Bundesministerium der Justiz Bundesministerin der Justiz Frau
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Bundesministerium der Justiz Bundesministerin der Justiz Frau
________________ ________________ ________________ Bundesministerium der Justiz Bundesministerin der Justiz Frau Brigitte Zypries Mohrenstraße 37 10117 Berlin ___________________, den _____ . _____ . 2006 Sehr geehrte Frau Bundesministerin, mit Bestürzung verfolge ich die Verschärfungen des Urheberrechts in der letzten Zeit. So wird es immer wieder zu Gunsten der großen Medienkonzerne geändert, zum Nachteil der Endverbrau cher. Bereits mit dem sog. „1. Korb“ der Urheberrechtsreform wurde die Privatkopie im Prinzip abgeschafft, denn nur noch wenige CDs erscheinen ohne Kopierschutz. Das führt zu zahlreichen Problemen im Alltag – angefangen beim Autoradio, das manche kopiergeschützten CDs nicht abspielt, zum MP3 Player, auf den man die CD nicht übertragen kann, bis hin zum Urlaubsvideo, das man nicht mit Musik von kopiergeschützten CDs unterlegen kann. Auch Sicherheitskopien von CDs mit Kopierschutz oder das Zusammenstellen von Samplern ist nicht mehr möglich. Nun stellt sich für mich noch die Frage, wofür ich eigentlich Vergütungen auf Leermedien und Geräte, die zum erstellen von Privatkopien geeignet sind, bezahle. Gegen diese Gebühren hätte ich nichts einzuwenden, solange ich dann aber Privatkopien in der Praxis anfertigen darf – und nicht nur theoretisch, weil fast alle CDs einen Kopierschutz besitzen. Wie wäre es, wenn die Verleger der CDs bzw. die Rechteinhaber nur noch diese Kompensationszahlungen bekommen, wenn die betreffenden CDs über keinen Kopierschutz verfügen, sodass man sie auch kopieren kann bzw. darf? Mit Unmut betrachte ich auch den Wegfall der Bagatellklausel für Urheberechtsverletzungen, mit der eigentlich Massenbestrafungen weiter Bevölkerungskreise verhindert werden sollten. Sie sagten zwar, dass "in 99,9 Prozent der Fälle das Verfahren eingestellt wird", dass deckt sich je doch schon jetzt nicht mit der Realität. So wurden von dem Unternehmen Logistep bis Ende September vorigen Jahren rund 18.000 Strafanzeigen gegen Nutzer von Tauschbörsen gestellt, die verbotenerweise das Computerspiel „Earth 2160“ angeboten haben. Auch die Staatsanwaltschaft Köln hat gegen 3500 Nutzer der Tauschbörse „eDonkey“ Ermitt lungen aufgenommen. Die Beschuldigten hätten bis zu 8000 Dateien angeboten. „Bis zu“ heißt für mich, dass auch nur einige wenige großen Mengen Daten angeboten haben, die übrigen können auch nur wenige urheberrechtlich geschützte Dateien für andere Nutzer freigegeben haben. Im Übrigen gaben Sie an, dass es in der Sache dabei bliebe, dass sich an der geltenden Rechts lage nichts ändere. Nun frage ich mich jedoch, warum das Gesetz geändert wird, wenn sich ohnehin nichts ändert. Als gänzlich unangemessen beurteile ich den bald in Kraft tretenden Auskunftsanspruch gegen Provider bei Verletzungen des Urheberrechts (Umsetzung der EU- Richtlinie „Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums“). Ich bin der Meinung, dass das im Grundgesetz verankerte Fernmeldege heimnis ein sehr hohes Gut ist, und nur in Ausnahmefällen übergangen werden kann. Ich finde, dass ein Auskunftsanspruch lediglich mit richterlicher Genehmigung bestehen sollte, da sonst re lativ willkürlich Verbindungsdaten abgefragt werden können, was die Anonymität im Internet qua si aufheben würde. Ich frage mich, in wie weit diese EU-Richtlinie konform mit dem Grundgesetz ist. Im übrigen hat das Landgericht Darmstadt entschieden, dass eine dafür notwendige pau schale Vorratsdatenspeicherung rechtswidrig ist, es dürften lediglich die zur Abrechnung notwen 1/2 digen Daten gespeichert werden (Az. 25 S 118/2005). Zwar hat die EU eine pauschale Vorrats datenspeicherung vorgeschrieben, die entsprechende Richtlinie wurde auch bereits in nationales Recht umgesetzt. Nur dieses Urteil bekräftigt mich in der Annahme, dass eine pauschale Vor ratsdatenspeicherung nicht mit den geltenden Datenschutzgesetzen vereinbar ist. Die Vorratsda tenspeicherung auf EU Ebene wurde immer mit einer Terrorismusgefahr begründet. Urheber rechtsverletzer halte ich nicht für Terroristen, ich frage mich daher, ob die mit dieser Begründung gespeicherten Daten nicht zweckentfremdet werden, wenn sie zum Aufspüren von Urheber rechtsverletzern benutzt werden. Spätestens, wenn private Unternehmen auf diese Verbindungs daten zugreifen können, sollte dies meiner Ansicht nach der Fall sein. Im Allgemeinen finde ich das jetzige Urheberrecht zu starr für unsere heutige flexible Informa tionsgesellschaft. Inhalte werden zunehmend losgelöst von physischen Medien. So werden private Internetseiten, Blogs (Internet-Tagebücher), Foren, Chats und E-Mails zunehmend zur Verbreitung von Texten, Videoclips oder auch Musikstücken dritter genutzt. Ich finde diese Möglichkeiten sehr interessant, vor allem auch weil unbekanntere Künstler und Autoren so ein Forum bekommen, um ihre Werke vorzustellen, Werke die sonst z. B. nie im Fernsehen gesendet, in der Zeitung oder als Buch gedruckt oder als CD erschienen wären. Diese Ver breitungswege sind keine Alternativen zum Kauf von z. B. dem entsprechenden Buch, der DVD oder der CD, einfach schon, da die Qualität im Internet meist sehr dürftig ist, oder man das ent sprechende Buch oder die CD haben möchte. Ich finde die Idee einer „Kulturflatrate“ sehr inter essant, also einer Pauschalzahlung pro Monat, die inoffizielle Verbreitungswege, z. B. als Privat kopie an Freunde und Bekannte oder über das Internet legalisieren würde. Umzusetzen könnte man das etwa mit einer Urheberrechtsabgabe auf Internetanschlüsse, je nach Bandbreite, sodass für langsamere Anschlüsse weniger zu bezahlen ist als für schnellere, vielleicht als Pro zentsatz der Gebühren auf Internetanschlüsse. Diese Abgabe sollte als Kompensation für Ein nahmeausfälle an Rechteinhaber ausbezahlt werden, ähnlich wie schon die Vergütungen auf Leermedien. Im Gegenzug dafür sollten Urheberrechtsverletzungen von Privatleuten toleriert werden, d. h. nicht von der Staatsanwaltschaft verfolgt werden, und kein Auskunftsanspruch dritter gegenüber Provider. Bei allen Diskussionen um das Urheberrecht sollte man nicht aus den Augen verlieren, über was wir eigentlich reden: Musik, Bücher und Filme sind Kultur, und sollten allgemein zugänglich sein. Diese Zugängigkeit sollte nicht durch Kopierschutztechniken behindert werden. Das Internet ist ein neuartiges Medium. Es beruht auf Interaktivität. Das Internet ist eine gute Plattform für Kunst und Kultur, mit einfachen Mitteln kann man seine Werke einem breiten Publi kum verfügbar machen. Genauso einfach kann man auch Werke anderer promoten und vorfüh ren. Diese überaus interessanten Entwicklungen sollte man fördern, und nicht versuchen, sie zu unterdrücken und zu kriminalisieren. Breite Bevölkerungsgruppen dürfen nicht pauschal kriminalisiert werden, und schon gar nicht mit zivilrechtlichen Schadensersatzklagen belangt werden, wenn schon wegen Nichtigkeit kein Straf verfahren eingeleitet wurde. Das Fernmeldegeheimnis muss ein hohes Gut bleiben, wie andere Grundrechte auch. Jegliche Eingriffe in diese Grundrechte muss man genaustens abwägen. Es ist nicht akzeptabel, dass diese Grundrechte zu Gunsten von einigen privaten Unternehmen so stark beschnitten werden, dass Medienkonzerne ohne richterliche Kontrolle zugriff auf die Verbindungsdaten von Bürgern haben. Ich hoffe, dass Sie diesen Brief als Anregung sehen, dass das Urheberrecht auch andere Auf gaben hat, als nur die Interessen der Rechteinhaber zu schützen. Das Urheberrecht darf nicht den Zugang zu wichtigen Kulturgütern verhindern, oder neue Innovation und Fortentwicklung ab bremsen. Es muss für einen Interessensausgleich zwischen Künstlern und Publikum sorgen Mit freundlichen Grüßen .................................................................... 2/2