Gottesdienst mit Taufen am Sonntag 29. Mai 2016 10:00 Uhr in der

Transcrição

Gottesdienst mit Taufen am Sonntag 29. Mai 2016 10:00 Uhr in der
Gottesdienst mit Taufen am Sonntag 29. Mai 2016 10:00 Uhr in der
Matthäuskirche
Musik: Stephen Smith, Orgel Spezielles: Predigtreihe zu den Seligpreisungen (vierter Sonntag)
Sigrist: Beat Gehri Sonntag im Kirchenjahr: 1. Sonntag nach Trinitatis
Sammlung
Eingangsspiel Orgel (Einzug Tauffamilie und Pfarrer)
Gruss- & Eingangswort: «Selig die Gewaltlosen - sie werden das Land erben.» (Matthäus 5, 5)
*Eingangslied 247 1-3 „Grosser Gott wir loben dich“
Taufe und Anbetung
*Gebet
Taufansprache
Taufen
*Dank- und Fürbitte
*Tauflied/Loblied RG 184 „Gott, der du alles Leben schufst“ (alle fünf Strophen)
Kerzen anzünden
Verkündigung
Lesung aus dem Alten Testament: Psalm 37 1-11 „Befiehl dem Herrn deine Wege“
Erhitze dich nicht über die Übeltäter, ereifere dich nicht über die, die Unrecht tun. 2Denn schnell wie
das Gras verwelken sie, und wie grünes Kraut verdorren sie.3 Vertraue dem HERRN und tue das
Gute, bleibe im Land und bewahre die Treue. 4Freue dich des HERRN, und er wird dir geben, was
dein Herz begehrt. 5Befiehl dem HERRN deinen Weg und vertraue auf ihn, er wird es vollbringen.
6
Er wird deine Gerechtigkeit aufgehen lassen wie das Licht und dein Recht wie den Mittag. 7Sei still
vor dem HERRN und harre auf ihn. Erhitze dich nicht über den, dessen Weg gelingt, und nicht über
den, der Ränke schmiedet. 8Lass ab vom Zorn, gib auf den Grimm, erhitze dich nicht, es bringt nur
Böses. 9Denn die Übeltäter werden ausgerottet, die aber auf den HERRN hoffen, sie werden das
Land besitzen. 10Nur eine Weile noch, und der Frevler ist nicht mehr, und suchst du seine Stätte, so
ist sie dahin. 11Die Gebeugten aber werden das Land besitzen und sich freuen an der Fülle des
Friedens.
Lied RG 515 „Komm, o Tröster, Heilger Geist“ (alle fünf Strophen)
Lesung Lektorin aus dem Neuen Testament: Markus 10 28-31 „Der Lohn der Nachfolge“
28
Da ergriff Petrus das Wort und sagte zu ihm: Wir hier haben alles verlassen und sind dir gefolgt.
29
Jesus aber sprach: Amen, ich sage euch: Da ist keiner, der um meinetwillen und um des
Evangeliums willen Haus, Brüder, Schwestern, Mutter, Vater, Kinder oder Äcker verlässt 30und der
nicht hundertfach empfängt, jetzt in dieser Zeit Häuser, Brüder und Schwestern, Mütter und Kinder
und Äcker inmitten von Verfolgungen, und in der kommenden Welt ewiges Leben. 31Viele Erste aber
werden Letzte sein und Letzte Erste.
Predigt zu dem Vers aus den Seligpreisungen «Selig die Gewaltlosen - sie werden das Land
erben.» (Matthäus 5, 5)
Zwischenspiel Orgel
Fürbitte
*Lied RG 825 „Hilf, Herr meines Lebens“ (alle fünf Strophen)
*Fürbitten, Abkündigungen & Unser Vater
Sendung
Mitteilungen
*Schlusslied RG 570 1-5 "Lobet den Herren alle"
*Segen
Ausgangsspiel Orgel
*stehend
Reformierte Kirche Stadt Luzern | Pfarramt Matthäus Würzenbach
Marcel Köppli, Pfarrer Dr., Schweizerhausstrasse 3, 6006 Luzern
T 041 410 32 78 | [email protected] | www.refstadtluzern.ch
Predigt zu dem Vers aus den Seligpreisungen «Selig die Gewaltlosen - sie werden das Land
erben.» (Matthäus 5, 5)
«Selig die Gewaltlosen - sie werden das Land erben.» Diese Seligpreisung provoziert. Sie
provoziert, weil sie meist nicht den Realitäten entspricht. Bedauerlicherweise sind es oft nicht
die Gewaltlosen, die sich auf dieser Erde durchsetzen. Es sind die anderen, die Starken,
Reichen, Privilegierten, diejenigen, die den Einsatz der Ellenbogen beherrschen, sie stehen
auf der Sonnenseite des Lebens und bleiben oft auch auf jener Seite stehen. Unzählige
Sprichwörter bringen diese Erfahrung auf den Punkt. Eines der harmloseren lautet, sie
kennen es sicher: «Gute Mädchen kommen in den Himmel, böse überall hin»
Während einige – wie und warum auch immer – die Sonnenseite des Lebens gleichsam für
sich gepachtet haben, gibt es Menschen, ja ganze Menschengruppen, die stehen so gut wie
immer auf der Schattenseite des Lebens. Ich denke an einen Mann, der bereits als Kind
ausgebeutet wurde und dann wie magisch von Frauen angezogen wird, die ihn wiederum
schamlos ausnutzen, demütigen und ausbeuten. Oder ich denke an indigene Völker, deren
Sprache, Kultur und Lebensform nicht anerkannt werden und dessen Kinder deshalb von
Geburt weg manchmal mit fast hundertprozentiger Wahrscheinlichkeit von der dürftigen
staatlichen Fürsorge abhängig werden, oft könnte man sogar sagen abhängig gemacht
werden. Als drittes kommt mir eine unsichere, junge Frau in den Sinn, die auf Facebook von
ehemaligen Freunden und Freundinnen richtiggehend fertiggmeacht wird und die sich
deshalb nicht mehr unter die Leute getraut. In einem erschreckenden Sinn scheint hier das
Bibelwort Recht zu haben, das besagt: „Wer da hat, dem wird gegeben, und wer nicht hat,
dem wird auch das noch genommen, was er hat.“ Es ist nichts Neues, wenn ich sage, was
wir alle wissen, wenn wir mit offenen Augen unsere Leben anschauen oder in der Zeitung
blättern: in dieser Welt geht es - leider Gottes! – oft ungerecht zu, im Kleinen – und im
Grossen. Das wird in der Bibel, gerade in den Psalmen auch immer wieder beklagt. Genau
von dieser Situation spricht der 37. Psalm, den wir in der ersten Lesung gehört haben. Doch
in immer neuen Wendungen entfaltet er seinen Grundgedanken, den man auch mit Jesu
Seligpreisung zusammenfassen könnte: «Selig die Gewaltlosen - sie werden das Land
erben.»
Diese Worte klingen auf den ersten Blick theologisch zwar durch und durch korrekt, aber sind
sie nicht eine Art Vertröstung auf das Jenseits? In mir regt sich nicht wenig Widerstand,
wenn ich sie höre. Wer immer und überall nur still schweigt und alles in sich hineinfrisst, der
bleibt nicht gesund. Leiden muss sich artikulieren, und zwar laut und deutlich – sonst wird es
noch grösser, als es ohnehin schon ist. Genau so wollen die Seligpreisungen aber auch
verstanden werden. Die Seligpreisungen sind keine Vertröstung auf das Jenseits oder Opium
des Volkes. Sie sind Hoffnung für eine veränderbare, für eine bessere Welt im Hier und Jetzt,
in dieser Welt. Wer nie schreit, der wird auch keinen Missstand ändern. Wo
himmelschreiendes Unrecht geschieht, da muss auch wirklich Richtung Himmel geschrien
werden! Und zwar möglichst laut, dass es auch auf der Erde gehört wird. Sonst würde sich ja
nie etwas zum Besseren wenden.
Die Bibel bietet unzählige Beispiele von Menschen, die angesichts himmelschreienden
Unrechts selber gegen Himmel und Erde geschrien haben: von den Dichtern der
Klagepsalmen, über Propheten wie Amos und Hosea bis hin zu Jesus ge genüber den
Händlern im Tempel von Jerusalem. Sind die Seligpreisungen also ein Aufruf zu engagierten,
aufmüpfigen Aktionen und keineswegs ein Apell zu fromm-angepasster Ergebung?
Sie sind beides. Was auf den ersten Blick widersprüchlich daherkommt, sind zwei Seiten
einer Medaille. Die Worte des 37. Psalmes sind brandaktuell. Ein Beispiel: hitzig wird
gegenwärtig über die Frage gestritten, ob Religionen und so auch die biblischen Texte oder
der Glaube an Gott Gewalt legitimiere. Ich bin nicht der Richtige, um diese Frage in Bezug
auf den Islam oder den Buddhismus zu beantworten. Aber in Bezug auf die biblischen
1
Schriften kann ich doch eine Aussage machen. Der 37. Psalm ist ein eindrückliches Beispiel,
dass mit Gottesglauben keinerlei Gewalt legitimiert werden kann, im Gegenteil, da heisst es.
„Erhitze dich nicht über den, dessen Weg gelingt…“ oder: „Befiehl dem Herrn deinen Weg
und vertraue auf ihn, er wird es vollbringen.“ In dieser Tradition fördert der Gottesglaube
Gewalt nicht, nein, er verhindert sie, auch indem er zu fromm-angepasster Ergebung aufruft.
Wer ist mit den Gewaltlosen gemeint? Die Gewaltlosen von denen im 37. Psalm oder in der
Seligpreisung die Rede ist, sind vorerst keine angepassten Duckmäuser. Es ist – wie gesagt
– ein Missverständnis, die Seligpreisung als Aufruf zum Anpassertum zu verstehen. Die
ersten Adressaten der Seligpreisungen sind ja Jesu Jünger. Und die waren alles andere als
angepasst, im Gegenteil, Petrus bringt den alles andere als angepassten Charakter der
Jünger auf den Punkt, wenn er sagt: „Wir hier haben alles verlassen und sind dir gefolgt.“ Die
Seligpreisung der Gewaltlosen ist ein Aufruf zu aktivem und kräftigem Widerstand. Die
Seligpreisungen sind nicht eine Vertröstung auf eine bessere Welt, sondern eine
Aufforderung zur Einmischung in unsere Welt. Ihr Kraftpotenzial haben sie zuerst bei den
Jüngern gezeigt und dann durch alle Jahrhunderte der Kirchengeschichte immer wieder
erwiesen. Das letzte Mal, das im kulturellen Gedächtnis hängengeblieben ist, ist wohl der
gewaltlose Widerstand der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung, ein Widerstand, für den
sich dich Bewegung auch auf die Seligpreisung berief.
Aber, so muss man – wie ich finde zu recht – einwenden, aber, ist das nun nicht zu
romantisch? Es gibt ja nicht nur kräftige Gewaltlose, es gibt auch ohnmächtige Gewaltlose.
Solche, die sich eben gerade nicht wehren können, solche, die keine Kraft für einen aktiven
Gewaltlosen Widerstand aufbringen. Was ist mit diesen? Was ist mit dem ausgenutzten
Mann? Was ist mit den verschmähten, indigen Völkern? Was mit der jungen Frau, die auf
Facebook fertig gemacht wird? Was ist mit uns, mit uns, die wir wohl alle Gebiete und
Themen haben, in denen wir nicht heroisch die Fahne aufrecht halten mögen, sondern uns
wie angepasste Duckmäuser verhalten?
Die Seligpreisung der Gewaltlosen ist gerade in unserer Zeit und Gesellschaft enorm
widerständig. Ich vermute, sie ist das auch deshalb, weil sie uns in ungemein provozierender
Form nicht nur zur Einmischung in die Welt, sondern auch zur Passivität aufruft. Wobei:
eigentlich ist das gar keine Passivität im Sinne von „Nichtstun“, sondern eine höchst aktive
Haltung: „Sei still vor dem Herrn und harre auf ihn“, so heisst es im 37. Psalm. Es ist eine
Haltung, die nicht auf die eigenen Kräfte und Kompetenzen vertraut, sondern auf Gott. Und
das fällt schwer in einer Zeit, wo wir daran gewöhnt sind, so gut wie alles selber machen zu
können, und zwar möglichst sofort und ohne Umschweife.
„Wer's glaubt, wird selig!“, so habe ich bei der Begrüssung ein wenig ratlos auf die
Seligpreisung geantwortet.
„Wer's glaubt, wird selig!“ Das möchte ich noch einmal sagen, diesmal aber nicht ratlos,
sondern zutiefst überzeugt.
«Selig die Gewaltlosen - sie werden das Land erben.» Das ist nicht nur der Anspruch, wir
sollten uns einmischen und engagieren. Nein, es ist auch ein Zuspruch. Ein Zuspruch, dass
Gott selbst sich einmischt und engagiert. Dass er selbst denen hundertfach zurückgibt, die
wie die Jünger auf etwas verzichten – und sei es beispielsweise darauf zurück zu schlagen.
«Selig die Gewaltlosen - sie werden das Land erben.»
Ja, „wer's glaubt, wird selig!“ Amen.
2