Unbeliebter Fahrerjob - VerkehrsRundschau.de

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Unbeliebter Fahrerjob - VerkehrsRundschau.de
Transport + Logistik KEP-Dienste und Fahrermangel
Unbeliebter Fahrerjob
Das Aufkommen für die Kurier-, Express- und Paketdienste wird sich
in den kommenden Jahren verdoppeln. Eigentlich rosige Aussichten
für die KEP-Dienste. Wenn da nicht der Fahrermangel wäre.
KEP-Fahrer: Der Nachwuchs fehlt
D
as Sendungsaufkommen steigt und
den Unternehmen der Kurier-, Express- und Paketdienste gehen die
Fahrer aus. „Aus unserer Sicht ist der Fahrermangel ein grundlegendes Problem, das die
gesamte Kurier-, Express- und Paketdienstbranche trifft“, sagt Ulrich Nolte, Geschäftsführer der Bonner Go Express & Logistics.
„Besonders bei Fahrzeugen über 3,5 Tonnen
fehlt der Nachwuchs“, bestätigt Andreas
Schumann, Vorsitzender des Bundesverbandes der Kurier-Express-Post-Dienste
(BdKEP). Hier steigen die Anforderungen an
die Fahrer. Es reichen nicht mehr nur der
Führerschein, ein gepflegtes Auftreten,
selbstständiges Arbeiten und körperliche
Belastbarkeit, sondern weitere Qualifikationen sind gefragt. „Viele junge Leute wollen
sich mit den gestiegenen Anforderungen
nicht mehr auseinandersetzen. Die vergleichsweise geringe Bezahlung und das
Image der Branche tun ihr Übriges“, vermutet der Verbandschef.
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44/2014 VerkehrsRUNDSCHAU
Die Zahlen des Berufsinstituts für Berufsbildung (BIBB) belegen diese Einschätzung.
Bundesweit wurden im vergangenen Jahr
lediglich 108 Ausbildungsverträge als Servicefahrer abgeschlossen. Im Vergleich der
zehn beliebtesten Ausbildungsberufe in der
Logistik reicht das nur für den vorletzten
Platz (siehe Grafik).
108 junge Menschen
haben 2013 die Ausbildung zum
Servicefahrer begonnen
Ein sicherer und planbarer Job, Entwicklungsmöglichkeiten, eine faire Bezahlung
und die Vereinbarkeit von Beruf, Familie und
Freizeit stehen ganz oben auf den Wunschlisten der Berufsanfänger. Das alles kann die
KEP-Branche offenbar nicht bieten.
„Die Lage ist hier nicht so dramatisch wie bei
den Spediteuren, aber auch wir haben Prob-
Fotolia/Andres Rodriguez
leme“, sagt Marten Bosselmann, Geschäftsführer des Bundesverbands Paket und Expresslogistik e.V. (Biek). Einhellig berichten
die Verbände und Unternehmen, dass es mit
zunehmender Fahrzeuggröße immer
schwieriger werde, Fahrer zu finden. Bei den
Fahrradkurieren und Lasträderfahrern in
den Ballungsräumen scheint das Angebot an
Fahrern vorhanden zu sein.
„In der Caddy-Klasse wird es schon etwas
schwieriger“, weiß Schumann. Gerade in den
Ballungsräumen wie Baden-Württemberg,
oder im Rhein-Main Gebiet seien kaum Fahrer zu bekommen. Etwas einfacher sei das
noch in Ostdeutschland.
Mit heutigem Personal nicht zu schaffen
Die Branche steuert sehenden Auges auf eine
Personalnot zu. Die wachsende Lust am Onlineeinkauf wird das Paketaufkommen in
den kommenden Jahren deutlich erhöhen.
Von der Verdoppelung innerhalb der nächsten zehn Jahre ist die Rede. Auch bei den
Kurierdiensten boomt das Geschäft. Trotz
Internet haben die Direktverkehre deutlich
zugenommen. Die internationalen Verflechtungen der Wirtschaft kurbeln die Geschäfte
an. Bei den momentanen Wachstumsraten
ist eines klar: Die Zukunft heißt mehr Sendungen, weitere Strecken, häufigere Fahrten
– mit dem heutigen Personal ist das nicht zu
bewältigen.
Schon heute ist die KEP-Branche eine der
personalintensivsten Wirtschaftszweige in
Deutschland. Nach Berechnungen der Unternehmensberatung MRU sind bei den
KEP-Firmen rund 154.000 Menschen fest
angestellt. Deutlich mehr als 100.000 kommen als selbstständige Fahrer und Subunternehmer hinzu, fast jeder zweite ist zudem
nur in Teilzeit beschäftigt. Die Fluktuation ist
entsprechend hoch.
Seit einiger Zeit gebe es aber immer weniger
Menschen, die als selbstständige Fahrer mit
eigenem Fahrzeug als Kurier Geld verdienen
wollen, beobachtet etwa Peter Meyer von der
Hamburger City Express Logistik. Die Gründe sind vielschichtig. Am häufigsten genannt
werden die geringe Bezahlung und die generell schlechten Arbeitsbedingungen. Dass
KEP-Dienste und Fahrermangel Transport + Logistik
hier etwas geschehen muss, ist den Beteiligten klar. Die Arbeitsbedingungen müssen
besser werden, damit die Branche attraktiver
wird.
Die Unternehmen sind gefragt
„Unsere Standorte suchen nach Möglichkeiten und Lösungen, wie wir dem Fahrermangel begegnen können“, sagt Go-Geschäftsführer Nolte. Das Unternehmen lege Wert
auf faire, transparente Arbeitsbedingungen
für die Kuriere, unterstütze sie etwa bei Anschaffungen eines Fahrzeuges und investiere
in die berufliche Weiterbildung.
Bosselmann setzt auf die großen Player der
Branche. Diese könnten für ein positives
Klima sorgen, etwa indem sie auf ihre Subunternehmer einwirken, feste Qualitätsstandards einzuhalten oder Auditierungsverfahren zu durchlaufen. Außerdem weiß
auch Bosselmann: „Sie bekommen nur für
ein adäquates Gehalt vernünftige Leute.“
Der Biek-Geschäftsführer sieht auch einen
Widerspruch in der Gesellschaft. Die Menschen seien zwar für einen Mindestlohn,
gleichzeitig wollten sie aber beim Onlinekauf nicht für den Versand bezahlen.
„Wenn die Verbraucher bereit wären, höhe-
DIE BELIEBTESTEN AUSBILDUNGSBERUFE IN DER LOGISTIK
Platz
Ausbildungsberuf
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
Fachkraft für Lagerlogistik
Fachlagerist
Kaufmann für Spedition und Logistikdienstleistung
Berufskraftfahrer
Fachkraft für Kurier-, Express- und Postdienstleistungen
Fachkraft für Möbel-, Küchen- und Umzugsservice
Schifffahrtskaufmann
Binnenschiffer
Servicefahrer
Kaufmann für Kurier-, Express- und Postdienstleistungen
Abgeschlossene
Ausbildungsverträge 2013
9915
5625
5415
3450
1461
513
321
138
108
102
Quelle: Berufsinstitut für Berufsbildung (BIBB)
re Versandkosten in Kauf zu nehmen,
könnten diese auch an die Fahrer weitergegeben werden“, so Bosselmann.
Doch es gibt auch andere Stimmen aus der
Branche. Bei der Deutschen Post DHL sieht
man „keinen echten Mangel an Kräften in
der Paketzustellung“. Obwohl man als „einziger Paketdienstleister in Deutschland fast
ausschließlich mit eigenen Zustellkräften“
arbeite. „Seit 2010 haben wir bereits 9000
neue Arbeitsplätze in diesem Bereich geschaffen und rechnen damit, dass wir durch
Ihre Sendungen sind bei
uns in besten Händen!
die weiter steigenden Paketvolumina bis
2020 weitere 12.000 neue Arbeitsplätze in der
Paket- und Verbundzustellung schaffen werden“, teilt die Deutsche Post mit.
Bei der GLS etwa schiebt man das Problem
an die Subunternehmer weiter. „Die selbstständigen Transportunternehmen der GLS
suchen ihre Fahrer selber“, lässt das Unternehmen auf die Anfrage der VerkehrsRundschau wissen. GLS sieht daher auch keine
Notwendigkeit, die Suche auf das europäi➞
sche Ausland auszudehnen.
„First Class“-Nachtexpress gibt es nur vom
Spezialisten. Und das sind wir. Über 20 Jahre
Erfahrung, über 700 Fahrzeuge und mehr als
650 Mitarbeiter transportieren über 4,75 Millionen
Sendungen im Jahr.
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Transport + Logistik KEP-Dienste und Fahrermangel
Bei anderen Unternehmen scheint das dagegen Standard zu sein. „Fahrer zu finden ist
eine Katastrophe“, umschreibt ein Niederlassungsleiter eines großen KEP-Dienstes die
Lage (Name der Redaktion bekannt). Er beobachtet, dass die Subunternehmer zunehmend Kräfte aus Osteuropa anheuern würden – bei schlechterer Bezahlung. Doch anders ließen sich die Preise nicht halten.
Preiserhöhungen wegen Fahrermangel
Dabei scheinen Preiserhöhungen für die Versender unausweichlich, wenn sich das Personalproblem weiter verschärft. „Wenn Preiserhöhungen aus dem Markt in Maßen weitergegeben werden können, geschieht das
auch“, beobachtet Schumann schon heute. So
hat etwa Go angekündigt, seine Preise zum
1. Januar wegen der steigenden Produktionskosten im nationalen Versand um 3,8 Prozent zu erhöhen. Die Erhöhung sei unter
anderem wegen der höheren Personalkosten
notwendig, argumentiert das Unternehmen.
Nolte betont aber, er sehe Fahrermangel allein nicht als primären Grund, um die Kosten
an die Kunden weiterzureichen.
Nicht alle Auftraggeber werden diese Preiserhöhungen akzeptieren. Aus dem Markt ist
zu hören, dass es insbesondere bei großen
Versendern nicht immer ein Interesse an
einer fairen Bezahlung gebe. Sie setzten lieber auf Billigfahrer aus dem Ausland. Während normale Kurierunternehmen etwa für
die Strecke München-Berlin die Hin- und
Rückfahrt eines Fahrers berechnen müssten,
verlangt die Billig-Konkurrenz offenbar nur
die einfache Strecke. In Berlin schlafe der
BLICK IN DIE ZUKUNFT
Andere Wege der Zustellung statt mehr KEP-Fahrer?
Das Fahrerproblem kann alleine durch mehr Einstellungen nicht gelöst werden, glaubt Andreas
Schumann, Vorsitzender des Bundesverbandes der Kurier-Express-Post-Dienste (BdKEP).
Die Branche müsse andere Wege der Zustellung finden und dabei Innovation und die Einhaltung
rechtlicher und sozialer Vorgaben im Auge behalten. Einige aktuelle Trends im KEP-Sektor:
■ Crowdlogistics: Das Beteiligungsunternehmen Rocket Internet hat mit Shopwings eine Platt-
form gegründet, bei der zum Beispiel Studenten den Einkauf erledigen und die Waren dann
zum Besteller nach Hause fahren.
■ Mitfahrzentrale für Pakete: Wer täglich zuverlässig den gleichen Weg zur Arbeit fährt, kann
Pakete an einer Sammelstelle abholen und an einem zentralen Punkt in der Stadt abgeben.
■ Uber testet in Washington sogenannte Corner-Stores. Waren des täglichen Bedarfs werden von
den selbstständigen Uber-Fahrern ausgeliefert. Die Ausweitung auf Kurierfahrten ist angedacht.
■ ÖPNV-Nutzung: Insbesondere auf dem Land könnte die Logistik mit dem öffentlichen Personennahverkehr kooperieren. Der Frachtraum von Linienbussen könnte für Warensendungen
genutzt werden.
■ Pick Points in Supermärkten könnten ausgebaut werden. Die regulären Lieferanten im Einzelhandel nehmen nicht nur die Waren mit, sondern auch Pakete aus einem Sammeldepot. Mit
dem Leergut aus dem Supermarkt werden abends auch Pakete ins Depot gefahren und dort
gesammelt dem Paketdienst übergeben. ah
Fahrer dann so lange im Auto, bis er einen
neuen Auftrag bekomme, erzählt ein Branchenkenner. „Hier müssten die Firmen soziale Verantwortung übernehmen“, fordert
Schumann. Doch das sehe er insbesondere
bei internationalen Unternehmen nicht. „Je
weiter der Auftraggeber von der Rampe weg
ist, desto geringer ist das soziale Gewissen
und desto mehr diktieren die Kosten das
Thema“, so Schumann. Mittelständische
Auftraggeber seien dagegen offener für
Preisgespräche. Auch Firmen, die eine besondere Sorgfaltspflicht hätten, wie Banken
oder im Bereich der Medizinkuriere, würden
lieber ein paar Euro mehr bezahlen.
Das Problem der Bezahlung wird auch der
bald geltende gesetzliche Mindestlohn nur in
Teilen entschärfen. Möglich ist, dass es künftig zu einer weiteren Verlagerung der Fahrertätigkeit auf selbstständige Subunternehmer
kommt, die nicht unter die Mindestlohnregelung fallen.
Schumann sieht aber auch Auswege aus der
Fahrerkrise. „Wir sollten in Zukunft nicht
darüber nachdenken, woher man doppelt so
viel Personal bekommt, sondern auch darüber, welche alternativen Wege zur Beförde❙❚■
rung von Sendungen es noch gibt.“
Alexander Heintze. freier Journalist
INTERVIEW
„Markt muss ein Mindestmaß an Fairness walten lassen“
Wie lässt sich aus Ihrer Sicht das Problem der
fehlenden Arbeitskräfte in der KEP-Branche
lösen?
Andreas Schumann: Bei unseren Firmen gibt es
die einhellige Meinung, dass man die Leute vernünftig bezahlen muss. Wenn sie ihr weniges
Geld verzögert oder gar nicht bekommen, dann
ist die Fluktuation entsprechend hoch. Wichtig ist
auch, dass in diesen Unternehmen ein Teamgefühl vermittelt wird. Die Angestellten müssen sich
akzeptiert fühlen.
In Summe werden die KEP-Dienste aber nicht
als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen.
Woran liegt das?
Neben der Bezahlung hängt das auch damit
zusammen, dass das Außenbild denkbar ungüns-
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tig ist. In der Vergangenheit hat es den einen oder
anderen Skandalartikel gegeben. In einigen Fällen waren die sicherlich auch gerechtfertigt. Das
schlechte Verhalten einiger Unternehmen zieht
die ganze Branche in Mitleidenschaft.
Wie wollen Sie das ändern?
Wir haben zum Beispiel die Fair-KEP-Initiative
gegründet. Ziel ist, dass der Markt ein Mindestmaß an Fairness walten lassen muss. Diese Fairness können aber nicht die großen Verlader, seien
es Produzenten oder Paketdienstnetze, und die
Subunternehmer untereinander aushandeln.
Dazu ist das Kräfteverhältnis zwischen Auftraggebern und Subunternehmen zu ungünstig.
Es muss eine gesellschaftliche Übereinkunft
geben. Die Verbraucher müssen sich fragen, ob
sie einen Onlinehandel ohne Versandkosten wollen, wenn der Fahrer mit 3,50 Euro Stundenlohn
nach Hause geht. Dieses Thema müssen wir in die
breite Öffentlichkeit bekommen.
Außerdem zielt Fair-KEP darauf ab, dass die Unternehmen den Lohn pünktlich
bezahlen und natürlich dann
den Mindestlohn einhalten.
Wenn dadurch die Branche als
fairer und sozialer wahrgenommen wird, finden die
Unternehmen auch leichter Arbeitskräfte. ah
Wie soll es dann gehen?
Andreas Schumann
BdKEP
Der Fahrermangel in der KEP-Branche ist teilweise hausgemacht, meint Andreas Schumann,
Vorsitzender des Bundesverbandes der Kurier-Express-Post-Dienste (BdKEP).