Mitglieder-Info 1/2011 - Verband katholischer
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Mitglieder-Info 1/2011 - Verband katholischer
Heft 1 Juli 2011 Seite Editorial3 Schwerpunkt: Von der Integration zur Inklusion eigentlich selbstverständlich Landes-Caritasdirektor Prälat Karl-Heinz Zerrle 4 Inklusion – mal mit der „christlichen Brille“ betrachtet Prof. Dr. Matthias Hugoth 5 Mehr als nur ein Trend. Ethische und rechtliche Begründung der Inklusion Prof. Dr. Arnold Köpcke-Duttler Über den Schatten springen. Inklusive Organisationsentwicklung und inklusive Didaktik in Kindertageseinrichtungen Prof. Dr. Helga Schneider Gedanken zu einer „Pädagogik der Inklusion“ und zur menschlichen Würde Prof. Dr. Arnold Köpcke-Duttler 17 24 32 Aus Ministerien und Politik Novellierung des BayKiBiG – Wie es jetzt weitergeht 35 Online-gestütztes Abrechnungsverfahren 36 Aus Kirche und Caritas Monsignore Bernhard Piendl wird neuer Landescaritasdirektor 39 Meldungen40 Aus dem Fachverband Stellungnahme zur Novellierung des BayKiBiG 41 Herzlich willkommen im Verband! Neue Mitglieder 44 Überarbeitet und neu: Bildungs- und Betreuungsvertrag, KiTa-Ordnung & Co. 45 Für Sie notiert 47 B 53180 (HRSG.): (HRSG.): (HRSG.): Impressum (HRSG.): Mitglieder-Info, 31. Jahrgang, Heft 1 „MITGLIEDERINFO“ 30.1434-8918 JAHRGANG, ISSN ISSN 1434-8918 HEFT 3 „MITGLIEDERINFO“ „MITGLIEDERINFO“ „MITGLIEDERINFO“ 30. HEFT 30.JAHRGANG, JAHRGANG, HEFT3 3HEFT 3 30. JAHRGANG, ISSN ISSN1434-8918 1434-8918 ISSN 1434-8918 © Bayerischer Landesverband katholischer Tageseinrichtungen für Kinder e.V., 2011 Herausgeber: Bayerischer Landesverband katholischer Tageseinrichtungen für Kinder e.V. Maistraße 5 80337 München Tel. 089/5307 25 – 0 Fax 089/5307 25 – 25 [email protected] www.blv-kita.de 1. Vorsitzender: Prälat Karl-Heinz Zerrle, Landescaritasdirektor Geschäftsführung: Gabriele Stengel Redaktion: Dr. Susanne Körber (Redaktionsleitung) Gabriele Stengel, Pia Theresia Franke, Martha Eber, Elisabeth Minzl 1.1.VORSITZENDER: PRÄLAT ZERRLE, LA VORSITZENDER: PRÄLATKARL-HEINZ KARL-HEINZ ZERRLE,ZE L 1. VORSITZENDER: PRÄLAT KARL-HEINZ EINZ ARL-HEINZ ZERRLE, 1. ZERRLE, VORSITZENDER: LANDES-CARITASDIREKTOR LANDES-CARITASDIREKTOR PRÄLAT KARL-HEINZ ZERRLE, LANDES-CARITASDIREKTOR GESCHÄFTSFÜHRUNG: STENGEL (STE) GESCHÄFTSFÜHRUNG: GABRIELE STENGEL (STE) (ST GESCHÄFTSFÜHRUNG: GABRIELE GABRIELE STENGEL Gestaltung: Geiselberger Mediengesellschaft mbH, Altötting GEL STENGEL (STE)GESCHÄFTSFÜHRUNG: (STE) GABRIELE STENGEL (STE) REDAKTION &&LAYOUT: FRANKE REDAKTION LAYOUT: PIATHERESIA THERESIA FRANKEFRANKE REDAKTION & LAYOUT: PIA PIA THERESIA ESIA RANKE FRANKE REDAKTION & LAYOUT: PIA THERESIA FRANKE Druck: Gebr. 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DIESE STELLE SIND NAMENTLICH GEKENNZEICHNET. DIESEBEITRÄGE BEITRÄGE STELL BEITRÄGE ANDERER AUTOR/INNEN SIND NAMENTLICH GEKENNZEICHNET. DIESE BEITRÄGE Preis:Mitglieder des Bayerischen Landesverbandes katholischer Tageseinrichtungen SICHT VON HERAUSGEBER ODER REDAKTION DAR, SONDERN DIE SICHT HERAUSGEBER ODER REDAKTION DAR,DIE SONDERN D EITRÄGE SE BEITRÄGE STELLEN SIND NAMENTLICH STELLEN NICHT UNBEDINGT GEKENNZEICHNET. UNBEDINGT ANDIE DIESE AN-VON BEITRÄGE STELLEN NICHT AN- SON SICHT VON HERAUSGEBER ODER DAR, fürNICHT Kinder e.V. undDIE die ihnen angeschlossenen Einrichtungen erhalten je UNBEDINGT ein REDAKTION AUTORS. AUTORS. ON R, SONDERN DAR, SONDERN SICHT DIE VON PERSÖNLICHE DIE HERAUSGEBER PERSÖNLICHE MEINUNG ODER MEINUNG DES REDAKTION DES DAR, DIE PERSÖNLICHE MEINUNG DES AUTORS. Exemplar des Heftes kostenfrei zugesandt. Es SONDERN ist im Mitgliedsbeitrag enthalten. AUTORS. Für Nicht-Mitglieder bzw. beim Bezug weiterer Exemplare beträgt der Preis je BESTELLADRESSE: BAYERISCHER LANDESVERBAND BESTELLADRESSE: BAYERISCHER LANDESVERBAN BESTELLADRESSE: BAYERISCHER LANDESV Heft 5,00 Euro zzgl. Versandkosten. FÜR KINDER FÜR KINDER E.V.,V., E. V., ANDESVERBAND HER LANDESVERBAND BESTELLADRESSE: KATH. TAGESEINRICHTUNGEN KATH. TAGESEINRICHTUNGEN BAYERISCHER LANDESVERBAND KATH. TAGESEINRICHTUNGEN FÜRE. KINDER der oben angegebenen Anschrift 80337 des MAISTRAßE 5,5 80337MÜNCHEN, MÜNCHEN, MAISTRAßE V., ER E. V.,Bitte bestellen Sie die Hefte FÜRunter KINDER E. V., 80337 MÜNCHEN, MAIST TEL. FAX TEL.089/530725-0, 089/530725-0, FAX089/530725 089/53072 NCHEN, , MAISTRAßE MAISTRAßE 5, 5, Herausgebers. 80337 MÜNCHEN, MAISTRAßE 5, TEL. 089/530725-0, FAX 08 0, 30725-0, FAX 089/530725-25, FAX 089/530725-25, [email protected] [email protected] TEL. 089/530725-0, FAX 089/530725-25, [email protected] BEZUGSPREIS: 5,00 JEJEEURO HEFT BEZUGSPREIS: 5,00EURO EURO HEFTZUZÜGL. ZUZÜGL. PO BEZUGSPREIS: 5,00 JE HEFT POR ZUZÜ Abonnement: Sie können die Mitglieder-Info zum Preis von 22,00 Euro pro Jahr (inkl. FÜR IMIMM FÜRVERBANDSMITGLIEDER VERBANDSMITGLIEDER FT JEZUZÜGL. HEFT ZUZÜGL. BEZUGSPREIS: PORTO, PORTO, 5,00 EURO JE HEFT ZUZÜGL. PORTO, FÜR VERBANDSMITGLIE Versand) abonnieren. MITGLIEDER ANDSMITGLIEDER IM MITGLIEDSBEITRAG IM MITGLIEDSBEITRAG ENTHALTEN! ENTHALTEN! FÜR VERBANDSMITGLIEDER IM MITGLIEDSBEITRAG ENTHALTEN! ABONNEMENT: 22,/JAHR INCL. VERSAND ABONNEMENT: 22,-EURO EURO /JAHR INCL. VERSAN ABONNEMENT: 22,EURO /JAHR INCL. V /JAHR INCL. VERSAND INCL. ABONNEMENT: VERSAND 22,- EURO /JAHR INCL. VERSAND Editorial Sehr geehrte Mitglieder, es gibt Zeiten, in denen uns unser Tun und Handeln angesichts der Wucht des Weltgeschehens klein und unbedeutend erscheint. Diese MitgliederInfo entstand im Eindruck des unermesslichen Leids, das die Katastrophe über die Menschen in Japan gebracht hat, und das uns die Brüchigkeit auch unserer eigenen Existenz wieder einmal vor Augen führt. „Mitten im Leben sind wir vom Tod umfangen“, heißt es in einem alten Kirchenlied. Was zählt da wirklich im Leben? Nehmen sich angesichts dieser Tragödie die aktuellen Themen, die uns in unserem Arbeitsfeld beschäftigen, nicht wie das privilegierte „Klein-Klein“ einer Wohlstandsgesellschaft aus? Nein, meinen wir als katholischer Landesverband, im Gegenteil. So nachdenklich uns die Katastrophe macht, so unvergleichlich das Elend in Japan einerseits und die Mängel in der hiesigen Kita-Landschaft und die Folgen einer sich entsolidarisierenden Gesellschaft andrerseits sind: Beiden gilt es Achtsamkeit entgegenzusetzen, waches Hinsehen, Mitfühlen und Handeln. So bringen wir sie wieder, die Themen, an denen wir mit Ihnen, unseren Mitgliedern und ihrem Fachpersonal in den Einrichtungen, im Interesse von Kindern und Eltern täglich arbeiten. Im Mittelpunkt dieser Ausgabe stehen die Frage der Inklusion und die Novellierung des Bayerischen Bildungs- und Betreuungsgesetzes (BayKiBiG). Mit großer Einigkeit hat der katholische Bereich in Bayern eine Stellungnahme zur Novellierung des BayKiBiG verabschiedet. Die bayerischen Bischöfe haben sie in der Freisinger Bischofskonferenz Ende März zustimmend zur Kenntnis genommen und damit deutlich gemacht, welchen Stellenwert sie der Gesetzesnovellierung beimessen. Zu den zentralen Forderungen des Katholischen Bereichs gehören u. a. die Erhöhung des Basiswertes und eine Verbesserung der Situation im ländlichen Raum. Lesen Sie die gesamte Stellungnahme auf Seite 41ff. Mit dieser Position sind wir gut gewappnet für die bevorstehenden fachpolitischen Verhandlungen, über die wir Sie auf dem Laufenden halten werden. Eine erste Information zur Zeitschiene bis zum Inkrafttreten des Gesetzes entnehmen Sie bitte der Antwort des Sozialministeriums auf unsere Anfrage dazu (Seite 41ff.). mit diesem Thema auseinander und widmen ihm in diesem Heft den Schwerpunkt. Wir freuen uns, dass wir Ihnen ab Seite 5 die Fachbeiträge von Prof. Dr. Matthias Hugoth, Prof. Dr. Helga Schneider und Prof. Dr. Arnold Köpcke-Duttler zur Verfügung stellen können. Auch innerhalb unseres Verbandes stehen Veränderungen an: Es gibt immer mehr neue Organisationsformen, in denen sich Träger zusammenschließen, zugleich verändern viele Einrichtungen ihre Angebotsstruktur. Darauf reagiert der Verband und unterzieht sein (Leistungs-)Profil einer Prüfung. In Vorbereitung sind ein nicht nur optischer Neuauftritt ebenso wie eine Anpassung der Satzung. Die Neugestaltung der Beitragsordnung haben die Mitglieder bereits in der Mitgliederversammlung am 18. Mai 2011 beschlossen. Im fachlichen Teil dieser Versammlung haben Dr. Werner Gatzweiler (KTK) und Prof. Dr. Isidor Baumgartner (Universität Passau) zudem über das gemeinsame Projekt von KTK und Landesverband „Katholische Kindertageseinrichtungen in pastoralen Räumen“ referiert. Die ausführliche Dokumentation dieser Mitgliederversammlung mit allen Vorträgen und Beschlüssen stellen wir in der nächsten Mitglieder-Info für Sie zusammen. Ein bewegtes Jahr liegt vor uns als Verband, als Träger und Mitarbeitende in den Einrichtungen; gesetzliche Veränderungen stehen bevor, vielerorts auch strukturelle, komplexe Neuerungen. Glücklicherweise treffen sie uns nicht unvorbereitet, sie sind angekündigt und wir können einen gewissen Einfluss auf sie nehmen. Dafür wünsche ich Ihnen und uns die nötige Kraft und Achtsamkeit! Ihre Gabriele Stengel Geschäftsführerin Die UN-Konvention für die Rechte von Menschen mit Behinderung hat einen Stein ins Rollen gebracht und das Thema Inklusion befördert.Auch wir setzen uns Mitglieder-Info • Ausgabe 1/2011 • Seite 3 Landes-Caritasdirektor Prälat Karl-Heinz Zerrle eigentlich selbstverständlich Inklusion – Herausforderung für katholische Kindertageseinrichtungen Inklusion: Dieser Begriff begegnet uns in letzter Zeit immer häufiger, und inzwischen führen ihn nicht mehr nur Wissenschaftler und Politiker im Mund, sondern er ist auch bei den Fachleuten in der Praxis angekommen. Fast scheint es zum guten sozialen Ton zu gehören, sich dieses Wort auf die Fahnen zu schreiben. Aber was bedeutet diese schöne Idee, dass alle dazugehören und sich auch zugehörig fühlen, konkret? Und warum setzt sich ein katholischer Landesverband mit dieser Idee auseinander? Inklusion: Für uns als katholischen Fachverband, als Mitarbeitende bei katholischen Trägern und deren Einrichtungen ist diese Idee eigentlich selbstverständlich. Wir alle sind Kinder Gottes und von ihm bedingungslos geliebt mit unserem ganzen Wesen, mit unseren Talenten und Neigungen, unseren Schwächen und Stärken. Diese Liebe weiterzugeben und zu leben ist unsere Aufgabe als Christen. Nach unserem Glauben gehören alle dazu, soll jeder teilhaben an der Gemeinschaft und am Geschehen, darf keiner ausgeschlossen werden, weil er oder sie nicht ins Raster passt, zu langsam oder zu schräg, zu schwach oder schnell, anstrengend oder irgendwie schwierig ist. Eigentlich. Doch auch katholische Träger und Einrichtungen stoßen an Grenzen, sind an Rahmenbedingungen und Strukturen gebunden, die die Umsetzung von Inklusion mindestens erschweren. Und auch die interne Diskussion über die konkreten Auswirkungen in der Praxis ist noch nicht abschließend geführt. Begeisterung und Aufbruchswille stehen Skepsis und Zurückhaltung gegenüber. Mitglieder-Info • Ausgabe 1/2011 • Seite 4 Ist Inklusion nicht doch nur ein Argument für Sparmodelle auf dem Rücken von benachteiligten Menschen, und wie lässt sich genau dies verhindern? Wird die hoch spezialisierte Förderung, Bildung und Betreuung von Kindern mit Behinderung oder mit besonderem Förderbedarf gewährleistet bleiben oder drohen da wertvolle Errungenschaften verloren zu gehen? Braucht es für Inklusion nicht mehr Personal, weitaus bessere Betreuungsschlüssel, multiprofessionelle Teams, andere Verwaltungsstrukturen und nicht zuletzt: mehr Geld? Hier sind wir gefordert als katholischer Fachverband, öffentlich Stellung zu beziehen für eine Gesellschaft, an der alle teilhaben können, und Akzente in der Diskussion um die Verwirklichung von Inklusion zu setzen. Hier sind wir gefordert, gemeinsam mit den Trägern und ihrem Fachpersonal in den Einrichtungen die konkreten Bedürfnisse für die Praxis zu sammeln und an Verantwortungsträger und in die Öffentlichkeit weiterzutragen. Denn Inklusion braucht ein Umdenken in der gesamten Gesellschaft. Die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung und ihre Ratifizierung durch die Bundesregierung hat dieses Umdenken in Gang gesetzt. Dennoch beobachten wir Tendenzen der sozialen Exklusion, des Ausschlusses von Teilhabe, durch Armut, soziale Ausgrenzung und Bildungsungerechtigkeit. Wenn es Kinder schon von klein an als selbstverständlich erleben, dass es normal ist, verschieden zu sein und trotzdem dazuzugehören, besteht die Chance, dass sie die Idee der Inklusion auch als Erwachsene leben und die Gesellschaft entsprechend gestalten. Hier liegt eine große Chance, aber auch Verantwortung und Herausforderung gerade für katholische Kindertageseinrichtungen und den katholischen Landes verband. Damit Inklusion nicht nur eigentlich selbstverständlich ist, sondern selbstverständlich wird. Schwerpunkt: Von der Integration zur Inklusion Matthias Hugoth Inklusion – mal mit der „christlichen Brille“ betrachtet Wenn in einer Publikation eines katholischen Landesverbandes ein Fachthema „aus christlicher Sicht“ bedacht wird, dann löst das gewöhnlich bei vielen Leserinnen und Lesern Gedanken aus wie „Jetzt kommt das Sahnehäubchen – darf ja nicht fehlen“, oder „Jetzt wird’s fromm“ oder aber: „Mal sehen, könnte ja inte ressant sein“. Die folgenden theologisch-ethischen Ausführungen sind weder „fromm“ noch dem Gedanken geschuldet, dass es sich für den Info-Service eines katholischen Verbandes gehört, auch etwas „aus christlicher Sicht“ zu bringen. Es geht vielmehr um Anhaltspunkte für die Erstellung einer Referenztheorie für eine inklusive Praxis in Kindertageseinrichtungen. Notwendig: Eine Referenztheorie – wissen, warum man etwas tut und mit welchem Anspruch Referenztheorien sind verbindliche Bezugstheorien, deren Bedeutungen sich auf drei zentrale Funktionen zusammenfassen lassen: 1. Sie stellen eine normative Bezugsgröße dar, aus der maßgebende und verbindliche Konsequenzen abgeleitet werden. 2. Sie bieten denjenigen, die sie als maßgebend anerkennen, Orientierung und geben die Richtung für Planen und Handeln vor. 3. Sie bieten eine Basis, auf der sich eine Gruppe von Menschen über das verständigen kann, was sie tun wollen und mit welchem Verpflichtungsgrad; sie haben also eine Konsens stiftende Funktion. „Referenztheorie“ im Bereich Erziehung und Bildung meint vor allem eine Theorie, von der die Gründe und Verbindlichkeiten für ein bestimmtes pädagogisches Handeln von Einzelnen und von Gruppen abgeleitet werden. Eine Referenztheorie stellt also in erster Linie eine normative Bezugsgröße dar, die Anhaltspunkte für die Beantwortung der Frage bietet: Warum soll überhaupt – in unserem Beispiel – Inklusionspädagogik praktiziert werden? Mit welchem Anspruch an die Einstellungen und Haltungen, die Kompetenzen und das konkrete Verhalten und Handeln der pädagogischen Fachkräfte soll sie erfolgen? Und welche Verpflichtun- gen resultieren aus einer solchen Pädagogik für den Kita-Träger? Derartige von der Referenztheorie abgeleitete Verpflichtungen bieten den Beteiligten – dies ist eine weitere Funktion – Orientierung und können – drittens – Sicherheit für die anstehenden Entscheidungen und Maßnahmen geben; die Referenztheorie bietet – viertens – eine Grundlage für eine Verständigung auf gemeinsame Interessen und Ziele. Ohne eine solche Referenztheorie würde es so laufen, wie es meistens im Kitabereich geschieht, wenn pä dagogische Ansätze in der Praxis umgesetzt werden sollen: Unser pädagogischer Ansatz scheint schlüssig und sinnvoll, nach ihm zu verfahren ist gut für das Kind, und wir können darauf verweisen, dass wir nach einem schlüssigen Konzept arbeiten. So zu denken und zu handeln reicht in der Regel aus, um den Arbeitsalltag gut zu meistern. Es reicht allerdings dann nicht aus, wenn es einmal „eng“ wird – wenn die personellen, finanziellen und andere wichtigen Ressourcen fehlen oder wenn in der Einrichtung so viel parallel läuft, dass man sich mit einer Sache nicht mehr in dem Maß beschäftigen kann, wie es von ihrem Anspruch her erforderlich ist; dann wird „runtergefahren“ und nur mit geteilter Energie und Intensität die Sache umgesetzt. So wird dann etwa der Anspruch, inklusivpädagogisch zu arbeiten, häufig auf einige integrative Maßnahmen im Alltagshandeln reduziert und er ist in seiner Begründung und Tragweite schließlich nicht mehr bewusst. Das kann dann die ursprüngliche Prägekraft des Anspruchs schwächen und zu Verdünnungen im pädagogischen Profil führen. Um eben diesen Anspruch geht es nun, wenn Inklusion „durch die christliche Brille“ betrachtet wird. Ausgangspunkt: Verständigung auf einen Inklusionsbegriff Im Kitabereich war bisher der Begriff der Integration geläufig. Er meinte im Grunde nichts anderes, als dass auch Kinder mit Migrationshintergrund und solche mit besonderen Beeinträchtigungen in einen Kindergarten aufgenommen wurden – vielfach nach dem Motto: „Dabeisein ist alles.“ Mitglieder-Info • Ausgabe 1/2011 • Seite 5 Schwerpunkt: Von der Integration zur Inklusion Dagegen geht Inklusion davon aus, dass Dabeisein nicht alles ist. Inklusion handelt über die Integration „hinaus von der Qualität der Arbeit, die in der integrierten Einrichtung geleistet wird. Sie soll so betrieben werden, dass alle, auch Kinder mit einer Funktionsbeeinträchtigung, die Inhalte und Aktivitäten gemeinsam erleben und Nutzen daraus ziehen können“ (Haug 2011, S. 37). Noch radikaler in der Sprache der Soziologie formuliert: „Inklusion bezeichnet die Art und Weise, wie Kommunikation auf Menschen zugreift, d. h. wie die Gesellschaft, ihre Teilsysteme [z. B. Bildung, M. H.] und deren Organisationen [z. B. Kitas, M. H.] wie auch Interaktionen Menschen als Personen thematisieren, in Anspruch nehmen, ansprechbar machen und anschlussfähig halten“ (Bardmann 2011, S. 57). Inklusion auf der Sachebene meint: Ein Konzept, dessen Strategien und Methoden den uneingeschränkten Zugang aller Kinder zu den Lebens- und Lernprozessen einer Einrichtung ermöglichen und garantieren. Dieses Konzept zielt also auf 1. eine Analyse der Faktoren, die Ausgrenzungen bewirken können; 2. auf eine Beseitigung dieser Faktoren; 3. auf eine offene, vorurteilsbewusste und dann möglichst vorbehaltsfreie Haltung, ein integrierendes Denken, Interagieren und Handeln; 4. auf eine Organisation der pädagogischen Prozesse und der Lebensgestaltung in der Kita, die Ausschließungsmechanismen und -prozesse soweit wie möglich verhindert. Diese Ziele gehen über das bisher weitgehend vorherrschende enge Verständnis von Inklusion hinaus, nach dem Kinder mit einem besonderen Förderbedarf in Regeleinrichtungen aufgenommen und in möglichst vielen Bereichen integriert werden sollen – was konkret darauf hinausläuft, dass pädagogische Probleme als Folge von Beeinträchtigungen oder Defiziten von Kindern gesehen und bearbeitet werden („spezial needs education“), ohne dass dabei gefragt wird, ob diese Probleme (auch) auf die zugrundegelegten Bildungskonzepte und Lernansätze zurückgeführt werden müssen. Inklusion als programmatischer Begriff für Kindertageseinrichtungen meint: 1. Diesen herkömmlichen problemorientierten Blick (wir müssen die Probleme pädagogisch bearbeiten, die durch die Aufnahme von Kindern mit Behinderung oder einer anderen erheblichen AndersMitglieder-Info • Ausgabe 1/2011 • Seite 6 artigkeit entstehen) durch einen Blick ersetzen, der die Kita als eine Einrichtung sieht, in der alle Kinder zu ihrem Recht kommen sollen. 2. Ausgrenzung verhindern, indem dafür gesorgt wird, dass alle Kinder an den Lebens- und Lernvollzügen teilhaben und diese mitgestalten können. 3. Das Bemühen, allen Kindern Recht zu verschaffen und sie teilhaben und mitgestalten zu lassen – was bedeutet: Die Kinder mit ihren jeweiligen Eigenarten, Möglichkeiten, Fähigkeiten und Potenzialen und mit ihren Grenzen zu sehen und Bedingungen zu schaffen, dass die Kinder in den Alltagsvollzügen der Kita zur Geltung kommen. Das alles läuft auf eine Egalisierung hinaus, also auf eine Verhältnisbestimmung der Kinder zueinander, die allen die gleichen Teilhaberechte und jedem individuelle Chancen zugesteht und somit ein vorhandenes Gefälle zwischen den Kindern aufgrund unterschiedlicher Ausstattungen und Fähigkeiten nicht zu Ungunsten der vermeintlich Schwächeren zum Tragen kommen lässt. Eine solche Egalisierung meint keine naive Gleichmacherei durch ein Überspielen von Unterschieden in der körperlichen, geistigen und psychischen Verfassung der Kinder; es meint vielmehr ein Konzept, bei dem die besonderen Handicaps einzelner Kinder nicht als spezifische Probleme gesehen werden, auf die es Rücksicht zu nehmen gilt. Es meint ein fantasievolles Lebens- und Lernsetting, bei dem jedes Kind auf seine Weise zum Zuge kommt. Warum Inklusion und wie? „Inklusion“ ist ein so genannter Containerbegriff. Er beinhaltet Absichten, Ziele, Konzepte, Einstellungen und Haltungen sowie konkrete pädagogische Maßnahmen – alles mit dem generellen Ziel, jedes Kind möglichst gleichermaßen an den Lebens- und Lernprozessen beispielweise einer Kita teilhaben zu lassem, jedenfalls alle exkludierenden Elemente soweit wie möglich zu beseitigen. Dabei berührt der Inklusionsbegriff sowohl die weltanschaulich-ethische Ausrichtung einer Kita, also das geltende Bild vom Kind und die handlungsleitenden Werte und Normen; er berührt Empfindungen, Sympathien und Antipathien; er umfasst das Denken, Sprechen, Interagieren von Erzieherinnen, Eltern und Kindern; er berührt schließlich die organisatorische und pädagogische Praxis einer Einrichtung. Alle diese Dimensionen müssen mitbedacht werden, wenn sich eine Einrichtung für eine Inklusion mit allen Konsequenzen entscheidet. Schwerpunkt: Von der Integration zur Inklusion Prüfsteine für eine Inklusion aus christlicher Perspektive Für eine Inklusion aus christlicher Perspektive können, bezogen auf diese Aspekte, folgende Prüfsteine Anhaltspunkte bieten (jeder für sich kann als Gegenstand einer persönlichen Vergewisserung und einer im Kita-Team durchgeführten Diskussion und Verständigung gelesen werden): Erster Prüfstein: Das Bild vom Kind Sehen wir Kinder mit Behinderung oder einem anderen „Handicap“ (z. B. Armut, Migrationshintergrund) als Problemfälle, also als Menschen, die einen erhöhtem Förderbedarf haben und demnach Probleme bereiten? Oder sind solche Probleme nicht (auch) darauf zurück zu führen, dass unsere Konzepte nicht auf diese Kinder abgestimmt sind, weil sie sich in der Regel auf das „kompetente“, lernwillige, relativ unproblematische Kind, beziehen – wogegen die andersartigen Kinder, vor allem die mit einer Behinderung, einfach abfallen? Auch wenn die Einstellungen und Verhaltensweisen der Erzieherinnen augenscheinlich von Wohlwollen, Offenheit und einer besonderen Sensibilität den betroffenen Kindern gegenüber bestimmt sind – allein schon dadurch, dass sie „die einen“ und „die anderen“ Kinder gegenüberstellen, kann es ungewollt zu Diskriminierungen kommen. „Aus christlicher Sicht“ heißt beim Prüfstein „Das Bild vom Kind“: Wir überprüfen, welches Bild vom Kind reklamieren wir. Wir überprüfen, ob dieses nicht unter der Hand von Idealvorstellungen vom Kind ausgeht, das bereits so viele Anlagen, Begabungen, Interessen, Fähigkeiten, Kompetenzen mitbringt – auch für den Bereich „Werte und Religion“ –, dass man nur die richtigen Motivations-, Begleitungs- und Förderungstechniken anwenden muss? Und dieser Prüfstein bedeutet: Ernst machen mit dem christlichen Bild vom Menschen, das dessen Wert und Bedeutung nicht an körperlicher und psychischer Gesundheit und Stärke festmacht und das nicht zulässt, für das Engagement und pädagogische Handeln die Kategorien des „sich Lohnens“ und des vorzeigbaren Erfolgs zu veranschlagen. Das christliche Bild vom Kind ist stets integrativ, nicht exkludierend, damit aber auch anspruchsvoll. Noch stärker ausgedrückt: Das christliche Bild vom Menschen anerkennt die von Gott als Schöpfer und Menschenfreund abgeleitete Dignität (Würde und Ansehen) jedes Kindes, die vom Menschen nicht „angetastet“ werden darf, indem er etwa Kinder mit einem besonderen Handicap als Objekte von besonderen Fördermaßnahmen definiert und nicht als Menschen mit spezifischen Dispositionen, bei denen man an dem ansetzen muss, was sie mitbringen – wie man es bei allen anderen Kindern auch tut. Zweiter Prüfstein: Ethische Entscheidungen Aus dem Bild vom Kind resultieren Vorgaben für ethische Entscheidungen. Zu diesen gehört eine Entscheidung für Gerechtigkeit, die bei der Anerkennung dessen ansetzt, was einem Kind zusteht (Anerkennungsethik). „Gerechtigkeit [als gleiches Recht für alle, M. H.] ist eine allgemeine moralische Norm, aber das Individuum verlangt auch nach Anerkennung seiner Besonderheit. Individuelle Anerkennung ist Ermöglichung von Behütung und Befreiung, ist Achtung von Zugehörigkeit und Absonderung. … Der Kern der Gerechtigkeit ist … der Anspruch auf unbedingte Anerkennung des Einzelnen in seinem So-Sein, unabhängig von seinem Beitrag für die Gesellschaft“ (Schmid Noerr 2011, S. 75). Pädagogische Arbeit, die sich einer solchen Anerkennungsethik verpflichtet weiß, wird dies auf folgenden Ebenen zeigen: 1. Auf der Ebene der emotionalen Zuwendung zu dem Kind, die weder eine Überproblematisierung seiner Situation noch eine Überbehütung zulässt, sondern auf Zuwendung, Stärkung und auch auf angemessene Anforderungen, auf „Zu-Mutungen“ zielt. 2. Auf der Ebene der „objektiven“ Achtung und Anerkennung, die darauf abzielt, dass den Kindern Recht geschaffen wird und sie auch in die Bemühungen eingebunden werden, dass sie zu ihrem Recht kommen (s. unten „Dritter Prüfstein: Kinderrechte“). 3. Auf der Ebene der sozialen Wertschätzung, die darauf abzielt, dass im Lebens- und Lernraum Kindertageseinrichtung ein Miteinander praktiziert wird, das von Teilhabe, gegenseitiger Unterstützung und Solidarität bestimmt wird. Die ferner darauf abzielt, dass die Einrichtung ihre Inklusionsgerechtigkeit und -praxis demonstriert durch eine konsequente Aufnahme- und Unterstützungsbereitschaft für alle Kinder; dass die Einrichtung sich ferner dafür stark macht, dass möglichst wenig Kinder mit besonderem Förderbedarf in Sondereinrichtungen betreut werden, weil durch eine Absonderung der betroffenen Kinder von den Regeleinrichtungen diese KinMitglieder-Info • Ausgabe 1/2011 • Seite 7 Schwerpunkt: Von der Integration zur Inklusion der erst als behindert wahrgenommen, eingestuft und statusmäßig festgelegt werden. Eine auf der Basis der Anerkennungsethik inklusionspädagogisch arbeitende Kindertageseinrichtung wendet sich klar gegen eine Absonderungspraxis, die Behinderung oft erst produziert. Das bedeutet auch, dass die unterschiedlichen Entwicklungsniveaus zwischen den Kindern nicht in einer Leistungsasymmetrie verfestigt werden; stattdessen schaffen die pädagogischen Fachkräfte Möglichkeiten, in denen die Kinder partiell symmetrische Beziehungen eingehen können, sich also „auf Augenhöhe“ begegnen und etwas miteinander unternehmen, zu dessen Gelingen alle auf ihre Weise etwas beitragen können. Neben der Anerkennungsethik kann auch eine advokatorische Ethik zur Geltung kommen (vgl. Brumlik 2004). Sie zielt darauf ab, dass sich die pädagogischen Fachkräfte bei gemeinsamen Lernprozessen der Kinder mit Interventionen und Steuerungen zurückhalten und der Selbstwirksamkeit der Kinder vertrauen. Sie vertrauen darauf, dass die Kinder untereinander regeln, wie sie sich gegenseitig in ihre Aktivitäten einbeziehen. Die Fachkräfte verhalten sich wie „Advokaten“, Fürsprecher, die sich nach den Interessen der Mandanten/Klienten/Kinder richten, sie sehen sich nicht als Vormund sondern als Beauftragte ihrer „Mandanten“. Und diese wollen mitmachen, teilhaben, ihre Vorlieben und Stärken entdecken und entfalten. Eine advokatorische Ethik fragt danach – überspitzt formuliert –, welchen Auftrag die Kinder den Erwachsenen geben würden, wenn sie zu einem solchen Akt in der Lage wären. „Wenigstens gedankenexperimentell kann man sich beim Umgang mit Unmündigen oder partiell Unmündigen die Frage stellen, ob diese die jeweilige Betreuungshandlung billigen oder zurückweisen würden, wenn sie über die Autonomie verfügen würden“ (Schmid Noerr 2011, S. 88). „Aus christlicher Sicht“ bedeutet beim Prüfstein „Ethische Entscheidungen“: Bei der Frage, inwieweit die oben ausgeführten Konsequenzen einer Anerkennungsethik auf der Ebene der emotionalen Zuwendung, der „objektiven“ rechtlichen Anerkennung und auf der Ebene der sozialen, solidarischen Wertschätzung zum Tragen kommen sollen, begründen christlich motivierte Fachkräfte ihre positive Antwort mit einem Handeln in der Spur Gottes: Dieser hat den Menschen mit seiner ganzen HinMitglieder-Info • Ausgabe 1/2011 • Seite 8 fälligkeit und mit allen Schwächen wie auch mit seinen Potenzialen und Fähigkeiten als sein Gegenüber bedingungslos anerkannt. Eine solche Begründung kann zu radikaleren Konsequenzen führen als eine Begründung, die lediglich auf einem Postulat der Humanität beruht. Klarer ausgedrückt: Wer an den menschenfreundlichen Gott glaubt und sich an seiner Beziehung zu den Menschen orientiert, der ist zu weitertragenden Konsequenzen bereit als diejenigen, die sich rein auf das von Menschen formulierte „Recht auf Achtung und Anerkennung“ berufen, das nie gegen Einschränkungen und Effizienzkalküle (wann lohnt sich der Aufwand und wann nicht mehr?) geschützt sind. Die Umsetzung der Anerkennungsethik auf der Ebene sozialer, solidarischer Wertschätzung verlangt von christlich motivierten Einrichtungen, dass sie ihre Inklusionspädagogik in Theorie und Praxis auch nach außen, vor allem in den Raum der Kirchengemeinden hinein, offensiv vertreten und dort eine Praxis der Inklusion anstoßen, die zum einen bei den betroffenen Kindern und Familien fortsetzt, was in der Kita bereits getan wird, und zum anderen das Leitbild der „gastfreundlichen Gemeinde“ mit Konzepten und Methoden der Inklusionspädagogik umsetzt (dazu später mehr in den Ausführungen zum neunten Prüfstein „Trägerverantwortung“). Die inklusionspädagogische Praxis auf der Basis einer advokatorischen Ethik bedeutet christlich gewendet, dass die Frage danach, ob und inwieweit Erwachsene über Kinder, besonders über solche mit besonderem Förderbedarf verfügen dürfen, sich theologisch negativ beantwortet mit dem Verbot des Herrseins über andere und dem Gebot der Egalisierung, der Einebnung von Standes- und Herrschaftsstrukturen („Wer der Erste sein will, der soll der Letzte sein“). Dritter Prüfstein: Kinderrechte Über die beim zweiten Prüfstein vorgestellten und christlich zugeschnittenen ethischen Ansätze hinaus bieten die verbrieften Rechte der Kinder ein weiteres gewichtiges Element einer Referenztheorie für die Inklusionspädagogik in Kindertageseinrichtungen. Diese Rechte sind verbürgt in der „UN-Kinderrechtekonvention“ (KRK) und der „UN-Behindertenrechtskonvention“ (BRK) – beides völkerrechtliche Abkommen, die von Deutschland ratifiziert worden sind (die KRK im Jahr 1992, die BRK im Jahr 2009). Das bedeutet, dass sowohl die Bundes- und Landesregierungen wie auch die Akteure der Kinder-, Jugend- und Behindertenhilfe verpflichtet sind, nachweislich diese Schwerpunkt: Von der Integration zur Inklusion Rechte umzusetzen. Es müssen Maßnahmen nachgewiesen werden (etwa gegenüber den entsprechenden UN-Kontrollinstitutionen wie dem UN-Kinderrechteausschuss in Genf), die den von Behinderung und anderen Einschränkungen betroffenen Kindern zu ihrem Recht verhelfen – etwa zu dem Recht auf Zugehörigkeit und Teilhabe, auf Mitbestimmung und auf Mitgestaltung ihrer Lebenswelt. Nach Art. 23 der UN-Kinderrechtskonvention (diese gilt für junge Menschen bis zum 18. Lebensjahr) sind der Staat und alle Akteure in der Kinder-, Jugend- und Behindertenhilfe dazu verpflichtet, die Selbstständigkeit und aktive Teilnahme von Kindern und Jugendlichen mit Behinderung am Leben der Gemeinschaft zu fördern. Diese Verpflichtung war auch maßgebend für entsprechende Bestimmungen des 2001 in Kraft getretenen Sozialgesetzbuches IX, das die Förderung der Selbstbestimmung und der gleichberechtigten Teilhabe von Menschen mit Behinderung am Leben in der Gesellschaft generell festschreibt (§ 1 SGB IX). In beiden Rechtstexten – der KRK und dem SGB IX – wird somit ein Paradigmenwechsel, also eine grundsätzliche Neuausrichtung vollzogen vom Fürsorgeund alten Integrationsgedanken zur Anerkennung des Selbstbestimmungs- und Teilhaberechtes aller Kinder. Die beiden genannten Konventionen stellen Fortschreibungen der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948 dar. Dies wird besonders in der BRK deutlich, die darauf abzielt, „Behinderung als Teil der Vielfalt menschlichen Lebens wahrzunehmen und Menschen mit Behinderung eine selbstbestimmte und diskriminierungsfreie Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen“ (Penka 2011, S. 69). Bei der BRK geht es nicht um Spezialrechte von Menschen mit Behinderung, sondern „um die Umsetzung von allgemeinen Menschenrechten für alle Menschen mit und ohne Behinderung“ (ebd. S. 69). Die Vertragsstaaten der BRK müssen gewährleisten, dass „Kinder mit Behinderung gleichberechtigt mit anderen Kindern alle Menschenrechte und Grundfreiheiten genießen können. […] Sie gewährleisten, dass Kinder mit Behinderung das Recht haben, ihre Meinung in allen sie berührenden Angelegenheiten gleichberechtigt mit anderen Kindern frei zu äußern, wobei ihre Meinung angemessen und entsprechend ihrem Alter und ihrer Reife berücksichtigt wird, und behinderungsgerechte sowie altersgemäße Hilfe zu erhalten, damit sie dieses Recht verwirklichen können“ (Art. 7 BRK). Die Behinderten- wie auch die Kinderrechtskonvention legen fest, dass bei allen Maßnahmen, die junge Menschen betreffen, das Kindeswohl vorrangig zu be- rücksichtigen ist (Art. 3 KRK, Art. 7 BRK). In der KRK ist das Kindeswohl Basis für die Forderungen nach einer Gleichbehandlung der Kinder unabhängig von Rasse, Hautfarbe, Geschlecht, Religion, nationaler, ethnischer und sozialer Herkunft und Behinderung (Diskriminierungsverbot Art. 2 KRK). Wie die BRK in Art. 7 fordert auch die KRK in Art. 12 eine Berücksichtigung des Kindeswillens „angemessen und entsprechend seinem Alter und seiner Reife“, das Recht auf Meinungs- und Informationsfreiheit (Art. 13) und auf einer Beteiligung an Freizeit, kulturellem und künstlerischem Leben und fordert, dass entsprechende Möglichkeiten und Voraussetzungen für alle Kinder geschaffen werden sollen (Art. 31). Schließlich fordert die KRK ausdrücklich (in Art. 23), dass die Würde jedes Kindes mit Behinderung gewahrt, seine Selbstständigkeit gefördert und seine aktive Teilnahme am gesellschaftlichen Leben erleichtert werden soll; dazu sind die Angebote so zu gestalten, dass sie „dem behinderten Kind in einer Weise zugänglich sind, die der möglichst vollständigen sozialen Integration und individuellen Entfaltung des Kindes einschließlich seiner kulturellen und geistigen Entwicklung förderlich ist.“ „Aus christlicher Sicht“ heißt beim Prüfstein „Kinderrechte“: Kindertageseinrichtungen prüfen, inwieweit das für sie geltende Bild vom Kind dem hohen Anspruch der Anerkennung des Kindes als Rechtssubjekt gerecht wird, so wie es die UN-Kinderrechtekonvention (und die UN-Behindertenrechtskonvention, wenn auch nicht so ausdrücklich) festschreiben. Das Kind als Rechtssubjekt verstehen meint: Seine Rechte nicht von der Gunst und Großzügigkeit von Erwachsenen abhängig machen, sondern anerkennen, dass es Rechte hat, die ihm von Geburt an zustehen, so wie jeder Mensch allein schon aufgrund seines Status als Mensch Menschenrechte in Anspruch nehmen kann. Die in den genannten Konventionen festgeschriebenen Rechte der Kinder und das ihnen zugrundeliegende Menschenbild stimmen mit dem christlichen Menschenbild überein (vgl. Hugoth 2009, Hüssler/Hugoth 2009). Somit erhalten die oben unter dem Ersten Prüfstein „Bild vom Kind“ aufgezeigten Kriterien durch die Umsetzung der Kinderrechte eine noch stärkere Verbindlichkeit und zugleich eine plausible Konkretion: Die Kinderrechte (und damit das christliche Bild vom Kind) können grundlegend sein sowohl für die Leitwerte und Umgangskultur der Kita als auch für deren pädagogische Praxis (Kinderrechte zum Thema der Bildungsarbeit mit den Kindern machen) und für Mitglieder-Info • Ausgabe 1/2011 • Seite 9 Schwerpunkt: Von der Integration zur Inklusion deren politisches Engagement besonders für diejenigen Kinder, die nicht die gleiche Anerkennung finden wie starke und gesunde Kinder oder Kinder ohne eine Behinderung (vgl. Hugoth 2008). Vierter Prüfstein: Der Selbstanspruch der pädagogischen Fachkräfte Die pädagogischen Fachkräfte in Kindertageseinrichtungen haben in der Regel klare Vorstellungen davon, worin die Qualität ihrer Arbeit besteht. Sie wissen, was sie können und was man von ihnen erwarten kann. Sie haben aber auch Ansprüche an sich selbst: Jede will ihren Kindern soweit wie möglich gerecht werden. Das trifft vor allem auf die Kinder zu, die einen besonderen Förderbedarf haben und sich nicht so leicht und schnell von sich aus entwickeln können wie die starken und robusten Kinder. Der Selbstanspruch der Erzieherinnen im Hinblick auf eine inklusionspädagogische Praxis konzentriert sich vor allem auf zwei Aspekte: 1. die Balance zwischen individueller Förderung einzelner Kinder, die eine besondere Unterstützung und Begleitung benötigen, und die Einbindung dieser Kinder in die pädagogischen Prozesse, die mit anderen Kindern zusammen durchgeführt werden; 2. die Vergewisserung der eigenen Dispositionen für die Art und Weise, wie sie ihre Beziehung zu den Kindern gestalten, von welchem Bild vom Kind sie sich leiten lassen, welche Vorerfahrungen aus der eigenen Kindheit und weiteren Lebensgeschichte in ihre pädagogische Arbeit hineinspielen. Was die Frage nach einer Balance zwischen individueller und gemeinschaftlicher Förderung der Kinder anbelangt, so muss die Erzieherin wissen, dass eine individuelle Förderung besonders von Kindern, die einen erhöhten Förderbedarf haben, zwangsläufig die Ungleichheiten zwischen den Kindern verstärkt, da man die „begabteren“ Kinder anders behandelt als die „unbegabteren“. Bei diesen Kindern wie überhaupt bei einer Pädagogik, die auf das Kind als Individuum und „einzigartige Persönlichkeit“ setzt, ist eine Förderung der Persönlichkeit nur dann möglich, wenn sie sich ein Stück weit von den anderen abhebt, also entfernt und – streng genommen – exkludiert. „Die Individualität des Individuums […] kann sich nur über Exklusion definieren: Exklusionsindividualität … Individualisierung findet nicht im Inklusions-, sondern im Exklusionsbereich statt“ (Bardmann 2011, S. 65). So muss sich die Fachkraft entscheiden, was sie an Exklusion aufgrund individueller Förderung und an Inklusion im Sinne eiMitglieder-Info • Ausgabe 1/2011 • Seite 10 ner Hineinnahme aller Kinder in gemeinsame Lebensund Lernprozesse verantworten kann. Pointiert formuliert: Keine Inklusion ohne eine partielle Exklusion einzelner Kinder! Dessen müssen sich die Fachkräfte bewusst sein und hier müssen sie abwägen, was das einzelne Kind braucht und wie man ihm am besten gerecht wird. Hier ist der „Vorrang des Kindeswohls“, wie er im Dritten Prüfstein „Kinderrechte“ begründet wurde, gezielt zu veranschlagen. Was die zweite Kernfrage beim Selbstverständnis der pädagogischen Fachkraft anbelangt, also die Frage nach der persönlichen Disposition generell für ihre pädagogische Arbeit und speziell für inklusionspädagogische Maßnahmen, so lässt sich der Anspruch an ihr Verantwortungsbewusstsein und ein entsprechendes Verhalten und Handeln folgendermaßen konkretisieren: Die Erzieherin muss sich selbstreflexiv bewusst werden, wie die Themen Inklusion und Exklusion biographisch in ihrem Leben verankert sind. Dies betrifft zum einen das Bewusstsein von Vorgängen und Ereignissen, durch die sie selbst exkludiert wurde, und inwieweit solche Erfahrungen mit Ausgeschlossenwerden noch nachwirken, indem sie etwa die eigene Einstellung zum Thema Inklusion bestimmen. Ebenso gehört die Reflexion dazu, wie die Erinnerungen an solche Situationen denk- und handlungsbestimmend sind, in denen sie erlebt hat, wie wohltuend, aufbauend, stärkend die eigenen Erfahrungen mit Inklusion, also mit Teilhabe, Mitbestimmung und Mitgestaltung und eine Anerkennung auf Augenhöhe waren. Schließlich gehört zu einer verantwortungsvollen Selbstreflexion einer Erzieherin, dass sie sich ihre gegenwärtigen Erfahrungen mit In- und Exklusion bewusst macht. Wie alle Zeitgenossen lebt auch eine Erzieherin heute in Teilsystemen – ein Zeitfenster lang im System der eigenen Familie, dann im System der Kita als ihrem Arbeitsplatz, dann im Teilsystem der ehrenamtlich Tätigen im Umwelt-, Friedens- oder sonstigen Bereich, im Teilsystem ihrer Freundinnen, ihrer Kameradinnen im Sportverein, Gesprächskreis, Erwachsenenbildungskurs. In diesen Teilbereichen erfahren sie sich in der Regel als teilinkludiert, weil sie in diesen Teilsystemen „nicht als Individuen (als ganze, unteilbare Menschen), sondern als Dividuen [‚geteilte‘, nur in Ausschnitten gemeinte, M. H.], angesprochen nur auf rollen- und teilsystemspezifische Teilaspekte“ zur Geltung kommen (Bardmann 2011, S. 65). Auch solche Erfahrungen von segmentierten Lebensund Aktionsbereichen, in denen die Erzieherin jeweils nur teilinkludiert ist, dürfte ihre Einstellungen zur In- Schwerpunkt: Von der Integration zur Inklusion klusionspädagogik und ihre Präferenzen bei ihrer konkreten Inklusionspraxis bestimmen. Zum Anspruch an ihre selbstreflexiven Kompetenzen muss für eine pädagogische Fachkraft einer Kindertageseinrichtung auch die Bereitschaft und Fähigkeit zu einer Analyse der eigenen Exklusions- und Inklusionserfahrungen und der Intensität gegeben sein, mit der diese ihr Denken und Handeln als Pädagogin heute bestimmen. Denn wenn es bei einer konsequenten Inklusionspädagogik darum geht, strukturelle, soziale und Denkbarrieren abzutragen, dann gehören die oft unbewussten, aus früheren und gegenwärtigen Erfahrungen resultierenden emotionalen und moralischwertenden Faktoren dazu. Ein Kita-Fachkraft, die derart selbstreflexiv und -kritisch die Dispositionen für ihre Einstellungen und Handlungen bedenkt und einschätzt und ihre Wirksamkeit zu steuern weiß, kann für ihre Kolleginnen, für die Eltern – wenn auch in abgestufter Form – Vorbild sein. Die Vorbildfunktion von Erzieherinnen im Hinblick auf eine inkludierende Praxis besteht zum einen in dem, wie sie mit ihren eigenen Exklusions- und Inklusionserfahrungen und mit ihrer teilinkludierten Lebensweise umgeht; zum anderen natürlich in der Konsequenz, mit der sie inklusionspädagogische Ziele bei ihrer Arbeit realisiert. „Aus christlicher Sicht“ heißt beim Prüfstein „Der Selbstanspruch der pädagogischen Fachkräfte“: Sie nehmen sich selbst als Personen ernst, die selbst Erfahrungen mit Exklusionen und Inklusionen gemacht haben und die heute noch immer Erfahrungen mit Teilinklusionen in segmentierten Lebens- und Arbeitsfeldern machen. Das „Christliche“ kann sich hier zum einen in dem Grad der Selbstakzeptanz wie auch in der Größe der Verantwortung zeigen, die für die inklusionspädagogische Praxis vor dem Hintergrund der eigenen Erfahrungen zum Tragen kommen muss. Ferner zeigt sich das „Christliche“ bei der Frage nach einer Balance zwischen individueller Förderung einzelner Kinder – mit einer zwangsläufigen partiellen Exklusion – und einer inkludierenden Praxis, bei der diese Kinder in den Kreis der anderen Kinder als Gleichberechtigte hineingenommen werden. Solche Erfahrungen machen Christen in ihren Gemeinden und anderen Lebens- und Wirkfeldern. Sie wissen aber auch darum, dass es neben den Exklusionseffekten, die jede funktionale Zuspitzung dieser Wirkfelder haben muss, zusammenführende, einigende, über den Grenzen stehende Gemeinsamkeiten im Glauben, Lieben und Hoffen gibt. Diese Erfahrungen eines Denkens, Empfindens, Glaubens und Handelns aus einer gemeinsamen Spiritualität hinaus kann sich begünstigend auf die Haltung auswirken, die im Bestreben um eine Balance zwischen individueller Zuwendung und Förderung auf der einen und einer Hineinnahme und Egalisierung von Besonderheiten auf der anderen Seite erforderlich ist. Fünfter Prüfstein: Das Humanniveau Inklusionspädagogik als Ansatz und Praxis in Kindertageseinrichtungen betrifft – so wurde in den bisherigen Ausführungen hinlänglich deutlich – nicht nur die einzelnen pädagogischen Maßnahmen. Sie muss von allen Akteuren mitgetragen werden, sie bestimmt die Organisation und Vollzugsformen des Lebens und Lernens in der Kita insgesamt und sie prägt den „Geist des Hauses“. Inklusion als Programm bestimmt das Denken, Reden, Planen und Handeln, die Beziehungen untereinander und die Interaktionen aller. Das hat Auswirkungen auf das ethische Niveau einer Kindertageseinrichtung; ein solches wird gewöhnlich als „Humanniveau“ oder als Unternehmenskultur bezeichnet. Die Unternehmenskultur einer Kita wird eine andere, wenn Inklusion in allen Dimensionen greift. Das aber bedeutet, dass Inklusion nicht verengt individualethisch verstanden werden darf als eine Verpflichtung, als ein ethischer Anspruch für jede einzelne Erzieherin. Sie muss vielmehr sozialethisch gesehen werden als ein Maßstab für die Aufnahmebereitschaft und Integrationskraft einer Einrichtung und für den Grad der Verbindlichkeit, mit der die Grundsätze und Ziele der Inklusionspädagogik umgesetzt und eingelöst werden. „Aus christlicher Sicht“ heißt beim Prüfstein „Das Humanniveau“: Eine Antwort auf die Frage finden: Was kann die christliche Spiritualität, also der „Geist des Hauses, der aus der Überzeugung von der Heil- und Gestaltungskraft des Glaubens“ lebt, zu der Entwicklung eines Humanniveaus beitragen, das aus einer konsequenten Bejahung und Praxis des Inklusionsansatzes erwächst? Und eine Antwort auf die Frage finden: Zu welchen besonderen Einstellungen und Verhaltensweisen veranlassen uns die Vorgaben, die sich aus unserem Glauben für eine christlich orientierte Erziehung und Bildung ableiten lassen? Antworten auf diese beiden Fragen lassen sich zum Teil in den Ausführungen zu den bisherigen Prüfsteinen finden. Zum Mitglieder-Info • Ausgabe 1/2011 • Seite 11 Schwerpunkt: Von der Integration zur Inklusion anderen können folgende Gedanken die Antworten erleichtern: Das Hilfehandeln Jesu und die Art und Weise, wie er sich auf Frauen und Männer in Begegnungen, Gesprächen und Freundschaften einließ, die in der jüdischen Gesellschaft seiner Zeit zu den Außenseitern gehörten, die als minderwertig, nicht dazugehörend, nicht als vollgültige Mitglieder galten, ist Leitmotiv und spirituelle Quelle für Christen bis heute. Das entgrenzende, Status- und Leistungsschranken überwindende Verhalten Jesu kann inspirieren und den „Geist des Hauses“ einer katholischen Kindertageseinrichtung prägen – den Geist der Offenheit und Gastfreundschaft, den Geist des integrierenden Redens und Handelns und Umgehens miteinander, den Geist, der zuerst auf das schaut, was miteinander verbindet, und dann erst dem Rechnung trägt, was unterscheidet und einer besonderen Förderung und Unterstützung bedarf. Sechster Prüfstein: Religiöse Erziehung Nochmals zu Erinnerung: „Als integrative/inklusive Erziehung bezeichne ich eine Pädagogik, die sich darum bemüht, Kinder erfahren zu lassen, was ihr gemeinsamer Nenner ist, was sie gemeinsam tun können, was sie gemeinsam lernen können“ (Kron 2011, S. 191 f.). Die heute in katholischen Kindertageseinrichtungen praktizierte religiöse Erziehung liegt auf dieser Linie von Gemeinsamkeit und Teilhabe, sie ist einladend für alle Kinder angelegt und wird auch in der Regel so gestaltet. Oft lässt sich nicht mehr unterscheiden, ob bei der Rede von Gott und seiner Schöpfung, bei der Rede von Gott, der die Kinder liebt, und bei der Rede von der Verheißung des Himmels für die Menschen, die an Gott glauben, vom christlichen, dem muslimischen oder dem jüdischen oder einem sonst irgendwie vorstellbaren Gott die Rede ist. Meist steht hinter einer solchen Angleichung die Absicht, dass man die Kinder trotz unterschiedlicher Religionszugehörigkeit in einem gemeinsamen Glauben an Gott einander näherbringen und Unterschiede einebnen will. Religiöse Erziehung sollte nicht dem Gleichheits- und Harmoniebedürfnis der Kinder (und der Erzieherinnen) „inklusionistisch“ entsprechen, sondern in erster Linie dem, was den Glauben in den unterschiedlichen Religionen jeweils auszeichnet. Wer religiöse Erziehung so versteht, der versteht Inklusion in diesem Feld nicht so, dass eine Art Einheitsglaube konstruiert wird, zum dem sich alle dazugehörig fühlen können, sondern für den ist Inklusion ein Programm, das unter Beibehaltung der spezifischen Unterschiede zwischen den Religionen nach solchen religiösen Gesprächen, Mitglieder-Info • Ausgabe 1/2011 • Seite 12 Bildern, Gemeinschaftsvollzügen sucht, bei der alle mitmachen können. Ein Rest von Spezifischem und Unvereinbarem wird aber bleiben – ob im Gottesbild, im Verständnis des Jesus von Nazareth, in der Interpretation von Kreuz und Auferstehung, in den Gottesdiensten und in den unterschiedlichen Symbolen, mit denen jeweils der Glaube ausgedrückt wird. Religiöse Erziehung ist demnach immer auch exkludierend, indem sie die Zugehörigkeit und die Nichtzugehörigkeit der Kinder zu den einzelnen Religionen markiert. Aber solange nicht die eine als die eigentlich wahre Religion gegen die andere ausgespielt wird, solange nicht die Unterschiede und die Unvereinbarkeiten zwischen den Religionen unentwegt im Mittelpunkt stehen, solange nach Konvergenzen und nach Möglichkeiten gemeinsamer religiös-spiritueller Vollzüge gesucht wird, solange ist eine wirkliche Inklusion in einer Kita trotz oder sogar durch die religiöse Erziehung möglich. Inklusion durch religiöse Erziehung kann also sowohl durch eine Nivellierung der Unterschiede zwischen den Religionen und Glaubensrichtungen als auch durch eine Polarisierung und durch exkludierende Verhaltensweisen verhindert oder zumindest erschwert werden. Sie kann dagegen durch eine interreligiös ausgerichtete Praxis beschleunigt und vertieft werden, wenn diese 1. Zugänge zu den einzelnen Religionen und Glaubensrichtungen für alle Kinder schafft, 2. das Unterscheidende erkennen lässt und „aushalten“ hilft, 3. Annäherungen und die Erfahrung von Gemeinsamkeiten ermöglicht, 4. bei den Kindern (und den Erzieherinnen) die Wahrnehmung und das Verstehen der eigenen Religion durch den Vergleich mit den anderen vertieft. Inklusion im Bereich der religiösen Erziehung kann auch durch ein Denken und Handeln erschwert werden, durch das Kinder mit einem besonderen Förderbedarf an den Rand des Geschehens verortet werden, das nicht auf ihre Teilnahme an Gottesdiensten, Glaubensgesprächen oder anderen religionspädagogischen Maßnahmen ausgerichtet ist, das diese Kinder nicht als Akteure der einzelnen Prozesse einbezieht – weil die ja, nach dieser Auffassung, eh nicht verstehen, worum es geht, weil sie Ernst und Andacht stören und insgesamt einfach nicht mitkommen. Wenn religiöse Erziehung vor allem die im Blick hat, die Fra- Schwerpunkt: Von der Integration zur Inklusion gen stellen, Vorstellungen und Theorien entwickeln und die durch ihr Engagement eine Sache voranbringen, wenn religiöse Erziehung also in erster Linie mit denen rechnet, die sich ausdrücken und mitgestalten können, dann ist sie unter der Hand auf eine ungute Weise exkludierend und unterscheidet sich kaum von anderen leistungs- und kompetenzorientierten Bildungsprozessen. „Aus christlicher Sicht“ heißt beim Prüfstein „Religiöse Erziehung“: Diese Erziehung stellt die Nagelprobe auf die Ernsthaftigkeit und die Stringenz der inklusionspädagogischen Praxis einer Kindertageseinrichtung dar. Denn wenn religiöse Erziehung so stark exkludierend ist, dass benachteiligte Kinder nicht mitkommen bzw. nur als Anhängsel mitgenommen werden, dann verrät sie ihren Auftrag, den Kindern einen Zugang zur Welt der Religionen zu ermöglichen, der diese als menschenfreundlich, Halt und Orientierung gebend und als aufbauend und jeden bejahend erfahrbar macht. Religiöse Erziehung hat die große Chance, für Kinder erlebbar zu machen, dass man auch aufgrund seiner religiösen Überzeugung zu einer bestimmten Religion gehört und nicht zwischen verschiedenen Religionen ständig wechseln kann, dass man also aufgrund des Bekenntnisses zu einem Glauben von anderen Religionen ausgeschlossen ist und dass Andersgläubige von dieser eigenen Religion ausgeschlossen werden; religiöse Erziehung beinhaltet also durchaus auch Exklusionserfahrungen. Aber – und hier liegt die eigentliche Chance – sie demonstriert auch, wie Inklusion trotz der unterschiedlichen Religionszugehörigkeit möglich ist. Inklusion wird möglich, indem zum einen alle Religionen erlauben, dass man in ihre Glaubensinhalte, Symbole, Bilder und rituellen und caritativen Vollzüge Einsicht erhält, indem zum anderen auch die Überschneidungen und gemeinsamen Themen und Anliegen deutlich werden, sodass unter dem „Dach der Religionen“ Menschen zueinander finden können. Siebter Prüfstein: Trägerverantwortung Die Leitwerte, die „Philosophie“ und Politik einer Kindertageseinrichtung werden in der Regel auch von ihrem Träger mitbestimmt und mitgetragen. Da das Konzept der Inklusion für eine Kita, die es konsequent in ihre Pädagogik und in die Organisation der Arbeitsabläufe übernimmt, nachhaltige Auswirkungen auf das ganze Haus haben kann, muss das Konzept zum einen auch vom Träger bejaht und mitgetragen werden. Zum anderen kann der Träger die Prozesse innerhalb der Einrichtung unterstützen – angefangen von der veränderten Arbeitsorganisation über die Personalauswahl und die Qualifikation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bis zur Zusammenarbeit mit den Eltern und bis zur Vertretung dieses Konzepts durch den Träger nach außen etwa gegenüber der Elternschaft, den Kooperationspartnern der Kita und den Ansprechstellen der öffentlichen Verwaltung und Politik. Dazu sind zunächst interne Klärungsprozesse zwischen dem Träger, der Leiterin und dem Team erforderlich. Denn: Der Begriff der Inklusion kann sowohl in einer Vertikalen als auch in einer Horizontalen betrachtet werden. Inklusion in einer vertikalen Perspektive zu betrachten bedeutet, dass es unterschiedliche Sichtweisen und Akzentsetzungen bei den Menschen auf den unterschiedlichen sozialen Positionen und Funktionsebenen gibt. So hat der Träger einer Kita eine anders akzentuierte Sicht von Inklusion und inkludierender pädagogischer Praxis als die Leiterin, als die Erzieherin, als die Eltern und die Kinder. Auf der Horizontalen meint Inklusion, dass alle bestimmenden Elemente auf einem gleichen Niveau angesiedelt sind – von den normativen und strategischen Festlegungen (Leitbild, Konzeption) über die einzelnen Planungen und Einrichtung von Lernsettings bis zur konkreten pädagogischen Maßnahme. Die auf der vertikalen Ebene erforderlichen Klärungsprozesse zwischen Träger und Mitarbeiterschaft zielen auf eine Verständigung über das gemeinsame Inklusionsverständnis, über die Konsequenzen für die Arbeitsorganisation, den Qualifikations- und Fortbildungsbedarf der pädagogischen Fachkräfte, über die Kommunikation mit den Eltern und über die Funktionen, die der Träger, die Leiterin und die Erzieherinnen übernehmen, wenn es gilt, den Inklusionsansatz und die Inklusionspraxis der Einrichtungen nach außen gegenüber unterschiedlichen Adressaten zu vertreten. Der Träger kann auch gezwungen sein, den Druck abzuwehren, der von außen auf seine Einrichtung ausgeübt wird. Dieser kann entstehen, wenn die eine Inklusionspraxis begünstigenden Arbeitsbedingungen gegenüber Entscheidungsgremien in der Gemeinde, den Zuschussgebern, dem Jugendamt usw. gerechtfertigt werden müssen. Denn: „Weder Inklusion noch Exklusion [ist] eine Frage der freien persönlichen Entscheidung und des individuellen Verhaltens, sondern immer auch eine Frage der funktionsorientierten strukturellen Bedingungen“ (Bardmann S. 70). Ferner ist eine Inklusionspädagogik in KindertageseinrichtunMitglieder-Info • Ausgabe 1/2011 • Seite 13 Schwerpunkt: Von der Integration zur Inklusion gen in der öffentlichen Meinung und aufgrund einer eher polarisierenden und exkludierenden sozialen Praxis in der Gesellschaft dieses Landes nicht überall gleich plausibel und akzeptiert. Die Kita befindet sich nicht selbstverständlich in einem Umfeld, das mit der Heterogenität der Menschen gut umgehen kann. Wenn das Umfeld einer katholischen Einrichtung die Kirchengemeinde ist, hat der Träger hier die unverzichtbare Aufgabe, das Gemeindeverständnis danach zu befragen, ob dieses eher exkludierende oder eher inkludierende Tendenzen aufweist. Er muss die Kompatibilität des Inklusionsgedankens und der Inklusionspraxis seiner Einrichtung mit dem Leitbild der Kirchengemeinde und ihrem pastoralen Konzept überprüfen und im Gespräch mit den Akteuren seiner Kita und der Gemeinde nach Möglichkeiten von Übereinstimmungen, Unterstützungen und gemeinsamen Aktionen suchen. Denn: „Soziale Hilfe kann nicht ‚stellvertretend’ inkludieren, wo andere Funktionssysteme exkludieren“ (Bardmann 2011, S. 64). „Aus christlicher Sicht“ heißt beim Prüfstein „Trägerverantwortung“: Der Träger stimmt dem einer Inklusionspädagogik zugrunde liegenden Menschenbild, den Leitwerten und der konkreten Praxis mitsamt den Konsequenzen an Investitionen zu. Dazu beruft er sich auch auf theologische Motive und Argumente (vgl. oben die Ausführungen zu der entgrenzenden Lebens- und Beziehungspraxis Jesu). Der Träger vertritt das Konzept und die Praxis der Inklusion nach außen und weist diese auch als spezifisch christlichen Auftrag aus. Der Träger intensiviert vor allem die Zusammenarbeit mit den Funktionsträgern und den unterschiedlichen Arbeitsfeldern der Kirchengemeinde und sucht mit ihnen nach Wegen, wie der Gedanke und wie die Praxis der Inklusion auch das Leben und die Arbeit in der Gemeinde ausdrücklicher bestimmen können. Er sucht nach Wegen, wie seine inklusionspädagogisch arbeitende Kindertageseinrichtung als ein Aktionsfeld für Inklusion wahrgenommen und in ein inklusions orientiertes Pastoralkonzept der Gemeinde integriert werden kann. Achter Prüfstein: Christliches Profil Die Ausführungen steinen haben an deutlich gemacht: klusionspädagogik bleiben. Denn die zu den bisher vorgestellten Prüfunterschiedlichen Stellen bereits Eine konsequent umgesetzte Inkann (und darf) nicht „verborgen“ Einrichtung wird, wenn die inklu- Mitglieder-Info • Ausgabe 1/2011 • Seite 14 sionspädagogische Praxis umfassend zur Geltung kommen soll, so „geformt, dass sie für alle passt.“ (Haug 2011, S. 40). Die Inklusionspädagogik sollte deshalb auch nicht nur in Leitbild und Konzeption aufgeschrieben werden; sie ist vielmehr ein zentrales Element des Profils der Kindertageseinrichtung, da sie letztlich einen „Gewinn für alle“ bedeuten kann. Denn eine solche Einrichtung hebt sich in der Tat von vielen anderen Einrichtungen, die „nur“ integrativ arbeiten, deutlich ab. Inklusionspädagogik stimmt nach allem, was bisher in diesem Beitrag zu ihren Kennzeichen, ihrem Wert, ihre Prägekraft in den Binnenraum der Einrichtungen und nach außen ins Umfeld ausgeführt worden ist, mit einem christlichen Verständnis von Erziehungs- und Bildungsarbeit mit Kindern in kirchlichen Kindertageseinrichtungen in vielen Punkten überein. Inklusion muss daher zu einem exponierten Element des christlichen Profils werden. „Aus christlicher Sicht“ heißt beim Prüfstein „Christliches Profil“: Das christliche Profil katholischer Kindertageseinrichtungen soll zum einen nach innen wirksam werden, indem die Einrichtung sich auf eine Orientierung an religiösen Überzeugungen, an christlichen Leitwerten und an einer solidarischen (inkludierenden) Praxis verpflichtet. Zum andern stellt das christliche Profil das „Aushängeschild“ der Einrichtung nach außen dar. Da sich die Inklusionspädagogik, wie sie in diesem Beitrag charakterisiert worden ist, mit dem christlichen Menschenbild, mit einem christlichen Bildungsverständnis und mit dem Selbstverständnis kirchlicher Kitas als Lebens- und Lernorte für alle Kinder gut vereinbaren lässt, sollte dieser Ansatz als „Philosophie und Programm“ der Kita in deren Profilbeschreibung unbedingt aufgenommen werden. Ein Gedanke zum Schluss Dieser Artikel ging detailliert der Frage nach, was es heißt, wenn man „Inklusion mal mit der ‚christlichen Brille’ betrachtet“. Diese Frage wurde vor allem auf die Konsequenzen hin bedacht. Diese beziehen sich 1. auf die Einstellungen und Haltungen der Akteure (Träger, Leitung, pädagogische Fachkräfte, Eltern und Kinder); 2. auf Leitbild und Konzeption der Einrichtung und auf deren theologische Fundierung; Schwerpunkt: Von der Integration zur Inklusion 3. auf die Kompetenzen der Fachkräfte; Literatur 4. auf die Arbeitsorganisation und die pädagogische Arbeit; 6. auf das Umfeld der Kita, vor allem die Kirchengemeinde; Bardmann, Theodor M.: Integration und Inklusion – systemtheoretisch buchstabiert: Neue Herausforderungen für die soziale und pädagogische Arbeit, in: Kreuzer, Max / Ytterhus, Borgunn (Hrsg.): „Dabeisein ist nicht alles“ – Inklusion und Zusammenleben im Kindergarten: München: Reinhardt Verlag, 2. Aufl. 2011, S. 52 – 72 7. schließlich auf das Profil und die Positionierung der Kita „am Markt“. Brenner, Peter J.: Bildungsgerechtigkeit. Stuttgart: Kohlhammer Verlag 2010 (Praxiswissen Bildung) Es wurde deutlich: Inklusionspädagogik in Kindertageseinrichtungen zu realisieren ist anspruchsvoll. Dies bringt aber auch einen nicht zu unterschätzenden Gewinn für alle, vor allem für die Kinder. Und: Inklusionspädagogik steht katholischen Einrichtungen nicht nur „gut zu Gesicht“, sondern sie entspricht ihrem ureigenen Auftrag. Brumlik, Micha: Advokatorische Ethik. Zur Legitimation pädagogischer Eingriffe. Hamburg: Europäische Verlagsanstalt, 2. Aufl. 2004 5. auf die Unterstützung und Repräsentationsleistungen des Trägers; Haug, Peter: Inklusion als Herausforderung der Politik im internationalen Kontext, in: Kreuzer, Max / Ytterhus, Borgunn (Hrsg.): „Dabeisein ist nicht alles“ – Inklusion und Zusammenleben im Kindergarten: München: Reinhardt Verlag, 2. Aufl. 2011, S. 36 – 51 Hugoth, Matthias: Kinderrechte theologisch betrachtet, in: Kittel, Claudia: Kinderrechte. Ein Praxisbuch für Kindertageseinrichtungen. München: Kösel Verlag 2008, S. 68 – 76 Neuerscheinungen Wer das Thema Inklusion noch weiter vertiefen möchte, sei auf folgende Neuerscheinungen bzw. Stellungnahmen verwiesen: l Sabine Jungk, Monika Treber, Monika Willenbrink (Hrsg. 2011): Bildung in Vielfalt. Inklusive Pädagogik in der Kindheit, Freiburg: Verlag FEL. Forschung – Entwicklung - Lehre Über die Homepage des Verlages können Sie das Buch direkt bestellen: http://www.fel-verlag.de/catalog/3/materialienzurfrhpdagogik l Klaus Klemm (2010): Gemeinsam lernen. Inklusion leben. Status Quo und Herausforderungen inklusiver Bildung in Deutschland, Gütersloh: Bertelsmann Stiftung Die Studie steht auf der Homepage der Bertelsmann Stiftung als Download zur Verfügung: http://www.bertelsmann-stiftung.de/bst/de/media/xcms_bst_dms_32811_32812_2.pdf l Annedore Prengel (2010): Inklusion in der Frühpädagogik. Bildungstheoretische, empirische und pädagogische Grundlagen. Unter Mitarbeit von Katja Zschipe, Dorit Horn und Sebastian Schultz. Eine Expertise für das Projekt Weiterbildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte (WiFF), hrsg. vom Deutschen Jugendinstitut, München Die Expertise steht als Download auf der WiFF-Homepage zur Verfügung: http://www.weiterbildungsinitiative.de/publikationen/inklusion/details-inklusion/artikel/inklusion-in-der fruehpaedagogik.html Mitglieder-Info • Ausgabe 1/2011 • Seite 15 Schwerpunkt: Von der Integration zur Inklusion Hugoth, Matthias: Kinder haben Rechte – warum eigentlich? Eckpunkte einer normativen Referenztheorie, in: Lindenau, Mathias (Hrsg.): Jugend im Diskurs – Beiträge aus Theorie und Praxis. Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften 2009, S. 35 – 49 Hüssler, Georg / Hugoth, Matthias: Vergewisserung – die theologisch-normativen Grundlagen der Kinder- und Jugendhilfe der Caritas, in: Knab, Eckhart / Fehrenbacher, Roland (Hrsg.): Die vernachlässigten Hoffnungsträger. Beiträge zur Kinder- und Jugendhilfe. Freiburg: Lambertus Verlag 2009, S. 53 – 68 Kron, Maria: Integration als Einigung – Integrative Prozesse und ihre Gefährdungen auf Gruppenebene, in: ebd. S. 190 – 200 Penka, Sabine: Ein Recht auf Teilhabe?! Die Bedeutung der UN-Behindertenrechtskonvention und der UN-Kinderrechtskonvention für junge Menschen mit Behinderung, in: Fink, Franz (Hrsg.): Inklusion in Behindertenhilfe und Psychiatrie. Vom Traum zur Wirklichkeit. Freiburg: Lambertus Verlag 2011, S. 67 – 77 Prof. Dr. Matthias Hugoth Der Diplom-Theologe und Diplom-Pädagoge ist Professor für Soziale Arbeit mit Schwerpunkt Erziehungswissenschaft und Pädagoge der frühen Kindheit an der Katholischen Hochschule Freiburg. Er leitet den Bachelorstudiengang „Management von Erziehungs- und Bildungseinrichtungen“. Zu seinen Arbeits- und Forschungsschwerpunkten gehören u. a. Päda go gik der frühen Kindheit, Kinderrechtepolitik und -pädagogik, Profilierung der pädagogischen Fachkräfte in der Kinder- und Jugendhilfe und Berufspolitik, Management sozialer Systeme sowie Sozialpolitik und Lobbying. Prof. Dr. Hugoth war langjähriger Mitarbeiter des Deutschen Caritasverbandes für die Tageseinrichtungen für Kinder. Inklusionslandkarte Im Rahmen der Kampagne „Deutschland wird inklusiv – wir sind dabei“ hat der Bundesbeauftragte für die Belange behinderter Menschen im März 2011 eine deutschlandweite Inklusionslandkarte mit gelungenen Beispielen inklusiver Praxis eingerichtet. Darauf sind nicht nur Einrichtungen und Projekte samt Kontaktdaten aufgenommen, vielmehr können (und sollen) sich weitere inklusive Einrichtungen um die Aufnahme in die Karte bewerben. Über die Aufnahme entscheidet eine dreiköpfige Jury von Personen aus dem vom Bundesbeauftragten einberufenen Inklusionsbeirat. Diese sind selbst behindert oder vertreten einen entsprechenden Verband. Die Inklusionslandkarte, Informationen zu den Zielen und zum Hintergrund dieses Projektes sowie das Bewerbungsformular finden Sie unter: http://www.behindertenbeauftragter.de/DE/Landkarte/Forms/Suche/ProjektSuchen_formular.html Mitglieder-Info • Ausgabe 1/2011 • Seite 16 Schwerpunkt: Von der Integration zur Inklusion Arnold Köpcke-Duttler Mehr als nur ein Trend. Ethische und rechtliche Begründung der Inklusion Erster Teil: Das Übereinkommen über die Rechte des Kindes In dem Übereinkommen über die Rechte des Kindes vom 20. November 1989 verpflichten sich die Vertragsstaaten, diese Rechte jedem ihrer Hoheitsgewalt unterstehenden Kind ohne jede Diskriminierung unabhängig von der Rasse, der Hautfarbe, dem Geschlecht, der Sprache, der Religion, der politischen oder sonstigen Anschauung, der nationalen, ethnischen oder sozialen Herkunft, des Vermögens, einer Behinderung, der Geburt oder des sonstigen Status des Kindes, seiner Eltern oder seines Vormunds zu gewährleisten. Über Artikel 2 Abs. 1 dieses Übereinkommens der Vereinten Nationen hinaus sollen die Vertragsstaaten anerkennen, dass ein geistig oder körperlich behindertes Kind ein erfülltes und menschenwürdiges Leben unter Bedingungen führen soll, welche die Würde des Kindes wahren, seine Selbstständigkeit fördern und seine aktive Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft erleichtern.1 Anerkannt werden auch die besonderen Bedürfnisse eines behinderten Kindes, sein Recht auf „besondere Betreuung“, sein Recht auf Erziehung, Ausbildung, die Bereitstellung von Gesundheits- und Rehabilitationsdiensten, Vorbereitung auf das Berufsleben in einer Weise, die der möglichst vollständigen „sozialen Integration“ und individuellen Entfaltung des Kindes einschließlich seiner kulturellen und geistigen Entwicklung förderlich ist. Im Rahmen der Kinderrechtskonvention werden die Rechte der Kinder als Grundrechte, als „personale Selbstbestimmungsrechte“ gedeutet, wobei ihre Partizipations- und Mitgestaltungsrechte auf allen Entscheidungsebenen gestärkt werden sollen.2 Diese Deutung befreit freilich nicht von der Erkenntnis, Art. 23 Abs. 1 des Übereinkommens über die Rechte des Kindes; Matthias Herdegen, Völkerrecht, 8. Aufl. München 2009, S. 326; Wolfgang Graf Vitzthum (Hrsg.), Völkerrecht, 5. Aufl. Berlin / New York 2010, S. 230 2 Caroline Steindorff, Zur Einstimmung in das Thema, in: dies. (Hrsg.), Vom Kindeswohl zu den Kindesrechten, Neuwied / Kriftel / Berlin 1994, S. 4 f.; s. Sabine von Schorlemer und Elena SchulteHerbrüggen, 1989 – 2009: Zwanzig Jahre UN-Kinderrechtskonvention, Frankfurt 2010; Michael von Cranach u. a., Aktiv für Kinderrechte: 20 Jahre UN-Kinderrechtskonvention, München 2010 dass, wenn Kinder zu ihrem Recht kommen sollen, sich auf den Feldern der Politik, der Wirtschaft, des Umweltschutzes weltweit sehr viel ändern muss. Von der Verwirklichung der Kinderrechte sind wir weit entfernt – immer noch. Terre des Hommes hat angesichts dessen, dass Kinder als Soldaten verdingt werden, Kinder auf der Flucht sind, Opfer von Minen werden, dazu aufgerufen, Kinderrechts-Teams zu bilden, die Verwirklichung der Kinderrechte zu intensivieren und praktisch in die Hand zu nehmen. So war eines der ersten Kinderrechts-Teams „Children World“ in Berlin, eine Gruppe, die dafür eintrat, dass niemand unter achtzehn Jahren als Soldat eingesetzt werden sollte, kein einziges Kind. In Straelen am Niederrhein stellte ein Kinderrechts-Team „Blumenkinder für eine bessere Welt“ dar; in Melle verkleideten sich die „Sonnenkinder“ zu Straßenkindern, legten sich in Pappkartons auf einen Blumenmarkt, putzten Schuhe und gaben Straßenmusik. In allen diesen Aktionen wurden Zusammenhänge zwischen auferlegter Armut und unterschiedlichen Beeinträchtigungen der Lebensmöglichkeiten von Kindern deutlich, wie es auch in der Konvention der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderung geschieht.3 Nicht allein Manfred Liebel hat mit der Berufung auf Janusz Korczak, wonach Erwachsene sich irren können und das Kind allein weiß, ob es sich wohlfühlt oder nicht, herausgearbeitet, dass Kinderrechte Menschenrechte sind, menschenwürdige Lebensbedingungen für alle Kinder geschaffen werden müssen, ihre Gleichberechtigung und ihre aktive Mitwirkung in der Gesellschaft zu unterstützen sind. Seit Kinder über eigene Rechte verfügten, hätten Erwachsene nicht mehr das Monopol, zu bestimmen, was dem Wohl der Kinder diene. Kinderrechte als Menschenrechte zu verstehen,4 verlange, ausgehend von ihrer Schutzbedürftigkeit, ihre 1 Hans-Martin Große-Oetringhaus, Spiel- und Aktionsbuch Eine Welt, 4. Aufl. Berlin 2002, S. 207 ff. 4 In ihrem Artikel „Children’s Rights“, der im Jahr 1892 veröffentlicht wurde, betonte die frühere Kindergärtnerin Kate Douglas Wiggin, jedes Kind sei „a free will human beeing“ und habe ein Recht auf eine ihm eigene Kindheit. „There is no substitute for a genuine, free, severe, healthy, bread-and-butter childhood“ (zit. n. Jürgen Oelkers, Demokratisches Denken in der Pädagogik, in: Zeitschrift für Pädagogik, 56. Jahrgang 2010, Heft 1, S. 17) 3 Mitglieder-Info • Ausgabe 1/2011 • Seite 17 Schwerpunkt: Von der Integration zur Inklusion Menschenwürde als gleichberechtigte Mitglieder der menschlichen Gesellschaft zu achten.5 Die Kinderrechts-Konvention proklamiert ein Recht auf Leben und Gesundheit für alle Kinder. In einer eigenen Charta haben südafrikanische Kinder gefordert, dass alle Kinder erdweit das Recht auf angemessene Gesundheitsversorgung und medizinische Betreuung sowohl vor als auch nach der Geburt haben, das Recht auf freie und umfassende Dienstleistungen im Gesundheitsbereich. Für behinderte Kinder fordert diese Charta das Recht auf besonderen Schutz und eine besondere Gesundheitsversorgung.6 Art. 125 der Bayerischen Verfassung verhieß früher, dass gesunde Kinder das köstlichste Gut eines Volkes seien. Dieses verfassungsrechtliche Ziel erneuerte Art. 119 der Weimarer Reichsverfassung, in der von der Gesundheit der Familie gesprochen wurde. Die Gefahr einer Diskriminierung von Kindern mit einer Behinderung wurde Art. 125 durch Gesetz vom 20. März 1998 geändert in der Weise, dass das Adjektiv „gesunde“ gestrichen wurde. Durch die Änderung der Verfassung wurde das Recht auf Leben und Gesundheit für alle Kinder deutlich hervorgehoben. In meinem eigenen Änderungsvorschlag hieß es damals, dass das Gemeinwesen die Würde der Kinder achtet, es Kinder mit Behinderungen respektiert und gegen ihre Diskriminierung vorsorgt. Jedes Kind mit einer Behinderung habe das Recht auf ihn gemäßen Schutz und ihm entgegenkommende Gesundheitsversorgung.7 Zweiter Teil: Das Menschenrecht auf Bildung Art. 24 der Behindertenrechtskonvention verlangt, dass das Recht auf Bildung ohne Diskriminierung und auf der Basis gleicher Chancen durchgesetzt werde – auf allen Ebenen eines „inklusiven Bildungssystems“. Menschen mit Behinderungen sollen Zugang zu einer inklusiven, qualitativ hochwertigen und unentgeltlichen Manfred Liebel, Kinderrechte sind Menschenrechte, in: Gemeinsam leben, 16. Jahrgang 2008, Heft 1, S. 3 – 10; ders., Wozu Kinderrechte? Grundlagen und Perspektiven, Weinheim und München 2007; Reinald Eichholz, Demokratische Schule – Schule für alle? Zum Vorrang des Kindeswohls nach Art. 3 der UN-Kinderrechtskonvention, in: Gemeinsam leben, 16. Jahrgang 2008 – Heft 1, S. 11 – 18 6 Große-Uetringhaus, Kinder haben Rechte – überall, 2. Aufl. 1993, S. 49 7 Arnold Köpcke-Duttler, Gesunde Kinder sind das köstlichste Gut eines Volkes. Zur Geschichte und zur notwendigen Reform des Art. 125 Abs. 1 der Bayerischen Verfassung, in: Bayerische Verwaltungsblätter 1996, S. 455 – 458; Urs Haeberlin, Die wissenschaftstheoretische Wende in der Heilpädagogik, in: Vierteljahresschrift für Heilpädagogik und ihre Nachbargebiete 1980, S. 12 5 Mitglieder-Info • Ausgabe 1/2011 • Seite 18 primären und sekundären Bildung erhalten, wobei das gleichberechtigte Zusammenleben mit den Menschen einer Gemeinde und der Gesellschaft hervorgehoben wird. Über die nähere Ausgestaltung der gesellschaftlichen Lebensbedingungen ist damit freilich noch nicht viel gesagt; jedenfalls soll sich die Arbeit – gegen Tendenzen der Selektion und Segregation – an einem Zusammenleben ausrichten, in das alle Menschen in ihrer Unterschiedlichkeit einbezogen werden sollen. Wenn auch eine Konkretisierung jenes Gemeinwesens noch fehlt, das die Teilhabe von Menschen mit unterschiedlichen Benachteiligungen ermöglicht, so bleibt doch ein grundlegendes Ethos der Behindertenrechtskonvention praktisch einzulösen. Zur Begründung dieser Ethik, die eine inklusive Pädagogik in sich birgt, ist anzuführen, dass alle Menschen in einer Gesellschaft mit anderen Menschen zusammenleben und mit ihnen Beziehungen eingehen sollen. Damit wird auch deutlich, dass die Begründung des Rechts auf Bildung sich nicht vollends in der Betonung der Autonomie, der Selbstbestimmung und Selbstgesetzgebung des einzelnen Menschen erschöpft. Vielmehr sind Autonomie und soziale Bezogenheit miteinander zu verbinden.8 Zu einer menschlichen Bildung gehören die Einübung des advokatorischen Handelns, der Schutz der Schwächeren, Freiheit gebende Solidarität und Achtsamkeit, die Anerkennung der menschlichen Würde, die sowohl um die Autonomie des einzelnen Menschen als auch um seine Verletzbarkeit weiß. Verbindet man das Recht auf Bildung mit einer Pädagogik der Menschenrechte und einer Erziehung zum Rechtssinn, so kann die Bildung zu einer „solidarischen Kraft“ werden und beitragen zu der Verwirklichung einer konnektiven Gerechtigkeit.9 Die Behindertenrechtskonvention ist also nicht nur als Aufforderung an den Staat und an die Politik zu verstehen, sondern auch als Herausforderung an die Kräfte der Zivilgesellschaft, die seit Jahren überfällige Demokratisierung des gesamten Bildungssystems voranzubringen. Die mit dem Menschenrecht auf Bildung verbundenen Veränderungen betreffen das gesamte Feld der Bildungswege der Kinder. Es geht nicht nur um den Entwurf einer Schule für alle, sondern um ein gemeinsames Leben und Lernen auf allen Ebenen mit dem Ziel, die Heterogenität der Kinder zu achten Elisabeth Conradi, Take care. Grundlagen einer Ethik der Achtsamkeit, Frankfurt / New York 2001; Arno Baruzzi, Freiheit, Recht und Gemeinwohl, Darmstadt 1990 9 Karl Ernst Nipkow, Weltepos und Nächstenliebe, in: S. Görgens u. a. (Hrsg.), Universalistische Moral und weltbürgerliche Erziehung, Frankfurt 2001 8 Schwerpunkt: Von der Integration zur Inklusion und die Zusammenarbeit verschiedener pädagogischer Professionen zu verlangen. Menschenrechte wie auch die in der Behindertenrechtskonvention verbürgten Rechte sollen beitragen zu der Verwirklichung eines Ethos universaler und gleicher Achtung, zu dem immer wieder neu zu suchenden Dialog der Kulturen. So fordert die neue Konvention auch dazu heraus, der Heilpädagogik einen interkulturellen Horizont zu geben, sie in den Kontext von Armut und Befreiung gegen das Unrecht der Behinderung zu rücken.10 So hat Maria Montessori als großen Fortschritt in der Weiterentwicklung der Menschheit gesehen, dass nur der Mensch stark wird, der anderen hilft. Der menschliche Fortschritt sei darin zu sehen, dass die Gesellschaft den Schwachen und Armen aufhelfe, statt sie zu unterdrücken. Von daher entdeckte die italienische Ärztin und Pädagogin unter den Kindern eine ursprüngliche und offensichtliche Form von Brüderlichkeit.11 Dieses im Grundgesetz vergessene Verfassungsprinzip, das längst überschritten werden muss auf Geschwisterlichkeit, sollte auch fruchtbar werden bei der Demokratisierung des gesamten Bildungswesens. Das Menschenrecht auf integrative und inklusive Bildung gründet in einem konkreten Verständnis menschlicher Würde. Die Behindertenrechtskonvention tritt ein für eine menschliche Zukunft der Verachteten und der Unterdrückten. So wird in der Konvention die menschliche Würde nicht allein als Selbstbestimmung ausgelegt, sondern auch gedeutet als Aufruf zur Überwindung der Armut, als Protest gegen jede Missachtung und Misshandlung eines Menschen, als Proklamation, sich mit erniedrigenden Lebensbedingungen nicht abzufinden. Das Recht auf Bildung richtet sich auf die volle Entfaltung des menschlichen Potentials, auf die Achtung der menschlichen Würde. Von ihren Verletzungen ausgehend, sucht die Konvention nach politischen, kulturellen, pädagogischen, ökologischen und rechtlichen Wegen der Verwirklichung. Es lässt sich auch sagen, dass – im Wissen um die Antastbarkeit der Würde des Menschen – Menschen als Repräsentanten der Menschheit herausgefordert sind, ihre Würde in der des anderen Menschen zu entdecken. In der Sprache des Christentums ist damit ausgesprochen der nicht drohende, wohl lebensverheißende Ruf: „Kehret um, und ihr werdet leben.“12 Dritter Teil: Inklusive Bildung Arnold Köpcke-Duttler, Menschliche Würde und Solidarität der Schwachen. Gedanken zu der Convention on the Rights of Persons with Disabilities, in: Zeitschrift Behinderung und Dritte Welt, Heft 1/2007, S. 19 – 23 11 Maria Montessori, Das kreative Kind. Der absorbierende Geist, 10. Aufl. Freiburg 1994, S. 208 12 10 Reinhard Markowetz kommt in seiner Abhandlung „Inclusive Education – Erziehung, Bildung und Förderung von Kindern mit und ohne Behinderungen / Lernschwierigkeiten in Burkina Faso (Westafrika)“ „auf das Weltbildungsforum“ in Dakar, Senegal, im Jahr 2000 zu sprechen, auf dem die Herausforderungen und Ziele erneut verkündet wurden, wie bereits zehn Jahre zuvor in Jomtien,Thailand, veröffentlicht als „World Declaration on Education for all“. Nach einem internationalen Aktionsplan „Bildung für alle“ wurden unter der Zustimmung einer großen Mehrheit der beteiligten Staaten sechs Bildungsziele benannt, die bis zum Jahr 2015 erreicht werden sollen: Die frühkindliche Bildung solle ausgebaut und verbessert werden. Alle Kinder sollen eine Grundschule besuchen können. Abgesichert werden sollen die Lernbedürfnisse von Jugendlichen. Die Analphabetenquote unter den erwachsenen Menschen soll halbiert werden. Überwunden werden soll das Geschlechtergefälle in den Bildungsprozessen. Die Qualität der Bildungswege soll gesteigert werden. Hier werden Verbindungslinien gezogen zwischen der Konvention über die Rechte des Kindes und der am 13. Dezember 2006 in New York von den Vereinten Nationen verabschiedeten Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung, insbesondere deren Artikel 24 (Menschenrecht auf Bildung, auf „Inclusive Education“). Im Spiegel des UNESCOWeiterbildungsprogramms, der Salamanca-Erklärung des Aktionsplans von Dakar, sollen sozial- und bildungspolitische Realitäten verändert werden in Richtung auf eine Verbesserung der frühkindlichen Förderung und Bildung, eine Steigerung der universellen Grundschulbildung gerade der Kinder aus armen und sozial schwachen Bevölkerungsgruppen und der Kinder mit Behinderungen und Lernschwierigkeiten und in Richtung auf eine Verbesserung der schulischen Lernbedingungen. Im Rahmen des Aktionsplans für das Land Burkina Faso wurden der Bau einer inklusiven Grundschule, einer Lehrerakademie mit inklusionspädagogischer Aus- und Weiterbildung von LehrerInnen, die Inbetriebnahme eines Frühförderzentrums für benachteiligte, behinderte und in ihrer Gesundheit bedrohte Kinder und ihrer Eltern sowie einer Berufsschule für nachhaltiges Bauen vorgeschlagen. In dem Arnold Köpcke-Duttler, Zur Kritik der Qualifizierung von human capital oder Was ist für das Menschenrecht auf Bildung zu tun?, in: Dorothea Kröll (Hrsg.), Bildung = Humankapital?, Hofgeismar 2010 (Tagungsreihe „Zukunftsfähige Schule“ IV), S. 78; Umkehr zum Leben. Nachhaltige Entwicklung im Zeichen des Klimawandels. Eine Denkschrift des Rats der Evangelischen Kirche in Deutschland, Gütersloh 2009, S. 155 Mitglieder-Info • Ausgabe 1/2011 • Seite 19 Schwerpunkt: Von der Integration zur Inklusion Wissen um die engen Zusammenhänge zwischen Behinderung der Lebensmöglichkeiten und aufgezwungener Armut sollen Ernährung, Gesundheit und Rehabilitation für alle Kinder ermöglicht werden, damit sie bald gleichberechtigt aktiv am Leben der Gesellschaft teilhaben können.13 Markowetz geht wie andere davon aus, dass Inklusion als Begriff auf die Entfaltung von Gemeinsamkeiten und die Neuordnung des Zusammenlebens und Zusammenhandelns der Menschen gerichtet und nicht als alleinige Aufgabe der Sonder-, Heil-, Behinderten- und Rehabilitationspädagogik zu verstehen ist, sondern eine transdisziplinäre Aufgabe bedeutet, die den wissenschaftlichen und praxisbezogenen Diskurs über den Umgang mit Gleichheit und Differenz zu führen habe. Er formuliert ein „emanzipatorisch-partizipatorisches Interesse“ daran, sich an der Lösung sozialer Probleme konstruktiv zu beteiligen, Inklusion als Zusammenhalt der ganzen Gesellschaft zu verstehen. Angestrebt werden sollen die Veränderung aller Lebensbereiche und die Sicherung der gesellschaftlichen Teilhabe aller Menschen, was gerade auch in der Behindertenrechtskonvention zum Ausdruck gelangt.14 Vierter Teil: Die Behindertenrechtskonvention und die Elementar-Pädagogik Die Auswirkungen der Behindertenrechtskonvention auf den elementarpädagogischen Bereich hat Sabine Dahm näher untersucht. Um den Begriff der Inklusion näher zu bestimmen, müsse auf die Grundsätze der Behindertenrechtskonvention näher eingegangen werden. Nach Art. 3 der Behindertenrechtskonvention gehören zu den Grundsätzen des Übereinkommens die Achtung der dem Menschen innewohnenden Würde, seiner individuellen Autonomie, die NichtDiskriminierung, die volle und wirksame Teilhabe an der Gesellschaft und die Einbeziehung in sie, die Achtung vor der Unterschiedlichkeit von Menschen mit Behinderungen und die Akzeptanz dieser Menschen als Teil der menschlichen Vielfalt und der Menschheit. Deutlich wird daraus, dass der Konvention ein andeReinhard Markowetz, Inclusive Education – Erziehung, Bildung und Förderung von Kindern mit und ohne Behinderung – Lernschwierigkeiten in Burkina Faso (Westafrika), in: Alois Bürli / Urs Strasser / Anne-Dore Stein (Hrsg.), Integration / Inklusion aus internationaler Sicht, Bad Heilbrunn 2009, S. 326 ff.; ders., Inklusion und soziale Integration von Menschen mit Behinderungen, in: Günther Cloerkes, Soziologie der Behinderten. Eine Einführung, 3. Aufl. Heidelberg 2007, S. 207 – 278 14 s. Irmtraud Schnell / Alfred Sander (Hrsg.), Inklusive Pädagogik, Bad Heilbrunn 2004 13 Mitglieder-Info • Ausgabe 1/2011 • Seite 20 res Verständnis von „Behinderung“ zugrunde liegt: Anders als in § 2 Abs. 1 Sozialgesetzbuch IX wird Behinderung nicht mehr als Abweichung von einem (fiktiven) Normalzustand definiert; vielmehr geht die Konvention aus von dem sogenannten diversity-Ansatz, wonach Menschen mit einer Behinderung selbstverständlich mit allen anderen Menschen zusammenleben und sich ihnen zugehörig fühlen können.15 Gemäß Art. 7 der Behindertenrechtskonvention treffen alle Vertragsstaaten die erforderlichen Maßnahmen, um zu gewährleisten, dass Kinder mit Behinderungen gleichberechtigt mit anderen Kindern alle Menschenrechte und Grundfreiheiten genießen können. Art. 24 verpflichtet die Vertragsstaaten, ein inklusives Bildungssystem auf allen Ebenen und ein lebenslanges Lernen mit dem Ziel zu gewährleisten, die menschlichen Möglichkeiten sowie das Bewusstsein der Würde und das Selbstwertgefühl des Menschen voll zur Entfaltung zu bringen und die Achtung vor den Menschenrechten, den Grundfreiheiten und der menschlichen Vielfalt zu stärken. Menschen mit Behinderungen sollen zur wirklichen Teilhabe an einer freien Gesellschaft befähigt werden. Nach Art. 24 Abs. 2 a) der Behindertenrechtskonvention dürfen Menschen mit Behinderungen nicht aufgrund einer Behinderung vom allgemeinen Bildungssystem ausgeschlossen werden. Im Licht der neuen Menschenrechtskonvention spricht vieles dafür, dass die bisherige Rechtsprechung auch des Bundesverfassungsgerichts in Zukunft keinen Bestand mehr haben wird. In einem Rechtsstreit über die Aufnahme von behinderten Kindern in einen „integrativen Regelkindergarten“, der sich auf § 24 SGB VIII und § 12 des Kindertagesstättengesetzes des Landes Niedersachsen richtet, hat das Bundesverfassungsgericht mit seinem Beschluss vom 10.02.2006 (Az.: 1 BvR 91/06) die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, da sie zumindest unbegründet sei. Mit Rücksicht auf Art. 6 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 3 Satz 2 des Grundgesetzes sei der Staat grundsätzlich gehalten, für behinderte Kinder Einrichtungen bereit zu halten, die auch ihnen eine „sachgerechte Erziehung, Bildung und Ausbildung“ ermöglichten. Danach wäre ein genereller Ausschluss der Möglichkeit einer gemeinsamen Erziehung von behinderten Kindern mit nicht behinderten Kindern nicht zu rechtfertigen. Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss Sabine Dahm, Die UN-Behindertenrechtskonvention und ihre Auswirkungen auf den Elementarbereich, in: KiTa Recht, Heft 3/2010, S. 86 15 Schwerpunkt: Von der Integration zur Inklusion nicht beanstandet, dass der Staat die zielgleiche wie die zieldifferente Erziehung unter den Vorbehalt des organisatorisch, personell und von den sächlichen Voraussetzungen her Möglichen stelle.16 Wenn die betroffenen Kinder aufgrund der Art ihrer Behinderung nicht fähig seien, ohne besondere Hilfe in einem Regelkindergarten an den dort vorhandenen Betreuungsmöglichkeiten teilzuhaben, sei es auch unter den Gesichtspunkten des Kindeswohls verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn diese Kinder auf die Aufnahme in einen heilpädagogischen Kindergarten verwiesen würden. Ein Recht auf Aufnahme in eine „Regelkindergartengruppe“ besteht nicht. Dieser Verweis auf den Besuch eines „Sonderkindergartens“ hält der Gewährleistung des Menschenrechts auf Bildung innerhalb eines inklusiven Bildungssystems nicht mehr stand. Zudem droht die Gefahr, dass ein Vorbehalt des Möglichen, vor allem ein Finanzierungsvorbehalt, einen Verstoß gegen die Rechtsidee der Achtung der dem einzelnen Menschen innewohnenden Würde darstellt. Es kommt hinzu, dass der verfassungsrechtliche Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit auch zu einer neuen Auslegung des Grundgesetzes auffordert; danach ist die Behindertenrechtskonvention auch im Rahmen der Auslegung des Verbots der Diskriminierung von Menschen mit Behinderung (Art. 3 Abs. 3 Satz 2 Grundgesetz) zentral zu beachten mit der Folge, dass eine Abweichung von dem „Grundsatz der Inklusion“ als diskriminierender staatlicher Eingriff in das Recht auf Bildung gedeutet werden kann. Ein inklusives Bildungssystem auf allen Ebenen schließt den Elementarbereich ein, wobei dieser nicht erst seit dem Zeitpunkt der Erfüllung des Rechtsanspruchs auf einen Kindergartenplatz zu dem Bildungssystem gerechnet wird.17 Fünfter Teil: Bildungsplan und Bayerisches Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz In dem Bayerischen Bildungs- und Erziehungsplan für Kinder in Tageseinrichtungen bis zur Einschulung findet sich auch ein Kapitel, das sich Kindern mit Entwicklungsrisiken und (drohender) Behinderung zuwendet. Hier wird der Fortgang von einem aussondernden zu einem integrativen Hilfeangebot dargestellt mit der Aufforderung, das Hilfeangebot für Kinder mit beson- deren Bedürfnissen nicht länger mit deren Aussonderung zu verknüpfen. Der lange Zeit vorherrschenden Ansicht, solche „Problemkinder“ seien in Sondereinrichtungen besser aufgehoben, und dem Aufbau eines ausdifferenzierten Systems von Sondereinrichtungen, das sich dann auch zunehmend auf „Risikokinder“ ausgedehnt hat, wird ein tiefgreifender Wandel entgegengehalten, der in den Fachdiskussionen und im öffentlichen Bewusstsein stattgefunden habe. Ausgehend von internationalen Entwicklungen habe sich in Deutschland die „Idee der integrativen Erziehung“ durchgesetzt.18 Einem der wesentlichen Gründe für die Neuausrichtung, dass die Aussonderung Stigmatisierung und soziale Ausgrenzung begünstige, dann als weitere Gründe hinzugefügt, dass Hilfen für Kinder mit besonderen Bedürfnissen in integrativen Einrichtungen wirksam sich durch die Zusammenarbeit mit Fachdiensten auch sicherstellen ließen, dass Kinder mit besonderen Bedürfnissen von dem positiven Vorbild anderer Kinder profitierten und auch diese und ihre Eltern aus der gemeinsamen Erziehung Anregungen erhielten. Die elementarpädagogischen Diskussionen wurden auch in mehrere transnationale Abkommen und Deklarationen hineingenommen wie die Konvention der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes, die Erklärung der Weltkonferenz über die Erziehung von Kindern mit besonderen Bedürfnissen in Salamanca und in das Sozialgesetzbuch IX (Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen). In dem Bildungs- und Erziehungsplan heißt es dann weiter, dass Kinder mit (drohender) Behinderung gemeinsam mit Kindern ohne Behinderungen in Tageseinrichtungen gebildet, erzogen und betreut werden sollen. Die gemeinsame Erziehung sei eingebettet in einen allgemeinen Prozess der Förderung einer vollen Teilhabe der behinderten Kinder und ihrer Familien am gesellschaftlichen Leben. Aufgerufen wird auch dazu, eine gemeinsame „Integrationsphilosophie“19 bei dem Personal zu fördern, eine Grundüberzeugung, dass Integration notwendig und sinnvoll sei. In Art. 11 des Bayerischen Kinderbildungs- und -betreuungsgesetzes wird ebenfalls von einer integrativen Bildungs- und Erziehungsarbeit in Kindertages einrichtungen gesprochen. Kinder mit Behinderung Bayerisches Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen / Staatsinstitut für Frühpädagogik, München, Der Bayerische Bildungs- und Erziehungsplan für Kinder in Tageseinrichtungen bis zur Einschulung, Weinheim / Basel / Berlin 2003, S. 114 19 ebd. S. 121 18 Rechtsdienst der Lebenshilfe, Heft 4/2006, S. 163 f. Dahm, Der gesetzliche Bildungsauftrag der Kindertageseinrichtungen, in: KiTa Recht 2009, S. 6 ff.; Wiesner / Struck, SGB VIII. Kinder- und Jugendhilfe, 3. Aufl. München 2006, § 24 Rdnr. 7. 16 17 Mitglieder-Info • Ausgabe 1/2011 • Seite 21 Schwerpunkt: Von der Integration zur Inklusion und solche, die von einer Behinderung bedroht sind, sollen nach Möglichkeit gemeinsam mit Kindern ohne Behinderung betreut und gefördert werden, um ihnen eine gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen. Das pädagogische Personal habe die besonderen Bedürfnisse von Kindern mit Behinderung und von Kindern mit drohender Behinderung bei seiner pädagogischen Arbeit zu berücksichtigen. In der Kommentierung wird hier nicht auf menschenrechtliche Erklärungen Bezug genommen, sondern auf § 2 Abs. 1 SGB IX, wonach als behindert alle Personen gelten, deren körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und deren Teilhabe am Leben in der Gesellschaft von daher beeinträchtigt ist. Als Leitprinzipien der Zusammenarbeit bei der Bildung, Erziehung und Betreuung von Kindern mit (drohender) Behinderung werden die soziale Inklusion und der Vorrang präventiver Maßnahmen statuiert, ohne dass auch nur im Mindesten ein Bezug hergestellt würde zu der heilpädagogischen Diskussion. Auch werden Unterscheidungen zwischen dem Begriff der Inklusion und dem der sozialen Inklusion nicht einmal angedeutet.20 Mitmenschlichkeit und gegenseitiges Lernen voneinander sollen als Bildungsziele in integrativen Kindertageseinrichtungen eine hervorragende Rolle spielen.21 Sechster Teil: Aufklärung für Kinder: Das bucklichte Männlein Schon vor über einhundert Jahren wurden behinderte Kinder der besonderen Fürsorge nicht behinderter Kinder anempfohlen. Das zeigt sich zum Beispiel in dem Gedicht „Das bucklige Männlein“, dessen erste von sieben Strophen so lautet: „Will ich in mein Gärtlein gehen, Will mein Zwieblein gießen, Steht ein bucklig Männlein da, fängt gleich an zu niesen.“ Für Hans-Peter Schmidtke findet die Inklusion des Kindleins in der Fürbitte der nicht behinderten Kinder am Ende des Gedichts statt, wo es heißt: Hans-Jürgen Dunkl / Hans Eirich, Bayerisches Kinderbildungsund -betreuungsgesetz, München 2006, S. 60 21 Heike Jung / Simon Lehner, Bayerisches Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz, Stuttgart u.a. 2007, S. 108 20 Mitglieder-Info • Ausgabe 1/2011 • Seite 22 „Liebes Kindlein, ach ich bitt’, Bet’ für’s bucklig Männlein mit!“ Diesen „Inklusionsansatz“ hält Schmidtke gleichwohl für befremdlich. Inklusion in einem menschlich überzeugenden Sinne meine nicht in erster Linie eine besondere Fürsorge, die wir einem Kind mit Behinderungen angedeihen lassen und durch die wir es zum „Objekt“ machen, sondern seine selbstverständliche Teilhabe als ein vollwertiges Mitglied einer Kindergruppe, die freundliche wechselseitige Anerkennung des Unterschiedenseins. In der Fortführung seiner Abhandlung über die Erklärung von Salamanca fragt Schmidtke weiter, wie aus Utopien Realität werden und wendet seinen Blick in interkultureller Absicht nach Costa Rica. Dabei fällt ihm der folgende Satz des japanischen Philanthropen Ryoichi Sasakawa ein, der, in die spanische Sprache übersetzt, dies gesagt haben soll: „Feliz la madre costricense que al parir ya sabe que hijo nunca será soldado!“ („Glücklich die costarikanische Mutter, die schon bei der Geburt weiß, dass ihr Sohn nie Soldat sein wird!“). Den geschichtlichen Hintergrund dieser Worte bildet, dass im Jahr 1948 der damalige Präsident José Figueres Ferrer und seine Regierung begannen, das Militär im Land aufzulösen. Costa Rica wurde zum einzigen Land der Welt, das ohne eine Streitmacht als Zeichen nationaler Stärke auskommt. Die folgenden Regierungen investierten die jetzt freigewordenen Gelder in das Gesundheitsund Bildungswesen. Diese politische Grundentscheidung spricht dafür, eine pazifistische Tradition mit heilpädagogischen Entwürfen zu verbinden. So führt am Schluss seiner Abhandlung Schmidtke ein Gedicht des buckligen Männleins aus, in dem es für die eigene wahre Integration und die aller anderen Kinder mit besonderem Förderbedarf eintritt: „Worum ich Dich aber am meisten bitte, lieber Gott: Gib allen Regierungen dieser Erde die Kraft Costa Ricas, ihre Militärs nach Hause zu schicken und das eingesparte Geld in ihre Gesundheits- und Erziehungsbereiche zu investieren.“22 Hans-Peter Schmidtke, Die Erklärung von Salamanca – unterschiedliche Realisierung der Integration / Inklusion, in: Alois Bürli / Urs Strasser / Anne-Dore Stein (Hrsg.), Integration / Inklusion aus internationaler Sicht, Bad Heilbrunn 2009, S. 273; s. a. Schmidte, Sonderpädagogik in Spanien ..., in: Vierteljahresschrift für Heilpädagogik und ihre Nachbargebiete, 69. Jahrgang 2000, S. 305 – 309. – Zu dem Recht auf Bildung als einem „Empowering Right“, zu einem Recht, das zur gesellschaftlichen Partizipation, zur Selbstbestimmung und zur Selbstverantwortung ermächtigt siehe Sibylle Hausmanns, Über die Mühen der Ebenen. Kinderrechte für Kinder mit Behinderungen und ihre Umsetzung in Deutschland, in: Gemeinsam leben, Heft 1/2008, S. 21 22 Schwerpunkt: Von der Integration zur Inklusion Walter Benjamin, der Freund der Schönheit und des Schreckens der Kindheit und des Umherirrens, hat in seinen Rundfunkvorträgen „Aufklärung für Kinder“ von Caspar Hauser erzählt, von der Hilflosigkeit, Blödheit und Unwissenheit des verwildert aufgefundenen Knaben, die in schreiendstem Gegensatz zu seinen großartigen Gaben und edlen Charakteranlagen standen, von einem rätselhaften Findling unbekannter Herkunft.23 In Benjamins „Berliner Kindheit um Neunzehnhundert“ irrlichtert das bucklichte Männlein herum, vor dem dem Kind graust, das es verstört, das es nie gesehen hat. Immer nur sah das Männlein das Kind, je schärfer, je weniger es von sich selber sah. „Ich denke mir, dass jenes ‚ganze Leben’, von dem man sich erzählt, dass es vorm Blick der Sterbenden vorbeizieht, aus solchen Bildern sich zusammensetzt, wie sie das Männlein von uns allen hat. Sie flitzen rasch vorbei wie jene Blätter der straff gebundenen Büchlein, die einmal Vorläufer unserer Kinematographen waren ... Das Männlein hat die Bilder auch von mir.“24 Das bucklichte Männlein lässt den Schmerz um das unwiederbringlich Verlorene aufleuchten und wird zur „Allegorie des eigenen Untergangs“.25 Die Kindheit ist hier nicht gefangen in einer Idylle, die schauern lässt; über ihr liegt der Schatten der Herrschaft des Nationalsozialismus. In der Verzweiflung gibt sich dem Kind Walter Benjamin, Aufklärung für Kinder. Rundfunkvorträge. Herausgegeben von Rolf Tiedemann, Frankfurt 1985, S. 121 24 Benjamin, Berliner Kindheit um Neunzehnhundert, Frankfurt 1975, S. 165 f. 25 Nachwort zu: Benjamin, Berliner Kindheit um Neunzehnhundert, ebd. S. 169 23 der Trost, in dem Unheil den Kindern die Zärtlichkeit, nach der alle – einsam und gemeinsam – suchen voller Anmut und unergründlich. Das bucklichte Männlein offenbart die Rettung und Bergung der Ursprungskraft des Kindes, der nicht verlorenen Kindheit, und lässt die Empathie für die Verstümmelungen des menschlichen Daseins aufwachen. Diesen Vortrag hielt Prof. Dr. Köpcke-Duttler am 9. Dezember 2010 anlässlich der Fachberatertagung des Landesverbandes in Augsburg. Prof. Dr. Arnold Köpcke-Duttler Der Jurist und Diplom-Pädagoge arbeitet als Rechtsanwalt in Marktbreit bei Würzburg. Er hat als außerplanmäßiger Professor am Fachbereich Erziehungs- und Humanwissenschaft der Universität Würzburg gelehrt und hatte Lehraufträge an der Universität Würzburg inne, die Fragen des Jugendrechts, der Kinderrechte, des Schulrechts und der interkulturellen Bildung betrafen. Zu seinen thematischen Schwerpunkten gehören insbesondere die Rechte von Kindern, von Menschen mit Behinderung, von alten Menschen sowie interdisziplinäre Fragestellungen zwischen Rechtswissenschaft und Pädagogik. Prof. Dr. Köpcke-Duttler ist Justitiar des Montessori Landesverbandes Bayern und gehört dem Vorstand des Montessori-Dachverbands Deutschland an. Inklusion – ein Thema der caritas Der Deutsche Caritasverband hat sich in jüngster Zeit mehrfach mit dem Thema Inklusion beschäftigt. So hat der Vorstand im September 2010 ein Diskussionspapier vorgelegt. Dier Fachtagung „Inklusion jetzt – oder erst später? Vernetzung aller Hilfen für Kinder und Jugendliche mit Behinderung“ im Oktober 2010 bot Gelegenheit, die Positionen im Verband und interdisziplinär zu diskutieren.: l Deutscher Caritasverband.Vorstand (2010): Selbstbestimmte Teilhabe für Kinder und Jugendliche mit Behinderung durch inklusive Bildung – Handlungsbedarf gemäß der UN-Behindertenrechtskonvention. Ein Diskussionspapier, Freiburg Das Papier steht auf der Homepage des Bundesverbandes als Download zur Verfügung: http://www.caritas.de/2041.html l „Inklusion jetzt – oder erst später? Vernetzung aller Hilfen für Kinder und Jugendliche mit Behinderung“. Dokumentation der Fachtagung vom 19./20. Oktober 2010 in Freiburg Die Dokumentation steht als Download auf der Homepage des Verbandes zur Verfügung: http://www.cbp.caritas.de/ Mitglieder-Info • Ausgabe 1/2011 • Seite 23 Schwerpunkt: Von der Integration zur Inklusion Helga Schneider Über den Schatten springen Inklusive Organisationsentwicklung und inklusive Didaktik in Kindertageseinrichtungen 40 Jahre Initiativen zur gemeinsamen Bildung und Erziehung in Deutschland Bereits zu Beginn der 1970er Jahre hat der Deutsche Bildungsrat – damals mit Blick auf die schulische Sonderpädagogik – einen pädagogischen Richtungswechsel hin zur Integration empfohlen (Deutscher Bildungsrat 1974). Inzwischen sind beinahe 40 Jahre vergangen, und während Integration im Regelschulsystem vor allem in Bayern noch die große Ausnahme darstellt, ist sie in unseren Kindertageseinrichtungen weitgehend selbstverständlich geworden1. Kinder aus deutschen Herkunftsfamilien und Kinder mit Migrationshintergrund, Mädchen und Jungen aus unterschiedlichen sozio-ökonomischen Milieus und Kinder mit Entwicklungsbeeinträchtigung oder Behinderung kommen in der Kindertageseinrichtung ihrer Gemeinde bzw. ihres Wohnumfeldes zusammen um miteinander zu spielen, zu lernen und eine Kultur des Zusammenlebens zu entwickeln. Die Berücksichtigung individueller Vielfalt und Unterschiedlichkeit gehört heute in vielen Kindertageseinrichtungen zum pädagogischen Alltag. Bisher bestand die konzeptionelle Antwort auf die Heterogenität der Kinder und Familien meist in der Integration einzelner Kinder oder bestimmter Gruppen von Kindern, die aufgrund spezifischer Merkmale einen erschwerten Zugang zu regulären Kindertageseinrichtungen hatten bzw. bis heute noch haben. Ausgangspunkt von Integration ist dabei vielfach die Wahrnehmung einer Abweichung von einem gedachten Normzustand: Ein Kind ist anders als die Mehrheitsgruppe und soll inteDerzeit besucht deutschlandweit ungefähr die Hälfte aller Kinder mit Behinderung einen Regel- oder Integrationskindergarten. Dabei sind große Unterschiede hinsichtlich der Integrationsquoten auf der Ebene der Bundesländer feststellbar. Während z. B. in Thüringen, Berlin und Bremen nahezu alle Kinder mit Behinderung im Vorschulalter in eine integrative Kindertageseinrichtung gehen, beträgt deren Anteil in Bayern rund 75 %, in Sachsen 55 % und in Niedersachsen nur rund 42 % (BMFSFJ 2009, 192f.). Insgesamt hat etwas über ein Viertel der Kindergärten in Deutschland mindestens ein Kind mit Behinderung aufgenommen (Riedel 2007, 145). Dies bedeutet jedoch auch, dass etwa drei Viertel der Kinder in den re gulären Kindertageseinrichtungen keinerlei Kontakt zu Kindern mit Behinderung haben. 1 Mitglieder-Info • Ausgabe 1/2011 • Seite 24 griert werden. In jüngerer Zeit ist bei uns ein aus dem Englischen stammender Begriff für die gemeinsame Erziehung von Kindern unterschiedlicher soziokultureller Herkunft und Fähigkeitsniveaus gebräuchlich geworden: Inklusion. In diesem Vortrag geht es zunächst darum, die Begriffe Integration und Inklusion zueinander ins Verhältnis zu setzen. Anschließend werde ich die Leitidee der Inklusion auf zwei zentrale Bereiche hin konkretisieren: Zuerst mit Blick auf die Bildungsarbeit und danach in Bezug auf Organisationsentwicklung in Kindertageseinrichtungen. Mit Hinweisen zu möglichen Fehldeutungen von Inklusion und einem Plädoyer für eine reflexiv-kritische Inklusionsperspektive enden diese Ausführungen. Integration – Inklusion: Rhetorisches Wortspiel oder substantieller Unterschied? Der lateinische Begriff integratio bedeutet im Deutschen Wiederherstellung eines Ganzen, (Wieder-) Herstellung einer Einheit (Duden 2007). Integrationsprozesse können in verschiedensten Bereichen statt finden, z. B. in der Biologie, d. h. bei den lebenden Organismen, aber auch in sozialen, institutionellen und gesellschaftlichen Bezügen, zu denen Menschen gehören und in denen sie sich täglich bewegen, wie etwa in der Familie oder im Beruf. In den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts sind bereits differenzierte (sonder-)pädagogische Konzepte zu Integration ausgearbeitet worden, die wesentliche Aspekte der heutigen Auffassung von Inklusion enthalten. Als Beispiel möchte ich das Modell integrativer Prozesse skizzieren (Reiser u. a. 1986), welches von einer Wechselbeziehung zwischen Individuum und Gesellschaft ausgeht und zeigt, dass es sich bei Integration um ein komplexes und auf mehreren Ebenen ablaufendes Geschehen handelt. Reiser unterscheidet vier Ebenen integrativer Prozesse: a) Die subjektive Ebene beim einzelnen Menschen. Hier geht es um die Integration widersprüchlicher Schwerpunkt: Von der Integration zur Inklusion Aspekte der eigenen Psyche zu einer kohärenten Persönlichkeit. b) Auf der interaktionellen Ebene konkretisiert sich Integration vor allem im Miteinander-Tätig-Werden. Hier geht es darum, sich in soziale Beziehungen einzubringen, andere in ihrem So-Sein zu respektieren und kooperativ zu handeln. Der Bezug zur Sache und der Gruppenbezug sind dabei miteinander verbunden. c) Auf der institutionellen Ebene schlägt sich Inte gration vor allem in dem in pädagogischen Konzepten formulierten Sachauftrag der öffentlichen Bildungs- und Erziehungseinrichtungen nieder. d) Auf der gesellschaftlichen Ebene sind die normativen Grundlagen von Integration in Form von Gesetzen und Verordnungen verankert. Gesellschaftliche Wertvorstellungen und Normen spiegeln sich sowohl im Auftrag öffentlicher Bildungs- und Erziehungseinrichtungen wider als auch in den Selbstdefinitionen der dort Tätigen. Integrationsprozesse auf der gesellschaftlichen Ebene können nicht mehr allein durch pädagogisches Handeln bewirkt werden (Reiser u. a. 1986, 121). Integrationsentwicklung als Mehrebenen-Prozess bezieht innerpsychische, interaktionale, institutionelle und gesellschaftliche Aspekte ein. Die damit verbundenen Einigungsvorgänge beinhalten den Verzicht auf die Ausgrenzung oder Verfolgung des Andersartigen. Sie sind darauf ausgerichtet zu entdecken, was gemeinsam möglich ist und vorhandene Unterschiedlichkeit zu akzeptieren. Eine solche Vorstellung von Integration ist dem neueren Inklusionskonzept sehr ähnlich. Inklusion (lat. inclusio) bedeutet wörtlich Einschließung, Einschluss bzw. das Enthalten-Sein (Duden 2007). Das Konzept Inklusion geht über den Blick auf einzelne Merkmale von Heterogenität und Differenz hinaus (z. B. Migration, Behinderung), indem es weitere Dimensionen menschlicher Verschiedenheit einbezieht. Dazu gehören vor allem Zugehörigkeiten zu sozialen Schichten und Milieus, ökonomische Lebenslagen, kulturell geprägte Auffassungen von Geschlechtsrollen sowie religiöse und weltanschauliche Verortungen. Sowohl das Integrations- als auch das Inklusionskonzept zielen auf Einheit, Enthalten-Sein, auf Ganzheit ab, die es zu verwirklichen gilt. Auf der begrifflich-theoretischen Ebene kann deshalb eine hohe Übereinstimmung in Bezug auf den Bedeutungsgehalt der Begriffe Integration und Inklusion festgestellt werden. Obwohl für Integration spätestens seit Ende der 80er Jahre differenzierte wissenschaftliche Ausarbeitungen vorlagen, blieb die praktische Umsetzung in Deutschland vielfach hinter diesem Stand zurück. In den Kindertageseinrichtungen ist Integration dabei nicht selten in einer pragmatischen Weise verstanden und umgesetzt worden: Kinder, die aufgrund eines spezifischen Merkmals nicht ohne weiteres Zugang zu einer Regel-Kindertageseinrichtung hatten, wurden dann aufgenommen, wenn ihr Anderssein sich im Rahmen des Integrierbaren bewegte – vor dem Hintergrund der jeweils abrufbaren Personal-, Wissens- und Könnensressourcen. Pragmatische Auffassungen von Integration gehen nicht selten unausgesprochen davon aus, dass es ein Nebeneinander unterschiedlicher Gruppen von Menschen gibt: Solche, die als normal gelten und andere, die aufgrund einer Abweichung nicht dazu gehören und deshalb in die Gruppe der sogenannten Normalen integriert werden sollen. Menschen, die als integrierbar angesehen werden, können in die für die Mehrheit der Bevölkerung üblichen Formen sozialer und kultureller Teilnahme einbezogen werden. Hierbei gibt es jedoch keine Verpflichtung zur Integration. Seitz spricht deshalb von einem „dualen System“ (2003, 92) in Bezug auf die Möglichkeiten gesellschaftlicher Mitwirkung. Dabei haben Menschen, die von der NormalGruppe nur wenig abweichen, die meisten Chancen auf Einbeziehung. Eine solche, vor allem an den gegebenen Verhältnissen und am praktisch Machbaren orientierte und damit verkürzte Umsetzung von Integration in Deutschland ist in den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts u. a. vor dem Hintergrund der außereuropäischen Inklusionsentwicklung, insbesondere in Kanada und den USA, zunehmend hinterfragt worden. Wichtige Anstöße auf dem Weg zu einer kritischeren Betrachtung der integrativen Praxis hat darüber hinaus die UNESCO-Konferenz „Special Needs Education: Access and Quality“, die 1994 in der spanischen Stadt Salamanca durchgeführt worden ist, gegeben. Ein wesentliches Ergebnis dieser Veranstaltung war die sogenannte Salamanca-Erklärung über Prinzipien, Politik und Praxis der Pädagogik für besondere Bedürfnisse. In der englischsprachigen Originalversion dieser Erklärung wird an zentralen Stellen den Begriff inclusion gebraucht, z. B. wenn für den Elementarbereich gefordert wird: ”Programmes at this level should recognize the principle of inclusion … .” (UNESCO 1994, 33). Mitglieder-Info • Ausgabe 1/2011 • Seite 25 Schwerpunkt: Von der Integration zur Inklusion Die deutschsprachige Übersetzung übernimmt diesen Begriff jedoch nicht wortgetreu als Inklusion sondern übersetzt Inclusion mit Integration. Damit ist die in Deutschland bis heute beobachtbare uneinheitliche Begriffsverwendung in Bezug auf Inklusion mit ermöglicht worden. Unter Inklusion ist demnach einmal ein neues Konzept für ein nicht-aussonderndes Bildungssystem in einer anzustrebenden nicht-aussondernden Gesellschaft zu verstehen, das vieles von dem aufweist, was in den Integrationstheorien der 80er Jahre bereits formuliert worden ist. Andererseits wird Inklusion auch als Synonym für Integration verwendet, ohne weiter nach dem theoretischen Verständnis und der Art der Umsetzung zu fragen. Da Integration sehr unterschiedlich verstanden werden kann, je nachdem ob man mehr auf den Stand der wissenschaftlichen Theoriebildung oder auf die verschiedenen Integrationspraxen in den Einrichtungen zur Bildung, Erziehung und Betreuung von Kindern blickt, nimmt es nicht Wunder, dass sich an der begrifflichen Auslegung von Inklusion und Integration bis dato immer wieder Kontroversen entzündet haben. Die aktuelle Inklusionsdebatte bietet eine Chance, von dem noch immer weit verbreiteten Zwei-GruppenDenken, welches nach normal und abweichend unterscheidet, Abschied zu nehmen, Unterschiede zwischen Menschen in einer neuen Weise zu betrachten und darauf aufbauend pädagogisch anders mit der interindividuellen Differenz und soziokulturellen Diversität von Kindern und Familien umzugehen. Inklusion ist unteilbar und schließt alle Menschen ein. Sie zielt auf eine Lebenswelt ohne Ausgrenzung. Aus einer lebensweltlichen Perspektive besteht ihr Kern vor allem in der Anerkennung von Unterschiedlichkeit zwischen Menschen auf der Basis elementarer Gleichheit. Dies beinhaltet Respekt und Offenheit gegenüber Heterogenität, gegenseitige Kenntnis der interindividuellen Unterschiedlichkeiten und Räume des Miteinanders (Thiersch, Grundwald & Köngeter 2005, 173). Der Inklusionsbegriff umschreibt eine gesellschafts-, sozial- und bildungspolitische Leitidee, die in internationalen Übereinkünften, in nationalem Recht und in pädagogischen Theorien und Konzepten konkretisiert worden ist. Inklusion in Kindertageseinrichtungen: Organisationsentwicklung und Didaktik Wenn sich Leitung, pädagogische Fachkräfte und Träger entscheiden, ihre Kindertageseinrichtung entspre- Mitglieder-Info • Ausgabe 1/2011 • Seite 26 chend der Leitidee von Inklusion weiter zu entwickeln, so betrifft dies zwei Bereiche in besonderer Weise: Das Selbstverständnis als Organisation und die elementarpädagogische Bildungsarbeit. Was es heißt, die Anerkennung von Gleichheit auf diesen Ebenen auszubuchstabieren, möchte ich im Folgenden näher beleuchten. Inklusive Organisationsentwicklung: Eine willkommen heißende Kindertageseinrichtung werden und sein Inklusion im Kontext von Bildung, Erziehung und Betreuung zielt auf ein anregendes und förderliches Miteinander unterschiedlichster Mehr- und Minderheiten. Dabei geht es um wechselseitiges Lernen und gegenseitige Annäherung mit dem Ziel, die individuellen Teilhabe- und Mitwirkungsmöglichkeiten zu stärken und demokratische Gemeinschaften aufzubauen. Inklusive Kindertageseinrichtungen sind deshalb bestrebt, alle Formen von Ausgrenzung zu reduzieren und gemeinsames Spielen, Lernen und Partizipation für alle Kinder der Einrichtung zu ermöglichen. Wenn hier von Barrieren die Rede ist, so soll damit verdeutlicht werden, dass nicht nur die individuellen Besonderheiten oder Beeinträchtigungen einzelner Kinder Kooperation, gemeinsames Lernen und Spiel behindern. Vielmehr entsteht Behinderung oder Ausgrenzung vor allem durch bestimmte soziale Haltungen und Einstellungen, die maßgeblich von der Mehrheitsgruppe hervorgebracht werden sowie deren soziales Handeln. Wenn sich die Verantwortlichen einer Kindertageseinrichtung entscheiden, Bildung, Erziehung und Betreuung im Sinne von Inklusion weiterzuentwickeln, so ist damit ein vielschichtiger Entwicklungsprozess verbunden. Denn es reicht nicht, einfach nur alle Kinder des Wohnumfeldes aufzunehmen und dabei sein zu lassen. Es kommt darauf an, die heterogenen Bedürfnisse und Fähigkeiten der Kinder, die unterschiedlichen Vorstellungen und Interessen auf Seiten der Familien, die ebenfalls unterschiedlichen Kompetenzen und Sichtweisen des Personals sowie die materiellen und kulturellen Ressourcen der Einrichtung und ihres Umfeldes in einem stimmigen Gesamtkonzept zu verknüpfen. Wie kann eine Kindertageseinrichtung diesen vielfältigen Aspekten gerecht werden? Der von Tony Booth und Mel Ainscow in England entwickelte und in mehr als 20 Sprachen übersetzte Index für Inklusion kann konkrete Anregungen für die Inklusionsentwicklung in Kindertageseinrichtungen Schwerpunkt: Von der Integration zur Inklusion geben. Er stellt ein praxisnahes Instrument zur Verfügung, um gemeinsames Spiel, Lernen und Partizipation aller Kinder in der Einrichtung zu stärken und steht auch in einer deutschen Übersetzung zur Verfügung (Booth, Ainscow & Kingston 2006, 21). Die Autoren des Index schlagen vor, für die Weiterentwicklung einer Kindertageseinrichtung entsprechend der Leitidee von Inklusion die folgenden drei Dimensionen ins Auge zu fassen: • Die Entfaltung inklusiver Kulturen in Kindertageseinrichtungen. Hier geht es darum, miteinander eine Gemeinschaft zu bilden und inklusive Werte zu fördern. Dazu gehört vor allem die Bildung einer sicheren, akzeptierenden, kooperativen und anregenden Gemeinschaft, in der jede und jeder geschätzt wird als Grundlage für die Entwicklung von Spiel, Lernen und Partizipation. Gemeinsam geteilte Werte, wie die Gleichachtung aller Menschen in ihrer Verschiedenheit, Respekt und Solidarität bilden hierfür das Fundament. • Die Etablierung inklusiver Leitlinien in Planung, Leitung und Management. Diese zielen darauf, eine Kindertageseinrichtung für alle Kinder des Wohnumfeldes zu entwickeln und die Unterstützung von Vielfalt zu organisieren. Dabei geht es vor allem darum, mit dem Angebot der Einrichtung möglichst alle Kinder der Gemeinde bzw. des Wohnumfeldes zu erreichen und evtl. bestehende Ausgrenzungstendenzen zu minimieren. Als förderlich werden alle Strategien und Maßnahmen betrachtet, die die Kompetenz der Einrichtung erhöhen, auf die Vielfalt der Kinder angemessen einzugehen. • Die Entwicklung einer inklusiven Praxis. Hier geht es darum, Spielen, Lernen und Partizipation für Kinder zu gestalten und hilfreiche Ressourcen dafür zu mobilisieren. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage, inwieweit die Aktivitäten, die Betätigungsund Mitwirkungsmöglichkeiten in der Kindertageseinrichtung die Vielfalt und Unterschiedlichkeit der Kinder sowie die Vielfalt ihrer Umgebung aufgreifen. Kinder und Eltern werden ermutigt, ihr Wissen und ihre Erfahrungen einzubringen. Die Leitung und die Fachkräfte erkennen und aktivieren Ressourcen um Spiel, Lernen und Partizipation in allen wichtigen Bereichen zu fördern: Auf der Einrichtungsebene, auf der Ebene von Träger, Fachaufsicht und Fachberatung sowie im sozialräumlichen Umfeld der Kinder und Familien. Um die Inklusionsentwicklung in einer Kindertageseinrichtung zu unterstützen, empfehlen Booth und Ainscow die Einbeziehung eines kritischen Freundes bzw. einer kritischen Freundin. Dieser bzw. diese kann helfen, sicherzustellen, dass wichtige Themen, bei denen die Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter unterschiedlicher Meinung sind, nicht umgangen werden. Der kritische Freund bzw. die kritische Freundin könnte auch ein Angebot an die Kinder sein, ihre Vorstellungen vom gemeinsamen Spielen, Lernen und von Mitwirkung zum Ausdruck zu bringen(ebd., 34). Inklusionsentwicklung in Kindertageseinrichtungen ist kein zeitlich oder inhaltlich begrenztes Projekt, das sich auf bestimmte Teilbereiche der pädagogischen Arbeit bezieht und nach einer definierten Dauer ohne weiteres wieder abgeschlossen werden kann. Die Frage nach Inklusion weist eine unmittelbare Verbindung mit der Frage nach den der pädagogischen Arbeit zugrunde liegenden Menschenbild-, Bildungs- und Gesellschaftsvorstellungen auf und betrifft damit das Fundament jeder Arbeit mit Kindern und Familien. Menschen, Institutionen und gesellschaftliche Bedingungen können sich verändern. Deshalb ist Inklusionsentwicklung ein prinzipiell unabschließbarer Prozess, der sowohl die institutionellen Strukturen als auch die für wichtig gehaltenen Bildungsvorstellungen und die sozialen Praxen im Einrichtungsalltag immer wieder auf ihren Beitrag zu einem förderlichen Umgang mit menschlicher Vielfalt und Unterschiedlichkeit befragt. Inklusive Didaktik: Einbeziehung von Vielfalt und Subjektorientierung Mit der Einführung von Bildungsplänen für Kindertageseinrichtungen in allen Bundesländern sind in den vergangenen Jahren die Grundlagen für die Verankerung eines ko-konstruktiven Bildungsverständnisses und einer individualisierten Planung der Bildungsarbeit in Kindertageseinrichtungen geschaffen worden. Die Einbeziehung von Kindern mit besonderem Förderbedarf, von Kindern mit Migrationshintergrund, mit Armutserfahrung oder psychosozialen Belastungen machen die Kindertageseinrichtung zu einem Spiegel der Gesellschaft. Wie kaum eine andere Bildungseinrichtung bietet die Kindertageseinrichtung Kindern aus allen gesellschaftlichen Gruppierungen und Milieus einen Ort für gemeinsames Spiel, Lernen und Partizipation. Besonders Kindertageseinrichtungen, die seit langem und engagiert Integration praktizieren, sind sich dessen bewusst, dass es mit der blo- Mitglieder-Info • Ausgabe 1/2011 • Seite 27 Schwerpunkt: Von der Integration zur Inklusion ßen Hereinnahme bestimmter Minderheiten in die Kita nicht getan ist, weil es eben nicht nur zwei Arten von Kindern gibt. Vielmehr zeigt sich bei genauerer Betrachtung ein vielfältiges Bild von Gemeinsamkeiten und Unterschiedlichkeiten, von Potentialen und Unterstützungsbedarfen, die sich in der einfachen Kategorisierung von „behindert – nicht behindert“ oder „Migrationshintergrund – kein Migrationshintergrund“ nicht fassen lassen. Eine noch zu entwickelnde inklusive Didaktik und Methodik des Elementarbereichs wird deshalb vor der Aufgabe stehen, pädagogische Ziele, Inhalte und Methoden systematisch auf heterogene Gruppen hin zu formulieren und vor allem für das Bildungshandeln der Fachkräfte Orientierung und praktische Anleitung zu geben. Im Bereich der Schul- bzw. der Sonderpädagogik liegen bereits Ausarbeitungen vor, die dafür anregend sein können. Als pädagogische Antwort auf die in allen Bildungsund Erziehungseinrichtungen gegebene menschliche Heterogenität hat Annedore Prengel bereits zu Beginn der 90er Jahre eine Pädagogik der Vielfalt vorgeschlagen (Prengel 2006). Dabei handelt es sich um einen Entwurf, der nach Prengel in drei pädagogischen Strömungen verwurzelt ist: • in der interkulturellen Pädagogik, verstanden als pädagogischer Beitrag zum Zusammenleben unterschiedlicher Kulturen in einer Gesellschaft, • in der geschlechtergerechten Pädagogik, im Sinne eines Beitrags der Pädagogik zu einer Neugestaltung des Geschlechterverhältnisses sowie • in der integrativen Pädagogik, verstanden als pädagogischer Beitrag zur Nichtaussonderung von Menschen mit Behinderung (Prengel ebd., 12). Eine Pädagogik der Vielfalt ist zu allererst der Demokratie und dem emanzipatorischen Bildungsziel der Mündigkeit verpflichtet. Dabei verbindet sie moderne demokratische Prinzipien mit einer postmodernen Öffnung für Pluralität (ebd., 16 f.). Der Knotenpunkt dieser beiden Stränge wird von dem Konzept der Anerkennung gebildet, das sich nach Axel Honneth (1992) in drei Dimensionen entfalten lässt: • in der Dimension der Anerkennung als Person in intersubjektiven Beziehungen, • in der Dimension der Anerkennung gleicher Rechte (hier auch im Sinne gleicher Bildungszugänge) und • in der Dimension der Anerkennung der Zugehörig- Mitglieder-Info • Ausgabe 1/2011 • Seite 28 keit zu kulturellen bzw. subkulturellen Gemeinschaften (Prengel ebd., 185). Der Entwurf einer Pädagogik der Vielfalt wird für den Bereich der Schule in 17 Thesen konkretisiert, die darauf gerichtet sind, allen Schülerinnen- und Schülergruppen einen gleichberechtigten Zugang zu materiellen und personellen Ressourcen zu gewähren, damit auf der Basis einer solchen Gleichberechtigung die jeweils besonderen, vielfältigen Lern- und Lebensmöglichkeiten entfaltet werden können (ebd., 185). Dieses Ziel einer gleichberechtigten Teilhabe an den Ressourcen von Bildungseinrichtungen kann für den Elementarbereich in gleicher Weise Geltung beanspruchen. Die von Prengel beschriebenen Elemente einer Pädagogik der Vielfalt beziehen sich z. B. auf die „Selbstachtung und Anerkennung der Anderen“, auf die „Aufmerksamkeit für die individuelle und kollektive Geschichte“ oder auf „Verschiedenheit und Gleichberechtigung als institutionelle Aufgabe“ (ebd., 184-196). Aus elementarpädagogischer Sicht besonders interessant erscheint das Verständnis von Übergängen in diesem Konzept. Übergänge beinhalten nach Prengel vor allem das Kennenlernen der Anderen, welches bei der Aufmerksamkeit für die jeweils eigene Besonderheit beginnt und – vermittelt über persönliche Neugierde – den Bogen spannt hin zu der Besonderheit der oder des Anderen. Es geht also weniger um die Bewältigung eines Übergangs, sondern eher um das Sich-Öffnen durch Neugierig-Werden, und zwar sowohl auf sich selbst als auch auf die Anderen. Das Interesse, kennen lernen zu wollen, lässt die Einmaligkeit des oder der Einzelnen bestehen und versucht, diese zu begreifen. Eigene Erfahrungen ausdrücken, mitteilen, zuhören und zuschauen, was bei anderen vorgeht, was sie empfinden, lernen und für wichtig halten, sind Facetten einer Gemeinsamkeit, in der Individualität nicht stört, sondern Raum findet und ausgestaltet werden kann. Gemeinsamkeit entsteht hier durch die Begegnung des Verschiedenen und nicht durch Angleichung aneinander oder durch Angleichung an eine abstrakte Norm (ebd., 186f.). An diesem Beispiel kann deutlich werden, wie im Rahmen einer Pädagogik der Vielfalt die Idee der Menschenwürde und der elementaren Gleichheit mit der Achtung des Verschiedenen verknüpft sind. Zugleich eröffnet sie einen Raum, in dem kultureller Reichtum entfaltet und demokratische Geschlechterverhältnisse etabliert werden können (ebd., 13). An dieser Stelle Schwerpunkt: Von der Integration zur Inklusion werden die eingangs genannten Wurzeln dieses pädagogischen Entwurfs – die interkulturelle Pädagogik, die geschlechtergerechte Pädagogik und die integrative Pädagogik wieder erkennbar. Annedore Prengel hat damit grundlegende Elemente einer inklusiven Pädagogik hergeleitet und beschrieben. Der nachfolgend skizzierte pädagogische Zugang lässt sich deutlicher als didaktisch-methodischer Beitrag im Sinne einer inklusiven Bildung charakterisieren. Ich beziehe mich hier auf Georg Feuser, der als Alternative zu den zahlreichen schulischen SonderPädagogiken schon in den 80er Jahren eine Allgemeine (integrative) Pädagogik ausgearbeitet hat. Ihr handlungspraktisches Zentrum wird von einer subjekt orientierten und entwicklungslogischen Didaktik gebildet (u. a. 1999, 2002). Feuser geht davon aus, dass Sinn und Bedeutung für den Menschen die führenden und motivbildenden Orientierungen darstellen, an denen Bildung anzusetzen hat. Gleichzeitig betont er die Bedeutung sozialer Austauschprozesse für die Konstitution einer personalen Identität. So knüpft er beispielsweise an Martin Buber an, der die Bedeutung des anderen für die eigene Personwerdung in dem Satz gebündelt hat: „Der Mensch wird am Du zum Ich“ (1965, 32). Feuser variiert diesen Ausdruck und gibt ihm eine subtile Dramatik, wenn er in Anlehnung an Buber sagt: „Der Mensch wird zu dem Ich, dessen Du wir ihm sind“ (1999). Das Streben nach Sinn und die Angewiesenheit auf ein wahrnehmendes, anerkennendes und im besten Falle förderliches Gegenüber bildet die Grundlage seiner allgemeinen (integrativen) Pädagogik. Diese ist durch zwei Prinzipien gekennzeichnet: auf den Erkenntnisgewinn der Kinder und weniger auf Wissensakkumulation hin orientiert. Um diese praktisch umzusetzen, ist es nach Feuser notwendig, Didaktik in drei Richtungen zu entfalten. Dabei geht es, 1. um die Einschätzung der jeweils aktuellen Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungskompetenzen der Kinder im Sinne der Zone der aktuellen Entwicklung sowie der anzustrebenden Zone der nächsten Entwicklung im Sinne einer Tätigkeitsstrukturanalyse (Vygotski 1987), 2. um die Gestaltung eines adäquat strukturierten Lern- und Handlungsfeldes, und zwar unter Einbezug der sich aus Punkt eins ergebenden Handlungsmöglichkeiten im Sinne einer Handlungsstrukturanalyse und 3. um die tätige Konfrontation der Kinder mit den im Sinne einer Sachstrukturanalyse aufbereiteten exemplarischen Bildungsinhalten. Diese drei Dimensionen konstituieren nach Feuser eine subjektorientierte entwicklungslogische Didaktik, die unterschiedlichen Kindern eine Kooperation an gemeinsamen Gegenständen bzw. Themen auf ihrem jeweiligen Entwicklungsniveau ermöglicht. Von daher ist auch die Forderung Feusers zu verstehen, dass Erziehung und Unterricht auf heterogene Lerngemeinschaften hin zu orientieren seien. Die volle und gleichberechtigte Teilhabe aller Mitglieder einer Gesellschaft am kulturellen Erbe und an der sozialen Gemeinschaft, ohne sozialen Ausschluss aufgrund individueller Merkmale – welcher Art auch immer – gibt dabei die Zielrichtung vor. a) Alle dürfen alles lernen, d. h. jede und jeder auf ihre und seine Weise und Dabeisein ist nicht alles – Wider die Verkürzung von Inklusion b) alle erhalten die jeweils dafür erforderlichen personellen und sachlichen Hilfen. Celebrate diversity! – dieses Motto aus der kanadischen Inklusionsbewegung wurde von der Pädagogin Marsha Forest geprägt und unterstreicht die Chancen und möglichen Gewinne von Inklusion in pädagogischen Kontexten. Vielfalt zu feiern und willkommen zu heißen, darf jedoch nicht dazu führen, über eventuelle Probleme, die in die Inklusionsthematik auch eingelagert sind, hinweg zu sehen. In die Praxis umgesetzt werden diese Grundsätze vor allem durch die Kooperation von Kindern unterschiedlicher Entwicklungsniveaus an einem gemeinsamen Gegenstand bzw. Thema. Diese wird gestützt durch eine innere Differenzierung in Bezug auf die Angebote bzw. Betätigungsgelegenheiten innerhalb einer Lerngruppe und durch eine auf das jeweilige Entwicklungsniveau bezogene individualisierte Arbeit an dem gemeinsamen Gegenstand. Dies bedeutet konkret, dass jedes Kind Situationen und Handlungsmöglichkeiten vorfindet, an denen es kompetent einsteigen kann. Eine solche entwicklungslogische Didaktik ist primär Ein demokratisches Zusammenleben in menschlicher Vielfalt bietet anspruchsvolle Lernmöglichkeiten für Kinder und Erwachsene. Achtung von Differenz bei Kindern und Familien sowie Willkommenheißen von Heterogenität darf jedoch nicht zu einer indifferenten Haltung gegenüber den Lebenslagen von Kindern Mitglieder-Info • Ausgabe 1/2011 • Seite 29 Schwerpunkt: Von der Integration zur Inklusion und Familien führen. Denn nicht alle Bedingungen, in denen Kinder aufwachsen und Familien leben, sind auch wünschbar und begrüßenswert. Wenn sich vermeintliche Inklusion im bloßen Dabeisein erschöpft und dabei Entwicklungsmöglichkeiten beschnitten werden, statt Entwicklung zu fördern, kann dies aus pädagogisch-ethischer Sicht nicht mehr bejaht werden und es ist an der Zeit für solidarisches bzw. anwaltschaftliches Handeln. Vielfältige Facetten von Armut, prekäre Lebensverhältnisse, soziale und kulturelle Benachteiligung oder deprivierende häusliche Bedingungen müssen thematisiert und durch geeignete sozial- und bildungspolitische Maßnahmen so gut es geht ausgeglichen werden. Inklusiven Kindertageseinrichtungen kommt hier eine stützende und kompensatorische Funktion im Rahmen eines Netzwerkes früher Hilfen zu. Wo Anderssein in hohem Maße gesellschaftlich miterzeugt wird und die personalen Lebensmöglichkeiten eines Kindes und seiner Eltern durch aussondernde oder stigmatisierende gesellschaftliche Mechanismen einschränkt werden, kann Vielfalt ebenfalls kaum gefeiert werden. Hier gibt sie vielmehr Anlass zu politischem Handeln und zivilgesellschaftlicher Stellungnahme. So sehr Inklusion als Leitidee den Grundwerten und der Lebensauffassung einer offenen und demokratisch verfassten Gesellschaft entspricht, so sehr ist auch darauf zu achten, dass sie nicht zu einem flachen Slogan verkommt. Ebensowenig sollte sie im Sinne einer Zwangsbeglückung allen Kindern und Familien verordnet werden. Inklusion sollte vielmehr als Angebot, als eine Einladung zum Teilnehmen und Beitragen an Kinder und Erwachsene formuliert werden und nicht im Sinne eines Totalanspruches oder einer Inklusionsverpflichtung. Das Recht auf temporäre, partielle Exklusion ist jedem Kind, jedem Erwachsenen zuzugestehen. In bestimmten Lebensphasen und Lebenslagen kann es für ein einzelnes Kind, für eine Familie hilfreich sein, sich aus dem inklusiven Milieu teilweise zurückzuziehen und die Gemeinschaft von Menschen mit ähnlichen Lebenserfahrungen zu suchen. Eine reflexiv-kritische Inklusionsperspektive entwickeln Im Mittelpunkt von Inklusion steht die Achtung des anderen als Mitglied der Menschheitsfamilie und zugleich als einzigartiges Individuum. Damit verbindet Inklusion die Universalität grundlegender allgemei- Mitglieder-Info • Ausgabe 1/2011 • Seite 30 ner Prinzipien, wie sie z. B. in den Menschenrechten niedergelegt sind, mit der Besonderheit persönlicher Lebensgeschichten, Bedürfnisse und Interessen. Daraus ergibt sich, dass es keine pauschale Anleitung für das gelingende Miteinander unterschiedlichster Kinder und Familien geben kann, sondern dass das jeweils angemessene Maß an Nähe, Mitwirkung, Involviertheit bzw. Distanzierung, Autonomie und FürSich-Sein stets aufs Neue miteinander gefunden werden muss. Nur so kann sichergestellt werden, dass der Inklusionsgedanke nicht in Ideologie abgleitet, sondern als Instrument zur Herstellung und Sicherung sowohl von Anerkennung und Zugehörigkeit als auch von individueller Autonomie und Selbstbestimmung wirksam werden kann. Das Konzept Inklusion setzt bei den entwicklungsund sozialisationsbedingten Unterschiedlichkeiten von Individuen an, deren Teilhabe und Mitwirkung gewährleistet werden soll. Hierfür sind wechselseitige Anpassungsprozesse erforderlich: Einerseits und zuerst geht es darum, die bedeutsamen Umwelten der Kinder und Familien so zu gestalten, dass sie auf der Basis ihrer jeweiligen Ausgangslagen Anerkennung und Teilhabe erfahren sowie Mitwirkung praktizieren können. Zugleich geht es darum, durch Bildungsprozesse zur Erweiterung individueller Kompetenzen beizutragen und dadurch die Möglichkeiten zur selbstbestimmten Mitwirkung bei der Gestaltung dieser relevanten Umwelten zu erweitern. Eine reflexiv-kritische Inklusionsperspektive zu entwickeln bedeutet unter anderem, gesellschaftliche Herstellungsprozesse von Differenzen zwischen Menschen als solche wahrzunehmen. Die Anerkennung von Vielfalt ist eine Seite der Medaille, die Dekonstruktion, d. h. die Offenlegung und kritische Reflexion der durch die Gesellschaft gemachten Unterschiede ist die andere. Denn Heterogenität ist nicht einfach da, sie wird vielmehr durch Unterscheidung, Differenzierung, Kategorisierung und durch konkretes Handeln im Alltag immer wieder neu geschaffen. Das Streben nach der Verwirklichung von Inklusion steht nach wie vor bestehenden Ungleichheitsstrukturen gegenüber, die inklusive Prozesse behindern können. Inklusive Entwicklungen in Pädagogik und Gesellschaft sind bis heute vielfältigen Widersprüchen und Spannungen ausgesetzt. Diese anzuerkennen, ohne sich von ihnen bestimmen zu lassen und inklusive Prozesse mitzugestalten, ohne in Selbst-Überforderung abzugleiten: Das kann ein wesentlicher Beitrag der in Bildungs- und Erziehungseinrichtungen Tätigen zu einer reflexiv-kritischen Inklusionsentwicklung sein. Schwerpunkt: Von der Integration zur Inklusion Literatur Booth, Tony; Ainscow, Mel & Kingston, Denise (2006): Index für Inklusion (Tageseinrichtungen für Kinder). Lernen, Partizipation und Spiel in der inklusiven Kindertageseinrichtung entwickeln. Deutschsprachige Ausgabe. Herausgegeben von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Frankfurt/Main Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) (Hg.) (2009): 13. Kinder- und Jugendbericht. Bericht über die Lebenssituation junger Menschen und die Leistungen der Kinderund Jugendhilfe in Deutschland. 2. Auflage. Berlin Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) (Hg.) (2007): Übereinkommen über die Rechte des Kindes. Die UN Kinderrechtskonvention im Wortlaut mit Materialien. Berlin Deutscher Bildungsrat (1974): Zur pädagogischen Förderung behinderter und von Behinderung bedrohter Kinder und Jugendlicher. Empfehlungen der Bildungskommission. Stuttgart 1974 Dudenverlag (Hg.) (2007): Deutsches Universalwörterbuch, 6., überarb. und erw. Auflage. Mannheim u. a. Reiser, Helmut u. a. (1986): Integration als Prozess. In: Sonderpädagogik 16,3, 115-122 Riedel, Birgit (2007): Zahlenspiegel 2007. Kindertagesbetreuung im Spiegel der Statistik. München (DJI) Seitz, Simone (2003): Wege zu einer inklusiven Didaktik des Sachunterrichts. Das Modell der Didaktischen Rekonstruktion. In: Feuser, G. (Hg.): Integration heute – Perspektiven ihrer Weiterentwicklung in Theorie und Praxis. Hamburg, 91-104 Thiersch, Hans; Grunwald, Klaus & Köngeter, Stefan (2005): Lebensweltorientierte Soziale Arbeit. In: Thole, W. (Hg.): Grundriss Soziale Arbeit. Ein einführendes Handbuch. 2., überarb. u. aktual. Auflage. Wiesbaden, 161-178 Vygotski, Lew. S. (1987): Ausgewählte Schriften. Band 2: Arbeiten zur psychischen Entwicklung der Persönlichkeit. Köln Diesen Vortrag hielt Prof. Dr. Schneider am 9. Dezember 2010 anlässlich der Fachberatertagung des Landesverbandes in Augsburg. Feuser, Georg (1999): Integration – eine Frage der Didaktik einer Allgemeinen Pädagogik. Link: http:// bidok.uibk.ac.at/library Feuser, Georg (2002): Von der Integration zur Inclusion. „Allgemeine (integrative) Pädagogik“ und Fragen der Lehrerbildung. Vortrag an der Pädagogischen Akademie des Bundes, Niederösterreich, anlässlich der 6. Allgemeinpädagogischen Tagung am 21.03.2002 in Baden (Österreich). Link: http:// www.feuser.uni-bremen.de/texte Honneth, Axel (1992): Der Kampf um Anerkennung. Zur moralischen Grammatik sozialer Konflikte. Frankfurt/M. Prengel, Annedore (2006): Pädagogik der Vielfalt. Verschiedenheit und Gleichberechtigung in Interkultureller, Feministischer und Integrativer Pädagogik. 3. Auflage. Wiesbaden Prengel, Annedore (2010): Inklusion in der Frühpädagogik. Bildungstheoretische, empirische und pädagogische Grundlagen. WiFF – Expertise Nr. 5, hg. vom Deutschen Jugendinstitut. München Prof. Dr. Helga Schneider Die Erziehererin, DiplomSozialpädagogin und DiplomPädagogin ist Professorin an der Katholischen Stiftungsfachhochschule München. Sie leitet den Bachelorstudiengang „Bildung und Erziehung im Kindesalter“. Zu ihren Arbeits- und Forschungsschwerpunkten gehören die Pädagogik der Kindheit in der späten Moderne, Globalisierung und Lebenswelten von Kindern sowie Bildungs-, Erkenntnis- und Qualitätskonzepte in der Pädagogik der Kindheit. Prof. Dr. Schneider ist Mitglied im Beirat des Bayerischen Landesverbandes Katholischer Tageseinrichtungen für Kinder. Mitglieder-Info • Ausgabe 1/2011 • Seite 31 Schwerpunkt: Von der Integration zur Inklusion Arnold Köpcke-Duttler Gedanken zu einer „Pädagogik der Inklusion“ und zur menschlichen Würde 1. Damit Mit-Menschlichkeit konkret wird, erinnere ich an einen katholischen Priester, der zwei verkrüppelte Arme hatte und der über Jahre hinweg um seine Anerkennung als ordentlicher Geistlicher ringen musste. Schließlich wurde ihm eine rechtliche Ausnahmegenehmigung erteilt mit der Auflage, bei dem Opfer der Eucharistie seine Armstummel hinter Prothesen zu verstecken. Entgegen einem Recht auf Unvollkommenheit und angesichts der Verletzbarkeit der Antastbarkeit der menschlichen Würde gibt es in diesem Ereignis Anzeichen dafür, dass das Bild des Göttlichen sich nicht vertrüge mit dem Menschen, an dem ein Fehl, der gebrechlich ist an einer Hand oder einem Fuß, blind oder lahm, begabt mit einer ungewöhnlichen Nase. Das Recht auf Unvollkommenheit verbindet sich mit dem Blick auf die Antastungen und die Unantastbarkeit der menschlichen Würde, die nicht gebeugt werden darf unter den Idealtypus des Starken und vollkommen Ungehinderten. 2. Die menschliche Würde ist ein Relations- oder Kommunikationsbegriff. Die menschliche Würde konkretisiert sich in sozialer Anerkennung und als sozialer Achtungsanspruch. So wird sie zur Brücke hin auf eine mitmenschliche Solidarität, die auch jene Menschen umfasst, deren Recht mit der neuen Behindertenrechtskonvention gewahrt und zugleich erstritten werden soll. Bei der Anerkennung des Rechts der Menschen mit Behinderung auf Bildung, Arbeit, soziale Teilhabe, Wohnen, geht es auch um die Ausgestaltung einer neuen Menschheitskultur, die sich den Folgen der ökonomischen Globalisierung nicht fügt. In Jeremiah 22,16 heißt es, dass Jahwe dem Schwachen und Armen zum Recht verhelfe. Diese Tradition erneuernd, steht Jesus an der Seite der Verletzlichen und Benachteiligten. Die jesuanische Botschaft verlangt, in Solidarität mit den Geringsten Mensch zu werden, worin auch das der Behindertenrechtskonvention zugrunde liegende Ethos zu entdecken ist. Das Behindertenrechtsübereinkommen hält in sich das gemeinsame Wissen um die Verletzbarkeit aller Menschen, Mitglieder-Info • Ausgabe 1/2011 • Seite 32 den Aufruf zu einem herrschaftskritischen Mitleiden und zur Entwicklung des Gefühls der Zusammengehörigkeit aller Menschen. Wir sind füreinander verantwortlich in gegenseitiger Erwürdigung. Dabei wird der Horizont der Bildung überschritten durch die Aufforderung zur Humanisierung des menschlichen Zusammenlebens insgesamt. Das ist der provokative und aufbegehrende Inhalt des Begriffs der Inklusion. Nach dem grundlegenden Ethos der Menschenrechte sind wir aufeinander angewiesen, im Zusammensein mit anderen Menschen zu uns selbst zu gelangen. Das Menschenrecht der Gleichheit ist zu verstehen als Protest gegen die Entrechtung Benachteiligter und Diskriminierter. Ihm entspricht eine Pädagogik der Offenheit für Heterogenität. 3. Die neue Konvention ruft auf zu einer Kommunikation und Kommunion, in der Menschen mit Beeinträchtigungen als Menschen geachtet werden und sich nicht mehr behindert vorkommen. Zu ihr gehört eine in der Solidarität mit den Schwächeren gründende Heilpädagogik; gehalten wird sie von der Anerkennung der Menschlichkeit des anderen Menschen, von der schöpferischen Achtung des Anderen, die sich mit meiner Selbstachtung verbindet, von den Gefühlskräften der Empathie und dem Erleben der gegenseitigen Achtung. Community Care bedeutet mehr als das Zusammenwohnen in einem Stadtteil oder in einer Gemeinde. Dieses Konzept drückt eine Philosophie der gleichen Würde jedes Menschen aus, der Anerkennung von Verschiedenheit, der Solidarität in der Gemeinschaft und der Vielfalt von Lebensformen. Eingebunden in soziale Netzwerke wird die Unterstützung der Menschen mit Beeinträchtigung von allgemein zugänglichen Diensten und von sich mutig engagierenden Menschen aus der Nachbarschaft und in der Region geleistet. 4. Im Blick auf das Leben der Kinder in einem Kinderhaus (Casa dei Bambini) spricht Maria Montessori von einer Ordnung, die sich von innen heraus erweitert Schwerpunkt: Von der Integration zur Inklusion wie eine Schöpfung. Die Kinder und die ErzieherInnen ernten die „Früchte des geistigen Lebens“: Barmherzigkeit, Fröhlichkeit, Geduld, Wohlwollen, Güte. „Sie erwerben Tugend, weil sie die Geduld üben ... Milde, indem sie den Befehl, dem Wunsch anderer willfahren – Güte, weil sie weder Neid noch Wetteifer empfinden, wenn sie sich am Hut anderer erfreuen; sie tun das Gute in der Fröhlichkeit, im Frieden und sind im höchsten Maße und auf wunderbare Weise arbeitsam“ (Maria Montessori, Die Entdeckung des Kindes, neu herausgegeben, eingeleitet und textkritisch bearbeitet von Harald Ludwig, in: Maria Montessori – Gesammelte Werke, herausgegeben von Harald Ludwig, Band 1, Freiburg 2010, S. 370). 5. Einer „Pädagogik der Inklusion“ ist eine genauere begriffliche Erklärung dessen abzuverlangen, was die Zusammengehörigkeit, das erhoffte Miteinander stiften soll. Georg Feuser hat, ein Wort Martin Bubers abwandelnd, entgegen jeder Missachtung und Bevormundung das freundliche Sich-Einlassen auf einen Dialog als grundlegendes Ethos vorgeschlagen, die wechselseitige Achtung, eine anregende und herausfordernde Begegnung, in der der Mensch zu jenem Ich wird, dessen Du ich ihm bin. Solch eine „Ermöglichungspädagogik“ (Monika Seifert) entspricht den Grundgedanken der Behindertenrechtskonvention. 6. Inklusion stellt nicht nur eine pädagogische Konstruktion, einen pädagogischen Aufruf dar, sondern ist zu verstehen als grundgebende Aufgabe der Gesellschaft insgesamt, die weder von der Sonderpädagogik noch von der Allgemeinen Pädagogik allein bewältigt werden kann. Inklusion als Menschenrecht fordert das Einbezogensein von Menschen mit Behinderungen als in ihrer Unterschiedenheit gleich geachtete Mitglieder in die Gesellschaft und betrachtet zudem auch weitergehende Ausprägungen von Heterogenität. Inklusion stellt die noch zu konkretisierende und zu lebende Vision einer Gesellschaft dar, die es in Anerkennung der rechtlichen Gleichheit und freundlichen Unterschiedenheit der Menschen erst gar nicht zu Ausgrenzungsprozeduren kommen lässt. Damit ist jenes Ethos der Inklusion angedeutet, das auch auf der politischen und der rechtlichen Ebene erst noch zu verwirklichen ist. 7. In dem Bayerischen Bildungs- und Erziehungsplan für Kinder in Tageseinrichtungen bis zur Einschulung wird der Fortgang von einem aussondernden zu einem integrativen Hilfeangebot deutlich. Ausgehend von internationalen Entwicklungen hat sich auch in Deutschland die „Idee der integrativen Erziehung“ durchgesetzt, wobei als menschenrechtliche und gesetzliche Rahmen unter anderem erwähnt werden die Konvention der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes (1989), die Erklärung der Weltkonferenz über die Erziehung von Kindern mit besonderen Bedürfnissen in Salamanca (1994) und in der deutschen Gesetzgebung das Sozialgesetzbuch IX (Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen). Auch der Bildungs- und Erziehungsplan spricht sich dafür aus, dass Kinder mit (drohender) Behinderung gemeinsam mit Kindern ohne Behinderung in Tageseinrichtungen gebildet, erzogen und betreut werden. Dieser gemeinsame Prozess wird hineingenommen in einen übergreifenden Prozess der Förderung voller Teilhabe der Kinder mit Behinderungen und ihrer Familien an dem gesellschaftlichen Leben. Über die Zusammenarbeit der Tageseinrichtung mit Fachdiensten sollen eine die individuellen Bedürfnisse befriedigende Förderung und Unterstützung sichergestellt werden, wozu auch gehört, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Kindertageseinrichtungen eine gemeinsame „Integrationsphilosophie“ hervorbringen. 8. In Art. 11 des Bayerischen Kinderbildungs- und -betreuungsgesetzes wird ebenfalls von einer integrativen Bildungs- und Erziehungsarbeit in Kindertageseinrichtungen gesprochen. Kinder mit Behinderung und solche, die von einer Behinderung bedroht sind, sollen nach Möglichkeit gemeinsam mit Kindern ohne Behinderung betreut und gefördert werden, um ihnen eine gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen. Das pädagogische Personal habe die besonderen Bedürfnisse von Kindern mit Behinderung und von Kindern mit drohender Behinderung bei seiner pädagogischen Arbeit zu berücksichtigen. In der Kommentierung wird hier nicht auf menschenrechtliche Erklärungen Bezug genommen, sondern auf § 2 Abs. 1 SGB IX, wonach als behindert alle Personen gelten, deren körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und deren Teilhabe am Leben in der Gesellschaft von daher beeinträchtigt ist. Als Leitprinzipien der Zusammenarbeit bei der Bildung, Erziehung und Betreuung von Kindern mit (drohender) Behinderung Mitglieder-Info • Ausgabe 1/2011 • Seite 33 Schwerpunkt: Von der Integration zur Inklusion werden die soziale Inklusion und der Vorrang präventiver Maßnahmen statuiert, ohne dass auch nur im Mindesten ein Bezug hergestellt würde zu der heilpädagogischen Diskussion. Auch werden Unterscheidungen zwischen dem Begriff der Inklusion und dem der sozialen Inklusion nicht einmal angedeutet. Mitmenschlichkeit und gegenseitiges Lernen voneinander sollen als Bildungsziele in integrativen Kindertageseinrichtungen eine hervorragende Rolle spielen. Forderungen der Kinderkommission im Deutschen Bundestag Im Januar 2011 hat die Kinderkommission im Deutschen Bundestag eine Stellungnahme zum Thema „Kinder mit Behinderung/Inklusion“ vorgelegt. Darin sind für die inklusive Bildung u. a. folgende Forderungen formuliert: l „die Umsetzung des „Indexes für Inklusion“, d. h. Förderung des Dreiklangs – inklusive Kultur entfalten, Leitlinien etablieren, Praxis entwickeln; l zu beachten, dass Inklusion nicht erst in der Schule, sondern bereits in der Krippe und der Kindertageseinrichtung beginnt; l dass jedes Kind Anspruch auf Aufnahme in die zuständige allgemeine Schule hat und damit für diese Kinder „Sonderwege“ überflüssig werden; l dass jedem Kind an seiner Schule die nötige individuelle Unterstützung zur Verfügung gestellt wird; l Fortbildung, Begleitung und Unterstützung zur Umsetzung des inklusiven Bildungsanspruchs für Schulen und Lehrkräfte; l Anpassung der Lehramtsstudiengänge an die Anforderungen inklusiver Bildung; l Vernetzung aller Beteiligten; l Barrierefreiheit bei allen Neu- und Umbauten.“ Die Stellungnahme steht als Download auf der Homepage des Bundestages zur Verfügung: http://www.bundestag.de/bundestag/ausschuesse17/a13/kiko/Empfehlungen_und_Stellungnahmen/17-08_ Stellungnahme_Kinder_mit_Behinderungen.pdf Mitglieder-Info • Ausgabe 1/2011 • Seite 34 Aus Ministerien und Politik Novellierung des BayKiBiG – Wie es jetzt weitergeht Seit 2005 gilt das Bayerische Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz (BayKiBiG). In diesem Jahr wird der Bayerische Landtag über die dringend erforderliche Novellierung des Gesetzes entscheiden: Am 1. Januar 2012 soll dann das neue BayKiBiG in Kraft treten. Eckpunkte des Ministerrats Im September 2010 hatte es eine erste Anhörung im Landtag gegeben, in der Gabriele Stengel die Forderungen des Bayerischen Landesverbandes vorgetragen hat. • die Teilhabe von Kindern mit Behinderung gestärkt, Inzwischen gab es weitere Termine, um das Gesetz und die Änderungen zu diskutieren. Auf eine Anfrage des Verbandes hin hat Ministerialrat Hans-Jürgen Dunkl vom Bayerischen Sozialministerium freundlicherweise den vorgesehenen Zeitplan für die Gesetzesnovellierung bis zum Inkrafttreten kurz in einem Schreiben skizziert, das wir auf den folgenden Seiten abdrucken dürfen. Stellungnahme des katholischen Bereichs zur Novellierung Der katholische Bereich in Bayern hat zu Beginn des Jahres eine gemeinsame „Stellungnahme zur Novellierung des Bayerischen Kinderbildungs- und -betreuungsgesetzes (BayKiBiG)“ verabschiedet. Wir freuen uns, dass auch die bayerischen Bischöfe auf der Freisinger Bischofskonferenz im März 2011 diese Stellungnahme zustimmend zur Kenntnis genommen und damit unterstrichen haben, welche Bedeutung sie dem Thema einer qualifizierten Bildung, Erziehung und Betreuung von Kindern zuschreiben. Die vollständige Stellungnahme lesen Sie in der Rubrik „Aus dem Fachverband“ auf S. 41ff. Am 1. März tagte der Ministerrat und legte die Eckpunkte der Novellierung fest. Laut einer Mitteilung des Ministeriums sollen danach: • „die Verwaltungsabläufe optimiert, • die Attraktivität der Tagespflege gesteigert • der ländliche Raum unterstützt und • die Bedingungen zur Zusammenarbeit von Schule undJugendhilfe für die Bereitstellung von Ganztagsange boten für Schulkinder verbessert werden.“ Kann die Fachwelt mitreden? Vor dem Hintergrund dieser Eckpunkte hat das Sozialministerium unseren Verband sowie Vertreter der anderen Verbände am 29. März 2011 ins Ministerium zu einem „offiziellen Anhörungsgespräch“ eingeladen, um „einen ersten Arbeitsentwurf des Änderungsgesetzes“ zu besprechen. Für die Fachberaterinnen und Fachberater aus ganz Bayern hat das Ministerium im April drei regionale „Praktiker-Workshops“ angesetzt, um „bei der Umsetzung dieser Eckpunkte in Gesetzesform die Erfahrungen der Praxis vor Ort angemessen berücksichtigen zu können.“ Über die Ergebnisse dieser Termine werden wir Sie selbstverständlich auf dem Laufenden halten. Mitglieder-Info • Ausgabe 1/2011 • Seite 35 Aus Ministerien & Politik Online-gestützes Abrechnungsverfahren In unserer Anfrage an das Ministerium haben wir auch um Auskunft über den Zeitplan für das onlinegestützte Abrechnungsverfahren gebeten und nach den Konsequenzen für Träger gefragt, die sich nicht am Verfahren beteiligen. In neuer Eindeutigkeit lautet die Antwort hierzu: „Die kindbezogene Förderung wird künftig nur noch auf Basis von KiBiG.web ausbezahlt.“ Das Schreiben im Wortlaut lesen Sie im Folgenden. Bayerisches Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen Name Bayerisches Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen - 80792 München Stefanie Fürbas Telefon Bayerischer Landesverband katholischer Tageseinrichtungen für Kinder e.V. z.H. Susanne Körber 24.02.2011 Telefax 089 1261-181195 E-Mail per E-Mail: [email protected] Ihre Zeichen, Ihre Nachricht vom 089 1261-1195 [email protected] Unser Zeichen, Unsere Nachricht vom Bitte bei Antwort angeben Datum 11.03.2011 Anfrage zur Novellierung des BayKiBiG und zum online-gestützten Abrechnungsverfahren Sehr geehrte Frau Körber, vielen Dank für Ihre E-Mail vom 24. Februar 2011. Ihre Fragen möchte ich wie folgt beantworten: 1. Wie sieht der Zeitplan für die Novellierung des BayKiBiG aus? Wann beginnt das Gesetzgebungsverfahren, wann finden Anhörungen statt und wann wird das neue Gesetz in Kraft treten? Am 1. März 2011 wurden Eckpunkte zur Ministerratsvorlage im Ministerrat verabschiedet und Frau Staatsministerin Haderthauer beauftragt, einen Gesetzesentwurf zu erarbeiten. Es ist geplant, die Verbände und die Praxis bereits in dieser ersten Phase einzubinden bzw. zu beteiligen. Die Staatsregierung wird den Gesetzentwurf voraussichtlich im 3. Quartal im Landtag einbringen. Das eigentliche Gesetzgebungsverfahren findet dann in der zweiten Jahreshälfte statt. Für den Tag des Inkrafttretens ist der 1. Januar 2012 vorgesehen. Dienstgebäude Winzererstraße 9 80797 München Mitglieder-Info • Ausgabe 1/2011 • Seite 36 Öffentliche Verkehrsmittel U2 Josephsplatz 154 Infanteriestraße Süd (StadtBus) 20, 21 Lothstraße Telefon Vermittlung 089 1261-01 Telefax 089 1261-1122 E-Mail [email protected] Internet www.stmas.bayern.de Aus Ministerien und Politik -2- 2. Welcher Zeitplan ist für das online-gestützte Abrechnungsverfahren, das ja erstmals für die Endabrechnung des Kindergartenjahres 2010/2011 zur Anwendung kommen soll, vorgesehen? Das online-gestützte Verfahren (KiBiG.web) hat das dezentrale Verfahren mit den ExcelTabellen abgelöst. Die monatliche Ist-Daten-Erfassung und Kontrolle erfolgt bereits über das KiBiG.web. Die Träger, die die Ist-Datenerfassung mittels einer Verwaltungssoftware (z.B. Adebis-Kita) durchführen, können die Daten aus der Software über eine Schnittstelle auf einfache Weise in das KiBiG.web übertragen. Die kommende Beantragung und Bewilligung der Abschlagszahlungen für das Jahr 2011/2012 wird ausschließlich über das KiBiG.web abgewickelt. Gleiches gilt für die Endabrechnung des laufenden Bewilligungsjahres 2010/2011. 3. Ist es möglich, sich an diesem Verfahren nicht zu beteiligen, bzw. welche Konsequenzen hat es, wenn sich ein Träger nicht daran beteiligt? Die kindbezogene Förderung wird künftig nur noch auf Basis von KiBiG.web ausbezahlt. Die Teilnahme an diesem Verfahren wird Fördervoraussetzung. Es liegt daher im Interesse aller Träger und Gemeinden, sich schnellstmöglich mit dem neuen Programm vertraut zu machen. Mit freundlichen Grüßen Hans-Jürgen Dunkl Ministerialrat Mitglieder-Info • Ausgabe 1/2011 • Seite 37 Aus Ministerien & Politik Pauschalvertrag ermöglicht kostenfreie Liedkopien in Kitas Nun hat die langwierige Debatte um das Kopieren von Noten und Liedtexten in Kindertageseinrichtungen ein gutes Ende gefunden: Ein Pauschalvertrag ermöglicht den Kitas in Bayern künftig das Vervielfältigen von Noten und Liedtexten für den Gebrauch in der Einrichtung und zur Weitergabe an die Eltern. Am 13. April haben Familienstaatssekretär Markus Sackmann, Dr. Uwe Brandl, Präsident des Bayerischen Gemeindetages, Rainer Knäusl vom Vorstand des Bayerischen Städtetags, Johannes Reile vom Bayerischen Landkreistag sowie Georg Oeller vom Vorstand der GEMA und Christian Krauß, der Geschäftsführer der VG Musikedition, den Vertrag im Sozialministerium unterzeichnet. Mit dieser Lösung müssen Kindertageseinrichtungen nun keine Einzellizenzverträge mehr abschließen. Über Details der Einigung informiert der 107. Newsletter des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen auf der Homepage des Ministeriums: http://www.stmas.bayern.de/kinderbetreuung/newsletter/stmas-baykitag-107.htm „Elternchance ist Kinderchance“ – neues Fortbildungsprogramm des Bundes Faire Chancen für Kinder sind eng mit der frühen Förderung durch die Eltern verknüpft. Deshalb will das Bundes Bundesfamilienministerium 4.000 Fachkräfte aus der Familienbildung mit dem Programm „Elternchance ist Kinderchance“ zu so genannten „Elternbegleiterinnen und Elternbegleitern“ fortbilden, um Eltern in Bildungsbelangen beratend zu unterstützen. Die Elternbegleiter sollen aktiv auf Eltern, insbesondere aus bildungsfernen Familien, zugehen, sie für die Bedürfnisse ihrer Kinder sensibilisieren und über passende Angebote informieren. Das Programm richtet sich insbesondere auch an Erzieherinnen und Erzieher in Kindertageseinrichtungen und Familienzentren. Hier der Link zur Internetseite des Programms „Elternchance ist Kinderchance“: http://www.bmfsfj.de/ BMFSFJ/elternchance.de Mitglieder-Info • Ausgabe 1/2011 • Seite 38 Aus Kirche und Caritas Monsignore Bernhard Piendl wird neuer Landescaritasdirektor Zum 31. Dezember 2011 endet die Amtszeit von Landescaritasdirektor Prälat Karl-Heinz Zerrle. Die Mitgliederversammlung des Landescaritasverbandes hat am 31. Januar 2011 Monsignore Bernhard Piendl, den langjährigen Direktor des Caritasverbandes für die Diözese Regensburg, zum neuen Landescaritasdirektor gewählt. In ihrer Sitzung am 23. März 2011 hat die Freisinger Bischofskonferenz ihre Zustimmung zu dieser Wahl erteilt. Monsignore Piendl wird damit ab 1. Januar 2012 die Nachfolge von Prälat Karl-Heinz Zerrle antreten, der seit zwölf Jahren an der Spitze des bayerischen Landescaritasverbandes steht. Mit dem Ausscheiden von Prälat Zerrle ist auch ein Wechsel an der Spitze des Bayerischen Landesverbandes katholischer Tageseinrichtungen für Kinder verbunden. Bei der Mitgliederversammlung am 18. Mai 2011 wurde Monsignore Piendl zum Vorsitzenden des Vorstandes des Verbandes gewählt. Spirituelle Begleitung für Kita-Mitarbeiter Die Erzdiözese München und Freising hat die bundesweit erste Fachstelle für die spirituelle Begleitung von pädagogischen Fachkräften in Kindertageseinrichtungen eingerichtet. Ab September wird die Religionspädagogin und Gemeindereferentin Margot Eder Erzieherinnen und Erzieher, Kinderpfleger und Heilpädagogen mit eigens für die Fachkräfte konzipierten Angeboten dabei unterstützen, Kinder in ihrer religiösen Entwicklung zu fördern und zu begleiten. Interessierte erreichen Margot Eder unter Tel. 089/21371433 oder per E-Mail: [email protected] Akutmappe: Sterben, Tod und Trauer in der Kita Die Fachakademie für Sozialpädagogik Maria Stern Augsburg, das Kindergartenpastoral der Diözese Augsburg und die Kontaktstelle Trauerbegleitung der Diözese Augsburg haben eine Akutmappe: „Sterben, Tod und Trauer in der Kita. Erzieher/-innen begleiten kompetent“ herausgegeben. Die Ringmappe ist zum Preis von 18,00 Euro zzgl. 5,50 Euro Versandkosten zu beziehen bei: Bischöfliches Seelsorgeamt Kindergartenpastoral Kappelberg 1, 86150 Augsburg Tel. 0821/3152-281 Fax 0821/3152-464 E-Mail: [email protected] Handreichung „Sinn, Werte und Religion“ Wie im bayerischen Bildungs- und Erziehungsplan gibt es auch im baden-württembergischen Orientierungsplan einen Bildungsbereich, der sich mit dem Thema „Sinn, Werte und Religion“ befasst. Unter diesem Titel haben nun die vier Kirchen und ihre Trägerverbände eine Handreichung für Kindertageseinrichtungen veröffentlicht. Herausgeber sind die Diözese Rottenburg-Stuttgart, die Erzdiözese Freiburg, die Evangelische Landeskirche in Baden, die Evangelische Landeskirche in Württemberg, der Caritasverband der Erzdiözese Freiburg, das Diakonische Werk Baden, der Evangelische Landesverband – Tageseinrichtungen für Kinder in Württemberg und der Landesverband Katholischer Kindertagesstätten der Diözese Rottenburg-Stuttgart. Die Handreichung ist zu bestellen über: www.service.elk-wue.de/handreichung „Kinder singen ihren Glauben“ Unter diesem Motto wollen die Deutschen Bischöfe alle unterstützen, die an einem Austausch zwischen musikalischer und katechetischer Arbeit in Gemeinde, Kita und Schule, zwischen Glaubenlernen und Singenlernen arbeiten. Dazu wurde eine Homepage eingerichtet, auf der nach und nach Materialien für die Praxis eingestellt werden. Hier findet sich auch eine Broschüre der Liturgiekommission der Deutschen Bischöfe zum Projekt: http://www.pueri-cantores.de/ kinder-singen-ihren-glauben.html Mitglieder-Info • Ausgabe 1/2011 • Seite 39 Aus Kirche und Caritas Neue Homepage zu Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz in der katholischen Kirche Der Verband der Diözesen Deutschlands (VDD) hat eine neue Homepage zum Thema Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz eingerichtet, die sich an Haupt- und Ehrenamtliche wendet und zahlreiche Informationen, Materialien, Links und Kontaktadressen bietet. Ein Bereich ist den Kindertagesstätten gewidmet. Hier geht es u. a. um die Gesundheit von Erzieher/innen oder das sichere Bauen von Kitas. Hier der Link: http://www.arbeitsschutzkath-kirche.de/einrichtungen/kindertagesstaette/ Studie zur religiösen und interreligiösen Bildung in Kindergärten Religiöse Themen und Fragen sind im Alltag von Kindertageseinrichtungen „hoch präsent“. Zu diesem Ergebnis kommt eine Anfang Mai vorgestellte Studie der religionspädagogischen Lehrstühle der theologischen Fakultäten der Universität Tübingen und des Leibniz-Instituts für Sozialwissenschaften GESIS. Eine Mehrheit der Erzieherinnen sei für eine religiöse Begleitung und interreligiöse Bildung der Kinder offen, doch fühlen sie sich dafür häufig unzureichend aus- und fortgebildet und unterstützt. Im Rahmen der bundesweit angelegten Studie wurden im Vorjahr Erzieherinnen in konfessionellen und nichtkonfessionellen Einrichtungen befragt. Derzeit werden die Interviews mit den Eltern ausgewertet. Hier der Link zur Pressemeldung auf der Homepage der katholischen Kirche in Deutschland: http://www. katholisch.de/Nachricht.aspx?NId=6378 Religionspädagogische Jahrestagung „Kinder neu sehen – Gott entdecken“ im Oktober 2011 „Kinder neu sehen – Gott entdecken? Religionspädagogisches Handeln mit Kindern von null bis drei Jahren“ – zu diesem Thema findet vom 17. bis 19. Oktober in der Katholischen Akademie in Freiburg die Religionspädagogische Jahrestagung des KTK-Bundesverbandes statt. Ausgangspunkt ist, so die AnMitglieder-Info • Ausgabe 1/2011 • Seite 40 kündigung, die zentrale Aussage der christlich-jüdischen Religion, dass der Mensch und insbesondere das Kind Ebenbild Gottes ist. Zu den Referentinnen und Referenten gehören u.a. Pia Theresia Franke, Fachreferentin und stellvertretende Geschäftsführerin des Landesverbandes, und Prof. Dr. Frieder Harz, emeritierter Professor für Religionspädagogik an der Evangelischen Hochschule Nürnberg. Nähere Hinweise, das Programm und die Anmeldung finden Sie hier: http://www.ktk-bundesverband. de/11686.html Aus dem Fachverband Stellungnahme zur Novellierung des BayKiBiG Wir freuen uns, dass die bayerischen (Erz-)Bischöfe diese Stellungnahme in der Freisinger Bischofskonferenz am 23./24. März zur Kenntnis genommen und damit verdeutlicht haben, dass sie einer qualitativ hochwertigen Kindertagesbetreuung große Bedeutung beimessen. Lesen Sie im Folgenden die Stellungnahme im Wortlaut: B 53180 In einer Stellungnahme zur Novellierung des Bayerischen Kinderbildungs- und -betreuungsgesetzes (BayKiBiG) hat der katholische Bereich in Bayern zentrale Forderungen formuliert, darunter die Erweiterung der kindbezogenen Förderung um qualitäts-, einrichtungs- und standortbezogene Komponenten und die Erhöhung des Basiswerts. Mitglieder-Info • Ausgabe 1/2011 • Seite 41 Aus dem Fachverband Mitglieder-Info • Ausgabe 1/2011 • Seite 42 Aus dem Fachverband Am 29. März hat das Bayerische Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen zu einem „offiziellen Anhörungsgespräch“ eingeladen, bei dem Geschäftsführerin Gabriele Stengel den Verband vertreten hat. Hier wurden die vom Ministerrat am 1. März beschlossenen Eckpunkte zur Novellierung des BayKiBiG vorgestellt. Im April veranstaltete das Ministerium zudem in Regensburg, München und Würzburg drei regionale „PraktikerWorkshops“ für Fachberaterinnen und Fachberater. Über die Ergebnisse aus diesen Gesprächen wird das Ministerium den Ministerrat schriftlich informieren. Zum weiteren Zeitplan für die Gesetzesänderung s. das Schreiben von Ministerialrat Hans-Jürgen Dunkl auf S. 36. Mitglieder-Info • Ausgabe 1/2011 • Seite 43 Aus dem Fachverband Herzlich willkommen im Verband! Als neue Mitglieder dürfen wir im Verband die drei neuen Regionalverbünde der Erzdiözese München und Freising begrüßen: l Kita-Regionalverbund Freising l Kita-Regionalverbund Ottobrunn l Kita-Regionalverbund Ebersberg mit Vaterstetten Zu den Regionalverbünden gehören durchschnittlich zwölf Kindertageseinrichtungen; insgesamt sind es 36 Einrichtungen von der Kinderkrippe bis zum Hort, die sich zuvor in der Trägerschaft von zwanzig Pfarreien befanden. Die Regionalverbünde entstanden im Rahmen des Pilotprojektes „Zukunft Pfarrkindergärten“ der Erzdiözese München und Freising und haben die Trägerschaft der Einrichtungen zum 1. Januar 2011 übernommen. Bundespräsident trifft W ertebündnis Bayern Im Rahmen seines Antrittsbesuchs in Bayern traf Bundespräsident Christian Wulff am 22. Februar 2011 die Partner des Wertebündnisses Bayern im Rahmen eines Staatsempfangs im Antiquarium der Münchner Residenz. Der Landesverband gehört diesem Bündnis an und wurde von Pia Theresia Franke, der stellvertretenden Geschäftsführerin des Verbandes, vertreten. Personalia Abschied in den Ruhestand Neu im Team Zum 1. Februar 2011 verabschiedete sich Charlotte Slechta in den Ruhestand. Frau Slechta war lange Jahre in der Geschäftsstelle tätig und hatte hier u. a. den Aufgabenbereich der Finanzverwaltung übernommen. Wir danken Frau Slechta sehr herzlich für die engagierte Arbeit und wünschen ihr für den Ruhestand Glück und Gottes Segen! Seit 1. Februar verstärkt Dr. Susanne Körber das Team der Geschäftsstelle als Mitarbeiterin für die Öffentlichkeitsarbeit des Verbandes. Die Germanistin mit Zusatzqualifikation zur Akademischen PR-Beraterin ist seit über zehn Jahren in der Öffentlichkeitsarbeit mit den Schwerpunkten Soziales, Bildung und Kultur tätig. Mitglieder-Info • Ausgabe 1/2011 • Seite 44 Aus dem Fachverband Überarbeitet und neu: Bildungs- und Betreuungsvertrag, KiTa-Ordnung & Co. Nun ist die Überarbeitung und Aktualisierung der Dokumente abgeschlossen: Der Bayerische Landesverband katholischer Tageseinrichtungen für Kinder hat den Bildungs- und Betreuungsvertrag, die KiTa-Ordnung sowie die Anlagen dazu (vor allem in rechtlicher Hinsicht) überarbeitet, aktualisiert und um eine Reihe von Dokumenten ergänzt. Damit kann der Verband seinen Mitgliedern und anderen interessierten Einrichtungen nun ein umfassendes Paket vom Anmeldebogen, über den grundlegenden Bildungsund Betreuungsvertrag bis hin zur Vereinbarung zur Medikamentenverabreichung anbieten. Die Unterlagen sind auch über den Button „Shop“ auf der Homepage des Verbandes zu bestellen (www.blv-kita.de). Die unseren Mitgliedern angeschlossenen Einrichtungen erhalten einen kostenlosen Mustersatz mit dem neuen Bildungs- und Betreuungsvertrag, der KiTaOrdnung und allen anderen Anlagen. Grundlage für die Überarbeitung waren die Unterlagen, wie sie in der Erzdiözese München und Freising verwendet werden. Hierfür bedanken wir uns nochmals herzlich für die freundliche Unterstützung bei Herrn Oberrechtsrat i. K. Helmut Kniele. Unser herzlicher Dank geht auch an Eva Reichert-Garschhammer vom Staatsinstitut für Frühpädagogik (IFP), die die von ihr erstellten Textdokumente durchgesehen und aktualisiert hat. Das neue Paket umfasst folgende Dokumente: KiTa-Ordnung Kitaordung_Broschüre_Endversion_03.2011.indd 1 07.04.11 08:07 l Anlage 8: Einwilligung zum Informationsgespräch mit der vorherigen Kindertageseinrichtung l Anlage 9: Einwilligung zum Fachdialog zwischen Kindertageseinrichtung und Schule l Anlage 9a: Einwilligung zur Zusammenarbeit mit der Grundschule l Anlage 10: Einwilligung zur Zusammenarbeit mit den Fachdiensten l Bildungs- und Betreuungsvertrag l Anlage 11: Einwilligung zu Aufnahmen für Zwecke der Öffentlichkeitsarbeit l Anlage 1: Buchungsvereinbarung l Anlage 12: Medikamentenverabreichung l Anlage 2: Elternbeitragsvereinbarung l Anlage 13: Erklärung mitarbeitender Eltern zur Wahrung des Betriebs- und Sozialgeheimnisses l Anmeldebogen l Anlage 3: Persönliche Angaben des Kindes und der Eltern l Anlage 4: Merkblatt zur Belehrung der Eltern gemäß § 34 Absatz 5 Satz 2 Infektionsschutzgesetz (IfSG) l Anlage 5: Merkblatt zur Mitwirkung bei der Einhaltung der Lebensmittelhygiene-Verordnung (LMHV) l Anlage 6: KiTa-Ordnung (Broschüre) l [Anlage7: Die pädagogische Konzeption Ihrer Einrichtung] l Anlage A zur Ordnung der Kindertageseinrichtung. Elternbeiträge Bei Abschluss eines Bildungs- und Betreuungsvertrages sind die Anlagen 1 mit 6 verbindliche Bestandteile dieses Vertrages. Die Verwendung der anderen Anlagen empfehlen wir bei entsprechendem Bedarf. Die Anlage A zur Ordnung der Kindertageseinrichtung dient zur Festsetzung der Elternbeiträge durch den Vorstand der Kirchenverwaltung. Mitglieder-Info • Ausgabe 1/2011 • Seite 45 Fort- und Weiterbildung 2011 Leitung - Personalentwicklung - Qualitätsmanagement Termin: 15.07.2011 und ein zweiter Tag (Termin wird vereinbart) Referentin: Pia Theresia Franke, München Tagungsstätte: Geschäftsstelle des Bayerischen Landesverbandes Maistraße 5 80337 München Zielgruppe: Leiter/innen und pädagogische Fachkräfte in Elternzeit oder Sonderurlaub oder im ersten Halbjahr des Wiedereinstiegs Kursgebühr: mit Mittagessen und Kaffee €110,00 Kursnummer: 19-2011 „Ich komme wieder!“ Fortbildung zum beruflichen Wiedereinstieg NacheinerberuflichenAuszeit(ElternzeitoderSonderurlaub) kehren Sie demnächst wieder in Ihr Arbeitsfeld der Kindertageseinrichtung zurück und möchten sich sowohlpersönlich,alsauchfachlichundpraktischauf diesen wichtigen Schritt vorbereiten. DabeiistfürSiedieeigeneStandortbestimmung(persönlicheSituation,individuellesKompetenzprofil,eigene Entwicklungsziele und Schritte der Umsetzung) mit den zentralen Fragen: „Was kann ich? Was will ich? und Was brauche ich?“ ebenso wichtig, wie eine Aktualisierung ihres fachlichen und inhaltlichen Wissens im Bereich der frühen Bildung. DieVeranstaltunggreiftverschiedeneThemenrundum denberuflichenWiedereinstiegaufundbietetdamiteine hilfreiche Unterstützung im Prozess der Neuorientierung.DieInhalteundMethodensindsoaufeinander abgestimmt, dass sowohl das fachliche Grundwissen aktualisiert und aufgefrischt, als auch eigene Kompetenzenerweitertundvertieftwerdenkönnen. Ziel: Vorbereitung des Wiedereinstieges, Aktualisierung von Wissen und Austausch von Erfahrungen Inhalte: Veränderungen in der Kindertagesbetreuung: BEP und BayKiBiG Neue Anforderungen durch den Bildungsplan: - Bild vom Kind - Verständnis von Bildung - Bildungsbereiche - Schlüsselprozesse Geänderte Rolle der Erzieherin Vorbereitung auf den Wiedereinstieg Individuelle Einarbeitungsplanung als Chance für den Wiedereinstieg Veranstalter: Bayerischer Landesverband katholischer Tageseinrichtungen für Kinder e.V. Maistraße 5, 80337 München Tel.089/530725-0,Fax089/530725-25,E-mail:[email protected] Mitglieder-Info • Ausgabe 1/2011 • Seite 46 45 Für Sie notiert Neue Handreichung zur Arbeit mit Kindern unter drei Jahren Das Staatsinstitut für Frühpädagogik (IFP) hat eine neue Handreichung „Bildung, Erziehung und Betreuung von Kindern in den ersten drei Lebensjahren“ herausgebracht. Die „Handreichung zum Bayerischen Bildungs- und Erziehungsplan für Kinder in Tageseinrichtungen bis zur Einschulung“, so der Untertitel, ist im Verlag das netz erschienen und kann über den Buchhandel zum Preis von 9,90 Euro bezogen und von der Homepage des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen, heruntergeladen werden (http://www.stmas.bayern.de/kinderbetreuung/bep/bisdrei.htm). Vertreter der beiden christlichen Kirchen sahen sich allerdings veranlasst, gegenüber dem Ministerium und dem IFP das Fehlen des Themas „Religiöse Erziehung“ zu beklagen. Da dieser Bildungsbereich des Bayerischen Bildungs- und Erziehungsplans in der Publikation offenbar übersehen wurde, haben sie ihre Unterstützung bei der entsprechenden Überarbeitung des Bandes angeboten Neue WiFF-Expertisen erschienen Auf der Homepage der Weiterbildungsinitiative stehen eine Reihe neuer Expertisen, insbesondere zum Thema Sprache und Elementardidaktik, zur Verfügung: Jörg Maywald (2011): Kindeswohlgefährdung. Die Rolle der Kindertageseinrichtung – Anforderungen an Fachkräfte, hrsg. vom Deutschen Jugendinstitut, München (http://www.weiterbildungsinitiative.de/uploads/media/WiFF_Expertise_8_Maywald_Internet.pdf) Helga Andresen (2011): Erzählen und Rollenspiel von Kindern zwischen drei und sechs Jahren, hrsg. vom Deutschen Jugendinstitut, München http://www.weiterbildungsinitiative.de/uploads/media/ WiFF_Expertise_10_Andresen_Internet.pdf Iris Füssenich (2011): Vom Sprechen zur Schrift. Was Erwachsene über den Erwerb der Schrift im Elementarbereich wissen sollten, hrsg. vom Deutschen Jugendinstitut, München http://www.weiterbildungsinitiative.de/uploads/media/ WiFF_Expertise_9_Fuessenich_Internet_01.pdf Gudula List: Spracherwerb und die Ausbildung kognitiver und sozialer Kompetenzen. Folgerungen für die Entwicklungsförderungen http://www.weiterbildungsinitiative.de/publikationen/ alle-publikationen/details/artikel/spracherwerb-unddie-ausbildung-kognitiver-und-sozialer-kompetenze html Monika Rothweiler/Tobias Ruberg: Der Erwerb des Deutschen bei Kindern mit nichtdeutscher Erstsprache. Sprachliche und außersprachliche Einflussfaktoren http://www.weiterbildungsinitiative.de/publikationen/ alle-publikationen/details/artikel/der-erwerb-des-deutschen-bei-kindern-mit-nichtdeutscher-erstsprache. html Elmar Drieschner: Bindung und kognitive Entwicklung – ein zusammenspiel. Ergebnisse der Bindungsforschung für eine frühpädagogische Beziehungsdidaktik http://www.weiterbildungsinitiative.de/publikationen/ alle-publikationen/details/artikel/bindung-und-kognitive-entwicklung-ein-zusammenspiel.html Mitglieder-Info • Ausgabe 1/2011 • Seite 47 Für Sie notiert DVD „Natur-Wissen schaffen – Bildungsqualität im Elementarbereich stärken“ Das Projekt „Natur-Wissen schaffen“ soll Erzieherinnen und Erzieher dabei unterstützen, die Bildungsbereiche Mathematik, Naturwissenschaften, Technik und Medien in der pädagogischen Arbeit umzusetzen. Unter Leitung von Prof. Dr. mult. Wassilios E. Fthenakis hat ein Team an der Universität Bremen in Kooperation mit 25 Einrichtungen in ganz Deutschland Handreichungen zu den Bildungsbereichen und zur Dokumentation von Bildungsprozessen erarbeitet. Nun ist eine DVD erschienen, die das Projekt, die Handreichungen und Beispiele aus der Praxis vorstellt. Hier können Sie die DVD online bestellen: http://www. natur-wissen-schaffen.de/dvd/index.php DVD „Natur-Wissen schaffen – Bildungsqualität im Elementarbereich stärken“ Das Projekt „Natur-Wissen schaffen“ soll Erzieherinnen und Erzieher dabei unterstützen, die Bildungsbereiche Mathematik, Naturwissenschaften, Technik und Medien in der pädagogischen Arbeit umzusetzen. Unter Leitung von Prof. Dr. mult. Wassilios E. Fthenakis hat ein Team an der Universität Bremen in Kooperation mit 25 Einrichtungen in ganz Deutschland Handreichungen zu den Bildungsbereichen und zur Dokumentation von Bildungsprozessen erarbeitet. Nun ist eine DVD erschienen, die das Projekt, die Handreichungen und Beispiele aus der Praxis vorstellt. Hier können Sie die DVD online bestellen: http://www. natur-wissen-schaffen.de/dvd/index.ph Mitglieder-Info • Ausgabe 1/2011 • Seite 48 Statistik: Personalschlüssel in Kindertageseinrichtungen Das Statistische Bundesamt hat die Personalschlüs sel in deutschen Kindertageseinrichtungen zum Stich tag 1. März 2010 untersucht. Die Darstellung „Der Personalschlüssel in Kindertageseinrichtungen. Methodische Grundlage und aktuelle Ergebnisse“ ist als pdf-Datei abrufbar unter: http://www.destatis.de/jetspeed/portal/cms/ Statistik: Nur 3,5 % der pädagogischen Fachkräfte in Kitas sind männlich Auch wenn es in den letzten drei Jahren mehr wurden: Nach wie vor arbeiten nur vergleichsweise wenige Männer in der Kindertagesbetreuung. Im März 2010 waren nach Auskunft des Statistischen Bundesamtes in Deutschland 15.400 Männer in einer Kita oder als Tagesvater tätig. Gegenüber März 2007 bedeutet das zwar eine Steigerung um 39 %, doch beträgt der Anteil der männlichen pädagogischen Fachkräfte in Kitas damit nach wie vor nur 3,5 %. Am stärksten sind Männer in der Kindertagesbetreuung der Stadtstaaten Hamburg (9,4 %) und Bremen (9,1 %) vertreten. Hier der Link zum Statistischen Bundesamt (Destatis): http://www.destatis.de/jetspeed/portal/ cms/Sites/destatis/Internet/DE/Presse/pm/zdw/2011/ PD11__015__p002,templateId=renderPrint.psml Für Sie notiert SpardaZukunftspreis „Bildung für Kinder“ Die SpardaStiftung Nürnberg schreibt den mit 10.000,00 Euro dotierten SpardaZukunftspreis „Bildung für Kinder“ aus. Gesucht werden beispielhafte, innovative, „starke“ Projekte. Bis zum 31. Juli 2011 können sich Einrichtungen mit ihren Projekten bewerben. Einzige Teilnahmevoraussetzung: Die Bewerbung muss aus dem Raum Nordbayern stammen. Nähere Informationen zum Preis, zur Jury und der Bewerbung finden Sie hier: https://www.sparda-n.de/ stiftung/stiftung_zukunftspreis_preis.php Credit Points der Hochschule Regensburg für Erzieherinnen In Regensburg können Erzieherinnen und Erzieher erstmals in Bayern in einer Weiterbildung Credit Points erwerben, die bei einem eventuellen Studium angerechnet werden. Caritasdirektor Bernhard Piendl und Hochschulpräsident Prof. Dr. Josef Eckstein unterzeichneten Ende April eine entsprechende Vereinbarung. Demnach erhalten Absolventinnen und Absolventen der auf zwei Jahre angelegten Weiterbildung „Qualifizierte/r Leiter/in“ der Caritas Regensburg künftig neben dem Zertifikat auch 15 Credit Points. An der Hochschule Regensburg wird pro Semester der Erwerb von 30 Punkten verlangt. Caritasdirektor Piendl begrüßt die neue Zusammenarbeit ausdrücklich, denn es gehe darum, das Schubladendenken in der Bildungsarbeit aufzubrechen und beste Voraussetzungen für die zukünftigen Fachleute im sozialen Bereich zu schaffen. Jugend- und Familienministerkonferenz empfiehlt Berufsbezeichnung „Kindheitspädagogin/Kindheitspädagoge“ Die Jugend- und Familienministerkonferenz (JFMK) hat Berufsbezeichnung „staatlich anerkannte Kindheitspädagogin/staatlich anerkannter Kindheitspädagoge“ für akademisch ausgebildetes Fachpersonal für Kindertageseinrichtungen empfohlen. Diese Berufsbezeichnung sei Ausdruck einer Fachlichkeit, die dem Fachkräftegebot in der Kinder- und Jugendhilfe entspreche, so die JFMK. Sie folgt damit einem Vorschlag der Bundesarbeitsgemeinschaft Bildung und Erziehung in der Kindheit. Mit der Empfehlung der JFMK werde verdeutlicht, dass die Absolventen der Studiengänge zur frühen Bildung und Erziehung eine eigenständige Qualifikation erreicht hätten, so die Pressemitteilung der Bundesarbeitsgemeinschaft. Die Länder seien nun aufgefordert, über die Studiengänge die Möglichkeit der Verleihung der Berufsbezeichnung umzusetzen. Träger hätten nun noch deutlicher die Chance, weitere Schritte hin zu multiprofessionellen Teams in Kindertageseinrichtungen umzusetzen. TNS Emnid-Umfrage: Familienvater als Alleinverdiener ist ein Auslaufmodell Für 60 Prozent der Deutschen ist der Vater als Alleinverdiener in der Familie ein Auslaufmodell. Das zeigt eine repräsentative Umfrage, die TNS Emnid im Auftrag der Expertenkommission Familie der Bertelsmann Stiftung im März 2011 durchgeführt hat. In immer mehr Haushalten müssen beide Partner verdienen, um den Lebensunterhalt zu sichern. 95 Prozent der Befragten halten zusätzliche Betreuungsangebote für notwendig, damit insbesondere Alleinerziehende mehr Zeit für eine Berufstätigkeit haben. Die Expertenkommission Familie hat auf Grundlage der Umfrage Forderungen unter dem Titel „Innovationen für eine familienfreundliche Gesellschaft“ formuliert. Kommissionsmitglied und Direktor des Deutschen Jugendinstituts Prof. Dr. Thomas Rauschenbach spricht sich darin für eine Männerquote für pädagogische Berufe wie Lehrer und Erzieher aus. „Zugleich sollten die für das Betreuungsgeld geplanten Mittel besser in die Quantität und Qualität des Betreuungssystems investiert werden“, so Rauschenbach weiter (Innovationen für eine familienfreundliche Gesellschaft, S. 32). Hier der Link zur Pressemitteilung mit weiteren Ergebnissen der Umfrage: http://www.bertelsmann-stiftung.de/cps/rde/xchg/ SID-0DF502E2-D3BF57FA/bst/hs.xsl/nachrichten_107027.htm Dort stehen auch andere Dokumente als pfd-Downloads zur Verfügung, u.a. die Forderungen der Expertenkommission Familie „Innovationen für eine familienfreundliche Gesellschaft“. Mitglieder-Info • Ausgabe 1/2011 • Seite 49 Für Sie notiert Projekt „Landschaft schmeckt“: Erzieherinnen als Ernährungs-Botschafter Richtig essen ist aktiver Umweltschutz: Deshalb unterstützt die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) das Projekt „Landschaft schmeckt“ der Sarah Wiener Stiftung. Das Projekt will Erzieherinnen und Erzieher an Fachschulen für gesunde Ernährung sensibilisieren und sie über nachhaltige Lebensmittelproduktion, Produktwahl und Energieverbrauch informieren, damit sie als „Ernährungs-Botschafter“ in ihren Einrichtungen aktiv werden können. Denn über die Vermittlung von Wissen über nachhaltigen Konsum werde ein wichtiger Beitrag geleistet, die Biodiversität zu erhalten. Neben Fortbildungsveranstaltungen gehört auch die Entwicklung eines Handbuchs für Erzieherinnen und Erzieher zum Projekt. Weitere Hinweise zum Projekt auf der Homepage der Deutschen Bundesstiftung Umwelt: http://www.dbu. de/123artikel31547_335.html Katholischer Kinder- und Jugendbuchpreis 2011 für Morris Gleitzman Für seinen Roman „Einmal“ erhält der australische Autor Morris Gleitzman den mit 5.000,00 Euro dotierten Katholischen Kinder- und Jugendbuchpreis 2011 der Deutschen Bischofskonferenz. Das Buch ist der erste Band einer Trilogie über eine Kinderfreundschaft in finsterer Zeit: Der neunjährige Felix lebt 1942 in einem katholischen Waisenhaus, wohin ihn seine Eltern, jüdische Buchhändler, gebracht haben. Denn er soll gut versorgt sein in diesen Zeiten, die nicht leicht sind. Wie schwer sie sind, ahnt Felix, als Männer mit seltsamen Armbinden ins Waisenhaus kommen und dort Bücher verbrennen. Er reißt aus, um seine Eltern zu warnen. Unterwegs trifft er die kleine Zelda, deren Familie ermordet wurde. Von nun an sind die beiden gemeinsam unterwegs auf einer dramatischen Odyssee durch das von den Nationalsozialisten beherrschte und terrorisierte Polen. Dabei wird „der in seiner staunenden Weltsicht unerschütterliche Felix Kraft seiner Geschichten zum Hoffnungsträger, der in einer in sich zusammenbrechenden Welt das letzte Stück Glauben an ein Heilwerden verkörpert – selbst über jenen Zeitpunkt hinaus, an dem Mitglieder-Info • Ausgabe 1/2011 • Seite 50 auch der kindliche Ich-Erzähler angesichts des Grauens der Ereignisse keine Worte mehr zu finden vermag“, so Bischof Gebhardt Fürst, der Vorsitzende der Publizistischen Kommission der Deutschen Bischofskonferenz, in seiner Ansprache zur Preisübergabe. Der von Uwe-Michael Gutzschhahn übersetzte Roman „Einmal“ von Morris Gleitzman wird für Kinder ab 11 Jahren empfohlen. Er ist im Carlsen Verlag erschienen. Druckerei: bitte oben Adressfeld, wie üblich gelbe Balken --> wie auf U 1 Kompetenz in Sachen Kita: www.blv-kita.de B 53180 www.blv-kita.de Druckerei: Bitte hier Logo einfügen.