Im Blickpunkt - Marianowicz Medizin
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Im Blickpunkt - Marianowicz Medizin
Telefon (089) 53 06-410 [email protected] Telefax: (089) 53 06-86 57 Münchner Merkur Nr. 158 | Dienstag, 12. Juli 2011 Im Blickpunkt 3 STIPPVISITE BEI DER ÄRZTE-SOAP „HERZFLIMMERN“ ........................................................................................................................................................................................................................................................................................................................ „Mein Skalpell ist zu sauber“ Ärzte-Serien liegen im Trend – aber wie nahe kommen sie eigentlich der Wirklichkeit? Wir besuchten das Film-Set der Soap „Herzflimmern“ mit einer echten Herz– spezialistin – und im Gegenzug deren Klinik mit der Filmärztin. Das Fazit: Die beiden Welten trennt erstaunlich wenig. „Herzflimmern“ „Herzflimmern“ im medizinischen und zwischenmenschlichen Sinn – darum geht es in der gleichnamigen Ärzte-Serie, die seit April wochentags um 16.15 Uhr im ZDF zu sehen ist. Das Rezept: ein bisschen „Grey‘s Anatomy“, ein bisschen „Doctor’s Diary“ und eine Prise „Schwarzwaldklinik“ – heraus kommt eine Ärzte-Soap. Da gibt es dann zum Beispiel die Dreiecksgeschichte zwischen Assistenzärztin Marie (Nova Meierheinrich), ihrem Verlobten Dr. Dr. Markus Lindner (Sven Waasner) und dem neuen Oberarzt Dr. Stefan Jung (Jan Hartmann). Derweil kämpft KlinikChefin Prof. Dr. Johanna Lindner (Bettina Redlich) mit der Geschäftsleitung um den leidigen Gegensatz Mammon versus Menschlichkeit. Ärzte flirten mit Krankenschwestern, und die gute Seele der Klinik und heimliche Chefin ist die resolute Oberschwester Ursula Reisinger, gespielt von Marianne Rappenglück aus GarmischPartenkirchen, die mit bayerischem Akzent spricht. Die Produzenten setzen auf bekannte Gesichter – und den neuen Trend zum Lokalkolorit: Die ganze Saga um die „Klinik am See“ spielt sich in Oberbayern ab. Die Klinik gibt es zwar nicht wirklich, aber sie ist im Film in der Nähe von Murnau angesiedelt. Gedreht wurde deshalb auch im Schloss Neuegling – mit Blick auf den Riegsee nordöstlich von Murnau.mm VON SONJA GIBIS München/Bad Wiessee – Es ist Drehpause, und der junge Arzt Dr. Dr. Markus Lindner übt Chirurgenknoten – an einem Lappen. Mit flinken Fingern sticht er die Nadel durch die Ränder, zieht den Faden mit dem Nadelhalter stramm. „Gut, Sohn, weiter so!“, lobt ihn Prof. Dr. Johanna Lindner, die Mama. Da entführt eine Frau mit dunklen Haaren dem Jungchirurgen lächelnd sein Werkzeug. Ein Stich, blitzschnell ein paar Schlingen, durch die der Faden fliegt – fertig. „Am Herzen muss der Knoten fest sitzen“, sagt sie. Doppeldoktor Lindner ist baff, das wusste er nicht. Wie auch: In Wahrheit heißt er Sven Waasner und ist Schauspieler. Und seine Filmmutter, die Professorin Lindner, heißt eigentlich Bettina Redlich. Die Frau dagegen, die Nachhilfe in Knotentechnik gibt, ist eine echte Expertin für kranke Herzen: Privatdozentin Dr. Barbara Richartz, Kardiologin und den MerkurLesern bekannt durch ihre Medizin-Kolumne. Eine Milz-Operation, zwei Schweinebäuche Heute macht sie eine Stippvisite auf dem Bavaria Filmgelände. Sie schaut zu, wie die ZDF-Serie „Herzflimmern“ entsteht, eine tägliche ÄrzteSoap. Dr. Barbara Richartz und Schauspielerin Bettina Redlich sind Freundinnen. Beide sind, auf ihre Art, HerzSpezialistinnen: Richartz in echt, Redlich im Film. Dr. Richartz ist Chefärztin am Klinikum „Jägerwinkel“ am Tegernsee. Redlich spielt eine Herzchirurgin und ist ärztliche Direktorin der „Seeklinik“, die im fiktiven Sonnenberg bei Murnau liegt. Die beiden haben vereinbart, sich einmal gegenseitig ihre Klinik zu zeigen. Heute ist Dr. Richartz an der „Seeklinik“ zu Gast. Deren Herzstück liegt allerdings nicht am See, sondern auf dem Bavaria-Filmgelände. Im Studio 3 ist ein komplettes FilmKrankenhaus entstanden – mitsamt OP-Saal, Intensivstation, Krankenzimmern und Schockraum. Dr. Richartz geht durch das Studio und begutachtet die Geräte: ein Defibrillator, ein Dialyse-Gerät, ein Ultraschall. Sogar einen Bildschirm für digitale Röntgen- und CT-Aufnahmen gibt es. Und alles ist – echt. Attrappen werden für „Herzflimmern“ nicht verwendet. Dr. Richartz kommt ins Schwärmen: „Hochprofessionell – da wären viele Kliniken froh“, lautet das Expertinnen-Urteil. „Ist ja schließlich auch meine Klinik“, sagt Bettina Redlich alias Prof. Lindner stolz. Sie bleibt in ihrer Rolle, murmelt etwas von „diesem Borowski“, der ihr bei jeder Neuanschaffung das Leben schwermache. Denn mit dem Geschäftsführer Borowski der „Seeklinik“, der am liebsten nur Privatpatienten behandeln würde, liegt die Film-Klinikdirektorin öfter mal im Clinch. „Oh, durchaus realistisch“, kommentiert das Dr. Richartz und lacht. Notoperation im Film-OP: Bettina Redlich, alias Prof. Johanna Lindner (Mitte), muss einen Milzriss flicken. „Entschuldigt’s mich – ich muss mir den Text für das nächste Bild anschauen“, sagt Redlich etwas gehetzt – und ist verschwunden. Manchmal ist der Alltag am Filmset nicht weniger hart als der in einer echten Klinik. Auf dem Drehplan steht heute ein komplizierter Milzriss. Ein Mann packt eine Tüte auf den OPTisch. Darin: zwei Schweinebäuche. „Einer als Ersatz“, sagt Alexander Roth. Falls einer der TV-Chirurgen pfuscht. likonkleber hält die OP-Tücher fest. „Schweineteuer“ sei der, aber unverzichtbar. Sonst verrutschen die Tücher auf der fettigen Haut. Ein Spreizer – und der Milzriss ist fertig. „Sieht ja täuschend echt aus“, sagt Dr. Richartz und staunt. So echt, dass manche Statisten schon Sternchen sahen. „Es sind bereits welche umgekippt“, erzählt Erik Herz, Chef des nach ihm benannten „Herz-Teams“. Dabei sei so ein Milzriss keine paar gebrochene Rippen als tot! Eine solche Wucht wäre verheerend, wenn ein Statist den Herzstillstand mimt. Die Sanitäter drücken dann halt daneben oder auf die Schulter. Auch Statisten auf dem OPTisch werden geschont: Abdecktücher und eine Kettenschürze schützen sie, falls ein TV-Chirurg zu tief schneidet. Heute also Milzriss. Alexander Roth legt der Patientin die Elektroden für das EKG an. Am Ohrläppchen misst Freundin live vor der Kamera. Und: Prof. Lindner schafft es, stillt die Blutung. Die OP ist geglückt. Doch die Regie ist noch nicht zufrieden. Alles nochmal. „Könntet ihr die Wunde wieder mit Blut füllen“, bittet Frau Prof. Lindner. „Außerdem ist mein Skalpell zu sauber.“ Gut aufgepasst. Die zweite Aufnahme sitzt. Dr. Richartz seufzt: „Was Herzchirurgen im Fernsehen nicht alles können!“ In der FOTO: REINHARD KURZENDÖRFER zinischen Szenen vorbereite, fragt die echte Herzspezialistin Dr. Richartz. „Ich will das alles genau wissen“, sagt Bettina Redlich – und erzählt von den anatomischen Studien, die sie heute Morgen betrieben hat. Auf dem Drehplan: eine riskante Herzklappen-OP. Am Herzmodell lernte die Schauspielerin Mitral- und Pulmonalklappe unterscheiden. „Ich muss das verinnerlichen“, sagt sie. Nur so werde es auch für den Zuschauer glaubhaft. Heute ist sie zu Gast bei der echten Herzspezialistin. Mit dabei: Erik Herz, der MedizinBerater von „Herzflimmern“ – und immer auf der Suche nach neuen Ideen für die „Seeklinik“. In den KrankenhausGängen mit roten Teppichboden fallen Bettina Redlich Spender mit Desinfektionsmittel auf. Sie hängen vor jedem Patientenzimmer. „Solche haben wir aber nicht“, sagt sie und blickt Herz bittend an. Der nickt. Eine gute Idee. Hygiene in Klinken ist eh gerade ein großes Thema. Das sollte auch Seeklinik-Geschäftsführer Borowski überzeugen, meint Bettina Redlich, wieder ganz Prof. Lindner. Ein Belastungs-EKG für die TV-Klinik Stippvisite in der Fernsehklinik: Die Kardiologin Dr. Barbara Richartz (r.) besucht ihre Freundin, die Schauspielerin Bettina Redlich (alias Prof. Johanna Lindner) in deren Klinik – auf dem Bavaria Filmgelände. Roth war früher beim Rettungsdienst. Hier im Studio arbeitet er jetzt für das „HerzTeam“. Diese Agentur stellt Medizin-Experten, die aufpassen, dass am Set keine Kunstfehler passieren – was die fachlichen Details angeht. Sie achten auf korrektes Ärztelatein, schaffen Geräte heran und präparieren Wunden so, dass sogar Experten-Zuschauer geblufft werden. „Wie nennt man das Ding zum Blutstillen?“, fragt Bettina Redlich dazwischen. Sie steht jetzt in blauer OP-Kleidung am Tisch. „Kauter“, antwortet Berater Roth knapp, während er mit dem Skalpell tief in die Schweinehaut schneidet. Das geht zäh. Denn die Haut des Borstenviehs ist dicker als die von Menschen. Kunstblut, rot wie Kirschsaft, macht die Wunde perfekt. Si- große Sache. Eine OP am offenen Herzen, das sei dagegen eine Herausforderung – und somit Chefsache: Er präpariert die Sachen dann auch mal selbst. Sieben Stunden lang, erzählt er, habe er kürzlich eine Schweinebrust für eine Film-OP bearbeitet – mitsamt zerteiltem Brustbein und Herz-Lungen-Maschine. Kompromisse? Macht er nur schweren Herzens. Denn das Publikum ist anspruchsvoller geworden, seit Professor Brinkmann in der „Schwarzwaldklinik“ operierte. Durch „Emergency Room“ und „Dr. House“ sind die Zuschauer mehr Fachsprache und mehr Realismus gewöhnt. „Wiederbelebungen, die sind ein Problem“, erzählt Herz. Dr. Richartz nickt. Denn sie weiß: Bei einer Herzdruckmassage heißt ein Merksatz: Lieber ein Stippvisite in der echten Klinik: Bettina Redlich (l.) besucht ihre Freundin Dr. Barbara Richartz in der Klinik Jägerwinkel – wo die Ärztin die kardiologische Abteilung leitet. FOTOS: PLETTENBERG (2)/ ZDF das „Pulsoxi“ die Sauerstoffsättigung. Venenkatheter und Beatmungsschlauch werden angebracht – und die Operation kann beginnen. Sogar Dr. Richartz staunt über so viel Präzision. „Bitte die Wunde wieder mit Blut füllen“ Ein quäkender Ton: Die Kamera läuft. Im OP knistert die Luft. Lässt sich die Blutung noch stoppen? Oder muss die Milz entfernt werden? „Kauter, schnell!“, fordert Frau Prof. Lindner in kühlem Kommandoton. „Wie aufregend“, flüstert Dr. Richartz, die von der Regie aus die Aufnahme verfolgt. Zum ersten Mal sieht sie ihre Welt der modernen Medizin sind die Experten hochspezialisiert. Ein Chirurg, der Herzen verpflanzt und nebenbei eine gerissene Milz näht – so etwas gibt es kaum. Filmärztin Prof. Lindner schüttelt den Kopf. „Das war ein Notfall!“, protestiert sie. Normalerweise hätte den Milzriss in der Seeklinik der Dr. Roland Bernheimer übernommen. Und der sei „eine Koryphäe“. Wie man unter Ärzten halt so sagt. Nach fast 120 abgedrehten Folgen sind auch aus den Schauspielern Fachleute geworden. Fast alle haben ein Praktikum an einer Klinik absolviert, erzählt Bettina Redlich. Und täglich gehe ihr „Medizinstudium“ weiter. Die Schauspielerin hat gerade Drehpause – und Zeit für einen Plausch unter Expertinnen. Wie sie sich auf die medi- Zu einer Herzchirurgin gehört aber auch das richtige Styling. Bettina Redlich betrachtet ihre Freundin Barbara Richartz – und lacht, als wäre sie selbst überrascht. Dieselben Perlenohrringe, dieselbe Kette. Nur die strenge Bluse ist bei der echten Herzexpertin weiß, bei der TV-Professorin grünweiß gestreift. Der Scheitel sitzt bei der einen links, bei der anderen rechts. „Das war keine Absicht!“, sagt Bettina Redlich noch immer lachend. „Aber so sehen Herzspezialistinnen offenbar aus.“ Dann muss sie wieder zum Dreh. Ein paar Tage später geht eine Frau durchs Klinikum „Jägerwinkel“ in Bad Wiessee. „Ich glaub’, ich kenn sie!“, sagt eine Krankenschwester zu der Besucherin in Jeans und Lederjacke. Die Erkannte, Bettina Redlich, nickt und lacht. Auch das Fitnessstudio mit zur Terrasse geöffneter Glasfront findet Herz sehr telegen – und sieht gleich neue Ansätze für eine realistischere Rehaphase im Film. Die ist zurzeit noch oft allzu kurz. Das Problem: Die meisten Patienten in „Herzflimmern“ haben nur eine Gastrolle, sie müssen daher noch am Ende der Folge wieder wohlauf sein. Da bleibt wenig Zeit für die Reha. Beeindruckt sind die TV-Mediziner auch von der Atmosphäre. „Also von meinem Standpunkt als Klinikleiterin aus gesehen“, scherzt Bettina Redlich: „Tolles Personal!“ Im Behandlungsraum von Dr. Richartz sieht Bettina Redlich ein Herz-Ultraschallgerät stehen. „Das kenn ich“, platzt sie heraus. „Hier ist der Schallkopf, das EKG – auf dem Bildschirm kann ich mir das Bild heranholen, wie ich es brauche.“ Für die Filmärztin ist das Routine. Beim Anblick des Belastungs-EKGs wird sie allerdings neidisch. Der Patient kann mit Ultraschall untersucht werden, während er in die Pedale tritt – das wäre auch was für die „Seeklinik“. Bettina Redlich wird wieder zu Prof. Lindner. „Dieser Borowski“, sagt sie lächelnd, „das muss er einfach genehmigen.“