
k u nd e , d e r e n sich die F o r s c h e r no ch r e c h t w e n i g b e s o n n e n h a b e n , es sei d e n n
in na tio n a l g e m i s c h t e n G e b ie te n w ie B ö h m e n , w o M ä n n e r wie Jo s e f .B lau
diese so w ic h tig e B rü c k e z w is c h e n V o l k sk u n d e u n d L ite r a tu r u n d G e i s t e s ­
g e sc h ic h te gleichfalls sc h o n zu s c h la g e n u n t e r n o m m e n h a b e n .
A. H a b e r l a n d t .
H erau sg eb er, E ig en tü m e r u. V erleg er: V erein für V o lk sk u n d e (P rä s id e n t Prof. Dr. M. H a b erlan d t.)
V e ra n tw o rtlic h e r R ed a k te u r: Prof. D r. M ich ael H a b e r l a n d t , W ien, V lii. L a u d o n g a sse 17. B u ch d ru ck e re i P ag o , W ien, H . G roße S ch iffg asse 4.
81
Führer durch das Museum für Volkskunde.
V on P ro f. Dr. A r t h u r H a b e r l a n d t . .
Das M u s e u m f ü r V o l k s k u n d e in Wien — bis 1918
Museum
für ö s t e r r e i c h i s c h e
Volkskunde —
wurde im Jahre 1895 vom Verein für (österreichische) Volkskunde
als ein Institut begründet, das der Darstellung und musealen Pflege
der nationalen Volkskulturen im alten Oesterreich in wissenschaft­
lich vergleichender Richtung dienen sollte; lag und liegt doch in
dem Zusammentreffen der drei g roßen Volkskreise des Deutschen
Volkes, der Slawen und der Romanen auf diesem Boden ein Gutteil
der Volks- und Kulturprobleme Mitteleuropas beschlossen. Es hat
an die Aufgabe solcher W esensforschung in der Ausgestaltung
seiner Sammlungen, wie in seiner wissenschaftlichen Tätigkeit,
jahrzehntelang erfolgreiche Bemühung gewendet. An Umfang und
Ansehnlichkeit der Schaustellung ist dabei die Deutsche Volks­
kultur in den österreichischen Ländern mehr und mehr in den Vor­
dergrund getreten und mit der staatlichen Neugestaltung Mittel­
europas ist die Veranschaulichung D e u t s c h ö s t e r r e i c h s
n aturgem äß zur erziehlichen und voiksbildnerischen Hauptaufgabe
des Museums geworden. Dem zeitgem äßen wissenschaftlichen Aus­
bau der vergleichenden Volkskunde folgend, hat es indes sein For­
schungsfeld schon früh auf die Erkundung der charakteristischen
Lebenskreise und Rückzugsgebiete alter Kulturformen in Europa
überhaupt ausgedehnt. So entstand eine in sich geschlossene
Sammlung aus den Karpathenländern, ferner eine letzthin bis Bul­
garien, Rumänien und Griechenland reichende wertvolle Vergleichs­
möglichkeiten bietende Sammlung aus den Balkanländern. Klei­
nere vorzugsweise ergologische Sammlungen wurden aus der
deutschen und romanischen Schweiz, Oberitalien und den Adria­
ländern, der römischen Campagna, Sardinien und Sizilien angelegt,
das Museum verfügt ferner über eine ansehnliche Sammlung aus
den baskischen Provinzen in den Pyrenäen und kleinere Bestände
aus der Bretagne, die zusammen mit Vergleichsgruppen aus
Deutschland, Schweden Besonderheiten und Gemeinsamkeiten des
altartigen e u r o p ä i s c h e n Volksbesitzes überhaupt zu veran­
82
schaulichen vermögen. W enn auch ein Teil dieser vergleichenden
Studiensammlungen den Besuchern des Museums nur gegen b e­
sondere Anmeldung zugänglich gem acht werden kann, so rundet
sich sein Aufbau damit doch zu dem eines f ü h r e n d e n
In­
s t i t u t e s für v e r g l e i c h e n d e e u r o p ä i s c h e V o l k s ­
k u n d e a b. Die Aufstellung der Sammlungen folgt im wesentlichen
den kulturgeographischen und kulturgeschichtlichen Grundlinien,
die in der l a n d s c h a f t l i c h e n Verteilung des Volksbesitzes
hervortreten.
H ie zu die f o r tla u fe n d e n M u s e u m s b e r i c h t e in d e r Z eitsc h rift für
öste rr . V o l k s k u n d e seit 1895. — K a t a l o g d e r S a m m l u n g e n W ie n 1897. —
F ü h r e r d u r c h die S a m m l u n g e n 1901 u n d 1908 (ve rgl. die Z eitsc hr. J a h r ­
g a n g XIV, 61 ff.), n e u a u f g e l e g t 1914. — N e u e A u s g a b e 1921 (ve rg l. Z eit­
sch rift J a h r g a n g XXVI, S. 16 ff., 66 ff). — M u s e u m s g e s c h i c h t e in
den A u f s ä tz e n in d e r Z eitsc hrift ( J a h r g a n g XX1I1, 1917, S. 1 ff, X X V (1 9 1 9 ),
S. 192 ff. — F e r n e r: W i e n e r M u s e e n , „ D e u t s c h e s V a t e r l a n d “ 7 (W ie n ,
1925, S. 29 ff). M o u s e i o n 1928, Nr. 5, S. 93 ff.
W issen sch a ftlich e V eröffen tlich u n gen :
M. H a b e r l a n d t : O e s t e rre i c h i s e h e V o lk sk u n s t, 2 Bde., W ie n 1911.
M. H a b e r l a n d t u n d M i t a r b e i t e r : W e r k e d e r V o lk sk u n s t,
3 Bde., W ie n 1913— 17.
A. H a b e r l a n d t : V o l k s k u n s t d e r B a lk a n lä n d e r . W ie n 1919.
M. ti. A. H a b e r l a n d t : Die V ölker E u r o p a s u n d ihre v o lk stü m lic h e
Kultur, S t u t t g a r t 1927.
W iener Zeitschrift für . V olkskunde
(Z e itsc h rift für
öste rr . V o l k s k u n d e ) se it 1895. (M it E r g ä n z u n g s b ä n d e n . )
M. H a b e r l a n d t : E in f ü h r u n g in die V o lk sk u n d e , W ie n 1924.
Vergl. a u c h : A u s s t e l l u n g ö s t e r r e i c h i s c h e r H a u s i n d u s t r i e u n d V o lk s ­
k u n s t im ö s te rr e ic h is c h e n M u s e u m fü r K u n s t u n d In d u strie in W ie n , 1905/6.
K a t a l o g 1905; ü b e r d ieselb e M. H a b e r l a n d t : K u n s t u n d K u n s t h a n d ­
w e r k IX, W i e n 1906, 24- ff.
P e a s a n t a r t i n A u s t r i a . S o n d e r n u m m e r d e s „ S t u d i o “ , 1911,
83
A. Deutsche Alpenländer.
(Einschließlich romanischer und slawischer Grenzgebiete).
Eine streng ethnographische Umgrenzung und länderweise
Gliederung der deutschen Volkskultur in den Alpenländern erwies
sich angesichts der kulturellen Gemeinsamkeiten und Verkehrs­
beziehungen in weiterem Umkreis, als sie Oesterreich inner­
halb seiner heutigen staatlichen Grenzen umfaßt, als untunlich.
Der historisch-politische Begriff der Bundesländer erscheint dem­
gem äß dem der organisch entwickelten Kulturlandschaften unter­
geordnet, von denen die Aufstellung im Umkreis der österreichischen
Länder drei bis vier zu charakterisieren versucht. Von den D o n a u ­
l a n d s c h a f t e n , die am stärksten unter dem Einfluß städtisch­
bürgerlichen Handels und W andels und kirchlich barocker Geistes­
bildung stehen, ist Niederösterreich und das angrenzende Burgen­
land am besten vertreten. Ihnen gegenüber stellt I n n e r ö s t e r ­
r e i c h , das ist die Steiermark zusamt den Alpengebieten Ober- und
Niederösterreichs, eine Kulturlandschaft von stärkerer naturhafter
Bedingtheit dar, die bei karger Gebirgswirtschaft nur örtlich zu­
folge Verkehrslage, Ausstattung mit Naturschätzen, wie Eisen
und Salz, und dank der glücklichen Gaben der Bevölkerung zu kul­
tureller und volkskünstlerischer Geltung gelangt ist — wie etw a im
Salzkammergut — nach Osten hin jedoch verarmt. Das w e s t ­
l i c h e 0 e s t e r r e i c h, die Hochalpen Salzburgs, Tirols und Vor­
arlberg und Kärnten umfassend, besitzt seinerseits gleichfalls eine
wirtschaftlich und verkehrsgeschichtlich bedingte kulturerhaltende
Individualität, in die auch das bayrische Alpengebiet und das heute
abgetrennte Deutsch-Südtirol mit einzubeziehen sind, ebenso wie
die deutschen Gebiete Unterkärntens und Oberkrain in alter
kultureller Vergemeinschaftung zu einander stehen. H ausrat und
W irtschaftsgüter, zusamt den Erzeugnissen der künstlerischen
Hausindustrien und Dorfhandwerke wurden nach diesen Länder­
gruppen aufgeteilt zur Ausstellung gebracht. Eine vergleichende
Ueberschau über das ganze Gebiet bieten dem gegenüber die bis
auf eine Kärntner Untergruppe einheitlich zusammengeordneten
Volkstrachten (II— III), Vermummungen und Larven im Volks­
i*
84
gebrauch und Spiel, die Abteilung der Amulette und Votivgaben,
wie der religiösen Volkskunst (IV— VI). In die Zusammenstellung
der Hausmodelle wurden auch stid- und ostslawische Anlagen ver­
gleichsweise einbezogen (XV). Die Zusam m enordnung der künst­
lerisch hervorragenden Hafnerarbeiten und Majolikaerzeugnisse,
einschließlich slawischer und norditalienischer Erzeugnisse, in einem
besonderen Keramischen Saal (XXV), ermöglicht eine Ueberschau
über die Verarbeitung von M odeströmungen in der Volkskunst über
die nationalen Grenzen hinweg und schafft Einblick in die land­
schaftlichen Beziehungen des volkstümlichen Handwerks zu den
höheren Fabriksbetrieben. Schließlich offenbart die Gruppe der
Herd- und Beleuchtungsgeräte im E rdgeschoß XVII— XVIII in be­
sonderem M aße den Umfang der Reihen- und Typenbildung, dem
die alten Volksgüter trotz vielfältiger handwerklicher Besonderung
unterworfen waren, wogegen die Bauernstuben im Erdgeschoß
I— VI, XIII im Sinne von Charakterbildern des bäuerlichen W oh nwesens in einzelnen Landschaften erfaßt sein wollen.
Vergl. h i e z u O e s t e r r e i c h , sein L a n d u n d Volk u n d s e i n e Kultur.
H e r a u s g e g e b e n v o n M. H a b e r l a n d t . 2. Aufl., W ien 1929. (A b s c h n itt
V o lk s k u n d e .)
I. Stock.
Beiderseits vom Stiegenaufgang: Salzburgische Perchten­
läufer aus dem Pongau, „Schönpercht” oder „Tafelpercht” genannt,
mit gewaltigen, reich geschmückten Kopfaufsätzen, „Perchten­
kappen.” Sie treten im Fasching, jeder mit einer „Gseliän”, auch in
Begleitung der „schiachen” Perchten zu Umzügen vereint auf. Im
Vorraum: Christus; auf der Eselin (Palm esel), 18. Jahrh., Kaiser
Heinrich II. und Bischof Erasmus, Bayern, um 1760.
Vergl. K. A d r ia n : V on S a l z b u r g e r S itt u n d B r a u c h , W ie n 1924, S. 54 ff.
Rechter Rundgang I— XI.
R A U M I.
Niederösterreich und Burgenland: Die althergebrachte Volks­
kultur offenbart in N.-Oe. zufolge der Nähe der G ro ß sta d t viel­
seitigen kleinbürgerlich-städtischen Einschlag auch im ländlichen
Kreis, am stärksten in der Tracht, aber auch im kleineren Hausrat.
Im Burgenland tritt ländliches Hauswerk (Hauskunst) und Hand­
werk stärker hervor. Kasten 1. M ädchentracht aus dem W ienerwald
85
mit buntem Kattunrock (Alte Kattunfabrikation in Atzgersdorf),
Kreuzleibel oder „Brustfleck” und Kopftuch, Hauertracht aus den
W eingegenden 1830 bis zur Gegenwart. W iener Strohhaube und
„gegupfte” Goldhaube, Badener Drahtlhaube. Haubenkasten 2.
Flachland- („W iener-”) Hauben, W a chau er und W aldviertier abge­
flachte Brettlhauben, Spitzhauben aus der Semmeringgegend.
Kasten 3. Gutensteiner M ännertracht (Lodenrock) und Puchberger
Frauentracht, dazu Hauben, lieb er den Kästen große farbige Bilder
der Badener Hauertrachten der 70 erja h re (lediges und verheiratetes
P a a r). Kasten 4. Handpuppen aus MariaEnzersdorf. Kleinerer Haus­
rat, die M angelbretter (M innegaben) aus dem Burgenland, Stoober
Hafnergeschirr, unglasierte Schnitterkrüge, Füllkrüge für Wein
haben auf den Untersätzen 2, 4, 5, 8 ringsum Platz gefunden, auf
den Kästen urnenförmige burgenländische Vorratskörbe aus ge­
nähten Strohwülsten, Leuchtröste aus dem W echselgebiet und
anderes. B eachtenswert auch die alten Herbergszeichen der Kohlen­
bauern aus dem südlichen Waldgebiet, der Bandelkramer im W a ld ­
viertel, der Donauschiffer in Fischamend, Erntekronen und Ernte­
kranz, Leithagebiet, W einzeiger aus der Kremser Gegend. W a n d 5.
Sinnbildlich verzierte Innungskrüge für den Willkommtrunk und
Innungstruhe, Burgenland, 18. u. 19. Jahrh., Spenglerkrug und
Binderzirkel, Wien, gestickte Besatzstreifen für Bettüberzüge (Vorstecktücher), Burgenland (vergl. auch Kasten 1 und 3 ). Kasten 6.
Majolikakrüge, wie sie namentlich im südlichen W iener Becken und
Burgenland als Hochzeitsgeschenke üblich waren und von den
Eigentümern beim Leutgeben in die Heurigenschenken mitgebracht
wurden. In der Fenstertür. Reich geschnitzte Faßbodenteile,
Sessel mit Bauer und Bäuerin, Brautspinnrocken, Gegend von
Eggenburg, kunstvolle Schlossertruhe, Wien. Rechts. W erkzeuge
der Pecher (T erpentinsam m ler), Steinfeld bei W iener-Neustadt.
Kasten 7. Modelle von Weinpressen, allerhand kleinerer Hausrat,
Hafnerarbeiten, Auslagenstücke von Wachsziehern, W achskripperln
vom W iener Christkindlmarkt, Tonreiief mit Flucht nach Aegypten,
Hauszeichen aus Sievering. Wand 8. Schmiedeiserne Brunnen­
schlange, Haus- und Wallfahrtsbilder, schön gemalte protestan­
tische Haussegen aus dem Burgenland. Brauch und Kult, sowie
religiöse Volkskunst vergl. Raum XII (nebenan) und Raum IV.
J o h a n n e s M a y e r h o f e r : Die T r a c h t d e r H a u e r bei B a d en . Z eitschr.
f. ö s t e r V olksk. II, 225 ff.
H. M o s e s :
Die T r a d l h a u b e n . Z eitsc hr. f. ö ste r r . Volksk. III, 321 ff.
86
R A U M II.
Aipenländische Trachten.
In der Ecke zur Rechten: G ro ß e r Kachelofen vom Jahre 1690,.
Salzburg. Wand 1 und 2. Alte Bilder mit volkstümlichen Trachten,
Nieder- und Überösterreich. Pult 2. Reich verzierte Steckkämme,
Bauernschmuck u. s. w. Die T rächten selbst bieten bemerkenswerte
Hinweise auf die Kultur- und Verkehrsgeschichte der einzelnen
Landschaften. Im Alpenvorland und den Haupttalzügen sind sie
stark von der städtischen Mode beeinflußt (vergl. die bürgerlichen
langen Hosen aus modischem Stoff noch in der M ondseer M änner­
tracht, Seiden- und Samtkleider auch bei den Bäuerinnen im Flach­
land), w ogegen tiefer im Gebirge bei aller landschaftlichen Unter­
schiedlichkeit — jedes Tal hat seine Eigenart — zumeist h aus­
gemachte oft naturfarbige dicke Loden- oder Halbwollstoffe in V er­
wendung standen. Bei den Männertrachten beachte man auch im
Schnitt die Anpassung an die Landesnatur, z. B. kniefreie Hose und
Kurzjoppen der Tiroler in den Hochtälern. Die Frauentrachten
zeigen hier hochaltertümliche bis ins 16. Jahrhundert zurück­
reichende Schnittformen. Durchgängig handelt es sich um die
Sonntags- und Festtagskleidung, die die Frauen meist länger als
die Männer bew ahrt haben. Die W erktagstrachten sind viel ein­
heitlicher und schlichter geartet. Lebendig erhalten sind nur mehr
Frauentrachten manchenorts in Vorarlberg und Salzburg und ein­
zelne Tiroler Trachten als Festkleid von Schützenkapellen u. dergl.
Selten hat sich die T rach t über die älteren Formen hinaus lebendig
fortentwickelt, z. B. im Salzkammergut. Kasten 3 von links nach
rechts. Bürgerliche Mode (S onntagstracht) der Frauen in der Um­
gebung Wiens, T rachten aus dem M ondseegebiet und Attergau,
Oberösterreich. Wand 4. Gürtel mit Federkielstickerei. Kasten 5.
Alte Lodentracht der Männer im T ra g ö ß , Steiermark, Staatskleid
einer reichen Gewerkensfrau vom Erzberg (Rock im Stil der
R enaissancetrachten). Haubenstöcke mit Linzerhauben und Busentüchlein, Ausseer Holzhauerfrack, Sulmtaler Frauentracht, Mittel­
steiermark. Zurück zu Kasten 3 (G egenseite). Ausseer Frauen­
trachten unter dem Einfluß des Empire und späterer Moden. Man
beachte die Ueberschichtung der Frauenhaubung durch modische
Hutformen. Bursche mit Joppe, Mann mit Haftelrock, ferner Frack­
joppe (gekürzter Jagdfrack), Obersteier. Kasten 6 von links nach
rechts. Reicher Salzburger Bauer aus dem Flachgau; der blaue
87
Tuchmantel mit langem Radkragen gehört zum Ehrenstaat des Ver­
heiraten (so auch im Burgenland), Rauriser Altfrauentracht, T racht
der Halleiner Schiffergarde, Pinzgauer Hochzeiter mit Langrock
aus Loden. G egenseite. F rauentracht aus dem Unterinntal (noch
lebendig) und dem Lechtal (ganz verbürgerlicht), Brixentaler
M ännertracht und Kitzbiiheler Mädchentracht. Gegenüber Kasten 8.
Alpacher Frauen- und M ännertracht von hoher Altertümlichkeit.
Beide tragen kragenlos geschnittene Lodenjoppen. Bei den Männern
wurde, sie zusamt dem Brustfleck auf dem bloßen Leib getragen
und hieß das Hemd. Männer- und M ädchen-Som mertracht aus dem
Oetztal. Zurück zu Kasten 5. F ra u e n -(W in te r-)tra c h t aus dem
Oetztal. Kasten 7. Montafoner M ädchentracht mit haariger Zylinder­
mütze („M äßle”), neuzeitliche S onntagstracht der Bregenzer W äldlerinnen mit ärmellosem gefälteltem Leibgewand mittelalterlichen
Zuschnitts („Jup pa”), Meraner Schafhalter mit Kragenmantel,
Wurzelgeflechtmütze und Lodentasche. Kasten 8 (G egenseite).
M ännertrachten aus Meran, Jenesien bei Bozen, Sarntal, M ädchen­
tracht aus Sarntal mit schwerem Faitenrock und Ringelstrümpfen.
Kasten 9. M ädchen- und M ännertracht aus dem Kalsertal (man be­
achte das breite „Regendach”, den langen schaubenartigen Rock und
die winterlichen „Boanhöseln”, Langstrümpfe des M an n e s ). Als
B ehang in den Wandkästen 5, 7, 9: Hausw äsche mit ziervoller roter
Leinenstickerei. In den Pulten 10: Zierborten- und Bänder, h and­
gezeichnete W ebetücher, 11: Hochzeitsgürtel aus Oberösterreich,
Kastelruth und dem Pustertal, Schließen, 12: Stickmustertücher,
Taufausstattung, verschiedener zur T racht gehöriger Schmuck.
Im Kasten 13. Gürtel mit Zinnstiften und Lederstickerei. Ergänzende
Trachtenbilder an Wand 14, davor Oetztaler Stühle mit Namenszug
in der Lehne, zur Linken Schnalstaler Stühle.
RAUM
III.
Trachten und Faschingsverkleidungen.
Wand 1. Tiroler und Vorarlberger Trachtenbilder, davor eine
Reihe alter Stöcke, z. T. wehrhafter Art. Pult 2. Hochzeiter-, Brautund Primizschmuck, Pinzgau (Salzburg) und Nordtirol. Kasten 3.
Hochzeiterpaar aus dem Hochpustertal. Pult 4. Miederlätze, Busentüchlein, Ampezzo, Kastell Tessin, Perlfibeln, Eisakgebiet. Kasten 5.
B rautpaar aus Gröden, man beachte das Amulettbreverl, das die
Braut auf der Brust trägt, daneben holzgeschnitzter Schoßknabe,
88
seitlich Filigrannadeln, Ampezzo, durchbrochene Hornkämme, alte
Sterzinger Hausindustrie, Haarstecher und anderes. Als W a n d ­
behang Nonsberger Wirkdecken. In der W andnische Schilfmantel,
W etterschutz der Hirten im Draugebiet. Wand 6. Aeltere Bauernbilder zur Veranschaulichung der Tracht, im Kästchen 7 Gürtel
mit Zinnstiftenbeschlag, in der Ecke dazwischen, blauw eißer statt­
licher Majolikaofen, Sfruz im Nonsberg um 1700. Wandkasten 8
von rückwärts nach vorn: Altfrauentracht Buchenstein (Pieve),
der Rock über der Brust gegürtet, Mann aus Kastelruth, Frauenund Männertrac'nt Eggental, F rauentracht Enneberg, Altfrauen­
tracht mit hochgegürtetem Rock, Deffereggen. Als W and beh ang
W irkdecken aus dem Lungau, Salzburg, St. Sigmund und bei
Bruneck, vergl. auch Kasten 12. Wand 9 (rechts vom E ingang).
Figuren auf Karton gemalt, ursprünglich in Krippenform aufgestellt,
veranschaulichen in Rahmen vereinigt ein Huttlerlaufen mit
Schimmelreiter, Brunnentaufe usw., wie es Ende des 18. Jahrh. in
der Gegend von Hall sich abgespielt haben mag. Mittlings
Kasten 10. Drei „Tresterertänzer” aus dem Pinzgau, Salzburg
(die unter wiederholtem Niederknien einen T anz mit hohen
Sprüngen aufführen und die Zuschauer mit Lebensruten peitschen),
dazu Tiroler Schemenlarven, T ra chtenpuppen aus Gröden, große
Tiroler Hüte. Die unterschiedlichen Kopfbedeckungen finden ihre
Fortsetzung in Kasten 11. Man beachte die mit ihrer vließartigen
Noppung an vorgeschichtliche Typen anknüpfenden Tiroler „Fozzelh aub en ”, oben Hochzeits- und Totenkronen, welch letztere Unver­
heirateten auf den Sarg gestellt wurden, ein letztes Ueberbleibsel
der indogermanischen Totenhochzeit. Kasten 12. Zottler oder
Hudler, Faschingläufer aus Nordtirol, Habergais, Strohlarve eines
wilden Mannes, Krampuslarve. Auf der G egenseite. „Altarduxer”
— nach den hohen Köpfaufsätzen der diese Umzüge pflegenden
Duxer Burschen benannt — Meraner „Saltner” (W einhüter) mit
Lederkoller und Kopfputz von Trophäen des Raubzeugs und Feder­
viehs in den Weinpflanzungen des Etschlandes.
Fr. L e n t n e r :
U e b e r V o l k s t ra c h t im G e b ir g e . Z eitsc hr. f. österr.
Volksk. XI (1 9 0 5 ).
Ad. S i k.o r a : Z u r G e s c h i c h t e d e r Z illertaler T r a c h t . Z eitsc h r. f. ö ste rr.
Volksk. XII, 1 ff.
Vergl. K. M a u t n e r : Die A u s s e e r T r a c h t . Z eitsc hr. f. ö ste rr. Volksk.
XVI (1 9 1 0 ).
P. T ä c h u r t s c h e n t h a l e r :
schr. f. Volksk. X X XIV (1 9 2 9 ).
Die T r a c h t in S a r n t a l . W i e n e r Z eit­
89
A. H a b e r l a n d t : Die V o l k s t ra c h t e n d e r Alpen in: Die ö s t e r r e i ­
c h is c h e n Alpen. W ie n 1927.
F.
D o n a t : H a n d g e z e ic h n e t e W e b e r e i b ü c h e r a u s T irok W e r k e d e r
V o l k s k u n s t 1, 90 ff.
R A U M IV.
M asken- und Votiv wesen.
Reiche Sammlung von Holzlarven zum Lauf der „schiachen
P erchten”, abenteuerliche Tierköpfe, Teufelslarven, Salzburg, ferner
Larven für Volksschauspiele, Nikolaus- und Fastnachtsspiele, Lu­
zifermaske und zahlreiche komische und Charaktertypen aus Tirol.
In und auf den Pulten 1— 2 sind in großer Zahl W allfahrtsan­
denken, Sympathiemittel und Amulette, Rosenkränze, Breverln,
Votive und W eihegaben vereinigt, die im Volksglauben bis auf
die Gegenw art eine erhebliche Rolle spielen. Von den niederen
Orden im Volke verbreitet wurden die oft zierlich einge­
kapselten Schutzbriefe, „Breverln”, Fraisbriefe, Haussegen und
andere Gebete, die mit den Anfangsbuchstaben des Zacharias- oder
'Tobiassegens verzierten W etterkreuze, ferner Ulrichskreuze, Benediktuspfennige und Wallfahrtsmünzen, die bedruckten Fraisen­
häubchen, Papierstreifen mit der Länge Mariä usw. Pult 2. Johannis­
häupter auf Schüsseln oder mit H andhabe (von der hohen Salve,
Tirol) von Gläubigen gegen Kopfweh aufgesetzt und umgetragen,
ln dem Pult 2 ferner Fraisketten mit zahlreichen bedeutungsvollen
Amuletten für das W ohlergehen der Kinder, namentlich Knaben.
Pult 3 u. 4. Dreißigstbuschen von Heilkräutern, die in der Zeit von
Mariä Himmelfahrt bis Mariä Geburt gepflückt werden müssen,
Feuerbohrer zum Erzeugen lebendigen Osterfeuers, Tirol, W eih ­
nachts-Opferbrote, Salzburg, Alraunartige Wurzeln, Eisen- und
W achsvotive aller Art. Bemerkenswert die „Bermuttern”, Stachel­
kugeln, die gegen hysterische Frauenleiden nur im Vintschgau auf­
geopfert werden, seltsam die Vergänglichkeit und Verwesung ver­
anschaulichenden „Sargein” au s dem Afertale bei Brixen Pult 4.
K. O e s t e r r e i c h e r : B e it r ä g e z u m V o l k s a b e r g l a u b e n u n d z u r V o lks­
m edizin in N ie d e r - O e ste r re ic h . Z eitsc h r. f. ö ste r r . V olksk. XIII, 99 ff.
M a r i a n n e K a u t s c h : S y m p a th ie n m itte l, E b d a ., 110 ff.
Vergl. a u c h R. A n d r e e : Votiv e u n d W e i h e g a b e n d e s k a th o lisc h e n
Volkes in S ü d d e u t s c h la n d . B r a u n s c h w e i g 1904.
M. A n d r e e - E y s n :
V o lk sk u n d lic h e s a u s d e m b a y r i s c h - ö s t e r ­
re ic h is ch e n A lp e n g eb iet. B r a u n s c h w e i g 1910.
B. K r i s s in F e s ts c h r if t f. M. A n d re e - E y s n , 1928.
90
R A U M V.
Religiöse Volkskunst.
Irn Hintergrund ein kapellenartig eingerichteter Raum mit
volkstümlich farbigen Altären, Heiligenstatuen, Bildschreinen mit
W achsbossierungen u. dgl. An den Längswänden im anschließenden
Vorraum Heiligenfiguren und Bildtafeln. Es haben zunächst
Heilige Darstellung gefunden, die dem Volk in Nöten des Lebens
und der W irtschaft besonders nahe stehen. Als Pestpatrone viel
verehrt waren S. Sebastian und S. Rochus (letzterer als Pilger auf
seine Pestbeule weisend), SS. Antonius, Silvester, Leonhard gelten
als Viehpatrone, der hl. Christof und St. Vitus (in einem Kessel
mit siedendem Oel) erscheinen besonders häufig im P ußtertal, der
Anblick des ersteren stärkt den W anderer ob seiner Riesenhaftigkeit gegen jähen Tod. In Tiroler Familien viel verehrt wird auch
Mutter Anna selbdritt, oder Christus an der Martersäule als „Elendherrl”. Kirchlich längst abgeschafft sind Darstellungen wie die
Dreifaltigkeitsplastik an der rechten Wand (gleichartige Bilder am
rechten Türpfeiler nebenan), die hl. Kümmernis ist lediglich legendarische Volksheilige. Von Mariendarstellungen verdienen eine
schwarze M uttergottes von Altötting, eine Maria in blauem W eltenrnante! mit Maibuschen (in der Nische nächst dem Eingang) und
eine Marie aus einem massiven Holzklotz Erwähnung, die der
Legende nach stets wieder auf ihren Standort an einem Baum zu­
rückkehrte. Letztere an der rechten Längswand. An künstlerischer
Vollendung überragt die an sie gewendete handwerkliche Technik
bei weitem der große lebensvolle Kruzifixus des ungelernten Bild­
schnitzers und Salinenarbeiters Johann Kieninger ( f 1899) in Hall­
statt. Die meist hölzernen Votivtafeln veranschaulichen lebendig
die Lebensnöte des Alpenvolkes und sind auch trachtengeschichtlich
vielfach von Interesse.
RAUM
VI.
Weihnachtskrippen.
Einzigartig ist die große W eihnachtskrippe in diesem Raum,
die aus Vill bei Igls in Tirol herstammt, wo sie ein gewisser Simon
jaufenthaler, der Mesner des Ortes, in der Adventzeit, altem Volks­
brauch gem äß durch Jahrzehnte zur Aufstellung brachte. In ihrer
lebensvollen, mit barockem Prunk aufgebauten Szenerie ist sie ein
Meisterwerk religiöser Volkskunst; die Figuren stammen aus der
91
Zeit um 1700. Zum Stall mit der Krippe
des Jesuskindes,
um die die Hirten verteilt stehen und die ein Gloriabogen
mit der Schar der Engel überstrahlt, bew egt sich der figuren­
reiche Zug der heiligen
3 Könige mit ihrem —
Reiter­
scharen aus dem Türkenkrieg gleichenden — Gefolge herunter
aus der Stadt Bethlehem, in deren Architékturbild die schmucken
F assaden tirolischer und italienisierender Stadthäuser auffallen.
Rechts die Ausdeutung der W eissag un g durch die Schriftgelehrten
vor dem Throne des Herodes und der 12jährige Jesus im Tempel,
links in prächtigem barockem Speisesaal (man denke an die Gastm ähler des Paolo Veronese), die Hochzeit zu Kanaa als Prunkmahl
der Adeligen, im Freien Tafel der Bürgerlichen und eine dritte der
Bauern nebst Küche und Keller.
Die W eihnachtskrippe mit dem Schauplatz eines Krippen­
berges stammt aus Italien, w ar im 16. und 17. Jahrhundert eine be­
liebte kirchliche und klösterliche Schaustellung, mit der die Ab­
haltung von W eihnachtsspielen vielfach in Verbindung stand. Im
18. Jahrhundert hörte ihre kirchliche Beliebtheit auf und die Krippe
wurde zu Anfang des 19. Jahrhunderts vielfach aus der Kirche ver­
wiesen. Damit verfiel diese schöne Kunstübung höheren Stils, dafür
fanden die „Kripperln” umsomehr Eingang in Haus und Familie; bei
der ländlichen Bevölkerung der Alpen vertreten sie bis auf den
heutigen T a g noch vielerorts den städtischen W eihnachtsbaum.
Solche Arbeiten künstlerisch veranlagter Hausväter und Bastler sind
wohl die steil aufgebaute Krippe aus Nordtirol (W and 2) mit naiv
älplerischer Freude am Leben auf der hohen Alm ausstaffiert und
die schlichte Kinderkrippe eines W egeinräum ers vom Radstätter
Tauern. D arüber ein älteres Krippenrelief aus Kärnten (W and 3).
Mit liebenswürdiger künstlerischer Verspieltheit ist die dazwischen
gestellte Hallstätter Krippe des Johann Kieninger aufgebaut, deren
Figuren, zur Ablösung aufziehende Palastwache, Holzarbeiter bei
verschiedenen Verrichtungen, er beweglich gemacht hat. Man be­
achte die dem Dachsteinplateau entsprechende Hochweide. Die
Krippenschnitzerei w ar in verschiedenen Gegenden der Alpen
Gegenstand hausindustrielier Betätigung, so in der Viehtau bei
Gmunden, in Berchtesgaden, Hallein und beschäftigte in Nordtirol,
um Hall und Zirl, ganze Schnitzerschulen. Ein gutes Beispiel der
Zirler Schnitzerei an der Wand 4, darunter zwei noch 1919 als neu
in Salzburg angefertigte Kripperln. Bemerkenswert weiter in
Kasten 3 die bemalten Totenschädel aus dem Salzkammergut,
92
ähnlich auch in Salzburg und Nordtirol, die bei ihrer Verwahrung in
den Beinhäusern von den Angehörigen mit einer an den primitiven
Schädelkult gemahnenden Pietät geschmückt wurden. Ein Schädel
mit Lotterienummern — aus M aria-W örth — in Kärnten soll beim
Anstarren die Glücksnummern für das Lottospiel offenbaren. Als
Deckenbehang erscheint ein Fastentuch aus der Gegend von Lienz,
bez. H. A. M. 1640, mit flotter, wenn auch etwas derb hingemalter
Bilderreihe von der Erschaffung der Menschen bis zum neuen Bund
und dem Erlösertod Christi. Derlei Fastentücher, in Deutschland
auch Hungertücher genannt, dienten zur Verhängung des Altars,
vornehmlich in der Fastenzeit und Karwoche.
(Siehe auch
Raum XXX im Erdgeschoß.)
Vergl. G. H a g e r : Die W e i h n a c h t s k r i p p e . M ü n c h e n 1902.
H. M a n g : U n s e re W e i h n a c h t . I n n s b r u c k 1927 ( T y r o l i a ) .
Jos. R i n g l e r : D e u t s c h e W e i h n a c h t s k r i p p e n , I n n s b r u c k 1929.
Karl B r u n n e r : D a s H u n g e r t u c h v o n T e l g t e in W e s tf a le n . Z eitsc hr.
d e s V e rein e s f. V o lk s k u n d e XXI, (B erlin 1911), 321 ff.
R A U M VII.
Haus- und W irtschaftsgerät aus dem Umkreis von Salzburg, Tirol,
Vorarlberg.
Kasten 1 und 13 enthalten figürliche Kleinplastik in Holz und
Ton. Letztere sind zumeist farbig bemalte Preßm odelarbeiten aus
dem Inn-Salzachgebiet. Durchwegs sind es beliebte Bauernheilige,
wie sie in den kleineren Kirchlein und W egkapellen eine Andachts­
stätte besaßen, — die kleinen Figuren wurden im Haus im Herr­
gottswinkel, wohl auch über der T ür angebracht oder als Andenken
an diese oder jene Wallfahrt aufgehoben. Bemerkenswerte Erzeug­
nisse der dörflichen Volkskunst sind auch die Bienenstirnbretter
aus dem salzburgischen Tennengau (Abt. 6 ).
Der künstlerische Fleiß der ländlichen Schnitzer ist iii den
vorzugsweise Viehzucht treibenden Alpengebieten vielfach den G e­
räten zur Viehwirtschaft zugewandt, die geradezu als eine eigene
Gruppe, als „Hirtenkunst” zusam m engefaßt werden können. Zu ihr
zählen die Melkstiihle, hölzerne Schellenbögen, Sattelaufsätze, auch
die W iegenbänder(A bt. 2 und Wand 3 ), ferner Wetzsteinkumpfe,
Sensenscheiden, Peitschenstiele (W and 5 und 7 ). Ein Großteil der
Musikinstrumente hierselbst und die sehr altertümlichen hölzernen
Alphörner gehören gleichfalls in diesen Lebenskreis. Kasten 4.
93
Kuhschmuck zum festlichen Abtrieb des Viehs von der Alm —
zwei geschmückte Köpfe nebenan (W and 8) — Auffällig ein Stier­
schmuck aus Hirschstangen mit Holzglocke, Pongau. Schön ge­
stickte Schellenriemen, Tirol, Almgerät wie W asserkannen, Schaffe
zum Abtragen des Almnutzens auf dem Kopf, hölzerne Schellen­
bögen und verschiedene Schellentypen. In den Pulten 4 Butter­
model, Rahmmesser, künstlerisch verziertes Eßgerät, gravierte
Horndosen, Sterzinger Arbeit, primitives Tierspielzeug, Großarltal,
und anderes. Urtümlicher Holzkultur entsprungen sind Mohnmörser
(Abt. 2 ), Ochsenjoche (bei Kasten 4 ), die umfangreichen und ge­
drehten Schüsseln und Teller (W and 8 ). Vielfach künstlerisch ge­
artet ist auch das von Tiroler Dorfschmieden „Schlangenschmieden”
hergestellte altertümliche Herd- und B eleuchtungsgerät (Abt. 7 ).
Bemerkenswert die tierköpfigen Wichelsteine (vergl. W ichtelM ännchen), XIV. Jahrh. Kastell Tessin, alte Specksteinlämpchen
für Talgbeleuchtung, Rienzgebiet, ferner hölzerne Pfannknechte mit
Stielhalter zum Anrichten der Muspfannen auf dem Eßtisch.
Kasten 9 und Abteil 11. Küchengeschirr, G efäße und Behältnisse
aus Holz und Ton (G la su rw are), ferner Metallgeräte aus Kupfer
(vergl. Wand 3 ), Zinn usw. Die hölzernen Krüge, Flaschen,
Schüsseln, Schöpfkellen für Milch wurden früher vielerorts in den
holzreichen Nebentälern Tirols hausgewerblich angefertigt, als Er­
zeugungsorte für die G lasurware kommen Bruneck im Pustertal,
bekannt durch seine flachen Tellerplatten, oft von gew altiger G röße
und der Bozener Bereich (aus der nächsten Umgebung die langschnäbeligen Eppaner W einkrüge) in Betracht. Töpfe und Kessel
aus Glockenspeise gehören vorzugsweise dem Südtiroler Bereich
zu, Zinn- und Kupfergeschirr wurde im Handel in süddeutschem
Umkreis oft von weiterher bezogen. Volkskünstlerisch bem erkens­
wert sind die oft reichlich beschnitzten Salzbehälter (W and 14),
der W eihe des Salzes entsprechend wurden sie im Eisakgebiet sogar
als „Salzkirchln” zurechtgemacht. Eine Sondergruppe bilden das
volkstümliche Handwerkszeug und Arbeitsgerät, sowie die Behelfe
zur Textilarbeit. Wand 10. Schwingböcke für Flachs aus dem
Oetztal, Krempel, Fadensammler, Spulräder, Bandwebstühle mit
W ebegatter, W äschepracker, Mangelbretter, beide als Minnegaben
zumal in den Alpe'n verbreitet. Die als Minnegaben zierlich
ausgeschnitzten Rockenstäbe, die in den Gürtel eingesteckt getragen
werden, charakterisieren die altertümlichen Arbeitsgewohnheifen
der Frauen im benachbarten romanischen Volksgebiet. (Spinnen im
94
Gehen und Stehen.) Auch die langschnabeligen, sogenannten
Eppaner Weinkrüge gehören einem südlichen Formenkreise zu.
E. G o l d s t e r n : B e it r ä g e z u r V o lk s k u n d e d e s L a m m e rt a l e s . Z eitschr.
f. ö ste rr. Volksk. XXIV, S. 1 ff.
G.
K o t e k : Ein m e r k w ü r d i g e r S t i e r s c h m u c k . W i e n e r Z eitsc hr. f.
Volksk. XXX111, 61 ff, V e rg leich e 105 ff.
Hiezu f e rn e r : Fritz K n r p f : U e b e r T ie r n i a s k e n . W o r t e n u n d S a c h e n , V.
(H e i d e l b e r g 1913).
R A U M VIII.
Bildschtiitzerei in Salzburg und Tirol. — Grödener Arbeiten.
Seit mehr als zwei Jahrhunderten bestreiten zahlreiche h an d ­
werkliche Herrgottschnitzer und mehr oder minder ungelernte
Volkskünstler, sowie in waldreichen wirtschaftlich kargen Alpen­
gegenden talweise aufgekommene Hausindustrien den Bedarf der
Alpenbevölkerung an religiösen und weltlichen Holzschnitzwerken.
Es waren a u ß e r Altären, Schnitzreliefs, Kruzifixen, Heiligenfiguren
für den Herrgottswinkel, W e g - und Wallfahrtsheiligtümer (W and 1)
auch figurale Gruppen
(Kasten 7), Krippenfiguren, Köpfe,
Hände, F üß e (Glaswürfel 2 und 4 ), deren Bemalung (F assung)
vielfach in den Händen der weiblichen Familienangehörigen der
Schnitzer lag oder von wandernden Faßm alern besorgt wurde.
Kirchenbildwerke, Flugblätter und Stiche boten dem vielfach stili­
stische Anleitung. Auch Kirchenbildhauer waren an derlei Kleinarbeit
beteiligt, wie das Modell der Kreuzabnahme (nach Rubens) vom
Altar der Priesterkapeile in Klagenfurt neben ändern künstlerisch
hervorragenden Arbeiten (W andkasten 3) und die aus Vorarlberg
stammenden geschnitzten Altarmodelle (Kasten 7) bezeugen.
Reliefs aus einer Gipsmasse (W and 12) sollen vielfach auf den
blinden Bildhauer F. Nießl aus dem Zillertal zurückleiten (darüb er
eine Ladenschlange). Von den volkskünstlerischen Hausindustrien
geht die Grödener wohl auf Holzbildhauerfamilien des 17. Jahr­
hunderts zurück. Von ihnen ist ein gewisser Martin Vinazzer mit
einem Steinm.edaillon und mit einer M adonnenbüste vertreten. Die
Rahmenschnitzerei (W and 12) dürfte um 1700 sich entfaltet haben.
A ußer den allmählig zum Kindergut absinkenden religiösen Schnitz­
werken, — für diesen W e rdeg an g verg. Kasten 5 — erzeugte
man in Nachfolge und W echselbeziehung zu der mit Holzmodellen
zu versorgenden Porzellanindustrie Genrefiguren, Uhrständer und
T iergruppen (Kasten 8 und 11); Zielerpärchen, Jäger und Dirndl als
Schützenbeste, Karrikaturen und die Figuren von Hausierern und
95
W anderhändlern entsprechen dabei durchaus dem Geschmack des
Volkes selbst. Zu ihnen treten oft sehr originelle Bildwerke,
namentlich Schlittenfiguren örtlich verschiedener Herkunft. Die
Grödener Spielwarenerzeugung stand in enger Beziehung zu den
von N ürnberger Verlegern auf den Markt gebrachten Erzeugnissen
aus Berchtesgaden und wird heute noch fortgesetzt (W andtafel 6
und Kasten 9 ). Die schulmäSige Fortbildung der Figurenschnitzerei
zu einem neuzeitlichen Kunstgewerbe, schon seit dem 19. Jahr­
hundert hat ihr indes kein künstlerisches Heil gebracht (Kasten 8).
Oertliches und Verkehrsgut aller Art mengen sich in der Gruppe
der Pfeifen und Dosen (im Glaskasten 10). Einem originellen,
schon in der Neuzeit lebenden Tiroler Bauernkünstler, der allerdings
schon a u ß e r von Schreckbildern süddeutscher Meister des 16. Jahrh.
auch von außereuropäischen Kuit-Masken beeinflußt sein dürfte,
sind die ringsum oberhalb der Kasten verteilten Holzlarven zuzu­
schreiben. Der stattliche blauw eiße Majolika-Ofen, Sfruzer-Erzeugnis um 1700, läß t deutlich Abstammung von den älteren tonnen­
förmig gemauerten Back- und Schlaföfen der Südtiroler B auern­
häuser erkennen.
A. H a b e r l a n d t : Die S c h n itz e re i im G r ö d n e r ta l e . W e r k e d e r V o lk s­
k u n s t , Bd. 11, 1914, 1 ff.
L. W e i s e r : Die L a d e n s c h la n g e . W r . Z eitsc hr. f. V olksk. XX XV, S. 1.
R A U M IX.
Mobiliar aus Salzburg, Tirol und Vorarlberg.
In den W andkästen 2 und 4 Haubenständer, Lichtständer aus
Holz geschnitzt und bemalt, Nähterstöckel, künstlerisch verzierte
Blockschachteln und Schmucktrüherln, den „Hochzeitskästchen”
höherer Stände entsprechend, Spanschachteln mit bunter W ism uthmalerei. Fenstertür 3. Rockenständer aus Nordtirol und dem Algäu,
Satteldachtruhe (mittelalterliche Form) aus Vorarlberg, oberhalb
Zeichen der Salzachschiffer. Im Möbelbau und Zierstil haben die
einzelnen Talgaue der Alpen oft durch Geschlechterfolgen hindurch
landschaftliche Eigenart behauptet, die meist auf einen in Zeiten des
W ohlstandes gewonnenen Zeitstil zurückleiten. Im Montafon haben
sich zumeist Zeugnisse eines volkstümlichen späten Barock er­
halten, (W an d 1) Stubenkasten (A nrichtschrank), darüber 1— 5, 7,
Deckenmittelstücke von Getäfeln. Im Arlberg und Oberinngebiet
erbt sich seit der Hochrenaissance ein bem erkenswert vornehmer
Zierstil in Möbeln und Getäfeln fort. Wand 5. Schnitztruhe und
W andkasten, Oberinntal. Wand 8: Bettaufsatz Paznaun. Die nordtiroler Nebentäler Pitztal, Oetztal, Alpach, bew ahren gotisierende
Maltechnik und Muster bis in späte T ag e (W and 6 und 7 ). Ein zier­
liches dem Rokoko angeglichenes Barock behauptet der Pinzgau
(Abt. 8— 9 ). Ein hervorragend schönes Beispiel der Nordtiroler
Hochrenaissance ist der g roße Kasten an Wand 7 (v. J. 1636, Leih­
gabe der Frau Maria L an d e sb erg e r). Das breit aufgeschlossene Ziller­
tal und das Unterinngebiet (vergl. auch Raum X ) machen schon die
malerischen Stilwandlungen auch des ausgehenden 18. Jahrhunderts
mit (W and 7, Abt. 1 0 ), die etwas handwerklich trocken anmutenden
Kästen in der Ofenecke ( 1 1 - 1 2 ) dürften dem Tölzer Kistlerhand­
werk zuzuschreiben sein. Allenthalben machen sogar die B raut­
schaffe diesen Stilwandel mit. Bemerkenswert auch die prächtigen
Schlitten aus dem Pustertal und aus Kitzbiihel. In der W andecke
11— 12 schließlich ein g ro ß e r blauw eißer Sfruzer Majolikaofen
um 1700.
K. v. R a d i n g e r : D e r A l p a c h e r Möbelstil. W e r k e d . V o l k s k u n s t 1,64ff.
Vergl. T i r o l : N a t u r , K unst, Volk, L eb en. 2. Folge, 4 (1 9 2 9 ) .
R A U M X.
Mobiliar, religiöse Volkskunst.
Wand 1. M iesbacher Truhe v. J. 1691 darüber Rosenkranz­
madonna (Brunnenfigur) Pustertal. Wand 2. Unterinntaler reich
bemalte bezw. ausgeschnitzte Kästen. Wand 3. Zillertaler Kasten
v. J. 1810 mit Landschaftsdarstellungen und Kasten 1833 mit den
vier Evangelisten, Bozener Gegend. Wandnische 4. Pustertaler
gemalter Giebelschrank v. J. 1806. In der Mitte des Raumes Palm ­
eselfigur, an den W änden ältere Votiv- und W allfahrtsbilder sowie
ein kleineres Tiroler Fastentuch.
RAUM
XI.
Möbel und kleinerer Hausrat zumeist Südtirol.
Wand I. Milchkasten mit Gittertür, Pustertal und Truhe 1722
Enneberg. Bei Wand 2. Blauweißer Sfruzer Ofen mit Stuhl aus dem
Nonsberg, daneben Truhe aus dem Vintschgau, wo die Gotik noch
lange nachlebt, die auch der stark ergänzte Hängeschrank veran­
schaulicht. Noch altartiger die Münstertaler Steinbocktruhe 1580 nach
Graubündener Art (W and 3 ). Die Truhe mit ausgegründetem inter­
essant stilisiertem Renaissancemuster (W and 5) stammt aus dem
Enneberg. In Nonsberg fanden sich in Fülle die gediegenen N u ß ­
97
holztruhen mit prächtig geschnitzter Vorderwand, von denen das
Museum Beispiele vom 16. bis zum 18. Jahrhundert besitzt
( W a n d 6— 8 ). Die Stühle stammen zumeist aus der Gegend des
G ardasees (W andkasten4).B locktrüherln,R asierzeugschachteln und
andere Holzbehältnisse, künstlerisch gearbeitete Gehstöcke, Spinn­
rocken, Vortragsstange mit Reliefs von der Erschaffung der W elt
geschmückt, ferner eine g rößere Sammlung von Korbformen aus
Kieferwurzelgeflecht, darunter Saatkörbe, geflochtene und aus­
gepichte Humpen, feine Nähkörbchen, Erzeugnisse der Grödner
Hausindustrie.
Zurück durch das Stiegenhaus zum linken Rundgang.
RAUM
XII.
Volksbrauch und Volkskunst Innerösterreichs.
Wand 1. Erntekrone und Hüterstern, Niederösterreich, Habergais, dreibeinig, und Köpfe von ähnlichen Gestalten (M oosgais) aus
dem Semmeringgebiet.
Ratschen, „Glöckeltruhen”,
hölzerne
Klappern mit Resonanzkasten zum Heimrufen der Schnitter. W urf­
scheiben, Eisstöcke zum Eisschießen (Schleudern auf einer Eis­
b ah n ). Aushängschilde eines Bauerntheaters und einer Stadtmusik,
allerhand Glücksspiele. Gebildbrotformeri für die Kirchtage und
Jahresfeste, Kindertragende Nikolaus- und Krampusfiguren, Spin­
nerinnen und Schimmelreiter als W eihnachtsgebäcke, die reich
ausgeschnitzten Model hiefür von 1700 bis ins 19. Jahrh. an der
W a n d 10 gegenüber und in den Fensternischen. Wandkasten 2.
Vielfältiger zum Teil schon städtisch beeinflußter kleiner Hausrat
und künstlerische Kleinplastik in Holz, Niederösterreich, ferner
Blocktriiherln, M angelbretter und besondere M innegaben an die
Almerinnen, Rahmmesser, Buttermodel aus Steiermark und Ober­
österreich (zumeist aus dem Salzkam m ergut). In den Fenster­
pulten 3 und 7. Reiche Sammlung von Pfeifen, zumeist aus Holz,
mit Szenen und Sinnbildern aus dem Handwerker-, Jäg er- und
Landleben geschmückt, T abaksdosen. Fensterwand 5. Schützen­
scheiben, zierlich ausgeschnittene und gemalte Liebesbriefe, Ober­
österreich und steirisches Salzkammergut. Immerwährender Dreh­
kalender. Mittelkasten 4. Unten unterschiedliche kleinstädtische
T ypen und Volksszenen eines Steyrer Kripperls. Szenen aus dem
Volksleben wurden bei diesen Schaustellungen vielfach auch
scherzhaft dramatisiert vorgetragen. D arüber holzgeschnitzte
2
98
Krippenfiguren aus der Gegend von Krems, N.-Oe., ferner in diesem
und dem Mittelkasten 6 Heiligen- und Wallfahrtsfiguren aus dem
Alpenvorland, zahlreiche M uttergottesstatuen von Mariazell, Dreifaltigkeiisstatuen vom Sonntagsberg bei Waidhofen a. d. Ybbs,
M uttergottes von Maria-Taferl, von Dreieichen und andere, dazu
eine Anzahl primitiverer Schnitzwerke aus der Steiermark, zuoberst
schmuckvolle Hausaltärchen. Wandkasten 8 zeigt vor allem Proben
der vielseitig und anmutig entwickelten schnitzerischen Begabung
der Bevölkerung des Salzkammergutes. Zuoberst Löffelrechen für
die Almerinnen. Man beachte die W andlungen des streng gebun­
denen Stils zur Genremalerei der jüngsten Stücke. Unter den recht
charakteristischen Schnitzfiguren nehmen die besonders vielseitigen
Arbeiten des Salinenarbeiters Johann Kieninger aus Hallstatt
( f 1899) den Rang wohlgelungener Porträtsdarstellungen und zier­
lichster Kleinkunstwerke ein. (Napoleon als Trommler, Porträt
eines W agners, die „Regel”, ein Bauernoriginal, seine Mutter als
Baderin, Schnitzaltärchen aus dem Kirchenmodell (in Raum XV)
und anderes.) Rechts anschließend unterschiedliche religiöse
Schnitzwerke. Eine ganz eigenwüchsige Sondergruppe sind die all­
jährlich zu Ostern erneuten, kunstreich gebastelten Tischkreuze aus
dem mittelsteirischen Rauchstubengebiet, die man über den Stuben­
tisch aufhängt. Kasten 9. Zuoberst Kuhschmuck zum Abtrieb von.
der Alm, sowie auch Trauerschmuck, ferner Körbe und Zöger mit
bunten Lederauflagen, zumeist wohl Hochzeitsgeschenke, ferner
Brautschaffe (auch auf dem Kasten), Almkästchen und Span­
schachteln für Putz und Schmuck. Ihre bunte Bemalung ist ein
letzter Ableger der Wismuthmalerei, die einige ältere Stücke in den
Pulten veranschaulichen. Sie wurden wie in B erchtesgaden so auch
in der Viehtau bei Gmunden hausindustriell erzeugt. Von eben
daher stammen auch die runden Krisenbüchsen für Patengeschenke,
die schwarz lackierten und zierlich bemalten Löffel undSchüsselchen
für den H ausgebrauch und die kleine Auswahl hölzernen Spielzeugs
in den Pulten. Die mittlings ausgestellte W einbeergais, eine an
antiken Kultbrauch gem ahnende Form des Fruchtopfers bei der
Weinlese in Niederösterreich, leitet zur Veranschaulichung alter
Volksbräuche zurück.
V. G e r a m b u n d V. Z a c k : D a s S t e y r e r Kripperl. W i e n e r Z eitschr.
f. V olksk. X X V (1 9 1 9 ).
M. H a b e r l a n d t : Die A rb e ite n d e s S c h n i tz e rs J o h a n n K ieninger.
W e r k e d e r V o l k s k u n s t I, 4 ff.
M. H ö { i e r ü b e r G e b ild b r o te .
V o lk s k u n d e III, IV, V, VII.
E rg . Hefte d e r Z eitsc h r.
f.
ö ste rr.
R A U M XIII.
Handwerk in Innerösterreich.
Kasten 1. Unterschiedliches Handwerksgerät, darunter Sägen
mit schön geschmiedetem Bügel, Hobel mit geschnitzten Griffen,
Binderschlägel, Drillbohrer, Garnhaspel. Auf dem Kasten. T a b a k ­
schneider, W aage, Honigpresse. An der Wand nebenan. Sack­
druckmodel, Binderzirkel 16. Jahrh., Taschenfeitel, beides Hand­
werkszeichen. Zinngeschirr der verschiedensten Art enthält
Kasten 2, Kasten 10 — an der W a n d gegenüber — außerdem
auch kleineren Küchenhausrat. Die Pietschen (sechsseitige Milch­
flaschen), Schüsseln und Teller dienten, sinnbildlich geschmückt,
vielfach als P aten- oder Hochzeitsgeschenke. Kasten 10 fenster­
seitig auch eine Gruppe von Zunftstücken, Willkomm-Humpen,
-Flaschen und -Becher, Pokal einer Töpferinnung, Binderschlägel,
Glasstiefel für den Stiefeltrunk bei Hochzeiten. AbendmahlsNotkelch, ferner Eisengußbilder von G u ßw erk bei Mariazell.
Kasten 3. Herd- und Beleuchtungsgerät, Feuerböcke und ent­
sprechend geformte kleine Spanrösseln, einfache eiserne Klemmleuchter, kunstvoll geschmiedete Kerzenklemmleuchter mit ranken­
artigen Schnörkeln, Leuchter in Vogelform, Aufste.ckleuchter und
Klemmscheren, Leuchtermännchen und die eigenartigen in Niederund Oberösterreich verbreiteten Spanmäuler zum Einstecken eines
Spanes. Ferner Schusterkugeln zur Erzeugung eines stärkeren
Lichtfleckes bei der Arbeit, die mit W a sser gefüllte Kugel ist dabei
als Sammellinse für ein dahinter gestelltes Licht wirksam, Stunden­
gläser mit einem nach dem Stundenverbrauch geeichten Oelbehälter. W and 4. Kienleuchte mit Rost und Hut, Leuchtständer,
kupferne Backformen für Festgebäck. Fensterpult 5 enthält Zunft­
briefe und Zunftordnung, Klinge mit Schmiedemarken, Handwerks­
symbole und -bilder. Pultkasten 6. Erzeugnisse der Klingen­
schmiede, hauptsächlich im Umkreis von Steyr. Entsprechend der
alten Gepflogenheit, sein Besteck auf Reisen mit sich zu führen,
w a r die Besteckindustrie in den Alpenländern reich entwickelt und
nahm volkskünstlerisch auf Stand und Beruf des Besitzers Bezug.
Typisch sind groß e und kleine Schnappmesserformen („Feitel”),
das älteste Stück datiert 1551; man beachte die schön verzierten
Hefte (Schalen) der durchwegs für persönlichen Gebrauch be2*
100
stimmten Stücke. Aehnlichen Charakter offenbaren auch die sinn­
bildlichen Zierate der Bestecke, — viele für den Gebrauch der Haus­
frau— die Schlächter-, F rächter-und B auern-M esser auf der Gegen­
seite. In die Messerklingen sind nicht selten Kreuze und Halbmonde
zur Abwehr von Truden und Hexen eingeschlagen. B eachtenswert
auch die Besteckscheiden für Binder, Schlächter mit getriebenem
und geschnittenem Eisen oder Messingblech, 17. und 18. Jahr­
hundert, allerhand Schäufelchen und Holzlöffel als Hochzeitsge­
schenke, M uskatreiber mit hübsch beschnitzten Schalen, schön ver­
zierte Schnitzmesser zum Ansetzen an die Schulter. D arüber Hand­
werkszeichen der Gerber und Färber, Willkommlöffel für w andernde
Gesellen. W and 7. Bild eines Zinkblechwerkes, Typenreihen von
Pferdekämmen in G elbguß, Schirmbeschläge aus gepreßtem
Messingblech, davor Spinnradtypen und Rockenständer. Oberhalb
Freßglocken zum Heimrufen der Schnitter vom Feld (zumeist
W agenscheiben) Ennstal. Kasten 8. Farbige, figurale und schmelz­
verzierte Gläser aus kleineren alpenländischen Glashütten bis ein­
schließlich Tirols und einiger Schweizer Arbeiten. Die wichtigsten
Erzeugungsgebiete lagen im Waldviertel Niederösterreichs, ferner
der „Buckligen W e lt”, im Hausruckwald in Oberösterreich, in Hall
in Tirol usw. Die barocken Tierfiguren dienten hauptsächlich als
Branntweinflaschen, ebenso die vielfach mit Sinnbildern der Liebe
und darauf bezüglichen Sprüchen gezierten schmelzverzierten
Flaschen, dazwischen Tauf-, Firmungs- und Hochzeitsgläser, kunst­
voll von innen bemalte Glaskugeln, gezwickte W eihbrunnkessel.
Fensterpult 9. Ausgüsse von künstlerisch bemerkenswerten süd­
deutschen Holz- und Zinnmodeln des 14. bis 16. Jahrhunderts.
(Kasten 10 siehe bei 2 ). Kasten 11. Backformen und Küchenhaus­
rat aus Metall, — interessante M örsergruppe — Frankenburger
Steinzeug aus Oberösterreich — glasiertes Irdengeschirr für viel­
seitigen Hausgebrauch — z. B. auch als Bügeleisen für Spitzen,
Gmundener Majolika mit Szenen aus dem ländlichen Leben. Die
Schwarz-Rot-Gold-Bemalung einer Sondergruppe weist auf Be­
ziehungen zur Viehtauer Holzwarenerzeugung. Beachtenswerte
Meisterstücke sind die kunstvollen Binderkrüge mit lamellendünnen
Einlagen zwischen den wellenförmig profilierten Dauben aus dem
nördlichen Oberösterreich. Man beachte die Formbeziehungen zu
Zinn- und Kupferkrügen. Dazu in den Pulten Backformen für Festgebäcke, hölzerne Schmalzdosen, Teller usw. Kleine Sondergruppen
veranschaulichen M aß e und Gewichte, die Sonnenringe dienten zur
101
Zeitbestimmung. Vom streitbaren W esen der Burschenzechen im
Innviertel legen Schlagringe, Reißer, bew ehrte Ochsenziemer
Zeugnis ab. Als alte Musikinstrumente verdienen die Schlagzithern,
Maultrommeln, Xylophone („hölzerne G lachter”) zum schlagen mit
Klöppeln usw. Beachtung.
A. W a l c h e r - M o l t h e i n : Die B e s t e c k s a i n m l u n g im S c h lo ß Steyr.
K u n s t u n d K u n s th a n d w e r k , XV' ( W ie n 1912), 1 ff.
D e r s e lb e : O b e rö s t e r r e i c h i s c h e s H o h l g l a s m it E m a i lfa rb e n b e m a l u n g .
W e r k e d e r V o l k s k u n s t 11, 51 ff.
AD H a b e r l a n d t : A lp e n lä n d isc h e B e s t e c k e u n d M e s s e r v o n v o lk s­
tü m l i c h e r A r t u n g . W e r k e d e r V o lk s k u n s t 111. 1 ff.
D e rs e lb e : U e b e r R a u f w e r k z e u g e . Z eitsc h rift r. ö sterr. Volksk. XI, 81 ff.
R A U M XIV.
Möbel, eisernes Beschlagwerk, Aushängeschilder, Innerösterreich
und Alpenvorland.
In den behäbigen Bauernhöfen auf den getreidereichen Böden
südlich der Donau findet man in Oberösterreich bis nahe an Salz­
burg heran ein farbenprächtiges Mobiliar aus der Zeit von etwa
1770 bis 1830 noch vielerorts erhalten. Kästen dieser Art von
stattlichen M aaßen in Abt. 1— 2 und 3— 4. Die Malerei des
Kastens v. J. 1791 veranschaulicht mit allerhand Sinnbildern (Strich­
kalender, Blumen und Tierkreiszeichen) Jahreszeiten und Jahres­
lauf. Von den Betten dieses Stils an Wand 12 zeigt eines v. J. 1781
eine Hochzeitstafel und den herkömmlichen Tanz. Vergleiche auch
die Bemalung der Sessel ebendort. Von dem Zierstil noch orts­
ständiger Kästen und Truhen in der Umgebung von Lambach bieten
die von Frau G. Brunner-W im m er in Originalgröße abgenommenen
farbigen M usterproben an Wand 5 ein wirklichkeitstreues Bild. Er­
heblich kleiner sind die Kastenmöbel des steirischen Gebirgslandes
(W and 5— 8 ), vorzüglich der Kleinhäuser im Salzkammergut mit
oft besonders liebevoller Bemalung (an Wand 5 ). Die älteren
Truhen v. J. 1844, 1842 und 1801 (W and 10, 11, 13) zeigenBlumenmalerei und das Eindringen des Genrebildes in diesem ländlichen
Kreis im 19. Jahrhundert. Kärnten weist unter dem Einfluß des itali­
enischen Kunstgewerbes einen gewissen mehr bürgerlichen Bestand
von einfach eingelegten und glatten Harthoizmöbeln auf, wie dies
die Truhen (W and 9) zeigen. Auf ihnen eine Anzahl stilgleicher
Zunfttruhen aüs dem Burgenland. Eine beachtenswerte Leistung
bäuerlichen Handwerks — wohl eines W agn ers — stellt der mit
102
Sprüchen usw. ziervoll eingelegte Tisch v. J. 1706 aus dem Böhmerwald vor, darüber ein Veriobungszeichen, Sinnbild der Handfeste
(H andschlag) beim Verlobungsschmaus im W irtshause aus Steyr.
Anschließend Gasselschlitten aus Oberösterreich und Prunkschlitten
aus Wien. — Ringsum im ganzen Raum Handw erks- und W irts­
hausschilder. Wand 9 und 13. Kunstvoll geschmiedete Tür-,
Truhen- und Kastenbeschläge. Man beachte die vielfach mit aber­
gläubischen , (A bw ehr-) Vorstellungen zusamm enhängende tiergestaltige Form gebung der Türklopfer.
R A U M XV.
Modelle von Bauernhäusern. Beginnend von Links.
Niederösterreichisches W einhauerhaus (dreiseitig um bautes
fränkisches Gehöft), Oberösterreichischer Vierkant, Einrichtung zur
Stärkeerzeugung, Mühlviertel. Salzburger Einheitshaus. Tiroler
Hof- und Hausformen. An der Hinterwand. Böhm erwaldhaus
(Hakenhof), fränkisch-mitteldeutsches Gehöfte »(Paarhof) aus
Nordostböhmen, Modelle russischer Bauerngehöfte, Pfahlbauten
aus dem Ueberschwem m ungsgebiet der Save, türkisch-m ohamm e­
danisches Haus, Bosnien . Rechts ferner Sägemühle, Hausmühle und
Hammerwerk, sowie Hallstäter Getreidekasten (Speicher) in
Blockbau mit Dreschtenne, G osauzw ang mit Sohlenleitung auf
hoher Pfeilerbrücke, Schnitzwerke des Hallstäter Salinenarbeiters
Joh. Kieninger, ferner Lungauer gem auerter Speicherkasten,
Leinenbleiche und Trockenturm aus dem Mühlviertel, W achszieher­
haus mit Zunfttafel, Innungszeichen ( ? ) 1787 aus Oberösterreich.
Eine ansehnliche künstlerische Leistung bedeutet das bis ins
kleinste ausgeführte Modell einer Dorfkirche von gotischem Form­
charakter des Joh. Kieninger, das er in freier W eiterbildung orts­
ständiger Bauten entworfen hat. (Vergl. auch Raum XII.)
Die Bild er a n den W ä n d e n sind z u m T e i l ' d e m W e r k von
J. W . D e i n i n g e r : D a s B a u e r n h a u s in T iro l u n d V o r a r l b e r g e n t­
n o m m e n , z um Teil O rig i n a l a u f n a h m e n v o n T ir o le r W a n d f r e s k e n v o n C a s s ia n
D a p o z u n d v o n O b e r ö s t e r r e i c h e r B a u e r n h ä u s e r n v o n E. H a b e r l a n d t .
V ergl.: D a s
B au ern h a u s
in O e s t e r r e i c h - U n g a r n .
( H e r a u s g e g e b e n v o m ö ste r r. I n g e n ie u r- u n d A r c h ite k te n -V e r e in ) v o n M.
H a b e r l a n d t u n d A. D a c h 1 e r.
A. H a b e r l a n d t : Die B a u e r n h a u s f o r m e n im d e u ts c h e n V o lk sg e b iet.
W r. Z eitsc h rift f. V o lk s k u n d e XXXI, 9 ff. ( m it K a r t e ) .
V.
C u r c i c ; R e z e n te P f a h l b a u t e n v o n D o n j a D o l i n a in B o sn ie n ,
E rg .-H . IX d e r Z eitsc h r. f. ö ste rr . Volksk.
103
RAUM
XVI.
Kärnten und Krain.
Ueberwiegt in Kärnten noch durchaus der westlich alpeniändische Kulturcharakter, der auch den oberkrainerischen-slowenischen Grenzgebieten eignet (Krajina bedeutet Grenze), so mengt
sich dem in Unterkrain auch schon älteres kulturelles Erbe Südost­
europas zu. W a s in Kasten 1 und 2, Wand 3, 6 und Pult 4 im Raum
verteilt ist, gibt einen Ausschnitt aus dem älteren Besitzstand an
religiösem Schmuck des Hauses (H ausaltärchen, Heiligenfiguren,
Beinkrippe, Kruzifix), an hölzernem Kleingerät, wie solches unter
anderem die Hausindustrie in Oberkrain in Massen erzeugte (man
vergl. auch die Fäßchen, Zuber und Schaffe auf den Truhen, ebenso
Holzlöffel und Pfeifenköpfe in Pult 4 ) sowie altem Herd und Be­
leuchtungsgerät. Neben Kasten 1 an der Wand altertümliche
Buckelkraxe (T raggestell) und Ledersäcke für den Bergbau.
P orträt des ob seiner ersten Landesbeschreibung von Krain Iandesund volkskundlich rühmlichst bekannten E. Frh. v. Valvasor
(17. Jahrh.). Kasten 2. Erzeugnisse der sehr altartigen Töpfereibe­
triebe in Kärnten und Krain, altes Schwarztongeschirr (Gugelhupf­
formen) auch auf der Truhe nebenan. Wand 3. Zuoberst deutsche
Handwerkerzeichen der Müller (Z a h n räd e r), Glaser, Ofenhafner,
Besteckmacher usw., dann Stirnbretter von Bienenstöcken mit
Malereien landschaftlichen wie auch religiösen und scherzhaft sa­
tirischen Charakters, Bauernstreit, Spott auf Handwerker, Verkehrte
W elt (Tierfabel), Altweibermühle, nach deutschem Vorbild zumal
bei Slowenen verbreitet. Daneben Getreide- und Backmulden alter
Form mit Ritzmustern nach älterer nur mehr in Südosteuropa er­
haltener Ueberlieferung. Sie werden hier, wie in antiker Zeit (G e­
treideschwinge der Dem eter), auch als Kinderwiegen verwendet.
W eiters als deutsche alpenländische Formen Mangelbretter. Auch
Malerei und Einlegearbeit der Truhen entspricht diesem Kultur­
umkreis. Bemerkenswert die altertümlichen Fangeisen und Bilchmausfallen (Untersatz 6 ). Kasten 5. An der Rückwand die durch rei­
che Buntstickerei ausgezeichneten Decken für die österlichen W eih­
körbe aus dem Rosental, Polsterüberzüge mit Bunt- und Schwarz­
stickerei und mR streifigen Mustern durchwebte Handtücher. Davor
Kärntner- und Krainer-Trachten. Man beachte den im wesentlichen
deutsch-alpinen Charakter der T racht eines slowenischen Bauern
mit Kniehose und kurzer Joppe gegenüber der allartigen und darin
104
dein Kulturerbe auch ihrer slowenischen Umgebung viel näher
stehenden T rach t der deutschen Sprachinsel Gottschee: Langhose
und überfallendes Hemd aus grobem Leinen sam t langer W este und
Mantelrock aus blaulich-weißem „Aba’-T u ch beim Mann, Hemd­
rock und ärmelloser Ueberrock mit rotem Schnurgürtel sowie Kopf­
tuch bei derFrau. Sehr altertümlich auch die spangeflochtenen Holz­
beschuhungen. Die M ädchentracht aus dem Gailtal zeigt in der
Kopfbedeckung (gefälteltes w eißes Kopftuch), wie in einzelnen
Zutaten slowenischen Einfluß. Auch die mit Korallen bestickten
Brautborten der Slowenen und Kroaten weisen nach Südosteuropa,
wogegen die Oberkrainer Reginahauben mit ihren breiten mit er­
habener Goldblumenstickerei verzierten Stirnborten als letzte stil­
volle Ausläufer der süddeutschen bürgerlichen Frauenmode des
16. Jahrhundert zu gelten haben, ebenso wie dies bei den vielgliederigen metallischen, aus Ketten und Reliefplatten zusammen­
gesetzten Hochzeitsgürteln Kärntens der Fall ist (P u lt 4 ) . Er­
läuternde und ergänzende Trachtenbilder (W and 6 ).
Vergl. A. H a b e r l a n d t :
sch rift f. V o te sk. X X X ii, 73 ff.
D a s K ä r n t n e r H e i m a t m u s e u m . W r . Z eit­
B. Sudetenländer.
R A U M XVil.
Deutsche in den Sudetenländern.
Trotz starker Angleichung der Hauskultur der W estslawen,
wie auch des Trachtenw esens in Böhmen an die mitteleuropäischen
von Deutschen hergebrachten Kuiturformen und Modeströmungen
tritt in der gebotenen Gegenüberstellung der Deutschen und T sch e­
choslowakei! in dem von diesen neu begründeten Staat das nationale
Moment im Kulturganzen der beiden Völker sinnfällig in E r­
scheinung. Im Anschluß an die Deutschen Oesterreichs sitzen Baju­
waren im Böhmerwald wie auch in Südmähren in breiter Er­
streckung bis in die P reß b u rg er Gegend. Auch an den Sprachinseln
von Iglau, Brünn, W ischau, Olmütz, Deutsch-Brod haben sie den
wesentlichsten Anteil, weniger schon an der Bevölkerung des
Schönhengstler-Gaus und des mährisch-schlesischen Kuhländchens.
Gewisse Abweichungen offenbart auch der Oberpfälzer (n o rd ­
bayrische) Schlag im Egerlande. Nördlich schließen im Erzgebirge
Sachsen an, jenseits des jeschken Schlesier, die auch für die
deutschen Kolonien in Oberungarn den überwiegenden Teil der
105
Kolonisten stellten, ln den Sammlungen des Museums hat dieser
letztgenannte A ußenposten des Deutschtums bislang keine Ver­
tretung. Dagegen tritt der Anteil der Deutschen an den Hausindu­
strien der böhmischen Randgebiete, wie am städtischen Handwerk
und älteren Industrien (Zinn, Glas, Steinzeug) in Böhmen und
Mähren deutlich in Erscheinung. Kasten 1 und Untersatz 5. Der
Hausrat der bei kümmerlicher Lebenshaltung vielfach auf Heim­
arbeit und Hausindustrie angewiesenen Bevölkerung ist ein wenig
formenreicher und bescheidener. Ansehnlicheres bietet die Holz­
schnitzerei. Bemerkenswerte Krippenfiguren, darunter altdeutsche
Heldengestalten usw., ferner Rübezahlfiguren für Kinder in Glas­
kasten 2. Die mechanische Typisierung der Spielwarenerzeugung
im Riesengebirge zeigt Wand 5. Im Erzgebirge haben die figuren­
geschmückten sogenannten W eihnachtspyram iden in Abwandlung
des Szenariums der W eihnachtskripperln auch als G egenw arts­
erzeugnis noch Geltung (Glaskasten 3 ). Im gleichen Kasten auch
andere kleinere Schnitzwerke, Rübezahlpfeifen, eiserne Votivtiere
aus dem Böhmerwald und anderes. Egerländer Volkskunst sind die
minierten Patenbriefe und die Federbildchen zusamt altertümlichen
Schmuckformen im Fensterpult 4. Zinnkrüge, geschliffene Gefäße
aus Serpentin, westböhm isches (W ildsteiner) Steinzeug, Bunzlauer und sächsische Krüge, ferner böhmisches Glas, Brisiltabakfläschchen und anderes Ueberfangglas in Kasten 6. Man beachte
auch die Hinterglasbilder, vornehmlich aus Nordostböhmen (in den
Fensternischen). Wand 8. T otenbretter aus dem Böhmerwald zur
Aufbahrung, Andachtsbilder, Schnitzrelief aus einer schlesischen( ?)
Bergwerksgegend, kleines W eihnachtskrippen. Hausindustrielle
m arktgängige Holzschnitzereien aus dem deutschen Böhmerwald
und von deutsch-schlesischen Schnitzern (W eihnachtskrippe),
vergl. auch Raum XIX. Wandkasten 7. Hauben aus dem Znaimerund Iglauer-Kreis und dem Schönhengstgau, die in ihrer insel­
artigen Beschlossenheit durch ein üppiges W uchern einzelner Form­
teile auffallen. Demgegenüber stehen kappenförmig anliegende
Hauben vom Egerland bis nach Schlesien im Norden. Auf Pergament
oder Papierstreifen in alter Miniertechnik gemalte Hochzeitsbilder
aus dem Egerland veranschaulichen das Brautgeleite, dem der
Kammerwagen mit der hergebrachten Ausstattung folgt. Darunter
ein schw arzer gefältelter Brautmantel, dem Stil der nieder­
ländischen Heuken des 17. Jahrhunderts entsprechend. Die M änner­
tracht aus dem Egerland ist ebenso stark verbürgerlicht wie die
106
Frauentrachten aus dem Egerland, isergebirge und Schönhengst­
gau. Ganz nach deutscher kleinbürgerlicher Art trägt sich auch der
W ischauer Bräutigam, wogegen die Brauttracht hier in Zuschnitt
und lebhafterer Farbigkeit den umgebenden slawischen Trachten
entspricht. (Vergl. auch Egerländer W ohnstube, Kuhländlerstube,
E rdgeschoß, Raum XIV, XXIX b).
jo s. B l a u : Z eitsc hr. f. ö ste rr. Volksk. X, 16 ff. ( T o t e n b r e t t e r ) , 129 ff.
( E is e r n e O p f e r ti e r e ), 191 ff. ( S p i t z e n k l ö p p e l n ) , XI, 85 ff. ( B r a s i l t a b a k ) .
Jos. H o f m a n n : L änd lich e B a u w e is e . E in r i c h tu n g u n d V o l k s k u n s t
in d e r K a r l s b a d e r L a n d s c h a f t ( K a r l s b a d e r H e inia tbiiche r, Bd. 5 ) , 1928.
Alois J o h n : Die F e d e rb ild er. W e r k e d e r V o l k s k u n s t III, 7 ff.
M. H a b e r l a n u t : E g e r l ä n d e r P a te n b r ie fe . W e r k e d e r V o l k s k u n s t
III, 17 ff.
E.
B r a u n : Sc hlesische W e i h n a c h t s k r i p p e n . W e r k e d e r V o l k s k u n s t
III, 23 ff.
RAUM
XVIII.
Slowakisches und W allachisches Hauswerk.
Im Inneren des in seinen gebirgigen Randgebieten von den
Deutschen aus grüner W urzel besiedelten böhmischen Kessels
sitzen die Tschechen, von denen die Choden als G renzw ächter itn
mittleren Böhmerwald am längsten ihre Eigenart bew ahrt haben.
In Mähren stehen die Bewohner des böhmisch-mährischen Mittel­
gebirges, die Horaken, in merkbarem Gegensatz zu der Bevölkerung
der fruchtbaren Marchebene, den Hannaken. Von beiden unter­
scheiden sich in Sprache, Siedlung und älteren Kulturüberliefe­
rungen ganz wesentlich die Bewohner des mährischen Südostens,
die Slowaken, deren Hauptm asse in noch primitiveren Lebens­
zuständen sich weithin in den Karpathen bis zum Ungh ausbreitet.
Im Nordosten Mährens gesellen sich ihnen die Wallachen, die seit
dem 13. Jahrhundert, auf Grund einer Zuwanderung rumänischer
Hirtengruppen, in Sprache und Kulturbesitz starke Eigenart be­
wahren. Pult 1. Modelle von altartigen Arbeitsgeräten, wie sie be­
sonders in den wallachischen Gebirgssiedlungen sich erhalten
haben. Hoanzel- und Drehbänke, Arbeitsbehelfe und W erkzeuge
der Schnappfeitelschmiede, ferner kleinere hausgewerblich erzeugte
Gegenstände, Kerbstöcke (R echenstäbe) der wallachischen Hirten,
Hackenstöcke und Tabakspfeifen mit Perlmuttereinlagen. Auf den
Untersätzen größere Modelle, wie Hausmühlen, Lodenwalken usw.
Pult 2. Hirtenbecher aus dem Vollen geschnitzt, daneben böhmische,
kunstvoll gefügte und mit Schnitzereien verzierte F aß b in d erk rü g e>
107
Butter- und Lebzeltenformen, Spindeln, Bindepflöcke und anderes.
Bei den Slowaken haben sich teilweise bis auf die G egenw art noch
farbenprächtig mit Stickereien verzierte Trachten erhalten. Die
Pultaufsätze zeigen bestickte Hemdblusen, Miederleibchen und
Schürzen, die Bilder ringsum gehören zu einer Aufnahme der
Landestrachten in Mähren von Karl Horn aus dem Jahre 1837.
Wandrahmen 3 und 5. Schön gestickte Kragen für den Sonntags­
s taat der südmährischen Slowakinnen (In den Glaskästen 4 ).
Brautkronen und Brautschmuck der Slowaken, Lederweste mit
feiner Seidenstickerei aus Böhmen. Frauenhauben der Hannaken
und Slowaken, die neueren und reicheren Formen mit Silber- und
G oldsprengarbeit stammen aus der Gegend von P re ß b u rg (Bratislaw a ), die altartigen Formen (kokes) des Kopfbundes mit ver­
hüllendem Ziertuch wurden von den kroatischen Bräuten der
Gegend von Lundenburg getragen. (Vergl. auch Mährische W o h n ­
stuben, Erdgeschoß Raum XV— XVI.)
RAUM
XIX.
Tscheehoslowaken in den Sudetenländern.
W ie ältere Trachtenformen haben sich auch alte bildhafte
Zeugnisse des Volksbrauches vornehmlich in Mähren erhalten.
Kasten 1. Strohpuppe „Caram ura”, d. h. Hexe zum W interaustragen
am Sonntag Laetare (T otensonntag) in der Hannakei. Die Puppe
wird unter Absingen von Liëdern von jungen Leuten auf freiem
Feld, verbrannt und die Asche verstreut oder in fließendes W asser
geworfen. Ebenso verfährt man mancherorts mit einer kleineren
Figur („Sm rt” d. i. T o d) mit Halsgehängen aus rotem Stoffrestchen
als Krankheitsträgern. Aus Siidmähren stammen Erntepuppen aus
Maisblättern, aus Südböhmen die in manchen Familien vererbten
W etterhörner (Tritonsm uscheln) zum Gewitter verscheuchen (ein
schon in der Zeit Karls des G roßen verpönter Aberglaube). Stark
verwittert sind die buntgeschmückten Maien aus Tannensprossen.
Den Erntesegen verkörpern die in ihren Ursprüngen den skandi­
navischen Halmkronen vergleichbaren Strohgehänge in Faden­
kreuztechnik, die man in deutschen Gebieten als „Fliegenhimmel”,
„Unruh” u. dgl. benannt findet. Unten. Eiserne Hand, Sinnbild des
Dorfrechtes, „Pravo”, oberhalb Faschingspuppe und Faschingspravos, hölzerne Axt, Pritschenstock und Zepter als Sinnbilder des
im Fasching ausgeübten Burschenrechtes. Man vergleiche die bunte
108
Flitterumhüllung eines solchen Burschensäbels in der Mitte des
Saales. An der Hinterwand (wie auch in Kasten 3 ) Vorhänge zur
Verhüllung des W ochenbettes, mit Figuren besuchender Nachbarin­
nen usw. bestickt, Ostböhmen. An den W änden 2. Hinterglas­
bilder von charakteristischer F arbengebung und Stilprägung. Holz­
figuren beliebter tschechischer Volksheiliger (Johannes v.Nepomuk,
hl. Wenzel, Cyrillus). Tafeln mit Stroheinlegarbeit, reich und schön
verzierte Ostereier, ln Böhmen zeigt sich bereits fortschrittlichere
Musterbildung bei vereinfachter Farbengebung, w ogegen in der
Slowakei noch ein mehrfaches W achsdeckverfahren für die altartige
vielfarbige Verzierung angewendet wird. Die Eier sind hier zumeist
Minnegaben der Mädchen an die Burschen für fleißiges Tanzen im
Fasching. Die tschechischen Trächten (Kasten 3 ) entsprechen im
W esten, im Pilsener Kreis und bei den Choden älteren von den
Deutschen herangebrachten mitteleuropäischen Trachtenm oden.
Der Pilsener Bauer und der Chode tragen Langrock, bezw. Joppe,
zusammen mit W este und Kurzhose wie im Nordgau oder in Fran­
ken. Aelteren Stil zeigt die Frauenmode mit w eißem „Schalk”
(Jo pp e), weitem Faltenrock und Schürze, wobei die rote G rund­
farbe sich noch aus dem 16. Jahrhundert herschreiben mag. Von
ganz anderer Artung ist die polnischem Trachtenstil verwandte
T racht der Wallachen. (Kasten 4 ) , Die in die Taille geschnittenen
halblangen Röcke der Männer, zusamt den engen Langhosen, führen
zugleich die Beziehungen vor Augen, die die Volkstracht hier im
Osten mit den Uniformen von Truppenkörpern aus diesem Volksbe­
reich verknüpfen. Vollkommen hausgem acht ist die derbe Filzloden­
tracht der karpathenländischen Slowaken, Langhose in gestrickten
Stiefeln, Mantel mit viereckigem Kapuzenkragen. Ganz andersartigen
Charakter besitzen die Trachten der Hannaken (Kasten 5 ). Die alt­
artige Brauttracht weist nur zart getönte Stickerei an Hemdbluse
und Schürze auf. Besonders stilvoll w ar die Stickereiverzierung
der alten weißen Schaltücher, mit denen sich die W öchnerinnen
beim ersten Kirchgang zum „Hervorsegnen” aus dem W ochenbett
bis über den Kopf verhüllten. (Vorsegnetiicher an der Rückwand
des Kastens). Der Hochzeiter trägt Kurzhose und W este von mittel­
europäisch-deutschem Zuschnitt, dem gleichen Kulturbereich gehört
der mit zahlreichen Kragen geschmückte blaue Mantel des Braut­
führers zu. In der M ännertracht ist namentlich bei den Slowaken
(Kasten 6) an der reichlichen Zierstickerei von Brustteil und
Aermeln die ursprüngliche Geltung des Hemdes als „Leibrock”, zu
109
dem sommerüber nur eine kleine Schmuckweste getragen wird, er­
kennbar. Gegenüber den farbenreicheren Trachten der Ebene, so
auch der Kroatin von Lundenburg, stellt die W eißleinentracht einer
Tschitschm anenfrau mit gelber Stickereiverzierung eine ältere
Stufe dar. An der Hinterwand gestickte Besatzstreifen für die Bett­
w äsche von den mährischen und karpathenländischen Slowaken,
in letzterem Gebiet fallen die altartig stilisierten Vogelfiguren auf.
In den Glasrahm en 7. Kopftücher mit reicher flächig ver­
breiterter schw arzer Seidenstickerei aus der Pilsener Gegend.
W eiters Kopftuch- (S atka-) Enden mit harmonisch abgetönter Sei­
denstickerei von den mährischen Slowaken, die diese an die mittel­
alterlichen Gebende und Stauchen erinnernde Kopfverhüllung bis
in die G egenw art beibehalten haben. Fortsetzung der Stickereien
auf Gang XX. Satkaenden, Aermeistickereien, deutsche Böhmer­
waldspitzen, reiche Um hängtücher mit Durchbruchsarbeit, Perl­
stickerei aus Südböhmen usw. Glaskasten 8 zeigt volkstümliche
Hafnerarbeiten vorwiegend aus Mähren, beginnend mit einer
Gruppe von Sturzbechern (d. h. um gestürzt aufbewahrten Bechern)
aus dem 15. Jahrh., die besonders in Brünn häufige Bodenfunde
vorstellen.. Daneben Loschitzer Steinzeugbecher gleicher Zeit­
stellung. Volkstümliche Majolikaerzeugnisse aus W ischau usw.
zeigt Wand 11. Im Kasten 8 ferner farbige Renaissancekachel aus
Olmütz als Zeugnis alter deutscher Handwerkskunst, neuere slo­
wakische Kacheln, Kienspanleuchter, eine G ruppe Kinderspielzeug,
hausgewerbliches Erzeugnis der Slowaken in der P reßb urger
Gegend und anderes. Mittelkasten 9. Votivgaben, religiöse Bild­
werke, zwei Trachtenbilder aus der Pilsener Gegend (Hochzeiter
und Hochzeiterin 1847), handgeschriebene Gebetbücher mit alten
an romanische Stilgebung gemahnenden metallischen Buchdeckeln
und reicher Buchmalerei. Glaskasten 10. Holzschnitzereien aus den
Sudetenländern. Die künstlerische Holzschnitzerei zur Versorgung
des Volkes mit Kruzifixen, Heiligenfiguren gedieh als Hausindustrie
zuvörderst in deutschen Händen, so im Böhmerwald, ebenso wie
die Spielwarenerzeugung usw. im Erzgebirge, die Krippen­
schnitzerei hat vornehmlich in Schlesien ganz ansehnliche Schnitzer­
schulen beschäftigt. W a n d 11. Mährische bäuerliche Majolika,
zumeist aus dem W ischauer Kreis. W a n d 12. Tschechische Hinter­
glasmalereien. Trägerfigur von einem Bienenstand, der Nabel dient
als Flugloch.
110
RAUM
XX.
Klöppelspitzen, Böhmerwald, Stickereien aus Böhmen und
Mähren, Perlarbeiten aus den Karpathenländern.
Jos. B l a u : Die t s c h e c h is c h e V o l k s t ra c h t d e r T a u s e r G e g e n d . Z eitschr. f. ö ste rr. V o lk sk u n d e XII, 14 ff.
Vergl. J. H a n i k a : Die E r f o r s c h u n g d e r w e s t b ö h m i s c h e n V o lk s­
t r a c h te n . (S c h rifte n z u g u n s t e n d e s B ö h n i e r w a l d m u s e u m s . O b e r p l a n 1929).
Jos. B l a u : Die S pitze n und die S pitz e n k lö p p e le i d e r S lo w e n e n
(k r i ti s c h e s R e f e r a t ) . Z eitsc hr. f. ö ste r r. V olksk. XVI, 160 ff.
F.
D o m 1 u v i 1 : Die K e r b s t ö c k e d e r S c h a fh ir te n in d e r m ä h r i s c h e n
W a la c h e i. Z eitsc hr. f. ö ste rr . V olksk. X, 1906.
Vergl. a u c h M o r a v s k e S l o v e n s k o
( N a r o d o p i s L idu C c s k o s l o v e n s k e h o (1), P r a g 1918— 22.
C. Karpathenländer.
R A U M XXL
Polen in den Beskiden und der Tatra.
W ir befinden uns kulturgeographisch durchaus in einem
Uebergangsgebiet. Deutlich tritt der Gegensatz zwischen Gebirgsund Flachlandsbevölkerung hervor, das katholische Glaubens­
bekenntnis im Verein mit den handwerklich stark hervortretenden
Kulturbeziehungen zum deutschen W esten ordnet die neuere Kultur­
entwicklung dem westlichen europäischen Zivilisationsbereich zu,
wogegen im altartigen Hirtendasein in den Gebirgen noch ein Stuck
Ost- und Alteuropa verkörpert ist. Im Umkreis von Wand 1 haben
dementsprechend religiöse Darstellungen und Bildwerke westlichen
C harakters "Platz gefunden, an Wand 2 ein stattliches M arionetten­
theater, bei Kasten 3 ein Hauskripperl, Hinterglasbilder. Auf den
Untersätzen 1 und 2 schön geschnitzte Truhe einer Weberzunft,
Umgebung von Jablunkau, 18. Jahrh., 2. Hälfte, Innungsladen der
Schneider und Schuster, von diesen auch (Rechts bei Kasten 6)
Schusterstuhl und -Leuchter; Ladebrett und Zunftssiegel der
Schneider im Kasten 4, in dem auch das Zubehör eines Nikolaus­
spiels, kleine Heiligenfiguren, Schnitzereien aus kristallenem Stein­
salz, als Reiseandenken von den Grubenarbeitern in Wieliczka an ­
gefertigt, und schließlich kleine Truhenmodelle mit Bemalung im
Stil des westländischen B auernbarock Platz gefunden haben. —
Dunkelbraun glasierte Hafnerarbeiten gleicher Zuordnung, Lese­
bretter (Fadensam m ler) der W eber (Kasten 6.) Hier ferner Tunkbretter für die Kerzenerzeugung — die Löcher dienen zum Ein-
111
hängen der Dochte, hausgewerblich erzeugtes Kinderspielzeug,
schließlich die von den Goralen in den Beskiden und Karpathen
selbst gefertigten Behelfe zur Milchwirtschaft — Milchgefäße
(Cerpaks) mit kunstreich geschnitzten Griffen, Butter- und Käse­
formen, Löffelrechen, Teller und Dosen, Kerbstöcke für die Milch­
rechnung. Neben dem Kasten: Goralenstöcke mit beilförmigem mit
Bleieinlagen verziertem Griff. Von den T rachten hat eine Frauentracht
aus der Um gebung von Teschen ganz westlich-deutschen Charakter
an sich, die T räch t eines Jazygen dagegen polnischen Schnitt
(Kasten 3 ). Durchaus hausgem acht und altartig im Schnitt stehen
daneben die Trachten der Gebirgler (Goralen) in den Beskiden und
in der T a tra (Kasten 5),
R A U M XXIt.
Polen, Ukrainer (Ruthenen), Rumänen im Karpathengebiet.
An einem durch die deutsche Kolonisation in Ost- und W e st­
preußen erheblich aufgelockerten, im Süden aber sich verschmälernden Grenzsaum, den man etwa vom Ostrande der
Grenzmarken des Deutschen Reiches entlang der oberen Oder zur
March ins Karpathenvorland und am Ostrande der Alpen über
Agram nach I'riest verfolgen kann, scheiden sich Ost- und W estEuropa, soweit diese Begriffe über die urtümlichen Lebenskreise
der Bevölkerung hinaus zu Kulturkreisen von altüberlieferter Eigen­
art sich verdichtet haben. Das Karpathengebiet um faßt dabei im
besonderen einen klar umschriebenen in sich gefestigten Lebens­
kreis von alteuropäischem G rundcharakter in Hauswesen, Tracht
und Arbeitsfleiß, zumal der Textilarbeit — örtlich auch der Töpferei
— der Frauen und der Holzarbeit der Männer. Bilder aus dem
Lebenskreise und ländlichen Festbrauch der polnischen Flachlands­
bevölkerung im Umkreis von Wand 1. Im Kasten 2. Ziegenköpfige
„Bokkus’-Figuren, die letzten Ausläufer römisch-antiken Karnevals­
brauches aus der Gegend von Krakau, Hochzeitskronen mit Aehrenschmuck der Kleinrussen (Ruthenen oder Ukrainer) in Podolien.
Frauentracht aus der Umgebung von Krakau, wo bereits die grell­
farbigen Kattune der westlichen Fabriksindustrie Eingang gefunden
haben, zwischen Figuren mit polnischem und rutenischem Mantel
alten Schnittes, Krakauer Sammfleibchen mit Korallenperlenver­
zierung, altartige Pelzweste mit farbiger Stickerei und Lederauf­
lagen — schließlich Männer- und Frauentracht der Rumänen in den
112
Ostkarpathen. Kasten 4. Zwei M änner- und eine Frauentracht, der in
besonderer Altartigkeit verharrenden Bojken in denM ittelkarpathen,
daneben Pelz- und Filzmützen, künstliche Zöpfe aus roter Wolle
von den Bojkenmädchen, und altertümliche, den alteuropäischen
Haarnetzen in Flechterei ohne Knoten entsprechende Hauben der
Bojkenfrauen, hiezu Flechtrahmen, rechts im Kasten angefangener
Flechtgürtel, links Leisten für die Handschuhwirkerei mittels Flecht­
nadel. Im Hintergrund (im Kasten 2 und 4 ) Strohhüte der Burschen
mit Perlbändern (M innegaben der M ädchen) und Pfauenfedern
geschmückt. Als W a n dbehan g W irkteppiche mit geometrischen
Mustern ( Kilims), die ebenso wie die W irktaschen und gewebten
Gürtelbänder Hausarbeit der Frauen in den Ostkarpathen sind
(zurück zu Pultkasten 6 ). Kasten 7. Männer- und Frauenhemden
mit gewirkten Achselborten und reicher Stickerei von den Ukrainern
und Rumänen in den Ostkarpathen. Die M usterung zeigt dörfliche
Unterschiede und landschaftliche Unterschiede eher als nationale
Besonderheiten. Kasten 9. G ewebte Hand- und Geschenktücher, wie
sie vielfach über die Balken der Stubendecke gehängt werden, mit
reich gemusterten Enden. Sie sind dörflichem Hausfleiß ent­
sprungen, wogegen die fein gestickten Schmucktücher eher den
türkischen Damen- ( Haremsarbeiten) des Ostens entsprechen. Ruthe­
nische Perlbänder weiters in den Wandrahmen 11 und auf Gang XX.
Erloschene Gewerbe sind die Erzeugung kunstvoll verzierter Leder­
gürtel in der Umgebung von Krakau und die Gelbgießerei jüdischer
Handwerker in Westgalizien, die vornehmlich Lampen für das
Lichterfest (Chanukafeier) und Leuchter für rituelle Zwecke her­
stellten (W and 5 ). Sehr urtümlichen Charakter hat die Holzverar­
beitung und Korbflechterei bew ahrt. Vergl. die Untersätze 6 und 10
und Kasten 8. Hier Modelle von altertümlichen W irtschaftsgeräten
der Bojken in den mittleren Karpathen: Hausmühle mit Drehstange
zum Handantrieb, Graupenstampfe (Anke) mit Tritthebel, Holz­
schlitten, aus dem Vollen gehöhlte G efäße mit zugehörigem Arbeits­
gerät und einfachstes Binderwerkzeug, Behelfe für die Faserver­
arbeitung. An der Rückwand einfache Stoffdruckmuster und Hemd­
stickereien der Bojken, Kräuterbuschen zum Annageln an die Stall­
tür und anderes. Auf der G egenseite: Schöpflöffel mit reicher
Schnitzverzierung, Rumänien, ferner gedrehte Holzgefäße, Dosen,
Feldflaschen (C uture), Schüsseln. Eine G ruppe von Schüsseln,
Bechern, Schöpflöffeln sam t Quirl veranschaulicht die Behelfe zur
Milch- und Käsebereitung, daneben Modell einer einfachen Alm-
113
hütte aus den Ostkarpathen. Aehnlich altartig sind auch die E r­
zeugnisse der Töpferei, die rings auf den Kästen und in W and­
nische 3 Aufstellung gefunden haben. So hat das Eisentongeschirr
frühmittelalterliche Form gebung noch erhalten, auch die glasierten
Töpfe bew ahren bis zu einem gewissen Grade Urnenform. In
manchen Dörfern ist die Töpferei ausschließlich noch Frauenarbeit.
Die über einer Angußschicht bemalten Krüge und Schüsselchen
(„Bauermajolika”) wurden nur an wenigen Plätzen von gelernten
Töpfern erzeugt. Auch die Erzeugnisse des Tischlerhandwerks,
Truhen und Truhentische mit Eckpfosten und ritzverzierter Bretter­
w andung in Klinkerfügung zeigen eine in W esteuropa nur im Mittel­
alter landläufige Stilgebung. Sie werden neuerdings durch grell­
bemalte Truhen nach westlicher Art abgelöst (1, 3 und Fenster­
nischen). An Wand 10 Modell eines strohgedeckten Langhauses
der Bojken.
S. U d z i e 1 a : D e r K r a k a u e r G ü rte l. Z e itsc h r. f. ö ste rr . V olksk. VI, 1 ff.
L. M l y n e k : „ K o n i k “ , „ T u r o n “ ( T i e r k u l t u s in G a liz ien ), Z eitsc h r. f.
ö ste rr. V olksk. IX, 108 ff.
I w a n F r a n k o : E in e e th n o l o g i s c h e E x p e d itio n in d a s B o jk e n la n d .
Z eitsc h r. f. ö ste r r . V olksk. XI, 17 ff, 98 ff.
L o uise S c h i n n e r e r : T e x t i le V o l k s k u n s t be i den R u th e n e n . Z eitsc hr.
f. ö ste rr. V olksk. I, 172.
RAUM
XXIII.
Huzulen in den Ost-Karpathen.
Im Türeingang reich verzierte Ostereier, von den Zierformen
lassen einige auf übelabwehrende und glückbringende Bedeutsam ­
keit schließen. Die dem kleinen Gebirgsvolk der Huzulen gewidmete
Sammlung bekundet die eigenartige volkskünstlerische Betrieb­
samkeit dieser zu den Ukrainern (Kleinrussen) gehörenden Volks­
gruppe. Die T rachten (Kasten 3 ) sind durchwegs hausgemacht, das
von den Männern überfallend getragene Hemd wird ebenso wie der
Hemdrock der Frauen, zu dem diese sommerüber nur Vorder- und
Hiriterschürze tragen, reich bestickt. Die Säume der aus schwerem
Loden gefertigten Oberkieider werden reich mit bunten Borten ver­
brämt. Halsketten aus Perlen und Messingkreuzen dienten den
Frauen, gravierte Pulverhörner und Schrotbeutel sowie Taschen
mit metallischem Knopfbeschlag den Männern zu schmückendem
Gebrauch. Pultaufsätze und Rahmen 1, 4, 5. Die Schließen der Hals­
ketten entsprechen im T ypus durchaus den Schließenformen in den
illyrischen Ländern in den letzten Jahrhunderten vor Christus. Die
3
114
aus Ton über einem W achsmodell hergestellten Formen für den
M essingguß wurden nach der Ausformung zerschlagen (G u ß in
verlorener Form) Pult 6. Die Männer bedienen sich der w ehr­
haften Hackenstöcke, die Frauen der einfachen Stöcke. Fast nie
trifft man Frauen und M ädchen ohne Spinnrocken im Gürtel. Zum
Spinnen im Hause steckt man sie in Sitzbretter (W and 7 ). ln Pult 1
hübsch geschnitzte Löffel, Blockschachteln, ferner Kerbhölzer und
Rechenbretter, Holzpfeifen und Doppelflöten sowie Leuchter, reli­
giöse Bildschnitzereien, Bilder usw. an Wand 2. Auf dem Untersatz
alte Holzschlösser, Packsättel. Pult 4 einfaches H andw erksgerät zur
Holzbearbeitung zusamt gehöhlten und gedrehten Fäßchen, Käse­
formen. Auf dem Untersatz größere Fässer und andere Behälter.
Kasten 8 enthält die an die Mezzamajolika Oberitaliens gemahnende
Keramik des Bachminskischen Betriebes in Kossow, wo sie .diese
Handwerksfamilie nach altem Herkommen bis Ende des 19. Jahr­
hunderts erzeugte. Kunstgewerbliche Schulungsversuche haben den
überlieferten Ziersfil eher geschädigt. Die Kacheln in den Fenster­
nischen waren für die viereckigen Rauchhüte („komin”) der von der
Stube aus zu befeuernden Vorderladeröfen bestimmt, in Fenster­
pult 6 eine Anzahl älterer unglasierte Kacheln, nach deutschen Vor­
bildern, Bodenfunde aus Czernowitz.
A. H a b e r l a n d t : P r ä h i s t o r is c h e s in d e r V o lk s k u n s t O s te u r o p a s .
W e r k e d e r V o l k s k u n s t I, 33 ff.
Vergl. W. S z u c h i e w i c z : H u z u i c z y n a ( P o l n i s c h u n d R u th e n is c h ) .
D z i e d u s z y c k i-M u s e u m , L e m b e r g 1902— 1904.
D. Keramische Sammlung.
R A U M XXIV.
Kacheln aus den Alpenländem.
Wand 1. Ein origineller Ofen in Gestalt einer wuchtigen
Bäuerin, einen Fruchtkorb auf dem Kopf tragend, um 1800, Um­
gebung von Grein (aus N iederösterreich). Wand 2. Typenreihe zur
Entwicklungsgeschichte der älteren Kacheln aus Wölbtöpfen, wie
solche noch in den rundbodigen Kacheln der alpenländischen ein­
fachen Kuppelöfen („Ruabnhauien”) fortleben. Daneben Konkav­
kacheln, und schließlich die zumeist durch Abdeckung der viereckig
ausgezogenen Töpfe an der Vorderöffnung entstandenen Flach­
kacheln mit Reliefschmuck, die älteren Stücke mittels Ofenruß oder
G raphit geschwärzt. Darüber W a n d mit glasierten Fließen aus
115
dem P assauer Hof in Spitz in d§r W achau. Im Umkreis an den
W änden verschiedene Kachelgruppen, 16.— 18. Jahrhundert, bei
denen man mit Vorliebe biblische und allegorische Darstellungs­
reihen (Leben Christi, Christliche Tugenden, Planeten, die 5 Sinne,
Kaiser und Feldherren) zur Belebung des künstlerischen Eindrucks
der massigen Ofenbauten herangezogen hat. Als Vorbilder dienten
Stiche und Flugblätter von Kleinmeistern, die von W erk statt zu
W erkstatt weiter verbreiteten Model wurden von eigenen Form­
stechern angefertigt. Wand 3. Links Kacheln aus Niederösterreich
(Evangelisten, Kaiser Leopold, Prinz Eugen), anschließend Kacheln
au s Oberösterreich mit Hl. Familie usw., steirische Kacheln mit Jesus
und Maria, Doppeladler, Salzburger Jäger- und Falknerkacheln.
W and 4 zeigt kleinere Tiroler Typen, die an Wand 5 ihre Fort­
setzung finden, vereinzelt laufen auch hier Stücke von schweize­
rischer Herkunft mit. In den obersten Reihen böhmische Kacheln des
16. Jahrhunderts. Die Büsten eines Bauernburschen und einer
Bürgersfrau an W an d sind Ofenbekrönungen (Gm undener
Herkunft). Die Mittelfigur ist eine getreue Nachbildung der Figur
des Hafners vom Ofen der Hohensalzburg.
R A U M XXV.
Keramische Sammlung.
W and 1. Fortsetzung der Kachelreihe, darunter schöne m ehr­
farbig glasierte Kacheln aus Oberösterreich, Salzburg und Tiroi,
Kachelplatte mit Hl. Florian, Hauszeichen aus Kitzbühel, usw.
Wand 2. W e iß e Majolikakacheln mit Blaumalerei, um 1700, Sfruz
im Nonsberg und verwandte Schweizer und Vorarlberger Kacheln.
W interthurer Kacheln mit mehrfarbigen Blütenranken, die stark an
die Zeichnung der Habaner Keramik (vergl. Kasten 14) erinnern.
Wand 3. Farbig glasierte Kacheln aus Schloß Engelstein bei W eitra
und verwandte Stücke von steirischen Renaissanceöfen, zuunterst
Tiroler W appenkachel und farbige Teilstücke. Auf den Untersätzen
verteilt mitteralterliche Krüge und Töpfe, sogenanntes Eisenton­
g e s c h ir r— aus Ton mit Graphitbeisatz, wie es im ländlichen Bereich
bis auf die Neuzeit in Gebrauch blieb, in Kärnten (von da eine
große Gugelhupfform mit volkstümlichen Ziermotiven im Kasten­
untersatz 11) kamen die Erzeugnisse bis auf die Gegenw art auf den
Markt. Hierher gehören auch die großen G etreide-(V orrats-) töpfe
aus dem Pustertal, Powidltopf (Mustopf) und Schnapsdestille aus
s*
116
Mähren auf den Kasten 8 und 14.W eiters bei 7 und 10 allgemeänortstibliche Glasurware, Backmodel für Tauf- und Hochzeitsfeiern,
Fastenspeisen usw. W ein-(F lasch en-)kü hler, Zunftkrüge, Schmalz­
topf, eine originelle Gruppe von Schnabelkrügen mit Reliefaüflagen
und Kopfmasken nach Art der Bartm annskrüge aus der Lienzer
Gegend unter Kasten 11; mit Füllkrügen für die Weinfässer, einem
Zunftkrug mit Adam und Eva, reliefierten Töpfen usw., findet die
Gruppe auch in den Sudetenländern ihre Fortsetzung (Kastenunter­
satz 14). Glaskasten 4 und 6. Ein- und mehrfarbig glasierte Hafner­
arbeiten, zumeist aus den Alpenländern, für den häuslichen G e­
brauch, wie Tintenzeuge, W asserblasen, W aschbecken, F äßch en
für den Johanniswein mit Hauszeichen und Jahreszahl 1729, aller­
hand Flaschen und Krüge, unter diesen bem erkenswert die Vexier­
krüge mit durchbrochenem Halsteii — die Flüssigkeit m uß aus
einer unauffälligen Oeffnung em porgesaugt werden — und Schalen
mit durchbrochener W andung, in der Zartheit des Aufbaus Meister­
stücke der Hafnerkunst. In Glaskasten 6 außerdem Goden­
schalen, in denen die Nachbarinnen oder Paten der W öchnerin die
übliche Hühnersuppe brachten, auf dem Deckel ländliche Szenen
usw., ferner figurale Plastik (hl. Josef, Oelberg, hl. Grab, Auf­
erstehung, zuoberst Gruppe raufender Bauern, Gmunden um 1700).
Eine vielgestaltige Auswahl von W eihbrunnkesseln in den Fenster­
nischen hier und bei Pult 5, das ebenso wie Wand 13 und Pult 13
weitere Beispiele der reichen und vielseitigen Kunstfertigkeit der
dörflichen Hafner darbietet. An Freiheit und Ursprünglichkeit des
Zierstils reihen sich ihnen die in verschiedenen W erkstätten der
Alpenländer, wie wohl auch in Mähren und der Slowakei gefertigten
Zwiebelschüsseln (W and 20— 21) an, (so wegen der vielfach
darauf erscheinenden Blüten- und Knospenm uster), die sich um
1700 bis in die Lausitz verbreitet zeigen, figurale Motive treten
nur vereinzelt auf. Oberösterreich scheint an der Erzeugung in
besonderem M aße beteiligt gewesen zu sein, eine fränkische (eg erländische Sondergruppe bilden die derben, blau gemalten Teller
an der Seitenwand 22 rechts, eine sächsische (aus der Mark
M eißen), die Teller mit grünem T rauben- und Blattmuster ebenda.
Den U ebergang zu den Majolikaarbeiten mit w e iß er Angusschicht
über dem Tonkern zur Auftragung der Malerei bilden die zumeist
wohl in Salzburg und Oberösterreich (Um gebung von Gmunden)
erzeugten Hafnerarbeiten mit opaken und malerisch geflammten
Glasuren (Kasten 8 ), von denen manche, wie etw a die grünw eiß
117
geflammten, für die Erzeugung von Küchengeschirr bis fast auf
die G egenw art beibehalten wurden, andere, wie die malachitgrüne
Gruppe und die kobaltblaue auf ältere Zeiten beschränkt geblieben
sind. Die M ajolikaerzeugung dürfte in Gmunden etwa um 1700
eingesetzt haben, die ältesten Stücke finden sich in der mittleren
Einheit von Kasten 8. Bis um die Mitte des 18. Jahrhunderts
wiegt die Blaumalerei vor. Die auf besondere Bestellung gearbei­
teten Stücke, Hochzeitskrüge, Schützenbeste, Krüge für Hand­
werker, zahlreiche Schüsseln und Krüge mit religiösen D ar­
stellungen (Glaskasten 10) legen von ansehnlicher künstlerischer
Höhe einzelner W erkstätten Zeugnis ab. Bis um 1800 nimmt die
Buntfarbigkeit der Erzeugnisse zu, das ländliche Leben in der Um­
welt des Traunsees wird — mitunter in derb humoristischer Art
mit einbegleitenden Sprüchen — in die bildlichen Darstellungen
mit einbezogen, auch an figurale Plastik wagen sich die dörflichen
Hafner mit viel Geschick (Glaskasten 9 ). Das Ende der volkstüm­
lichen Erzeugung ist etw a um 1860 anzusetzen, aus späterer Zeit
sind nur Erzeugnisse der auf der alten Ueberlieferung fußenden
Firma Schleiß bekannt. In Salzburg entstammen die ältesten be­
kannt gewordenen Majolikaerzeugnisse der W erkstatt Th. Obermillner (um 1700), von denen Kasten 11 eine Reihe zeigt; darüber
die feiner gezeichneten (Fliederblatt-) Krüge
in den oberen
Reihen werden im allgemeinen der W erkstatt J. Moser (1736-1777)
zuzuschreiben sein, ebenso die mit Rokokoszenen in feinstrichiger
Zeichnung bemalten Krüge im Pult. Die W erkstatt wurde von Jakob
Pisotti (1777— 1814) und Pisotti d. J. bis 1840 fortgeführt, die
Malerei wird in der Spätzeit zunehmend großzügiger und flüchtiger.
Im salzburgischen Grenzgebiet findet man zunehmend auch
bayrisches Fayencegeschirr in Gebrauch, für Tirol — auf der
G egenseite (Kasten 12) — haben a u ß e r den Salzburger Betrieben
heimische W erkstätten wohl nur in Bozen und in Sfruz im Nonsberg in älteren Tagen volkstümliche Erzeugnisse hervorgebrachr,
unsicher bleibt dabei die Zuschreibung der W einkrüge von italie
nischem Typus. Die Mode der Blaurnalerei wiegt allgemein vor.
Verhältnism äßig späte Zeitstellung bekunden die Fayencen aus
Niederösterreich, dem Burgenland und der Um gebung von P re ß burg (Stampfen) in Kasten 7, im südlichen W iener Becken und
im W esten, finden sich zumeist recht volkstümliche Stücke mir
Bauernfiguren usw. Der Stampfener Betrieb verwendet die nur in
schwächerem Brand (in eigenen Muffen) feuerbeständige Rot-
ns
malerei, die in Holitsch als Leitnersche Glasur bezeichnet wurde.
Viele Krüge zeigen daher auf dem Boden ein L. Abgewanderte
Malergesellen haben diese Technik auch selbständig weitergeübt.
In Mähren gründet sich die volkstümliche M ajolikaerzeugung zu­
vörderst und züfriihest auf die Handwerkerfamilien aus dem Kreise
der Wiedertäufer und Hutterischen Brüder, die sich in der Gegend
von Butschowitz, Austerlitz, W ischau, Buchlau usw. niederließen
und als Habaner weit über die Landesgrenzen Ruf als W e iß ­
geschirrmacher genossen. Die älteren, mit zeitgenössischen italie­
nischen, W interthurer und auch Delfter Arbeiten weitgehend über­
einstimmenden Erzeugnisse, haben in der Slowakei die Nachfolge
durchaus volkstümlich gearteter Bauernmajolika mit lebhafter
F arbengebung gefunden, die nun denZw ecken der kleinbürgerlichen
Zünfte und Handwerke mit ihren Willkommbräuchen und Sinn­
bildern ebenso diente, wie dem häuslichen Bedarf der ländlichen
Bevölkerung, deren Leben sie gleichfalls in naiver Art abspiegelt
(Kästen 14 utiid 1 5 ). An dem W erdeg an g der Erzeugnisse aus dem
W ischauer Kreis lä ß t sich der Mode- und Stilwandel, dem alie
volkstümlichen Fayencen in ähnlicher Art unterworfen, gleichfalls
verfolgen. In der Aufeinanderfolge von Blaumalerei nach Delfter
Art, wie sie sich auf Grund des W ettb ew erbes mit ostasiatischem
Porzellan eingebürgert hatte (Glaskasten 16) und Rosenmalerei im
Stil deutscher Porzellane gegen Ende des 18. Jahrhunderts (G las­
kasten 1 7 ), tritt die Abhängigkeit auch der ländlichen Erzeugung
von den Fabriksbetrieben kunstgewerblichen Charakters, wie sie in
Holitsch, Nesselsdorf, Karlsbad (Alt-Rohlau) bestanden, (G las­
kasten 18 ütid WäiiÜ l 9 ) deutlicher als anderswo in Erscheinung.
Bis nach Oberitalien (Kasten 24) lassen sich solche M ode­
strömungen verfolgen. Sie verebben hier allerdings vor der künst­
lerisch und koloristischen Kraft der bodenständigen Ueberlieferung.
A ußer den mit kräftigem Gelb und Ocker bemalten Erzeugnissen aus
Pesaro und den zeichnerisch besonders flott behandelten Erzeug­
nissen von Bordenone sind im wesentlichen wenig bekannte W e rk ­
stätten aus dem Umkreis von Istrien, Görz und Udine vertreten, die
künstlerisch über nicht unerhebliche Sonderqualitäten verfügten.
A u ß e r AL H a b e r 1 a n d t : O e s te rre ic h is c h e V o lk s k u n s t (s. o.). V ergl.
A. W a 1 c h e r - M o 1 1 h e i n : B u n t e H a f n e rk e r a m i k d e r R e n a i s s a n c e
in d e n L ä n d e r n ob d e r E n n s un d S a lz b u rg , W ie n 1906.
D e r s e lb e ; Die ü m u n d e n e r B a u e r n f a y e n c e n . K u n s t u n d K u n s t h a n d w e r k
IX, ( W ie n 1906), 407 ff.
119
D e r s e lb e : S a l z b u r g e r M a jo like n a u s d e r W e r k s t ä t t e d e s H a f n e rm e is te rs
T h . O berm illner. E b d a . X, 89 ff.
Jos. T v r d y : U e b e r die s o g e n a n n t e n B r ü d e r g e f ä ß e in M ä h r e n . Z eit­
sc hr. f. ö ste rr . Volksk. XVII!.. 32 ff.
D e r s e lb e : F ig u r a le T o n p l a s t i k a u s M ä h r e n . W e r k e d. V o l k s k u n s t II, 61 ff.
Erdgeschoß.
A. Bäuerliche Stuben und Wohnräume aus den
Alpenländern.
Die Einrichtung der „Stuben” m ußte sich einigermaßen den
gegebenen Raumverhältnissen anbequemen. Im Bauernhaus finden
Betten, Kästen, Truhen in der Regel nur in den als Schlafräume
dienenden Kammern und auf den Gängen davor Platz, w ährend die
Ausstattung der W ohnstube im Wesentlichen sich auf den Tisch im
Herrgottswinkel, ein paar Stühle und die wandfeste Eckbank be­
schränkt, wie eine solche auch dem schräg gegenüberliegenden, von
der Küche zu heizenden Hinterladerofen angelagert ist. Die in
einem Raum ausgestellten Gegenstände gehören aber landschaftlich
jeweils zusammen.
RÂÜM
I.
Möbel für W ohn- und Schlafstube aus dem Traunkreis, Oberösterr.
Sie entsprechen in ihrem Stil der Einrichtung, die besseren
Bauernhäusern etw a zwischen Linz— St. Florian— Steyr bis in die
letzte Zeit des 19. Jahrhunderts erhalten geblieben ist und die sich
noch aus dem Ende des 18. Jahrhunderts herschreibt. Eigenartig ist
die Bemalung des Tisches, auch auf der Platte, mit Eßbestecken so­
wie die des Kastens v.J. 1792, die Einlegearbeit nachahm t und durch
eingeklebte bemalte Kupferstiche Josef H., Friedrich II. von Preußen
und Soldat'entypen aus dem 7jährigen Krieg vervollständigt wird,
wie dies auch bei dem „zweispännigen” Ehebett der Fall ist. Neben
diesem eine selbstgemachte Kindergehschule auf Rädern. Das mit
Schubladen versehene Kinderbett entspricht einem städtischen
Vorbild. Zu ergänzen bleibt ein viereckiger glatter Kachelofen mit
Ofenglanda (Trockengestell) für die Kleider zusamt einer Ofenbank.
R A U M II.
Steirische Schlafstube aus dem Ennstal.
Im Bett eine Bettschere, ferner eine kupferne Glutpfanne. Die .
Truhe v. J. 1753 bew ährt noch Renaissancecharakter, daneben
120
zeigt der Kasten v. j. 1821 Blumenmalerei nach Art der Bieder­
meier, der braune Kasten v. ]. 1749 und der G roßvaterstuhl daneben
weisen merkbar stärkeren kleinbürgerlichen Einschlag auf. Der
bienenkorbförmig aus Topfkacheln mit W ölbboden aufgebaute
Hinterladerofen („Ruabnhaufen”) entspricht einem in ganz Ober­
steier mit geringen Abwandlungen bekannten Typus.
R A U M 111.
Alpacher Stubenkammer, Nordtirol.
Der Zierstil dieses etwas schwer zugänglichen Paralleltales
zum Zillertal (bei Brixlegg) bew ahrte nachweislich seit etwa 1620
den gleichen aus gotischer Maltechnik abgeleiteten Charakter. W as
ihm besondere Eigenart verleiht, ist die w eiß-rot-grüne Malerei (in
Leimfarben) auf dem naturbelassenen Holzgrund, der durch den
Firnisüberzug einen warmen braunroten Ton gewinnt. Den der
Volkskunst geläufigen Motivenschatz beleben die Maler durch die
Anbringung kleinerer Zierfriese mit jagdszenen, fremdländischen
und Fabeltieren usw. Der Bau der Kästen im Besondern ist einfach,
klar und straff. (Auch Abteil IV enthält einige Alpacher Stücke.)
Der stattliche Barockofen stammt aus einem Bergw erkshaus vom
Jochberg, zwischen Kitzbühel und Mittersill.
RAUM
IV.
Alpacher und Vorarlberger Möbel, Montafoner Getäfel.
Im Vorraum sind durch einen Zillertaler Ofen aus dem 16. Jah r­
hundert, mit graphitierten Tafel- und Halbzylinderkacheln, zwei
Tischwinkel abgeteilt. Einerseits ein schlichter eingelegter Tisch
aus dem Oberinntal 1806, mit Stühlen aus dem gleichen Umkreis,
andererseits reicher furnierter und eingelegter Tisch aus dem Mon­
tafon, Vorarlberg, mit eingelassener Schieferplatte, dazu Nordtiroler
Stühle mit Rundlehne. An der Schalwand des Getäfels alpen­
ländische Hinterglasbilder. Das Montafoner Getäfel mit farbiger
Schnitzverzierung der gefelderten Decke schließt eine Schlafstube
in sich, wie sie für die hohe W ohnkultur dieses Gebietes vielerorts
bezeichnend w ar und ist. Es zeigt zusamt den beschnitzten Türen,
und dem wenig tiefen W andschrank Einfluß des Zopfstils, wogegen
Bett und Truhen bäuerliches Barock darstellen.
121
RAUM
V.
Links: Mobiliar eines kleinbürgerlichen Schlafzimmers der Villacher
Gegend, Kärnten.
Die ziervolle Verwendung der Einlegearbeit geht wohl auf
den hier wie auch in Krain in älterer Zeit stärker wirksamen ita­
lienischen Kunsteinfluß zurück. Die g ro ß e Stehuhr besitzt ein Spiel­
werk für einige ländliche Weisen. Rechts: farbiger Kasten aus dem
Pustertal, gegenüber Zillertaler Kasten mit zarter Landschafts­
malerei im Stile des Rokoko, dazu ein flott gemalter Majolikaofen
gleicher Zeitstellung.
RAUM
VI.
Oberinntaler Stubengetäfel, Gegend von Landeck.
Der Zierstil des ganzen Gebietes entspringt einer ländlichen
Hochblüte der Spätrenaissance, man beachte die prächtig ge­
schnitzte Mittelrosette der in harmonischen M aßen einfach g e­
felderten Decke, die schöne Türverkleidung mit eingebautem W a s c h ­
kasten und die zierliche Gitterbekrönung des Schlafabteils. Daneben
ist ein Schrank wandfest eingelassen, wie dies bei all diesen ur­
sprünglich als Blockwürfel in das Haus eingebauten Stuben die
Regel wrar. Die Truhe an der Fensterw and zeigt die gleichen Zier­
formen. Im Oberinntal w aren um 1700 ganze Geschlechterfolgen
von namhaften Schnitzern (Holzbildhauern) ansässig, zu denen
auch die Familien der Lechleitner und P randauer gehörten, zwischen
denen ein Ehebund durch die Inschrift auf dem Türsturz bekundet
wird: „Jesus Nazarenus Rex Judeorum, Johannes Lechleitner, Mag­
dalena Prantauerin 1700”. Auch der berühmte Barockarchitekt
Jakob P randauer ist aus diesem Kreis hervorgegangen.
R A U M VII.
Einrichtungsstücke für Küche und Milchgaden (K eller), zumeist aus
dem Pustertal, Tirol.
So wie die mit luftiger Gittertür versehenen W andkästchen
dienten auch die „Almer” (von lat. armarium, „Schrank” für Bücher­
rollen), romanische und frühgotische Form gebung bewahrende
Giebelschränke den Bauern im Pustertal letzthin als Milchkasten,
w ährend die dem gleichen Formenkreis zugehörigen Satteldach­
truhen als Mehl- und Getreidetruhen in Verwendung blieben. Be­
zeichnend für den Kulturumkreis des Pustertales sind auch die g e­
waltigen Tellerplatten, die auf einer entsprechend geräumigen
„Schüsselrem” Platz gefunden haben. Einige in Anreißtechnik, bezw.
mit linearem Kerbschnitt verzierte Truhen aus dem Oetztal (den
zwei übereinandergestellten Stücken fehlen die Untersatzrahm en),
eine v. j. 1545, zeigen ein Nachleben gotischen Ziersiils in diesem
verkehrsarmeren Nebental. Hiezu altertümliches W irtschaftsgerät,
wie Nudeldrucker, Flachsbrechein. Im Nebengang links hat eine
sogenannte Fastenkrippe, Kästchen mit Schnitzgruppen, den
Leidensweg Christi darstellend, Platz gefunden. Im Gang gegen den
Eingang zu: Einzelstücke der bäuerlichen Hauseinrichtung und
Wirtschaft: W andkästchen aus Engadiner und Oberinntaler Ge­
täfeln, Truhen aus Alpach und Oberösterreich, interessant bemaltes
Bett aus der Umgebung von Steyr. Bett aus dem Pinzgau mit rei­
cher Schnitzverzierung, geschnitzte F aß böd en und Bodenteile aus
dem Burgenland und anderw ärts usw. Die aufgehängten, aus
Schwemmhölzern gebastelten Phantasiedrachen und Fabeltiere
waren der Giebelschmuck eines Hauses nächst Gastein in Salzburg.
(Vergl. auch Raum XIII jenseits des Ganges.)
B. Adria- und Balkanländer.
R A U M VIII.
Italienisches Küstenland.
Einrichtung einer W ohnküche im italienischen Küstenland,
Istrien. Im ganzen Umkreis der romanischen Hauskultur ist die
Küche mit Kaminherd zum Hauptw ohnraum erhoben worden, wo
auch Truhenmöbel Platz fanden. Die ausgestellten dunkel gebeizten
Stücke mit flach gekerbtem Anreißmuster sind wahrscheinlich
Görzer Erzeugnis. Den karpathenländischen Formen entspricht eine
kleine T ruhe der Aromunen vom Cepicsee mit Schindelfügung der
W ände. Das Herdgerät besitzt vielfach künstlerischen Charakter,
so die reich geschmiedeten Rahmenböcke mit drehbaren Kessel­
schwingen, die getriebenen Kupferkessel; auch die Majolikakrüge,
meist am Bord des Kaminmantels aufgestellt, bedeuten künst­
lerischen Schmuck des Raumes. Man beachte die Behelfe für den
Fischfang, Harpunendreizack, Austernkratzer, Garnschlauchreuse.
Die Schiffsmodelle sind Votive glücklich heimgekehrter Seeleute.
Als Istrianer Küche mit tellergeschmücktem Kamin eingerichtet ist
Raum XXII, Hier auch Handmühle aus Cherso.
123
RAUM
IX.
Adria- und dinarische Karstländer Jugoslawiens.
Die sehr altartige seit dem frühen Mittelalter von der sla­
wischen Völkerwelt aufgenommene Kultur Südosteuropas steht
in den Adrialändern seit den Tagen des Altertums unter dem zivi­
lisatorischen Einfluß der italienischen Gegenküste, wobei die
Handelsbeziehungen mit der Republik Venedig auf die volkskünst­
lerischen Hausindustrien starken Einfluß übten. In den Binnen­
ländern überwiegt die oströmische, in den städtischen Mittelpunkten
von den Türken und Mohammedanern zum Teil weitergeführte, zum
Teil überschichtete Kulturüberlieferung in. Haus, Handwerk und
Kunst. Kasten 1. T rachten aus Istrien und von den Quarnerischen
Inseln: T schitschenpaar in sehr einfacher T racht vom osteuro­
päischen Typus. (Die Tschitschen sind im 16. Jahrhundert als
arom unischeW anderhirten zugewandert.) Frauentracht ausDignano
nach italienisch-westlicher Art, ebenso P aar aus Cherso (M ann mit
halblanger Hose, Jacke, W este und rotem Gürtel sowiè Mütze nach
Schifferart) und Frau von der Insel Meleda. Als W a n db ehang bunt
gemusterte Wirkschiirzen aus Dalmatien. Kasten 2. Kroatische
F ra u e n -( Sommer-) tracht von Brinza, Savegebiet, Frauen- und
M ännertracht aus dem Velebit, ein zweites P aar aus der Umgebung
von Zara, Frauentracht aus dem Brenotale bei Ragusa-Dubrovnik.
Scharlachroter Mantel eines Herzegowzen (an Fe sttag e n getrag en),
Mantel eines Hodscha, rote am Rücken bestickte Männerjoppe von
Kotor ( C a t t a r o ) ; Bandwebstuhl für Brettchen- und Zettelweberei,
Bosnien, gemusterte Strumpfsocken. An der Rückwand bunt ge­
wirkte Schürzen aus den Karstländern, Serbien und dem Banat. An
den W änden ringsum lebensvolle Bilder des Malers Melinghello
mit Volksszenén und Volkstrachten aus Dalmatien. Wandrahmen bei
Kasten 1. Jacken und W esten mit reicher Schnurstickerei, Süddalmâtien, gewirkte Gürtel mit Emailschließen. Pult 3. Breite,
mehrfächerige Gürtel, Kniebänder, Viehsalztaschen mit Zinnstiftenbeschlag von den Hirten des Velebit, Frauengürtel mit g roßen Kar­
neolen, zumeist Südmontenegro. Wandrahmen 4. Hemden von
der Insel P ag (P a g o ) , mit zierlichen Brusteinsätzen in Nähspitzen­
arbeit (Reticella), dergleichen Schmucktücher mit reichverzierten
Enden. Pult 5. W esten (T ok e) mit metallischem Brustschmuck,
kleines Metallgerät. Wandrahmen 6. Gestickter Hemdrock der
Frauen, Umgebung von Jaice, Frauenkopftücher, Bosnien. Die roten
124
Randstreifen haben ebensowohl wie die mit Sinnbildern durch­
setzten Stickereien, die Klappermünzen, blauen Perlen usw. übel­
abwehrende Bedeutung. Pult 7. Patronentaschen, Fettbüchsen,
Amulettkapseln aus Metallguß. Wandrahmen 8. Hauben mit
Seidenstickerei
(G ranatapfelm uster),
Nordbosnien,
gewirkte
Gürtel, ferner gestickte Besätze von Frauenröcken, Dalmatien.
Oberhalb geschnitzte M astbekrönungen (W indfahnen) nach Art der
Fischerboote von Chioggia — die. im Quarnero die Fischerei ausiiben. — Sie zeigen auf taubenförmigen Schiffsteil einen Mann mit
Steuerrad (W ind ro se), das Marterkreuz und die Schifferheiligen
Felix und Fortunatus (man denke an das D ioskurenpaar!). Von
den Töpferarbeiten (Aufsatz 9 und Pult 10) bew ahren die un­
glasierten und rotbraun bemalten Vasen, Krüge und Schüsseln aus
Bosnien Erinnerungen an vorgriechische Formen und Ziermotive.
In den Adrialändern finden sich einfache Altformen und Glasur­
ware volkstümlichen C harakters neben apulischer Einfuhrware,
(unglasierte Amphoren u. dgl.) (auf Kasten 1 und Raum IX b,
Kasten 3) in deren Form gebung und Technik noch unverkennbar
antike Ueberlieferung fortlebt. Die Majolikaerzeugnisse sind durch­
wegs italienischer Herkunft. In den inneren Balkanländern haben,
wie vorweggenommen sei, heimische Formen unter orientalischem
Stileinfluß mehrfache oft bizarre Umbildungen erfahren. (Raum IXb,
Pultaufsatz 2.) Im Gehen und Stehen spinnen die Frauen im ganzen
Gebiet die Wolle mit Handgeräten. Die Spinnstöcke ringsum ver­
teilt
(bei Kasten 2 und
Wand 11 — 12 fortgesetzt
in
Raum IX b) weisen zierliche Schnitzarbeit bei landschaftlicher,
teilweise ethnographisch bedingter Verschiedenheit der G rund­
formen auf. Die kleineren (F ad e n -) und g ro ß e m (G a rn -) Spindeln,
ferner Wickelspulen für Stickseide, Strickhölzer, M angelbretter
und anderes in den Pulteinheiten 10. Sie sind vielfach Minnegaben
der als Hirten tätigen Burschen, die in Nordbosnien auch die
aus Vollem geschnitzten Becher, zierliche Spiegelbehälter, W e tz ­
steinkumpfe nach westlicher Art fertigen. Auch Rasierzeug­
schachteln, Hochzeitskästchen sowie die W eihbrotstempel ge­
hören in den Kreis dieser altherkömmlichen Volkskunst, man
beachte auch die Dudelsackpfeifen, Doppelflöten und Hirten­
pfeifen auf der Gegenseite, wo sich zu dem allerhand kleineres
G ebrauchsgerät für Haus und W irtschaft befindet. Zum persön­
lichen Gebrauch bestimmt sind weiters Pfeifen und Feuerzangen
für die Männer zusamt feststehenden Messern, und Einschlag­
125
m esser mit Anhängeketten für die Frauen. In den fensterseitigen
Pulteinheiten. So prunkvoll und zierlich Trächten, Schmuck und
persönlicher Besitz in Erscheinung treten, so ärmlich mutet allent­
halben die Hauseinrichtung an. Neben den gebräuchlichen halb­
hohen Stühlen mit runder Lehne, sind die hohen Ehrenstühle
sichtlich unter zivilisatorischen Einflüssen des W estens entstanden
(bei Pult 1 0 ). Teigmulden, Metallgerät, Brotbackschaufel (Lopar)
und W etzsteinkumpfe leiten schon zum nächsten Raum über.
L. H. F i s c h e r :
Die T r a c h t d e r
T s e h it s c h e n .
Z eitsc h r.
f. ö ste rr.
Volksk. 11, 6 ff.
R A U M IX a.
Wand 1— 3 und gegenüber 4. Truhen mit wenig ab gew an­
delter Flachschnitzerei, Bosnien und Dalmatien. Hängewiege, Dal­
matien, Kufen-(zugleich T ra g -)W ie g en , Nordalbanien, Holz-,
Korb- und Kürbisbehälter verschiedenen Gebrauchs aus den
Karstländern. An der W and rechts eine Folge von „Guslen” (ein­
saitigen Instrumenten mit knopfförmigen Endknauf) zur Begleitung
der epischen Heldengesänge der Südslawen.
R A U M X.
Jugoslawien (F ortsetzung).
Wandrahmen 1— 4. Frauenhemden und Kopftücher mit rei­
cher Stickerei aus Dalmatien und der südlichen Herzegowina.
Hervorzuheben die prunkvollen Brauthemden (Oberteile) von der
Insel Uljan bei Zara. Kasten 3. Frauentracht mit reichem G ehänge­
schmuck aus der Krivoscie und Frauentracht aus dem KonavlijeT al bei Ragusa-Dubrovnik. D arüber gesticktes Hochzeitstuch,
Bosnien. In den Pulten 2 ,3 , 5— 8. Frauenschmuck aus Jugoslawien.
Die Dalmatiner Schließen usw. weisen vielfach noch frühmittel­
alterlichen Charakter auf, wogegen die innerbalkanischen Formen
einen eigenen Mischstil zwischen Barock und altorientalischer
Form gebung ausgebildet haben. Der Klapperschmuck bew ahrt
noch ganz altmittelländischen Charakter. W eiters Pult 8. Votive,
Amulettschnüre, Andachtsbilder u. dgl. Wand 9. Gegossene und
ziselierte Kleider- und Gürtelschließen, getriebene Arbeiten, Leder­
arbeiten mit Nietenbesatz. Wand 10. Südslawischer und orienta­
lischer Schmuck. Leihgabe von Baron Milan Turkovic-Kutjevski.
Eine Reihe von Trachtenbildern aus Dalmatien und Montenegro.
126
Reich geschnitzte Brauttruhen mit Zypressenmuster, wahrscheinlich
in Skutariner W erkstätten erzeugt.
L. S c h i n n e r e r : E in ig e s ü b e r ’o o s n i s c h - h e r z e g o w i n is c h e S tric k u n d H ä k e la r b e ite n . Z eitsc hr. f. ö ste rr. Voiksk. Hl, 13 ff.
N. B r u c k - A u f f e n b e r g : D a lm a tie n u n d sein e V o lk sk u n s t. W ie n ,
(v. j. 1912).
RAUM
IXb.
Jugoslawien (F ortsetzung).
In Wandrahmen 1. Frauenkopftücher mit farbenprächtiger
Wirkstickerei in Seide und ähnlich gearbeitete Frauenhauben aus
Kroatien, Umgebung von Agram. Pult 2. Reich gestickte Schmuckund Handtücher sowie Brautieintücher aus Bosnien, Serbien und
Albanien, wo. sie von den Frauen hausgewerblich oder als Damen­
arbeiten in den Harems hergestellt werden. Ueber Keramik und
Spinrocken' vergl. das in Raum IX Gesagte. Wandkasten 3.
Puppenfigur einer serbischen Braut mit reicher Kleidung, ärmel­
lose Ueberkleider (Zubun) der Bäuerinnen im alten Königreich
Serbien. Montenegrinische M ännertracht aus dem Gebirge aus
w eiß er Schafwolle, mehr modisch bestimmte T racht aus der Ge­
gend von Cetinje. Frauenjacken und Ueberkleider mit reicher Gold­
stickerei, Nordalbanien, scharlachroter Mantel mit prächtiger
Seidenstickereien an Kragen und Schultern der Katholikinnen in
Skutari, interessante Guslen aus Montenegro und Nordalbanien.
Neben dem Kasten. Schwerer Kapuzenmantel aus braunem Loden
von den Schiffern in Grado, Hirtenmantel, Montenegro. An der
Wand 4. Rahmen mit Aermel und Bruststickereien von Frauen­
hemden vom Amselfeld. Die die F ensterw and in IX und IX b be­
gleitenden äuß erst klaren Zeichnungen des Akad. Malers L e o p.
F o r s t n e r veranschaulichen u. a. Backofen, Speicher, Mühlen,
W ebstühle verschiedener B auart aus Serbien und Albanien. (F ort­
setzung in Raum X.)
R A U M X.
Albanien.
Altertümliche und primitive Arbeitsbehelfe, wie sie in den
Balkanländern mit geringeren Abwandlungen verbreitet sind, auf
den Untersätzen an Wand 1— 3. Spinn- und Spulräder, Zupfbogen
für Baumwolle, T ischbrett zur Filzbereitung für die Fezerzeugung,
Backieller und Backglocken für Maisbrot, niedriges Töpferrad,
Bosnien, urtümlicher Schlauchblasebalg für Goldarbeiter, Huf­
127
schmiedewerkzeug, Feuerböcke, Drehbank mit F ußbedienung und
Röhrchenbohrer für Drechsler, die damit selbst kunstvolle Ziga­
rettenspitze herstellen. (Vergl. Pult 4) Hier ferner allerhand Hand­
arbeiten und Spitzen, häusliches Erzeugnis unter italienischem
Einfluß, Käppis der Männer usw., an der Wand Spinnrocken.
Fenstertisch 5. Kupfer- und Metallgeschirr, W asserkrüge, großer
Taufkrug mit figuralem Fries, Valoxia, die als Eßtische auf
niedrige Roste gestellten verzinnten und gravierten Kupferplatten
sind unter den Pulten und an den Wänden verteilt. Vergl. auch das
hölzerne Eßtischchen. Pult 6, Filigranarbeiten, wie sie die albani­
schen Silberschmiede bis nach Mitrovica und Pristina hin ver­
fertigen, neben dem altartigen Bronzeschmuck der Bergstämme, wie
dieser auch auf den W andbrettern (bei 2) Platz gefunden hat.
Kasten 7. Frauentracht aus dem Gebirge nördlich von Skutari (Malcija, die Bewohner Malissoren), mit charakteristischem Glocken­
rock und überreicher Schnurbenähung der Jacke. Frauentrachten
aus der Zadrima (Drinebene) mit gefälteltem Schurzrock und aus
Schkreli. Auf der G egenseite: T racht aus der Mirdita, M änner­
tracht Nordalbanien. Dazwischen schwarze Kurzjacke (Dzurdin)
aus Mittelalbanien, auf dem Boden Strukas ' (Ueberwürfe) der
Frauen von Nordalbanien. An den Wänden ringsum: Fortsetzung
der Zeichnungen von Maler L. F o r s t n e r (interessante Archi­
tekturaufnahm en,Trachtenbilder), ferner Aquarelle von O berbaurat
R. T h i e r.
R A U M XU.
Osteuropäisch vergleichende Gruppe.
W enn auch nicht ausgebaut, vermag sie doch einigermaßen
der Veranschaulichung der aus W e st und Ost sich durchkreuzenden
Kultureinflüsse in Ungarn, den Balkanländern und dem Vergleich
dieser mit russischem und finnischem Volksgut im Osten zu dienen.
Kasten 1. T racht einer Mordwinenfrau, großrussische Hauben und
andere Trachtenstücke. Kasten 3. Mazedonische Frauentrachten
von Prilep und Prisren, bulgarische Hemdröcke mit reicherStickereiverzierung usw. Wandrahmen 6. Bulgarische, russische und grie­
chische Wirkstickereien. Pult 2. Graviertes Stierhorn, Stockhacken,
kleinere Holzarbeiten aus Ungarn — unter westlichem Einfluß
stehend. Wand 4 und 5. Ungarische Bauernkeramik, kleinere rus­
sische hausgewerbliche Arbeiten. Aeltere Truhen in Sarkophagform
128
mit Anreißmustern, Truhentisch von gothischem Formcharakter.
Bei Wand 6 Faschingslarven deutscher Kolonisten des Banates.
Kasten 7. Siebenbürger Fayencekrüge, zum Teil wohl Einfuhrwaren
aus dem Westen.
C. Fortsetzung der Stubeneinriehtungen
und vergleichende Sammlungen.
R A U M XIII.
Südtirol.
Getäfelte W ohnstube aus dem Plattnerhofe in Kurtatsch bei
Bozen. Die Täfelung samt der mit Unterzügen wohl gegliederten
Decke ist vollständig erhalten, der grüne Anstrich ist allerdings
wohl spätere Zutat. Die Einrichtung beschränkt sich auf einen auf­
klappbaren Tisch. Die Truhen mit großen Kerbschnittrosetten sind
für das oberste Etschgebiet charakteristisch, in dem halbtonnen­
förmig gemauerten Ofen sind gotische Kacheln aus der Gegend von
Riva eingelassen.
R A U M XIV.
Egerland.
An Schlafgelegenheiten ein Himmelbett und eine der im Eger­
land gebräuchlichen vierfüßigen Stehwiegen. Die Bemalung des
Bettes, ferner des Eckkästchens und des einen W and kastens zeigt
modische P aare aus der Empirezeit, w ogegen der stark städtisch be­
einflußte Tisch und der mit Säulen versehene Kasten, ebenso wie
die Truhe, Blumen- und Vasenmotive in unterschiedlicher Ab­
wandlung aufweisen. Es handelt sich hier wohl um zweierlei W e rk ­
stattbetriebe. Volkskünstlerische Eigenart bekunden vorzüglich die
Stühle mit Rundlehne, deren Sprossen aus den Figuren eines Hoch­
zeitsgeleites gebildet werden, wie es auch die alten farbigen Hoch­
zeitsbilder des Egerlandes in ständiger W iederholung zeigen.
R A U M XV.
Mähren (Flachlandstube aus Markt M ohelno).
Der bäuerlicheW ohnstil folgt hier seit Jahrhunderten der
westlichen Kulturentwicklung und ist darin dem deutschen W ohnwesen allerstärkstens angenähert, wie dies auch die hier au sge­
stellten Möbel, der im Empirestil bemalte Kasten, Tisch und Eck­
bank samt dem Krug- und Tellerbord veranschaulichen.
129
R A U M XVI.
Mähren (Slowakische Stubeneinrichtung aus G roß-Blatnitz).
Auch die in diesem Raum gezeigten Stücke zeigen w est­
europäischen Stil, für den besonders auch der grüne Kachelofen
charakteristisch ist. Man beachte die Anbringung des Bettaufsatzes
am Fußende, um darauf den malerischen Schmuck besser zeigen zu
können, an Stelle des Storches erscheint auf der W iege der Rabe als
Kinderbringer. Der bunte Bilderschmuck oberhalb der Bank ist
eher noch ausgiebiger zu denken. Die über dem Bett hängenden
Bilder von dem Ende des 19. Jahrhunderts verstorbenen Dorfmaler
Han in Groß-Blatnitz stellen den hl. Antonius mit der W allfahrts­
kirche auf dem Antonsberge bei Groß-Blatnitz, M ariä Krönung und
Maria als Himmelskönigin, schließlich den heiligen Florian vor.
Eine verwandte Stubeneinrichtung aus dem deutschen Kuhländchen zeigt Raum XXIXb.
R A U M XVII— XVIII.
Altertümliches Herd- und Beleuchtungsgerät. — Jüdische
Sammlung.
Raum XVII. Eine überreiche Zahl von Bratrosten, Dreifüßen
und vielfach reich geschmiedeten Pfannknechten auf den Unter­
sätzen veranschaulicht die örtliche und stilistische Vielgestaltigkeit
dieser einfachen Zweckformen, ebenso wie auf den W andgestellen
die Typenreihen von einfachen gedrehten Kellerleuchtern, ge­
schmiedeten Leuchtern, Holzständern, Messingleuchtern von un­
gemein wechselnder Profilierung bei eher einförmigen Aufbau,
endlich gewöhnlichen gelöteten Eisenblechleuchtern, die bei aller
Geringwertigkeit des Materials, doch eine recht originelle Formsprache bekunden. Auf dem Stufenaufbau Oellampen aus dem
Adriagebiet, sogenannte Florentinerlampen, gedrehte M essingguß­
leuchter mit Glockenfuß, Bosnien usw. Raum XVIII. Auf den Unter­
sätzen: Feuerböcke aller Art, an W and gegenüber dreifüßige B rat­
böcke zum Auflegen der Spieße, Bratmaschinen mit Uhrantrieb zum
Drehen derselben, in den Fensternischen Rahmenböcke aus den
Adrialändern. Auf den W andgestellen 1 kunstvoll geschmiedete
Klemmleuchter, Klemmscheren für W achsstöcke, Kerzengußformen
und Schusterkugeln, Laternenformen, gegenüber Wand 3 Leucht­
roste, Pretschleuchter für Unschlitt, Lampenformen römischer Art
(B erg m an nslam p en). Wand 4. Unterschiedliche Formen von Span­
klemmern — solche auf F ußständern und Gestellen unterschiedlich
4
130
verteilt im Raume — nebenan tönerner Leuchthut und Speckhänge
mit Hakenkränzen. Ein Großteil der für die Geschichte des Be­
leuchtungswesens grundlegend gewordenen Sammlung ist von
weiland Oberstleutnant L. v. B e n e s c h zusamm engebracht und
Leihgabe des Kunsthistorischen Museums. Kasten 5 zeigt eine nicht
unansehnliche Sammlung Judaica, Leuchter und Zinnschüsseln für
die rituellen Feste, Gebetsriemen, Beschneidungsmesser in schnitz­
verziertem Kästchen, Räuchertiirmchen usw. An Wand 2 samt
Fenstern. Hobel für die Kienspäne, zu deren Herstellung auch die
in der Durchfahrt stehende Drehbank dient, volkstümliche rö­
mische Marktwaagen, Einbaumtruhe aus einem vollen Stamm ge­
holt, aus dem Mühlbachtale bei Bruneck.
L. v. B e n e s c h : D a s B e l e u c h t u n g s w e s e n v o m
Mitte d e s XIX. J a h r h u n d e r t s . W ie n 1905.
M itte la lte r
bis
zu r
R A U M XXIII.
Schlesische W eberstube mit entsprechendem Zubehör, auf­
rechtem und liegendem Spinnrad ( „Bock” und „G aiß ”), Haspel ver­
schiedenen Typs, Scheerbank, Spul- und Garnrädern, Scheerrahmen zum Aufweifen der Kette, deren Fäden durch Lesebretter
auseinandergehalten werden u. a. m. Dazu Trittwebstuhl, kleiner
Bandwebstuhl mit Trittgestell und einfache Handsttihlchen. Der
Tisch steht auf kastenförmigem Untersatz, die Bank ist eine sogen.
„Siedelbank” mit umstellbarer Lehne.
R A U M XXIV.
Geräte für die Flachsbereitung, Riffelkämme zum Abreißen
der Samenköpfe, Brechelbänke und Hecheln. Landwirtschaftliches
Gerät, wie Hakenpflug, Montenegro, einfache Sohienpflüge mit Rad­
gestell, Krain, hölzerne Egge, hölzerne Knüppel (Bengel) als
Dreschflegel, Schollenklopfer, ferner Teigtrog, groß e urnenförmige
Vorratskörbe für Korn (B urgenland), Drehbank zum Abdrehen von
Leuchtspänen aus Erlenholz, Mühlviertel, Oberösterreich usw.
In teilw eiser Neuaufstellung begriffen
Europäische Vergteichssammlungen.
R A U M XX— XXIX.
(Zugänglich gegen vorherige Anm eldung bei der D ire k tio n ;
über die derzeitige U n terb n n g u n g unterrichtet Plan 2.) .
Schweiz und Deutsches Reich. Sammlung Dr.E. Goldstern aus
Savoyen (Haute M aurienne), dem Wallis und Graubünden. Alter-
131
tümliche Geräte der Flachsarbeit, der Milch- und Käsewirtschaft,
eine reiche Sammlung von Kerb- und Rechenhölzern (T e ß le n ),
kleiner Hausrat (Behälter in Vogelform, altertümliche Steinlampen),
Spinngeräte, Tongeschirr aus Langnau und Heimberg bei Thun,
figürliche Schnitzereien, urtümliches Kinderspielzeug. Ferner Betten,
W andkästchen aus Getäfeln, Hauben aus Bayern, Schwaben und
Nordwestdeutschland. Sammlungen aus Piemont (Dr.E. Goldstern).
Spinnrockentypen, Kopfbänke, hölzerne Willkommbecher, Salz­
behälter mit Tierprotomen, Korbformen u. s.w.
Aus der römischen Campagna und Sizilien. Spinnwerkzeuge,
Hirtengerät, Ständertruhe u. s. w.
Von den Basken (Dr. R. T rebitsch ). Geräte zur Flachs- und
W ollbereitung, Hirtenschnitzerei, und Behelfe für die Vieh- und
Milchwirtschaft, wie für die Fischerei, Herdgerät, Tongefäße, Stikkereien, Gegenstände für das Ballspiel „Schimmelreiter”, u. s. w.
Aus der Bretagne. Schrankbetten, Trachtenfiguren, Herdund Hausgerät, geschnitzte Kapellenbalken.
Aus Schweden. Urtümliches hölzernes Gebrauchsgerät.
Vergl. Dr. E. G o l d s t e r n : H o c lig e b i rg s v o l k a u s S a v o y e n . E rg .-B d .
XIV d e r W i e n e r Z eitsc h r. f. V o lk s k u n d e 1922.
A. H a b e r l a n d t : B e it r ä g e z u r B r e to n i s c h e n V o lk sk u n d e . E rg.-H . VIII
d e r Z eitsc h r. f. ö ste rr. Volksk. 1912.
R A U M XXX.
W eihnachtskrippen.
Ausdruck und künstlerische Gestaltung der W eihnachts­
krippen läß t bemerkenswerte seelische Eigenart unterschiedlicher
Volksgebiete erkennen. Feinste künstlerische Blüte offenbart die zier­
liche W eihnachtskrippe aus T haur bei Hall in Tirol im Mittelgrund,
ähnlich die mit vortrefflicher landschaftlicher Charakteristik aus­
gestattete kleine Krippe aus Italien, sowie die figürlich
sehr ausdrucksvolle Nordtiroler Krippe zur Linken, wogegen an den
aus Zwittau stammenden beiden Krippen zur Rechten, bei
schlechter, eher etwas linkisch anm utender Haltung der Figuren,
vornehmlich die Freude am Konstruktiven — die kleinere Krippe
im Vordergrund besitzt ein mechanisches Spielwerk — in Aufbau
und Szene zum Ausdruck kommt.
4*
132
Literatur der Volkskunde.
V o lk sk u n d lic h e B i o g r a p h i e fü r die J a h r e 1923— 1924. Im A u f t r ä g e d e s
V e r b a n d e s d e u t s c h e r Vereine f ü r V o l k s k u n d e h e r a u s g e g e b e n v o n E. H o f f ­
m a n n - K r a y e r. V e r l a g W a l t e r de G r u y t e r & Co., Berlin u n d L eiozig 1929.
Z u folge d e s erfreulichen u n d s e h r m e r k b a r e n A u f s c h w u n g e s d e r v o l k s ­
k un dlichen A rbe ite n in allen V o lk s g e b i e t e n E u r o p a s u n d s e i n e r N a c h b a r ­
g e bie te, ist d e r U m f a n g d e s v o rl ie g e n d e n D o p p e l j a h r g a n g e s d e r V o l k s k u n d ­
lichen B ib lio g ra p h ie m ä c h t i g a n g e w a c h s e n , w a s die zeitliche V e r z ö g e r u n g
se in er H e r a u s g a b e v o llk o m m e n begreiflich m a c h t , u m s o m e h r als die H e r­
s te llu n g d e r R e g is te r (S. 389— 492) eine ä u ß e r s t m ü h e v o lle u n d z e i t r a u b e n d e
A rbe it da rstellt. E ine R eih e n e u e r M itarb e ite r, für die lettische , italienische,
n i e d e r d e u t s c h e un d p olnische V olkskun de , h a b e n sich in s e lb s tlo s e r B e ­
m ü h u n g zu de m ve rd ie n stv o lle n S t a b e d e r M i t a r b e i te r a n d e n f r ü h e r e n J a h r ­
g ä n g e n hinzu ge se llt. Ihre N a m e n sind im V o r w o r t a n g e f ü h rt , u n d j e d e r B e ­
n u t z e r de r B ib lio g ra p h ie w ir d sich d e m d o r t a u s g e s p r o c h e n e n D a n k d e s
H e r a u s g e b e r s auf d a s W ä r m s t e a n sc h lie ß e n . Die N o t g e m e i n s c h a f t d e r
d e u ts c h e n W is s e n s c h a f t h a t d u r c h ihre f reu n d lich e U n t e r s t ü t z u n g d a s E r­
s c h e in e n d ieses B a n d e s e rm ö g lich t. In B e z u g au f die A n o r d n u n g d e s u n g e ­
h e u r e n , a u ß e r o r d e n tl i c h w e i tv e r z w e i g t e n S toffes ist n u n m e h r w o h l die g r ö ß t ­
m ö g lic h e U e b e r s ic h tlic h k e it u n d leic h te ste A u ffin d b a rk e it e rreicht. W i r
sc h lie ß en u n s n a c h d r ü c k li c h d e m b e r e c h ti g t e n W u n s c h e d e s u n e r m ü d lic h au f
die V e r v o l lk o m m n u n g d e r B ib lio g ra p h ie b e d a c h t e n H e r a u s g e b e r s an, d a ß
kü nftig hin a u c h F ra n k r e i c h , S p a n ie n , R u m ä n ie n , die T s c h e c h o s l o v a k e i ,
G r ie c h e n la n d , die T ü rk e i u n d M ittel- u n d S ü d a m e r i k a d u r c h sp ezie lle M it7
a r b e i te r v e r tr e te n seien. D e n n die w is s e n s c h a f tlic h e V o l k s k u n d e m u ß sich
i m m e r m e h r z u r a llg e m e in e n u n d v e rg le ic h e n d e n V o lk s k u n d e a u s g e s t a l t e n ,
u n d auf den g e s a m t e u r o p ä i s c h e n H o r iz o n t in h is t o ris c h e r V e rt ie f u n g ein­
stellen.
Prof. M. H a b e r l a n d t.
G o t t h a r d N ie m e r : D a s G e l d . Ein B e it r a g z u r V o lk sk u n d e . ( W o r t u n d
B ra u c h , V o lk sk u n d lich e A rb e ite n n a m e n s d e r S c h le s is c h e n G e se lls c h a f t fü r
V o lk s k u n d e in z w a n g l o s e n H e ften h e r a u s g e g e b e n v o n Prof. Dr. T h e o d o r
S i e b s und Prof. Dr. M a x H i p p e . ) 21. Heft, B r e s l a u , V e rl a g v o n M. u n d
H. M a r c u s , 1930.
D a ß d a s Geld, „ d a s die W e l t r e g ie r t, “ in S p r a c h e , A b e r g l a u b e n u n d
V o l k s b ra u c h aller Völker, u n d so a u c h d e r D e u t s c h e n tief v e r s t r ic k t ist, ließ
die A b s ic h t u n d d e n G r u n d g e d a n k e n d e s v o rl ie g e n d e n B u c h e s von v o r n ­
herein als r e c h t f r u c h t b a r e r sche inen. D e r V e r f a s s e r h a t d e n n m it g r o ß e m
Fleiß u n d trefflic her S a c h k e n n t n i s alle S p u re n a u f g e d e c k t , die d a s G e ld im
d e u ts c h e n S p r a c h g e b r a u c h , im G l a u b e n a n die ü b e r n a t ü r li c h e u n d z a u b e r is c h e
Kraft d e s G e ld e s h i n te r la s s e n hat. Die G eld s c h a ff e n d e n K o b o ld e u n d G e ister,
so w ie d e r S c h a t z g l a u b e w e r d e n d e r R eih e n a c h b e h a n d e lt , u n d in ein em
S c hluß te il d e r A rbe it in b e s o n d e r s a u sfü h rlic h e r W e i s e die B e d e u t u n g d e s
G e ld e s in G la u b e u n d B ra u c h d e s tä g l i c h e n L e b e n s — bei G e b u r t , T a u f e ,
Spiel u n d T a n z , V e r l o b u n g u n d H o chzeit, T o d u n d B e g r ä b n i s — d a r g e ste llt.
133
Die oft r e c h t l a n g e n L i t e r a t u r n a c h w e i s e b e z e u g e n die g rü n d lic h e D u r c h ­
a r b e i t u n g d e s g e s a m t e n e in s c h lä g ig e n v o lk sk u n d lic h e n Stoffes.
Prof. M. H a b e r l a n d t.
Adolf H elbok: S i e d l u n g s g e s c h i c h t e u n d V o l k s k u n d e .
(S c h rifte n z u r D e u t s c h e n S i e d lu h g s f o rs c h u n g , 2. Heft, D r e s d e n 1928. V e rlag
B u c h d r u c k e re i d e r W ilhe lm u n d B e r ta v. B a e n s c h - S ti f t u n g ) .
Die a n g e z e i g t e A b h a n d l u n g ist a u s ein em V o r t r a g , d e n d e r V e r f a s s e r
au f d e r T a g u n g d e s G e s a m t v e r e i n e s d e r d e u ts c h e n G e s c h i c h t s - u n d A lter­
tu m s v e r e i n e z u S p e y e r g e h a l t e n h a t in s e h r e r w e i t e r t e r F o r m h e r v o r g e g a n g e n .
Sie b a u t a u f d e m G r u n d g e d a n k e n auf, d a ß die n a c h g e sc h ic h tlic h e r E r k lä r u n g
s t r e b e n d e V o l k s k u n d e u n d die S i e d lu n g s f o r s c h u n g sich g e g e n s e i ti g vielfach
zu fö r d e r n u n d zu b e f ru c h t e n v e r m ö g e n . E s w e r d e n die ein zelnen T e ilg e b ie te
d e r V o lk s k u n d e m it D u r c h a r b e i t u n g d e r w i c h ti g s t e n e in s c h lä g ig e n L ite ra tu r
d a ra u f h in
u n t e r s u c h t , inw iefern ihre F e s t s t e ll u n g e n z u r A u fh e llu n g de r
H e rk u n f t d e s Siedlers, d e r S i e d l u n g s a u s b r e i t u n g in d e r L a n d s c h a f t u n d ihrer
E i g e n a r t zu v e rh elfen v e r m ö g e n . So w e r d e n d e r H a u s b a u , d a s A r b e i ts g e r ä t,
die V o lk sk u n s t, die T r a c h t , B r a u c h t u m u n d V o lk s g la u b e n , d a s R e ch tsle b en ,
die F o r m e n d e r G e m e in s c h a f t, die H e ilige nk ulte u n d S a g e n e r ö rt e r t, w o d u r c h
d e r I nha lt d e r A b h a n d l u n g sich zu einem s e h r a n r e g e n d e n u n d vielseitigen
gestaltet.
Pro f. M. H a b e r ! a n d t.
Eberhard K ranzm ayer: D i e N a m e n
d e r W o c h e n t a g e in
d e n M u n d a r t e n v o n B a y e r n u n d O e s t e r r e i c h . ( A r b e ite n z u r
b a y e r i s c h - ö s t e r r e ic h i s c h e n D ia le k t g e o g ra p h ie , im A u f t r ä g e d e r W ö r t e r b u c h k o m m i s s io n e n d e r A k a d e m i e n d e r W i s s e n s c h a f t e n in M ü n c h e n u n d W ien ,
h e r a u s g e g e b e n im Verein m it F. L ü e r s u n d W . S t e in h ä u s e r v o n A. Pfalz,
1. H e f t ). W ie n u n d M ü n c h e n 1929. H ö l d e r - P i c h l e r - T e m s k y A. G., W ie n ,
V e r l a g R. O ld e n b u rg , M ü n c h e n . 100 S. Mit e in er G r u n d k a r t e u n d elf P a u s e n .
Die v o rlie g e n d e Schrift ist in d e r H a u p t s a c h e auf G r u n d d e s f ü r d a s
g r o ß e M u n d a r t e n w ö r t e r b u c h d e r W i e n e r u n d M ü n c h n e r A k a d e m ie g e ­
s a m m e l t e n M u n d a r t g u t e s v e r f a ß t ; sie b e r ü c k s i c h ti g t a u c h die N a c h b a r m u n d ­
a r te n d e s B a iw a r i s c h e n , in e r s t e r Linie S c h w ä b i s c h u n d F rä n k isc h . Die
F o r m e n d e r W o c h e n t a g n a m e n in f r ü h e r e r Z eit h a t d e r V e rf a s s e r a u s einem
n i c h t m in d e r re ic hen U r k u n d e n m a t e r i a l z u s a m m e n g e t r a g e n ; d a d u r c h w u r d e
n ic h t n u r ein e räu m liche , so n d e r n a u c h eine zeitliche U n t e r s u c h u n g d e r
N a m e n e rm ö g lich t, d e r e n E r g e b n i s s e auf d e n b e ig e f ü g te n ü b e rsich tlic h en
K a rt e n zu sinnfä lliger D a r s t e l l u n g g e la n g t e n . L e h rre ic h e B e m e r k u n g e n ü b e r
die V e r w e r t b a r k e i t d e s m itte ls F r a g e b o g e n e r w o r b e n e n M a te ria ls u n d ü b e r
die A r t d e r B e n ü t z u n g d e r U r k u n d e n d a t e n g e h e n v o r a n . Im z w e ite n Teil
w e r d e n die N a m e n d e r ein zelnen W o c h e n t a g e d e r R eih e n a c h in ihren g e g e n ­
w ä r t i g e n m u n d a r t i g e n L a u t u n g e n b e s p r o c h e n u n d m it d e n U r k u n d e n f o rm e n
v e r g lic h e n . Ein E r g e b n i s als Beispiel: N e b e n d e m w e i tv e r b r e i t e t e n M o n t a g
k o m m t im W e s t e n d e s b e h a n d e lt e n G e b i e t e s eine u m g e l a u te te F o r m von
M ä n t a g vo r. Die B e t r a c h t u n g d e s ge sc h ic h tlic h e n S p r a c h g u t e s f ü h r t zu de r
ü b e r r a s c h e n d e n F e stste llu n g , d a ß e in s t diese U m l a u t f o r m d a s g a n z e b aiw a r i s c h - s c h w ä b i s c h e G e b ie t m it dem südlichen F r a n k e n b e h e r r s c h t hat. Die
134
um la u tlo s e F o r m M o n t a g , die jene v e r d r ä n g t e , w u r d e ve rm u tlic h d u rc h die
K aiser un d F ü r s te n a u s den m ittle ren R h e in la n d e n bei u n s e in g e sc h le p p t. D e r
dritte Teil d e r A b h a n d l u n g b e h a n d e lt die H e rk u n f t d e r W o c h e n t a g n a m e n .
Alle diese N a m e n sind in d e r S p ä t a n t i k e , e t w a im 4. J a h r h u n d e r t , bei u n s auf­
g e k o m m e n . Ein Teil ist d e m V u lg ä rla te in is c h e n n a c h g e b il d e t ( D i e n s t a g ,
D o n n e r s t a g , die n o r d d e u ts c h e n B e z e ic h n u n g e n W o d a n s - u n d S a t e r t a g ) , ein
a n d e r e r Teil ( E r g e t a g , F f i n z ta g ) ist d u r c h g o tis c h e V e r m it t lu n g a u s dem
V u l g ä r g rie c h is c h e n zu den B a iw ä r e n g e w a n d e r t . B e zü g lich d e r E ty m o l o g ie
von E r c h t a g un d P f in z ta g , die h e u te n o c h als E i g e n a r t d e r b a iw a r i s c h e n
M u n d a r t w e ite r le b e n , folgt d e r V e r fa s se r d en u n a n f e c h t b a r e n D e u t u n g e n
R. M u c h s. E r s t e r e s ist d a s gr. A re o s h e m e r a , m it de m N a m e n d e s A rius in s
Got. ü b e r s e t z t u n d ahd . zu A rio tag , E r g e t a g g e w o r d e n ; l e tz te r e s g in g
a u s ein em v o r a h d . P i n t a t a g he rv o r, d a s ü b e r d a s G o tisc h e als ein L e h n w o r t
a u s dem G rie c h isc h e n ( p e m p t e „ d e r F ü n f t e “ ) e i n g e w a n d e r t ist.
Die A b h a n d l u n g s p r ic h t d u r c h klare, k n a p p e B e w e is f ü h r u n g u n d den
G e b r a u c h d e u t s c h e r F a c h a u s d r ü c k e an, w o d u r c h sie — bei aller W i s s e n ­
sc ha ftlichke it — a u c h für w e i te r e Kreise b e n ü t z b a r w ird. Sie gibt ein e in­
d ru c k sv o lle s Bild v on d e r e r sta u n lic h e n F o rm e n fülle u n s e r e r M u n d a r t e n un d
g e w ä h r t einen tiefen Blick in d a s in n e rs te L ebe n u n s e r e r S p r a c h e ü b e r ­
h a u p t u n d ih rer E n tw ic k l u n g .
Dr. E d u a r d W e i n k o p f.
R ic h a r d
Schiffahrt.
H ennig: A b h a n d l u n g e n
zur
Je n a , G u s ta v F isc h e r 1928. 171 S.
Geschichte
der
Die G e s c h i c h t e d e s e u ro p ä i s c h e n V e r k e h r e s w o llte sc h o n V. H ehn von
d e r G e s c h i c h t e d e r e u r o p ä i s c h e n K u ltur nicht tre n n e n . O h n e die S te llu n g ­
n a h m e d e s V e r f a s s e rs in allen E in z elfra g en d e r E r s c h l i e ß u n g d e s a n tik e n
W e l t b il d e s ü b e r p rü f e n zu w ollen, — in st r i tt i g e n D in g e n l ä ß t er G r ü n d e u n d
G e g e n g r ü n d e m it einer in d e r h e u tig e n K u l t u r w i s s e n s c h a f t nich t i m m e r b e ­
fo lgte n S a c h lic h k eit zu W o r t e k o m m e n — m o c h t e n w i r als für die V o lks­
k u n d e b e la n g r e ic h h e r v o r h e b e n A b s c h n i t t IV: Die O s ts e e im V e r k e h r s le b e n
d e s A l te rtu m s u n d fr ü h e n M itte la lte r s so w ie VI: S c h i f f s tr a g p lä tz e und
S c h l e p p w e g e . Die M e inun g, d a ß die h a n d e l s k u n d i g e n N o r d - u n d S ü d l ä n d e r
die K üste von O s ts e e u n d M itte lm e e r in v o r g e s c h ic h tlic h e r Zeit w e c h s e l w e i s e
auf keinen Fall n o c h g e s c h a u t h ä tt e n , m ö c h t e n w ir a n g e s ic h ts d e r von
O. A lm g re n so s c h l a g e n d n a c h g e w i e s e n e n E n t s p r e c h u n g e n n o r d i s c h e r Fe ls­
z e i c h n u n g e n m it ä g y p ti s c h e n u n d a n d e r e n m itte llä n d isc h e n k u ltisc h e n D a r ­
ste llu n g e n a lle rd in g s nich t teilen. Alles in allem e rfre u t d e r frische auf die
tatsächlichen
g e o g r a p h i s c h e n u n d p h y s i s c h e n G e g e b e n h e i t e n g e ric h te t e
B ü c k , d e r w o n ö t ig p h ilo lo g isc h er I n t e r p r e ta t io n z u r K l ä r u n g verhilft.
A. H a b e r l a n d t.
Johannes
K ü n z ig :
S chw arzw aldsagen.
• ( A l e m a n n is c h e
S t a m m e s k u n d e !). A us d e r S t a m m e s k u n d e d e u t s c h e r L a n d s c h a f te n h e r a u s ­
g e g e b e n v o n Dr. P a u l Z a u n e r t. 383 Se itè n m it 35 T a f e ln u n d 34 A b b i l d u n g e n
im T e x t. ( E u g e n D iederichs, J e n a 1930).
Ein glü ck lich e r G e d a n k e ist es, d a s S a g e n g u t d e s d e u ts c h e n V o lke s
nich t als p s e u d o g e s c h i c h tl i c h e n S c h u lsto ff ein w e d e r sa c h lic h e E r k e n n t n i s
no ch P h a n t a s i e a u s r e i c h e n d stille nd es D a se in fo rtfriste n zu las se n , s o n d e r n
135
e s als n a iv e n L e b e n s - u n d L a n d s c h a f ts s p i e g e l a u s z u d e n k e n , d e r seine Bilder
a u s d e m V o lk sg e ist se lb e r e m p f ä n g t. Z ug leich f ö r d e r t die S a m m l u n g den
z e i t g e m ä ß e n A u s b a u alte r S a m m e l - u n d A u f n a h m s t ä t i g k e i t d e r G rim m s c h e n
R i c h t u n g z u r e rfo rd e rlic h en l an d s ch a ftlich e n b e z w . f lä c h e n h a f te n Voll­
s tä n d ig k e it, w o b e i kritische A u s w a h l un d die a n m e r k u n g s w e i s e übersichtlich
z u s a m m e n g e f a ß t e n B elege für die ein zelnen M otiv e die w iss e n s c h a f tlic h e
B e n ü tz b a r k e i t je d e s B u c h e s b e s t e n s g e w ä h r l e is te n . Ist die B i i d a u s s t a t t u n g
z u d e m in j e d e m B a n d eine so g e sc h m a c k v o l l e u n d r e ic h e w ie in den v o r ­
lie g e n d en , d e r z u r B e s p r e c h u n g a n g e z o g e n w u r d e , d a n n w i r d L esen un d
L ern e n zum G e n u ß , den w i r b e s o n d e r s d e r n a t u r - u n d w a n d e r f r o h e n J u g e n d
a n g e l e g e n t li c h a n e m p f e h le n m ö c h t e n . D e n O e s t e rr e i c h e r w e r d e n die B ö h n ie rw a l d s a g e n u n d die a n g e k ü n d i g t e n B a y ris c h e n , S c h w e i z e r u n d S teirischen
S a g e n ( d ie s e von V. G e r a m b ) w o h l zu a ll e r n ä c h s t in te res siere n .
A . H a b e r l a n d t.
A nton M ailly: D e u t s c h e R e c h t s a l t e r t u m e r
in
Sage
u n d B r a u c h t u m . Kleine h isto ris c h e M o n o g r a p h i e n . H e r a u s g e g e b e n v o n
N ik o la u s H o v o rk a , Nr. 19— 20, 251 Seiten m it 26 H o lz sc h n itte n u n d E in b a n d
vo n R o se Reinhold. (R e in h o ld - V e r la g , W ie n 1929).
D e r s a g e n k u n d i g e V e r fa s s e r b ietet h ier in a n s p r e c h e n d s t e r A u s ­
sta ttu n g
d e r k r ä ftig e k lare D r u c k sei b e s o n d e r s h e r v o r g e h o b e n — eine
r e ic h e A n z ah l v o n B e ispie len alte r R e c h t s h a n d l u n g e n , die sich im G e w a n d
d e r S a g e u n d im V o l k s b ra u c h z u m e i s t k la r ü b e rliefe rt z eigen. Vom U m ­
sc h re ite n d e s L a n d e s und W e is e n se in er G r e n z m a r k e n d u rc h W u r f geleitet
d e r V e rf a s s e r klu g zu den G r ü n d u n g s l e g e n d e n v om v e r w e h t e n Schleier u n d
b a u t a u ch s o n s t s e l b s t ä n d i g au f dem U n t e r g r ü n d e G r i m m s c h e r F o r s c h u n g
w e ite r, w o b e i ihm E in s te llu n g auf d a s b ish e r w e n i g e r b e k a n n t e ö ste rre ic h isc h e
S to f fg e b ie t b e m e r k e n s w e r t e n E r t r a g b rin g t.
A. H a b e r l a n d t .
Dr . St . von G yörffy: D a s B a u w e s e n d e r H i r t e n i m u n g a ­
r i s c h e n T i e f l a n d . ( U e b e r s e t z t vo n ü . v. L a s z l ö ) . M itte ilu n g e n de r
K om m is sio n fü r H e i m a t k u n d e d e r w is s e n s c h a f tlic h e n Gr. St. T is z a -G e se lls c h a ft in D e b r e c z e n . Bd. IV. H. 13— 14, 1927, 124 Se ite n m it 157. Abbild.
Mit vo rtrefflic h e r G r ü n d lic h k e it w e r d e n h ier die u r w ü c h s i g e n B a u te n
fü r Vieh u n d H irten b e h a n d e lt , die u n s als W 'indschirm e, K e g e l d a c h h ü t t e n ,
S a tte l'd a c h h ü tte n so u n g e m e in prim itiv a n m u t e n , in W a h r h e i t a b e r n a c h A n­
la g e u n d A u s b a u d u r c h a u s sin n re ic h e Z w e c k f o r m e n sind, die — in g e w i s s e r
vö lk is c h e r U n te rsc h ie d lic h k e it a n d ies es G e l ä n d e seit alten T a g e n g e b u n d e n
sind. D e r -Text s e t z t sich k la r m it den ge sc h ic h tlich e n N o m a d e n b e w e g u n g e n
u n d d e r E r s t a r r u n g d ies es L e b e n s k r e is e s mit z u n e h m e n d e r Kultiv atio n d e s
G e b i e t e s a u s e in a n d e r , d a s ihm sein erz eit f a s t u n b e g r e n z t offen s t a n d . Die
E n t w i c k l u n g d e r S t a ll w o h n u n g e n in den fe ste n S ie d lu n g e n d e s T ie fla n d e s
g e w i n n t d a m i t einen o r g a n is c h e n U n t e r b a u .
A. H a b e r l a n d t .
Dr. Sigm und v. B atk y : H i r t e n s c h ö p f k e l l e n . 24 Se ite n mit
16 T afeln. E tn o g r a p h i s c i i e S a m m l u n g e n d e s u n g a r is c h e n N a t io n a l m u s e u m s
VI. B u d a p e s t 1928.
V e r f a s s e r u n t e r s c h e id e t z u n ä c h s t die a u s R in d e rh o rn g e sc h n itz te n
B e c h e r d e r u n g a r is c h e n H irten, die m it östlich en F o r m e n v e r w a n d t sein
136
m ö g e n au s, d o c h b r i n g t er B e le g e für d e n O s te n nich t bei, e b e n s o v e r h ä lt es
sich m it d e r S a c h e „ c s a n a k “ ( G e f ä ß o d e r Schöpflöffel). V ie lm e h r g e h t hier
a u s d e r V e r b r e i t u n g in den R a n d g e b i r g e n U n g a r n s u n d in d e n j u g o s l a w i s c h e n
W a l d g e b i r g e n z u s a m m e n m it ä lte re n u n d n e u e r e n V o r k o m m n is s e n in
G r ie c h e n la n d die Z u g e h ö r i g k e i t z u ein em L e b e n s k re is v o n M e n s c h e n h e rv o r,
die m it W a l d u n d N a t u r v e r tr a u t, als H irten, F eld- u n d W a l d h ü t e r o d e r
J ä g e r alte ü b e rlieferte F o r m e n m it g e r in g e n A b w a n d l u n g e n in ziem lich k l a r e r
l a n d s c h a f t l i c h e r B e s o n d e r u n g b e ib e h a l t e n h a b e n . A u s d e r e th n isc h ,
w ie k u l t u r g e o g r a p h i s c h u n d t y p o lo g i s c h g le ic h e rw e ise e t w a s m a n g e l h a f t e n
A n o r d n u n g d e r E in z e ls tü c k e auf d e n T a fe ln g e h t dies s te lle n w e is e n ic h t m it
d e r w ü n s c h e n s w e r t e n Klarheit h e rv o r, d e r F a c h f o r s c h e r m u ß sich die D in g e
gle ic h sa m n e u ve rze tte ln , w ird a b e r d a n n u m s o si c h e re re n G e w i n n a u s d e n
T e x t b e m e r k u n g e n zie hen.
A. H a b e r l a n d t.
Franz O elm ann:
Hausurnen
oder
Speicherurnen?
B o n n e r J a h r b ü c h e r , Heft 1. 34 Seiten. — 39 Seiten. 46 Abb., 1930.
Die H a u s u r n e n d e r e u r o p ä i s c h e n V o r g e s c h ic h t e steilen S p e i c h e r u n d
S p e i c h e r h ä u s e r vo r, d ie s e r sic h er rich tig e u n d v o n de m V e r f a s s e r in k n a p p e r
g e r u n d e t e r B e w e is f ü h r u n g glücklich b e le g t e G e d a n k e e r h e b t die v o rlie g e n d e
kleine Schrift z u e in er b e d e u t s a m e n R ic h tig ste llu n g la n g e f o r t g e e r b t e r w e n n
a u c h im m e r n u r be ilä u fige r T h e o r i e n z u r V o r g e s c h ic h t e d e s e u r o p ä i s c h e n
H a u s b a u s . H e u te n o c h w e r d e n in S ü d o s ta s i e n die G e b e in e d e r T o t e n in
S p e i c h e r h ä u s c h e n a u f g e h o b e n , w a s inhaltlich sich d e n f o r m a le n B e le g e n
n o c h e r g ä n z e n d z u r Seite stellt, die L ic ht a u c h auf
W esen u nd A rt d e r
m y k e n i s c h e n K u p p e l g r ä b e r w e rfen .
A. H a b e r 1 a n d t.
H andbuch d e r Frankreichkunde. Z w e i t e r Teil. M it B e it r ä g e n v o n O.
G ra ee toff, B. G r o e t h n y s e n , K. Hilpert, FL M eerv varth, R. M üller-F reienfels,
F. N e u b e r t, W . Sc hä ze l, F. Schiirr, 0 . V ölk er u n d E. W a h l e . 1930. V e r l a g v o n
M oriz D i e s t e rw e g , F r a n k f u r t a. M.
W ie w o h l die v o r lie g e n d e F ra n k r e i c h k u n d e ke in e n a u s d r ü c k lic h d e r
f ra n z ö s is c h e n V o l k s k u n d e g e w i d m e t e n A b s c h n i t t a u fw e ist, w ie d ies in a u s ­
g e z e ic h n e te r W e i s e in d e r „ E n g l a n d k u n d e “ d e r H a n d b ü c h e r d e r A u s la n d s ­
k u n d e d a s K apitel von L u tz M a c k e n s e n fü r E n g l a n d ge le iste t h a t, w i r d d e r
V o lk s k u n d le r d o c h a u c h a u s d e r g r o ß e n Z ah l a u s g e z e ic h n e t in s t r u k ti v e r A b ­
h a n d lu n g e n , die den v o rl ie g e n d e n B a n d füllen, m a n n i g f a c h e n G e w i n n zie hen.
S o gleich a u s d e m e r s t e n Kapitel, d a s die v o r - u n d f r ü h g e s c h ic h tiic h e n G r u n d ­
l a g e n d e r f ra n z ö s i s c h e n G e s c h i c h t e in d e r D a r s t e l l u n g E. W a h l e ’s b e h a n d e lt ,
so d e sg le ic h e n in d en A b s c h n i t te n ü b e r die f r a n z ö s i s c h e V o lk sw ir tsc h a ft, d a s
f ra n z ö s i s c h e R echt, die f r a n z ö s i s c h e G e s e lls c h a f t u n d die f r a n z ö s i s c h e K unst,
a u s d e n e n allen a u c h d e r auf die V o lk s k u n d e e in g e ste llte L e s e r vielerlei B e­
l e h r u n g e m p f ä n g t. Im m e rh in w ä r e s e h r z u w ü n s c h e n , d a ß in d e n w e i te r e n
B ä n d e n d e r A u s la n d s k u n d e r e g e l m ä ß i g ein speziell v o l k s k u n d l ic h e r A b s c h n i t t
v o n z u s t ä n d i g e r Seite b e ig e s t e u e r t w e r d e .
Pro f. A. H a b e r l a n d t.
H erau sg eb er, E ig en tü m e r u. V erleger: V erein fü r V o lk sk u n d e (P rä s id e n t Prof. L)r.|M H a b e rla n d t.)
V e ra n tw o rtlic h e r R e d a k te u r: Prof. D r. M ichael H a b e r l a n d t . W ien, V III. L au d o n g ^ sse 17. —
B u ch d ru ck erei P ag o , W ien, II. G ro ß e S chiffgasse 4.
137
Hofrat Dr. Michael Haberlandt’s
70. Geburtstag.
Am 29. September 1930 vollendete unser Vereinspräsident
Hofrat Prof. Dr. Michael H a b e r l a n d t , unermüdlich für das Museum
für Volkskunde tätig, sein 70. Lebensjahr. Zahlreiche Beglück­
wünschungen sind ihm aus diesem Anlaß zugemittelt worden, die
vielfach auch dem Aufbau seines Lebenswerkes, des Museums für
Volkskunde, das nun wohl einer gesicherten Zukunft entgegengeht,
galten. Ein sehr anerkennendes und freundliches Schreiben hat der
Bundesminister für Unterricht Prof. Dr. S r b i k an den Jubilar ge­
richtet. Es lautet:
„ Z u Ihrem h e u ti g e n G e b u r t s f e s te s p r e c h e ich Ihnen in eigen en
u n d im N a m e n d e r ö ste r re ic h isc h e n U n t e r r i c h t s v e r w a l t u n g die auf­
ric h tig ste n G l ü c k w ü n s c h e aus. Sie d ürfen h e u t e m it Stolz u n d in n ere r
B e f r ie d ig u n g a u f J a h r z e h n t e u n e rm ü d l i c h e r A rb e it z u rü ck b lic k e n , in
d e n e n Sie G r o ß e s u n d Vorb ildliches a u f de m G e b i e t e d e r ö s t e r r e i ­
c hische n u n d v e r g le ic h e n d e n V o l k s k u n d e g e le istet h a b e n . Ihr L e b e n s ­
w e r k h a b e n Sie d u r c h die S c h a ffu n g des, O e ste rr . M u s e u m s f ü r V o lks­
k u n d e g e k rö n t, w o f ü r Ihnen a u c h k o m m e n d e G e n e r a t io n e n D a n k w issen
w e r d e n . M ö g e n Ihnen n o c h viele J a h r e d e s S c h a f fe n s u n d d e r F r e u d e an
d e m b i s h e r G e s c h a f fe n e n b e sc h ie d e n se in .“
Der Gemeinderat der Stadt Wien hat ihm in der Sitzung vom
3. Oktober 1930 einstimmig das Bürgerrecht der Stadt verliehen
und der Herr Bürgermeister K a r 1 S e i t z hat diesen Akt mit nach­
stehendem Schreiben eingeleitet:
„S ie feiern in diesen T a g e n Ihren s ie b z ig s te n G e b u r t s t a g und
dü rfen an d iesem G e d e n k t a g e a u f eine re ic h e w is s e n s c h a f tlic h e T ä t i g ­
keit z u rü c k b lic k e n , die Ihnen b e d e u t e n d e E rfo lg e g e b r a c h t hat.
Die V e r d ie n ste , die Sie sich als L e h r e r u n d F o r s c h e r auf dem
G e b ie te d e r V o lk s k u n d e u n d i n s b e s o n d e r e u m Ihre S c h ö p fu n g , d a s
O e s te rr e ic h is c h e M u s e u m für V o lk sk u n d e , e r w o r b e n h a b e n , sichern
Ihnen die d a n k b a r e H o c h a c h t u n g d e r S t a d t, in d e r Sie seit Ih rer Ju g e n d
w irke n. G e rn b e n ü tz e ich d en A n la ß , Sie n e u e r d i n g s m e in e r p e r s ö n ­
lichen W e r t s c h ä t z u n g ' zu v e r s ic h e r n u n d Ihnen m ein e he rzlic hste n
G l ü c k w ü n s c h e z u üb e rm itte ln .
M ö g e n sich die vielen W ü n s c h e , die Ihnen an Ihrem G e d e n k t a g e
d a r g e b r a c h t w e r d e n , erfüllen u n d Ihnen K ra ft u n d G e s u n d h e i t in Ihrem
w e i te r e n L ebe n t r e u e B e g le ite r b leib e n .“
l*
138
Ebenso hat die W i e n e r U n i v e r s i t ä t durch den Rektor
Prof. Dr. U e b e r s b e r g er die wissenschaftliche Lebensarbeit des
Jubilars durch folgendes Schreiben geehrt:
„ W i e ich e rs t j e t z t erfa hre , h a b e n Sie, s e h r v e r e h r t e r H e rr
Kollege, s o e b e n die 70. W i e d e r k e h r I h res G e b u r t s t a g e s g e feiert u n d d a
ist e s m ir H e rz e n s b e d ü r f n is , Ihnen n a m e n s d e r W i e n e r U n i v e rs i tä t so w ie
im e ig e n e n N a m e n die w ä r m s t e n G l ü c k w ü n s c h e z u m A u s d r u c k e zu
b rin g e n .
Mit b e r e c h t i g t e r G e n u g t u u n g m ö g e n Sie als S c h ö p fe r u n d A us­
g e s t a l t e r d e s M u s e u m s fü r V o lk sk u n d e , d i e s e r w e i t ü b e r die G r e n z e n
d e s V a t e r l a n d e s r ü h m lic h s t g e w ü r d i g t e n K u ltu r s tä tte , s o w ie als L e h r e r
u n d F o r s c h e r a u f . d e m G e b ie te d e s von Ihn en so v e rd ie n stv o ll v e r ­
t r e t e n e n W is s e n s z w e i g e s a uf Ihr L e b e n s w e r k z u rü c k b lic k e n . M ö g e n
Ihnen n o c h viele J a h r e e rfolgre ic he n S c h a ffe n s u n d b e s t e r G e su n d h e i t
b e s c h ie d e n se in.“
So hat es nicht an öffentlicher hoher Anerkennung gefehlt, die
Verein und Museum gleicher W eise wie ihrem Schöpfer und Gründer
zur Ehre gereichen. Ueber ausdrücklichen W unsch des Gefeierten
ist jede öffentliche Veranstaltung des Vereines gleichwohl unter­
blieben. Es wurde jedoch von Seiten der Ausschuß-M itglieder als
der engeren Mitarbeiter Prof. M. H aberlandt’s die am 13. Oktober
1. J. anberaumte Ausschuß-Sitzung zum Anlaß e i n e r f e i e r l i c h e n B e g r ü ß u n g genommen, in der vor allem der lang­
jährige Vize-Präsident des Vereines für Volkskunde Hofrat Prof. Dr.
E. O b e r h u m m e r das W o rt ergriff, um im kurzen Abriß der w issen ­
schaftlichen Laufbahn M. H aberlandt’s seine Tätigkeit als Sans­
kritist, alsEthnolog wie als Volksforscher und Schöpfer desMuseums
fiirVolkskunde zu würdigen. Auf allen diesen wissenschaftlichen G e­
bieten hat M. Haberlandt wissenschaftliche Arbeit bis in die letzte
Zeit geleistet, wfe aus seinen Veröffentlichungen auf indologischem
Gebiete, aus der mehrfach aufgelegten und in vier W eltsprachen
übersetzten „Allgemeinen Völkerkunde” in ■ der Sammlung
„Göschen”, den grundlegenden Veröffentlichungen über „Oesterreichische Volkskunst” und dem großen W erk „Oesterreich, sein
Land und Volk und seine Kultur” hervorgeht. W ir bezeichnen es als
besonderes Glück, daß sein Lebenswerk, das Museum für Volks­
kunde, nunmehr gefestigt dasteht und daß seine Tätigkeit eine
Nachfolge gefunden hat, die auch die weitere Zukunft des Institutes
verbürgt. Nach Prof. Oberhummer sprach Dr. G. K o t e k, Vorstand
des Deutsches Volksgesangvereines, die Glückwünsche und die An­
erkennung des wissenschaftlichen Wirkens Prof. M. Haberlandt's
139
durch den Deutschen Volksgesangverein in W ien aus, wobei er die
seelische wie äußerliche Uebereinstimmung in dem W irken und
Kampf des Jubilars mit dem des Begründers des Deutschen Volks­
gesangvereines J. Pommer hervorhob. Der Deutsche Volksgesang­
verein hat beschlossen, aus diesem Anlaß Prof. M. Haberlandt zum
Ehrenmitglied zu erwählen und ihm gleichzeitig die silberne
J. Pommer-Medaille zu verleihen. Es liegt die höchste Anerkennung
darin, d aß beide Auszeichnungen zur gleichen Zeit dem Jubilar d ar­
gebracht werden. Herr Kammerrat H. K a n d 1 überbrachte namens
der Kammer für Handel und Gewerbe und Industrie die herzlichsten
Glückwünsche und betonte, daß es der Kammer nach ihren Sat­
zungen nicht möglich sei, eine äußere Auszeichnung darzubringen,
daß aber die Unterstützung, die seit Jahr und T a g von Seiten der
Kammer dem Museum für Volkskunde geboten werde, in erster
Linie als eine W ürdigung der Selbstlosigkeit des Wirkens der
Herren am Museum für Volkskunde bedeute. Einer solchen Be­
tätigung, die in der heutigen Zeit fast wie ein W under wirke, habe
die Kammer unter keinen Umständen die Unterstützung versagen
wollen und er wünscht auch weiterhin dem Institut Glück und Ge­
deihen durch solche Arbeit. Präsident F. S c h u b e r t - S o l d e m
spricht namens des Bundesdenkmalamtes die herzlichsten Glück­
wünsche aus. W enn auch d a s Denkmalamt aus diesem Anlaß keine
besonderen Schritte unternehmen konnte, so erinnere er sich doch
dankbar und freundlich der Tätigkeit M. H aberlandt’s, die dieser im
Rahmen des Denkmalschutzes für die Volkskunst durch Jahre
erfolgreich geleistet hat. O berbaurat H a r t w i g F i s c h e 1
sprach im Namen einer Gruppe schaffender Künstler dem Gefeierten
den Dank und die Anerkennung besonderer Art dafür aus, d aß aus
seinem wissenschaftlich gemeinten W erk Anregung lebendigster
Art auf den schöpferischen Gestaltungswillen in Kunst und Kunst­
gew erbe ausströme. Die Bedeutung dessen in Gegenw art und
Zukunft sei kaum abzusehen und es sei M. Haberlandt mit sicherem
Blick für die Aesthetik seiner Sammlungen eine Auswahl gelungen,
um die ihn viele Fachleute des In- und Auslandes beneiden. Dafür
danke er ihm und wünsche ihm eine glückliche Zukunft.
Sichtbar bew egt dankte Hofrat M. Haberlandt für die ihm
dargebrachten W ünsche und freundliche Gesinnung und hob hervor,
d aß sein W erk, das er Anfangs fast allein, vielfach angefeindet, be­
gonnen hat, ihm im Rahmen des Vereines und seines Ausschusses
mehr und mehr Mitarbeiter geworben habe, die ihn in treuer Ar­
140
beitsgemeinschaft unterstützten. Sein Sohn führe die Aufgabe nun
fort und er gedenke dankbar auch der Mithilfe seiner Schwieger­
tochter, die in den schwierigsten T agen der Museumsübersiedlung
seine Arbeitsgenossin und Helferin zur Neuordnung des M useums­
betriebes gewesen sei. Allen Herren danke er herzlichst und innigst
für die ihm zuteil gewordene Ehrung, namentlich Herrn Dr. K o t e k
für die öffentliche Auszeichnung durch den Deutschen Volksgesang­
verein in W ien und seinem langjährigen M itarbeiter und Freunde
Prof. O b e r h u m m e r für die gütigen W orte, die er an ihn gerichtet
habe. Zur Erinnerung wurde Prof. M. Haberlandt eine künstlerisch
ausgestattete, von sämtlichen anwesenden Ausschuß-Mitgliedern
gefertigte Adresse überreicht, die nachfolgenden W ortlaut hat:
„ M u s e u m u n d Verein fü r V o lk s k u n d e w ollen den b e d e u t s a m e n
L e b e n s a b s c h n it t , in d e n Sie, h o c h v e r e h r te r H e r r H ofrat, e in trete n , n ich t
v o r ü b e r g e h e n lassen, o h n e 111 D a n k b a r k e i t Ihrer u n v e r g ä n g l ic h e n V er­
d ie n s te u m die B e g r ü n d u n g u n d A u s g e s t a l t u n g d e s M u s e u m s u n d die
F ö r d e r u n g de r g e s a m t e n V o lk s k u n d e z u g e d e n k e n .
D u r c h die T e i l n a h m e a n d e r M u s e u m s - u n d V e re in sle itu n g z u r
M ita rb e it a n Ihrem L e b e n s w e r k b e ru fe n , s p r e c h e n die U n te r z e ic h n e te n
Ihnen, H e r r H ofrat, a n lä ß lic h Ih res 70. G e b u r t s t a g e s ihre h erzlichsten
u n d a u fric h tig ste n G l ü c k w ü n s c h e fü r eine n o c h l a n g e w ä h r e n d e erfolg ­
reiche T ä t i g k e i t aus.
ln g r ö ß t e r V e r e h r u n g :
E u g e n O b e r h u m n ie r , A lfons D o p s c h , Ju lius T h ir rin g . L u d w i g
R a d e r m a c h e r , H e r m a n n K andl, G e o r g Kotek, A r t h u r H a b e r l a n d t,
Mizzi H a b e rl a n d t, F. S c h u b e rt- S o ld e r n , Karl G ia nn oni, A. P e r k niann , G e o r g Kyrie, H. Fischei, K. Klier, K. S p ie ß , G. S chlesin ger,
R. Z oder.
Brieflich sandten herzliche Glückwünsche die Mitglieder der
Vereinsleitung: Präsident Otto G 1 ö c k e 1, Sektionschef Dr. A.
B r e y c h a, Hofrat Paul K r e t s c h m e r , Hofrat J. S t r z i g o w s k i ,
Prof. J. W e n i n g e r, Direktor E. Z e 11 w e k e r, Ministerialrat
L. P e t r i n , Dr. F. O 11 m a n n.
Hofrat Prof. Dr. M. Haberlandt sagt Allen, die sich anläßlich
seines 70. G eburtstages freundlich seiner erinnerten, herzlichsten
und wärmsten Dank.
141
Kugelklapper und Hillebille.
Von ]. M a n n i n e n, H eisin gfo rs.
(M it z w ei Bildertafeln u n d dre i T e x t a b b i l d u n g e n ) .
1.
Die Kugeikiapper und die Hiilebiile sind in der deutschen
volkskundlichen Literatur ziemlich viel behandelt worden. Ich hätte
kaum einen Anlaß gehabt, auf diese Lärmgeräte einzugehen, wenn
sie nicht auch in meiner Heimat Finnland bekannt gewesen wären,
und wenn ich nicht glaubte, durch Beibringung neuer Angaben aus
Osteuropa Licht in die Frage nach der Herkunft dieser Geräte
bringen zu können.
Zuerst sei die finnische K u g e l k l a p p e r dargestellt
(Tafel 1, Abb. 1— 2 ). Sie wurde aus einem parallelogrammförmigen
Holzstück hergestellt, das an den Schmalseiten durchbohrt und aus­
gehöhlt wurde. Die Klapperwände waren ziemlich dünn, aber an
den beiden Enden der Aushöhlung wurde der Haltbarkeit wegen
mehr Holz übriggelassen. Gewöhnlich waren die W ände der Aus­
höhlung gerade, selten ist die Form Fig. 2a, bei der die W än de ge­
wölbt sind. Das eine Ende der Klapper lief in den Griff aus, an dem
ändern w ar mittels eines Lederriemens eine hölzerne Kugel be­
festigt, die gewöhnlich rund, bisweilen oval-zitronenförmig, in
einem uns bekannten Falle kegelförmig war. Durch Herumschwingen
der Klapper ließ man die Kugel abwechselnd gegen die beiden
Klapperwände schlagen.
In den Sammlungen des Finnischen Nationalmuseums finden
sich insgesamt 6 Kugelklappern der eben beschriebenen Form.
A ußer einer stammen alle diese aus Ladoga- und Grenz-Karelien.
Eine stammt aus Nord-Sawolax, Ksp. Pielavesi, das vorläufig der
westlichste Ort des Auftretens dieser Klapper ist. Im Museum des
Städtchens Mikkeli (S üd-Saw olax) verwahrt man eine Kugel­
klapper, mit der man daselbst vor ca. 50 Jahren beim Feuerausbruch
alarmiert hat. Das nördlichste mir bekannte Exemplar, schließlich
das zu den Sammlungen der Staatlichen Landwirtschaftlichen Ver­
suchsanstalt (Jokiniemi) gehörte, stammt aus Ost-Oesterbotten
142
(Ksp. Kuhmoniemi). Aus einer Kartenskizze, in die alle
dem Verfasser bekannten Museumsstücke eingetragen sind, geht die
östliche Verbreitung dieses G egenstandes klar hervor.
Die Kugelklapper ist in Finnland zum Zusammenrufen der
Arbeiter zum Essen verwendet worden. Es ist nicht bekannt, d aß sie
irgendwo zu einem anderen Zweck verwendet worden wäre.
Schon das ausgeprägt östliche Verbreitungsgebiet dieser
Klapper in Finnland weist darauf hin, d aß ihr Ursprung wohl in dem
Kreise der russischen Gegenstandskultur zu suchen ist. Tatsächlich
ist die Kugelklapper weithin in Rußland in Gebrauch gewesen,
nicht nur bei den Russen, sondern auch in den deutschen Dörfern
S üd-R ußlands.1) Die russische Klapper entspricht in ihrem Typus
der finnischen.
Außerden ist diese Klapper auch bei den Letten bekannt2). In
der Sammlung für deutsche Volkskunde in Berlin hat Verfasser die
Modelle einer aus Schlesien (H aynau) stammenden Kugelklapper
gesehen. In der Literatur wird die Kugelklapper aus Kärnten,
Steiermark, Salzburg und Tirol erw ähnt3). Wie in Finnland, wurde
sie in diesen Gebirgslandschaften als Eßglocke angew andt; bis­
weilen wird sie auch „Essenklepper” genannt. Sie w a r im Gebirge
viele Kilometer weit hörbar. Außerdem lärmte man stellenweise mit
ihr auch w ährend der Kar- oder Stillen Woche, soweit sie nicht von
der Ratsche verdrängt war. Hinsichtlich ihrer Form ist die Kugel­
klapper auch in diesem ihrem westlichen Gebiet im allgemeinen
ebenso wie im Osten.
Neben dem Haupttyp gibt es jedoch manche mehr oder
weniger abweichende Formen. Im Museum für österreichische Volks­
kunde in Wien befindet sich z. B. eine seltene, aus der Steiermark
stammende Variante mit zwei parallelen Griffen.
Da die Kugelklapper nur aus slavischen Siedlungsgebieten
und au s solchen Gegenden bekannt ist, in denen oder in deren Nähe
eine slavische Bevölkerung entweder w ohnt oder gew ohnt hat,
kann man sie s eh r w a h r s c h e i n l i c h für eine s l a ­
v i s c h e E r f i n d u n g a n s e h e n.
Interessant ist, d aß sfe, wie wir gesehen haben, in den Ost­
alpen (Kärnten, Steiermark, Salzburg und Tirol) auftritt, bis in
O
2)
3)
d. a n th r .
S. 2 1 4 ff;
S. z. B. Z schr. d. Ver. f. Volksk., X ili, S. 436.
B i e l e n s t e i n , H o l z b a u t e n , S. 600
M e r i n g e r (Z sc h r. f. öst. Volksk., X, S. 1 8 4 ); B ü n k e r (Mitt.
Ges., XXXII, S. 100 u. Abb. 7 7 ) ; Z sc h r. d. V e re in s f. Volksk., XII,
XIII, S. 436.
TAFEL I.
A bb. 1. F i n n i s c h e K u g e lk la p p e r n .
A b b . 2. D i e s e l b e n v o n d e r S c h m a l s e i te .
TAFEL II.
143
welche seinerzeit die slavische Siedlung reichte, was u. a. die dort
bis jetzt bekannten Rauchstuben mit ihren auf slavischen Vorbildern
beruhenden Backöfen bew eisen4).
2.
Auch die H i 11 e b i 11 e ist in Ostfinnland bekannt gewesen,
obgleich die Nachrichten über sie sehr selten sind und man sich
jetzt wohl an wenigen Stellen mehr an sie auch nur erinnert. Ein
Schiiderer des südkarelischen Landlebens in den 90ger-Jahren des
vorigen Jahrhunderts erzählt: „Im Herbst machten sich die Hirten­
buben aus Espenholz ein l e p e n ä -Brett; in den oberen Rand des
Brettes bohrten sie kleine Löcher, durch die eine Schnur, mit dem
einen Ende ins eine, mit dem ändern ins andre Loch, gefädelt wurde.
Dann hing man die Schnur u m d e n H a 1 s, so d aß das Brett auf
die Brust kam. Man schlug mit zwei Knütteln an das Brett, das
einen schallenden Ton von sich gab. Damit wollte man die Raub­
tiere von den Viehweiden verscheuchen.”
An einer anderen Stelle beschreibt derselbe Verfasser das
i e p e n ä -Brett als ein ca 1 f 2 m langes Brett aus Fichten- oder
Espenholz, das man mit Knütteln schlug. Auch im Frühjahr, wenn
man das Vieh auf die W eide ließ, schlugen die Hirten im W alde an
das l e p e n ä -Brett, um die Raubtiere zu verscheuchen5).
A ußerdem habe ich soeben durch die freundliche Vermittlung
von Mag. Sulo Haltsonen einige Nachrichten über das Schallbrett
aus dem Ksp. Kirvu in Stidkarelien erhalten. Das „ l e p e n ä -Brett
w ar ein ca. 50 cm langes und ca. 25 cm breites Espenbrett, das die
Hirten gebrauchten, um Bären, Wölfe und andere Raubtiere zu ver­
scheuchen. Sie trugen es an einer Schnur um den Hals und schlugen
mit Holzknütteln, die sie in beiden Händen hatten, an das Brett, was
einen schallenden Ton hervorbrachte.” Eine Heide namens
L e p e n ä k a n g a s (l.-Heide) dürfte ihren Namen davon erhalten
haben, daß sich dort vor alters Wölfe aufgehalten haben und man
deshalb dort öfters als anderwo das Schallbrett anwenden mußte.
4) ln Italien ist eine e in fa ch e re F o rm d e r K u g e l k la p p e r b e k a n n t . Sie
b e s t e h t a u s ein em B re tt, a n d e s s e n einem E n d e sich ein Griffloch befin det,
und an d e m z w ei ru n d e K ugeln m it k u rz e n Riem en b e f e s tig t sind. D ieses
L ä r m g e r ä t w i r d in d e r O s te r w o c h e , w e n n die G io c k en nicht g e lä u t e t w e r d e n ,
a n g e w a n d t ( K a r u t z , A tlas d. Völkerk., II, S. 109, 9 ) . E ine w e i t t r a g e n d e r e
S tim m e als m it d iesem ita lienisch en L ä r m g e r ä t erhielt m a n m it d e r von un s
d a r g e s t e ll t e n K lapp er, die einen a u s g e h ö h lt e n K ö r p e r hat.
5) J. H ä y h ä, K e s ä - a s k a r e e t , S. 118; T alv ito im et, S. 128.
144
Das 1 e p e n ä -Brett ist in Finnland vielleicht niemals anders­
wo als in Süd-Karelien bekannt gewesen. Seine Benennung stammt
aus dem Russischen (vgl. russ. k l e p â l a , k l e p ä l o (d a s Klopfbrett der W ächter Paw low sky).
Das Wortlehn ist diesmal auch ein Sachlehn. Auch in R u ß 1 a n d haben nämlich die Hirten dieses Schallbrett geschlagen. Im
„Russischen M useum” in Leningrad sind zwei Schallbretter der
Hirten ausgestellt, das eine aus dem Gouvernement Kostroma, das
andere von den Großrussen des Gouvernements W ladim ir (Abb. 3).
Es sind dünngehobelte Bretter aus Nadelholz, das eine 98 cm, das
andere 76 cm lang, die Breite 23— 27 cm. Beide Enden des hier ab­
gebildeten Brettes sind abgeschrägt, sodaß der obere Rand
beträchtlich kürzer als der untere geworden ist. Nahe von den
beiden Ecken des oberen Randes befindet sich ein Loch. In diese
Löcher ist ein T ragband, z. B. ein langes, an seinen Enden besticktes
Handtuch geknotet. Nach einer Angabe aus dem Gouvernement
W ladimir trugen die Schafhirten ein solches Brett a n i h r e m
H a l s e und gebrauchten es zum Signalgeben. Das Brett wurde mit
zwei Holzknütteln geschlagen. Diese Angaben über das russische
Schallbrett entsprechen dem und vervollständigen die Schilderungen
des südkarelischen 1 e p e n ä -Brettes.
Außerdem ist das Schallbrett in Rußland zu kirchlichen
Zwecken an Stelle einer Glocke angew andt worden, um das Volk
zusammenzurufen. Noch zu Olearius Zeiten rief man durch Schlagen
einer hölzernen oder eisernen Schallplatte (bllo) zum Gottes­
dienst6).
In einem Aufsatz des russischen Forschers J. Nowoselow in
der Rigaer Zeitung „Segodnja” habe ich soeben eine Nachricht über
die Anwendung des Schallbrettes in einem, auf der Insel Sewang
im Goktscha-See in Armenien gelegenen Kloster gefunden; später
hat mir der erwähnte Gelehrte freundlicherweise eine um die Wende
dieses Jahrhunderts aufgenommene Photographie dieses Gegen­
standes zur Verfügung gestellt (Abb. 5). W ie aus der Abbildung
hervorgeht, entspricht die Form dieses Schallbrettes ganz auffallend
dem oben dargestellten russischen Hirtenschallbrett. Das Vordere
mag auch auf russische Vorbilder zurückgehen.
In ihrer Form von den vorigen abweichend ist das im
„Russischen Museum” ausgestellte huzulische Kirchenschallbrett
“) S u s l o w , T r u d y VI arch . s j e z d a I, S. 261-2.
145
(Abb. 4 ), dessen Länge 105 cm beträgt. Das Brett wurde mit höl­
zernen Hämmern geklopft.
W ie das p o l n i s c h e Schallbrett beschaffen gewesen ist,
das nach Gogol ertönte, wenn die Kosaken ein Dorf angriffen, ist
uns nicht bekannt7).
Auf d e u t s c h e m Boden ist die H i 11 e b i 11 e an vielen
Stellen festgestellt worden: im Harzgebirge, sowie in den nahe­
gelegenen W ald- und Gebirgsgegenden bis an die Weser, im Erz­
gebirge, weiter in Pommern. In S t e i e r m a r k soll die Hillebille
auch Gebrauch gewesen sein. Aus U n g a r n wird die Anwendung
der Hillebille aus Oedenburg erwähnt«).
Der fragliche Typ des Schallbrettes w ar in diesen westlichen
Verbreitungsgebieten, soweit nähere Angaben davon existieren,
zwischen zwei Pfählen aufgehängt. Das Brett wurde mit zwei Holz­
hämmern in bestimmtem T ak t geschlagen. Der Zweck war, Signale
zu geben. In Pommern z. B. rief man mit der Hillebille die Arbeiter
mittags und abends zur Arbeit9). Am weitesten entwickelt w a r die
A nwendung der Hillebille im Harz, wo die Köhler damit vielerlei
Zeichen geben konnten, je nachdem, in welchem T akte man schlug:
Bitte um Nothilfe, Essenruf, Nachricht an die W aldhüter über W ild­
bret und über andere Dinge10).
Für die besprochenen Schallbretter w ar die Querstellung des
Brettes typisch. W ir lassen die Bretter, die in der Längsrichtung
herabhängen und die Angaben, aus denen nicht hervorgeht, um
welche Art Schallbrett es sich handelt, unberücksichtigt.
Da wir so das querhängende Schallbrett sowohl aus Rußland
(und Armenien), wie aus dem germanischen Gebiet kennen, bleibt
die Frage zu entscheiden, wo der Gegenstand ursprünglich ist. W ir
kommen der Entscheidung näher, wenn wir das Schallbrett auch bei
den Südslaven finden. Das b o s n i s c h e klepalo erinnert sehr an
die deutsche Hillebille. Den Namen K l e p a l o kennen wir schon
von den Russen; er scheint also aus der gemeinslavischen Zeit zu
stammen.
7) B l ä t t e r fü r p o m m e r s c h e V o lk sk u n d e , III, S te ttin 1895, S. 126.
s ) Z sc h r. d. Ver. f. V o lk sk u n d e , V, 1895, S. 327-28.
9) A n d r e e, B r a u n s c h w e i g . V o lk sk u n d e , 1896, S. 185; B l ä t t e r f.pom m .
V o lk sk u n d e , III, S. 80.
10) Z sc h r. d. Ver. f. V o lk sk u n d e , V, 1895, S. 104.
2*
146
Stellenweise sollen die bosnischen Dorfältesten auch jetzt
noch das Schallbrett anwenden, wenn sie die Gemeindemitglieder
zu Beratungen oder zu einem anderen Zwecke zusammenrufen
wollen. Früher soll jeder Hof ein solches Brett gehabt haben, auf
das man schlug, wenn Räuber einen Angriff machten oder wenn
Feuer ausbrach11)- Auch die B u l g a r e n , also wieder ein slavisches Volk, kennen das Schallbrett. Das hier abgebildete Brett
(Abb. 6), ist in einem Kloster gebraucht worden. Am nächsten
könnte man es mit dem Schallbrett der Huzulen vergleichen
(Abb. 5).
Es ist unwahrscheinlich anzunehmen, d aß das querhängende
Schallbrett auf germanischem Boden ursprünglicher wäre und von
dort zu den slavischen Völkern gelangt sei. Leichter ist die Uebertragung in umgekehrter Richtung zu erklären. Es ist zu beachten,
daß man die Hillebille in Deutschland aus solchen Gegenden kennt,
in denen früher eine slavische Bevölkerung gelebt hat (Pommern,
Erzgebirge). Das oben erwähte Oedenburg liegt ja an der Grenze
der Steiermark, aus der auch andere volkskundliche Hinterlassen­
schaften der Slaven bekannt sind. W a s schließlich den Harz betrifft,
aus dem die ausführlichsten Angaben über das deutsche Schallbrett
stammen, so teilt Andree mit, daß die Hillebille seinerzeit von den
Neuansiedlern aus dem Erzgebirge dorthin gebracht worden ist12).
Die Harzgegend ihrerseits scheint ein Zentrum gewesen zu sein,
von dem sich dieser Gegenstand weiter nach verschiedenen Seiten,
vor allem nach W esten und Nordwesten verbreitet h at13).
n ) C u r c i c, R e z e n te P f a h l b a u t e n v o n D o n j a D olina in Bosnien . E r ­
g ä n z u n g s h e f t IX d. Z sc hr. f. öst. V olkskun de, S. 76 u n d T a f . II, 6.
12) B r a u n s c h w . V o lk sk u n d e , S. 185.
13) Die d e u ts c h e
B e z e ic h n u n g d e s S c h a llb f e tte s , H e M e b i 11 e,
H i 11 e b i 11 e h a t m a n auf vielerlei W e i s e z u e r k lä re n v e rs u c h t. B e s o n d e r s
ü b e r d e n z w e ite n Teil de s W o r t e s s in d v e r s c h i e d e n e A n s ic h te n g e ä u ß e r t ,
w o r d e n . N a c h M. K a h 1 o, d e r die F r a g e z u le tz t v o m k u ltu r g e sc h ic h tlic h e n
und s p ra c h lic h e n S t a n d p u n k t a u s b e h a n d e lt h a t ( W . u. S., XI, 1928), ist die
E r k lä r u n g de s N a m e n s n o c h i m m e r „ o f fe n “ . Am w a h r s c h e i n l ic h s t e n e rsc h e in t
die A b le itu n g d e s z w e ite n T eiles d e s W o r t e s von d e m m itte l h o c h d e u t s c h e n
V e rb u m b i l l e n , s c h la g e n , L ä rm m a c h e n (vgl. russ. b i l o ( S c h a l t b r e t t ) zu
b i t ’ ( S c h l a g e n ) ; eng. b e l l G lo c k e ) .
147
In den skandinavischenLändern kennt man die Hillebille nicht.
Dagegen ist sie bei den E s t e n und L e t t e n bekannt gewesen.
Bielenstein bildet eine lettische Vorrichtung ab (Abb. 7), zu der
ein einziger Pfahl gehört, an dessen herausragendem Arm ein 114
bis 2 Fuß langes Brett gehängt ist; außerdem erwähnt er ein Schall­
brett, das von dem gewöhnlichen, uns bisher bekannten Typ ist; das
A b b . 7. L e t t is c h e Hillebille ( s e l t e n e r e F o r m ) .
Brett wird an einer von zwei Pfählen getragenen Stange aufgehängt.
Diesen Typ kennen wir auch aus einer anderen lettischen Quelle.
Mit dem Schallbrett rief man auch in Lettland die Arbeiter zum
Essen. Auf Anordnung der russischen Behörden wurden einst
Schallbretfer an den L andstraßen in der Nähe von Höfen aufgestellt,
damit die im Schneesturm verirrten durch Schlagen ihre Notlage
kundgeben und in menschliche Behausungen gelangen konnten14).
In E s t l a n d ist das Schallbrett stellenweise noch jetzt in
Gebrauch, besonders als Alarmgerät bei Feuergefahr. Vor einiger
Zeit diente es allgemein als Eßglocke. Noch vor ein paar Jahren hat
es Verfasser in zwei konservativen Kirchspielen des Bezirkes Pernau
(Halbste, Karksi) in dieser Verwendung gesehen. Nach Wiedemann
wurde das Schallbrett (est. 1 0 k k, 1 0 k a t ’ s) sowohl als Eßglocke
für die Arbeiter, wie als Feueralarm gerät verwendet. Eine alte
Quelle erwähnt, den Gebrauch des Schallbrettes auch als Kirchen­
glocke15).
Von der Form des estnischen Schallbrettes gibt Abb. 8 eine
genügend klare Vorstellung. Das estnische Schallbrett ist nicht, wie
man vielleicht glauben könnte, russischen Ursprungs, sondern aus
14) B i e 1 e n s t e i n, Die H o lz b a u te n , S. 163; L atv ija s Säule,
Nr. 21— 22, S. 223.
15) P e t r i , E h s t l a n d u. die E h s t e n , 11, 1802, S. 456.
1924,
148
Deutschland gekommen und zwar zuerst in die Gutshöfe, aus denen
es dann, soweit das Bedürfnis vorhanden war, auch die Bauern
übernahmen. Aber hauptsächlich stand es in der Vorstellung des
A b b . 8. E s t n is c h e H ille b ille ( E s t n i s c h e s N a t i o n a l m u s e u m , D o r p a t ) .
Volkes immer mit den Gutshöfen in Verbindung, damit wurden die
Fronarbeiter zusammengerufen. W egen seines Zweckes erhielt es
vom Volke den bezeichnenden Namen o r j a p i 11, Sklaven-pill’
(p i 1 1 = Musikinstrument).
A ußer den oben erwähnten hat das Schallbrett im Estnischen
noch andere Namen: l ö k k , l ö k u l a n d , k o l ’ k ( k o l ’ k i
l ö ö m a ) , k l o p p - , k l o p a l a u d . Die beiden letzten Namen
gehen klar auf das deutsche W ort K l o p f b r e t t zurück.
Weihnachtsbräuche in Knittelfeld und Umgebung.
Dr. G ise la M a y e r - P i t s c h .
Z u r Z eit d e r W in t e r s o n n e n w e n d e fe ie rte n die G e r m a n e n ein O pfèrfest,
bei d e m d e r A h n e n g e d a c h t w u r d e . W e n n a u c h die E r i n n e r u n g a n diesen
G e d a n k e n v e r b l a ß t ist, Illing er d o c h n o c h im B r a u c h t u m d u rc h . E s finden
sich R e ste v e r s c h i e d e n e r O p f e r g a b e n a n die T o te n . W ie a m A n f a n g ein es
n e u e n Z e i t a b s c h n i tt e s leicht erklärlich, s u c h t d e r M e n s c h d a s Sc h ick s al fü r
d a s k o m m e n d e J a h r z u e r k u n d e n u n d hofft, dies m it Hilfe d e r G e i s t e r leichter
b e w e rk s te l li g e n zu k ö n n e n . A uch F r u c h t b a r k e i t s z a u b e r b e g i n n t sc h o n mit
de m P e r c h t e n t a g . B e g reiflic h erw eise erhie lt sich v o n all d iesen a lte n G e ­
b r ä u c h e n g e r a d e in n ä c h s t e r N ä h e einer I n d u s t r i e s ta d t w ie Knittelfeld nicht
m e h r g a r viel. E s l ä ß t sich a u c h in d e m w e n i g e n , d a s j e t z t n o c h g e ü b t w ird,
die e in stige D e n k w e is e e rk e n n e n , die fo lg e r ic h tig d e n G a n g d e r H a n d l u n g
be stim m t.
149
D u r c h W e i h r a u c h u n d W e i h w a s s e r , R a u c h e n u n d S p re n g e n , w i r d a m
W e i h n a c h t s a b e n d , zu S ilv este r u n d v o r d e m D r e i k ö n ig s ta g d a s H a u s in de r
S t a d t u n d auf d e m L a n d v o r Unheil g e s c h ü tz t. D e r B a u e r b e z i e h t in seinem
w e ih n a c h tlic h e n U m g a n g , w e n n er m it de m W e g z u r M e t te v e r b u n d e n ist,
a u ch G a r t e n u n d Feld ein. H ü t e t er, w ä h r e n d alle a n d e r e n die C h ri s t m e t te
b e s u c h e n , d a s H a u s, b r i n g t er a u c h d e m Vieh seine W e i h e g a b e n , „ N u d e l n “
m it e t w a s G e w e ih t e m , m e i s t P a l m k a t z e r in darin. Am V o r a b e n d v o n D re i­
k ö n i g m a l t er die dre i K r e u ze z w i s c h e n die A n f a n g s b u c h s t a b e n C M B de r
heiligen drei Könige. Als O p fe r f ü r F ra u P e rc h ti w ird m a n c h m a l noch Milch­
k o c h aufgeste llt. Die S c h ü ss e l u m g i b t m a n m it Mehl, in d e m m a n frü h die
F u ß s p u r e n d e r S e e lc h e n s c h a r sieht, w ä h r e n d F r a u P e r c h ti ü b e r d a s Brot
sc h r e i t e t u n d e s s e g n e t. D a s V e r s c h w i n d e n d e r M ilchspeise w i r d freu d ig
b eg rü ßt.
Die G e ister, die m a n sich im K e h rich t d e n k t, m ü s s e n g e s c h o n t w e r d e n .
A m C hrist-, N e u j a h r s - u n d D r e i k ö n ig s ta g d a rf kein K e hrich t a u s d e m H a u s
g e t r a g e n w e r d e n , s o n s t w i r d d a s G lück h i n a u s g e k e h r t. U e b e r h a u p t d a r f nie
g e g e n die T ü r e zu g e k e h r t w e r d e n . A uch die A b n e i g u n g d e r G e i s t e r g e g en
spitze S t a h l g e g e n s t ä n d e h e is c h t B e rü c k s ic h ti g u n g . W e r a m N e u j a h r s t a g e
eine N a d el in die H a n d nim m t, o d e r g a r n ä h t, z ie h t sich U n g lü c k zu. W ä s c h e ,
b e s o n d e r s K in d e rw ä s c h e , soll nich t auf de m g e f ä h r d e te n D a c h b o d e n h ä n g e n
bleiben, d a s b r i n g t K ra n k h eit. A ehnlicn h e x e n z u r S o m m e r s o n n e n w e n d e die
b ö s e n G e i s t e r den K re b s in W ä s c h e , die ü b e r N a c h t im F re ien h ä n g e n bleibt,
s c h la g e n a b e r a u ch j e d e n mit K r e b s — sollte nicht u r s p r ü n g l i c h Kropf g e ­
m e in t g e w e s e n sein ? — d e r n a c h S o n n e n u n t e r g a n g n o c h im Freien a rbeite t.
W e r e s v e r s ä u m t in d e r C h r i s t n a c h t G e t r e i d e k ö r n e r in die T a s c h e zu ste ck e n ,
d a rf sich kein G lü c k erhoffen. D re im a l d e n B od e n s t a m p f e n u n d „ n e i n “ dazu
s a g e n , s c h ü t z t v o r d e m T eufel. ( A u s K ä r n t e n ) . Freilich g i b t e s eine N a c h ­
hilfe fü r d a s Glück. W ie a lle ro rts gilt d a s S c h w e in a b e r a u c h d e r R a u c h ­
f a n g k e h r e r als G lü c k b rin g e r . Ein zu S ilv es te r beim S c h w a n z g e z o g e n e s
S c h w e in s i c h e rt d a s G lü c k fü r d a s g a n z e Ja h r. Beim Anblick ein e s R a u c h ­
f a n g k e h r e r s h e i ß t es schnell a n einen Kno pf gre ifen u n d ihn ha lte n , bis de r
R a u c h f a n g k e h r e r a u ß e r Sich t ist. A n d e re b e h a u p t e n , bis ein H u n d o d e r ein
S c h im m e l e rsch e in t, d a n n g e h t d e r g e d a c h t e W u n s c h in E rfüllung. G r u n d ­
b e d i n g u n g b leibt dab ei, d a ß d e r R a u c h f a n g k e h r e r seine L eiter t r ä g t . A uch
ist d a s z u e r w a r t e n d e G lü c k g r ö ß e r , w e n n ein w e i ß e r H u n d a u f ta u c h t , als
bei ein em s c h w a r z e n . Ein R a u c h f a n g k e h r e r früh beim E inkauf, g e fo lg t von
ein em B ä ck e r, g elten als b e s o n d e r e G l ü c k s b o te n .
E n t s p r e c h e n d d e m m en s c h lic h e n H a n g , d a s K o m m e n d e e n tr ä ts e l n zu
v/ollen, b lü h t die Z u k u n f ts e r f o r s c h u n g , die m e ist u n b e m e r k t u n d u n g e k r ä n k t
v o m S p o t t d e r M i t m e n s c h e n zu m i t t e r n ä c h t i g e r S t u n d e g e heim g e ü b t w e r d e n
k a n n . N ic h t n u r die z w ölf R a u c h n ä c h t e dienen ihr, a u c h T h o m a s — 21. D e ­
z e m b e r — m u ß sc h o n se in e Hilfe leihen. Auf v e r s c h i e d e n s te W e i s e w ir d er
um seinen B e is ta n d a n g e g a n g e n , vielleicht m it e t w a s v e r s t ü m m e lt e n S p rü c h e n ,
die n o c h d e n u r s p r ü n g l i c h e n Sinn a b e r nich t m e h r d e n W o r t l a u t b e w a h r t
h a b e n . So b i tt e t ein M ä d c h e n : „H eiliger T h o m a s , sc hick m ir ein Hu nderl, d a s
m ir z e i g t an, w o ich h in k o m m e n k a n n ! “ Die R ic h t u n g d e s Bellens v e rrä t ,
w o h e r d e r F r e ie r k o m m t . Ein a n d e r e s M ä d c h e n s e t z t sich aufs Bett, s c h l ä g t
m it den F ü ß e n g e g e n die „ B e t t l a t t e n “ u n d s a g t d a b e i : „ H eilig er T h o m a s , l a ß
150
mir in d ies er N a c h t d e n M ein en e r s c h e i n e n ! “ w ä h r e n d w i e d e r a n d e r e m it dem
Kopfe a m F u ß e n d e d e s B e tt e s einschlafen, n a c h d e m sie v o r h e r g e b e t e n h a b e n :
„ L a ß m ir ersche in den A llerliebsten m ein o d e r e in fa che r: „ Z e ig m ir an, w e n
i h e ira te n k a n n ! “ H e irat o d e r V e r la s s e n d e s H a u s e s b e s c h ä f t ig t e b e n s o w ie
d e r T o d d a s G e m ü t d e r m eisten. Ein P a t s c h e n , in d e r C h rist- o d e r S ilveste r­
n a c h t vo m F u ß ü b e r die S c h u lte r g e s c h le u d e r t, z e i g t z u r T ü r e , w e n n die
W e r f e n d e h e ir a te t o d e r w e g k o m m t . D e r P a t s c h e n w i r d a u c h in d e n heiligen
drei N ä c h t e n n a c h ein em H a k e n g e w o r f e n . B leib t er nie h ä n g e n , st i r b t de r
W e r f e n d e im fo lg e n d e n Ja h r. In d e r S ilv e s te r n a c h t w ir ft m a n als Spie! m it d e m
P a t s c h e n n a c h einer T a u b e — H o l z s t ü c k beim E is s c h ie ß e n — w e r ihr am
n ä c h s te n k o m m t , h a t g e w o n n e n , d. h. w ohl, h a t d a s g r ö ß t e G lü c k zu e r w a r t e n .
A us d e r H o lz h ü tte holt d a s M ä d c h e n einen Arm voll Holz. E r w i s c h t es eine
g e r a d e Anzahl, h e ir a te t es. H a b e n d iese O ra k el v e r s a g t , d a n n k a n n d a s
M ä d c h e n n o c h in einem Zipfel ih res B e tt p o l s t e r s G eld g e b e n . W e n n sie ihn
f.m S c hlaf e r f a ß t , h e ir a te t sie. E in Kind w i r d in d e m H a u s g e b o r e n , bei d e m
sich g r ü n e r R a s e n u n te r de m in d e r W e i h n a c h t s z e i t w e g g e k e h r t e n S c h n e e
zeigt. S p r e c h e n , d a s in d e r C h r i s t n a c h t bei einer T a n n e g e h ö r t w ird , ve'rrät
einen v e r g r a b e n e n S c h a tz . D a s N i e d e r s c h l a g e n d e s R a u c h e s an ein em z u r
B e o b a c h t u n g b e s t i m m t e n T a g b e d e u t e t d e n T o d e ine s H a u s b e w o h n e r s — a u s
K ä r n te n hier e in g e fü h rt. Zu d e n b ö s e n , U n g l ü c k k ü n d e n d e n V o rz e ic h e n g e h ö r t
ein M esser, d a s in d e r C h r i s t n a c h t h e r u n te r fä llt u n d im B o d e n ste c k e n bleibt.
S c h lec h te E r n te d ro h t, w e n n ein z u r W e i h n a c h t s z e i t z e r t r e t e n e s S a m e n k o r n
i nnen s c h w a r z ist; d e r T o d e ine s F a m ilien m itg lied e s, w e n n die e r ste a m W e i h ­
n a c h t s a b e n d g e ö ffn e te N u ß sc h l e c h t ist. E in en w e i te re n S p ie lr a u m l ä ß t eine
a n d e r e w e ih n a c h tlic h e Z u k u n f ts b e f r a g u n g . M a n le g t a u f d e n T is c h Ring, Sack,
K erze, P u p p e , F in g e r h u t, R o s e n k r a n z , G e b e t b u c h . D a n n g e h e n alle T e i l n e h m e r
bis auf einen h in aus, d e r die G e g e n s t ä n d e m it „ H ä f e n “ z u d e c k t. Die H ereink o m m e n d e n h e b e n die H ä fen auf. j e n a c h den g e tr o ff e n e n G e g e n s t a n d b e ­
d e u t e t es: H eirat, W a n d e r n , T o d , Kind, B e sitz ein es H a u s e s , W a llfa h r t, Kloster.
Ein a lte s W e i b , d a s am C h r i s t t a g v o r ein em H a u s s t e h e n bleibt, w e i s t auf einen
T o d e s fa ll darin, ein „ s c h ö n e r H e r r “ auf Glück. N ic ht n u r a m e r ste n T a g d e s
J a h r e s s a g t ein bei ein em F e n s t e r h e r a u s s c h a u e n d e r s c h w a r z e r K opf K r a n k h e it
o d e r T o d v o ra u s. G e g e n d a s U n g lü c k , d a s eine ü b e r d e n W e g lau fe n d e w e i ß e
K atze b rin g t, hilft n u r W e g s c h a u e n u n d d a s A b w e h r m i tt e ! d e s A u s s p u c k e n s .
W ie F r e i t a g s t r ä u m e g e h e n a u c h die d e r C h r i s t n a c h t im m e r in E rfüllung.
Ein T r a u m v o n E n g e l n k ü n d e t T o d , d e r T r a u m v o n Z ä h n e n b r i n g t j e d e r z e it
T o d in d e r V e r w a n d s c h a f t — allgem ein , — U n g lü c k d e r v o n w e i ß e r a u f g e ­
h ä n g t e r W ä s c h e u n d S c him m e ln, w ä h r e n d d e r v o n M isth a u f e n u n d L ä u s e n auf
G lüc k h inw e ist. S c h o n a m n ä c h s t e n M o r g e n ist e s n a c h d e m T r a u m , „ d a ß
ein V oge l h i n te r e in em e t w a s fallen l ä ß t “, z u e r w a r t e n . W i r d m a n a u s einem
s c h ö n e n T r a u m g e w e c k t u n d will ihn w e i te r t r ä u m e n , rn u ß m a n die D e c k e
ü b e r d e n K opf z ie hen u n d d e n P o l s t e r fe st a n b e id e O h r e n d rü c k e n .
Z u r Z eit d e r M e t te s p r e c h e n die T ie re. D e r L a u s c h e r m u ß F a r n s a m e n
zu sich ste c k e n , um sie z u v e r s t e h e n . Die F r a u läuft b e im M e t te l ä u t e n z um
Z w e t s c h k e n b a u m u n d s c h ü t te l t ihn, o h n e h in a u fz u s c h a u e n . F ä llt S c h n e e
h e ru n te r , g ib t es ein g u t e s Z w e t s c h k e n j a h r . D a s S c h ü tte ln d e r B ä u m e e rin n e rt
an alten F r u c h t b a r k e it s z a u b e r , d e r hier m it d e r F r a g e n a c h d e m G e d e i h e n d e s
O b s t e s v e r b u n d e n ist. V ollm ond z u M i t te r n a c h t b r i n g t ein g u t e s Ja h r. N a c h
151
d e r M e tte g e h t ein H a u s b e w o h n e r d re im al um d a s H a u s. Musik, die er dabei
h ört, lä ß t auf H e ir a t sc hlie ßen , d a s G e r ä u s c h ein er S ä g e auf T o d . N a c h a n d e r e r
A n s ic h t ist n a c h d r e im a lig e m U m g a n g um d a s H a u s d a s B e tr e t e n d u r c h die
H i n t e r t ü r erfo rderlic h, n a c h d e m v o r h e r auf d a s D a c h g e s c h a u t w u rd e . Ein d o r t
e r s c h e i n e n d e r B l u m e n s t r a u ß b e d e u t e t H o c h ze it ein es H a u s g e n o s s e n , ein S a r g
den T o d . D e r D a c h f ir s t als T u m m e lp l a t z d e r G e i s t e r e ig n e t sich b e s o n d e r s für
so lc he B e o b a c h t u n g e n . N a c h dies em n ä c h tlic h e n R u n d g a n g b e t r a c h t e t m a n
den S c h a tt e n . F e h lt ihm d e r Kopf, s t i r b t je m a n d , t r ä g t er einen Kopf, g i b t es
H ochzeit. D e r P a u s e n d o r f e r b e o b a c h t e t d a s d a h eim n a c h de r M i t te r n a c h t s m e t t e
e n tz ü n d e t e Fe u e r. Sein F la ck e rn b r i n g t T o d . A uch bei d e r T r a u u n g v e r ra t e n
die K e rze n d urc h ihr F la ck e rn , w e lc h e m d e r b e id e n E h e g a t t e n z u e r s t d e r T o d
d roh t. V e rsc h ie d e n s c h ä t z t m a n die K r e u z w e g e ein. D o r t e r s c h e i n t d e m , de r
sich hinlegt, z u r M i t te r n a c h t d e r T e u fe l u n d w irft ihm einen B e u te l G eld zu.
D o c h m u ß m a n sich v o r j e d e r B e w e g u n g h ü ten , weil m an s o n s t z e rr isse n wird,
ln den drei N ä c h t e n auf K r e u z w e g e n g e h ö r te G e s p r ä c h e g e h e n ln E rfü llu n g —
a u s d e m W ald v iertel. — In P a u s e n d o r f leb t d e r feste G la u b e , d a ß d a s B e tre te n
e in e s K r e u z w e g e s in d e r W e i h n a c h t s z e i t ü b e r h a u p t nich t m ö glic h sei, ohne
von den G e i s t e r n g r o ß e n S c h a d e n zu erleiden.
F o h n s d o r f k e n n t m ä r c h e n h a f t e n Z a u b e r . Ein in d e r S i l v e s te r n a c h t g e ­
f a n g e n e r K r e b s w ir d in k o c h e n d e s W a s s e r g e w o r fe n . Die V o g e l s p r a c h e ve r­
ste h t, w e r den F i n g e r in d a s W a s s e r s t e c k t und d a m i t die L ippen b e rü h rt.
U ra lte r M y t h u s kling t auf: im M ä rc h e n b ri n g t d e r G e n u ß von S c h lan g e n fle isc h
K e n n tn is d e r T ie r s p r a c h e , Sigfried t a u c h t den F i n g e r in D r a c h e n b l u t u n d fü h rt
den s c h m e r z e n d e n z u m M u n d : da v e r s t e h t er, w a s die V ögei sin g e n . W ie tief
v e r w u r z e l t e rs c h e in t d e r G l a u b e an d ieses g e heim nisv olle alte V o lk sg u t, w e n n
e s nich t n u r im M ä r c h e n u n d H e l d e n s a n g so n d e r n a u ch n o c h im B r a u c h t u m
d e s A l t a g s le b e n s k r ä ft i g w e ite r w ir k t.
Wetterglaube.
Dr. G i s e l a M a y e r - P i t s c h .
Zu den im J a h r g a n g 1929, Heft 5/6, S. 127 a n g e f ü h r t e n Sc h u tzm itte ln
m ö c h t e ich n o c h einige h in z u fü g e n , w ie sie in S t e ie r m a r k u n d K ä rn te n noch
a n g e w e n d e t w e r d e n . W ie d e r u m h a n d e l t es sich e n t w e d e r u m ein B e k ä m p fe n
ddr G e w i t te r u n h o ld e o d e r u m ihre B e s ä n f ti g u n g d u rc h O p f e r g a b e n ; a u ch
A n a l o g ie z a u b e r w ir d g e ü b t.
ln K ä r n t e n w e r d e n be i U n w e t t e r Sicheln u n d S e n s e n m it d e r Spitze
na ch o b e n au fgeste llt, d e r S te ire r le g t bei H a g e l z w ei K e tte n ü b e r Kreuz
auf den W e g , a n d e r e richten eine frisch geschliffene H a c k e m it de'r S c h n e id e
n a c h o be n, „ d a m i t sich d e r H a g e l z e rteile “ . So h e i ß t die E r k lä r u n g . W e n n a b e r
d e r B a u e r d a s a u s g e z o g e n e H e m d n e b e n einen T r o g m it F u t t e r legt, „ d a m i t
sich d e r H a g e l a n f re s s e n k ö n n e “ , m e r k t m a n w o hl, w ie sich d e r L a n d m a n n m it
d e m p e r sö n lic h g e d a c h te n H a g e l g u t stellen, o d e r w e n n dies nich t gelingt, ihn
wie ein L e b e w e s e n v e rn ic h te n will. So f ü t t e r t m a n in d e r U m g e b u n g v o n
152
K la g e n f u rt die D ä m o n e n , w e n n m a n einen S u p p e n t o p f m it S u p p e z u m F e n s t e r
hin au s w irft, uni d a s U n w e t t e r zu v e r tre ib e n . A u c h d a s T u c h , m it d e m zu O s te r n
d a s W eihfie isc h z u g e d e c k t w a r, w i rk t b e s ä n ft i g e n d . O p f e r g a b e n , wie sie d a s
A im w a b e r l u n d die A lm m a n d e rln — als A h n e n - u n d B e g g e i s t e r — a u c h j e t z t
noch v e rla n g e n , h e is c h t a u c h d a s M a n d e rl, d a s in Z e l t w e g bei sc h ö n e m
W e t t e r z u d e n Leuten, die be im H e u en sind, k o m m t , v o n d e r B äu rin Milch
v e r la n g t u n d ein n a h e n d e s G e w i t te r , u rs p rü n g lic h w o h l als D a n k für die G a b e ,
a n k ü n d ig t .
M a n n i g fa c h e P fla nze n w e r d e n v e r b ra n n t . N ic h t n u r im Z irb itz k o g e lgebiet, a u c h im E n n s ta l, R eif e rsd orf bei Knittelfeld u n d a u f d e r S e k k a u e r
H oc halm m u ß d a s P a l m k a t z e r l auf d e r H e r d p l a t te v e r b r a n n t w e r d e n ; im H e rd
w ü r d e es d e n Blitz a n zieh e n , wie m a n in R eif e rsdorf s a g t . In Knittelfeld se lbst
w ird es ins F e u e r g e w o r fe n . A u c h B r e n n e s s e l n , H a n a f — Hanf, — K ra n e w itt,
E ic h en - u n d L in d e n b l ä t te r w e r d e n als G e w i t te r s c h u tz v e r b r a n n t . In K ä rn te n
fü g t m a n z u B re n n es sel, H a nf u n d K r a n e w it t n o c h W ic k e n u n d E r b s e n b lä tt e r .
Im E n n sta l n i m m t m a n a u c h die B re n n es sel, d a z u a b e r Eicheln u n d L in d e n ­
b l ä t t e r u n d t a u c h t alles v o r h e r ins W e i h w a s s e r . A us Italien E i n g e w a n d e r t e er­
zählen, d a ß d o r t O liv en z w e ig e , die zu Allerheiligen g e w e i h t w o r d e n sind, an
r e g e n g e s c h ü t z t e r Stelle im Freien a n g e z ii n d e t w e r d e n . D e r P a l m b u s c h e n b e ­
w a h r t seine S e g e n s w i r k u n g alle rd in g s a u c h , o h n e d a ß er v e r b r a n n t w ird.
U n te r s D a c h z w i s c h e n die Z iegeln g e s te c k t, s c h ü t z t e r d a s ste irisc he H a u s
v o r de m E in s c h la g e n d e s Blitzes, w ie die P a l m k a t z e r ln , die bei G e w i t t e r u n te r
G e b e t e n in d e r F e n s t e r n ä h e a n g e b r a c h t w e r d e n . In Melk w ir d eine K o r n ä h re
ge p flü c k t u n d an d a s F e n s t e r d e s W o h n h a u s e s g e s te c k t. W ie m a n m it ein er
P f a n n e d e n H a g e l a u ffä n g t, d e n m a n z e r s c h m e l z e n lä ß t , b r i n g t d e r S a c h e n d o rfer bei a ll z u s t a rk e m R e g e n ein F a ß ins F'reie. Ist es gefüllt, so h ö r t du rc h
A u s g le i c h u n g d e r R e g e n auf. N a c h italienisch em B r a u c h sc h i e b t m a n sich z w ei
H a g e l k ö r n e r ins G e n ick u n d g e h t d a m i t b e te n . In A d m o n t b e w a h r t m a n ein
S t ü c k W eih h o lz in d e r K o h le nk iste auf, d a s be i G e w i t t e r ins F e u e r g e w o rf e n ,
d e n Blitz a b h ält. E r w i s c h t m a n e s z u einer a n d e r e n Zeit, „ k o m m t de r T e u fe l
un d z e r r e iß t alles.“ D e r Blitz trifft g e w i ß den T r ä g e r eine s frisch g e w a s c h e n e n
H e m d e s o d e r eine m be im F e n s t e r S t e h e n d e n , weil die A u g e n , n a c h a n d e r e n
die Z ä h n e den Blitz anziehe n . Im H e rd e d a rf kein F e ile t b re n n e n — ein all­
ge m e in v e r b r e i te t e r G la ub e.
Dem K ärntner v e rrä t der G ew itterreg en den Stan d der kom m enden
E rn te . E r ba llt v o r d e r A u s s a a t A c k e re r d e zu ein em fe ste n K lu m p en , den er
in d en R e g e n legt. F ä llt d e r B r o c k e n d a b e i a u s e in a n d e r , so w ir d d e r H a g e l die
S a a t v e r n ic h te n ; s a u g t er sich voll u n d bleibt b e is a m m e n , d a n n d e u te t es auf
ein s e g e n s r e i c h e s Jahr.
Ostereier (Pisanice) im Burgenland.
Von P f a r r e r P e t e r J a n d r i s e v i t s ,
S c h a n d o rf.
W ie m a n sich Allerheiligen n ich t o h n e Heilige Stritzel, W e i h n a c h t e n
nicht o h n e C h r i s t b a u m , e b e n s o k a n n sich d e r B u r g e n l ä n d e r O s te r n n ic h t oh ne
„ R o te E ie r “ v orstellen, d a d iese E ie r sc h o n z u r Idylle d e s T a g e s g e h ö r e n .
153
Die Sitte d e r O s te r e i e r ist z w a r k e in e a u ssc h lie ß lic h e b u r g e n lä n d is c h e
Spezialität, w ie sich j e d o c h diese S itte u n t e r den K r o a te n d e s südlichen
B u r g e n la n d e s , n a m e n tlic h a b e r im G ü s s i n g e r B e zirke e n tw ic k e lt h a t, v e r d ie n t
a u s vo lk sk u n d lic h e n R ü c k sic h te n h e r v o rg e h o b e n zu w e rd e n .
Die D e u t s c h e n n e n n e n diese f ä rb ig e n E ie r „ r o t e E i e r “ , weil sie
u r s p rü n g l i c h a ussc h lie ß lic h n u r r o t (m it r o t e n H o l z s p ä n e n ) g e f ä r b t w u r d e n ;
die K r o a te n n e n n e n sie a b e r „ P isa n ic e , d. h. „ b e s c h r i e b e n e E ie r“ , weil m a n
sie n ich t n u r r o t f ä rb t, s o n d e r n a u c h v e r z ie r t b e s c h r i e b e n hat.
In m e i n e r J u g e n d z e it, (in den 80-e r J a h r e n ) sind sie wirklich b u c h ­
s tä blic h b e s c h r i e b e n w o r d e n , d. h. d a s ro h e Ei w u r d e s o r g fä l ti g g e w a s c h e n ,
d a n n m it ein em im a u f g e w ä r m t e n , flüssigen W a c h s e in g e t u n k te n H o lz -S ty lu s
b e s c h rie b e n , s o d a n n in m it W a s s e r a u f g e g o s s e n e n ro t e n H o lz s p ä n e n g e k o ch t,
w o b e i die m it W a c h s b e s c h ri e b e n e n Linien gelblich w e iß blieben, w ä h r e n d
d a s Ei se l b s t r o t g e w o r d e n ist. D iese Z e i c h n u n g fiel n a türlich bei solc her
T e c h n ik im m e r r e c h t g r o b u n d primitiv aus. S p ä t e r h a t m a n eine k u rz e Zeit
s t a t t W a c h s S c h e i d e w a s s e r v e r w e n d e t ( n a tü rlic h sc h o n bei b e r e its g e f ä rb t e n
E ie r n ) , diese Sitte h a t sich a b e r w e g e n d e r G e fährlichke it d e s S c h e id e w a s s e r s
nich t l a n g e g e h alten . An ihre S t e ll e 'tr a t s p ä t e r d a s B e k r a t z e n d e r Eier.
ln d a s sc h o n b e r e i ts g e f ä r b t e Ei w i r d die Z e i c h n u n g m it e iner a b ­
g e b r o c h e n e n Klinge ein es T a s c h e n m e s s e r s e in g e k ra t z t, b e z w . die F a r b e a b ­
g e k r a tz t. D ie se s G e s c h ä f t b e tr e ib e n fa st a u ssc h lie ß lic h n u r F r a u e n u n d M ädel,
oft se l b s t s c h rif tu n k u n d ig e .
Die M otiv e sin d dieselben religiösen, die m a n bei den K ro a te n bei
allen ihren v e r z ie r te n G e g e n s t ä n d e n ( T r u h e n , Stü hlen, B ä n k e n , T o r e n , U m ­
h ä n g t ü c h e r n etc .) findet, n a m e n tlic h H erz, B lu m e n u n d d a s 1 H S ( s e h r oft
a b e r v e r k e h r t : S H I). A u c h be i d e n O s te r e ie r n findet m a n diese M otive, o d e r
w e n i g s t e n s einen Teil d a v o n , b e s o n d e r s a b e r d a s H e rz m it ein em B lu m e n ­
o d e r Z w e ig g e w i n d e , w e l c h e s e n t w e d e r a u s d e m H e rz selb st, o d e r a u s einem
s e p a r a t e n G e f ä ß sich um d a s Ei schlin gt, um d e n Z w e c k d e s E ie s sym b o lis ch
d ä rzuste lle n.
D e n n d a s v e rlieb te u n d h e ir a ts lu s tig e M ä d c h e n b e s c h e n k t ihren A u s­
e r w ä h l t e n m it ein em O ste rei, w e l c h e s sie g e w ö h n l ic h im B u se n v e rb o r g e n
hält, w o h e r d a s s e l b e oft d e r B u r s c h se l b s t — n a tü rlich n ich t o h n e W i d e r s t a n d
d e s M ä d e ls — h e r a u sh o lt. D e r W i d e r s t a n d ist n a tü rlich nich t ernst, b e z w e c k t
n u r die W a h r u n g d e s g e b ü h r e n d e n A n s ta n d e s . D a s O s te rei h a t in solchen
Fällen im m e r d a s H erz a ls M o tiv (oft a u c h z w e i ) , a u s w e l c h e m ein viel v e r ­
z w e i g t e r B a u m h e r a u s w ä c h s t u n d d a s g a n z e Ei s a m t d e m a n d e r e n H e rz u m ­
sc h l in g t un d r e c h t viele Z w e i g e o d e r kleine F rü c h te , K n o s p e n (S y m b o l e des
K i n d e r s e g e n s ) a ufw eist. Z u m K i r c h ta g e r e v a n c h ie r t sich d a n n d e r B u r sc h mit
einem r e c h t g r o ß e n H erz a u s L ebzelt, o d e r w e n n e r d a s M ä de l e t w a s foppen
will, f r a g t er sie früh er, w a s ihr lieber sei, eine h ü b s c h e g r o ß e L eb z e ltp u p p e ,
o d e r d a s H e r z ? N a tü rlich flü ste rt sie je d e s m a l b e s c h ä m t ( d e n n die ü b rig e n
B u rs c h e n b e la c h e n ihre V e rle g e n h e it) zu, d a s H e r z “ . D e r B u r s c h e w ollte ja
e b e n n u r d a s w iss en , d e n n im w i d r i g e n Falle w ä h l t d a s M ä d e l L e b z eltk u ch e n
o d e r einen Reiter. D a s ist d a n n ein Korb. Ist a b e r d e r B u r s c h nicht d e r E r ­
w ä h l te u n d b e g e h r t d o c h ein O s te rei vo m M ädel, d a g i b t sie ihm e n t w e d e r
ein u n b e k r a t z t e s , o d e r eine s o h n e Herz. D e r B u rs c h w e i ß jetz t, w o r a n er ist.
154
D a s Ei w e i s t a b e r aucli fa s t im m e r d a s 1 H S ( Ic h t ü s - N a m e n - J e s u M o n o g r a m m ) auf, w o d u r c h a u c h d e r W u n s c h d e s M ä d e ls a u s g e s p r o c h e n
wird, sich n u r m it ein em f r o m m e n B u r s c h e n v e rb in d e n z u w ollen, o d e r w ird
dies in F o r m ein es S p r u c h e s a u s d r ü c k lic h in d a s Ei é in g e k ra tz t.
A uch Kinder b e k o m m e n im F r ü h j a h r beim e rsten A u s trie b d e s Viehes
auf die W eid e, ro te Eier, a b e r u n b e s c h rie b e n . D a s Ei w ird a uf d e r W e i d e
v e rze h rt, n u r dü rfen die S c h a le n n ich t v e r s tr e u t, so n d e r n m ü s s e n in einem
kleinen Loch auf d e r W e id e v e r g r a b e n w e r d e n , d a m i t d a s Vieh d u r c h s g a n z e
J a h r b e is a m m e n bleibt u n d n ich t a u s e i n a n d e r lauft.
Leider w ird d a s S y m b o lis c h e bei den O s te re i e rn d u rc h die m o d e r n e
A u f f a s s u n g i m m e r m e h r v e r d r ä n g t u n d v e r g e s s e n , w o d u r c h a b e r a u c h ein
s c h ö n e s S tü c k d e r R o m a n tik v e r lo r e n geht.
S c h on die T e c h n ik d e s F ä r b e n s ( s c h w a r z e S c h u h l a c k - P a s t a ) z eig t
einen Verfall d e s G e s c h m a c k e s u n d d e r s c h ö n e n S ym bolik. F'reilich ist d a s
K ra tze n bei d ies em L a c k leichter, a b e r die F a r b e d e r L iebe w ir d d u r c h d a s
d ü s t e r e S c h w a r z s o z u s a g e n profanisiert.
W a s die T e c h n ik se lb st betrifft, w ie diese E ie r v e r z ie r t w e r d e n , so ist
hiebei so die F e rtigke it, wie a u ch S y m m e tr ie , G e s c h m a c k u n d K u n s ts in n oft
s t a u n e n s w e r t , ja m a n fin d et d a b e i P r a c h t s t ü c k e , die oft ein em K ü n s tle r E h re
m a c h e n w ü r d e n . U nd sind d o c h diese V o lk s k ü n s tle r schlichte, oft s o g a r
s c h r e i b u n k u n d i g e B a u e r n w e i b e r , die m it ein em a b g e b r o c h e n e n T a s c h e n f e ite l
auf d e r so heiklichen, leicht d u r e h b re c h lic h e n M a te rie e in e r E ie rsc h a le a rb eite n .
E s lo h n t sich wirklich eine k r a t z e n d e F r a u bei ih rer A rbeit o h n e V or­
lage, o h n e v o r h e rig e E in te ilu n g zu b e o b a c h te n , wie sie an e in e r d e r Spitzen
de s E ie s a n f ä n g t u n d mit e iner b e w u n d e r u n g s w ü r d i g e n Sch nelligkeit m it d e r
Z e i c h n u n g i m m e r g e n a u d o rt a n k o m m t , w o sie dies e b en in v o r a u s sc h o n
h a b e n wollte. Ein E in b ru c h d e r S c h a le k o m m t h ö c h s t selten vor, g e s c h w e i g e
d e nn , d a ß d a s Ei z e r k o c h t w o r d e n ist.
S ä m tlic h e
16 S t ü c k Eier, w e l c h e a n d a s V o lk s k u n d e m u s e u m
a b g e g a n g e n sind, s t a m m e n a u s S t i n n a t z (Bez. G ü s s i n g ) , d a r u n te r , w e n n
ich n ich t irre, 2 S tü c k rot, 14 S tü c k s c h w a r z . Ein S t ü c k mit ein er
g a n z a n d e r s a r t i g e n Z e i c h n u n g u n d fe in e rer T e c h n ik , s t a m m t a u s S c h a c h e n ­
dorf (Bez. O b e r w a r t ) u n d ist die A rbe it eine s sc h lic h ten B é r e s ( O c h s e n ­
k n e c h t ) m äd e ls. Vielleicht h a t d a s M ä d e l die e b en a n g e b r a c h t e n M o tiv e a u c h
d e s h a lb g e w ä h lt, weil sie j a d a s Ei u r s p r ü n g l i c h fü r m ich (e in e n P r i e s t e r )
b e s t im m t hat. D e r u n g a r is c h e E influß ist a b e r so fo r t b e m e r k b a r , n ich t n u r in
den g a n z a n d e r e n M otiven, s o n d e r n a u c h in d e r v e rfe in e rte n T ec h n ik .
N e u e s t e r Z eit w e r d e n die E ie r a u c h m it F a r b e n in P u lv e rfo rm , o d e r
g a r m it fä rb i g e m ( M a r m o r p a p i e r ) P a p i e r o d e r L ac k g e fä r b t, die F a r b e de r
E ier ist g b e r a u c h n ich t m e h r so edel, w ie m it den S p ä n e n ( k r o a t i s c h : „ b r o c “
genannt).
155
Dr. Karl Lang: Österreichische Heimatmuseen.
D e u t s c h e r V e r l a g fü r J u g e n d u n d Volk, W ie n 1930.
B e s p r o c h e n v o n Dr. E u g e n
Frischauf,
E g g en b u 'rg .
Mit d ies em v o r z ü g lic h illustrierten W e r k e , d a s j e d e m H e i m a t fo rs c h e r
u n d j e d e m M u s e u m u n e n tb e h r lic h ist, w ir d eine b i s h e r s c h w e r f ü h lb a re L ücke
i n - h ö c h s t w ü n s c h e n s w e r t e r W e i s e au sg e fü llt; es g e b ü h r t d e m V e r fa s s e r für
seine m it e m s ig e n Fle iß e u n d g r o ß e r S a c h k e n n t n i s z u s a m m e n g e s t e ll t e A rbeit
d e r D a n k aller H e im a tfre u n d e .
Die A u s f ü h r u n g e n im a llg e m e in e n T eile ü b e r A u f s a m m lu n g , A ufste llu ng,
H e i m a t s c h u t z , K u n d m a c h u n g u. dgl. k ö n n e n f a s t d u r c h w e g s als vorbildlich
b e z e ic h n e t w e r d e n ; w e n n im N a c h f o l g e n d e n E inz elh e ite n kritisie rt u n d b e ­
m ä n g e l t w e r d e n , soll d a d u r c h d e r W e r t d e s B u c h e s n ic h t h e r a b g e d r ü c k t ,
s o n d e r n eine R ic h tig ste llu n g in e in e r sicherlich in B ä ld e n o t w e n d i g e n z w e ite n
A u fla g e a n g e r e g t w e rd e n .
D a ß für H e i m a t m u s e e n — und d e r V e r f a s s e r h a t in e r s t e r Linie die
V o l k s k u n d e im A u g e — sich alte G e b ä u d e w e it b e s s e r eig n e n als g e s c h m a c k ­
lose N e u b a u t e n , sei o h n e w e i te r s z u g e g e b e n ; im m e r h in m u ß d a r a u f v e r w ie s e n
w e r d e n , d a ß g e w ö l b t e R ä u m e m e i s t sc h l e c h te s L ic ht h a b e n u n d f e u c h t sind,
u n g e w ö l b t e alte R ä u m e oft d e r F e u e r s ic h e r h e it e r m a n g e l n u n d a u ch s o n s t nich t
un g e fäh rlic h sind ( D e c k e n e in s tu r z im K r e m s e r M u s e u m ) .
A u ß e r Z weifel ste h t, d a ß p a rte ip o litis c h e E r w ä g u n g e n u n d Ein flüsse
bei H e i m a t m u s e e n , wie d e r V e r fa s s e r v e r la n g t, v o lls tä n d ig a u s g e s c h a l t e t
w e r d e n ; a n d e r e r s e it s ist ihm se l b s t d iese E in s te llu n g nich t v o lls tä n d ig g e ­
lu n g e n ; als e inge fle isc hte r Pa z ifist stellt er sich feindlich z u allen K rie g se r in n e ­
r u n g e n und v e r g iß t , d a ß a u c h in diesen, b e s o n d e r s in W affe n in s c h r if te n u. dgl.
sich ein w ic h ti g e s G e b i e t d e r V o l k s k u n d e w i e d e rs p ie g e lt. So v e r s c h w e i g t
Dr. L an g , d e r ü b e r h a u p t P r i v a t s a m m l u n g e n , o b w o h l sie h ä u fig wie in Krem s,
E g g e n b u r g , M iste lb a c h , H o llab ru n n , B a d e n , G m ü n d u. a. . 0 . den G r u n d s to c k
de r H e i m a t m u s e e n bilde ten , n ich t s e h r g e w o g e n zu sein sch ein t, v o lls tä n d ig
die M ö s ’m e r s c h e K r i e g s s a m m l u n g in R e tz ; d iese e n th ä lt n ich t n u r W a ff e n und
Aehnliches, s o n d e r n a u ch in s e lte n e r V o llstän d ig k e it K rie gsaufru fe , W e r b e ­
pla k a te , F e ld z e itu n g e n , Feldbrie fe u n d v o n Fliege rn a b g e w o r f e n e D r u c k s a c h e n
u n d g e w ä h r t d a h e r einen tiefen E in blick in die V o lk ss ee le; Dr. L a n g v e rg iß t ,
d a ß g e r a d e im Falle d e s D u r c h d r i n g e n s d e r pazifistischen Ziele d e r e thische
W e r t d ie s e r S a m m l u n g ins U n g e m e s s e n e s te ig e n m ü ß te .
Bei A u f z ä h l u n g d e r H e i m a t m u s e e n ist zu tade ln , d a ß kleinere M useen
in u n v e r h ä l t n i s m ä ß i g e r W e i s e a u c h d u r c h B ild e rm ateria l h e r v o r g e h o b e n ,
w ä h r e n d g r ö ß e r e u n d w i c h ti g e re M u s ee n , w ie b e is p ie lsw e ise d a s T irole r
V o lk s k u n d e m u s e u m , oft n u r k u rz a b g e f e r ti g t w e r d e n , so w ie , d a ß a lte O r t s ­
a n s ic h te n u n d ein zelne zufällig bei d e r G e m e i n d e a u f b e w a h r t e G e g e n s t ä n d e
( W a f fe n , I n n u n g s t r u h e n u n d F u n d s t ü c k e ) als „ H e i m a t m u s e u m “ b e z e ic h n e t
w e r d e n , es sei auf E fferdin g, G a r s , S c h e ib b s , Z iste rsd o rf, W in d i s c h g a r s te n ,
Stillfried u n d Y b b s ve rw ie se n .
Die ü b e r m ä ß i g e B e t o n u n g d e s L e h r z w e c k e s d e r M u s e e n d ü r f te a uch
nich t allseitigen Beifall fin d en ; e n ts c h ie d e n a b z u le h n e n ist d e r V o r s c h la g , d a ß
je d e s d e r z ahlreic h a u f s c h i e ß e n d e n H e i m a t m u s e e n eine z o o lo g is c h - b o t a n i s c h e
156
S a m m l u n g a n le g e n soll; dies m ü ß t e e n t g e g e n den F o r d e r u n g e n d e s N a t u r ­
s c h u t z e s zu ein er A u s r o t t u n g se l te n e r T ie r - u n d P fl a n z e n fo rm e n füh ren.
S e h r zu b e g r ü ß e n sind die A n le itu n g e n ü b e r L a g e u n d B e s u c h s z e it de r
M u s ee n , d a j e d e r H e i m a t fr e u n d sc h o n die U n a n n e h m l i c h k e it e m p f u n d e n h a b e n
w ird, w e n n er in e inem O rte v o n P o n t i u s zu P i l a t u s laufen m u ß te , bis er
endlich eine m itleidige Seele fand, die ihm die P f o r t e n d e s M u s e u m s e rsch lo ß .
U n d n u n z ur B e s p r e c h u n g de r e inzelnen M u s e e n :
B a d e n : H e r v o r z u h e b e n ist die re ic h e S a m m l u n g d e r „ B a d e n s i a “ , die
einen h e r v o r r a g e n d e n E inblick in d a s frü h e r e K u rle b en d e r S t a d t bildet. Ein
e n ts c h i e d e n e r M ißg riff w a r die E r w e r b u n g d e r K iesling’sc h e n v o l k sk u n d lic h e n
S a m m l u n g , d e r e n B e s ta n d te ile als F r e m d k ö r p e r g e g e n ü b e r d e m ein he im isc hen
v o l k sk u n d lic h e n M a te r ia l w irk e n , d a s sich a n die alp ine K ultur a nle hnt,
w ä h r e n d die K iesling’sc h e n S a m m e l o b je k t e a u s d e r U m g e b u n g D r o s e n d o r f s
den e ig e n a r t i g e n W a l d v i e r t i e r c h a r a k t e r deutlich a u fw eise n .
Die a n g e b lic h r e ic h ste S a m m l u n g v o n n ie d e r ö s te rr e ic h is c h e n F a ß b ö d e n
w i r d v o n d e r d e s K re m s e r ( u n d v e rm u tlic h a u c h d e s K l o s t e r n e u b u r g e r - ) W e i n m u s e u m s w e i t a u s übe rtroffe n .
D r o s e n d o r f : in K r e m s b e fin d e t sich leider w o h l n u r d e r kleinste
Teil d e r K ie slin g -S am m lu n g .
E g g e n b u r g : H e r v o r h e b u n g v e r d ie n e n die s t r e n g g e tr e u e in g e ­
r ic h te te n B a u e r n s tu b e n , so w ie die S a m m l u n g b ä u e r l ic h e r W e b e r e i e n u n d
Stickereien, die n i r g e n d s a u c h n u r in ä h n lic h e r R e ic h h altig k e it b e s t e h t . Irrig
w e r d e n die f ä rb ig e n B r a n n tw e i n f lä s c h c h e n als „ A n g s t e r “ b e ze ic h n e t. H e r v o r ­
z u h e b e n w ä r e n o c h die E r w e r b u n g d e r v o l k sk u n d lic h e n K r a h u l e t z - S a m m lu n g
du rc h die S ta d tg e m e i n d e , so w ie d e r U m s t a n d , d a ß ein reich illustrierter
K a ta lo g b e s t e h t . W e d e r d a s E g g e n b u r g e r , n o c h d a s K r e m s e r M u s e u m w u r d e n
einer A b b i l d u n g w ü r d i g b e fu n d en .
K r e m s : N ic ht „ W e i n b e r g g a i ß “ , so n d e r n „ W e i n b e e r g a i ß “ . A u c h d a s
K r e m s e r M u s e u m h a t in d e r L a n d s t r a ß e ein sc h ö n g e s c h m i e d e t e s Schild, d a s
den W e g z u m M u s e u m w e ist. H e r v o r h e b u n g h ä t t e d a s K r e m s e r S c h m id tZ im m e r ve rd ie nt.
M i s t e l b a c h : D a s M u s e u m , w e l c h e s in ein em d e r w e n i g e n alten
H ä u s e r d e r S t a d t n e u a u f g e ste llt w u r d e , h a t die reiche K u d e r n a t s c h - S a m m l u n g
a u s P o y s d o r f e r w o r b e n u n d n i m m t h e u te einen a c h t u n g g e b i e t e n d e n R a n g
u n t e r den H e i m a t m u s e e n ein. An d e r S p itze s t e h t R e c h t s a n w a l t Dr. S te in b a u e r.
S t . P ö l t e n : B e f re m d e n m u ß , d a ß d a s D i ö z e s a n m u s e u m , w e lc h e s
in seinen G l a sm alere ien , g o tis c h e n B ild e rn u n d relig iösen G e g e n s t ä n d e n einen
S c h a tz n i e d e r ö s t e r re i c h i s c h e r K u n s t en thä lt, m it ke in e m W o r t e e r w ä h n t w ird ;
es teilt in d ies er H in sic ht d a s Sc h ick s al d e s H e r z o g e n b u r g e r u n d Z w e tt l e r
S tifts m u s e u m s , die n e b e n kirch lich er K unst, p r ä c h t ig e p rä h is to r i s c h e Fu n d e ,
so w ie z a h lr e ic h e s v o lk sk u n d lic h e s M a terial e n th a l te n u n d d a h e r u n v e r d ie n t
ü b e r g a n g e n w u r d e n . D a s s e l b e gilt a u c h vo n den S c h l o ß m u s e e n in O tte n s te in ,
R a a b s , S t e y r u n d R o s e n b u rg .
R e t z : Die W i n d m ü h l e n s t e h e n u n t e r D e n k m a l s c h u tz . D a s H e i m a t ­
m u s e u m w ü r d e ein en idealen P l a tz im alten R a th a u s e h a b e n , w ä h r e n d d a s
K r i e g s m u s e u m a u c h im n e u en H a u s e g ü n s t i g e W i r k u n g hä tte .
157
ln R a a b s w u r d e im H e r b s t ein H e i m a t m u s e u m , in K l o s t e r n e u ­
b u r g d a s W e i n m u s e u m eröffnet. D a s s t ä d ti s c h e M u s e u m in K lo s t e r n e u b u r g
w u r d e in e inem n e u e n Heim u n t e r g e b r a c h t .
D a s w ä r e n in Kürze die R ic h tig ste llu n g e n u n d E r g ä n z u n g e n , die bei
ein er N e u a u f l a g e B e r ü c k s ic h ti g u n g finden sollten; de m V e r fa s s e r b leibt d a s
V e rd ie n s t g e w a h r t , als E r s t e r d a s b ish e r fa s t u n b e k a n n t e G e b ie t d e r H e i m a t ­
m u s e e n d e r A llg em e in h e it e rs c h lo s s e n u n d d e n V e r w a l t u n g e n d ies er M u s ee n
die ric h tig e n A u f g a b e n u n d Ziele g e w i e s e n zu h a b e n .
Das Volkslied in der tschechoslowakischen
Republik.
H e r a u s g e g e b e n v o n d e r S t a a t s a n s t a l t für d a s Volkslied in d e r CSR.
C. D e u t s c h e Lieder.
Dr. G u s t a v J u n g b a u e r, Volkslied er aus d e m B ö h m e rw a ld e .
In K om m is sio n bei J. G. Galve in P r a g . 1. Lieferung . Kc 25.— .
Im Ja h r e 1905 w u r d e d a s V o l k s l i e d u n t e r n e h m e n im k. k. U n t e r r i c h ts ­
m iniste rium ins L e b e n g erufen, d e s s e n T ä t i g k e i t n a c h d e m U m s t ü r z e in
O e s te rre ic h u n d in d e r T s c h e c h o s l o w a k e i , d o r t d u rc h die S t a a t s a n s t a l t für d a s
Volkslied, w e i te r g e f ü h r t w ird. V o n d ies er 2 5 jä h rig e n S a m m e l tä t ig k e it b e k a m
m a n a b e r w e n i g z u se h e n . W o h l g a b e n die A r b e i ts a u s s c h ü s s e T ä t i g k e i t s ­
b e r ic h te m it v ier- u n d fünfstellig en Ziffern he'raus, d a s M a terial a b e r w u r d e
in A rchive g e s p e r r t , w o e s n o c h h e u te ruht, n u r fü r w e n i g A u s e r w ä h l te z u ­
gä n g lic h . S c h o n v o r d e m K rie g e w a r die S a m m l u n g d e r G ottsc h ee 'r L ie der a b ­
g e s c h lo s s e n u n d h a r r t e d e s D r u c k e s 1). Sie g i n g a b e r v o n ein em R e fere n te n
z um a n d e re n , vo n eine m U n t e r a u s s c h u ß z u m ä n d e r n ; d a k a m d e r K rieg d a ­
z w i s c h e n u n d j e t z t r u h t die S a m m l u n g w i e d e r in einem Archiv. A u c h P o m m e r s
S a m m l u n g ste irisc h e r T a n z w e i s e n liegt seit d e m J a h r e 1913 d ru c k fe r t ig — im
Archiv. Bloß v ier kleine B ä n d c h e n , m it je 20 bis 30 Liedern, sie sind ü b ri g e n s
so teue r, d a ß sie n i e m a n d k a uft, sind bis je t z t e r s c h i e n e n 2). D a sin d z w e i V e r­
öffen tlich u n g e n w ä r m s t e n s zu b e g r ü ß e n : die im H e r b s t e rs c h e i n e n d e Biblio­
g ra p h ie d e s n i e d e rö s te r r e ic h is c h e n V olksliedes, die d a s M a terial d e s N ie d e r ­
ö ste r r e ic h isc h e n A r b e i ts a u s s c h u s s e s v e r w e r t e t, h e r a u s g e g e b e n v o n Dr. H um m el,
und die v o r lie g e n d e S a m m l u n g v o n V olksliedern a u s d e m B ö h m e r w a l d e .
Diese A u s g a b e ist die F r u c h t ein er j a h r z e h n t e l a n g e n S a m m e ltä tig k e it.
Die p l a n m ä ß i g e A u fs a m m lu n g d e r L ie d er b e g a n n sc h o n in den N e u n z ig e r
J a h r e n d e s v o rig e n J a h r h u n d e r t s , a n g e r e g t d u r c h Univ.-Prof. Dr. Adolf H auffen,
U Z sch. D a s d e u ts c h e Volkslied, Jg. 1912, S. 74: — D e r B a n d d e u ts c h e r
Volkslieder a u s G o t t s c h e e w i r d d e m n a c h den R e ige n d e r V olksliede rv erö ffe ntlic hu nge n d e s U n t e rric h ts m in is te r iu m s eröffnen. Aller W a h rs c h e in l i c h k e it wird
er n o c h in d iesem J a h r (1 9 1 2 !) e rsc h e in e n . . . .
2) Kleine Q u e l le n a u s g a b e d e s ö ste rr e ic h isc h e n V o lk slie d e r u n te rn e h m e n s.
Ein B a n d g e h e f t e t v o n S 3.50 bis 5.— , geb. v o n S 7.50 bis 9.— !
158
und w a r bis z u m J a h r e 1914 so w e i t g e d ie h e n , d a ß Dr. G u s t a v J u n g b a u e r
m it den A rb e ite n z u r H e r a u s g a b e b e t r a u t w e r d e n k o n n te . D e r K rieg m a c h t e
a b e r alle P l ä n e zunichte. N a c h de m Kriege se t z t e die S a m m e l tä t ig k e it a b e r m it
e r n e u t e m Eifer w i e d e r ein. D u r c h diese m e h r als d r e iß i g j ä h r i g e A r b e it k a m
eine solc h e Fülle v o n Lie dern z u s a m m e n , d a ß n u r ein T eil d a v o n in d ies er
S a m m l u n g B e r ü c k s ic h ti g u n g finden k o n n te . Die ge istlich e n Lieder, die g e ­
schichtlichen u n d S o ld a te n lie d er, so w ie die K in de rliede r w u r d e n a u s g e s c h i e d e n ,
d a sie viel G e m e i n s a m e s m it d en L ied ern d e s ü b r ig e n s u d e t e n d e u t s c h e n G e ­
b ie te s h a b e n . Diese L ied er sollen s p ä t e r als e ig e n e B ä n d e d e s g r ö ß a n g e l e g t e n
W e r k e s ü b e r d a s d e u ts c h e Volkslied in d e r CSR. e rscheinen.
Die L ied er d ies er S a m m l u n g s t a m m e n a u s d e n a n B a y e r n u n d O e s t e r ­
reich g r e n z e n d e n d e u ts c h e n T eilen d e r G a u e Pilsen u n d B u d w e is , so w ie a u s
d e r S p r a c h h a lb in s e l N e u h a u s - N e u b is tr i t z . D iese G e b i e t e bild en s o w o h l g e o ­
g ra p h is c h als a u c h h insichtlic h d e r M u n d a r t , Sitte u n d B r a u c h eine Einheit,
die schlie ßlic h a u c h im L ie d e r s c h a tz ihren A u s d r u c k findet. D ü r c h d e n leb­
h a fte n V e rk e h r z w i s c h e n d e m B ö h m e r w a l d u n d O e s te rr e ic h k a m e n a u c h viele
a lp e n lä n d isc h e Lieder, w ie Alm- u n d W il d s c h ü t z e n li e d e r in den B ö h m e r w a l d
u n d e rhie lte n sich d o r t oft in b e s s e r e n F a s s u n g e n als im M u tt e rl a n d e . H e u te
ist d ie s e r V e rk e h r d u r c h die ne u e S t a a t s g r e n z e g a n z a u s g e s c h a l te t . Allerd ings
w ird d a d u r c h a u c h d e r Z u s t r o m d e s n ich t g e r a d e w e r tv o lle n W i e n e r L iedes
u n te rb u n d e n .
ln diese A u s g a b e w u r d e n 700 L ie d er u n d ü b e r 30 00 S c h n a d erh iip fe i '
a u f g e n o m m e n . Sie sind in fo l g e n d e r W e i s e a n g e o r d n e t :
1. Alte u n d n e u e M ä r e n
6. S tä n d elied e r,
2. L iebesfreud,
7. S p o t t u n d Scherz,
3. Liebesleid,
8. T r u n k u n d T a n z ,
4. D e r bsinnlic hes,
5. H o c h ze it u n d Ehe,
9. V o lk stü m lic h e Lieder,
10. S c h n a d erh ü p fe l.
D a r a n sc h lie ß e n sich V e rze ich n iss e d e r A n fa n g sz eilen , d e r S in g w e ise n
u. a. m.
Die e rste Lie ferung, die j e t z t vorlieg t, b ri n g t n a c h e iner E in le itu n g ü b e r
G e s c h ic h te u n d E in te ilu n g d e r S a m m l u n g b e re its 32 S a g e n lie d er. J e d e m ein­
zelnen Liede, d a s oft in m e h r e r e n F a s s u n g e n g e b r a c h t w ird , ist eine g e n a u e
L it e r a t u r a n g a b e b e ig e f ü g t. Z u e r s t k o m m e n alte B a lla d en v o m N a c h t j ä g e r , vom
J ä g e r, d e r im W a l d e ein M ä d c h e n v e rfü h r t, d a n n d a s B ro m b e e rlie d , d a s Lied
v o n den drei S chreien, v o m G r a f e n u n d v o n d e r N o n n e , v o m L in d e n b a u m
ob e n b r e it u n d un ten sc h m al, d a s Lied v o m T ö c h t e rl e in d e s P f a lz g ra fe n a m
Rhein, von d e s M ü llers T o c h t e r , v o m R o t h u s a r, die B a lla d e v o n T a n n h ä u s e r ,
vo m S c h lo ß in O e ste rre ich , von d e r R a b e n m u t te r , die ihr Kind a u s s e t z t , um
in E h ren h e ira te n zu k ö nn e n. A n s c h l i e ß e n d k o m m e n n e u e re e r z ä h le n d e Lieder.
Als leh rre ic h e s Beispiel, wie Volkslieder e n ts te h e n , k a n n d a s Lied Nr. 27
dienen, d a s in drei F a s s u n g e n a b g e d r u c k t ist. E s h a n d e l t v o n eine m B a u e r n ­
b u r s c h e n , de r n a c h t s b e im F e n s t e r se in er G e lie b te n v o n feindlich g e s in n te n
B u r sc h e n e r s c h l a g e n w u rd e . Die e r s t e F a s s u n g w u r d e v o n einer D i e n s t m a g d
g e d ic h te t, die alle E inz elhe ite n g e n a u k a n n te . Als V o rbild dien te n ihr G r a b ­
159
lieder, a u s w e ic h e n sie a u c h g e w i s s e W e n d u n g e n e n tl e h n t h a t. Die z w e ite
F a s s u n g ist sc h o n e t w a s g e k ü r z t u n d a bg eschliffen. D ie dritte h i n g e g e n ist
sc h o n r e c h t a llgem ein g e h a l t e n ; d e r D ic h te r w u ß t e a u g e n s c h e in lic h die V o r­
g e s c h ic h te d e s L iedes nich t m ehr.
E s ist n u r zu w ü n s c h e n , d a ß d a s h e r v o r r a g e n d e W e r k — a u s dem
„ J u n g b a u e r “ w ird sic h er ein z w e i t e r „ E r k - B ö h m e “ — r a s c h fo rtsc h re ite t.
K a r l H o r a k.
Literatur der Volkskunde.
Julius Schäffler: D e r l a c h e n d e V o l k s m u n d .
S c h e rz und
H u m o r in u n s e r n S p r i c h w ö r t e r n , W ö r t e r n u n d R e d e n s a r t e n . F erd. D ü m m l e r ’s
Verlag. Berlin u n d B o n n 1931.
Allerlei S p r i c h w ö r t e r h u m o r u n d sc h e rz h a f te W ö r t e r u n d R e d e n s a r te n ,
die sich m it D u m m h e i t und Faulheit, m it Liebe, E sse n un d T rin k e n , m it B e r u f s­
n e ck e reie n u n d S t a n d e s w i tz e n , m it kö rp e rlich e n E ig e n h e ite n u . d g l . m . m e h r o d e r
m in d e r w itz ig a u s e in a n d e r s e t z e n , sind in d iesem Büchle in z u s a m m e n g e t r a g e n .
E s ist so eine r e c h t u n t e r h a l t s a m e L e k t ü r e g e w o r d e n , die a b e r d o c h z ugleich
von d e r h u m o r is tisc h e n A d e r im V o lk sg e ist einen r e c h t g u t e n Begriff gibt. D e r
V o l k s k u n d le r w ird ge rn in d iesem Büchlein b lä tte rn .
Prof. M. H a b e r l a n d t .
D eu tsch e V olkskunde im auß erd eu tsch en O sten. Vier V o r t r ä g e von
G. B r a n d s c h , G. J u n g b a u e r , V. S c h ir m u n s k i u n d E. v o n S c h w a r z . Berlin u n d
Leipzig. W a l t e r d e G r u y t e r & Co., 1930.
Die w is s e n s c h a f tlic h e E r f o r s c h u n g d e u ts c h e n V o l k s t u m s a u ß e r h a l b d e r
d e u ts c h e n R e ic h s g r e n z e n , l ä n g s t a n g e b a h n t u n d v o n vielen tr e u e n S ö h n e n de r
d e u ts c h e n D i a s p o r a m it s c h ö n e n E r g e b n i s s e n ge p fle gt, n e u z u b e le b e n u n d
zu vertiefen, ist die A u f g a b e u n d die rü h m lic h e A b s ic h t v o r s t e h e n d e r v ie r Auf­
sä tz e , die sich m it d e m D e u t s c h t u m in S i e b e n b ü r g e n , in d e r T s c h e c h o s l o w a k e i ,
in U n g a r n u n d in den S t a a t e n de r S o w je t u n io n u n d den w e i te r e n N o t w e n d i g ­
keiten se in er vo lk sk u n d lic h e n E r f o r s c h u n g b e s c h ä f tig e n . E s sind d u r c h w e g s
b e ru fe n e F a c h m ä n n e r , die hier d a s W o r t ergreifen, n a c h d e m sie ihre A us­
f ü h r u n g e n bei d e r B e rlin er T a g u n g d e s V e r b a n d e s d e u ts c h e r V o lk s k u n d e ­
vereine, im O k t o b e r 1929, u n t e r e in m ü t ig e r Z u s t i m m u n g d e r V e r s a m m e lte n
v o r g e t r a g e n h a b e n . M ö g e n diese p r o g r a m m a t i s c h e n A u s f ü h r u n g e n r e c h t viel­
se itig e n u n d e rfo lgreich en W id e rh all in den b r e ite s te n d e u ts c h e n Kreisen des
b e tr e f f e n d e n A u s la n d e s finden.
Prof. M. H a b e r l a n d t .
W alter Kuhn: D i e j u n g e n d e u t s c h e n S p r a c h i n s e l n i n
G a l i z i e n . ( D e u t s c h t u m u n d A u sla n d . S tud ien z u m A u s la n d d e u ts c h t u m
u n d z u r A u s la n d k u ltu r . H e r a u s g e g e b e n v o n G e o r g S c hre ib e r. Heft 26 /27).
A s c h e n d o rf f s c h e V e r l a g s b u c h h a n d l u n g M ü n s t e r i. W ., 1930. 244 S.
160
Die N a c h k r i e g s z e i t h a t eine bis d a h in g a n z u n b e k a n n t e , r e g e B e sc h ä f­
t ig u n g m it S p ra c h in s e l f r a g e n g e b r a c h t. Die G r ü n d e h iefü r h a t W . K u h n zu
B e g inn se in e r g r u n d l e g e n d e n , leider viel zu w e n i g b e k a n n t e n A rb e it „ V e r s u c h
einer N a t u r g e s c h i c h t e d e r d e u ts c h e n S p r a c h in s e l “ ( D e u t s c h e B l ä t t e r in Pole n,
III., P o s e n 1926, S. 65 ff) d a r g e l e g t , auf d e r sein n e u e s W e r k a u f b a u t , d a s er
m it R e c h t einen „ B e i t r a g z u r M e t h o d e d e r S p r a c h in s e l f o r s c h u n g “ n e n n t. D e n n
die frü here , rein g e sc h ic h tlich e B e t r a c h t u n g s w e i s e h a t sich bei d e n S p r a c h ­
inseln, die g e w ö h n lic h keine b e w e g t e G e s c h ic h te a u f w e ise n , n ic h t b e w ä h r t .
Im S p ra c h in s e lle b e n liegt d a s S c h w e r g e w i c h t in d e n b io lo g isc h e n V o r g ä n g e n ,
in d e n v e g e t a t i v e n K rä fte n, die j e d e m V olke u n d se in en T eilen v o n N a t u r a u s
i n n e w o h n e n , die den M e n s c h e n trie b h aft, oft o h n e sein Z u tu n u n d o h n e seinen
W illen führen , die u n b e w u ß t u n d n a t u r h a f t in ihm w irk e n . D e m G e le h rte n ,
d e r die U n t e r s u c h u n g in d ies er R ic h t u n g v o r n im m t, g e n ü g e n die sc hriftlichen
Quellen, die A k te n m it ihren t r o c k e n e n A n g a b e n ü b e r d e n H e r g a n g d e r B e ­
sie d lu n g nicht m ehr. E r m u ß sein A u g e n m e r k auf die m ü n d lic h e U e b erliefe ru n g
un d a uf den g e g e n w ä r t i g e n B e s t a n d w e n d e n , er m u ß die vo lk sk u n d lic h e und
s ta tis tis c h e M e t h o d e in den V o r d e r g r u n d rüc k en. Von dies em G r u n d s ä t z e a u s ­
g e h e n d , h a t K u h n d u rc h w ie d e rh o lte B e r e i s u n g d e r d e u ts c h e n S p ra c h in s e ln
G aliziens eine Fülle von Stoff z u s t a n d e g e b r a c h t , d e n er, b e r e i c h e r t d u rc h die
g rü n d lic h a u s g e s c h ö p f t e n lite rarisc hen Quellen, in se inem B u c h e a u s w e r te t .
E s zerfällt in die A b s c h n i t te : Die U m w e lt. Die B e sied lung . W ir t s c h a f t . B e­
v ö l k e r u n g s b e w e g u n g . Religiöse u n d n a tio n a le V e rh ältn is se . N a tio n a le O r g a n i ­
sa tio n. S c h rifttu m sv e rz e ic h n is. B e ig e g e b e n ist ein O rts v e r z e ic h n is u n d eine
S i e d lu n g s k a r te . F e r n e r e n th ä lt d a s Bu ch, z u d e m Dr. E. W i n t e r ein ein­
f ü h r e n d e s V o r w o r t g e s c h rie b e n h a t, 5 T e x t k a r t e n u n d 11 sta ti s t i s c h e T ab e lle n .
Den K e r n p u n k t bilden die z w ei für alle S p ra c h in s e ln w i c h ti g s t e n F r a g e n :
i. D er U n te rsc h ie d in d e r H e r k u n ft d e r Kolonisten, hier d e r z w i s c h e n den a u s
S ü d w e s t d e u t s c h l a n d u n d n a m e n tlic h a u s d e r Rheinpfalz s t a m m e n d e n Pfä lze rn
u n d den a u s dem B ö h m e r w a l d u n d d e m E g e r l a n d s t a m m e n d e n D e u t s c h ­
b ö h m e n , zu w e lc h e n n o c h eine kleine G r u p p e v o n Sch lesie rn k o m m t. 2. D er
U n te rsc h ie d in de r U m w e l t z w i s c h e n P o le n u n d U kra inern. Z u m e rste n P u n k t e
w ird a usführlich d e r a u s S t a m m e s a n la g e , v e r s c h i e d e n e r K u ltu rstufe u n d v e r ­
s c h ie d e n e r A rt d e r A n s ie d lu n g sich e r g e b e n d e G e g e n s a t z z w i s c h e n den
Pfä lze rn u nd D e u t s c h b ö h m e n b e h a n d e lt u n d a n sc h a u lic h ge z e ig t, wie sich
d e r p rim itiv e r ein g e stellte B ö h m e r w ä l d l e r u n d E g e r l ä n d e r, d e r z u r ü c k h a lt e n d e r ,
vielleicht a u s m i ß t r a u is c h e r als d e r b e w e g lic h e , a b e r a u c h w e n i g e r w i d e r ­
s t a n d s f ä h ig e u n d u n z u v e rl ä s s i g e P fä lz e r ist, b e s o n d e r s g u t im S p ra c h in s e l­
k a m p f b e w ä h r t h a t u n d a u c h für die Z u k u n f t die b e s s e r e n V o r a u s s e t z u n g e n
bietet. Bei d e n D e u t s c h b ö h m e n ist a u c h d e r B e v ö lk e r u n g s z u w a c h s a m g rö ß t e n .
Kuhn h a t b e re c h n e t, d a ß von 1846 an die D e u t s c h b ö h m e n auf d a s D re ie in h a lb ­
fache, von 2000 auf 7000, a n g e w a c h s e n sind, w ä h r e n d die e v a n g e lisc h e n
P fä lze r n u r w e nig , von 23.600 a uf 24.700 z u g e n o m m e n h a b e n u n d die k a t h o ­
lischen P fä lze r s o g a r vo n r u n d 13.800 auf 11.000 z u r ü c k g e g a n g e n sind. Am
s t ä r k s t e n sind die V e rluste d e r Schlesier, vo n w e lc h e n b l o ß e t w a 200 v o n
900 E i n w a n d e r e r n ü b rig g e b l i e b e n sind. Beim z w e i t e n P u n k t spielt d a s v e r ­
s c h ie d e n e K ulturgefälle g e g e n ü b e r P o le n u n d U k r a in e rn eine e n ts c h e id e n d e
Rolle. Die d e u ts c h e n Siedle r in m itte n einer u k ra in isc h e n U m g e b u n g b e w a h r e n
ihr V o lk stu m b e sse r. G e g e n ü b e r d e n po ln is ch e n D o r f b e w o h n e r n z e ig e n die
161
D e u t s c h e n g r o ß e seelische W id e r s t a n d s k r a f t , a b e r g e g e n ü b e r d e r polnisch en
S t a d t k u l t u r w e is e n n u r die D e u t s c h b ö h m e n die gleiche K raft auf, w ä h r e n d sie
fü r die P fä lz e r g e fäh rlic h zu w e r d e n b e g in n t. W i e d e r h o l t g e h t K uhn a u ch auf
die v o l k sk u n d lic h e n A u s w i r k u n g e n d ie s e r U n te rs c h ie d e ein. L eider m u ß t e a u s
R a u m m a n g e l d e r m e is te v o lk sk u n d lic h e Stoff, d e s s e n B e a r b e i t u n g d e r l a n g ­
j ä h r i g e M i t a r b e i te r K uhn s, Alfred K a r a s e k u n d Josef L anz ü b e r n o m m e n h a tte n ,
z u r ü c k g e s t e l l t w e r d e n . T r o t z d e m ist d a s B u c h in d e r v o rlie g e n d e n G e s t a lt
a u c h für d e n V o lk s k u n d le r r i c h t u n g g e b e n d . D e n n die S p r a c h in s e l v o l k s k u n d e
k a n n n u r auf ein er S p r a c h in s e l k u n d e a u fb a u e n , w ie sie K u hn v ertritt.
G u s ta v J u n g b a u e r .
Dr. Erich F a tis el: D a s Z i p s e r D e u t s c h t u m . G e s c h i c h t e und
G e s c h ic k e e in e r d e u ts c h e n S p ra c h in s e l im Z eita lte r d e s N a tio n a lis m u s .
Schriften d e s I n s titu te s f ü r G r e n z - u n d A u s la n d d e u ts c h t u m an d e r U n iv e rsitä t
M a r b u r g , Heft 6, J e n a 1927, V e r l a g Fischer. 126 Seiten, m it 2 Kurven im T e x t
und 2 K a rten . P re is b r o s c h i e r t M. 7.— .
. D a s B uc h g ib t ein L eb e n sb ild d e s Z ip s er D e u t s c h t u m s im Z e itr ä u m e
seit e t w a 1800, d e r Z eit also, w o die s t ä n d is c h e O r d n u n g d e r G e se lls c h a ft un d
d e s S p ra c h in s e l l e b e n s im b e s o n d e r e n a b g e l ö s t w u r d e d u r c h die neu auf­
ste ig e n d e n Kräfte d e r D e m o k r a t ie u n d d e s N a tio n a lis m u s . D u rc h die n un b e ­
g in n e n d e A u s e i n a n d e r s e t z u n g m it dem m a g y a r is c h e n N a tio n a l g e d a n k e n ist
d e r fo lg e n d e A b s c h n itt d e r G e s c h i c h t e d e r Z ips g e k e n n z e i c h n e t u n d von de r
V ergangenheit ab g ehoben.
Die g e o g r a p h i s c h - h is to r i s c h e G r u n d l e g u n g gib t in k n a p p e r Z u s a m m e n ­
f a s s u n g die ä lte re G e s c h i c h t e d e r Z ip s e r u n d w e is t n a m e n tlic h auf je n e P u n k t e
hin, in d e n en ihre E n t f r e m d u n g v o m d e u ts c h e n S t a a t e u n d M u t t e r v o l k e ein­
se tzte, v o r allem die von den H a b s b u r g e r n d u r c h g e f ü h r t e G e g e n re fo rm a t i o n ,
w e lc h e die D e u t s c h e n in die B u n d e s g e n o s s e n s c h a f t d e s re fo rm ie rte n m a g y ­
a ris c h e n A dels trieb. Ein z w e i t e r A b s c h n i t t b e h a n d e lt die fre m d v ö lk isc h e U m ­
w e lt, h e r v o rz u h e b e n ist hierbei die S c h ild e r u n g d e r S l o w a k e n , Ju d e n und
M a g y a re n . Auf d ies er G r u n d l a g e b a u t sich die D a r s t e l l u n g d e r n e u e n E n t ­
w ic k lu n g d e s Z ip s er D e u t s c h t u m s auf. Im 19. J a h r h u n d e r t vollz ieht sich de r
g e is tig e A n s c h lu ß an d a s M a g y a r e n t u m , ein M a r k ste in ist die R evolution von
1848, bei d e r die Z ip s er in d e n v o r d e r s t e n Reihen de s K a m p fe s g e g e n die
H a b s b u r g e r s te h e n , d e r H e e r f ü h r e r d e r U n g a r n G ö r g e y, ist Z ip ser, d e r zeit­
w e ise d a s D e u t s c h e z u r offiziellen S p r a c h e d e s H e e r e s m a c h te , da er die
m a g y a r i s c h e S p r a c h e n u r s c h le c h t b e h e r r s c h t e . 1876 w ird die rech tlich e
S o n d e r s t e ll u n g d e r Z ip s e r S t ä d te b e se itigt, m e h r u n d m e h r m a g y a r i s i e r t sich
die Intelligenz freiwillig.
N e b e n d e r G e f a h r d e r M a g y a r i s i e r u n g s t e h t die d e r S l o w a k i s i e r u n g , die nich t w ie die e r ste re ein V o r g a n g auf g e is tig e m G e b iete, eine
A u s e i n a n d e r s e t z u n g m it d e r s t ä d ti s c h e n S c h ic h t d e s fre m d e n V olke s ist,
s o n d e r n ihre U r s a c h e n h a t in d e r w irtsc h a f tlic h e n L age , d e r V e r w e n d u n g
s l a w i s c h e r D i e n s t b o te n , d e r g e rin g e r e n G e b u r t e n h ä u f ig k e i t u n d s t ä r k e r e n A b­
w a n d e r u n g d e r D e u t s c h e n u sw . Die S l o w a k i s i e r u n g betrifft n ich t die O b e r ­
sc h i c h t d e r D e u t s c h e n , so n d e r n die b re ite G r u n d l a g e d e s B a u e r n t u m s , und w ird
d a d u r c h b e s o n d e r s gefährlich.
162
Als e r h a l te n d e K rä fte w ir k e n einzelne T eile d e s V o l k s g u t e s : T r a c h t,
Volkslied u n d v o r allem die Z ip s e r M u n d a r t , d e r e n P fle g e g e r a d e d u r c h die
seelische E n tf r e m d u n g von d e r d e u ts c h e n K ultur g e f ö r d e r t w ird. D e r Anfall
d e s L a n d e s an die T s c h e c h o s l o w a k e i s c h a lt e t e die m a g y a r i s c h e n K rä fte z u m
g r ö ß t e n T eile au s, ein Teil d e r m a g y a r is i e r t e n d e u ts c h e n O b e r s c h ic h t w a n ­
d e l t e n a c h R u m p f u n g a r n ab, bei d e n a n d e r e n b e g in n t die W ie d e r b e s i n n u n g
auf die d e u ts c h e A rt u n d d e r A n s c h lu ß an die ü b ri g e n D e u t s c h t u m s g r u p p e n
d e s n e u en S t a a t e s , a llm ählich ü b e r w i n d e t d a s Z ip s er D e u t s c h t u m die m a g y ­
a r is c h e Zeit.
Die D a r l e g u n g e n sin d reic hlich m it s t a ti s t i s c h e n Z a h le n u n t e r b a u t, d a s
B uc h ist d a d u r c h teilw eise m e t h o d i s c h w e g w e i s e n d fü r die S p r a c h in s e l­
fo r sc h u n g . Den S c h lu ß bild en 13 T a b e ll e n u n d 2 g r a p h i s c h e D a rste llu n g e n .
B e a c h t e n s w e r t ist auf Seite 5 die H e r a n z i e h u n g v o n T a t s a c h e n de r
n e u e re n K o l o n is a tio n s g e s c h ic h te z u r E r k l ä r u n g d e r m ittela lterliche n . A b z u ­
leh nen ist d a g e g e n die V e r m u tu n g , d a ß die Z ip s er keine N eu-, s o n d e r n N a c h ­
siedler g e w e s e n seien, weil in ihrem G e b ie te die O r t s n a m e n a u c h — r e u t u n d
- - ro d e fehlen (S. 4 ) . B e denklich e r s c h e i n t a u c h d e r V e r s u c h (S. 16), die
Z ahlen d e r d e u ts c h e n , sl o w a k i s c h e n u n d m a g y a r i s c h e n F a m il i e n n a m e n in den
Ste u erk o rrsk rip tio n e n vo n 1715 u n d 1720 z u r F e s t s t e ll u n g d e r d a m a l ig e n
N a t io n a l it ä t e n v e r h ä lt n i s s e h e r a n z u z ie h e n . An d e m Falle d e r K r e m n it z - P r o b e n e r
S p ra c hin sel, be i d e r die n a tio n a le n V e r h ä ltn is s e viel e in fa c h e r u n d e in d e u tig e r
sind, l ä ß t sich z eigen, wie w e n i g d ies es V e rfa h re n b r a u c h b a r e E r g e b n i s s e
liefern k a n n ( v e rg le ic h e K uhn, d a s D e u t s c h tu m d e r K r e m n itz e r G e g e n d in de r
e rste n Hälfte d e s 18. J a h r h u n d e r t s , in ( K a r p a t h e n la n d , J a h r g a n g 3, Heft 3,
R e ic h e n b e r g 1930). D a d u r c h w ir d die a n sich u n w a h r s c h e i n l ic h e A n n a h m e de r
R ü c k g e r m a n i s i e r u n g e iner Reihe von O r t s c h a f t e n seit 1720 hinfällig. Eine
Quelle z w eife lh a ften W e r t e s fü r die h isto ris c h e N a t io n a l it ä t e n s t a t i s t ik sind
a u c h d a s „ le xiko n u n iv e r s o r u m re g n i H u n g a r i a e l o c o r u m “ v o n 1773 (v o n
F a u se l n a c h ein em M a n u s k r i p t d e s K ä s m e r k e r L y z e u m s v o n 1775 b e n ü tz t,
a b e r sc h o n 1920 v o n d e r u n g a r is c h e n F r i e d e n s v e r h a n d lu n g s k o m m i s s io n
h e r a u s g e g e b e n ) u n d K o r a b i n s k y s G e o g r a p h i s c h - h i s t o r is c h e s u n d P r o d u k t e n lexikon vo n U n g a r n vo n 1786 (v e rg le ic h e diesbeziigl. . e benfalls die o b e n ­
g e n a n n t e A rbeit.)
W alter K u h n .
W ü h r e r K arl: R o m a n t i k i m M i t t e l a l t e r .
B e it r a g z u r G e ­
sc h ic h te d e s N a tu r g e fü h ls , im b e s o n d e r e n d e s 10. u n d 11. J a h r h u n d e r t s . V e r­
öffentlichun ge n d e s S e m in a rs für W i r t s c h a f t s - u n d K u ltu r g e s c h ic h te a n d e r
U n iv e r s itä t W ie n , h e r a u s g e g e b e n v o n Alfons D o p s c h , Nr. 6 ) . V e r la g Rudolf
Rolirer, B a d e n — W ie n — L eipzig— B r ü n n 1930. 76 S.
Die Schrift b e t r a c h t e t eine Seite d e s frü h m ittelalterlich e n G e istes le b en s ,
die b e s o n d e r s g e e i g n e t e rsch e in t, d a s E m p fin d e n j e n e r Z eit d e m M e n s c h e n de r
G e g e n w a r t n ä h e r zu b r i n g e n : d a s V e rh ä ltn is d e s M itte lalters z u r N a t u r , die
L iebe zu ihr u n d der. Sinn für ihre S c h ö n h e ite n . N a c h d e m d e r V e r f a s s e r d a s
N a tu rg e fü h l d e r R o m a n tik g e k e n n z e i c h n e t h a t, s u c h t er bei d e n M e n s c h e n d e s
10. u n d 11. J a h r h u n d e r t s die n ä m lic h e n Z ü g e ( S e h n s u c h t n a c h d e r N a tu r,
H a n g z u r E in s a m k e it in ihr, G r a u e n v o r d e r N a tu r, Vorliebe fü r M o n d - und
N a c h t s t i m m u n g e n ) d u r c h eine Reihe v o n Stellen a u s p r o sa iis c h e n u n d n a m e n t -
163
lieh p o e ti s c h e n Schriften n a c h z u w e is e n . Sollte j e d o c h nicht die s t a r k primitivd ä m o n i s t i s c h e E in s te llu n g d e s m ittelalterlichen M e n s c h e n in se in em V e rh ä ltn is
z u r N a t u r, tr o tz d e r in d e r fleißig en u n d d u r c h a u s le s e n s w e r t e n A rb e it h e r v o r ­
g e h o b e n e n U e b e r e i n s t im m u n g e n , einen innerlichen u n d w e se n t li c h e n U n t e r ­
sc hied se in es N a t u r g e f ü h l s v o n d e m d e s R o m a n t i k e r s b e d in g t h a b e n ?
Dr. E d u a r d W e i n k o p f.
H e r m a n t P. u. 'B o o m a n s D .: L a M é d i z i n e p o p u 1 a i r e (Bulletin
du Service d e re c h e r c h e s h i s t o r iq u e s et f olk loriq ue s du B r a b a n t . 8. J a h r g a n g ,
Nr. 4 3 -4 5 ). Mit ein em V o r w o r t v o n A. M a rinu s. B rü ss el 1928. 16 + 240 S.
Die V e r f a s s e r g e h e n in d e n ein zelnen Kapiteln von d en v olk sm ed iz i­
nischen V e r h ä ltn is se n ih rer H e i m a t B r a b a n t a u s u n d stellen d a n n z ahlreich e
P a ra llele n v o n a n d e r e n e u r o p ä i s c h e n u n d von N a t u r v ö lk e r n , so w ie v o n den
g r o ß e n K u ltu r n a tio n e n d e s A l te r tu m s d a n e b e n , ln d e r E in te ilu n g d e s Stoffes
fü h r e n sie die v o lk stü m lic h e n Heilmittel u n d - m e t h o d e n auf dre i Prinzip ien
z u r ü c k : d a s A n a lo gie p rinz ip , die m ate rie lle u n d die d ä m o n i s t i s c h e A u f fa s s u n g
d e r K ra n k h eiten , ln d e r e rsten G r u p p e w ird , als A e h n lic h k e itsz a u b e r , auch
d a s E in k n o te n d e r K r a n k h e it b e h a n d e lt , d e sg leich e n , als E r s a tz d e s K n o te n s
g e d e u t e t , die V e r w e n d u n g ein es R in g e s o d e r M e tallreifens o d e r b l o ß ein er
u n g e k n ü p f te n S c h n u r. D e r z w e ite H a u p t a b s c h n i t t b e s c h ä f t ig t sich m it de r
A u f fa s s u n g d e r K r a n k h e ite n als W ü r m e r o d e r a n d e r e r Kleintiere, als „ G i f t “ ,
als F o l g e eine s g e is te r h a f t e n P f e ils c h u s se s o d e r Stiches, als eine s F r e m d ­
stoffes, d e r a b g e w a s c h e n , w e g g e b l a s e n o d e r an ein er e n g e n Stelle a b g e s tre ift,
mit ein em K le id u n g s s tü c k d e s K ra n k e n a b g e l e g t , au f a n d e r e M e n s c h e n , auf
T iere, P fla n ze n o d e r D in g e ü b e r t r a g e n w e r d e n k a n n . D a r a n s c h lie ß t sich ein
A b s c h n i t t ü b e r d a s B lut als Heilmittel, d a s als S e e le n t r ä g e r L e b e n u n d G e ­
su n d h e i t b rin g e , u n d ein Kapitel ü b e r die B e r ü h r u n g v o n L e ic h n a m e n , die
da h in e rk lä rt w ird , m a n k ö n n e d e n in dem n o c h n ich t v e r w e s t e n L eich n a m
e n th a l te n e n L e b e n s r e s t als H e ilfa k to r b e n ü tz e n . U n t e r d e r U e b e r s c h r if t „Anim is tisc h e A u f f a s s u n g “ w ir d v o n den K r a n k h e i f s d ä m o n e n u n d den Mitteln, sie
zu v e rtr e ib e n ( A b s c h e u o d e r S c h m e r z e r re g e n d e Ding e, B e s c h w ö r u n g e n , G e ­
bete, K u l t g e g e n s t ä n d e , E isen, K rä u te r, kirchliche D inge, B e o b a c h t u n g m y s ­
t is c h e r Z ah len u n d Z e ite n ) g e h a n d e lt. Ein K apitel ü b e r die v e r s c h ie d e n e n
A rte n von V o lks-H eilkü nstle rn und eine a l p h a b e t i s c h e K r a n k h e ite n liste mit
den v e r s c h i e d e n s te n in B r a b a n t d a g e g e n a n g e w a n d t e n H a u sm itte ln m a c h e n
den B e sc h lu ß .
L eid er ist die B e a r b e i t u n g d e s m it g r o ß e m F le iß u n d a u s g e b r e i t e t e r
B e le se n h e it z u s a m m e n g e t r a g e n e n S toffes keine s e h r tie f g e h e n d e zu n e nn en.
D a s w e i tv e r b r e i t e t e V e r z e h r e n v o n M ä u s e n d u rc h B e t t n ä s s e r w ird n ich t darin
b e g r ü n d e t , d a ß die M a u s S e e le ntie r ist, s o n d e r n a u s „ A n a lo g ie d e r B e w e g u n g “
g e d e u t e t : D e r K ra n k e soll die M ä u se , die er v e r z e h r t, se lb st f a n g e n , d a m i t er
a u c h den H a r n „ a n h a l t e n “ lerne! (S. 16). Die g e w a l t i g e B e d e u t u n g d e r V e r­
s t o r b e n e n als K ra n k h e i t s u r s a c h e f ü r d en P r im itiv en b leib t v o n d e n V e rfas se rn
e b e n s o u n b e a c h t e t w ie die m a g i s c h e H eilkraft d e r m en s c h lic h e n E m a n a t i o n e n
u n d A b s o n d e r u n g e n d e r „ ä u ß e r e n S e e le “ ( t h e e x te rn a l s o u l), w ie F r a z e r sie
g e n a n n t hat. N ic ht d e r A bsicht, m it ihrer Hilfe d e n K ra n k h e i t s d ä m o n e n d urc h
Ekel z u v e r tr e ib e n , s o n d e r n d e r m a g i s c h e n W i r k u n g d e r ih n en a n h a f t e n d e n
„ ä u ß e r e n S e e le “ v e r d a n k e n d a s „ g o ld e n e P f l a s t e r “ u n d d e r s c h m u tz i g e S t r u m p f
164
als H a lsw ic kel (S. 137) ihre vo lk sm ed iz in isc h e V e r w e n d u n g . D a ß d e r G ic h t­
leide nd e einen H u n d o d e r eine K a tze be i sich sc hlafe n lä ß t, d a m i t se in e K r a n k ­
heit a uf die T ie r e n ü b e r g e h e (S. 8 9 ), k o m m t e b e n s o w e n i g v o n d e n R ö m e r n
he r, w ie d a s A ufle gen ein es h a lb ie rte n H u h n e s v o n D i o s k u r i d e s o d e r C e ls u s
( S 9 3 ) ; die V e r fa s s e r b e le g e n d o c h se l b s t auf d e n f o lg e n d e n Seite n die W e l t ­
v e r b re i t u n g d e s l e t z tg e n a n n t e n H e ilb r a u c h e s B eide P r a k t i k e n sind e b en
E le m e n t a r g e d a n k e n e n ts p r u n g e n .
Als re ic h e Q uelle von allen E n d e n d e r W e l t h e r z u s a m m e n g e t r a g e n e n
lite rarisc hen u n d a u s d e m V o l k s m u n d g e s c h ö p ft e n M a te r ia ls ist die Arbeit,
n a m e n tlic h fü r v e rg le ic h e n d e v o lk sm e d iz in isc h e S tudien, r e c h t n ützlich u n d
s o m it verdienstlich.
Dr. E d u a r d W e i n k o p f.
E uropäisch e und v ergleich en d e Völkerkunde.
L ouise H agb erg;
„ V a s t e m o t “ . F a t a b u r e n . S to c k h o lm
Seite 12— 45 ( S c h w e d i s c h m it d e u t s c h e r Z u s a m m e n f a s s u n g .)
W arren R. D a w s o n :
University P r e s s 1929.
T he
Custom
ofCouvade.
1929.
M anchester
G rafton E lliot Sm ith: T h e m i g r a t i o n s o f e.a r 1 y c u l t u r e .
2. D ru c k . P u b l i c a t io n s of t h e U nive rsity of M a n c h e s t e r Nr. C1I. E th n o lo g ic a l
Se ries Nr. 1, 154 Seiten, 2 K arten.
D.
Z elenin: D a s W o r t t a b u b e i d e n V o l t s s t ä m m e n
e u r o p a s u n d N o r d a s i e n s . E r s t e r Teil. V e r b o t e auf d e r J a g d u n d
a n d e r e n E r w e r b s z w e i g e n . Z b o r n ik d e s M u s e u m s für A n th ro p o lo g ie und
E th n o g r a p h i e , L e n in g ra d . Bd. VIII, 1929. 15! Seiten.
H a n s F i n d e is e n : D i e F i s c h e r e i i m L e b e n d e r „ a l t s i b i ­
r i s c h e n “ V o l k e 'r s t a m m e . Z eitsc h rift fü r E th n o lo g ie , Berlin 1928.
73 Seiten, 49 A b b ild u n g en .
M e h r u n d m e h r t r ä g t nu n a u c h die E th n o l o g i e d e r N o t w e n d i g k e i t einer
v e rg le ic h e n d e n B e t r a c h t u n g und B e r ü c k s ic h ti g u n g d e r v o n d e r V o lk s k u n d e
m it viel fein füh ligeren M e t h o d e n u n d p sy c h o l o g is c h e n E r k u n d i g u n g s m ö g l i c h ­
keiten e r a r b e it e te n E r k e n n t n i s s e in d e r A n la g e ihrer A rb e ite n R e c h n u n g . Je
m e h r solc h e F u r t e n v o n d e r V o lk s k u n d e E u r o p a s in d a s w e i te L a n d de r
V ö lk e r k u n d e füh ren, u m s o b e s s e r w e r d e n sich k u l tu rg e s c h ic h tlic h e H a l te ­
p u n k te auf d e m n o c h r e c h t u n w e g s a m e n G e l ä n d e d e r „ P r i m i t iv i t ä t “ f e s t­
leg e n lassen. Stoff u n d G r u n d n e t z fü r derlei g e sc h ic htlich v e rtiefte V ö lk e r­
k u n d e k ö n n e n a b e r w o h l n u r die V o lk s fo r s c h e r s e l b s t b e ib r in g e n , wie sich
d e ren nun s c h o n eine erh eb lic h e A n z ah l auf die „ e t h n o l o g i s c h e n “ P r o b l e m e
E u r o p a s ein g e stellt h a t, so vo r allem die s c h w e d i s c h e F o r s c h u n g , die m utvoll
a u c h für die g e istige K u ltur in k l a r e r w i s s e n s c h a f tl i c h e r M e t h o d ik j a h r ­
t a u s e n d e a l t e n M u t t e r b o d e n mit k u n d i g e r H a n d a u f z u g r a b e n w e iß . Die a n g e ­
f ü h rte A rbe it L. H a g b e r g z eigt, wie die m a g i s c h e A b w e h r, die v o n allem
S p itzig e n a u s g e h t, ä l t e r ist als d e r Stoff, a u s de m h e u te M e ss e r, sp itzig e
und s c h n e id e n d e D in g e g e fe r tig t w e r d e n , als E isen u n d S ta h l u n d z ie h t a u s
d e m G e b r a u c h d e s H a g d o r n s fü r p rim itive V e r t e i d ig u n g s a n l a g e n , w ie a u ch
O s t­
165
als B e w a c h s u n g v o n v o r g e s c h ic h tlic h e n G r a b h ü g e l n s e h r b e d e u t u n g s v o l l e
S c h lü sse fü r d a s A lter d ie s e s A b e r g l a u b e n s in E u ro p a .
E b e n s o se h e n w i r in E n g l a n d diese S a a t a u f w a c h s e n , die d e r v o n de r
Alt-Philölogie k o m m e n d e f ü h r e n d e E th n o l o g e J. ü . F r a z e r in se inem M o n u ­
m e n t a l w e r k g e le g t hat. D e n n ü b e r allen S c hul- u n d M e th o d e r istr e it h i n w e g ist
e s d e r gleiche W e g d e r E infü hlun g, w e n n die a n g e z o g e n e v e rg le ic h e n d e
D a r s t e l l u n g v o n W . R. D a w s o n ü b e r d a s M ä n n e r k i n d b e t t v o n e iner ein­
g e h e n d e n s e h r b e a c h t e n s w e r t e n E r ö r t e r u n g ke ltisc h er U e b e r lie f e r u n g e n ihren
A u s g a n g n im m t, w o b e i die V e r b i n d u n g fo lg erich tig z u n ä c h s t m it den m ittel­
lä n d isc h e n Riten g e s u c h t w ird. W i r h a lte n den W e g d e r H isto r isie r u n g
e th n o l o g i s c h e r T a t s a c h e n hierin nich t ein- fü r allemal als rich tig a b g e s te c k t ,
a b e r sc h o n d a s U n t e r n e h m e n v e r h e i ß t einen F o rtsc h r itt. So m a g a u c h d e r
V e rsu c h d e r B ild u n g einer W a n d e r s c h i c h t , die M e g a li t h b a u t e n u n d S o n n e n ­
kult, M um ifiz ieru n g u n d a n d e r e Riten u m f a ß t , als d e ren U r s p r u n g s g e b i e t
vo n G. E. S m y t h, A e g y p t e n a n g e s e h e n wird, v o r e r s t r e c h t p r o b l e m a t i s c h
u n d v o r allem rela tiv o b erflächlich e r sch e inen , m a n w ird da bei a b e r v o n
h isto ris c h e n Blickfeld ern h e r im m e r n o c h w e i te r k o m m e n als v o n e iner b lo ß
v o r a u s g e s e t z t e n U rkultu r. U m g e k e h r t k a n n die E r f o r s c h u n g d e r u r tüm lich e n
L e b e n s k re is e E u r o p a s n u r f o r ts c h re ite n , w e n n hier die B e z i e h u n g zu den
w e l ta n s c h a u l i c h n o c h k l a r e r g e f ü g te n L e b e n s k re is e n a u ß e r h a l b E u r o p a s , —
n a m e n tlic h in N o r d a s i e n a u s g e b a u t w ird. Die finnische V o lk s k u n d e h a t sich
da sc h o n als u n e n tb e h rlic h e B r ü c k e z u r E r k u n d u n g k ultureller G r u n d f u n k ­
tio n e n d e s V ö lk e r le b e n s d ies er G e b ie te e rw iese n , u n d e b e n s o b i e te t n u n m e h r
die A rb e it D. Z e 1 e n i n s, d e s b e s t b e k a n n t e n V e r f a s s e rs d e r „ R u ssisc h e n
V o l k s k u n d e “ , ü b e r die G e istig k e it d e s sibirischen J ä g e r t u m s , — d e n n m in d e s t e n s
soviel u m f a ß t die in ih rem T itel so a n s p r u c h s l o s e A rb e it — p s y c h o l o ­
gisc h e A u fs ch lü ss e w e r t v o ll s t e r A rt a u ch für e u r o p ä i s c h e A n s c h a u u n g e n .
D o r t w o J ä g e r t u m L e b e n s g r u n d l a g e ist, h a b e n alle fü r die E r b e u t u n g d e s
h ö c h s t g e r u c h se m p f in d lic h e n W il d e s n o t w e n d ig e n T a b u s u n d M e id u n g e n
n o c h u n m it t e l b a re n e r le b n is m ä ß i g e n C h a r a k t e r : an ih rer A b l a g e r u n g im
A b e r g l a u b e n u n d im L e b e n de r S p r a c h e z e ig t sich d a n n die W ir k s a m k e i t de r
W e l t a n s c h a u u n g e n im S in n e ein er In t e r p r e ta t io n a nim istic a, m y th o l o g i c a usw .
d u r c h die d e r E rle b n issto ff jew eils in b e s o n d e r e r A rt v e r g e m e i n s c h a f te t und
a u s g e b e u t e t wird. W a s die E th n o lo g ie an g u t b e r e i tg e s t e ll t e m Quelle nstoff
sc h o n a u f z u w e is e n h a t, ist a lle rd in g s n ich t b e s o n d e r s erheblich u n d g e r a d e
e x a k t e F r a g e s t e l l u n g e n e r w e ise n seine L ü ck en. E s ist ein V e r d i e n s t de r
A rb e it v o n F i n d e i s e n, d a ß sie so lc h em p o sitiv e n w ie n e g a t i v e n E r k e n n e n
im L e b e n s k re is e de s F i s c h f a n g e s R a u m g e w ä h r t , d e r k e i n e s w e g s s e h r ein­
heitlich u n s e n t g e g e n t r i t t , je n a c h d e r F i s c h g a t t u n g , die E r t r a g v e r sp r ic h t,
n a c h F a n g m e t h o d e n u n d n a m e n t li c h n a c h d e r g e istige n V e r a r b e i tu n g dieses
L e b e n s e r w e r b s in d e r M y th o lo g ie un d im G e m e i n s c h a ft s l e b e n v ielm eh r r e c h t
un te r s c h ie d lic h e Z u - un d U m s t ä n d e n e rk e n n e n lä ß t. U e b e rf lü ss ig zu sa g e n ,
d a ß m a n m it den b ish e r ig e n E r h e b u n g e n sich a u c h w o h l k a u m b e r u h ig e n ka n n,
d a ß a b e r n u r F o r t s c h r e it e n in d e r F e l d f o r s c h u n g n ich t a b e r D e d u k tio n , die
h e u te in e th n o lo g is c h e n S y s te m e n eine so g r o ß e Rolle spielt, einen F o r ts c h r itt
d e r W is s e n s c h a f t b e d e u t e n w ird , d e r a u c h a n d e r e n E r d r ä u m e n au f d e m W e g e
v e r g le ic h s w e i s e r B e t r a c h t u n g z u g u te k o m m e n wird.
A. H a b e r l a n d t .
166
L. L é v y - B r ü h l: D i e S e e l e d e r P r i m i t i v e n . A u t o r i s i e r t e
U e b e r s e t z u n g v o n E. W e r k m a n n . XI u n d 367 S. ( W . B ra u n m ü ller,
W ie n 1930.)
H a t L év y -B rü h l seine a n d e r w e i ti g e n U n t e r s u c h u n g e n d e m W e r d e n u n d
d e r begrifflichen S t r u k t u r d e s D e n k e n s d e s P rim it i v m e n s c h e n im a llg e m e in e n
z i,g e w e n d e t, so e rlä u te rt e r in d ies em B u c h e die p rim itive V o rs te l lu n g s w e lt
in sb e s o n d e r e im Hinblick auf die m y s t is c h e V erv ielfältig u n g o d e r G leich­
s e t z u n g d e s Individium s m it E r s c h e i n u n g e n u n d W e s e n s e in e r b e le b t e n U m ­
w e lt u n d seine p r i m ä r e S o lid a r itä t m it s e in e r B lu ts - u n d S i p p e n g e m e in s c h a ft.
B e m e r k e n s w e r t e E r k e n n t n i s s e fallen hiebei fü r die B e g r ü n d u n g v o n L e v ir a t
u n d C o u v a d e wie a u c h d e r B lu tr a c h e ab. W ie sich d a s B e w u ß t s e i n v o n In halt
u n d G r e n z e n de r P e r sö n lic h k e it s o l c h e r m a ß e n ve rv ie lfä ltigt u n d a u s w e i te t, in
l e tz te r e m Falle bis z u m G efü hl e in er p h y s i o l o g is c h e n , j a f a s t k ö rp e rlich e n
Z u s a m m e n g e h ö r i g k e i t de r M itg lie d e r d e r s e lb e n G r u p p e , ist m it b e h u t s a m s t e r
v ö lk e rp s y c h o l o g i s c h e r E in fü h lu n g u n d a u c h kritisc h e m B e d a c h t h a u p ts ä c h lic h
an a frika n isch e n, a u st r a l i s c h e n u n d m e la n e s is c h e n B eispie len k la r g e le g t. D o c h
k o m m e n a u c h a n d e r e E rd g e b i e t e im w e s e n tlic h e n o h n e E k le k tiz is m u s z u ihrem
Recht, so wie e b en p s y c h o l o g is c h g e ü b t e B e o b a c h t e r d o r t sc h o n a m W e r k e
w a r e n . E u r o p a e r sc h e in t da b ei n ich t b e r ü c k s i c h ti g t . A n g e s i c h ts d e r hier
g leic h erw e ise vorfin dlichen P r i m itiv v o r s te llu n g e n m ö c h t e n w i r g leic h w oh l
je d e m , de r e t w a d a s m ä c h t i g a u f g e s c h lic h te te W is s e n d e s „ H a n d w ö r t e r b u c h
d e s d e u ts c h e n A b e r g l a u b e n s “ v ö l k e rp s y c h o l o g i s c h zu b e w ä l t i g e n su c h t, d a s
a n g e le g e n tlic h e S t u d iu m d ies es B u c h e s e m pfehlen. F ü r die B i n d u n g a n die
U m w e lt d u r c h m y s tis c h e Kräfte, d e n g r o ß e n U m k re is d e s W e r w o l f e r le b n i s s e s
und - G la u b e n s , d a s D o p p e lle b e n n a m e n tlic h vo n Z a u b e r e r und H exe, d a s
P r o b le m d e s S t e r b e n s u n d d e s S c h ic k s a ls d e s T o t e n sind hier n o c h so leb e n d ig e
E r s c h e i n u n g e n a n s Licht g e r ü c k t, d a ß d e r Kreis d e r e in s c h lä g ig e n e u r o p ä is c h e n
U e b erliefe ru n g en u n d s t a r r g e w o r d e n e n U e b erb le ib s el h iera n b e s t e n s g e s i c h t e t
und e i n g e o r d n e t w e r d e n k a n n .
A. H a b e r 1 a n d t.
M isch-O rend:
Von
siebenbiirgisch-sächsischer
B a u e r n a r t . E ine W e s e n s s c h a u . H o n t e r u s - B u c h d r u c k e r e i u n d V e r l a g s ­
a nstalt. H e r m a n n s t a d t , 1929.
Es w a r eig entlich kein kleines W a g n i s , n a c h d e r a u s g e z e ic h n e te n
s i e b e n b ü r g i s c h - s ä c h s is c h e n V o lk sk u n d e , die u n s Adolf S c h u l le r n s 1929 g e ­
ge b e n , m it ein em U m riß o d e r „ W e s e n s s c h a u “ , w ie die v o r l ie g e n d e S c h ild e r u n g
sie d arstellen, h e r v o rz u t r e t e n . Die n ich t g a n z k lare D isp o sitio n d e s W e r k c h e n s ,
d a s in 15 A b s c h n itte n ( S i e b e n b ü r g e n u n d se ine Völker, d a s V e rh ä ltn is de r
S a c h s e n zu den a n d e r e n V ölkern S i e b e n b ü r g e n s , d a s V e rh ä ltn is z u r S ta d t, d a s
D orfleben, G r u n d s t i m m u n g , G e m e in s c h a f t, Liebe, E he, V e r w a n d ts c h a f t , G e ­
selligkeit, H u m o r u n d S p o tt, Bildu ng, F o rm e n , R e ch tss in n , W ir t s c h a f t , V olks­
kunst, die letz te n D inge, R a s s e u n d T e m p e r a m e n t , V o lk sp e r sö n lic h k e it) die
sa c hliche u n d g e istig e Seite d e r V o lk s k u n d e b e r ü h rt , l ä ß t n ich t r e c h t e rk e n n e n ,
fü r w e n die Schrift b e s t im m t ist. F ü r S c h u l z w e c k e s c h e in t sie nich t s e h r g e ­
eignet, m e h r für ein s c h ö n g e is ti g e s P u b lik u m , d a s in a n g e n e h m e r F o r m über­
dies tü c h t i g e V o ik sw e s e n , d a s nu n sc h o n d u r c h fa s t 8 J a h r h u n d e r t e seine
S p r a c h e u n d V o lk sa rt in vorb ildliche r W e is e m itte n in fr e m d n a ti o n a le r U m ­
g eb un g b ew ah rt, m an nigfachstes zu hören b ek o m m t.
Prof. M. H a b e r l a n d t .
H erau sg eb er, E ig en tü m e r u. V erleg er; V erein fü r V o lk sk u n d e (P rä s id e n t Prof. D r.M . H a b erlan d t.)
V e ra n tw o rtlic h e r R e d a k te u r: Prof. D r. M ichael H a b e r l a n d t , W ien, V III. L a u d o n g a sse 17. —
B u ch d ru ck erei P a g o , W ien , II. G ro ß e S chiffgasse 4.

Documentos relacionados