Im Blickpunkt - Marianowicz Medizin

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Im Blickpunkt - Marianowicz Medizin
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Münchner Merkur Nr. 158 | Dienstag, 12. Juli 2011
Im Blickpunkt
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STIPPVISITE BEI DER ÄRZTE-SOAP „HERZFLIMMERN“ ........................................................................................................................................................................................................................................................................................................................
„Mein Skalpell ist zu sauber“
Ärzte-Serien liegen im
Trend – aber wie nahe
kommen sie eigentlich
der Wirklichkeit? Wir
besuchten das Film-Set
der Soap „Herzflimmern“
mit einer echten Herz–
spezialistin – und im
Gegenzug deren Klinik
mit der Filmärztin. Das
Fazit: Die beiden Welten
trennt erstaunlich wenig.
„Herzflimmern“
„Herzflimmern“ im medizinischen und zwischenmenschlichen Sinn – darum geht es in
der gleichnamigen Ärzte-Serie,
die seit April wochentags um
16.15 Uhr im ZDF zu sehen ist.
Das Rezept: ein bisschen
„Grey‘s Anatomy“, ein bisschen
„Doctor’s Diary“ und eine Prise
„Schwarzwaldklinik“ – heraus
kommt eine Ärzte-Soap.
Da gibt es dann zum Beispiel die
Dreiecksgeschichte zwischen
Assistenzärztin Marie (Nova
Meierheinrich), ihrem Verlobten
Dr. Dr. Markus Lindner (Sven
Waasner) und dem neuen Oberarzt Dr. Stefan Jung (Jan Hartmann). Derweil kämpft KlinikChefin Prof. Dr. Johanna Lindner (Bettina Redlich) mit der
Geschäftsleitung um den leidigen Gegensatz Mammon versus Menschlichkeit. Ärzte flirten
mit Krankenschwestern, und
die gute Seele der Klinik und
heimliche Chefin ist die resolute
Oberschwester Ursula Reisinger, gespielt von Marianne
Rappenglück aus GarmischPartenkirchen, die mit bayerischem Akzent spricht.
Die Produzenten setzen auf
bekannte Gesichter – und den
neuen Trend zum Lokalkolorit:
Die ganze Saga um die „Klinik
am See“ spielt sich in Oberbayern ab. Die Klinik gibt es zwar
nicht wirklich, aber sie ist im
Film in der Nähe von Murnau
angesiedelt. Gedreht wurde
deshalb auch im Schloss Neuegling – mit Blick auf den Riegsee nordöstlich von Murnau.mm
VON SONJA GIBIS
München/Bad Wiessee – Es
ist Drehpause, und der junge
Arzt Dr. Dr. Markus Lindner
übt Chirurgenknoten – an einem Lappen. Mit flinken Fingern sticht er die Nadel durch
die Ränder, zieht den Faden
mit dem Nadelhalter stramm.
„Gut, Sohn, weiter so!“, lobt
ihn Prof. Dr. Johanna Lindner, die Mama. Da entführt eine Frau mit dunklen Haaren
dem Jungchirurgen lächelnd
sein Werkzeug. Ein Stich,
blitzschnell ein paar Schlingen, durch die der Faden fliegt
– fertig. „Am Herzen muss der
Knoten fest sitzen“, sagt sie.
Doppeldoktor Lindner ist
baff, das wusste er nicht. Wie
auch: In Wahrheit heißt er
Sven Waasner und ist Schauspieler. Und seine Filmmutter, die Professorin Lindner,
heißt eigentlich Bettina Redlich. Die Frau dagegen, die
Nachhilfe in Knotentechnik
gibt, ist eine echte Expertin
für kranke Herzen: Privatdozentin Dr. Barbara Richartz,
Kardiologin und den MerkurLesern bekannt durch ihre
Medizin-Kolumne.
Eine Milz-Operation,
zwei Schweinebäuche
Heute macht sie eine Stippvisite auf dem Bavaria Filmgelände. Sie schaut zu, wie die
ZDF-Serie „Herzflimmern“
entsteht, eine tägliche ÄrzteSoap. Dr. Barbara Richartz
und Schauspielerin Bettina
Redlich sind Freundinnen.
Beide sind, auf ihre Art, HerzSpezialistinnen: Richartz in
echt, Redlich im Film. Dr. Richartz ist Chefärztin am Klinikum „Jägerwinkel“ am Tegernsee. Redlich spielt eine
Herzchirurgin und ist ärztliche Direktorin der „Seeklinik“, die im fiktiven Sonnenberg bei Murnau liegt. Die
beiden haben vereinbart, sich
einmal gegenseitig ihre Klinik
zu zeigen.
Heute ist Dr. Richartz an
der „Seeklinik“ zu Gast. Deren Herzstück liegt allerdings
nicht am See, sondern auf dem
Bavaria-Filmgelände. Im Studio 3 ist ein komplettes FilmKrankenhaus entstanden –
mitsamt OP-Saal, Intensivstation, Krankenzimmern und
Schockraum. Dr. Richartz
geht durch das Studio und begutachtet die Geräte: ein Defibrillator, ein Dialyse-Gerät,
ein Ultraschall. Sogar einen
Bildschirm für digitale Röntgen- und CT-Aufnahmen gibt
es. Und alles ist – echt. Attrappen werden für „Herzflimmern“ nicht verwendet. Dr.
Richartz kommt ins Schwärmen: „Hochprofessionell – da
wären viele Kliniken froh“,
lautet das Expertinnen-Urteil.
„Ist ja schließlich auch meine Klinik“, sagt Bettina Redlich alias Prof. Lindner stolz.
Sie bleibt in ihrer Rolle, murmelt etwas von „diesem Borowski“, der ihr bei jeder Neuanschaffung
das
Leben
schwermache. Denn mit dem
Geschäftsführer Borowski der
„Seeklinik“, der am liebsten
nur Privatpatienten behandeln würde, liegt die Film-Klinikdirektorin öfter mal im
Clinch. „Oh, durchaus realistisch“,
kommentiert
das
Dr. Richartz und lacht.
Notoperation im Film-OP: Bettina Redlich, alias Prof. Johanna Lindner (Mitte), muss einen Milzriss flicken.
„Entschuldigt’s mich – ich
muss mir den Text für das
nächste Bild anschauen“, sagt
Redlich etwas gehetzt – und
ist verschwunden. Manchmal
ist der Alltag am Filmset nicht
weniger hart als der in einer
echten Klinik. Auf dem Drehplan steht heute ein komplizierter Milzriss. Ein Mann
packt eine Tüte auf den OPTisch. Darin: zwei Schweinebäuche. „Einer als Ersatz“,
sagt Alexander Roth. Falls einer der TV-Chirurgen pfuscht.
likonkleber hält die OP-Tücher fest. „Schweineteuer“ sei
der, aber unverzichtbar. Sonst
verrutschen die Tücher auf
der fettigen Haut. Ein Spreizer
– und der Milzriss ist fertig.
„Sieht ja täuschend echt
aus“, sagt Dr. Richartz und
staunt. So echt, dass manche
Statisten schon Sternchen sahen. „Es sind bereits welche
umgekippt“, erzählt Erik
Herz, Chef des nach ihm benannten „Herz-Teams“. Dabei sei so ein Milzriss keine
paar gebrochene Rippen als
tot! Eine solche Wucht wäre
verheerend, wenn ein Statist
den Herzstillstand mimt. Die
Sanitäter drücken dann halt
daneben oder auf die Schulter.
Auch Statisten auf dem OPTisch werden geschont: Abdecktücher und eine Kettenschürze schützen sie, falls ein
TV-Chirurg zu tief schneidet.
Heute also Milzriss. Alexander Roth legt der Patientin
die Elektroden für das EKG
an. Am Ohrläppchen misst
Freundin live vor der Kamera.
Und: Prof. Lindner schafft es,
stillt die Blutung. Die OP ist
geglückt.
Doch die Regie ist noch
nicht zufrieden. Alles nochmal. „Könntet ihr die Wunde
wieder mit Blut füllen“, bittet
Frau Prof. Lindner. „Außerdem ist mein Skalpell zu sauber.“ Gut aufgepasst.
Die zweite Aufnahme sitzt.
Dr. Richartz seufzt: „Was
Herzchirurgen im Fernsehen
nicht alles können!“ In der
FOTO: REINHARD KURZENDÖRFER
zinischen Szenen vorbereite,
fragt die echte Herzspezialistin
Dr. Richartz. „Ich will das alles
genau wissen“, sagt Bettina
Redlich – und erzählt von den
anatomischen Studien, die sie
heute Morgen betrieben hat.
Auf dem Drehplan: eine riskante Herzklappen-OP. Am
Herzmodell lernte die Schauspielerin Mitral- und Pulmonalklappe unterscheiden. „Ich
muss das verinnerlichen“, sagt
sie. Nur so werde es auch für
den Zuschauer glaubhaft.
Heute ist sie zu Gast bei der
echten Herzspezialistin. Mit
dabei: Erik Herz, der MedizinBerater von „Herzflimmern“ –
und immer auf der Suche nach
neuen Ideen für die „Seeklinik“. In den KrankenhausGängen mit roten Teppichboden fallen Bettina Redlich
Spender mit Desinfektionsmittel auf. Sie hängen vor jedem Patientenzimmer. „Solche haben wir aber nicht“, sagt
sie und blickt Herz bittend an.
Der nickt. Eine gute Idee. Hygiene in Klinken ist eh gerade
ein großes Thema. Das sollte
auch Seeklinik-Geschäftsführer Borowski überzeugen,
meint Bettina Redlich, wieder
ganz Prof. Lindner.
Ein Belastungs-EKG
für die TV-Klinik
Stippvisite in der Fernsehklinik: Die Kardiologin Dr. Barbara Richartz (r.) besucht ihre Freundin, die Schauspielerin Bettina Redlich (alias Prof. Johanna
Lindner) in deren Klinik – auf dem Bavaria Filmgelände.
Roth war früher beim Rettungsdienst. Hier im Studio
arbeitet er jetzt für das „HerzTeam“. Diese Agentur stellt
Medizin-Experten, die aufpassen, dass am Set keine
Kunstfehler passieren – was
die fachlichen Details angeht.
Sie achten auf korrektes Ärztelatein, schaffen Geräte heran und präparieren Wunden
so, dass sogar Experten-Zuschauer geblufft werden.
„Wie nennt man das Ding
zum Blutstillen?“, fragt Bettina Redlich dazwischen. Sie
steht jetzt in blauer OP-Kleidung am Tisch. „Kauter“, antwortet Berater Roth knapp,
während er mit dem Skalpell
tief in die Schweinehaut
schneidet. Das geht zäh. Denn
die Haut des Borstenviehs ist
dicker als die von Menschen.
Kunstblut, rot wie Kirschsaft,
macht die Wunde perfekt. Si-
große Sache. Eine OP am offenen Herzen, das sei dagegen
eine Herausforderung – und
somit Chefsache: Er präpariert die Sachen dann auch
mal selbst. Sieben Stunden
lang, erzählt er, habe er kürzlich eine Schweinebrust für eine Film-OP bearbeitet – mitsamt zerteiltem Brustbein und
Herz-Lungen-Maschine.
Kompromisse? Macht er
nur schweren Herzens. Denn
das Publikum ist anspruchsvoller geworden, seit Professor
Brinkmann in der „Schwarzwaldklinik“ operierte. Durch
„Emergency Room“ und „Dr.
House“ sind die Zuschauer
mehr Fachsprache und mehr
Realismus gewöhnt. „Wiederbelebungen, die sind ein Problem“, erzählt Herz. Dr. Richartz nickt. Denn sie weiß:
Bei einer Herzdruckmassage
heißt ein Merksatz: Lieber ein
Stippvisite in der echten Klinik: Bettina Redlich (l.) besucht ihre Freundin
Dr. Barbara Richartz in der Klinik Jägerwinkel – wo die Ärztin die kardiologische Abteilung leitet.
FOTOS: PLETTENBERG (2)/ ZDF
das „Pulsoxi“ die Sauerstoffsättigung. Venenkatheter und
Beatmungsschlauch werden
angebracht – und die Operation kann beginnen. Sogar Dr.
Richartz staunt über so viel
Präzision.
„Bitte die Wunde
wieder mit Blut füllen“
Ein quäkender Ton: Die
Kamera läuft. Im OP knistert
die Luft. Lässt sich die Blutung noch stoppen? Oder
muss die Milz entfernt werden? „Kauter, schnell!“, fordert Frau Prof. Lindner in
kühlem Kommandoton. „Wie
aufregend“, flüstert Dr. Richartz, die von der Regie aus
die Aufnahme verfolgt. Zum
ersten Mal sieht sie ihre
Welt der modernen Medizin
sind die Experten hochspezialisiert. Ein Chirurg, der Herzen verpflanzt und nebenbei
eine gerissene Milz näht – so
etwas gibt es kaum. Filmärztin
Prof. Lindner schüttelt den
Kopf. „Das war ein Notfall!“,
protestiert sie. Normalerweise
hätte den Milzriss in der Seeklinik der Dr. Roland Bernheimer übernommen. Und
der sei „eine Koryphäe“. Wie
man unter Ärzten halt so sagt.
Nach fast 120 abgedrehten
Folgen sind auch aus den
Schauspielern Fachleute geworden. Fast alle haben ein
Praktikum an einer Klinik absolviert, erzählt Bettina Redlich. Und täglich gehe ihr
„Medizinstudium“ weiter.
Die Schauspielerin hat gerade Drehpause – und Zeit für einen Plausch unter Expertinnen. Wie sie sich auf die medi-
Zu einer Herzchirurgin gehört aber auch das richtige Styling. Bettina Redlich betrachtet ihre Freundin Barbara Richartz – und lacht, als wäre sie
selbst überrascht. Dieselben
Perlenohrringe, dieselbe Kette. Nur die strenge Bluse ist bei
der echten Herzexpertin weiß,
bei der TV-Professorin grünweiß gestreift. Der Scheitel
sitzt bei der einen links, bei der
anderen rechts. „Das war keine Absicht!“, sagt Bettina Redlich noch immer lachend.
„Aber so sehen Herzspezialistinnen offenbar aus.“ Dann
muss sie wieder zum Dreh.
Ein paar Tage später geht eine Frau durchs Klinikum „Jägerwinkel“ in Bad Wiessee.
„Ich glaub’, ich kenn sie!“, sagt
eine Krankenschwester zu der
Besucherin in Jeans und Lederjacke. Die Erkannte, Bettina Redlich, nickt und lacht.
Auch das Fitnessstudio mit
zur Terrasse geöffneter Glasfront findet Herz sehr telegen
– und sieht gleich neue Ansätze für eine realistischere Rehaphase im Film. Die ist zurzeit noch oft allzu kurz. Das
Problem: Die meisten Patienten in „Herzflimmern“ haben
nur eine Gastrolle, sie müssen daher noch am Ende der
Folge wieder wohlauf sein.
Da bleibt wenig Zeit für die
Reha. Beeindruckt sind die
TV-Mediziner auch von der
Atmosphäre. „Also von meinem Standpunkt als Klinikleiterin aus gesehen“, scherzt
Bettina Redlich: „Tolles Personal!“
Im Behandlungsraum von
Dr. Richartz sieht Bettina
Redlich ein Herz-Ultraschallgerät stehen. „Das kenn ich“,
platzt sie heraus. „Hier ist der
Schallkopf, das EKG – auf
dem Bildschirm kann ich mir
das Bild heranholen, wie ich
es brauche.“ Für die Filmärztin ist das Routine.
Beim Anblick des Belastungs-EKGs wird sie allerdings
neidisch. Der Patient kann mit
Ultraschall untersucht werden, während er in die Pedale
tritt – das wäre auch was für die
„Seeklinik“. Bettina Redlich
wird wieder zu Prof. Lindner.
„Dieser Borowski“, sagt sie lächelnd, „das muss er einfach
genehmigen.“