Inhaltsverzeichnis - Michael Imhof Verlag

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Inhaltsverzeichnis
6 K ATJ A S C H R Ö C K , DAV I D W E N D L A N D
Vorwort
Introduction
11 D A V I D W E N D L A N D
Reverse Engineering und Experimentelle
Archäologie – Forschungen zu Bau, Planungsprinzipien und Entwurfskriterien spätgotischer
Zellengewölbe
39 K A T J A S C H R Ö C K
Zur Formulierung von Konstruktionsvorgaben
und ihrer Umsetzung auf der mittelalterlichen
Baustelle – oder: War die Nutzung von Schablonen
zwingend?
49 N O R B E R T N U S S B A U M
Unikat oder Serie? Zur Strategie gotischer
Bauproduktion
Abb. S. 2: Zellengewölbe im Schloss Wurzen (María José Ventas Sierra)
57 R O B E R T B O R K
89 S E B A S T I A N S T O R Z
Das antike Bauverfahren von Gewölbetragwerken
aus Tonröhren. Vom Tonnengewölbe bis zur
Entwicklung des „Nordafrikanischen Trompengewölbes“
103 E N R I Q U E R A B A S A D Í A Z ,
C A R M E N P É R E Z D E LO S R Í O S
Late Gothic as an Expression of Procedure
113 P E T R C H O T Ě B O R
Das Gewölbe des Wladislawsaals auf der Prager
Burg und seine Details
119 G Ü N T E R D O N A T H
Beobachtungen an der Baustruktur des Großen
Wendelsteins der Albrechtsburg in Meißen
137 R A F A E L M A R T Í N T A L A V E R A N O
Design and Construction of a Flat Ribbed Vault:
The Lower Choir of San Esteban (Salamanca)
Gothic Vaulting and the Dynamics of Plan Design
© 2014
Michael Imhof Verlag GmbH & Co. KG
Stettiner Straße 25
D-36100 Petersberg
Tel. 0661/2919166-0, Fax 0661/2919166-9
www.imhof-verlag.com; [email protected]
147 S T E F A N B Ü R G E R
71 J O S T O M L O W
Der spätgotische Entwurf eines Kreuzgangs in
Alpirsbach – Wie sind sie mit Unsicherheiten
zurechtgekommen?
159 C H R I S T I A N M A I
81 J O S É C A R L O S P A L A C I O S G O N Z A L O
Layout und Reproduktion: Vicki Schirdewahn, Michael Imhof Verlag
Druck: AZ Druck und Datentechnik GmbH, Berlin
Printed in EU
ISBN 978-3-86568-836-1
Norm oder unnormal? – Überlegungen
zur Funktion von Visierungen in Bau- und
Kommunikationsprozessen
Latest Developments in Research on Spanish
Late Gothic Vaults in the Architecture School
of Madrid
Die Lehrgerüste spätgotischer Zellengewölbe in
zeitgenössischen Schriftquellen
172 T A F E L N
Vorwort
er Bau komplexer Gewölbe stellt besonders hohe Anforderungen an Planung und Konstruktion: Bei der
geometrischen Konzeption ist die Möglichkeit der
fehlerfreien Übermittlung auf die Baustelle ebenso zu bedenken, wie die Standsicherheit, für die – zumindest nach heutigem Wissen – die Form eine entscheidende Rolle spielt. Neben dem Herstellungsprozess kommt somit auch den Charakteristika des Planungsprozesses ein prägender Einfluss auf
das Erscheinungsbild des Bauwerks zu. Die Artefakte selbst
sind wesentlich durch den Prozess ihrer Entstehung geprägt –
der Einblick in diese Vorgänge bildet somit einen Schlüssel
zu ihrem Verständnis und ihrer Interpretation. Im Falle von
Bauwerken zählen hierzu die Entscheidungsprozesse bei Entwurf und Planung, der Informationsfluss zur Ausführung und
die Bauorganisation. Sowohl die Konstruktion als auch die
Fertigung, bei der die Materialeigenschaften eine nicht unerhebliche Rolle spielen, sind ebenfalls zu berücksichtigen. Neben den Kommunikationsprozessen sind dabei auch die Entscheidungen, welche technologische Fragen betreffen, aus historischer Sicht zu diskutieren; diese müssen somit interpretatorisch aus geisteswissenschaftlicher Perspektive erschlossen
werden. Um größere Klarheit über diese Abläufe zu gewinnen,
ist es geboten, neue Ansätze zu erproben, da in den meisten
Fällen lediglich das Bauwerk selbst als Quelle zur Verfügung
steht. Die Überlegungen zu möglichen Prozeduren bei der
Festlegung der Konstruktionsvorgaben lassen sich wiederum
absichern durch bauarchäologische Untersuchungen des Konstruktionsgefüges. Das Potential des Bauwerks als Quelle geht
somit weit über Datierungs- und Zuschreibungsfragen hinaus;
zugleich sind dabei auch die methodischen Probleme des kritischen Umgangs mit dieser Quellengattung zu diskutieren.
D
Die methodischen Herausforderungen und möglichen Zugänge aus Bauforschung, Analyse von Quellen und technischer
Prosa, sowie experimenteller Archäologie wurden in der internationalen Tagung „Traces of Making“ diskutiert, die am
20. und 21. Januar 2012 in Meißen und Trebsen stattgefunden
hat. Ziel der Tagung und dieses Bandes war und ist es, die
große Bandbreite und vor allem auch die mögliche Vernetzung
der verschiedenen methodischen Perspektiven aufzuzeigen.
Die 13 Aufsätze der Tagungsteilnehmer spannen den Bogen
von der Antike bis zum Spätmittelalter und beleuchten dabei
verschiedenste Aspekte, die vom Entwurf bis zu den Herstellungsprozessen reichen. Dabei diskutieren die Untersuchungen, wie anhand von bauarchäologischen Befunden Werkzeugspuren beobachtet, Aufschlüsse zu den Fertigungsprozessen gewonnen und darüber hinaus auch Planungsprozesse beschrieben werden können. Ausgehend vom gebauten Objekt
sind Aussagen darüber zu treffen, welche Entscheidungen planerisch verfasst und wie diese am Bau implementiert werden.
Ein Verstehen dieser Spuren ist freilich nur möglich, indem
wir diese Prozesse reflektieren und nachvollziehen – zumindest
gedanklich, aber zuweilen sogar tatsächlich und materiell, am
Modell oder in der Nachbildung der Herstellung einzelner
Bauteile oder der ganzen Konstruktion. Experimentelle Archäologie erweist sich somit als komplementär zur Spurensuche am Befund, um Produktionsprozesse nachvollziehen
und davon ausgehend Entwurfsprinzipien beschreiben zu können. Das Verständnis, das sich auf diesem Weg über die Bauwerke gewinnen lässt, eröffnet schließlich auch einen neuen
Blick auf die zeichnerischen und schriftlichen Quellen; so
runden quellenkundliche Studien das Spektrum des Bandes
ab. Zum einen geht es dabei um zeichnerische Darstellungen
von Gewölbeentwürfen und deren Funktion als Planungsmedium. Und zum anderen geht es um die Konstruktionen, die
das Gewölbe buchstäblich geprägt haben, nämlich die Lehrgerüste. Zu diesen gibt es naturgemäß – handelt es sich doch
um ephemere Strukturen, die nach der Fertigstellung des Gewölbes entfernt werden müssen – nur sehr vereinzelte Befunde.
Obschon aufschlussreiche Informationen über die Herstellung
und Verwendung von Lehrgerüsten in erhaltenen Baurechnungen und vergleichbaren Schriftquellen gewonnen werden
können. Die Thematik der spätgotischen Zellengewölbe
nimmt im vorliegenden Band größeren Raum ein, da „Traces
of Making“ zugleich ein Berichtskolloquium über die laufenden Forschungen zu den Zellengewölben und der Architektur
der Albrechtsburg gewesen ist.
Die Tagung und dieser Band entstanden im Rahmen des Forschungsprojekts „Form, Konstruktions- und Entwurfsprinzipien von spätgotischen Zellengewölben – ‚reverse engineering‘
und experimentelle Archäologie“ (Bruno Klein, David Wendland) an der TU Dresden, gefördert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft und den Staatlichen Schlössern, Burgen
und Gärten Sachsen. Die Tagung entstand in Kooperation
mit dem Teilprojekt D „Die Kirche als Baustelle“ des Sonderforschungsbereichs 804 „Transzendenz und Gemeinsinn“
(Bruno Klein). Vollendet werden konnte dieser Band im Rahmen des vom Europäischen Forschungsrat als ERC Starting
Grant geförderten Projekts „Design Principles in Late-Gothic
Vault Construction – A New Approach Based on Surveys, Reverse Geometric Engineering and Reinterpretation of the Sources (REGothicVaultDesign)“ (David Wendland), in dem die
Untersuchungen zu den Entwurfsprinzipien spätgotischer Gewölbe weitergeführt werden. Tagungsorte waren die Albrechtsburg in Meißen sowie das Bildungszentrum in Trebsen, ver-
bunden mit einem Besuch im Sächsischen Bauteilarchiv, welches leider, wie auch die „Gewölbewerkstatt“ mit den Experimenten, durch das Hochwasser von 2013 verwüstet wurde
und inzwischen nicht mehr besteht.
Unser ganz herzlicher Dank gilt der Schlösserverwaltung und
dem Schlossleiter Uwe Michel für die Bereitstellung des Tagungsraumes in der Albrechtsburg und die einmalige Gelegenheit, Vorträge über spätgotische Zellengewölbe unmittelbar
unter diesen zu erleben. Ebenso danken wir Uwe Bielefeld und
dem Förderverein Handwerk und Denkmalpflege – Rittergut
Trebsen, unserem Kooperationspartner im Zellengewölbe–
Projekt, für die Zurverfügungstellung des Tagungsraumes in
Trebsen und des sicheren Zugangs zum Baugerüst. Herrn Jochen Rockstroh danken wir für den Zugang zum Trebsener
Schloss. Für einen reibungslosen Ablauf der Tagung sorgten
Cornelia Eichler, Andreas Gosch, Ludwig Kallweit und Kerstin
Küster. Den beiden Letztgenannten sowie Alexander Kobe und
Christian Mai verdanken wir das sorgfältige Lektorat der Beiträge. Die nicht immer ganz einfache Aufgabe des englischen
Lektorats übernahmen Jessica Buskirk und Jennifer HerberBrown. Allen genannten sei an dieser Stelle herzlich gedankt!
Katja Schröck
David Wendland
DAVID WENDL AND
Reverse Engineering und Experimentelle Archäologie –
Forschungen zu Bau, Planungsprinzipien und Entwurfs kriterien spätgotischer Zellengewölbe
ei den Zellengewölben handelt es sich um einen besonderen Typus spätgotischer Gewölbe, der sich durch
eine charakteristische, gefaltete Form der Gewölbefläche auszeichnet. Sie sind in einigen Fällen durch Rippen,
meist aber durch rippenlose Grate strukturiert, zwischen denen
die gemauerte Schale nach oben gefaltet ist und scharfkantige
Grate und Kehlen bildet; so entstehen filigran wirkende Decken mit einem faszinierenden Spiel von Licht und Schatten
(Abb. 1).
Ihre Erfindung ist im Zusammenhang mit dem 1471 begonnenen, von Arnold von Westfalen geplanten Bau der Albrechtsburg in Meißen zu sehen, wo sie erstmals in großer
Zahl und an prominenter Stelle auftreten: sämtlichen Decken
des ersten und zweiten Obergeschosses sowie der zahlreichen
großzügigen Fensternischen im gesamten Bau sind Zellengewölbe – weitgespannte Decken in den Sälen, der Kapelle und
Gemächern, komplexe räumliche Konstruktionen in den monumentalen Treppenanlagen, mit raffinierten kleinteiligen Figuren auch in Korridoren und Nebenräumen. Sie stellen ein
zentrales Element in der Architektur dieses singulären Bauwerks dar. In der Nachfolge erfreute sich diese Gewölbeform
zeitweise großer Beliebtheit und breitete sich zunächst über
Sachsen, Böhmen, Danzig und schließlich in einem Gebiet
aus, das große Teile Mittel- und Osteuropas umfasste. Obwohl
die Zellengewölbe bereits im 19. Jahrhundert das Interesse
der Architekturgeschichtsschreibung gefunden haben und inzwischen Gegenstand umfassender Untersuchungen waren
(Meuche 1958; Radová und Rada 2001), werfen sie immer
noch zahlreiche Fragen auf, von denen wir in den hier präsentierten Forschungen nur einige thematisiert haben – mit
einem Ansatz, der auf Entwurf, Planung, Bauorganisation
und Herstellung fokussiert. Es wird versucht, die Prozesse und
Praktiken bei der Entstehung des gebauten Objekts zu verstehen, ausgehend von der Suche nach den Spuren dieser Prozesse – traces of making – am Objekt selbst.
In den Quellen erfahren wir nichts darüber, warum Zellengewölbe entwickelt und verwendet wurden, und warum
B
sie in einem großen Gebiet derart beliebt waren. Wir wissen
nicht einmal, wie diese Gewölbe von den Zeitgenossen genannt wurden – die heute gebräuchlichen Bezeichnungen,
Zellengewölbe oder Diamantgewölbe, haben sich offenbar
erst im 19. Jahrhundert etabliert. In den bekannten zeitgenössischen Quellen zur spätgotischen Planungspraxis – „Werkmeisterbücher“ und Zeichnungskonvolute – werden Zellengewölbe an keiner Stelle thematisiert, dargestellt oder auch
nur erwähnt. Tatsächlich fehlt generell in der technischen Literatur aus dem Kontext oder der Tradition des spätgotischen
Gewölbebaus jeder Hinweis auf die Herstellung des Gewölbemauerwerks, obwohl die gemauerten Schalen die eigentliche
Tragstruktur der Gewölbe darstellen, ihre konstruktiven Details sehr komplex sind, und sie offensichtlich mit großer Sorgfalt hergestellt wurden (Wendland 2012c). So ergeben sich
nicht einmal indirekte Hinweise auf die Herstellung der gefalteten Mauerwerksflächen der Zellengewölbe. Auch die bisher erschlossenen Quellen zu einzelnen Bauvorhaben führen
uns nicht weiter: Sie geben zwar in einigen Fällen Hinweise
auf den zeitlichen Ablauf des Bauprozesses sowie die hierfür
benötigten Materialien und Hilfsmittel (siehe Beitrag von
Christian Mai in diesem Band), doch können auch hieraus
keine konkreten Aussagen zur Herstellungsweise und zu den
Konstruktionsprinzipien dieser Gewölbe abgeleitet werden.
Als einzige Quellen, aus denen wir etwas über diese Gewölbe lernen können, lassen sich somit die Bauten selbst heranziehen: Grundsätzlich müssen Überlegungen zur Verfahrensweise bei der Herstellung, den zugrunde liegenden Konstruktionsprinzipien und auch zu den Entscheidungsprozessen
beim Entwurf, von den Befunden und deren Analyse abgeleitet werden. Ausgehend vom Artefakt gilt es somit, Charakteristika von Planung und Herstellung zu beschreiben,
auf dieser Grundlage Einblick in die gestalterischen und planerischen Optionen und die technologischen Potentiale und
Randbedingungen zu gewinnen, Aussagen über die Organisations- und Kommunikationsprozesse bei der Planung und
Realisierung der Bauten zu formulieren, und so zumindest
40 
K ATJ A S C H RÖ C K
KO N S T R U K T I O N S VO RGA B E N U N D I H R E U M S E T Z U N G AU F D E R M I T T E L A LT E R L I C H E N B AU S T E L L E
 41
das Polygon in eine Kurve transformiert ist. Der Versuch, eine
Rundung direkt auszuarbeiten, führt in der Regel zu einem
sehr ungenauen und schlecht zu kontrollierenden Ergebnis.
Anhand einer Dreitafelprojektion1 des Werksteins sind die
Maße jederzeit abruf- und überprüfbar; Profile werden mit
einer meist selbsthergestellten Kontraschablone und dem Winkel kontrolliert.
Pfeiler der Albrechtsburg Meißen
Abb. 1 Brettungen (aus Warth 1981, 164).
aufgebracht: Der bereits besprochene Mittelriss, welcher die
wichtigste Bezugslinie für alle weiteren Anriss- und Messpunkte darstellt und auf alle Bearbeitungsflächen fest übertragen werden muss – er ist somit eine Hilfskonstruktion. Der
Körperriss hingegen umfasst alle Linien, die die Form und
Größe des Werkstückes markieren. Ein Profilriss ist deckungsgleich mit der Profilschablone und kommt vorwiegend an den
Stoßfugen zum Einsatz (Ader et al. 1998, 37). Körper- und
Profilrisse sind also formgebende Konstruktionen.
Hat der Steinmetz nun die Schablone – im Maßstab 1:1 –
erstellt bzw. von seinem Polier erhalten, überträgt er die Form
bzw. Umrisse mittels einer Reißnadel auf den Stein. Danach
beginnt er mit der Bearbeitung des Werksteins und nähert
sich der Form, indem Fasen platziert werden. Egal welche geometrische Form zu behauen ist, sie wird immer vom Steinmetz
gedanklich in Flächen zerlegt. Der Fertigungsprozess gleicht
somit einer Annäherung an die beabsichtigte Form mittels
sukzessiv angelegter Fasen, welche gut mit dem Winkel zu
kontrollieren sind. So ist zu beachten, dass Rundungen dabei
entgegen häufiger Einschätzungen nicht auf dem Ober- und
Unterlager angezeichnet und direkt mit einem Randschlag
entlang der Risslinie versehen werden (Abb. 2). Der Handwerker tastet sich vielmehr an die Form heran. Um die angerissene Rundung legt er unterschiedliche Vielecke (Viereck,
Achteck, Sechzehneck etc.). Der Steinmetz arbeitet sich somit
mittels Fasen an die Form heran, deren Brechung mit jedem
Arbeitsschritt größer wird, bis die Kanten verschwinden und
Abb. 2 Die Rundung wird über Fasen gearbeitet.
Der architektonische Entwurf der Burg geht auf den sächsischen Landesbaumeister Arnold von Westfalen zurück. Zwischen dem Baubeginn im Jahre 1471 waren die Arbeiten bis
zu Arnolds Tod im Jahre 1480/81 wohl bis zum ersten Obergeschoss fortgeschritten (Bechter und Fastenrath 1996, 572–
73). Über den kleinen Wendelstein erreicht man heute den
Großen Saal. Es handelt sich dabei um einen zweischiffigen
Saal, der mit Zellengewölben über drei Pfeilern überwölbt ist.
Von dort aus gelangt man zum nördlich gelegenen Großen
Bankettsaal, welcher ebenfalls zweischiffig angelegt ist, mit
drei starken Pfeilern, die die Werksteinrippen, welche die
Grate der Zellengewölbe bilden, aufnehmen. Der Nordflügel
der Albrechtsburg wurde durch einen Brand im Jahre 1773
stark zerstört. Nach notdürftigen Instandsetzungsarbeiten
konnten jedoch erst ab der Mitte des 19. Jahrhunderts – auf
Initiative des Altertumvereins – die Rekonstruktionsarbeiten
in Angriff genommen werden (Bechter und Fastenrath 1996,
574). Gesichert ist, dass die beiden westlichen Pfeiler vollständige Rekonstruktionen des 19. Jahrhunderts sind.
Die Grundform des Pfeilers im Bankettsaal bildet ein Achteck (Abb. 3). Aus diesem erwachsen aus einer abgefasten Fläche jeweils an den Ecken – einige Zentimeter zum Pfeilerkern
hin verschoben – acht runde Dienste, deren Verbindungsflächen zurückgesetzt sind. Rotierende Siebenecke bilden sich
aus den Runddiensten heraus, wobei der Durchmesser des
Pfeilerkerns sich verringert und abermals nach hinten springt.
Aus den rotierenden Siebenecken, die den gleichen Durchmesser der Runddienste besitzen, wachsen abermals Heptagone,
welche sich verjüngen. Diese laufen sich an einem wiederum
im Durchmesser geringeren Dreivierteldienst tot. Der Dienst
nimmt weiter oben die Rippen des Zellengewölbes auf.
Diese komplexe Pfeilerform scheint auf den ersten Blick
die Herstellung einer Schablone zu verlangen. Auf dieser sind
bequem die Grundform – also das Achteck – und von dort
ausgehend die Rücksprünge der Rundpfeiler bis hin zu den
komplexen Siebenecken zu konstruieren. Einem zu behauenden, rotierenden Polygon liegt immer ein Zylinder als Basis
zugrunde. Wie bereits beschrieben entwickelt sich der Zylinder
durch sehr viele Polygone, deren Grate sukzessive abgearbeitet
werden, so dass am Ende eine runde Form entsteht. Danach
Abb. 3 Meißen, Albrechtsburg. Nordwestlichster Pfeiler des Großen
Bankettsaals, 19. Jahrhundert, 1. Obergeschoss.
Abb. 4 Meißen, Albrechtsburg. Spätmittelalterlicher Pfeiler des Großen
Saals, 1. Obergeschoss.
wird das auf einer Schablone konstruierte Siebeneck auf das
Oberlager des Steins gelegt, angezeichnet und um die gewünschte Rotation deckungsgleich auf dem Unterlager angerissen (die Schablone darf nicht gedreht werden). Der zuvor
erwähnten Mittelachse, welche auf allen Seiten des Werksteins
angetragen wird, kommt nun eine Kontrollfunktion zu, ob
die Schablone korrekt aufgelegt wurde. Es ist zu bemerken,
dass die Steinmetze des 19. Jahrhunderts sehr genau gearbeitet
haben. So sind die Gratabstände der rotierenden Siebenecke
durchweg exakt eingehalten.
Dieser Pfeiler soll nun mit der Konstruktion des Mittelpfeilers des Großen Saals aus dem 15. Jahrhundert – also Arnold von Westfalens Zeiten – verglichen werden (Abb. 4). Die
genauere Untersuchung des Mittelpfeilers muss sich auch hier
auf den sichtbaren Bereich von Sockel bis zu den Gewölbeanfängern beschränken. Die exakte Position der Lagerfugen
ist leider nicht auszumachen, da eine farbige Fassung und
großzügig verstrichener Fugenmörtel dies verhindern. Dennoch sind unter der Schlämmung fünf Steinschichten zu erkennen, welche sich wie folgt gliedern: Die erste Steinlage bil-
det ein regelmäßiges Sechseck. Der untere Bereich der zweiten
Steinschicht besteht aus einem entsprechenden Sechseck. Ab
etwa der Mitte des Blocks entwickeln sich aus den Ecken Dreiviertelstäbe mit einem Durchmesser von ca. 21 cm, wobei die
dazwischenliegenden Flächen zurückgesetzt sind. In der dritten
Lage wird diese Form weitergeführt. Die Dreiviertelstäbe gehen schließlich in Siebenecke über. Die Flächen zwischen den
Siebeneckgraten sind leicht gekehlt – ähnlich wie bei Kanneluren – und versetzt gearbeitet, wobei sie sich auf dem Dreiviertelstab totlaufen. Die zwischen den Dreiviertelstäben liegenden Flächen, welche jeweils parallel zu den Sechseckseiten
der Grundform liegen, springen knapp unterhalb des Übergangs vom Dreiviertelstab zum Siebeneck ein weiteres Mal
zurück. Das Heptagon wird in der nächsten Steinschicht abermals weitergeführt. Ein weiterer Rücksprung der Zwischenfläche und damit einhergehend eine optische Verschlankung
des Pfeilers bzw. stärkere Betonung der Eckausbildung bleiben
jedoch aus. Auch wenn die Fuge zwischen der dritten und
vierten Steinschicht nicht konkret auszumachen ist, so ist jedoch zu vermuten, dass sich diese unterhalb des Rücksprungs
82 
J O S É C A R LO S PA L AC I O S G O N Z A LO
Fig. 2 The first example consists of the construction of the ribbed vault
that appears in the manuscript of Alonso de Vandelvira from the sixteenth
century. The study of these drawings allows us to discover the most interesting feature of this vault: it is, in fact, a spherical vault.
The carving of a boss stone requires three important pieces
of data. First, we need the horizontal projection of the boss
stone, to be obtained from the full scale design of the vault’s
plan. This is redrawn on the horizontal flat face of the stone
and allows us to start carving vertically, removing the leftover
stone. The second step in the carving of a boss stone is the
most complex task in the construction process and gives us a
precise idea of the degree of accuracy reached by the medieval
stone mason. This is the cutting, carried out in the correct
angle, of the different arches that fit to the boss stone. To accomplish this task, it is necessary to work with the full-scale
drawing of the vault mentioned before, where each of these
pieces is represented and determined in its correct position
both in plan and elevation. As the plan shows (Fig. 2), it is
Fig. 3 The curved centerings of the arches connect the vertical timber be-
tween them.
R E S E A R C H O N S PA N I S H L AT E G OT H I C VAU LT S I N T H E A R C H I T E C T U R E S C H O O L O F M A D R I D
only possible at this point to determine the angles of the different ribs which attain a boss stone. There we can see how
the angles on the right and left side of a boss stone are determined by tracing two straight lines from the centre of the arch
on both sides of the piece. These angles would later allow us
to carve the beginnings of the boss stone with their correct
slope. The students quickly understood the procedure of taking
the measurements of these angles from the elevation in the
full scale drawing of the vault.
The third task to be carried out with great attention in
the construction of the vault is the design of the springing:
the portion with horizontal layers with which the vault starts.
Vandelvira advises that this solid start of the vault must reach
a precise height – namely, the height in which the cluster of
the arches that emerge from one of the angles of the vault is
clearly separated and each arch appears as an independent
element. This part of the vault is usually called tas-de-charge.
Once again, the full scale drawings of the different layers of
the tas-de-charge allow us to carve the different ashlars that
make this solid spring of the vault. The highest layer is carved
with the slope necessary to match the first voussoir of each
arch.
Before the final assembling of the vault could start, it was
necessary to undertake the construction of the centerings,
again following traditional procedures. We started by constructing a wooden platform located at the upper edge of the
tas-de-charge. On this platform, the full-scale drawing of the
the vault was drawn once again, and then a series of vertical
timbers were placed in the position of each boss stone, each
of them with its accurate height. And, finally, the curved centerings of the arches connected the vertical timber between
them (Fig. 3). Over this imposing auxiliary structure, each
piece of the vault found its correct place and the careful as-
Fig. 4 Over this imposing auxiliary structure, each piece of the vault find
its correct place and the careful assembling of the vault reveals the spectacular idea of Vandelvira.
 83
Fig. 5 The second vault is
in the cloister of the Segovia
cathedral, built at the end
of the fifteenth century by
one of the most important
gothic architects in Spain,
Juan Guas.
sembling of the vault revealed the spectacular idea of Vandelvira. The concentric central rings, built with subsidiary
ribs, remind us of a representation of the earth’s sphere paradoxically reinterpreted onto the spherical surface of a gothic
vault (Fig. 4).
The round “rampant” vault by Juan Guas
The second vault that I will discuss is located in the cloister
of the Segovia cathedral, built at the end of the fifteenth century by one of the most important Gothic architects in Spain,
Juan Guas. The vault shows an interesting rib design: the diagonal arches, the tiercerons and formerets cross up in an curious figuration (Fig. 5). In this case, we took measures of the
real vault with which we obtained an accomplished design
of the vault in plan and elevation. That allowed us to notice
that the three main arches with which the vault is built seemed
to be different. The diagonal arch was a semicircular arch
with its centre, set in the impost level, the tiercerons reach the
height of point no. 3 and the formerets reach the height of
point no. 4, so that the three arches, as in the previous vault,
seem to have different curvatures. But the most accurate observation of how the ribs depart from the springing reveals
that they start with different inclination, suggests that perhaps
the vault could be built with only one arch. If we used the
semicircular diagonal arch, and we lightly tilted it around its
beginning point in the impost level until it reached the height
of point no. 3, the tierceron could be the same arch as the
diagonal one. Once again it should be possible to tilt the
same arch forward a little bit more until it reached the height
of point no. 4, and in this case the former also should have
the same curvature, so that the entire vault could be built
with only one arch (Fig. 6).
Unlike the previous vault, the shape of this vault is the
consequence of the application of a fundamental Gothic principle: the standardization of curvatures. Here, the shape of
Fig. 6 If we use the semicircular diagonal arch and we lightly tilt it around
its beginning point in the impost level, the vault could be built with
only one arch. In this case, as all the voussoires have the same curvature,
only one bebel is necessary.
92 
SEBAS TIAN S TORZ
Zur Herkunft des Bauverfahrens4
„Es gibt gute Gründe für die Annahme, dass das Bauverfahren
von Gewölbetragwerken aus Tonröhren seinen Ursprung im
Töpferhandwerk hat und dass Brennofengewölbe aus Bogenreihen von ineinander gesteckten Tongefäßen den inspirierenden Anstoß zur Übernahme dieser Bauweise in die Großarchitektur gegeben haben.“5
Nach einigen frühen, noch nicht gänzlich geklärten Vorstufen, die in Italien festgestellt werden konnten, taucht das
Bauverfahren dann, zur Zeit der Bauholzkrise, plötzlich als
eine bereits voll ausgereifte Bautechnik an der Wende vom
2. zum 3. Jahrhundert in Nordafrika auf.
Zur Verbreitung des Bauverfahrens6
Es entwickelt sich hier, vor allem in Tunesien und Algerien,
zur vorherrschenden Ausführungstechnik für Gewölbe aus
Opus caementicium. Befunde der Bautechnik gibt es auch in
Libyen und Marokko. Die Bauweise gelangt von Nordafrika
aus dann im späten 4. Jahrhundert vor allem nach Italien, wo
Gewölbe aus Tonröhren schließlich im 5. und 6. Jahrhundert
im Bereich der frühchristlichen Bauaufgaben in der dann
entwickelten neuen Verwendungstechnik als echte Gewölbe
DA S A N T I K E B AU V E R FA H R E N VO N G E WÖ L B E T R AG W E R K E N AU S TO N R Ö H R E N
 93
(s. im Folgenden) zunehmen. In Spanien und Südfrankreich
sind Befunde dieser Bauweise nachgewiesen, jedoch nicht sehr
zahlreich. Im Norden sind vier Beispiele aus Großbritannien
zu nennen, in Osteuropa bislang ein Beispiel aus Ungarn, auf
dem Balkan drei Beispiele aus Kroatien und aus dem Mittleren
Osten ein Beispiel aus Palästina und eines aus Syrien (Abb. 2).
Das Bauverfahren – die Errichtung eines Bogens7
Grundlage des Konstruktionsgedankens war die Entwicklung
eines Standardbauteils, das aus dem reichlich vorhandenen
Rohstoff Ton ohne besonderen handwerklichen Aufwand auf
der Töpferscheibe hergestellt werden konnte. Erforderlich
war eine Produktion in großen Mengen und zu geringen Kosten – ein Massenprodukt. Das Bauteil erhielt die Form einer
Flasche, bestehend aus einem zylindrischen Körper und einem
schlanken Hals, einer Muffe. Es besaß jedoch keinen Boden,
war also an beiden Enden offen, wie eine Röhre (Abb. 3a–e).
Der konstruktive Gedanke bestand nun darin, aus mehreren
so geformter, röhrenförmiger Hohlziegel einen Bogen zusammenzustecken und aus der Addition so gefügter Bögen die
gewünschten Gewölbeflächen (Abb. 4.1–4.10) herzustellen.
Der Bauvorgang lässt sich summarisch wie folgt beschreiben:
Abb. 2 Verbreitungskarte zur Bautechnik von Gewölbetragwerken aus Tonröhren (Wölbröhren). Baubefunde und Fundstätten von Wölbröhren;
in vergrößertem Ausschnitt: Tunesien und Algerien.
Abb. 3 a) Bulla Regia, Tunesien, Maison de La Chasse, Funde von Tonröhren. b) Carthage Kobbat Bent el Rey, Wölbröhrenfund. c) Carthage Kobbat
Bent el Rey, Funde Wölbröhren und Fugenmörtel. d) Morsott, Algerien, Fund Mörtelfüllung einer Wölbröhre. e1–8) Herstellung einer Wölbröhre (Andreas Storz, 1971).
Der Maurer nahm eine Röhre in die Hand, schöpfte mit ihr,
wie mit einem Löffel, aus einer Portion von unmittelbar vorher
vorbereitetem Gipsmörtel eine kleine Portion, so dass sich das
Innere mit Mörtel füllte (Abb. 3d) und steckte diese Röhre
mit ihrer Zylinderöffnung über den „Flaschenhals“, bzw. die
Muffe, einer in ihrer Bogenposition zuvor versetzten Röhre
(Abb. 4.1). Der schnell abbindende Gipsmörtel erlaubte es,
die Röhren, Ziegel um Ziegel, ohne jede Unterstützung, in
frei auskragenden Bogensegmenten zum Scheitel hin aufzumauern. Am Scheitel angekommen, wurden die beiden letzten
Röhren der hier aufeinander treffenden zwei Bogensegmente
mit ihren jeweils flaschenhals-förmigen Muffen von beiden
Seiten her in den zylindrischen Körper der Scheitelröhre eingeführt. Das war möglich, weil die Scheitelröhre, anders als
die Standardröhren, keine muffenförmige Verengung an einem
der Enden besaß, sondern an beiden Enden im vollen Querschnitt ihres zylindrischen Körpers offen war. Die zylindrischen
Scheitelröhren waren die einzigen Sonderstücke bei dieser
Standardbauweise. Allerdings wurden sie nicht eigens, als separate Werkstücke angefertigt. Vielmehr wurden sie ad hoc
hergestellt, nämlich erst dann, wenn es galt, einen Bogen zu
schließen. Dann nahm der Maurer eine Standardröhre und
trennte ihr einfach den Hals ab.
Der Maurer arbeitete in einem Arbeitsvorgang an mehreren
benachbarten Bogensegmenten zur gleichen Zeit (Abb. 4.4).
Das beschleunigte den Bauvorgang. Dabei wurden die Fugen
der benachbarten Röhren zweier Bogensegmente ebenfalls
mit Gipsmörtel verfüllt. Auf diese Weise wurden die Bogensegmente während ihrer Ausführung seitlich miteinander verbunden. Jede Röhre innerhalb der versetzten Bogensegmente
erhielt neben dem Halt in der Bogenlinie ihres Steckverbundes
zusätzlich noch einen seitlichen Halt mit der Röhre des benachbarten Bogensegmentes. Das verstärkte die selbsttragende
Fähigkeit der Bogensegmente im frei auskragenden Bauvorgang, den Halt der vom Auflager her frei auskragend heranwachsenden Teile des Tragwerkgefüges. Dieser zusätzliche,
seitliche Halt hatte später auch große Bedeutung für die Tragfähigkeit der fertig gestellten Tragwerke (Abb. 4.2, 4.3). Diese
konnten nämlich, ähnlich den modernen Schalentragwerken,
Kräfte nicht nur in der Bogenlinie ihres Profils aufnehmen,
sondern auch quer zur Krümmung der Gewölbeflächen. Das
verlieh diesen keramischen Tragwerken eine hohe Belastbarkeit
124  G Ü N T E R D O N A T H
Aufbau dies vermuten lässt. Die zum statischen System der
Wandpfeiler gehörenden Mauerblöcke zwischen dem Wendelstein und dem Mittelbau der Albrechtsburg enden im dritten Obergeschoss. Im vierten Obergeschoss sind über diesen
Mauerblöcken zwei zusätzliche Strebepfeiler ausgebildet. Äußerlich sind sie den vorderen, zum Hof gerichteten Strebepfeilern nachgebildet. Mit ihnen besitzt das vierte Turmgeschoss insgesamt fünf Strebepfeiler. Aus den Strebepfeilern
wachsen dort, wo die Giebel des Wendelsteins ansetzen,
schmuckreiche Fialen hervor. An dieser Stelle sind keine Wasserspeier ausgebildet, was der Architektur der unteren Geschosse entsprochen hätte, sondern plastisch geformte Wappenschilde, die den Übergang zu den Fialen kaschieren.
Die Organisation der inneren Baustruktur
mit der Treppenanlage und den Zellengewölben
Im Treppenhauskern des im Erdgeschoss beginnenden Turmes
befindet sich eine schraubenförmig um einen imaginären, offenen Kern, dem Treppenauge, gedrehte Wendeltreppe mit
B E O B A C H T U N G E N A N D E R B A U S T R U K T U R D E S G R O S S E N W E N D E L S T E I N S  125
konkav eingezogenen Stufenvorderkanten. Durch diese besondere Stufenform wird eine Rotation bzw. ein Schwingen
imaginiert, womit die Treppenanlage eine unglaubliche Eleganz erhält (Abb. 7). Um die Hohlspindel legen sich drei Wangensäulen. Diese Wangensäulen durchstoßen die profilierte
Treppenwange und den spiralförmig herumgeführten Handlauf. Zwischen Treppenwange und Handlauf sind zusätzliche
Pfosten eingefügt. Alle diese Säulchen und Pfosten besitzen
einen siebeneckigen Querschnitt; die Flanken der Säulen sind
leicht gekehlt. Das gleiche Sockelprofil ist auf die schraubenförmig gedrehte Treppenwange übertragen, die aus einem inneren und äußeren Profilabschnitt besteht. Beide Profilabschnitte sind als eigenständige Stäbe aufgefasst und haben daher eigene Sockelausbildungen.
Die Treppenkonstruktion beginnt, nachdem man vom
Schlosshof aus über acht Stufen den Kern der Treppe erreicht
hat. Über weitere 104 Stufen führt die Treppe bis ins dritte
Obergeschoss, wobei der durchgehende Treppenlauf nur im
ersten Obergeschoss durch ein Treppenpodest unterbrochen
ist. Die über dem Treppenpodest ansetzenden Wangensäulen
haben einen profilierten Sockel (runder Sockel, dann gedrehter
Sockel, dreifach abgestuft, dann rundes Zwischenstück, dann
Abb. 9 Blick in die offene Spindel mit der Anordnung der bauzeitlichen
Anker, 2008.
Abb. 7 Blick in die Stufenanlage mit den konkav einschwingenden Sandsteinstufen. Zustand nach der Restaurierung, 2010.
Abb. 8 Grundriss und Aufriss der aus drei Säulchen gebildeten inneren
Spindel in Höhe des Antrittes in der Erdgeschoss-Zone. Die Säulchen
haben einen siebeneckigen Querschnitt und besitzen alle jeweils eigene gedrehte Anfänger.
folgt das siebeneckige Wangensäulenprofil) (Abb. 8). Die Säulen sind untereinander mit geschmiedeten Ankern verbunden,
deren Anordnung einem logischen statischen Prinzip des Dreipunktsystems entspricht: Ausgangspunkt ist die Inanspruch-
nahme der schraubenförmig gedrehten inneren Treppenwange
als Widerlager bzw. konstruktiver Festpunkt (Abb. 9). Die
von dort ausgehenden beiden schräg angeordneten Druckstäbe
halbieren einmal die Knicklänge der durchlaufenden vertikalen
Säulen und übernehmen zum anderen die Schubkraftableitung
aus den Gewölberippen. Da deren im Stein liegenden Verkröpfungen verbleit sind, muss es sich um bauzeitliche Montagehilfen für den Bau der Rippenanfänger der den Zellengewölben untergelegten Rippen handeln, die im Bau verblieben
und nun zum permanenten Stützapparat geworden sind. Es
spricht nichts dagegen, dass die eine oder andere Stange 1855
evtl. ergänzt oder ausgetauscht worden ist. Diese verfügen jedoch nicht über die von oben aus der Lagerfuge vorgenommenen Verbleiungen, so wie sie 2007 bei den endoskopischen
Untersuchungen durch eigens für diesen Zweck hergestellten
Öffnungen durch den Steinmetzen festgestellt worden sind.
Die Treppenstufen haben einen sattelförmigen Querschnitt; sie sind im Auftritt konkav eingezogen, haben einen
Rundstab als Vorderkante (Stufenbart). Die 17,5 cm hohen
Treppenstufen bestehen aus unterschiedlichen Materialien.
Nur das vordere, 19,5 cm tiefe Teilstück mit der nach vorn
gerichteten Wulst und der konkav eingetieften Oberfläche besteht aus Sandstein. Der hintere Abschnitt konnte an mehreren
Stellen untersucht werden: Unter der Zementschicht trat einfaches Mauerwerk zutage. Bei der Stufe 111 befindet sich hinter der Stufenkante aus Sandstein ein unregelmäßiges, oben
geglättetes Mauerwerk aus Bruchstein und Mörtel (Abb. 10).
Die Stufe 90 ist aus Mauerziegeln gebildet, die auf dem Gewölbe aufliegen. Ursprünglich waren die hinteren Treppenstufenabschnitte mit einer geglätteten Oberfläche – vermutlich
aus Estrich oder Mörtel – versehen. 1855 hat man die Mittelteile der offenbar ausgetretenen Originalstufen herausgeschnitten und durch glatte Sandsteinstufen aus weichem Cottaer Stein ersetzt. Die Besonderheit der Profilierung der Stufen
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T H E L O W E R C H O I R O F S A N E S T E B A N ( S A L A M A N C A )  139
III. Analysis of the vault
The plan of the vault
Fig. 3 Tangency point at the upper level of the springing.
Fig. 1 View of the upper choir and the flat vaults.
Fig. 4 Horizontal projection of the intrados lines.
Álava (Hoag 1985, 171) and reflect his particular sense of
continuity resulting from the network of ribs that connects
one bay to another. The design of the vault is based on ribs
of two curvatures, that is, oval arches. This particular shape
Fig. 2 Elements of an oval arch.
is a three-centered arch with two axes of symmetry. It also has
a lower curve radius, and an upper curve radius, which are
connected at the point of tangency (Fig. 2). One special feature
of this geometrical line is that, because there are infinite ovals
that have the same semi-axis, multiple conditions have to be
set to define a single line. These variables can be set by the designer in order to control the final geometry of the vault and
create the desired effects. The drawing and design of oval arches
from the Middle Ages on has been studied in depth (Huerta
2007, 220–23; López 2011, 569–97). Some oval models were
initially developed by Serlio, and later on some authors repeated their geometry. In medieval sources there are drawings
showing oval arches which are traced by dividing the main
axis into several parts and taking one of these parts as the lower
radius of the oval (Böker 2005, 198). Analysis of other flat
ribbed vaults (Martin 2009, 31–38) has shown that the tangency point is usually located at the upper level of the springing. The reason for this is related to construction: it is much
easier to build the rib, because the whole springing thus has
its own curve radius, while the individual ribs also have their
specific curve radius. The most important advantage is that
all the voussoirs can be the same (Fig. 3).
The first step of the analysis is to study how the plan of the
vault could have been laid out. For that purpose, the main dimensions (width and length) of the vault have been converted
into the unit of length usual at that time, the Castilian foot,
equal to 0.2786 meters (Merino de Cáceres 1999, 55). This
allows us to see that the whole vault rests on a rectangle that
measures 52 x 25 Castilian feet. That means the ratio of width
to length is very close to 2:1, which is a standard dupla. Ratios
of small integers (2:1, 3:2, 4:3, etc.) were frequently used in
the Middle Ages, as discussed by Simón García, who transcribed the ideas of Rodrigo Gil de Hontañón (García 1681).
Hernán Ruiz shows a method for tracing a typical five keystone
ribbed vault, in which the axes of the ribs intersect at the
corner of the square plan (Rabasa 2000, 126–29). One common idea is that the axes should cross at a single point. When
analyzing the vault in Salamanca, one notices that the springing of the vault is formed by a cylinder from which the diagonal and tiercerons ribs begin. The transverse and wall ribs
have their own starting point. As mentioned before, it is reasonable to think that the axes of all the ribs intersect at the
corner of the rectangle. However, the horizontal projection
of the intrados line obtained from the topographical survey