Ein Bild sagt mehr als 1000 Worte - Fotografien aus der Zeit 1918

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Ein Bild sagt mehr als 1000 Worte - Fotografien aus der Zeit 1918
INFORMATION
zur Pressekonferenz
mit
Landeshauptmann Dr. Josef Pühringer
und
Vizebürgermeister Dr. Erich Watzl
am 2. April 2012
zum Thema
"Ein Bild sagt mehr als 1000 Worte
Fotografien aus der Zeit 1918 – 1938 für das
Forschungsprojekt Erste Republik gesucht"
Weitere Gesprächsteilnehmer:
- Dr. Gerhart Marckhgott, OÖ. Landesarchiv
- Dr. Walter Schuster, Archiv der Stadt Linz
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Ein Bild sagt mehr als 1000 Worte
Fotografien aus der Zeit 1918 – 1938 für das Forschungsprojekt Erste
Republik gesucht
Oberösterreich bemüht sich seit vielen Jahren darum, die Geschichte des Landes im
20. Jahrhundert nach modernen, zeitgemäßen Standards aufzuarbeiten. Nach
Abschluss des Großprojektes "Oberösterreich in der Zeit des Nationalsozialismus"
beauftragte 2010 der Oberösterreichische Landtag das Oö. Landesarchiv mit dem
Projekt einer wissenschaftlichen Bearbeitung der Landesgeschichte 1918 – 1938.
Dieses Projekt wurde im Vorjahr offiziell gestartet, noch im Lauf des heurigen Jahres
sollen die ersten Ergebnisse publiziert werden.
Ziel des Projektes Oberösterreich 1918 – 1938:
Bei diesem Gesamtprojekt geht es nicht um eine 'endgültige' Aufarbeitung oder gar die
Feststellung der 'objektiven Wahrheit'; beides ist in der Geschichtswissenschaft nicht
möglich.
Die mit dem Projekt verknüpften Ziele sind vielmehr:
den bisherigen Kenntnisstand zusammenzufassen,
durch neue Fragestellungen neue Erkenntnisse zu gewinnen,
widersprüchliche Aussagen vergleichbar zu machen,
neue Quellen zu erschließen und in die Forschungen einzubeziehen und
durch den Einsatz moderner Technologien und neuer Forschungsmethoden
zusätzliche Sichtweisen zu eröffnen.
Bedeutung von Fotografien für die Zeitgeschichte
Geschichtsvermittlung muss überzeugend sein, sonst ist sie umsonst. Für die erste
Hälfte des 20. Jahrhunderts stehen in absehbarer Zeit keine Zeitzeugen mehr zur
Verfügung, die Generation, die die Erste Republik und den Zweiten Weltkrieg erlebt hat,
verschwindet. Und mit ihr verschwinden oft auch ihre Nachlässe mit Unterlagen und
Fotos, die heute den Erben nichts mehr sagen.
Das Besondere an dieser Generation ist aber, dass für sie erstmals Fotos etwas
Selbstverständliches waren. In den 20er Jahren kam es mit der Erfindung der
Pressekonferenz am 2. April 2012
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Kleinbildkamera zu einem Quantensprung in der Fotografie. Konnten vorher nur mit
unhandlichen Apparaten Unikate hergestellt werden, wurde die Fotografie nunmehr zu
einem schnellen Medium – bald auch für jedermann. Daher gibt es aus der
Zwischenkriegszeit erstmals echte „Schnappschüsse“ in großer Zahl.
Amateurfotos sind gerade für die Dokumentation einer Zeit besonders geeignet, weil sie
"absichtslos" aufgenommen wurden und viele scheinbare Nebensächlichkeiten zeigen,
die für uns heute interessant und „zeittypisch“ sind. Solche Fotos ermöglichen einen
authentischen
Blick
in
Lebenswelten,
die
wir
sonst
nur
aus
literarischen
Beschreibungen kennen. Bei der Vermittlung von Geschichte haben neben den
Zeitzeuginnen und Zeitzeugen gerade die Bildquellen eine besondere Aussage- und
Überzeugungskraft. Fotos und Filme machen das Leben vergangener Jahrzehnte
anschaulicher und leichter nachvollziehbar als schriftliche Berichte, und sie ermöglichen
Einblicke in den Alltag, den amtliche Quellen nicht oder nur eingeschränkt bieten
können.
Gefahr des Verlustes
Mit dem Verschwinden der Zeitzeugen verschwinden meistens auch ihre Fotos. Weil
die Fotos so wichtig für die Vermittlung sind, gehört jetzt zu den vordringlichen
Aufgaben des Landesarchivs nicht nur das Sammeln von Akten und amtlichen
Unterlagen, sondern auch die Sicherung von für die Landesgeschichte relevanten
Bildquellen. Dazu zählen gerade für die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts Fotografien
von Gelegenheitsfotografen. Da bis in die fünfziger Jahre verhältnismäßig wenige Fotos
gedruckt und vervielfältigt wurden, befindet sich der Großteil dieser Fotos in
Privatbesitz. Mit dem heutigen Aufruf sollen diese Quellen für die Landesgeschichte
gesammelt und langfristig erhalten werden.
Archivierung bedeutet Erhaltung und Bereitstellung
Fotografien brauchen eine spezielle Aufbewahrung, um sie langfristig vor dem
Ausbleichen und Zerfall zu bewahren. Dazu gehören neben säurefreien Hüllen auch
Dunkelheit und konstante, niedrige Temperatur. Archive können diese Bedingungen
bieten.
Pressekonferenz am 2. April 2012
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Bis vor einigen Jahren mussten Archive immer die Sorge haben, dass Fotos bei der
Benützung beschädigt würden. Durch die Digitalisierung ist dieser ewige Konflikt
zwischen „schützen“ und „zugänglich machen“ gelöst. Im Landesarchiv stehen seit
heuer ca. 30.000 Fotos im Lesesaal digital zur Verfügung. Soweit das Landesarchiv
auch die nötigen Rechte an den Fotos hat, dürfen sie auch für nichtkommerzielle
Zwecke reproduziert und genutzt werden. Wer dem Landesarchiv Fotos übergibt, kann
sicher sein, dass diese auch entsprechend den Vereinbarungen bei der Übergabe
behandelt werden. Die Fotos sind im Archiv nicht nur physisch, sondern auch rechtlich
sicher aufbewahrt.
„Ein Bild sagt mehr als tausend Worte“
Das
Landesarchiv
hat
sich
entschlossen,
im
Rahmen
des
Großprojektes
„Oberösterreich 1918 – 1938“ auch einen eigenen Fotoband zu produzieren. Denn
gerade für die Schwerpunkte Alltag, Wirtschaft und Soziales sind Fotos praktisch
unersetzlich, wenn es darum geht, späteren Generationen ein lebensnahes Bild dieser
Zeit zu vermitteln.
Auch für die Ausstellung "Oberösterreich im Ersten Weltkrieg", die die Landesmuseen
und das Landesarchiv im Herbst 1913 gemeinsam gestalten werden, werden Fotos aus
Oberösterreich gesucht. Es gibt aus dieser Zeit schon relativ viele Fotos von den
Fronten, denn Fotografieren war ja Männersache. Deshalb sind Fotos von daheim viel
seltener, besonders vom Alltag der Frauen und Kinder, die mit den zunehmenden
Einschränkungen
und
Herausforderungen
zurecht
Pressekonferenz am 2. April 2012
kommen
mussten.
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Vizebürgermeister Dr. Erich Watzl:
Historische Fotografien 1914–1938 gesucht
Bilder machen Geschichte
Zeitgeschichte lebt ganz stark von Bildern. Das beweisen die Bildbände, die das Archiv
der Stadt Linz in den vergangenen Jahren herausgegeben hat. Im Zuge des Projekts
„Nationalsozialismus in Linz“ erwiesen sich die „Bilder des Nationalsozialismus in Linz“
als breitenwirksamstes Produkt der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem
NS-Regime. Einige Jahre lang blieb der Bildband die erfolgreichste Publikation des
Archivs der Stadt Linz. Im Zuge des 2003 beschlossenen Projekts „Linz im 20.
Jahrhundert“ erschien 2005 der erste Band der Reihe „Linz-Bilder“. Drei weitere Bände
folgten. Der Publikumserfolg war so groß, dass bereits mehrere Auflagen gedruckt
werden mussten. Auch die beiden neuesten Bildbände „Linz_Einst/Jetzt“ zur jüngsten
Stadtgeschichte fanden großen Zuspruch in der Bevölkerung.
Bilder „bilden“
Für das neue Projekt „Linz 1918–1938“ ist im Archiv der Stadt Linz zwar kein neuer
Bildband vorgesehen, allerdings ist der Wert bildlicher Quellen für die Darstellung der
Geschichte nicht zu unterschätzen. Aus Fotografien werden Dinge ersichtlich, die sonst
keiner Erwähnung wert befunden wurden, Dinge des Alltags, Selbstverständlichkeiten,
über die man glaubte nicht zu berichten müssen. Was damals aber alltäglich war, kann
heute bereits unbekannt sein. Bilder dienen zur Illustration, zur Verdeutlichung. Kaum
etwas kann mehr zur „Veranschaulichung“ beitragen als ein aussagekräftiges Bild. Der
Quellenwert eines Fotos geht weit über die bloße Abbildung hinaus.
Bilder als kulturelles Erbe
Umso wichtiger ist es, historische Fotoaufnahmen als kulturelles Erbe zu begreifen und
sich um ihren Erhalt zu kümmern. Dieser Aufruf an die Bevölkerung, historische
Fotoaufnahmen den Archiven zu überantworten, versteht sich auch als Angebot der
Archive,
die
Erhaltung
dieser
Quellen
zu
übernehmen.
Die
Archive
als
Gedächtnisinstitutionen sind bemüht, fotografische Schätze vor dem Vergessen zu
bewahren. Auch wenn dem Laien der Wert einer historischen Aufnahme nicht bewusst
ist, die Expertinnen und Experten in den Archiven wissen jede neue Quelle zu
würdigen.
Pressekonferenz am 2. April 2012
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Das Archiv der Stadt Linz sowie das Oberösterreichische Landesarchiv haben es sich
zur Aufgabe gemacht, eine möglichst breite historische Überlieferung mit zu gestalten
und für den Erhalt wertvoller Quellen für die Nachwelt Sorge zu tragen. Ein
umfangreiches
Maßnahmenpaket
gewährleistet
die
konservatorisch
korrekte
Aufbewahrung, die inhaltliche Erfassung sowie Strategien der Digitalisierung und
Langzeitsicherung. Wo, wenn nicht im „Gedächtnis“ der Stadt bzw. des Landes, wären
historische Unterlagen besser aufgehoben? Im Archiv verschwinden die Bilder nicht auf
Nimmerwiedersehen, sondern stehen Interessierten im Gegenteil jederzeit zur Einsicht
offen.
Mehr
noch, die
Erhaltung
der historischen
Aufnahmen
sowie
deren
wissenschaftliche Bearbeitung sind allein in einem professionell arbeitenden Archiv
gewährleistet. Alle historischen Fotografien sind beim Archiv der Stadt Linz und dem
Oberösterreichischen Landesarchiv sicher in besten Händen.
Pressekonferenz am 2. April 2012
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Aufruf
der
Archive
an
die
oberösterreichische
und
Linzer
Bevölkerung
Das Oberösterreichische Landesarchiv und das Archiv der Stadt Linz suchen für die
Projekte „Oberösterreich 1918–1938“ und „Linz 1918–1938“ Fotografien aus der Zeit
des Ersten Weltkriegs und der Ersten Republik, die den Alltag dieser Zeit
veranschaulichen.
Die beiden größten Archive des Landes begreifen sich nicht als allein zuständig für das
Behördenschriftgut, sondern sehen ihre Aufgabe auch darin, darüber hinaus weitere
Quellen zur Geschichte von Oberösterreich und Linz zusammenzutragen und für die
Nachwelt zu erhalten. Seit jeher werden in beiden Institutionen auch ergänzendes
Schriftgut und bildliche Quellen gesammelt: So sind vor allem Fotografien unter den am
öftesten nachgefragten Sammlungsbeständen zu finden. Zusammen mit dem „Kern“ der
Archivbestände, dem archivierten Schriftgut der Behörden, bilden diese Sammlungen
ein „Archiv der Erinnerungen“. Der Quellenwert von Fotos ist ein ganz besonderer:
Der/die Betrachter/in eines historischen Fotos kann sich viel unmittelbarer in die
Vergangenheit zurückversetzt fühlen als es ein Text je auszulösen vermag. Es ist also
für die historische Forschung wichtig, möglichst viele verfügbare Quellenarten mit
einzubeziehen, um ein rundes Bild zu ergeben. Auch die Geschichte der Ersten
Republik kann nicht ausschließlich mit Hilfe von schriftlichen Quellen bearbeitet werden.
Welche Fotos werden gesucht?
Das Oberösterreichische Landesarchiv und das Archiv der Stadt Linz suchen
Fotografien, die Einblicke in die damaligen Lebensumstände geben. Das sind nicht
allein
Aufnahmen
von
politischen
Ereignissen
(Veranstaltungen,
Aufmärsche,
paramilitärische Übungen etc.), sondern vor allem Fotos, die den Alltag widerspiegeln:
die Arbeitswelt in Fabriken, Handwerksbetrieben, Land- und Forstwirtschaft, Handel und
Gewerbe, das Straßenbild mit Bettlern oder Straßenmusikanten, kulturelle oder
sportliche Veranstaltungen und Feste, Vereinsleben, Feuerwehr, Rettungswesen und
Polizei, Tourismus und Reisen… Diese Liste ließe sich beliebig fortführen. Selbst für
sich genommen unscheinbare oder banal wirkende Aufnahmen können in einem
größeren Zusammenhang betrachtet einen völlig neuen Erkenntniswert erlangen.
Pressekonferenz am 2. April 2012
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Quellenverlust ist Gedächtnisverlust
Ein wesentlicher Aspekt dieses Aufrufs an die Bevölkerung ist die Tatsache, dass die
Zeitzeugen der Ersten Republik immer weniger werden. Mit ihnen verschwindet nicht
nur das Wissen „aus erster Hand“ um das Leben damals, sondern oft auch materielle
Überreste wie eben Fotosammlungen, die von den Nachkommen und Erben aus
Unkenntnis oder auch aus Desinteresse weggeworfen werden. Die beiden Archive als
Gedächtnisinstitutionen des Landes und seiner Hauptstadt haben es sich zur Aufgabe
gemacht, scheinbar wertlose Fotos und Dokumente in einen historischen Kontext zu
stellen und somit ihren Quellenwert für Historiker/innen und interessierte Bürger/innen
zu sichern. Dazu gehört nicht nur die historisch korrekte Kontextualisierung der
Fotografien, sondern auch die fachgerechte Archivierung und Konservierung, so dass
sie auch in Zukunft als Quellen zur Geschichte unseres Landes und seiner Hauptstadt
dienen können.
Kontakt:
Dr. Gerhart Marckhgott, OÖ. Landesarchiv, Anzengruberstraße 19, 4020 Linz,
Tel.: (+43 732) 77 20-146 01, E-Mail: [email protected]
Dr. Walter Schuster, Archiv der Stadt Linz, Hauptstraße 1-5, 4041 Linz,
Tel.: (+43 732) 70 70-29 60, E-Mail: [email protected]
Pressekonferenz am 2. April 2012