PDF erzeugen

Transcrição

PDF erzeugen
Mankohaftung
Inhaltsübersicht
1.
2.
3.
4.
5.
6.
Allgemeines
Das Prinzip der eingeschränkten Arbeitnehmerhaftung
Gesetzliche Grundlagen
Vertragliche Grundlage
Sonstige arbeitsrechtliche Möglichkeiten
Rechtsprechungs-ABC
6.1 Darlegungs- und Beweislast - 1
6.2 Darlegungs- und Beweislast - 2
6.3 Erfolgshaftung
6.4 Feststellung des Verschuldens
6.5 Gleichwertiger Ausgleich
6.6 Mankogeld
6.7 Schuldversprechen
6.8 Unbeherrschbare Risiken
6.9 Urlaubsentgelt
Information
1. Allgemeines
Der Arbeitgeber vertraut seinen Mitarbeitern oft hohe Geld- und Warenbestände an. Die Übernahme der
Verantwortung für fremdes Hab und Gut ist jedoch eine heikle Sache. Das zeigt sich nicht zuletzt an einem
Bestandsschwund, der nicht immer gleich auf nachvollziehbare Ursachen zurückzuführen ist. Es versteht
sich von selbst, dass Arbeitnehmer sich nicht am Eigentum ihres Arbeitgebers bedienen dürfen. Betrug,
Diebstahl, Unterschlagung und Untreue sind Straftaten , die eine Schadensersatzpflicht nach sich
ziehen. Das Gleiche gilt für vorwerfbare Pflichtverletzungen mit klarer Verursachungskette. Und dann gibt
es noch die Fälle, in denen der Arbeitgeber einen Mitarbeiter verschuldensunabhängig in die Pflicht
nehmen möchte - die Mankohaftung.
Praxistipp:
Eine wirksame Mankohaftung setzt nach der BAG-Rechtsprechung voraus, dass der verpflichtete
Arbeitnehmer für das übernommene Risiko eine finanzielle Entschädigung, das so genannte Mankogeld,
bekommt. Seine Inanspruchnahme ist dann auch nur soweit zulässig, wie dieses Mankogeld reicht. Vor
diesem Hintergrund muss man sich fragen, ob sich das Mankogeld wirtschaftlich rechnet. Der positive und nicht zu unterschätzende - Nebeneffekt ist indes eine vermehrte Wachsamkeit des Mitarbeiters, die
sich dann am Ende vielleicht doch in Euro und Cent auszahlt.
Grundsätzlich haften Mitarbeiter nicht für jeden Schaden, den sie betrieblich veranlasst anrichten. Es gilt
das Prinzip der eingeschränkten Arbeitnehmerhaftung: 100-prozentige Haftung bei Vorsatz, keine
Haftung bei leichtester Fahrlässigkeit. Dazwischen gibt es eine Risikoverteilung zwischen Arbeitgeber und
Arbeitnehmer. Da die gesetzlichen Haftungsbestimmungen in der Regel ein Verschulden des Mitarbeiters
voraussetzen, soll dieses Problem mit einer verschuldensunabhängigen vertraglichen Haftungsübernahme
durch den Arbeitnehmer geregelt werden. Das ist vom Ansatz her zulässig, bedeutet allerdings im Gegenzug
auch, dass der Arbeitgeber dafür einen Ausgleich schaffen muss: Er muss dem haftenden Mitarbeiter ein so
genanntes Mankogeld zahlen.
1
© 2017 aok-business.de - PRO Online, 20.01.2017
2. Das Prinzip der eingeschränkten Arbeitnehmerhaftung
Ist das Handeln eines Arbeitnehmers
• durch den Betrieb des Arbeitgebers veranlasst und
• geschieht es aufgrund des Arbeitsverhältnisses,
sollen die üblichen Grundsätze des BGB -Haftungsrechts nach Auffassung des BAG nur eingeschränkt
gelten (BAG, 27.09.1994 - GS 1/89).
Für die Auslegung des Begriffs "betrieblich veranlasst" zieht die Rechtsprechung die zu § 105
Abs. 1 SGB VII entwickelten Kriterien heran. Als "betrieblich veranlasst" gelten Tätigkeiten,
• die auf den Arbeitnehmer arbeitsvertraglich übertragen wurden oder
• die der Arbeitnehmer im Interesse des Arbeitgebers für den Betrieb ausführt.
Das Handeln des Arbeitnehmers
• braucht nicht unbedingt zu seinem eigentlichen Aufgabengebiet zu gehören - es genügt, wenn der
Arbeitnehmer "im wohlverstandenen Interesse des Arbeitgebers tätig wird";
• ist betrieblich veranlasst, "wenn bei objektiver Betrachtungsweise aus der Sicht des Schädigers im
Betriebsinteresse zu handeln war, sein Verhalten unter Berücksichtigung der Verkehrsüblichkeit
nicht untypisch war und keinen Exzess darstellte";
• verliert den betrieblichen Charakter nicht dadurch, "dass der Arbeitnehmer bei der Durchführung der
Tätigkeit grob fahrlässig oder vorsätzlich seine Verhaltenspflichten verletzt, auch wenn ein solches
Verhalten grundsätzlich nicht im Interesse des Arbeitgebers liegt" ( BAG, 28.10.2010 - 8 AZR 418/09
).
Die Haftung des Arbeitnehmers ist bei betrieblich veranlasstem Handeln so eingeschränkt, dass
• er bei einem vorsätzlich verursachten Schaden in vollem Umfang haftet,
• er bei leichtester Fahrlässigkeit aus der Haftung heraus ist,
• bei mittlerer Fahrlässigkeit eine Schadensteilung zwischen ihm und seinem Arbeitgeber
vorgenommen wird und
• bei grober Fahrlässigkeit zwar grundsätzlich von seiner vollen Haftung auszugehen ist, wobei
jedoch im Einzelfall durchaus Haftungserleichterungen in Betracht kommen, die wiederum zu einer
Schadensquotelung führen können ( BAG, 28.10.2010 - 8 AZR 418/09 ).
Das Verschulden des Arbeitnehmers muss sich a) auf die pflichtverletzende Handlung als solche und b) auf
den Eintritt des Schadens beziehen ( BAG, 28.10.2010 - 8 AZR 418/09 ). Zu beachten ist auch § 619a BGB Beweislast bei Haftung des Arbeitnehmers:
"Abweichend von § 280 Abs. 1 hat der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber Ersatz für den aus der
Verletzung einer Pflicht aus dem Arbeitsverhältnis entstehenden Schaden nur zu leisten,
wenn er die Pflichtverletzung zu vertreten hat."
"Ein Arbeitnehmer kann sich dann nicht auf Haftungsbeschränkungen berufen, wenn zu seinen Gunsten eine
gesetzlich vorgeschriebene Haftpflichtversicherung, etwa eine Kfz-Haftpflichtversicherung, eingreift (...).
Bei Bestehen einer Pflichtversicherung liegen Risiken vor, die der Gesetzgeber als so gefahrenträchtig
erachtet hat, dass er den Handelnden im Hinblick auf mögliche Gefahren für andere ohne
Versicherungsschutz nicht tätig sehen wollte. Dieser Grund für eine gesetzliche Pflichtversicherung überlagert
gleichsam die Grundsätze der beschränkten Arbeitnehmerhaftung" ( BAG, 28.10.2010 - 8 AZR 418/09 - mit
dem Hinweis, dass sich eine freiwillig abgeschlossene Privathaftpflichtversicherung nicht auf die interne
Betriebsrisikoverteilung auswirkt).
3. Gesetzliche Grundlagen
2
© 2017 aok-business.de - PRO Online, 20.01.2017
Der Begriff "Manko" wird aus dem Italienischen abgeleitetet und bedeutet so viel wie "Fehlbetrag" oder
"Fehlmenge" in einem
• Geld- oder
• Warenbestand.
Das "Manko" ergibt sich aus der Differenz zwischen
• Soll- und
• Istbetrag/-menge.
Für diese Differenz soll ein Arbeitnehmer im Wege der Mankohaftung verschuldensunabhängig in Anspruch
genommen werden.
Wer aus dem Lager Ware, aus einem Lkw Stückgut oder aus der Kasse Geld nimmt, um sich zu bereichern
und seinen Arbeitgeber zu schädigen, haftet aus dem Gesichtspunkt der unerlaubten Handlung.
Anspruchsgrundlagen für den Arbeitgeber sind § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB (Schadensersatz wegen
Pflichtverletzung), § 823 Abs. 1 BGB (Schadensersatz wegen Eigentumsverletzung) und § 823 Abs. 2 BGB in
Verbindung mit einem Straftatbestand wie z.B. § 242 StGB , Diebstahl; § 246 StGB , Unterschlagung;
§ 263 StGB , Betrug und § 266 StGB , Untreue (Schadensersatz wegen Schutzgesetzverletzung). Das alles
setzt Verschulden voraus.
Häufiger sind dagegen die Fälle, dass im Kassen- und/oder Warenbestand einfach nur ein Minus festgestellt
wird, ohne eine konkrete Ursache dafür feststellen zu können.
Beispiel:
Kassiererin K hat einen hektischen Tag hinter sich. Beim abendlichen Kassensturz fehlen ihr in der Kasse
27,49 EUR. K hat weder selbst unerlaubt Geld an sich genommen noch bemerkt, dass ein Dritter dieses
Geld entwendet hat. Es kann sein, dass sie sich beim Herausgeben einfach verzählt oder beim Kassieren
versehentlich nicht gemerkt hat, den eingegebenen Geldbetrag vom Kunden nicht passend erhalten zu
haben.
Hier können Schadensersatzansprüche des Arbeitgebers wegen Verletzung einer Pflicht aus dem
Schuldverhältnis Arbeitsvertrag entstehen ( § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB , zu beachten aber auch § 619a BGB ).
Diese Schadensersatzansprüche setzen allerdings ein schuldhaftes Verhalten des Arbeitnehmers voraus (
Haftung , Schadensersatz ). § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB gilt nicht, "wenn der Schuldner die Pflichtverletzung
nicht zu vertreten hat" (§ 280 Abs. 1 Satz 2 BBGB).
Das Verschulden • Vorsatz oder
• Fahrlässigkeit ( § 276 BGB )
- ist oft nur schwer nachzuweisen. Selbst wenn der Nachweis gelingt, läuft der Arbeitgeber Gefahr, keinen
vollen Ersatz zu bekommen. Er trägt grundsätzlich das unternehmerische Risiko, während eine volle oder
quotenmäßige Haftung des Arbeitnehmers vom Grad seines Verschulden abhängig ist (s. dazu oben
Gliederungspunkt 2.). Manchmal scheitert ein Schadensersatzanspruch in der Praxis auch ganz einfach
daran, dass beim Schuldner Arbeitnehmer nichts zu holen ist.
Als weitere Anspruchsgrundlagen kommen die §§ 688 ff. BGB (Verwahrung) und §§ 662 ff. BGB (Auftrag) in
Betracht (zu den Voraussetzungen siehe u.a.: BAG, 22.05.1997 - 8 AZR 562/95 - Verlust einer Kassette mit
126.000,00 DM durch einen Geldtransportfahrer; BAG, 29.01.1985 - 3 AZR 570/82 ; Entwendung von
Geräten aus einem Kundendienstfahrzeug; BAG, 28.09.1989 - 8 AZR 73/88 ; Diebstahl von
Beförderungsentgelten aus einem Bus).
3
© 2017 aok-business.de - PRO Online, 20.01.2017
Die Darlegungs- und Beweislast für den behaupteten Schaden, seine Entstehung und die
Verantwortlichkeit des Arbeitnehmers - also für die haftungsbegründende und die haftunsgausfüllende
Kausalität - trägt der Arbeitgeber.
Beispiel:
Arbeitgeber A betreibt einen Kiosk. Im 3-Schicht-System setzt er dort von morgens 08:00 Uhr bis mittags
12:00 Arbeitnehmerin X ein, von 12:00 Uhr bis 16:00 Uhr Arbeitnehmerin Y und von 16:00 bis 20:00 Uhr
Arbeitnehmerin Z. Alle drei kassieren in die gleiche Kasse. Ein Kassensturz wird erst abends durch die
letzte Kassiererin Z gemacht. Sie stellt fest, dass 200 EUR zu wenig in der Kasse sind. A verlangt von ihr,
diesen Fehlbetrag zu ersetzen. Z weigert sich. A klagt auf Zahlung des Fehlbetrages als Schadensersatz.
Er verliert diesen Prozess, weil ihm der Nachweis, dass gerade Z den Fehlbetrag zu verantworten hat,
nicht gelingen wird. Sie war zwar die Letzte an der Kasse, aber X oder Y - oder ein Dritter, der in die
Kasse greifen konnte - können das Minus ebenso gut verursacht haben.
Das Verschulden des Arbeitnehmers stellt im Streitfall das Tatsachengericht - Arbeits- oder
Landesarbeitsgericht - fest. Das BAG kann als Revisionsgericht nur prüfen, "ob der Tatrichter von den
richtigen rechtlichen Beurteilungsmaßstäben ausgegangen ist, die wesentlichen Umstände des Einzelfalls
berücksichtigt sowie Denkgesetze, Erfahrungsgrundsätze und Verfahrensvorschriften verletzt hat" ( BAG,
15.09.2011 - 8 AZR 846/09 ).
4. Vertragliche Grundlage
Wer erreichen möchte, dass seine Mitarbeiter auch ohne eigenes Verschulden für Fehlbeträge oder
Fehlbestände haften, muss mit ihnen eine so genannte Mankovereinbarung schließen. Mit ihr übernimmt der
Arbeitnehmer das Risiko, vertraglich für Fehlbeträge oder Fehlbestände einzustehen. Natürlich darf diese
Mankoabrede das Risiko nicht völlig auf den Mitarbeiter verlagern. Eine zu einseitige Sicherung des
Arbeitgebers verstößt gegen die guten Sitten und wird regelmäßig nach § 138 BGB nichtig sein. Und ganz
wichtig: Ohne Zahlung eines Mankogelds läuft gar nichts. Es wird vorausgesetzt, dass der Arbeitnehmer für
seine verschuldensunabhängige Haftung einen angemessenen wirtschaftlichen Ausgleich erhält.
Beispiel:
Arbeitgeber A vereinbart mit seiner Kassiererin K, dass sie für Kassenfehlbestände über 25 EUR
uneingeschränkt haftet. Nach Abschluss der Vereinbarung fehlen bei einem abendlichen Kassensturz
125 EUR. A verlangt daraufhin von K, den Fehlbetrag zu ersetzen.
Gesetzliche Anspruchsgrundlagen scheiden aus, da sich nicht feststellen lässt, warum Geld in der Kasse
fehlt und sich daher auch kein Verschulden der K ermitteln lässt.
Als vertragliche Anspruchsgrundlage kommt die Mankovereinbarung aus dem Arbeitsvertrag in Betracht.
Allerdings hat K für die Übernahme ihrer Ersatzpflicht von A keinen Ausgleich bekommen. Die
Mankoabrede bleibt ohne Wirkung, da K ohne angemessenen Ausgleich allein belastet würde.
Die Rechtsprechung lässt Mankovereinbarungen zu, wenn dem Arbeitnehmer ein Mankogeld oder ein
angemessen erhöhtes Gehalt gezahlt wird. Außerdem wird verlangt, dass der verpflichtete Arbeitnehmer in
der Lage sein muss, seinen Verantwortungsbereich auch kontrollieren zu können ( BAG, 27.02.1970 1 AZR 150/69 ). Dabei darf die Haftung die Summe der gezahlten Mankogelder nicht überschreiten ( BAG,
17.09.1998 - 8 AZR 175/97 ). Grund dafür ist der Umstand, dass die Mankovereinbarung regelmäßig auch
Sachverhalte erfasst, in denen der Arbeitnehmer nach den allgemeinen Grundsätzen der Haftung entweder
gar nicht (kein Verschulden oder leichte Fahrlässigkeit) oder nur anteilig (mittlere Fahrlässigkeit) in die Pflicht
genommen würde (BAG, a.a.O.). Dabei ist es zulässig, einen mittel- oder langfristigen Ausgleichszeitraum z.B. ein Jahr - zu vereinbaren oder bestimmte Fälle - z.B. die vorsätzliche Schädigung - völlig aus der
Mankoabrede herauszunehmen. Das BAG rückt in der hier zitierten Entscheidung ausdrücklich von seinem
bisherigen Rechtsstandpunkt ab:
4
© 2017 aok-business.de - PRO Online, 20.01.2017
"Soweit in früheren Entscheidungen Mankogeldvereinbarungen auch unter erweiterten Voraussetzungen
zugelassen worden sind, wird hieran nicht mehr festgehalten" (BAG, a.a.O.). Das BAG hat auch in einer
neueren Entscheidung die Unzulässigkeit einer Erfolgshaftung des Arbeitnehmers durch eine
Mankoabrede ohne besondere Mankovergütung oder über die Höhe des vereinbarten Mankogeldes hinaus
bejaht ( BAG, 02.12.1999 - 8 AZR 386/98 ). Eine Mankoabrede sei eben dahin gehend auszulegen, dass der
Arbeitnehmer selbst bei größeren Schäden nur bis zur Höhe des Mankogeldes haften soll (hier: Fehlbestand
von 11.000 DM bei einer 0,5-prozentigen Umsatzbeteiligung). Neben der vertraglichen Garantiehaftung gibt
es dann immer noch die davon unabhängige selbstständige Haftung wegen einer schuldhaften
Vertragspflichtverletzung (BAG, a.a.O.)
Die formularmäßige vertragliche Übernahme einer Bürgschaft für Forderungen des Arbeitgebers wegen
Fehlbeständen durch einen Dritten - hier: Vater eines Verkaufsfahrers - benachteiligt die bürgende
Privatperson entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen ( BAG, 27.04.2000 - 8 AZR
286/99 - zu § 9 AGBG (altes Rechte = §§ 305 ff. (307) BGB neues Recht).
Mankogelder bis zur Höhe von 16 EUR monatlich können Arbeitnehmern steuer- und
sozialversicherungsfrei ausgezahlt werden ( Abschn. 70 Abs. 1 Nr. 4 LStR 2004 u. § 1 ArEV).
5. Sonstige arbeitsrechtliche Möglichkeiten
Neben der haftungsrechtlichen Problematik stellt sich bei Geld- und Warenfehlbeständen für den Arbeitgeber
häufig die Frage, wie er zusätzlich noch auf diesen Umstand reagieren kann. Als erstes kommt eine
Abmahnung des verantwortlichen Arbeitnehmers in Betracht. Häufen sich die Fälle, folgt unweigerlich die
Kündigung . Natürlich kann auch versucht werden, das Problem durch organisatorische Maßnahmen in
den Griff zu bekommen (z.B. durch verstärkte Kontrollen von Geld- und Warenfluss, Einführung eines
Warenwirtschaftssystems, Diebstahlsicherung usw.).
Praxistipp:
Ein Fehlbestand allein kann weder eine Abmahnung noch eine Kündigung rechtfertigen. Die Abmahnung
verlangt eine Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten, das heißt: Das Manko muss auf ein Fehlverhalten
des Mitarbeiters zurückzuführen sein. Eine verhaltensbedingte Kündigung schließt daran an - sie muss
ebenfalls an einem Mitarbeiterverhalten festgemacht werden können.
Eine Kündigung ist in KSchG -Betrieben nach dem Ultima Ratio-Prinzip ohnehin immer das letzte Mittel, um
auf eine Fehlentwicklung zu reagieren.
Praxistipp:
Der Arbeitgeber ist verpflichtet, seinen Arbeitnehmern mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein
Arbeitszeugnis auszustellen. Dieses Arbeitszeugnis muss sich auf Wunsch auch auf Führung und
Leistung erstrecken. Wer einen Mitarbeiter wegen Fehlbeständen kündigt, ihm gleichzeitig jedoch
bescheinigt, er sei "fleißig, ehrlich und gewissenhaft" gewesen, wird im Kündigungsrechtsstreit ein
Argumentationsproblem bekommen. Man sollte daher beim Zeugnis die erforderliche Vorsicht walten
lassen...
Eine Mankovereinbarung ist in der Regel eine individualrechtliche Angelegenheit. Soweit kollektive
Interessen betroffen sind, sind Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats zu beachten.
6. Rechtsprechungs-ABC
An dieser Stelle sind einige der interessantesten Entscheidungen der letzten Jahre zum Stichwort
Mankohaftung in alphabetischer Reihenfolge nach Stichwörtern hinterlegt:
6.1 Darlegungs- und Beweislast - 1
5
© 2017 aok-business.de - PRO Online, 20.01.2017
Der Arbeitgeber muss nicht nur die Pflichtverletzung, sondern auch den Grad des Verschuldens darlegen
und beweisen. Liegt das schädigende Ereignis vor, dürfen daran keine zu hohen Anforderungen gestellt
werden. Im Rahmen der abgestuften Darlegungslast muss sich der Arbeitnehmer auf den Vortrag des
Arbeitgebers jedoch substanziiert äußern. "Unterlässt es der Arbeitnehmer, sich zu den konkreten Umständen
des Schadensfalls zu erklären, können daraus entsprechende Schlüsse gezogen werden. Bleibt streitig, ob
bestimmte Indiztatsachen vorliegen oder nicht, geht dies zu Lasten des Arbeitgebers. Gleiches gilt für
eventuelle Unklarheiten nach Abschluss und Würdigung aller Indizien und gegebenenfalls der erhobenen
Beweise" ( LAG Baden-Württemberg, 19.09.2001 - 17 Sa 9/01 ).
6.2 Darlegungs- und Beweislast - 2
Der Arbeitgeber muss im Rahmen der Mankohaftung nicht nur den behaupteten Fehlbetrag darlegen und
beweisen, er trägt auch die Darlegungs- und Beweislast für die haftungsbegründende Kausalität, also die
Verursachung des Mankos durch seinen Mitarbeiter. Bei einer Shopmitarbeiterin gehört dazu beispielsweise
auch die Darlegung mit Beweisantritt, dass diese Mitarbeiterin in der Zeit, in der das Manko entstanden sein
soll, die Kasse oder den Warenbestand allein beherrschte. Dazu gehört im Einzelfall bei einem
Kassenfehlbestand auch der Nachweis, dass der Arbeitgeber seinen Betrieb so organisiert hat, dass seine
Arbeitnehmerin in ihrer Schicht allein Zugang zur Kasse hatte und diese Kasse nicht von Kollegen bedient
wurde, bedient werden durfte oder konnte ( LAG München, 02.04.2008 - 11 Sa 917/07 ).
6.3 Erfolgshaftung
"1. Die Begründung einer Erfolgshaftung des Arbeitnehmers durch Mankoabrede ohne besondere
Mankovergütung oder über die Höhe des vereinbarten Mankogeldes hinaus ist unzulässig. Die Abrede wird
regelmäßig dahin auszulegen sein, der Arbeitnehmer solle auch bei größeren Schäden jedenfalls bis zur
Höhe des Mankogeldes haften (...). 2. Die Haftung wegen schuldhafter Vertragspflichtverletzung ist
unabhängig von einer etwaigen Garantiehaftung aus Vertrag zu beurteilen" ( BAG, 02.12.1999 - 8 AZR
386/98 ).
6.4 Feststellung des Verschuldens
Soll der Grad der Fahrlässigkeit festgestellt werden, ist zu prüfen, "in welchem Umfang der Arbeitnehmer
bezogen auf den Schadenserfolg schuldhaft, also vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt" hat. Dabei kann es
dahingestellt bleiben, ob dem Arbeitnehmer über die allgemeine Schadensvermeidungspflicht noch
weitere Handlungspflichten auferlegt wurden. Versucht so eine Vereinbarung, die Haftung entgegen den
allgemeinen Haftungsgrundsätzen einseitig zu Gunsten des Arbeitgebers auf den Arbeitnehmer zu
verschieben, ist sie unwirksam. "Die Zuweisung des uneingeschränkten Haftungsrisikos für alle Schäden, die
auf Grund der Verletzungshandlung des Schädigers entstanden sind, führt zu einem unbilligen Ergebnis,
wenn für den Schädiger Haftungsprivilegien bestehen" ( BAG, 18.04.2002 - 8 AZR 348/01 ).
6.5 Gleichwertiger Ausgleich
Eine vertragliche Vereinbarung über die Haftung des Arbeitnehmers für eingetretene Waren- und
Kassenfehlbestände ist wegen Verstoßes gegen die einseitig zwingenden Grundsätze der beschränkten
Arbeitnehmerhaftung unwirksam, wenn und soweit der Arbeitnehmer dafür keinen gleichwertigen Ausgleich
(das so genannte Mankogeld) bekommt. Die Begründung einer durch Mankoabrede begründeten
verschuldensunabhängigen Haftung ist in Ordnung, "wenn der Arbeitnehmer nur bis zur Höhe einer
vereinbarten Mankovergütung haften soll und daher im Ergebnis allein die Chance einer zusätzlichen
Vergütung für die erfolgreiche Verwaltung eines Waren- und Kassenbestandes erhält." Dadurch ist
gewährleistet, dass keine Schlechterstellung des Arbeitnehmers erfolgt und sein "Privileg ... auf beschränkte
Haftung bei betrieblich veranlassten Tätigkeiten" nicht berührt wird ( BAG, 05.02.2004 - 8 AZR 91/03 ).
6.6 Mankogeld
Mankogeld ist kein pauschalierter Auslagenersatz, sondern eine Leistung mit Entgeltcharakter, die ein
mögliches Haftungsrisiko des Arbeitnehmers bei Fehlbeträgen aufgrund einer entsprechenden Mankoabrede
entgelten will und als Entgeltzulage bezahlt wird. Die Zahlung des Mankogelds ist Voraussetzung für die
rechtliche Wirksamkeit einer Mankovereinbarung. Bei ihr muss dem übernommenen Risiko der
6
© 2017 aok-business.de - PRO Online, 20.01.2017
Erfolgshaftung ein angemessener finanzieller Ausgleich durch ein erhöhtes Entgelt gegenüberstehen ( LAG
München, 14.06.2007 - 4 Sa 1363/06 ).
6.7 Schuldversprechen
Schließen Arbeitgeber und Arbeitnehmer (hier: Verkäuferin, der unberechtigte Kassenentnahmen
vorgeworfen wurden) ein selbstständiges Schuldversprechen nach den §§ 780 , 781 BGB , unterliegt
dieses konstitutive Schuldversprechen bis zum Inkrafttreten der Schuldrechtsreform am 01.01.2002 den
Regeln des AGB-Gesetzes. Wird in dem Versprechen die Möglichkeit des Arbeitsnehmers ausgeschlossen,
sich auf das Nichtbestehen des zugrundeliegenden Anspruchs zu berufen, ist das eine vom geltenden
Bereicherungsrecht ( §§ 812 Abs. 2 , 821 BGB ) abweichende Regelung. Diese Regelung ist eine
unangemessene Benachteiligung und damit nach § 9 Abs. 1 AGBG (heute: § 307 Abs. 1 BGB ) unzulässig
( BAG, 15.03.2005 - 9 AZR 502/03 ).
6.8 Unbeherrschbare Risiken
Die Grundsätze der Mankohaftung sind Arbeitnehmerschutzrecht. Sie werden mit den Prinzipien der
eingeschränkten Arbeitnehmerhaftung gerechtfertigt. Mankoabreden sind nur zulässig, wenn sie eine
angemessene Gegenleistung für den Arbeitnehmer vorsehen. "Die Begründung einer Erfolgshaftung durch
eine Mankoabrede ist zulässig, wenn der Arbeitnehmer hiernach nur bis zur Höhe einer vereinbarten
Mankohaftung haften soll und daher im Ergebnis allein die Chance einer zusätzlichen Vergütung für die
erfolgreiche Verwaltung eines Waren- oder Kassenfehlbestandes enthält. (...). Die Mankoabrede kann
auch nicht voll beherrschbare Umstände und Risiken wie die Beaufsichtigung von Mitarbeitern und
Hilfskräften einschließen" (LAG Köln, 17.01.2006 - 9 (11) Sa 891/05) .
6.9 Urlaubsentgelt
Mankogeld ist bei der Berechnung des Urlaubsentgelts in der Regel außer Betracht zu lassen, wenn der
Arbeitnehmer in jedem Monat des Jahres gearbeitet und für diesen Monat das volle Mankogeld bekommen
hat. Diese zusätzliche Arbeitgeberleistung bleibt bei der Berechnung des Geldfaktors für das Urlaubsentgelt
unberücksichtigt. Das Gleiche gilt für die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Mankogeld gehört zwar zum
Arbeitsverdienst, der Arbeitgeber zahlt es aber in der Regel ohnehin monatlich, wobei das Mankogeld keinen
Bezug zum Umfang der tatsächlichen Arbeitsleistung hat - es hat nicht den Zweck, "die Arbeitsleistung in
durch die Referenzzeiträume bestimmten Abrechnungsabschnitten" abzugelten ( LAG Schleswig-Holstein,
08.02.2012 - 6 Sa 37/11 ).
7
© 2017 aok-business.de - PRO Online, 20.01.2017