BMVF aktuell Spiel nicht mit den Schmuddelkindern

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BMVF aktuell Spiel nicht mit den Schmuddelkindern
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BMVF aktuell
Von Rechtsanwalt Hans-Ludger Sandkühler
Rechtsanwalt Hans-Ludger Sandkühler ist Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes mittelständischer Versicherungs- und Finanzmakler (BMVF) e.V. Für AssCompact greift der Verband monatlich
Themen für Makler auf.
Spiel nicht mit den Schmuddelkindern
Wie bereits in der Kolumne in AssCompact 03/2012 befasst sich Hans-Ludger Sandkühler auch
in dieser Ausgabe mit den Pools – diesmal geht es um Blindpools und was es mit einer auf den
Geschäftsverkehr mit Pools gerichtete Transparenzinitiative eines Versicherungsunternehmens auf
sich hat.
Kürzlich hat ein Versicherungsunternehmen erklärt,
es wolle nicht, dass „Schmuddelvertreter über den
Umweg des Pools zu uns kommen“. Der Liedermacher Franz Josef Degenhardt thematisierte in den
60ern mit seinem Lied „Spiel nicht mit den Schmuddelkindern“ die piefige Spießigkeit der damaligen
bürgerlichen Gesellschaft und plädierte für eine bessere Chancenverteilung und mehr Durchlässigkeit in
den sozialen Schichten. Die Verwendung des abschätzigen Begriffs „Schmuddelkind“ diente dabei als semantisches Symbol für die gesellschaftliche Diskriminierung einzelner Bevölkerungskreise. Nun also
„Schmuddelvertreter“. Was steckt dahinter?
April 2012
Das Phänomen Blindpool
Im Kern geht es dem Versicherungsunternehmen darum, den Geschäftsverkehr mit Pools neu zu ordnen
und auf eine solide Basis zu stellen. Dazu sind Transparenzkriterien entwickelt worden, die dem Versicherungsunternehmen Einblicke in das Geschäftsmodell
der Pools ermöglichen und vor allem gewährleisten
sollen, dass der Versicherer Kenntnis darüber erlangt,
welcher Vermittler den Kunden unmittelbar beraten
und den Versicherungsvertrag ursprünglich vermittelt hat. Dies ist bei einer Vermittlerkette nicht ohne
Weiteres ersichtlich, wenn der Ursprungsvermittler
den Antrag des Kunden an einen anderen Vermittler
zur Dokumentierung und Provisionierung weiterreicht und dieser ausschließlich den Geschäftsverkehr
mit dem Versicherungsunternehmen unterhält. Es
kann also passieren, dass Versicherungsunternehmen
insoweit mit Versicherungsvermittlern zusammenar-
beiten, die ihnen überhaupt nicht bekannt sind. Und
das kann bedeuten, dass ein Versicherungsunternehmen
faktisch mit einem Vermittler zusammenarbeitet, mit
dem es unter Umständen nicht zusammenarbeiten
will oder darf (!). Dies ist das Hauptproblem sogenannter „Blindpools“, bei denen „unten“ – also auf
der Ebene des Abschluss- oder Ursprungsvermittlers
– das Geschäft eingeworfen wird und „oben“ – also
auf der Ebene des Pools – das Geschäft an die Versicherer verteilt wird, ohne dass diese wissen, wer „unten“ das Geschäft eingeworfen hat.
Das Ergebnis ist ausgesprochen unbefriedigend.
Grundsätzlich ist es jedem Versicherungsunternehmen freigestellt, mit welchen Vermittlern es zusammenarbeiten möchte. Das sollte im Maklergeschäft
nicht dazu führen, dass sich der Markt für kleinere
und umsatzschwächere Makler systemisch verkürzt.
Es ist aber nichts dagegen einzuwenden, wenn Versicherungsunternehmen Geschäft von Vermittlern ablehnen, das oder die den Qualitätsanforderungen des
Versicherers nicht entsprechen. Um es noch deutlicher zu sagen: Es ist ausdrücklich zu begrüßen, wenn
Versicherungsunternehmen die Qualität ihrer Vermittler und deren Geschäfte wichtig ist. Und es
spricht überhaupt nichts dagegen, wenn Versicherungsunternehmen den Geschäftsverkehr mit Vermittlern einstellen, die etwa durch zweifelhafte Vertriebsmethoden oder außergewöhnliche Stornoverläufe auffallen. Im Geschäft mit Blindpools kann es
aber passieren, dass ein Versicherer über den Blindpool Geschäft von einem Vermittler hereinbekommt,
mit dem er die direkte Zusammenarbeit zum Beispiel
Aufsichtsrechtliche Aspekte
Und damit nicht genug. Versicherungsunternehmen
laufen Gefahr, Vermittlungsgeschäfte mit Versicherungsvermittlern abzuwickeln, die für ihre Vermittlungstätigkeit keine gewerberechtliche Erlaubnis
(mehr) vorweisen können. Dies erweist sich aufsichtsrechtlich als höchst problematisch. Gemäß § 80
VAG sind Versicherungsunternehmen verpflichtet,
nur mit solchen gewerbsmäßig tätigen Versicherungsvermittlern zusammenzuarbeiten, die im Besitz
einer Erlaubnis nach § 34d Abs. 1 der Gewerbeordnung sind, nach § 34d Abs. 3 der Gewerbeordnung
von der Erlaubnispflicht befreit sind oder nach § 34d
Abs. 4 oder 9 der Gewerbeordnung nicht der Erlaubnispflicht unterliegen. Bei oberflächlicher Betrachtung könnte dies so verstanden werden, dass Versicherungsunternehmen im Geschäftsverkehr mit
Pools nur sicherstellen müssen, dass der Pool selbst
über eine gewerberechtliche Erlaubnis verfügt. Dies
wird aber den gesetzlichen Anforderungen nicht gerecht. In der Gesetzesbegründung zu § 80 VAG wird
ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Versicherer damit verpflichtet werden sollen, in regelmäßigen Abständen die gewerberechtliche Erlaubnis zu prüfen,
und (!) dass die Erfüllung dieser Prüfpflicht voraussetzt, dass dem Versicherungsunternehmen der jeweilige Vermittler auch namentlich benannt wird. Pools
sind dort nicht ausdrücklich erwähnt. Das gesetzgeberische Ziel ist dennoch klar und deutlich: Die gewerberechtlichen Pflichten der Versicherungsvermittler (Erlaubnispflicht, Registerpflicht, Erstinformationspflicht mit Registernummer) sollen dem Versicherungsnehmer ermöglichen, sich vor dem eigentlichen Beratungs- und Vermittlungsgespräch informieren und prüfen zu können, ob und wie der Vermittler zugelassen ist. Wenn es dem Gesetzgeber darauf ankommt, dass dem Versicherer bei der Erfüllung seiner Prüfpflicht nach § 80 VAG die Namen
der Vermittler namentlich benannt werden, kann das
im Zusammenwirken mit den gewerberechtlichen
Vorschriften nur so verstanden werden, dass im Poolgeschäft dem Versicherer – auch – die Namen der
Vermittler benannt werden müssen, die den Kunden
im direkten Kontakt beraten.
Die BaFin erklärt in ihrem Rundschreiben 9/2007
zur Anwendung des § 80 VAG, dass es bei gestuften
Vermittlungsverhältnissen erforderlich sei, dass die
Versicherungsunternehmen die Zusammenarbeit
mit Versicherungsvermittlern, die mit Untervermittlern arbeiten, davon abhängig machen, dass die
Gesellschaften sich gegenüber den Versicherungsunternehmen verpflichten, nur mit Untervermittlern
zusammenzuarbeiten, die den Anforderungen des
neuen Vermittlergesetzes genügen. Außerdem hält es
die BaFin für erforderlich, dass die Versicherungsunternehmen auch während der Zusammenarbeit mit
derartigen Gesellschaften in regelmäßigen Abständen überprüfen, ob die Gesellschaften die übernommenen Verpflichtungen einhalten. Die Prüfpflicht
wird also zum Teil delegiert. Die Überprüfung und
die Verantwortung bleiben damit beim Versicherer.
Das Verfahren im Umgang mit Pools wird weder im
Gesetz noch im Rundschreiben der BaFin ausdrücklich geregelt. Hier wird der Umstand wichtig, dass
Pools in der Regel selbst als Versicherungsvermittler
registriert sind. Insoweit gelten die BaFin-Anweisungen auch für Pools. Bei Maklerpools könnte eingewandt werden, dass die dem Pool angeschlossenen
Makler nicht als Untervermittler, sondern als Kooperationspartner angesehen werden müssen: Dann
gelten die Anweisungen sinngemäß. Damit ist festzuhalten, dass sich Versicherungsunternehmen im
Geschäftsverkehr mit Pools zumindest in regelmäßigen Abständen davon überzeugen müssen, ob die
Ursprungsvermittler den gesetzlichen Voraussetzungen genügen. Dazu ist erforderlich, dass dem Versicherer die Namen der Ursprungsvermittler bekannt
gegeben werden.
Leider lässt das BaFin-Rundschreiben die Frage
offen, ob Pools die Namen der angeschlossenen Vermittler generell und vollständig oder nur im Rahmen einer Prüfung und dort auch nur im Umfang
einer Stichprobe nennen müssen. Wegen der mit
dem Gesetz verfolgten Zweckbestimmung ist im hier
verstandenen Sinne nur eine generelle und komplette Lieferung geeignet, dem Versicherungsunternehmen seine gesetzliche Prüfpflicht zu ermöglichen.
Dem Versicherer muss es möglich sein, seine Prüfpflicht auf alle (!) Ursprungsvermittler zu erstrecken
und nicht nur auf eine vorselektierte „Positivliste“.
Konsequenzen und Fazit
Es geht nicht um Diskriminierung. Vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussionen über Selbstverständnis und Kultur in der Versicherungsvermittlung
ist die auf den Geschäftsverkehr mit Pools gerichtete
Transparenzinitiative des Versicherungsunternehmens
vielmehr ausdrücklich zu begrüßen. Sie vermeidet
„trickige“ Diskussionen über das Ausmaß der gemäß
§ 80 VAG zu erfolgenden Prüfung und gewährleistet,
dass im Geschäftsverkehr mit Pools die Vermittler außen vor bleiben, die die Branche nicht braucht. Ein
deutliches Signal in Richtung Qualitätsverbesserung.
Besonders erfreulich ist der Umstand, dass ein Versicherungsunternehmen nicht austestet, wo die Grenzen der Minimalerfüllung einer Anforderung zu finden sind, sondern eigene Maßstäbe setzt. Seriöse und
qualitätsorientierte Makler und Pools werden die
Initiative positiv verfolgen und unterstützen. Und weitere Versicherer werden folgen. Ein guter Tag.
W
April 2012
wegen der Stornoauffälligkeiten längst beendet hat.
Mit dem Phänomen Blindpool kann also jegliches
Bemühen eines Versicherers um Qualität unterlaufen
werden.
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