SAP Enhancement Packages – Was Revisoren darüber wissen sollten

Transcrição

SAP Enhancement Packages – Was Revisoren darüber wissen sollten
 Prüfen in SAP ®
Roland Giger
Inhalt
1
2
3
4
5
6
7
8
Warum gibt es Enhancement Packages?
Der Revisor sollte sich dafür interessieren – warum?
Wie funktioniert es?
Wo und wie finde ich Informationen?
Hilfsmittel im SAP-System
Risikoüberlegungen
Vorgehensvorschlag für den Revisor
Fazit
SAP Enhancement Packages –
Was Revisoren darüber wissen sollten
Der Wechsel von der SAP R/3-Architektur zur neuen SAP
ERP-Architektur im Jahr 2005 umfasste eine grundlegend
neue Upgrade-Strategie der Firma SAP. Sie enthält die sogenannten Enhancement Packages (EHP) oder auch Erweiterungspakete genannt, die Auswirkungen auf das
Vorgehen eines Revisors haben.
Enhancement Packages: Was steckt genau dahinter?
War und ist es „nur“ eine neue Marketingidee oder eine
technische Innovation für SAP-Basismitarbeiter? Wie beurteilen Sie als Revisor diese Bezeichnung? Kennen Sie
die Begriffe Business Function, Switch oder Enhancement
Framework und deren Auswirkungen auf die Risikobeurteilung einer Prüfung bei einem Kunden? Mein Artikel
soll Sie unterstützen, diese Begriffe besser zu verstehen
und anhand konkreter Vorgehensvorschläge Ihre Prüfung erfolgreicher zu gestalten und durchzuführen.
Viel Spaß!
Abb. 1 – Die aktuelle SAP-Systemarchitektur
PRev Revisionspraxis 1 | 2012
35
Roland Giger SAP Enhancement Packages – Was Revisoren darüber wissen sollten
Prüfen in SAP ®
1 Warum gibt es Enhancement Packages?
Mit den Enhancement Packages hat SAP ein neues Auslieferungskonzept geschaffen, das
dem Kunden erlaubt, neue Funktionen flexibel und mit geringem Aufwand einzuführen.
Verbunden mit dieser neuen Architektur ist eine radikale Änderung der Art und Weise,
wie neue Funktionen von SAP zum Kunden gebracht werden. Die bisherige Vorgehensweise, Neuerungen mit neuen (und teuren) Releases bereitzustellen, wurde ersetzt durch
das Konzept mit den Enhancement Packages. Ziel ist es, die Aktivierung bzw. Bereitstellung neuer Funktionen zu vereinfachen und dem vom Kunden geforderten Innovationstempo entgegenzukommen. Der Kunde kann neu mitentscheiden, wann und ob er
die erforderliche Funktion einsetzen will.
Technisch betrachtet, bildet das SAP ERP 6.0 mit dem SAP ECC Core den eigentlichen stabilen Kern. Dieser soll sich über längere Zeit nicht ändern und auch keinem Releasewechsel mehr unterzogen werden müssen.
Die neu entwickelten oder angepassten Funktionen (sogenannte Business Functions) sind nun in den Enhancement Packages enthalten. Dieser wesentliche Unterschied
zum traditionellen Releasewechsel erlaubt eine Trennung vom eigentlichen Installieren
der neuen Business Functions und der Aktivierung bzw. Nutzung durch die Anwender.
Der Umfang dieser Funktionalität wächst von Jahr zu Jahr. Für das SAP ERP erfolgte
bisher die Auslieferung von fünf Enhancement Packages mit über 500 Business Functions. Das Enhancement Package 6 ist bereits angekündigt. Die gleiche Philosophie wird
auch für die anderen SAP-Lösungen CRM, SRM, PLM und SCM angewendet; Erweiterungspakete sind verfügbar.
2 Der Revisor sollte sich dafür interessieren – warum?
Bestand in der bisherigen SAP R/3-Systematik vor allem eine betriebswirtschaftliche Sicht
auf die Bereiche Rechnungswesen, Logistik und Personal mit ihren jeweiligen „Modulen“, hat sich dies mit SAP ERP 6.0 grundlegend geändert. Wusste man bisher, dass mit
einem bestimmten Release die vorhandenen SAP-Standardfunktionen in einem SAP R/3
alle gleich waren, so ist dies jetzt komplett anders. Kein SAP ERP 6.0 ist mehr identisch;
dies wird von installierten Enhancement Packages und den jeweilig aktivierten Business
Functions bestimmt.
Degen · Deister
TOPTHEMA IT-RECHT.
Computer- und Internetrecht
Vertragsgestaltung, E-Commerce und Datenschutz
2009, 298 Seiten, € 38,–
DEGEN/DEISTER
Computer- und Internetrecht
Vertragsgestaltung
E-Commerce und Datenschutz
ISBN 978-3-415-03793-9
Das Werk vermittelt dem Leser einen Überblick über die wesentlichen Rahmenbedingungen des ICT Law. Die Autoren erläutern u.a. das Vertragsrecht
der Informationstechnologien, einschließlich der Gestaltung individueller
Verträge und AGB, das Recht des E-Commerce, inklusive Provider-Verträgen,
und das Recht des Online/Mobile Business. Sie nehmen Stellung zu Fragen
des Urheber-, Marken-, Domain- und Wettbewerbsrechts sowie des Datenschutzes und der IT-Sicherheit.
Ausführungen zum Recht der Kommunikationsnetze und -dienste, zu den
internationalen Rechtsbezügen sowie zum IT-Strafrecht vervollständigen die
Darstellung.
WWW.BOORBERG.DE
36
RICHARD BOORBERG VERLAG FAX 07 11 / 73 85-100 · 089 / 43 61 564
TEL 07 11 / 73 85-0 · 089 / 43 60 00-0 BESTELLUNG @ BOORBERG.DE
SZ0411
PRev Revisionspraxis 1 | 2012
Roland Giger SAP Enhancement Packages – Was Revisoren darüber wissen sollten
Prüfen in SAP ®
Werden mit SAP ERP 6.0 unterstützte Prozesse geprüft, können Sie nicht mehr von
einer einheitlichen Ausgangslage ausgehen und lediglich mit einem einmalig erworbenen Wissen immer gleich prüfen. Das Risiko für Sie als Revisor ist dann groß, wenn Ihnen
nicht bekannt ist, welche Business Functions für die ausgeführten Prozesse angewendet
werden. Als Revisor benötigen Sie detaillierte Kenntnisse über die aktivierten Business
Functions sowie den Stand des installierten Enhancement Package und Sie sollten wissen, wie Sie sich darüber informieren können.
3 Wie funktioniert es?
Was umfasst eine Business Function und welche Arten gibt es?
Es gibt folgende Arten von Business Functions:
Enterprise Extensions
Grundsätzlich verfügbare Funktionen im SAP ERP 6.0 (ECC-Core). Es kann sich
sowohl um branchenunabhängige (z. B. Financial Extension, Public Sector)
oder branchenspezifische (z. B. Consumer Products, Public Services) Lösungen
handeln.
Enterprise Business Functions
Funktionen, die branchenunabhängig oder branchenspezifisch verfügbar sind.
Die Besonderheit ist, dass diese parallel zu anderen branchenunabhängigen
oder branchenspezifischen Funktionen genutzt werden können.
Industry Business Functions
Funktionen, die zu einer Branchenlösung gehören. Eine parallele Aktivierung
von Funktionen, die in mehreren Branchenlösungen vorhanden sind, kann
nicht vorgenommen werden.
Wie werden die Business Functions aktiviert und was geschieht im SAP-System?
Wird eine Business Function aktiviert, generiert das System die jeweils dafür vorgesehenen Inhalte und macht diese für die Nutzung sichtbar. Beispielsweise neue Menüeinträge, Erweiterungen bestehender Transaktionen, geänderte oder neue Tabellen sowie Customizing-Funktionen. Aus technischen Gründen kann die Aktivierung der meisten
Business Functions nicht mehr rückgängig gemacht werden – no way back – es würde zu
unwiderruflichen Inkonsistenzen führen. Die aktivierte Business Function ist immer für
den ganzen Mandanten verfügbar!
Die Aktivierung erfolgt im Switch Framework. Dies ist das zentrale Schaltwerk, um
die Erweiterungen zu verwalten und zu aktivieren. Es besteht aus einer Hierarchie folgender Komponenten:
Wie Sie unweigerlich feststellen, gibt
es auch Business Function Sets. Damit
werden mehrere Business Functions zusammengefasst. Einerseits werden damit
Branchenlösungen gebündelt und andererseits zusammengehörige Business Functions für die Standardanwendungen, beispielsweise das Rechnungswesen.
Nebenbei: Entwickelt ein Kunde selber neue Funktionen, kann er durch das
neue Konzept des sogenannten „EnhanceAbb. 2 Die Komponenten im Switch Framework
ment Framework“ selber Business Functions entwickeln, die ebenfalls über das Switch Framework aktiviert werden.
Ein Enhancement Package muss nicht vollständig installiert sein. SAP liefert kein
„monolithisches“ Paket aus. Es können (und sollten) nur diejenigen Business Functions
installiert werden, die wirklich benötigt werden. Dieser Umstand führt dazu, dass nur die
betroffenen SAP-Softwarekomponenten auf dem aktuellsten Stand sind. Eine nachträgliche Installation von weiteren Business Functions zum Zeitpunkt der funktionalen Notwendigkeit kann jederzeit erfolgen.
PRev Revisionspraxis 1 | 2012
37
Prüfen in SAP ®
Roland Giger SAP Enhancement Packages – Was Revisoren darüber wissen sollten
Abb. 3 Nur betroffene Softwarekomponenten werden aktualisiert
“Prüfen ohne Wissen um die aktivierten Enhancement Packages ist wie Wandern ohne Karte”
4 Wo und wie finde ich Informationen
Eine erste Möglichkeit ist die Online-Dokumentation von SAP. Als gutes Tool erweist sich
der „ERP Solution Browser“, der vor allem gezielt für die Analyse der Unterschiede zwischen den einzelnen Enhancement-Packages-Versionen nützlich ist. Als Onlinepräsentation empfiehlt sich das Webinar über Enhancement Packages von SAP. Immer wieder
Artikel über Enhancement Packages erscheinen im SAP.info. Umfassende Informationen
sind im SAP Community Network (SDN) verfügbar. Der Vorteil dabei ist, dass alle diese
Möglichkeiten öffentlich zugänglich sind.
Verfügen Sie über einen Account für den SAP Marktplatz, erweitern sich Ihre Möglichkeiten beträchtlich, denn hier finden sich die detailliertesten Informationen.
Handbuch der Datenprüfung
PRAXISNAH.
von Dipl.-Informatiker Holger Klindtworth
2006, 438 Seiten, gebunden, € 64,90
ISBN 978-3-415-04537-8
Das Praxiswerk richtet sich an Prüfer und Verantwortliche im Unternehmen: Innenrevisoren und Prozessverantwortliche, Wirtschaftsprüfer und
Berater, Betriebsprüfer und Steuerpfl ichtige, Controller, IT-Spezialisten und
Anwender in den Fachabteilungen. D.h. an alle, die ein Interesse an Unternehmensdaten haben, unabhängig davon, ob sie langjährige Erfahrung mit
der Untersuchung von Daten mitbringen oder diese geheimnisvolle Welt erst
betreten.
Die Schwerpunkte sind: Systematische und unsystematische Prozessfehler,
Fraud und dolose Handlungen, Doppelzahlungen, Adressbereinigung und
Stichprobenverfahren, Dollar-Unit-Sampling, Regression und Benfords-Law,
IDEA, ACL, Business-Intelligence und Werkzeugauswahl, GDPdU, SAP
sowie Excel & Co.
WWW.BOORBERG.DE
38
RICHARD BOORBERG VERLAG FAX 07 11 / 73 85-100 · 089 / 43 61 564
TEL 07 11 / 73 85-0 · 089 / 43 60 00-0 BESTELLUNG @ BOORBERG.DE
SZ0212
PRev Revisionspraxis 1 | 2012
Roland Giger SAP Enhancement Packages – Was Revisoren darüber wissen sollten
Informationen auf dem SAP Marketplace
Prüfen in SAP ®
Dies ist der Single-Point für alle Informationen über Enhancement Packages. Nebst technischen Informationen und Präsentationen finden Sie hier die fachlichen Beschreibungen über die einzelnen Business Functions. Nachstehendes Bild zeigt die Übersicht über
das Enhancement Package 5.
Abb. 4 SAP Marktplatz – Funktionalität des EHP5
Klicken Sie auf die Online-Details, dann gelangen Sie eine Ebene tiefer zu folgender Übersicht.
Abb. 5 SAP Marktplatz – Detaillierte Dokumentation über die Business Functions
Hier finden Sie zu jeder Business Function die Detaildokumentation. Ein Klick auf „Documentation“ und Sie gelangen zur entsprechenden Onlinehilfe.
PRev Revisionspraxis 1 | 2012
39
Roland Giger SAP Enhancement Packages – Was Revisoren darüber wissen sollten
In dieser Tabelle finden Sie die entsprechenden Links zu den beschriebenen Hilfsmitteln.
SAP Marktplatz
http://service.sap.com/erp-ehp
Infocenter über die Enhancement Packages
http://service.sap.com/erp-ehp-inst
EHP Master Guide, How-to-Install SAP EHP und
EHP Installation Guide
http://service.sap.com/securityguide
Sicherheitsleitfäden zu den einzelnen EHP
Online Dokumentation
http://help.sap.com
à SAP ERP Enhancement Packages
à ERP Central Component Enhancement Packages
Deaktivieren von Business Functions:
http://help.sap.com/saphelp_tm80/helpdata/de/35/
1b33b3e7764177a3218ae08f6637f0/frameset.htm
Das Switch Framework
http://help.sap.com/saphelp_bic703/helpdata/de/af/
e8b540afc87c2ae10000000a155106/frameset.htm
ERP Solution Browser
http://erp.fmpedia.com
Hilfreich auch, wenn man die Unterschiede von EHP zum nächst höheren EHP herausfinden will (Deltafunktionalität)
SAP Community Network
Forum:
http://forums.sdn.sap.com/forum.jspa?forumID=321&start=0
Blogs:
http://www.sdn.sap.com/irj/scn/weblogs?blog=/weblogs/topic/97
Präsentationen der SAP-Teched:
http://www.sdn.sap.com/irj/scn/vste-catalog
Webinar
https://www.sap-webseminare.de/
Webinar-Reihe mit Neuigkeiten in den Erweiterungspaketen
Informationszeitschrift
http://de.sap.info
Prüfen in SAP ®
Informationsquelle
5 Hilfsmittel im SAP-System
Die Transaktion SFW5 ist die zentrale Schaltstelle, das Switch Framework, um sich über
Business Functions zu informieren und deren Einführung vorzubereiten. Von hier aus
können Sie sich die Beschreibung, Release-Informationen und die Testkataloge anzeigen
lassen. Der Aufruf der Transaktion zeigt folgendes Bild eines IDES-Systems mit EHP5.
Abb. 6 Transaktion SFW5 – das Switch Framework als Schaltzentrale
40
PRev Revisionspraxis 1 | 2012
Roland Giger SAP Enhancement Packages – Was Revisoren darüber wissen sollten
Prüfen in SAP ®
Die einzelnen Spalten geben Ihnen nicht nur Auskunft über deren Status (z. B. wann
wurde die Business Function aktiviert?). Hinter einzelnen Funktionen befinden sich weitere Detaildokumentationen, die sehr hilfreich sind.
Was kann die Transaktion SFW5 noch? Über das Menü Springen können Sie sich
verschiedene Protokolle (DDIC, Switch Framework, Importprotokoll und die History) anzeigen lassen. Diese helfen Ihnen bei der Analyse, was, wann, von wem installiert wurde.
Für die Transaktion SFW5 sollten nur wenige Personen eine Pflegeberechtigung erhalten. Als Revisor können Sie für diese Transaktion eine Anzeigeberechtigung bekommen. Sie benötigen dafür zum Berechtigungsobjekt S_SWITCH die Aktivität 03 (Anzeigen). Die beiden Felder Objektname und Objekttyp werden mit einem Stern ausgeprägt.
Alternativ steht Ihnen auch die Transaktion SFW_BROWSER zur Verfügung. Diese reine
Abb. 7 Berechtigungen zur Anzeige des Switch Framework
Anzeigetransaktion verfügt über ein paar Möglichkeiten, die mit der Transaktion SFW5
nicht möglich ist. Nach dem Aufruf zeigt sich folgendes Bild:
Abb. 8 Transaktion SFW_BROWSER – das Switch Framework
PRev Revisionspraxis 1 | 2012
41
Prüfen in SAP ®
Roland Giger SAP Enhancement Packages – Was Revisoren darüber wissen sollten
Der Vorteil hier ist, dass Sie mittels Doppelklick auf die detaillierten Anzeigen der einzelnen Business Functions kommen können. Mit SFW5 ist dies nicht möglich, sondern erfordert die Transaktionen SFW1, SFW2 oder SFW3, die ebenfalls mit einer Anzeigeberechtigung auf dem Objekt S_SWITCH aufgerufen werden können. Mit der Transaktion
SFW_BROWSER haben sie aber alles vereint.
Die Impact-Analyse, die direkt über SFW5 aufgerufen werden kann, ist auch mittels
Report SFW_IMPACT_ANALYZER aufrufbar. Hiermit ermittelt man, welche Benutzer und
Berechtigungsrollen von der Aktivierung einer Business Function betroffen sind. Dies
hilft bei der Beurteilung der Auswirkungen sowie den nötigen Maßnahmen zur Einführung.
Abb. 9 Report SFW_IMPACT_ANALYZER
Zugehörige Transaktion
Aufgabe
SFW1
Schalter verwalten
SFW2
Business Functions verwalten
SFW3
Business Function Sets verwalten
SFW5
Übersicht und Verwaltung der Business Functions.
SFW_BROWSER
Reine Anzeigetransaktion über die Business Functions
SA38
Report SFW_IMPACT_ANALYZER
Abb. 10 Transaktionscodes über Business Functions
Tabelle
Inhalt
SFW_ACTIVE_B2
Liste der aktivierten Business Functions
SFW_BF
Liste aller Business Functions
SFW_BS
Liste der Business Sets
SFW_SWITCH
Liste der Schalter
SFW_SW_BF
Zuordnung der Schalter zu den Business Functions
SFW_SWITCH_STATE
Schaltereinstellungen. Zeigt auf, ob sie aktiv sind oder nicht
SFW_LOGFILE
Logfiles zu BC Set Aktivierung
SFW5_HISTORY
Historie der Transaktion SFW5
CVERS
Liste der installierten Softwarekomponenten
Abb. 11 Die wichtigsten Tabellen über Business Functions
6 Risikoüberlegungen
Eine SAP-Systemlandschaft mit mehreren Mandanten und mehreren Kunden innerhalb
eines Mandanten ist eine komplexe Situation, wenn es um die Entscheidung geht, welche Business Functions zu aktivieren sind. Risiken ergeben sich sowohl für den Betreiber
42
PRev Revisionspraxis 1 | 2012
Roland Giger SAP Enhancement Packages – Was Revisoren darüber wissen sollten
Prüfen in SAP ®
des SAP-Systems wie auch für dessen Anwender. Beide stehen in der Verantwortung und
beide müssen ihr Vorgehen und ihr Verständnis aufeinander abstimmen.
Bis eine Business Function auf dem Produktivsystem verfügbar ist und genutzt werden kann, sind einige Voraussetzungen zu erfüllen. Wenn diese nicht sorgfältig abgeklärt
und vorbereitet werden, besteht ein hohes Risiko, dass die Aktivierung zu erheblichen
und kostenintensiven Problemen führen kann. Nur in Ausnahmefällen lässt sich die Aktivierung rückgängig machen und sollten sich auf einem Mandanten mehrere Kunden
befinden, sind alle von den Auswirkungen betroffen.
Eines der größten Risiken ist somit die unsachgemäße Aktivierung von Business
Functions. Unter diesem Begriff lässt sich vieles verstehen – er steht zusammenfassend
für eine Vielzahl von einzelnen Risiken, die letztlich eine massive Störung des Betriebes
verursachen können.
Der Betreiber sollte zumindest die grundsätzliche Vorgehensstrategie festgelegt
haben, wie Enhancement Packages bzw. Business Functions installiert und aktiviert werden. Werden alle verfügbaren Business Functions installiert oder nach Bedarf? Besteht ein
separates Testsystem, das als Sandbox-System wieder plattgemacht werden kann? Wie ist
das Änderungsmanagement geregelt für neue Business Functions? Wer ist zuständig und
verantwortlich für welche Aufgaben?
Der Anwender wiederum steht in der Verantwortung, seine fachlichen Anforderungen sorgfältig und rechtzeitig zu definieren. Die Vorbereitungszeit und der Aufwand bis
zur Einführung können sehr schnell umfangreich werden. Die Annahme, dass dank der
raschen Installation und Aktivierung neuer Business Functions eine wesentliche Zeitersparnis für den Anwender eintritt, ist ein Trugschluss. Die Analyse, das Testen und die
Anpassung von Betriebsabläufen, Berechtigungen und Anwenderdokumentationen bis
zur ordentlichen Abnahme sind als Erfolgsfaktoren noch bedeutender einzuschätzen als
bisher. Deren Umfang ist direkt von der gewählten Business Function abhängig und mit
Sicherheit nie gleich.
Sowohl zeitliche wie qualitative Kriterien müssen für den Betreiber und die Anwender bekannt sein und aufzeigen, wie vorzugehen ist und was in der Planung zu berücksichtigen ist. Nach einer Aktivierung ist eine erhöhte Aufmerksamkeit beim technischen
und fachlichen Support nötig, da Störungen nicht vollständig ausgeschlossen werden
können.
Fehlende konzeptionelle Vorgehensweise im Umgang mit Enhancement Packages
und der Aktivierung von Business Functions
Keine klare und dokumentierte Vorgehensweise und Verantwortung für Betreiber
und Anwender
Unsachgemäße Einführung und Produktivsetzung
Nicht nachweisbare Entscheidungsfindung, kein Änderungsmanagement und keine
ordnungsmäßige Freigabe zur Aktivierung von Business Functions
Mangelnde Beurteilung bei mehreren Kunden auf einem Mandanten
Fehlender Support nach der Aktivierung
Abhängigkeit zu SAP-Add-On eines fremden Anbieters nicht überprüft
Kein Sandboxsystem für das Testen und Auswirkungsanalyse
Keine restriktive Vergabe der Berechtigung für das Switch Framework
Abb. 12 Nicht abschließende Risikoliste
7 Vorgehensvorschlag für den Revisor
Kein SAP-System ist mehr identisch in seiner Funktionalität. Auch der Hinweis „Auf allen
Systemen ist das neueste Enhancement Package installiert“ widerlegt diese Aussage nicht.
Erst wenn Sie feststellen und beurteilen können, welche Business Functions installiert
PRev Revisionspraxis 1 | 2012
43
Prüfen in SAP ®
Roland Giger SAP Enhancement Packages – Was Revisoren darüber wissen sollten
und welche aktiviert sind, lässt sich eine solche Aussage bestätigen. Gehen Sie kritisch
mit solchen Pauschalaussagen um und seien Sie neugierig mit entsprechenden Nachfragen.
Vertiefen Sie Ihr Wissen über das Konzept der Enhancement Packages. SAP stellt
eine umfangreiche Dokumentation zur Verfügung und gerne stehe ich Ihnen auch via
E-Mail für den Erfahrungsaustausch zur Verfügung.
Als mögliche Prüfobjekte bzw. -themen ist folgende Gruppierung möglich:
Projekte – Mitlaufende Prüfung von EHP-Projekten
Betreiber – Strategie, Konzept, Vorgehensweise, Change-Management, Support
Anwender – Testqualität, Einführungsvorgehen, Betriebsdokumentation
Sollten Sie bei einem Anwender einen bestimmten Betriebsprozess prüfen, dann informieren Sie sich darüber, ob und welche Business Functions zusätzlich zur SAP-Standardfunktionalität aktiviert wurden oder ob solche in naher Zukunft beabsichtigt sind.
Bekommen Sie die Berechtigungen für die Transaktionen des Switch Frameworks
nicht, lassen Sie sich durch einen zuständigen Mitarbeiter beim Betreiber die notwendigen Informationen anzeigen. Verweisen Sie aber auch auf die Möglichkeit der berechtigungsmäßigen Anzeigebeschränkung dieser Transaktionen oder die Anzeigetransaktion
SFW_BROWSER.
Wie erkennen Sie, welches Enhancement Package installiert ist? Wenn Sie sich im
SAP-System angemeldet haben, finden Sie im Menü System->Status>Software
Components>Details eine Liste der installierten SAP-Softwarekomponenten und deren
Versionsnummer. Zumindest erkennen Sie dann, welche dieser Komponenten auf welchem Stand ist. Lassen Sie sich nicht davon verwirren, dass nicht alle den gleichen
Release­stand haben. Dies zeigt Ihnen, dass nicht alle Business Functions des neuesten
Enhancement Package installiert wurden.
Welches Enhancement Package ist installiert bzw. wann ist die nächste Installation
geplant? Gibt es eine Releasestrategie?
Wurde die Einführung eines Enhancement Package als bewilligtes Vorhaben/Projekt
geplant, vorbereitet und durchgeführt?
Welche Business Functions sind installiert bzw. aktiviert? Wer ist der fachlich Verantwortliche? Erfolgte deren Aktivierung ordnungsmäßig und sicher?
Gab es nach der Installation eines Enhancement Package oder Aktivierung einer
Business Function Fehler? War deren Monitoring/Support sichergestellt? Musste
SAP beigezogen werden? Sind die Kunden informiert?
Wurden kundeneigene Business Functions entwickelt?
Wurden die Auswirkungen auf andere Kunden innerhalb des gleichen Mandanten
ausreichend analysiert? Wurden diese darüber informiert?
Erfolgte die Aktivierung einer Business Function kurzfristig und unter Zeitdruck
eines Anwenderprojektes?
Wurden die Auswirkungen einer Aktivierung einer Business Function ausführlich
und nachvollziehbar getestet? Wurden die Testfälle von SAP übernommen?
Wurde eine Business Function Prediction bei SAP angefordert? Liegen die Resultate
vor und wie wurden sie berücksichtigt?
Abb. 13 Mögliche Prüffragen
44
PRev Revisionspraxis 1 | 2012
Roland Giger SAP Enhancement Packages – Was Revisoren darüber wissen sollten
8 Fazit
Enhancement Package ist nicht gleich Enhancement Package. Näher hinschauen, feststellen was wirklich da ist und in die Risikoüberlegung und das Prüfvorgehen einbeziehen. Eine notwendige Vorgehensweise, damit das Prüfungsumfeld besser verstanden und
dem geprüften Kunden ein Mehrwert entsteht.
Kenntnisse über die grundsätzliche Funktionsweise von Business Functions und die
damit verbundenen Risiken bei deren Aktivierung gehören sozusagen als Grundwissen in
den Werkzeugkasten des Revisors.
Roland Giger, Eidg. Dipl. Wirtschaftsinformatiker, CISA, CRISC
Mehrjährige IT-Erfahrung, davon 10 Jahre SAP-Berater, seit mehr als sechs Jahren in der Revision
tätig und nebenberuflich als freier Berater tätig.
[email protected]
Steuergesetze 2012 auf USB-Stick
KOMFORTABEL.
21 zentrale Gesetze und Verordnungen plus HGB und GmbHG
Stand 1.1.2012
2012, USB-Stick, € 27,80
ISBN 978-3-415-04752-5
Der USB-Stick enthält 21 zentrale Steuervorschriften sowie das HGB und
GmbHG in digitaler Form. Er bietet eine komfortable Vorschriftenanwendung
mit umfangreichen Recherche- und Ausgabefunktionen. Besonders nützlich
sind die historischen Fassungen der Vorschriften, die miteinander verglichen
werden können.
Unter www.steuergesetze-2012.de erhalten die Käufer des USB-Sticks
kostenfrei Zugang zu einer komfortablen Online-Vorschriftensammlung, die
alle auf dem USB-Stick enthaltenen Vorschriften recherchierbar und regelmäßig aktualisiert vorhält.
WWW.BOORBERG.DE
PRev Revisionspraxis 1 | 2012
RICHARD BOORBERG VERLAG FAX 07 11 / 73 85-100 · 089 / 43 61 564
TEL 07 11 / 73 85-0 · 089 / 43 60 00-0 BESTELLUNG @BOORBERG.DE
SZ0212
45

Documentos relacionados