Christi Himmelfahrt 17. Mai 2012 Offenbarung des Johannes 1, 4
Transcrição
Christi Himmelfahrt 17. Mai 2012 Offenbarung des Johannes 1, 4
Predigten – von Hauptpastor Alexander Röder Christi Himmelfahrt 17. Mai 2012 Offenbarung des Johannes 1, 4-8 Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen. Liebe Gemeinde, die Himmelfahrt Jesu Christi ist kein Abschied von der Welt. Vor seiner Rückkehr in die Gegenwart des ewigen Vaters hat Jesus seinen Jüngern den Tröster verheißen, den alles durchwehenden und alles verbindenden Geist Gottes. In ihm bleibt er in dieser Welt gegenwärtig. Der Glaube an die Wahrheit dieser Verheißung und die Gewissheit, im Tröstergeist verbunden zu sein, lässt die Christen der ersten Generationen die Trübsale und Verfolgungen ertragen und stärkt sie, einander zu ermutigen und zu trösten. Johannes, der Seher der Offenbarung, wurde nach Patmos verbannt; zur Strafe herausgerissen aus seinen familiären, sozialen und religiösen Bindungen. Es war der hilflose Versuch der Herrschenden, diese winzig kleine, aber als gefährlich angesehene Gruppierung der Christen zu schwächen und am Ende zu vernichten. Johannes aber lässt sich nicht entmutigen und schreibt von Patmos aus: An die sieben Gemeinden in der Provinz Asien: Gnade sei mit euch und Friede von dem, der da ist und der da war und der da kommt, und von den sieben Geistern, die vor seinem Thron sind, und von Jesus Christus, welcher ist der treue Zeuge, der Erstgeborene von den Toten und Herr über die Könige auf Erden! Ihm, der uns liebt und uns erlöst hat von unsern Sünden mit seinem Blut und uns zu Königen und Priestern gemacht hat vor Gott, seinem Vater, ihm sei Ehre und Gewalt von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen. Siehe, er kommt mit den Wolken, und es werden ihn sehen alle Augen und alle, die ihn durchbohrt haben, und es werden wehklagen um seinetwillen alle Geschlechter der Erde. Ja, Amen. … Predigten – von Hauptpastor Alexander Röder Seite 2 … Ich bin das A und das O, spricht Gott der Herr, der da ist und der da war und der da kommt, der Allmächtige. Von Verbitterung oder Sorge um die Kirche sind diese Worte frei. Das Königtum Jesu Christi wird mit großem Selbstbewusstsein verkündet, und es klingt geradezu ironisch, wie es gegen die königlichen und kaiserlichen Ansprüche der Herrscher jener Reiche, die Menschen verurteilen, verbannen und töten können, abgehoben wird: Die Größe unseres himmlischen Königs nämlich wird nicht nach irdischen Maßstäben gemessen. Seine Größe ist nicht verliehen, nicht geerbt, nicht begrenzt wie bei irdischen Herrschern, die militärisch aufrüsten müssen, um ihre Macht zu sichern, die ständig mit Intrigen, Anschlägen oder Komplotten rechnen und darum eine immer wieder gefährdete Unterscheidung in Freund und Feind vornehmen müssen, die vor lauter Sorge um den Machterhalt nicht selten den Bezug zur Realität verlieren – bis heute. Die Größe des Königs Christus ist von all dem unberührt; sie ist nicht auf die Erde beschränkt oder ein Reich auf dieser Erde, sondern sie erfüllt das All. Sie wird nicht durch Macht und Gewalt erhalten, sondern durch hingebende Liebe, die sich von irdischen Herrschern sogar am Kreuz hat töten lassen, und doch nicht ausgelöscht werden konnte. Von Herrschaft spricht Johannes in diesen wenigen Versen und beschreibt darin für die verfolgten Christen die tiefere Wirklichkeit ihres Lebens als die, die ihnen vor Augen steht. Er bedient sich dafür einer Bildsprache, die für Außenstehende nicht verständlich ist und die vielleicht selbst für die Christen übersetzt und gedolmetscht werden muss. Warum tut er das? Paulus hat es nicht getan, sondern ohne Geheimsprache und verständlich geschrieben. Etwa im Brief an die Römer; immerhin auch an Menschen gerichtet, die im Zentrum des Weltreiches lebten, als Christen in unmittelbarer Nähe des römischen Kaisers und seines Machtapparates und seines Anspruches, selbst Gott zu sein. Paulus schreibt: Ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes noch eine andere Kreatur uns scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserm Herrn. Im Grunde ist es nichts anderes als das, was Johannes schreibt. Aber es ist ein ganz anderer Ton und eine ganz andere Stimmung. Die Worte des Apostels Paulus klingen seelsorgerlich und tröstend. Die Worte des Sehers Johannes hingegen sind erhaben – wie ganz großes Theater - und führen zugleich in eine Dimension, die menschlichem … Predigten – von Hauptpastor Alexander Röder Seite 3 … Wahrnehmen verborgen ist, die ein Mensch nicht überschauen kann, die ganz offensichtlich nicht von dieser Welt sind. Braucht das der Mensch, der konkret Verfolgung erleidet? Hinter dieser Geheimsprache tut sich der Himmel auf, in den der Seher hineinschauen darf und nun dem verfolgten und verängstigten Häuflein von Christen Kunde gibt; doch, um sie zu trösten und zu ermutigen – wie der Apostel Paulus, aber um ihnen zugleich zu sagen: erkennt die Würde, die euer Christsein euch schenkt, so, wie ich sie schauen durfte. Erkennt die Dimension, in die euer erbärmliches Leben gestellt ist, und das himmlische Licht, das eure Finsternis und eure Todesschatten durchstrahlt, so, wie ich erleuchtet wurde. Johannes ist so erfüllt von dem, was er hat sehen dürfen, dass er gar nicht anders sprechen kann als in fremd klingenden Bildern. So anders ist die wirkliche Wirklichkeit, die uns umgibt. Die Botschaft des Sehers Johannes ergeht hinein in eine bestimmte Zeit am Ende des 1. Jahrhunderts, und ist doch zeitlos wahr. Sie richtet sich an bestimmte Menschen in bestimmten Gemeinden in Kleinasien und ist doch eine Botschaft für alle Zeiten, für alle Menschen und für alle Gemeinden, für die ganze Kirche, bis der, der in den Himmel aufgefahren ist, kommt. Und Johannes sieht ihn kommen – darin gründet die Dramatik! Seine Botschaft als Bruder im Glauben an Christus, der seinen Schwestern und Brüdern schreibt, was er sieht, lautet: Was ihr erlebt und erduldet, ist nur ein winziger Ausschnitt der Wahrheit. Diese Welt ist nur ein winziger Ausschnitt der Wahrheit Gottes. Gewiss ist dieser Ausschnitt real, und wir nennen ihn „Leben“, unser Leben; und wir Menschen sind bemüht, dieses Leben zumindest erträglich zu gestalten, vielleicht sogar angenehm; wie es eben geht. Doch sind da die vielen Härten; die menschlichen Unzulänglichkeiten wie Armut, Krankheit und Gebrechlichkeit, Misserfolg, Unglück, Macht hier und Ohnmacht dort, Bosheit und Hass und was es noch gibt. Und da sind die Systeme, in denen menschliches Leben gelebt wird, gelebt werden muss: im Frieden oder im Krieg, frei und offen oder unterdrückt durch eine diktatorische Herrschaft, die keinen anderen Herrscher duldet, auch keinen Gott. Ja, sagt Johannes. Das alles kenne ich auch hier in der Verbannung auf Patmos. Und wie leicht ist es, darüber Gott zu vergessen, weil es auch ohne ihn geht, weil ich ohne Gott vielleicht weniger anecke, weniger Repressalien erdulden muss. Lieber Jugendweihe als Konfirmation. Lieber nicht sagen, dass wir kirchlich gebunden sind, um den Kindern nicht … Predigten – von Hauptpastor Alexander Röder Seite 4 … die Zukunft zu vermasseln. Wie nahe können solche Gedanken sein? Schon damals in den sieben Gemeinden Kleinasiens – und bis heute, wo das Christentum nachweislich die am stärksten verfolgte Religion dieser Welt ist. Ein winziger Ausschnitt der Wahrheit ist diese Welt, sieht Johannes und teilt sein Sehen mit: Darüber wölbt sich die Wirklichkeit Gottes, die diese Welt ins Dasein rief. Ich sehe den Gott der Geschichte, sagt Johannes. Ich sehe ihn als den, der dem nackten Adam, der vor Gott geflohen war wegen seiner Nacktheit und Scham, zuruft: Adam, wo bist du? Ich sehe ihn als den, der Mose aus dem brennenden Dornbusch heraus zuruft: Ich bin für euch da. Ich sehe ihn als den, der die Propheten bis zu Johannes dem Täufer rufen lässt: Kehrt um! Ich sehe ihn als den, der vom Kreuz herab ruft: Es ist vollbracht! Ich sehe ihn als den Gott in der Geschichte der Menschen, der Geschichte dieser Welt. Der Gott, der durch das Wort die Welt erschuf und durch das Wort den Menschen rief und ruft und durch das Wort, das Fleisch geworden ist, den Menschen berührt und heilt und segnet. A und O sagt Gott, sei er. Erster und letzter Buchstabe des griechischen Alphabets. Erstes und letztes Wort in dieser Welt und für diese Welt. Kein Tyrann, kein irdischer Kaiser, kein politisch korrekter, neutral sich gebender Demokrat und keine militärische Macht werden je in der Lage sein, Gott das letzte Wort über diese Welt zu nehmen. Johannes sagt: Was für die Welt gilt, gilt auch für jeden Menschen, der Christus angehört. Auch seine realen Lebensumstände sind nur ein kleiner Ausschnitt der Wirklichkeit seines Seins. Ihr seid Priester, ihr habt Anteil am Königtum Christi, sagt Johannes. Es wird nicht nur ein großes Szenario vor euch zelebriert, bei dem ihr bloß staunende Zuschauer seid. Ihr seid begnadet, weil euch in der Taufe die Gotteskindschaft geschenkt ist und jene Neugeburt, mit der ein Leben begonnen hat, das kein Schwert, keine Verbannung, keine irdische Macht, auch keine Gleichgültigkeit zerstören kann. Wie hatte der Apostel Paulus es formuliert? Ich bin gewiss, dass nichts mich trennen kann von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist. Das ist Gottes Zuspruch; und es ist zugleich sein Anspruch an uns: Lebt in der Gegenwart Gottes. Lebt euer irdisches, vergängliches, gefährdetes und bedrohtes Leben in dem Bewusstsein, dass jedes Wort, schon jeder Gedanke und jede Tat Teil eures königlichen und priesterlichen Auftrags und eurer Würde ist. Denn – und das ist die Zielgerade dieses kurzen Textes vom Anfang der Offenbarung des Johannes – unser König kommt. Er kommt mit den Wolken. … Predigten – von Hauptpastor Alexander Röder Seite 5 … In die Wolken verschwand Christus bei seiner Himmelfahrt, so haben wir eben gehört. Und er wurde den Augen seiner Jünger entzogen. Er kommt mit den Wolken, sagt Johannes, und alle Augen werden ihn sehen. Wir leben in der Zeit dazwischen. Schon die Gemeinden in Kleinasien damals und Johannes auf Patmos. Auch die etwas müde gewordene Christenheit in Europa, bei der Freiheiten wie Diktaturen – auch in der Kirche - im Laufe der Geschichte das Bewusstsein der königlichen und priesterlichen Taufgnade und des damit verbundenen Anspruchs Gottes an jeden von uns haben verblassen lassen. Auch wir leben noch immer in der Zeit dazwischen, ebenso wie die verfolgten Christen im Mittleren Osten, in Nordkorea, in Indonesien, Nigeria oder Ägypten. Johannes sieht den Herrn kommen – mit den Wolken, vor allem aber mit seiner Macht der Liebe und mit seinem Wort der endgültigen Entscheidung, dem letzten Wort, nach dem dann – und hier sei zum Schluss wieder der Apostel Paulus zitiert – Gott alles in allem sein wird: Er in uns und wir in ihm, der immer war, und ist und kommt. Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen. … Predigten – von Hauptpastor Alexander Röder … Seite 6