die Löcher der Stille

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die Löcher der Stille
 » … die Löcher der Stille … « HELMUT LACHENMANN
*1935
1 Gran Torso (1971) Musik für Streichquartett
Berner Streichquartett
Alexander van Wijnkoop, 1. Violine
Christine Ragaz, 2. Violine
Henrik Crafoord, Viola
Walter Grimmer, Violoncello
2 Salut für Caudwell (1977) Musik für 2 Gitarristen
Wilhelm Bruck
Theodor Ross
total time
2
21:14
26:07
47:21
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METAMORPHE PROZESSE
IN DEN KOMPOSITIONEN VON HELMUT LACHENMANN
D Die in dieser Schallplattenedition vorgestellten Kompositionen von
Helmut Lachenmann liegen zeitlich sechs Jahre auseinander. »Gran Torso«
– 1971/1972 komponiert – gehört mit »Air«, »Kontrakadenz«, »Pression«
und »Klangschatten« zu jenen Werken, die, wie Lachenmann schreibt,
anstatt vom Klang von den »mechanischen und energetischen Bedingungen
bei der Klangerzeugung« ausgehen und »von dort aus strukturelle und
formale Hierarchien« ableiten. »Salut für Caudwell« – 1977 komponiert
– vermischt hingegen die dem Gitarrenklang eigene Aura mit neuen Spielund Klangtechniken, ohne jedoch die charakteristischen Spielformen dieses
Instruments aufzugeben. Vielmehr werden diese drastisch vereinfacht, in neue
Spielmodelle integriert und so neu durchdrungen.
Beide Kompositionen haben trotz des zeitlichen Abstandes ihrer Entstehung
und unabhängig von den instrumentenbedingten Voraussetzungen und
Beschränkungen kompositorische Strukturprinzipien, die sich ähnlich sind.
In beiden Werken finden sich jeweils eine Anzahl von Grundgestalten, die sich
im Verlauf des Stückes allmählich verwandeln, sich gegenseitig beeinflussen,
um schließlich in neuen Formen wiederzuerscheinen, ohne jedoch ihren Bezug
zur Urform zu verlieren.
Sind es in »Gran Torso« vor allem die sich einander bedingenden Verflechtungen
von Stille und die des auskomponierten Stillstandes mit den klingenden
Momenten, so ist es in »Salut für Caudwell« das Zusammenwirken von sorgsam
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ausgewählten und erprobten Klangerzeugungen mit dem Duktus spanischen
Musikkolorits. Sie machen mit den ihnen eigenen formalen Gesetzlichkeiten
in jedem Werk unterschiedliche Verwandlungen durch.
GRAN TORSO
Die Konventionalitäten der Einrichtung »Streichquartett«, einer mittlerweile
über 200 Jahre alten Klanggemeinschaft, die spieltechnischen Möglichkeiten der
vier Instrumente als Ensemble, die Verdichtung komplexer kompositorischer
Prozesse auf vier einzelne, verwandt tönende Stimmen, sind in »Gran Torso«
ganz und gar ausgenutzt. Sie werden aber gleichzeitig zu Bruch komponiert,
sodass die Komposition nicht nur einlöst, was der Titel meint, sondern ebenso
verursacht, was er bedeutet: »Gran Torso« – vollendete Unvollendetheit,
unabgeschlossene Vollkommenheit. Gilt die sprachliche Metapher »ein großer
Wurf« als das besondere Prädikat für eine Komposition, die alle Dimensionen
der gewählten Mittel in einer wie auch immer gearteten Einheit zusammenfügt,
so bleibt in »Gran Torso« auch das Gegenteil wahr. Der Wurf lässt das Große
auseinanderbrechen in Bruchstücke, die ihre partielle Einzigartigkeit bewahrt
haben, zugleich aber Teil eines Ganzen bleiben. Wohl finden sich in jedem der
Teilstücke Bestandteile der anderen, aber durch das Auseinanderbrechen haben
diese Bestandteile andere Gestalt angenommen.
Was bei solchem Vorgang oft nur die Leere als verbindendes Element
bewerkstelligen kann, bilden bei »Gran Torso« die Momente der Stille. Auffallend
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und vom Ohr Besitz ergreifend sind gerade jene Momente in dieser Komposition,
in denen nichts geschieht und deren Präsenz das innere Ohr zur Aktivität zwingt. In keiner mir bekannten Streichquartettkomposition weitet sich Stille so aus wie
hier, wo sie den klingenden Ausbrüchen eine solche Unmittelbarkeit verleiht,
die zuerst immer erschreckt. Es lässt sich sowohl vom Höreindruck als auch
beim Studium der Partitur feststellen, dass die eigentliche Kompositionsidee – die auskomponierte Unbegrenztheit der Stille und des Stillstandes – durch die
unterschiedlich langen »Partikel« instrumentaler Ton- und Geräuschentfaltung
erst richtig wirksam wird. Zwar ist das strukturelle Eigenleben der klingenden
Teile auch beim erstmaligen Hören sofort in seiner Folgerichtigkeit und
komplizierten Einfachheit erlebbar, die Dauern der ereignislosen Momente
aber lassen sich im charakteristischen Wechsel mit den Klangereignissen viel
lebendiger wahrnehmen. Anders gesagt: Die organisierte Vielfalt der Klangereignisse konzentriert die Aufmerksamkeit auf die Momente der Stille und
des Stillstandes, so, als steigere sich in ihnen noch einmal die Komplexität des
Klingenden.
Man könnte diesen Aspekt der Stille und des Stillstandes als überdeutet abtun
und einfach von »Pausen« sprechen. Nun haben aber Pausen Eigenschaften, die
in »Gran Torso« zwar vorkommen, aber durch den Kontext mit den klingenden
»Bruchstücken« immer wieder anders wirksam werden. Pausen markieren
keinen Stillstand, sondern bilden Zäsuren, sind Ruhemomente vor dem Sturm,
Gliederungskrücken. Zwar herrscht die Stille ebenso in den Pausen, nur hören
kann man sie nicht. Ihre Lautlosigkeit kümmert sich nicht um die mehr oder
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weniger laute Umgebung. Der Lärm – das musikalische Fortissimo – vermag
sich so gegen die Stille zu behaupten, dass diese nicht mehr wahrgenommen
wird, obwohl sie doch ständig präsent ist. Auch der Begriff »Stillstand«
meint nicht so sehr das, was einem oberflächlich das »Stillgestanden«, also
eine Art von Bewegungslosigkeit, suggeriert, sondern er meint das Aufder-Stelle-Treten, das Innehalten – Festhalten von expressiven Momenten,
Momenten der Selbstvergessenheit, der Ekstase in unterschiedlicher Gestalt,
sei es Trauer oder Ausgelassenheit. Eigen ist ihnen allen, was sich hinter dem
Begriff des »Ostinato« verbirgt: das Wiedererscheinen desselben, das sich
aneinanderreiht und andauert. Die Minimal-Musik nutzt diese Qualität.
Allerdings schlägt diese deshalb so häufig um in Monotonie und Automation,
weil das Umfeld dieser Stillstände aus demselben Material besteht. Mir fallen
bei dem Begriff »Stillstand« in Verbindung mit Lachenmanns »Gran Torso«
die von Schumann so merkwürdig missverstandenen »himmlischen Längen«
der Werke Franz Schuberts ein, wo die symphonische, kammermusikalische
oder soloinstrumentale Sprache immer wieder stecken bleibt in um sich
kreisenden, gleich organisierten Feldern, wo das immer wieder gleich
Gesagte seine Bedeutung mit einem Mal verwandelt und der Genuss am
ständig Wiederzuerkennenden umschlägt in Leere, Sprachlosigkeit, ja in Sta- gnation, trotz heiter aneinandergereihter, gleich klingender Figurationen.
So viel lässt sich über den Komponisten von »Gran Torso« – wie auch über
Schubert – sagen, dass jene Stillstände eine wesentliche kompositorische
Konstante in ihren Werken darstellen und zugleich Einblicke gewähren in
den individuellen Sprachcharakter. Wer Lachenmanns langjährigen Kampf in
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Schrift und Wort gegen die Hörgewohnheiten einer noch immer an dem Alten
festklebenden Hörträgheit kennt, wird diese kompositorischen »Nullstellen«
auch als Appelle deuten, in dieser Stille die eigenen nervösen Hörsüchte zu
hinterfragen. Sie bieten den Raum, einer neuen Ästhetik die Sinne zu öffnen,
indem die verbrauchten Hörgewohnheiten umgewandelt werden in eine neue
Wahrnehmungsbereitschaft.
Der erste Abschnitt von »Gran Torso« lässt sich als »Exposition« kennzeichnen.
In ihm finden alle klanglichen Prozesse statt, die in den anderen, später
aufeinander folgenden Teilen in verwandelter Gestalt wiedererscheinen.
Was sich zu Beginn als isolierte Motive heraushören lässt – lange und meist
nahezu tonlose Aktionskomplexe, die jeweils durch kurze Glissandomomente
eingeleitet, unterbrochen oder beendet werden, und äußerst kurze SforzatoMomente, also kurze Attacken, die sich zu einem übergeordneten Rhythmus
verbinden –, wird nach Augenblicken der Stille verdichtet. Jedes der vier
Instrumente kadenziert sich einmal in den Vordergrund. Die vier »Keimzellen« – Pizzicati, Glissandi, Flageolettligaturen und Repetitionsmodelle – werden
vorgestellt. Dabei erscheinen jene Ligaturen bereits zusammengedrängt zu
schnellen Glissandofiguren und die Sforzato-Momente zu den erwähnten
Repetitionselementen verdichtet. Der zuerst gedehnte rhythmische Verlauf
wird zu Feldern zusammengepresst, in denen ein Klangfarbenspiel stattfindet,
das in tremolierende und repetierende Bewegungen mündet. Es scheint so, als
würden die zuvor isoliert erklingenden »Keimzellen« am Ende der »Exposition«
durch diese Kompression ihrer innewohnenden Explosivkraft bewusst. Doch
diesem Verdichtungsprozess wird durch Aufsplitterung des Materials und
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durch dessen Zerfall wieder Einhalt geboten. Hier schiebt sich nun der erste
große musikalische Stillstand in den Vordergrund, der jede Entwicklung
in sich selbst untersagt: ein langes und stilles, auf der Stelle tretendes Kreisen um ein Klangzentrum, gebildet von Bratsche und Violoncello als
ständig modulierter Klangfarbencluster (wechselnde Obertonspektren durch
Verlagerung der Kontaktstelle zwischen Saiten und Bogen), das von den
Violinen mit nahezu unhörbaren Motiven (»Keimzellen«) aus der »Exposition«
belebt, ja geradezu beatmet wird.
An dieser Stelle der Komposition erweist sich die Schallplattenrealisierung als
problematisch und zugleich faszinierend, weil der Hörende nun hören muss,
was es zu sehen gibt, weil er rückschließen muss, wie die Aktivität – also der
körperliche Einsatz – der vier Musiker eine scheinbar naturgegebene Logik
auf den Kopf stellt: Der größtmögliche und andauernde körperliche und
manuelle Einsatz bewirkt nicht ohrenbetäubende Expressivität, sondern
Zerbrechlichkeit, Zartheit.
Wer »Gran Torso« nicht nur hört, sondern auch mit dem Auge erlebt hat,
wird diesen langen Augenblick des musikalischen Innehaltens ergriffen
wahrnehmen, weil sich der Assoziationsfreiraum, den ihm diese Komposition
gewährt, plötzlich kanalisiert in einen eindeutigen Ruhemoment, in welchem
die vormals erklungenen Bruchstücke sich im inneren Ohr weiterentwickeln.
Bei der Fortentwicklung jener »Keimzellen« werden die Glissandi und Tremoli
nicht mehr nur an den Saiten ausgeführt, sondern auch an verschiedenen
Stellen des Corpus (auf dem Saitenhalter, auf der Saitenumwicklung, an den
Zargen, auf dem Rücken des Instruments, an den Wirbeln); die Repetitionen
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leistet nicht mehr nur der springende Bogen, sondern auch das Bogenholz, die
fest aufgepressten, der Saite entlang geschabten Bogenhaare, schließlich auch
die auf dem oberen Teil des Griffbretts (im Bereich der ersten bis vierten Lage)
durch Überdruck sich sperrende und dadurch ratternde Bogenbewegung.
Diese spieltechnischen Vorgänge mit ihrer einzigartigen klanglichen
Andersartigkeit zu dem herkömmlichen Klangideal eines Klangkörpers wie
dem des Streichquartetts treten nun in immer dichterer und gebündelterer Form
hintereinander und übereinander auf. Die repetierenden Keimzellen erfahren
in diesem langen dritten Teil der Komposition eine allmähliche Verwandlung – nicht unähnlich dem früheren Verwandlungsprozess in der »Expositìon«
– denn was zuerst in der Klangfarbe des in Schwung versetzten, springenden
Bogens konstant bleibt und zwischen den Aufschlägen der vier Bögen noch
immer genügend Freiraum für die Stille lässt, wird durch die Verlagerung
der Aufschlagstellen allmählich verwandelt, sodass neue Klanggestalten die
Leichtigkeit des Klanges umformen in Dichte und Kontinuität, d. h., während
durch die Dichte der repetierenden Ereignisse die Löcher der Stille immer
mehr zugedeckt werden, verändern sich die regelmäßigen Repetitionsphrasen
in unregelmäßige und die Dynamik nimmt an Intensität zu. Gleichzeitig geht
das Bogensaltando in gepresste Spielweisen über. Die anfängliche rhythmische
Struktur der Pressgeräusche verdichtet sich ebenfalls immer mehr, bis schließlich
ein Kontinuum heftigster, an industrielle, automative Prozesse erinnernder
Lärmmomente entsteht. So plötzlich der Hörer mit dieser neuen dynamischen
Qualität konfrontiert wird, so unvermittelt brechen die schnarrenden und
surrenden Fortissimo-Ereignisse ab. Schnell kristallisieren sie sich zu Partikeln,
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die den gesamten Verdichtungsprozess in anderer Gestalt wiederholen, bis sie
schließlich, aufs Äußerste komprimiert, im leeren Raum der sich ausbreitenden
Stille isoliert aufblitzen. Diese Komprimierung signalisiert die letztmögliche
Unterdrückung des Klingenden, welches am Anfang des Werkes sich noch
gegen die Stille behaupten konnte. Der Akkord leerer Saiten wird zum
erstickten Bartók-Pizzicato entstellt. Auch zeigt sich jetzt noch einmal das
gesamte Bauprinzip des Werks, die Wiederholung oder das Wiedererscheinen
der »Keimzellen« in ständig nur wenig veränderter Gestalt, die sich gegen die
Stille behaupten wollen, aber im Prozess einer Metamorphose sich verdichten
und zugleich zerfallen.
Solcher Vorgang drückt aus, was in den Spielanweisungen (»einige äußerst enge
Rucke« – »stockend« – »gepresst, aber flüssig« – »immer ganz brüchig« etc.)
sich ausdrückt und was auch immer wieder in anderen Werken Lachenmanns
thematisiert wird: der Stillstand des musikalischen Flusses, die Erstarrung
des vormals Beweglichen, das Gefrieren vertrauter warmer Pulsierung – hier
wärmt sich der Hörende am Eise des Materials. Die letzten Schläge in die Stille
hinein, mit denen das Streichquartett ausklingt, erinnern an die Salutschüsse
der Gitarrenkomposition »Salut für Caudwell«, die direkt vor der revidierten
Fassung dieses Streichquartetts geschrieben wurde. Sie setzen sich aber auch in
»Klangschatten – mein Saitenspiel« fort; der Anfang dieser 1972 geschriebenen
Komposition beginnt, wo »Gran Torso« endet.
Werden im Gitarrenstück Kanonenschüsse onomatopoesiert, so assoziiert
man bei »Gran Torso« – dem impliziten Anspruch des Titels folgend – das
Klopfen des Steinmetzen auf den Stein. Die Beständigkeit des Hämmerns
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auf den härtesten und geschlossensten Teil macht sich bezahlt. Ganz zuletzt
bricht so etwas wie ein Kristall hervor als winzige Keimzelle eines anderen
Teils des großen Torsos: ein Flageolettnachhall, der sich frei schwingend jeder
Entfaltungsunterdrückung widersetzt.
Ob nun diese »Bruchstücke«, aus denen sich die Komposition zusammensetzt,
als Teile eines Satzes, als vier einzelne geschlossene Sätze oder als vier
Variationen ausgewählter »Keimzellen« gedeutet werden, ist unerheblich.
Es gibt keinen Anhaltspunkt, der deutlich macht, woher und wohin sich
Entwicklung vollzieht. Jeder Teil könnte die »Exposition« der anderen sein.
Charakteristisch indes bleibt die Präsenz der Stille und ihre jeweilige Funktion.
Sie behauptet sich im ersten Teil, indem sie das Zusammendrängende
auseinanderzwingt; sie verhindert im zweiten Teil klangliche Entfaltung,
wobei sie sich selbst durch unendlich zarten Klang vertreten lässt; im dritten
durchlöchert sie die Kontinuität der einander zugeordneten Gestalten, bis diese
sich auf der Repetition zusammenfinden; im letzten schließlich lässt sie den
zusammengepressten Akzentuierungen nur noch für winzige Augenblicke
Raum zum Hindurchbrechen.
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Hans-Peter Jahn
SALUT FÜR CAUDWELL
»Salut für Caudwell« ist Helmut Lachenmanns einzige Arbeit, in der sich der
strukturelle Kompositionsprozess mit der Ästhetik und dem philosophischen
Denken des Komponisten zu einem Duett innerhalb eines Duos vereinigt.
Wobei diese Komposition auch außermusikalische Kategorien mit einbezieht
in Form von Texten Christopher Caudwells und Friedrich Nietzsches, auf die
sich Lachenmann beruft und die aussprechen, worum es ihm selbst von jeher
beim Komponieren gegangen ist.
Die vielen Aufsätze und Äußerungen, die seine Gangart auf eigenen
kompositorischen Wegen fast immer im Verhältnis zu den gesellschaftlichen
Voraussetzungen beschrieben haben, machen es dem analysierenden
Interpreten seines Werkes leicht zu wiederholen, was durch Lachenmann
zuvor schon selbstbeschreibend aufgedeckt worden ist, machen es aber
zugleich auch schwierig, einen Zugang zum Werk zu finden, der nicht
durch ihn schon abgesichert wurde. Aphoristisch verkürzt hat Lachenmann
die Entwicklung seines musikphilosophischen Denkens in jenen drei
anaphorischen Thesen, die im Sieben-Jahre-Rhythmus 1971, 1978 und
1985 formuliert wurden, zum Ausdruck gebracht: »Hören ist wehrlos ohne
Denken«, »Hören ist wehrlos auch ohne Fühlen« und »Hören ist wehrlos – ohne Hören«. Die ersten beiden Thesen besagen, dass das Hören ohne
Inanspruchnahme anderer menschlicher Fähigkeiten zu schwach sei, sich selbst
und dem zu hörenden Gegenstand gerecht zu werden, die dritte These unterstellt,
dass durch die Denaturierung des Menschen das Hören aufgespalten wurde in
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verschiedene Arten, die nun durch Manipulationsprozesse am menschlichen
Geist gesteuert werden. Diese drei Thesen stehen aber gleichzeitig auch für die
jeweilige kompositorische Situation Lachenmanns ein. Statt »Hören« lässt sich
genauso gut und für Lachenmann folgerichtig »Komponieren« einfügen. Nun
bewirkt die Notwendigkeit, Bewusstsein durch diese und jene Miteinbeziehung
von Fähigkeit zu erweitern, ja immer eine naturgesetzliche Spiegelung eigener
Entwicklung auf andere. Das schließt nicht aus, dass ein einmal erkanntes
Phänomen selbst durch Revision seine Gültigkeit behält und andere unbekannte
Phänomene des »Hörens« oder »Komponierens« unbewusst bereits stattfinden
oder immer schon stattgefunden haben. In einer Werkeinführung zu »Salut«
schreibt Lachenmann:
»Wir sehen aber auch, dass eine von der eigenen Wirklichkeit erschreckte,
schon fast gelähmte Zivilisation sich nun bald ein Jahrhundert lang krampfhaft
an jene Geborgenheitsästhetik klammert und offenbar fähig ist, jede Störung
ihres ästhetischen Weltbildes als dissonante, exotisch faszinierende Variante
des Gewohnten kurzerhand in die kulturelle Schmuck- und Schocksammlung
aufzunehmen bzw. dort hinein zu verdrängen und sich so um die in solcher
Störung angebotene Auseinandersetzung mit der eigenen Entfremdetheit und
Angst herumzudrücken.
Die Praxis des Komponisten kann sich nicht blind verhalten gegenüber
solcher hartnäckigen Anklammerung des bürgerlichen Bewusstseins, weil
die Attribute dieser Geborgenheitsästhetik, etwa die Kategorien der Tonali- tät, damit zugleich zu Signalen von Angst und Ratlosigkeit geworden sind.
Damit aber ist das musikalische Material in den Strudel eines Karussells der
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Umdeutbarkeit geraten, die sich jeder Kalkulation zu entziehen scheint: die
Attribute des bewährten Kunstgenusses werden zu Mitteln des Schocks – Schock
und Konflikterfahrung aber werden von vornherein entschärft und domestiziert
als Varianten des ungebrochenen Kunstgenusses. Der einzelne Klang, ob
konsonant, dissonant, atonal oder verfremdet, wird keineswegs eindeutig
neu bestimmt durch den vom Komponisten geschaffenen Zusammenhang,
denn dieser Zusammenhang selbst ist vieldeutig und steht in größeren
Zusammenhängen und ist ein Konglomerat aus Zusammenhängen: bewussten,
unbewussten, bedachten, unbedachten, rationalen, irrationalen. Damit ist, so
scheint es, dem Komponisten, der – in der Auseinandersetzung mit den Mitteln – auf solche theoretische Reflexion sich eingelassen hatte, wieder alles unter den
Händen zerronnen. Was immer sein Wille kontrolliert, es ist immer nur Teilstück eines unbekannten Ganzen, und – wer weiß: vielleicht kontrolliert das
Ganze ihn.« 1
So gesehen lassen sich die zeitlich weit auseinander liegenden thesenartigen
Teilformulierungen zu einem Ganzen zusammenfügen. Als Konzentrat,
»Hören ist wehrlos ohne Denken, Fühlen und Hören«, oder auf den
Komponisten bezogen, »Komponieren ist wehrlos ohne Denken, Fühlen und
Hören«, ergeben sie jene Konzeption, die »Salut für Caudwell« zugrunde
liegt und die den Gedanken Christopher Caudwells so nahekommt und
inhaltlich mit ihnen verschmilzt. So treffen sich zwei Postulate innerhalb einer Komposition als Idee und zugleich als zu verarbeitendes, konkretes Material.
1
Helmut Lachenmann, Struktur und Musikantik, in: Nova giulianiad, Bd. 2, Nr.6. 1985, S. 93.
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Der in die Gitarrenkomposition eingearbeitete Text lautet: »Weil eure
Freiheit nur in einem Teil der Gesellschaft wurzelt, ist sie unvollständig. Alles
Bewusstsein wird von der Gesellschaft mitgeprägt. Aber weil ihr davon nicht
wisst, bildet ihr euch ein, ihr wäret frei. Diese von euch so stolz zur Schau
getragene Illusion ist das Kennzeichen eurer Sklaverei. Ihr hofft, das Denken
vom Leben abzusondern und damit einen Teil der menschlichen Freiheit zu
bewahren. Freiheit ist jedoch keine Substanz zum Aufbewahren, sondern
eine im aktiven Kampf mit den konkreten Problemen des Lebens geschaffene
Kraft.
Es gibt keine neutrale Kunstwelt. Ihr müsst wählen zwischen Kunst, die sich
ihrer nicht bewusst und unfrei und unwahr ist, und Kunst, die ihre Bedingungen kennt und ausdrückt. Wir werden nicht aufhören, den bürgerlichen Inhalt
eurer Kunst zu kritisieren. Wir stellen die einfache Forderung an euch, das
Leben mit der Kunst und die Kunst mit dem Leben in Einklang zu bringen. Wir
verlangen, dass ihr wirklich in der neuen Welt lebt und eure Seele nicht in der
Vergangenheit zurücklasst. Ihr seid noch gespalten, solange ihr es nicht lassen
könnt, abgenutzte Kategorien der bürgerlichen Kunst mechanisch durcheinanderzumischen oder Kategorien anderer proletarischer Bereiche mechanisch
zu übernehmen. Ihr müsst den schwierigen schöpferischen Weg gehen, die Gesetze und die Technik der Kunst neu gestalten, sodass sie die entstehende Welt
ausdrückt und ein Teil ihrer Verwirklichung ist. Dann werden wir sagen …« 2
Hier erscheint noch einmal die alte aufklärerische Maxime »Sapere aude«
2
Christopher Caudwell: Bürgerliche Illusion und Wirklichkeit, Beiträge zu einer materialistischen Ästhetik,
Verlag Ullstein GmbH, Frankfurt / Berlin / Wien, S. 292ff.
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(wage zu wissen) auf die Bedingungen künstlerischen Tätigseins bezogen. Das
entfesselte Denken (die bewusst vollzogenen kompositorischen Entscheidungen)
ist sich seiner Gebundenheit an das kollektive Denken bewusst und erobert
sich seine Freiheit durch das Bewusstwerden der zuvor noch nicht gedachten
Möglichkeiten. Aus diesem sich selbst bewusst gewordenen Denken entfalten
sich alle künstlerischen Schöpfungen, die nicht mehr bereit sind, nach dem
zur Antiquiertheit gewordenen Fühlen und Empfinden und aus dem sich
daraus notgedrungenen Festkleben an süchtig-genießerischer Konsumtion
zu schielen. Das Fühlen, gepaart mit jenem freiheitlichen Denken, erkennt
das Zerstörerische, das mit dem Hang nach Altem und nach der Tradition
einhergeht. Nicht das Alte bringt das Gegenwärtige zum Leuchten, sondern
das gegenwärtige Neue gibt dem der Vergangenheit Zugehörigen einen
allerdings ganz unzerstörbaren Glanz zurück. Und wenn sich kompositorisches
Denken den lemurengejagten Gefühlsergüssen widersetzt, die sich aus den
verbrauchten Empfindungen der Vergangenheit konglomeriert haben, so wird
es das »Unerhörte« hören und durch seine Fähigkeit, Inneres nach außen zu
transformieren, zu Gehör bringen. Dieses Hören ist sich dann seiner selbst
bewusst und verfällt nicht wieder im Zuhörendürfen den Sehnsüchten nach
Unwiederbringlichem. Es besitzt durch seine Unabhängigkeit von Hörmustern
und -ritualen die Fähigkeit, Vertrautes in neuer Art wahrzunehmen und Neuem
offen zu begegnen.
Wie weit diese musikphilosophischen und -soziologischen Maximen in »Salut
für Caudwell« innermusikalisch – also strukturell und kompositionstechnisch – sich auswirken, soll das nun folgende, genauere Eingehen auf den kompositorischen Text deutlich machen.
17
Die tabellarisch angeordneten spiel- und klangtechnischen Anweisungen
für die beiden Gitarristen geben das musikalische Material wieder, mit dem Lachenmann ausschließlich gearbeitet hat. Ähnlich wie in »Gran Torso«
werden in bestimmten Abschnitten Teile des Materials ausgebreitet, in
anderen Abschnitten mit anderen Teilen verbunden und damit durch
den jeweils neuen Zusammenhang verwandelt. Es lassen sich wieder vier
Abschnitte ausmachen: eine Exposition, in welcher alle spieltechnischen
Möglichkeiten und ihre Klangresultate vorgestellt werden (Takt 1–211).
Innerhalb dieses ersten Abschnitts ist der bereits zitierte Text von Caudwell
eingebettet. Der zweite Abschnitt (Takt 212–360) vollzieht das, was man eine
Hinführung zu einem Höhepunkt – in diesem Falle eine extreme Verdichtung
bis zu den »Salutschüssen« – und Wegführung von ihm, bis hin zum Zerfall
des aufgetürmten Materials, nennen könnte. Im dritten Abschnitt (Takt
361–434), der in der rhythmischen Struktur gewisse Korrespondenzen zum
ersten Abschnitt aufweist, reduzieren sich die spieltechnischen Ereignisse
zu Flamenco-Artikulationen, um sich sodann im letzten Abschnitt (Takt
435–533 / Schluss) noch einmal zu komplizierten rhythmischen Strukturen
zu verdichten, die durch Wischbewegungen der Finger und Hände auf den
Saiten in einen Tango münden, mit dem das Werk schließlich ausklingt und
verstummt.
Wie aus den »Erläuterungen zur Ausführung und Notation« bereits hervorgeht,
ist jedem der beiden agierenden Hände ein eigenes System zugeordnet, sodass
die oberen Systeme die rechte, die unteren Systeme die linke Hand und ihr
Betätigungsfeld beschreiben. Nur einmal in der gesamten Komposition wird
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dieses Prinzip aufgehoben und zwar zu Beginn des letzten Abschnitts, dann,
wenn der Gleitstahl von der rechten Hand übernommen wird und mit dessen
einen Ende die Saiten angezupft werden (Takt 426 ff).
Hans-Peter Jahn
19
WILHELM BRUCK, THEODOR ROSS
BERNER STREICHQUARTETT
Wilhelm Bruck (*1943) und Theodor Ross (*1947) studierten beide in Köln.
Seit 1969 konzertieren sie gemeinsam in vier Kontinenten: Als Mitglieder des
Kölner Ensembles für Neue Musik haben sie mehrere Werke von Mauricio
Kagel uraufgeführt, etwa Zwei-Mann-Orchester; als Duo-Partner erarbeiten
sie seit 1972 unter dem Titel Merk-Würdigkeiten für Gitarre(n) etc. musikalisch
eigenwillige Programme, indem sie auf das übliche Repertoire verzichten und
es ersetzen durch Ausgrabungen fast verschollener Zyklen (wie das IV. Buch
aus dem Silva de Sirenas von Valderrábano, 1547), eigene Bearbeitungen (u.a.
Erik Satie und Charles Ives) sowie eigens für sie geschriebene Werke.
Wilhelm Bruck war bis 1990 Professor an der Musikhochschule in Karlsruhe;
Theodor Ross schreibt Musiken für Hörspiele sowie Theaterstücke (akustische
Bühnenbilder) und ist auch als Regisseur tätig.
Das Berner Streichquartett wurde 1971 von der Bernischen Musikgesellschaft
gegründet und hat sich rasch – anfänglich unter Mitwirkung von Eva Zurbrügg
und Heinrich Forster – ein Repertoire geschaffen, das von Bachs Kunst der Fuge
bis zu Heinz Holligers Streichquartett reicht. In enger Zusammenarbeit mit
zeitgenössischen Komponisten (u. a. Witold Lutosławski, Brian Ferneyhough,
Helmut Lachenmann, Klaus Huber, Heinz Holliger) entstanden beispielhafte
Interpretationen. Die Aufnahme des 1. Streichquartetts von Ferneyhough wurde mit dem »Grand Prix du Disque Académie Charles Cros« ausgezeichnet.
Das Ensemble wurde zu verschiedensten Festivals und internationalen Veranstaltungen von Ruf eingeladen (IMF Luzern, Biennale di Venezia, Bath Festival,
Ulmer Konzerte, Konzert der UER in Genf, Engadiner Konzertwochen, Festival
de Royan). Tourneen in Japan und China, Konzerte in New York, Washington
und London, verbunden mit Schallplattenaufnahmen und Rundfunkproduktionen, haben dem Berner Streichquartett zu großem internationalen Ansehen
verholfen.
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METAMORPHIC PROCESSES
IN THE COMPOSITIONS OF HELMUT LACHENMANN
E The compositions by Helmut Lachenmann presented in this record edition
cover a period of six years. “Gran Torso” – composed in 1971/1972 – along
with “Air”, “Kontrakadenz”, “Pression” and “Klangschatten” – belongs to those
works whose starting point, as Lachenmann writes, is not sound but rather
“the mechanical and energetic conditions which determine the production of
sound and thence derive structural and formal hierarchies”. On the other hand
“Salut für Caudwell” – composed in 1977 – combines the distinctive sound
of the guitar with new sound techniques without, however, abandoning the
traditional ways of playing the instrument; these are drastically simplified, integrated into new ways of playing and thus fused into something new. Despite
the time separating their composition and independent of the preconditions
and limitations imposed by the instrument, both of these compositions have
similar principles of structural composition. In both works there are a number
of basic figures which in the course of the piece are gradually transformed,
exerting a mutual influence on each another and finally reappearing in new
forms without, however, losing their relationship to the original form.
In “Gran Torso” it is essentially a question of the interweaving of self-determining silences and moments of stillness with the moments of sound. In “Salut für
Caudwell” it is a question of the combined effect of carefully selected and established sounds and the cadences of Spanish musical colour. With formal rules of
composition unique to each work they undergo various transformations.
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Gran Torso
The string quartet is an ensemble which has been established for over 200 years
and “Gran Torso” exploits to the full its conventions, the musical possibilities
of the four instruments as an ensemble and the reduction of complex processes of composition to four individual but like sounding instruments. At the
same time, however, the composition is fragmented in such a way that it not
only confirms the title’s meaning but even emerges as the reason for that title:
“Gran Torso” – completed uncompletedness, unconcluded perfection. If one
accepts the validity of the German linguistic metaphor of “ein großer Wurf ”
(English = “a great success”) as the specific predicate for a composition which
fuses in every way it can all the dimensions of the chosen materials into a unity,
then the opposite is also true in “Gran Torso”. The “Wurf ” causes the whole
to break up into fragments, which retain their partial uniqueness but at the
same time remain part of the whole. It may well be the case that traces of the
other fragments can be found in each but in the process of disintegration these
component parts have taken on a new form.
In a process like this it is often only silence that can be effective as the unifying
element and in “Gran Torso” this is exactly what is achieved by the moments
of silence. It is precisely those moments in this composition where nothing is
happening which stand out, forcing one to listen intently with the full attention
of the inner ear.
I do not know of any compositions for string quartet in which silence is as
extended as here, where it lends the outbursts of sound an immediacy, which
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at first hearing is nothing less than awesome. Not only the impression gained
by listening but also study of the score confirm that the actual idea on which
the composition is based – exploring infinite silence and stillness to their limits
– only becomes truly effective through the particles of varying length through
which instrumental sound and noise evolve. It is certainly the case that even
on first hearing the structural uniqueness of the sound is immediately evident in its consistency and complex simplicity; the duration of the event-free
moments, however, can be more vitally apprehended in their characteristic
interchanges with the sounded events. In other words, the organised diversity
of the sound focuses attention on the moments of silence and stillness such
that it is as though the complexity of the sound were continuing to increase
within them.
One might dismiss this view of silence and stillness as an over-interpretation
and prefer to call them simply “pauses”. Pauses do indeed have characteristics
and these are certainly present in “Gran Torso”, but by virtue of their juxtaposition with the sounded “fragments” they again and again have a different effect.
Pauses do not mark stillness but rather they form cæsuras; they are moments
of quiet before the storm, organisational crutches. Yes, silence does reign in
the pauses: it is just that one cannot hear it. The absence of sound is not concerned with its surroundings, loud one moment, quieter the next. Noise – the
musical fortissimo – is capable of asserting itself in the face of silence such
that silence, despite its permanent presence, is no longer apprehended. Even
the concept of “stillness” does not so much mean what might superficially be
suggested by “having come to a stop”, in other words a sort of motionlessness,
24
but rather movement on the spot, a pause – the adherence to expressive moments, moments of self-forgetting, ecstasy in various guises, whether mourning
or exuberance. What is peculiar to them all is hidden beneath the concept of
“ostinato”: the reappearance of the same thing in extended form. Minimalism
makes use of this quality, though it has to be said that it can often become monotonous and repetitive because the context in which the music keeps coming
to a standstill consists of the same material over and over again. The concept of
“stillness” in Lachenmann’s “Gran Torso” is redolent of the “heavenly stillnesses” in the works of Franz Schubert which were so remarkably misunderstood
by Schumann. This is where the language of the symphony orchestra, chamber
ensemble or solo instrument repeatedly comes to a halt, passages where the
music circles around itself, ever reshaped; where what has just been said again
and again suddenly changes its meaning; and where the pleasure in constant
and repeated recognition turns into emptiness, speechlessness, stagnation itself,
despite sequences of carefree, similar sounding configurations. This much can
be said of the composer of “Gran Torso” as well as about Schubert: those moments of stillness in their works represent an essential compositional constant
and at the same time afford insight into their individual musical character. If
you are familiar with Lachenmann’s long written and spoken struggle against
the indolent habits of a way of hearing which insists on clinging to the old,
then you will understand these compositional “zeros” as an appeal to use this
silence to begin to explore our hearing habits born of nervous apprehension.
They offer the space to open up our senses to a new aesthetic by transforming
our exhausted hearing habits into a willingness to apprehend a new.
25
The first section of “Gran Torso” can be seen as an “exposition”. In it all the
sound processes occur which later reappear transformed in the other parts.
What can first be heard as isolated motifs – long, complex and mostly almost
atonal passages, each one introduced, interrupted or concluded by short glissandi and extremely short sforzati, in other words short attacks which join
together to form an overarching rhythm – is concentrated after a few moments
of silence and each of the four instruments thrusts itself into the foreground
with a cadenza. The four germ cells – pizzicati, glissandi, flageolet ligatures and
repeated figures – are introduced and these very ligatures appear already compressed into rapid glissandi and the sforzati are concentrated into the repeated
figures just mentioned. The first extended rhythmic development is condensed
into passages where a musical play of colours takes place, opening out into
repeated agitated tremolandi. At first it seems as though the “germ cells”, previously sounding in isolation, are by the end of the “exposition” aware of their
inherent explosive power. However, this process of condensation is brought to
a conclusion with the fragmentation and subsequent disintegration of the material. At this point the first significant musical stillness becomes prominent and
forbids further development: a long, quiet, walking on the spot, circling around
a fulcrum of sound formed by the viola and cello with constant modulations of
the tone colour (ever changing harmonics achieved by lengthening the point
of contact of bow and strings) and animated and enlivened by the violins with
almost inaudible motifs (“germ cells”). At this point of the composition the
recording turns out to be at once problematical and fascinating because the
listener has to hear what really has to be seen because he has to imagine how the
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actions – in other words, the physical arrangement – of the four musicians turn
an apparently self-evident logic on its head: intense and continuous physical
application to the music produces the effect not of a deafening expressiveness
but of fragility and tenderness.
If you not only listen to but have also experienced a live performance of “Gran
Torso”, then you will know that this long moment of musical stillness is one
that you experience in a state of deep emotion because the freedom of association afforded by this composition is suddenly channelled into an unambiguous
moment of quiet in which the fragments you have just heard continue their
development in your inner ear.
With the further development of those “germ cells” the glissandi and tremoli
are no longer performed just on the strings but also on various parts of the
instrument (on the tailpiece, the frame, the back, the pegs); the repetitions are
no longer performed the bow playing spiccato but col legno; even the bow hairs,
having come loose and stuck to the strings under the pressure of the playing,
are employed; and finally the bow is forcefully clattered against the upper part
of the finger board (between the first and fourth positions).
These technically challenging events with their radically different sound compared with the traditional sound of a string quartet now occur in an ever more
concentrated and integrated form, consecutively and concurrently. In this
long third part of the composition the repeated “germ cells” undergo a gradual
transformation – not dissimilar to the earlier process of transformation in the
“exposition” – and what at first remains constant in the tonal colour as it gains
momentum and leaves ample room for silence between the impacts of the four
27
bows is slowly transformed by gradually moving the point of impact with the
result that new tonal shapes change the lightness of the sound into a dense continuum – i. e. whilst the holes of silence are more and more covered by the density of the repeated events, the regular repeated phrases are transformed into
irregular ones and there is an increase in dynamic tension. At the same time
the bowed saltando gives way to playing with maximum pressure applied on
the strings. The initial rhythmic structure of these noises produced under this
high pressure gets ever denser until in the end a continuum of the most violent
noise arises, reminiscent of automated industrial processes. Just as suddenly
as the listener is confronted by this new dynamic quality, equally abruptly the
whirring and buzzing fortissimo events are curtailed. They quickly crystallise
into particles which repeat the whole condensation process in a new form until
finally, utterly compromised, they sparkle in isolation in the empty space of the
unfolding silence. This compromisation signals the last possible suppression of
sound, which, at the work’s beginning, was still able to assert itself against the
silence. The accord of empty strings is distorted into a stifled Bartók-like pizzicato. The principle of construction of the whole work is again in evidence at
this point, as well as the repetition or the continuous reappearance of the “germ
cells” in barely changed form as they seek to impose themselves on the silence
but in the metamorphic process at once condense and disintegrate.
Such a process is an expression of the directions to the players (“a few extremely
tight lurches” – “hesitatingly” – “with maximum pressure but flowing” – “at all
times completely brittle”) and also gives expression to the thematic material
which occurs again and again in Lachenmann’s other works: the musical flow
28
comes to a standstill, what was previously in a state of flux congeals, a warm
intimate pulse freezes – at this point the listener can warm himself on the ice
of the material. The last blows penetrating the silence with which the string
quartet closes are reminiscent of the shots of salutation in the guitar composition “Salut für Caudwell”, which was written immediately before the revised
version of this string quartet. They continue, however, in “Klangschatten – mein
Saitenspiel”; the beginning of this composition written in 1972 takes up where
“Gran Torso” leaves off.
If cannon fire is rendered by way of onomatopoeia in the guitar piece, so “Gran
Torso” – following the demand implicit in the title – invites the listener to
imagine the stonemason’s hammering on the stone. The persistence of the hammering on the hardest and most inaccessible part pays off. Right at the very
end a crystal-like fragment breaks off as minute germ cells of another part of
the larger torso: an echoed flageolet swinging freely and resistant to any possible suppression.
Whether these “fragments” which comprise the composition are to be understood as parts of a movement, as four separate, discrete movements or as four
variations on selected “germ cells” is irrelevant. Nowhere is there any clue to
make clear where development originates and where it concludes. Each and
every part could be the “exposition” of the others. In the meantime the presence
of silence and its relative function is the defining characteristic of the work. It
asserts itself in the first part by forcing apart that which wants to be compressed;
in the second part it prevents the evolution of sound by portraying itself in the
form of an unendingly tender sound; in the third part it perforates the continu29
ity of the interrelated forms until these come together again in the repetition; in
the last part it finally allows, albeit only momentarily, the condensed accentuations space to break through.
Hans-Peter Jahn
SALUT FÜR CAUDWELL
“Salut für Caudwell” is Helmut Lachenmann’s only work in which the process of structural composition is reconciled with the composer’s aesthetics and
philosophical thinking to form a duet within a duet. This composition also incorporates extra-musical features in the form of texts by Christopher Caudwell
and Friedrich Nietzsche, which Lachenmann refers to and which express what
he has always regarded as the essence of composition.
His many essays and statements describing his approach to composing, almost
always with regard to prevailing social conditions, make it easy for the analytical interpreter of his work to repeat what Lachenmann has already revealed
in his descriptions but at the same time they make it difficult to find a means
of access to his work which he has not already fully exploited. Lachenmann
has given us an aphoristic and abbreviated account of the development of his
musical-philosophical thinking in those three anaphoric theses which were
formulated in a seven year cycle in 1971, 1978 und 1985: “Hearing is defenceless
without thinking”, “Hearing is also defenceless without feeling” and “Hearing is
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defenceless – without hearing”. The first two theses state that listening without
the application of other human capabilities is not strong enough to do both
itself and the object to which one is listening justice. The third thesis takes
as its premise that in the process of man’s denaturalisation hearing was split
into various types, which are now guided by processes manipulating the human mind. But these three theses at the same time also explain Lachenmann’s
particular compositional methods. Instead of “Hearing” one could just as well
write “Composing” and for Lachenmann that would be logically consistent.
But the necessity of extending consciousness through the incorporation of
this or that ability always produces, in accordance with natural laws, a reflection of one’s own development on others. That does not prevent a recognised
phenomenon retaining its validity even if revised; it is also possible that other
unknown phenomena of “Hearing” or “Composing” may already be taking
place or have indeed always taken place subconsciously. In an introduction to
his work “Salut”) Lachenmann writes:
“But we also see that a culture, terrified to the point of being almost paralysed
by its own reality, has for more than a century been almost desperately clinging
to the “Geborgenheitsästhetik” and is manifestly capable of assimilating any
disruption of its aesthetic world view as a dissonant and exotically fascinating
variant of the everyday into the cultural “Schmuck and Schock” collection or
else repressing it so as to come to terms with the confrontation with its own
angst and the alienation posed by the disruption.
Faced with such stubborn adherence by bourgeois consciousness the practising
composer cannot behave as though he were blind because the attributes of this
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“Geborgenheitsästhetik”, namely the categories of tonality, have become the
signals of our apprehension and bewilderment.
In the process, however, the material of music has got caught up in the
whirlpool of myriad reinterpretations which defy any rational evaluation:
the attributes of the genuine enjoyment of art have become the means to
shock – but shock and the exposure to conflict have in advance been defused and domesticated as variants of the unspoilt enjoyment of art. The
individual note, whether consonant, dissonant, atonal or alienated is in no
way defined anew and unambiguously by the context created by the composer, for this very context is open to multiple interpretations and is set
within greater contexts and is a conglomerate of contexts: conscious, unconscious, premeditated, spontaneous, rational, irrational. And thus – and this is how it seems to the composer wrestling with all the means at
his disposal and prepared to get involved in such theoretical reflections – everything has slipped through his hands. Whatever his will can control is only
ever a fraction of an unknown whole and – who knows – perhaps the whole
is controlling him.” 1
Looked at in this way the fragmented thesis-like formulations, at this moment
miles apart, can be fused into a whole. In this concentrated form “Hearing is
defenceless without thinking, feeling and hearing” or, with reference to the
composer, “Composition is defenceless without thinking, feeling and hearing”
provide exactly that conception which is the basis of “Salut für Caudwell” and
1
Helmut Lachenmann, Struktur und Musikantik, in: Nova giulianiad, Bd. 2, Nr.6. 1985, S. 93.
32
which so closely approximates to the thoughts of Christopher Caudwell and
fuses with them in terms of content. In this way two postulations within a
composition come together as abstract idea and at the same time as concrete
material for development.
The text worked into the guitar composition reads: “Because your freedom is
only rooted in one part of society it is incomplete. All consciousness is shaped
by society. But because you do not know this you imagine yourself to be free.
This illusion, which you display so proudly, is the mark of your slavery. You
hope to separate thought and life and thereby keep a part of human freedom.
Freedom, however, is not something you can keep but rather a force created in
the active struggle with life’s real problems.
There is no such thing as a neutral world of art. You have to choose between
art, which is unselfconscious, unfree and untrue and art which acknowledges
and expresses its limitations. Never will we cease from criticising the bourgeois
content of your art. We make the simple demand of you that you reconcile life
with art and art with life. We insist that you really live in the new world and
do no leave your soul behind in the past. You are still divided as long as you
cannot help perfunctorily confusing worn out categories of bourgeois art or
perfunctorily taking over categories from other proletarian areas. You have to
follow the difficult path of creativity, reshape the laws and methods of art so
that it represents the evolving world and is an intrinsic part of its realisation.
Then we shall say …” 2
2
Christopher Caudwell: Bürgerliche Illusion und Wirklichkeit, Beiträge zu einer materialistischen Ästhetik,
Verlag Ullstein GmbH, Frankfurt / Berlin / Wien, S. 292ff.
33
At this point the old educational maxim “Sapere aude” (dare to know) appears
again to be relevant to the conditions of artistic activity. Liberated thinking (the
consciously taken compositional decisions) is aware of its being bound by and
to collective thinking and fights to achieve its freedom by becoming aware of
hitherto inconceivable possibilities. All artistic creations, no longer prepared to
crave for antiquated forms of feeling and sensation and the enforced adherence
to addictive, self-indulgent consumption, evolve from this self-aware thinking.
Feeling combined with that liberated thinking recognises the destructiveness,
which goes hand in hand with the predilection for the old and traditional. It
is not the old that illuminates the present but the new present gives back to all
that belongs to the past an absolutely indestructible lustre. And if compositional
thinking is resistant to the persecuted outpourings of emotion, which have coalesced out of worn out sensations of the past it will hear the “undreamt of ” and
render it, by virtue of its ability to transform the inner outwards, audible. This
hearing is then aware of itself and will not degenerate again even if allowed to
listen to its longing for the irretrievable. Because of its independence of hearing
models and rituals, it possesses the ability to apprehend the familiar in a new
way and to be open to receive the new.
To what extent these musical-philosophical and sociological maxims
have an impact on “Salut für Caudwell” in a profoundly musical sense – in other words in terms of structure and compositional techniques – is to be
made clear in the following more detailed examination of the compositional
text.
The instructions, set out in tabular form for the two guitarists, on techniques of
34
playing and creating the sound reflect the musical material with which Lachenmann exclusively worked. Just as in “Gran Torso” parts of the material are
worked out in specific sections, in other sections they are joined with other
parts and thereby transformed each time in the new context. Four sections can
be identified: an exposition in which all the technical possibilities and their resulting sounds are introduced (bars 1–211); within this first section the already
quoted text by Caudwell is embedded. The second section (bars 212–360) is a
completion of what one might call an introduction to a climax – in this case
an extreme condensation right up to the “shots of salutation” – and the retreat
from that climax until the accumulated material disintegrates. In the third section (bars 361–434), which in its rhythmic structure reveals certain similarities
to the first section, the technical events are reduced to flamenco articulations,
only then to be concentrated in the last section (bars 435–533 to the end) once
more into complex rhythmic structures which open out by means of sweeping
movements of the fingers and hands on the strings into a tango with which the
work, falling silent, comes to an end.
As is clear from the “Explanations for performance and notation” each of the
two active hands is responsible for its own system so that the upper systems
describe the right hand and the lower systems the left hand and their fields of
activity. Only once in the course of the whole work is this principle suspended
and that is at the beginning of the last section at the point when the bottleneck
is taken by the right hand and the strings are plucked with one end of it (bars
426 ff).
Hans-Peter Jahn
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WILHELM BRUCK, THEODOR ROSS
BERN STRING QUARTET
Wilhelm Bruck (b 1943) and Theodor Ross (b 1947), both of whom studied in
Cologne, have been performing together over four continents since 1969. As
members of the Cologne Ensemble for New Music, they have given the world
premières of several works by Mauricio Kagel, such as Zwei-Mann-Orchester.
As a duo since 1972, they have compiled unconventional programmes under the title Merk-Würdigkeiten für Gitarre(n) etc. [curiosities for guitar, etc.],
replacing the standard repertoire with almost forgotten works they have unearthed – such as Book IV from Silva de Sirenas by Valderrábano (1547) –, their
own arrangements (including works by Erik Satie and Charles Ives), as well as
works written specially for them.
Wilhelm Bruck taught at the Academy of Music in Karlsruhe until 1990; Theodor Ross writes music for radio and theatre plays (acoustic stage design) and
is also a stage director.
Founded in 1971 by the Bern Music Society, the Bern String Quartet – initially with Eva Zurbrügg and Heinrich Forster – soon had a repertoire ranging
from Bach’s Art of Fugue to Heinz Holliger’s String Quartet. They have given
exemplary performances, in close collaboration with contemporary composers
including Witold Lutosławski, Brian Ferneyhough, Helmut Lachenmann, Klaus
Huber and Heinz Holliger. Their recording of Ferneyhough’s 1st String Quartet
was awarded the Grand Prix du Disque Académie Charles Cros. The ensemble
has been invited to participate in many different festivals and distinguished
international events, such as the Lucerne IMF, Biennale di Venezia, Bath Festival, Ulm Concerts, EBU concerts in Geneva, Engadin Festival and Festival
de Royan. Tours in Japan and China, concerts in New York, Washington and
London, together with radio and CD recordings, have gained the Bern String
Quartet an international reputation.
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© 2008 col legno Beteiligungs- und Produktion GmbH
1991 aurophon
Distribution See our website www.col-legno.com
Producer Wulf Weinmann
Recording SWF Baden-Baden (Gran Torso), Feedback-Studio Köln (Salut für Caudwell)
Sound Engineer Helmut Hanusch (Gran Torso), Wolfgang Eller (Salut für Caudwell)
Translations Fa. TransAlps KG
Photography Betty Freeman
Design Concept Circus. Büro für Kommunikation und Gestaltung, Innsbruck, www.circus.at
Typesetting & Layout Circus
col legno bedankt sich herzlich beim SWF Baden-Baden für die Überlassung des Digitalbandes Gran Torso
und beim Verlag Breitkopf & Härtel, Wiesbaden, für die Überlassung des Notenmaterials.
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