Bodenschutz im Wald: Ziele – Konflikte – Umsetzung

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Bodenschutz im Wald: Ziele – Konflikte – Umsetzung
Heft 6, 2013
WSL Berichte
ISSN 2296-3448
FORUM
für Wissen
2013
Bodenschutz im Wald:
Ziele – Konflikte – Umsetzung
Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL
CH-8903 Birmensdorf
Heft 6, 2013
WSL Berichte
ISSN 2296-3448
FORUM
für Wissen
2013
Bodenschutz im Wald:
Ziele – Konflikte – Umsetzung
Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL
CH-8903 Birmensdorf
2
Forum für Wissen 2013
Das Forum für Wissen ist eine Veranstaltung, die von der Eidg. Forschungsanstalt
für Wald, Schnee und Landschaft WSL durchgeführt wird. Aktuelle Themen aus
den Arbeitsgebieten der Forschungsanstalt werden vorgestellt und diskutiert. Neben Referenten von der WSL können auswärtige Fachleute beigezogen werden.
Gleichzeitig zu jeder Veranstaltung «Forum für Wissen» erscheint eine auf das
Thema bezogene Publikation in der Reihe WSL Berichte.
Verantwortlich für die Herausgabe der Schriftenreihe
Prof. Dr. Konrad Steffen, Direktor WSL
Verantwortlich für dieses Heft
Dr. Ivano Brunner, Leiter Forschungseinheit Boden-Wissenschaften
Dr. Peter Lüscher, Senior Consultant
Schriftleitung
Sandra Gurzeler
Wir danken folgenden Personen, welche sich als Reviewer zur Verfügung stellten,
für die kritische Durchsicht der Beiträge und die hilfreichen Kommentare:
Franz Borer, Ivano Brunner, Beat Frey, Fritz Frutig, Elisabeth Graf-Pannatier,
Benjamin Lange, Reinhard Lässig, Felix Lüscher, Peter Lüscher, Jörg Luster,
Christine Meyer, Martin Moritzi, Patrick Schleppi, Massimiliano Schwarz, Christoph Sperisen, Manfred Stähli, Oliver Thees, Peter Waldner, Martin Ziesak und
Stephan Zimmermann
Zitierung
Eidgenössische Forschungsanstalt WSL (Hrsg.) 2013: Forum für Wissen 2013.
Bodenschutz im Wald: Ziele – Konflikte – Umsetzung. WSL Ber. 6: 116 S.
Layout
Jacqueline Annen, WSL
Sandra Gurzeler, WSL
Druck
Rüegg Media AG, Aesch ZH
PERFOR MANCE
neutral
Drucksache
01-13-307354
myclimate.org
Bezugsadresse
WSL Shop
Zürcherstrasse 111
CH-8903 Birmensdorf
http://www.wsl.ch/eshop/
ISSN 2296-3448
© Eidgenössische Forschungsanstalt WSL
Birmensdorf 2013
Forum für Wissen 2013
3
Vorwort
Gesunde Böden sind für die Erhaltung einer alles umfassenden Nachhaltigkeit im
Wald eine grundlegende Voraussetzung. Naturbelassene Böden stellen ein System
mit erstaunlich grosser Selbsterhaltungskraft dar und gewährleisten umfassend
die Erfüllung aller Waldfunktionen. Böden sind aber auch eine nicht erneuerbare Ressource. Es ist daher wichtig, dass Waldböden in ihrer Fruchtbarkeit weder
durch Stoffeinträge noch durch die Waldbewirtschaftung mit entsprechenden physikalischen Einwirkungen beeinträchtigt werden.
Das Forum für Wissen behandelt verschiedene Bodenschutzthemen anhand aktueller Beispiele und zeigt Interessenskonflikte sowie Vorschläge zu deren Lösung
auf: Inwieweit lassen sich die Zielvorgaben des Umweltschutz- und des Waldgesetzes erreichen? Welche Auswirkungen haben die Massnahmen des Bodenschutzes
auf die Biodiversität im Boden? Welche Lösungsansätze werden für das Spannungsfeld zwischen Ökologie und Ökonomie verfolgt?
Referierende aus Forschung und Praxis präsentieren den aktuellen Stand des
Wissens und zeigen aus Sicht der Bodenschutzpraxis Wege für erfolgversprechende
Massnahmen und Entwicklungen auf.
Der Tagungsband richtet sich an Fachleute aus dem Forstdienst und dem Bodenschutz sowie aus Verwaltung und Wissenschaft. Er soll – ausgehend von der
heutigen Situation – allen beteiligten Stellen aufzeigen, wie sich der Bodenschutz
im Wald weiter verbessern lässt.
Wir danken allen Autoren und Autorinnen für ihre Beiträge. Wir möchten gemeinsam mit unseren Partnern das zusammengetragene Wissen künftig weiterentwickeln und vertiefen sowie die eingeschlagene Umsetzung fortführen. Damit
schaffen wir die nötigen Voraussetzungen für eine nachhaltige Bodennutzung.
Folgenden Personen sei an dieser Stelle herzlich für ihr Engagement bei den Tagungsvorbereitungen und -durchführung gedankt:
Ivano Brunner, Beat Frey, Frank Hagedorn, Jörg Luster, Stephan Zimmermann
Organisation und Sekretariat: Sandra Gurzeler, Martin Moritzi, Susanne SennRaschle
Birmensdorf, im November 2013
Konrad Steffen, Direktor WSL
Peter Lüscher, Tagungsleiter
Forum für Wissen 2013
5
InhaltSeite
Vorwort3
Nur wer den Boden kennt, kann ihn schützen und nachhaltig nutzen.7
Gedanken zur «Mechanischen Belastung von Waldböden»
Peter Lüscher
Bodenschutz in Europa 17
Winfried E.H. Blum
Protection du sol dans les forêts Suisse21
Jean-Pierre Clément
Bodenschutz im Wald – Beitrag der Waldpolitik 2020 des Bundes 23
Sabine Augustin und Silvio Schmid
Umsetzung des Bodenschutzes im Aargauer Wald29
Alain Morier
Ökonomische Überlegungen zum physikalischen Bodenschutz im Wald31
Oliver Thees und Roland Olschewski
Bodenverdichtung und Bodenstruktur45
Rainer Schulin, Christine Meyer und Peter Lüscher
Sind Waldbodenfunktionen nachhaltig gewährleistet? 47
Beispiel Säurepufferung
Stephan Zimmermann und Jörg Luster
Werden im Boden gespeicherte Metalle durch Umweltveränderungen 55
freigesetzt?
Wolfgang Wilcke, Moritz Bigalke und Adrien Mestrot
Biodiversität von Waldböden – Auswirkungen des Einsatzes 61
von Holzerntemaschinen auf mikrobielle Gemeinschaften
Beat Frey und Martin Hartmann
Bodenbiologie im Referenzmessnetz der Nationalen Bodenbeobachtung 71
NABO
Anna-Sofia Hug, Andreas Gubler, Franco Widmer, Beat Frey,
Hansruedi Oberholzer, Peter Schwab und Reto Meuli
Baumwurzeln und Infiltration83
Benjamin Lange, Peter Lüscher, Peter Germann und Axel Bronstert
Die Bedeutung der Waldböden für Wassermenge und -qualität 91
in Einzugsgebieten
Karl-Heinz Feger, Raphael Benning und Andreas Wahren
Umsetzung des Bodenschutzes im Aargauer Wald99
Andreas Freuler
Bodeninformationen für die Waldwirtschaft im Kanton Solothurn103
Gaby von Rohr, Stephan Margreth und Christine Hauert
Hochwasserschutzwald Gantrisch: der Weg zur quantitativen Methode 107
für die Praxis
Massimiliano Schwarz, Lukas Dämpfle, Peter Lüscher, Philipp Mösch
und Jean-Jacques Thormann
Forum für Wissen 2013: 7–16
7
Nur wer den Boden kennt, kann ihn schützen und
nachhaltig nutzen
Gedanken zur «Mechanischen Belastung von Waldböden»
Peter Lüscher
WSL Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft, Zürcherstrasse 111, CH-8903 Birmensdorf,
[email protected]
Ökologische Erkenntnisse, ökonomisches Handeln, technische Weiterentwicklungen und gesellschaftliche Ansprüche an den Wald beziehungsweise die Waldwirtschaft erfordern grundsätzliche Überlegungen hinsichtlich künftiger Konzepte
für eine nachhaltige Bodennutzung. Mit der «Waldpolitik 2020» wurden für den
Bodenschutz Rahmenbedingungen gesetzt, die mit den Zielgrössen und Indikatoren – entwickelt im Projekt «Physikalischer Bodenschutz im Wald» – übereinstimmen und den Schutz des Bodens vor irreversiblen Veränderungen sicherstellen. Diese Vorgaben sollen langfristige Beeinträchtigungen des Bodens vermeiden beziehungsweise minimieren. Sie haben verbindlichen Charakter hinsichtlich
Umsetzung und Vollzug in den Kantonen. Bodenkundliche Grundkenntnisse sind
dabei unerlässlich, um die nachhaltige Nutzung der Waldböden zu gewährleisten.
Nicht zuletzt sind sie eine wichtige Voraussetzung für die einheitliche Kommunikation der Schutzanliegen zwischen allen Beteiligten.
1Einleitung
Das Befahren von natürlich gelagerten Waldböden mit Forstmaschinen
kann auf einem Grossteil der Böden
im Schweizer Wald im Bereich der
Fahrspuren tiefgreifende und zum Teil
lang anhaltende oder gar irreversivle Bodenveränderungen verursachen,
die wichtige Bodenfunktionen beeinträchtigen. Sind Porenvolumen und
Porenvernetzung beeinträchtigt, ist die
Transportleistung des Bodens für Wasser und Luft eingeschränkt. Die Versorgung der Wurzeln mit Wasser und Luft
ist aber eine unabdingbare Voraussetzung für die Fruchtbarkeit von Waldböden und für das Wachstum der darauf stockenden Bestände. Durch starke Bodenverdichtungen werden nicht
nur im Keimbeet die Voraussetzungen
für die Naturverjüngung drastisch verschlechtert, auch das Wurzelwachstum
wird bis in beträchtliche Bodentiefen
nachhaltig gestört. Dies lässt sich mit
dem Begriff der «langfristigen Beeinträchtigung der Bodenfruchtbarkeit
nach physikalischer Belastung» treffend beschreiben und auch quantifizieren. Mit dem Projekt «Physikalischer
Bodenschutz im Wald» ist das in den
vergangenen Jahre weitgehend erreicht
worden. Für die Umsetzung der Vorgaben sind bodenkundliche Grundkennt-
nisse eine unerlässliche Voraussetzung. Das gilt für den Oberboden, den
Bodenaufbau, bestimmte Bodenmerkmale und -eigenschaften, den Bodenwasserhaushalt und insbesondere die
aktuelle Bodenfeuchte zum Zeitpunkt
des Befahrens spielt eine bedeutende
Rolle. Aus ökologischer und wirtschaftlicher Sicht ist es daher zentral: Der
Boden muss geschützt werden!
Ziel muss es sein, eine langfristige
Beeinträchtigung der Bodenfruchtbarkeit durch Bodenverdichtung – wie im
Umweltschutzgesetz (USG 1983 und
VBBo 1998), aber auch in der Waldgesetzgebung gefordert – zu erkennen,
zu bewerten und durch Umsetzung
bodenkundlicher Kenntnisse soweit als
möglich zu verhindern bzw. zu minimieren (Lüscher et. al. 2009a) um
damit eine nachhaltige Bodennutzung
sicherzustellen. Eine wichtige Voraussetzung ist dabei, dass alle am Prozess
beteilgten Akteure begrifflich eine
gemeinsame Sprache finden.
2 Rahmenbedingungen zur
Beurteilung der nach­
haltigen Bodennutzung
Zur Beurteilung einer nachhaltigen
Bodennutzung wird auf europäischer
Ebene oft das Indikator-Rahmenprogramm DPSIR (Abkürzung für Driving forces, Pressure, State, Impact and
Response nach EEA 1999; vgl. Abb. 1)
verwendet. Damit werden unter anderem Bodenschutzprobleme erfasst,
deren zeitliche Veränderungen überwacht sowie die dahinter stehenden
Kräfte, Einflüsse und Aktionen kont-
D
Driving
forces
Vermehrte Nutzung der Ressource Holz durch boden­
gestützte Holzernte
P
Pressure
Auf und in den fruchtbaren Boden wirkende Kräfte
S
State
Struktur- und Eigenschaftsveränderungen im Boden in
Abhängigkeit von statischen und dynamischen Parametern
I
Impact
Langfristige Beeinträchtigung der Bodenfruchtbarkeit mit
negativen Folgen für Waldwaschstum und -verjüngung
R
Response
Massnahmen wie bspw. Ausbildung und Sensibilisierung der
Akteure, Vorgaben zu Holzernteverfahren, zum Einsatz von
Maschinen sowie zur Maschinentechnik
Abb. 1. DPSIR-Modellansatz (EEA 1999) mit konkreter Abstimmung auf die Holzerntemassnahmen.
8
Forum für Wissen 2013
rolliert und gesteuert. Das Modell kann
auch verwendet werden, um Umweltbelastungen und Umweltschutzmassnahmen darzustellen. Im Folgenden
wird dieser Ansatz zur Beurteilung der
mechanischen Belastung des Waldbodens durch die Holzerntemassnahmen
eingesetzt. Die Systembetrachtung soll
visualisieren, wie der Waldboden im
Umfeld von Waldbestand, Waldstandort bis zur Holznutzung über die Systemgrenzen hinweg beeinflusst wird.
Im System «Ressourcennutzung
Holz» sind, bezogen auf das Modell
DPSIR (Abb. 2), die Holzernte und der
Maschineneinsatz die treibenden Kräfte (D). Sie sind Ursache der potenziellen Belastung (P), die im Boden zu
einer Veränderung (DS) verschiedener
Bodeneigenschaften führt. Die Wirkung solcher Veränderungen ist besonders im Hinblick auf eine allfällige
Beeinträchtigung der Bodenfruchtbarkeit (I) zu beurteilen und zu bewerten.
Zu diesem Zweck verwenden wir für
die konkrete Umsetzung in der Praxis
zuvor klar definierte Spurtypen, die es
erlauben, durch den Maschineneinsatz
entstehende Fahrspuren zu unterscheiden (Tab. 1). Im Vergleich mit bekannten Referenzgrössen lassen sich diese Spurtypen als wirkungsorientiertes
Mass der Bodenveränderung nutzen.
Je nach Grad der Beeinträchtigung
werden entsprechende Massnahmen
(R) erforderlich, die rechtzeitig einzuleiten bzw. umzusetzen sind.
Dieser Modellansatz zeigt einen Weg
für eine direkte Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft, Forstwirtschaft,
Gesellschaft und Politik. Ebenfalls lässt
sich daraus eine thematische Strategie für den Wissenstransfer ableiten
(Lüscher et al. 2008a und b).
Der Boden steht über die Wurzeln
der Bäume in einer engen Verbindung mit dem Waldbestand. Ein Waldbestand setzt sich aus oberirdischen
Teilen (Stamm, Krone) und einem
unterirdischen Teil, dem Wurzelsystem, zusammen. Das Wurzelwachstum
muss sich, der baumartenspezifischen
Wurzelarchtektur folgend, vom Sämling bis zum Altbestand ungestört im
Boden entwickeln können und darf
einzig durch natürliche Eigenschaften
beeinflusst werden. Der Oberboden
(Humus) mit seinen typischen Eigenschaften wird durch den Streueintrag
aus dem Bestand wesentlich beeinflusst. Die standortsspezifische Humusform bildet das Keimbeet und den
Wurzelraum für die Verjüngung einer
nächsten Baumgeneration. Umsatzraten von Stoffen aus Wurzelwachstum
und -erneuerung sind weitere Grössen, die eine interaktive Verknüpfung
der beiden Systeme bewirken. Unter
dem Einfluss der Standortsfaktoren
ergibt sich als übergeordnete Einheit
Ressourcennutzung Holz
D
Holzernteverfahren
P
Waldstandort
Standortfaktoren
Waldbestand
Wachstum Verfüngung
S
Waldboden
Wurzeln
D bewirkt ein P und ergibt ΔS, das über Indikatoren und deren Veränderung
festgehalten werden kann. Dabei darf keine langfristige Beeinträchtigung
der Bodenfruchtbarkeit eintreten.
I
Vollzug mit Vorgaben
z.B. ökologische Standards, Ausbildung, Interventionswerte
R
Abb. 2. Systembetrachtung im Rahmen der DPSIR-Indikatoren.
ein Waldstandort. Mittels unterschiedlicher Ernteverfahren wirken bei der
Holznutzung durch den Maschineneinsatz Kräfte auf den Boden, die ein
erkennbares Spurbild hinterlassen (vgl.
Kap. 4.2). Dabei erfolgt eine Beeinträchtigung der Bodeneigenschaften
und allenfalls auch der Bodenfruchtbarkeit. Ein ökologischer Schaden
liegt vor, wenn die Bodenfruchtbarkeit langfristig beeinträchtigt wird. Die
gezielte Ausbildung und Sensibilisierung aller verantwortlichen Akteure
soll zur Minimierung von Bodenschäden beitragen.
3 Standortskundliche Voraus­
setzungen für den Schutz
des Bodens
Der im Umweltschutzgesetz im
Zusammenhang mit der Bodenfruchtbarkeit weitsichtig erwähnte «Standort» – hier ein «Waldstandort» – stellt
ein System dar, das «Waldbestand»
und «Boden» über die Standortsfaktoren mit gegenseitiger Wechselwirkung
verbindet. Dieser Bezug zum Standort
bzw. zu den damit verbundenen bodenkundlichen Voraussetzungen, wie ihn
der Gesetzgeber vorgibt, ist für eine
nachhaltige Bodennutzung zentral.
So wurden beispielsweise im Merkblatt für die Praxis Nr. 45 der WSL
(Lüscher et al. 2009b) die typischen
Humusformen (Abb. 3) und auch
die Vernässungsmerkmale (Abb. 6)
beschrieben und abgebildet. Die
Humusformen erlauben erste Hinweise auf die Befahrungsempfindlichkeit
der Böden. Vernässungsmerkmale zeigen eine geringe oder sich verschlechternde Leitfähigkeit für Wasser und
Luft im Porensystem des Bodens an.
Oxidations- und Reduktionsprozesse verursachen sichtbare Farbmuster
im Boden. Die Tiefe ihres Auftretens
und ihre Ausprägung geben Hinweise auf die Durchlüftungssituation bzw.
Vernässung im Wurzelraum und eine
Bewertung erfolgt über den Vernässunggrad (Walthert et al. 2004).
Die Ursache für das Auftreten
von Vernässungsmerkmalen ist die
gehemmte Wasserdurchlässigkeit bzw.
das Stauwasser. Der Grund für eine
gehemmte Wassersickerung kann im
Bodenaufbau liegen, ist möglicherwei-
Forum für Wissen 2013
9
Tab. 1. Kriterien zur Unterscheidung der drei Spurtypen.
Kriterium
Spurtyp 1
Spurtyp 2
Spurtyp 3
Aufbau Oberboden
nicht gestört
+/– gestört
gestört
Spureintiefung *
bleibt in Oberbodenhorizonten
(5 bis max. 10 cm)
bleibt in Oberbodenhorizonten
(meist < 10 cm)
reicht bis in Unterbodenhorizonte (> 10 cm)
Verformung
keine **
Ansätze von seitlichen Auspressungen
des Oberbodens
ausgeprägte seitliche
Aufwölbungen
Farbe (Vernässungsmerkmale)
Vernässungsmerkmale je nach den standörtlichen Voraussetzungen vorhanden
* Hauptkriterium ist, bis in welchen Bodenhorizont die Spureintiefung reicht und nicht die eigentliche Spurtiefe in cm.
** teilweise sind Stollenabdrücke sichtbar
se aber auch – meist bei oberflächennahem Auftreten – auf das Befahren
mit Holzerntemaschinen zurückzuführen. Grund- und/oder Hangwasser­
einflüsse können ebenso Ursache für
wechselfeuchte bzw. ständig wassergesättigte Bodenhorizonte sein.
Je nach Bodenaufbau, Bodenmerkmalen und -eigenschaften ergibt sich
eine unterschiedliche standortspezifische Beurteilung der Befahrungsempfindlichkeit eines Bodens (Abb. 4).
Wo Bodenkarten vorhanden sind,
kann – als Planungsgrundlage für den
vorsorglichen physikalischen Bodenschutz – die Verdichtungsempfindlichkeit auch in Form von grossmassstäbigen Karten dargestellt werden (vgl. von
Rohr et al. in diesem Tagungsband).
L
Ah
4 Umsetzung des Boden­
schutzes bedingt
Bodenkenntnisse
4.1 Bodenaufbau und
Bodenwasserhaushalt
Der Bodenaufbau lässt Aussagen über
den Wasserhaushalt eines Bodens zu,
beispielsweise durch Benennung des
Bodentyps. Böden mit einem dichter gelagerten Horizont sind oft durch
Stauwasser beeinflusst (Pseudogley,
pseudovergleyte Böden). Durch Hangund/oder Grundwasser beeinflusste
Böden (Gley, vergleyte Böden) weisen wechselfeuchte Horizonte auf und
haben in unterschiedlicher Tiefe einen
ständig wassergesättigten Horizont.
Dabei ist die Tiefe, in der wassergesättigte Zustände auftreten sowohl im
Winter als auch im Sommer, in Abhängigkeit vom Vernässungsgrad, deutlich
unterschiedlich (Abb. 4). Dies zeigt,
dass Vernässungsmerkmale bei der
Beurteilung eines Bodens bezüglich
Befahrungsempfindlichkeit eine zentrale Grösse darstellen. So weisen Gleye
generell eine «hohe bis extrem hohe»
Befahungsempfindlichkeit auf. Wenn
ausnahmsweise, am ehesten im Sommer, ein Vernässungsgrad «schwach
grundnass» vorliegt (mit einer gesättigten Zone unterhalb von einem Meter)
kann von einer lediglich «mittleren»
Befahrungsempfindlichkeit ausgegangen werden.
L
L
F
F
H
Ah
H
Ah
Zur Humusform Mull (L/Ah) gehört eine
grosse biologische Aktivität mit raschem
Streuabbau (meistens zwischen ein und
zwei Jahren) und inniger Vermischung von
Humusstoffen und mineralischer Feinerde.
Solche Oberböden sind allgemein mit Nährstoffen gut versorgt, locker gelagert und weisen eine Krümelstruktur auf. Sie sind nach
mechanischer Belastung je nach Abbaumi­
lieu unterschiedlich regenerationsfähig.
Moder (L/F/[H]/Ah) wird vor allem in
krautarmen Laub- und Nadelwäldern mit
relativ nährstoffarmen Oberböden oder
unter kühlfeuchten Klimaverhältnissen
gebildet (Entwicklungszustand zwischen
Mull und Rohhumus).
Rohhumus (L/F/H/Ah) ist typisch für extrem nährstoffarme und meist grobkörnige Oberböden unter einer Pflanzendecke,
die schwer abbaubare Streu liefert. Dichte, lichtarme Nadelwälder ohne krautigen
Unterwuchs oder mit Zwergstrauchbewuchs begünstigen eine Rohhumusbildung
ebenso wie ein kühlfeuchtes Klima. Die
verschiedenen organischen Auflagehorizonte sind klar unterscheidbar.
Abb. 3. Typische Humusformen im Wald. Um den Waldboden zu schützen, muss sein Aufbau bekannt sein. Die Humusformen geben Hinweise auf die Befahrungsempfindlichkeit und das Regenerationsvermögen.
L Streuhorizont (weitgehend unzersetzte Vegetationsrückstände); F Fermentationshorizont (teilweise zersetzte, mehrjährige Vegetationsrückstände); H Humusstoffhorizont (mehrheitlich organische Feinsubstanz); Ah humushaltiger Oberbodenhorizont (dunkel gefärbt).
10
Forum für Wissen 2013
vergleyte Bodentypen
Gleye
0
20
40
20
40
Go - Horizont
60
60
80
80
100
150
A - Horizont
AG-, BG-, CG - Horizont
A - Horizont
ohne Vernässung
0
100
Go,r oder Gr
Gr oder Go,r
150
200
200
Vernässungsgrad
Vernässungsgrad
mässig
grundnass
schwach
grundnass
stark
grundnass
sehr stark
grundnass
keine
Vernässung
sumpfig
Befahrungsempfindlichkeit
mässig
grundnass
schwach
grundnass
stark
grundnass
Befahrungsempfindlichkeit
mittel bis hoch mittel bis hoch bis extrem hoch
gering bis hoch
extrem hoch
hoch bis extrem hoch
Pseudovergleyung
0
60
Bcn-Horizont
ES
-H
or
iz
AS- , BS- , CS- Horizont
40
ohne Vernässung
20
on
t
A-Horizont
80
100
150
200
Sw oder Sd
250
300
Vernässungsgrad
keine
Vernässung
sehr schwach
pseudovergleyt
schwach
pseudovergleyt
mässig
pseudovergleyt
stark
pseudovergleyt
Pseudogley
Stagnogley
Befahrungsempfindlichkeit
gering bis mittel
mittel
mittel bis hoch
hoch
hoch bis extrem hoch
Mittlere Tiefe der wassergesättigten Zone im Winter
Mittlere Tiefe der wassergesättigten Zone im Sommer
Mittlere Tiefe der wechselfeuchten Zone im Winter
mit wassergesättigten Phasen
Mittlere Tiefe der wechselfeuchten Zone im Sommer
mit wassergesättigten Phasen
Legende: Signaturen
Mangankonkretionen
Fahl-Rot-Färbung
Horizontbezeichnungen
S Stauwasserhorizont
Sw Stauwasserleitender Horizont
Sd Wasser stauender Horizont
SE Auswaschungshorizont (Nassbleichung)
Rostflecken
Reduktionsfarben
G Grundwasserhorizont
Go Oxidationshorizont
Gr Reduktionshorizont
Abb. 4. Vernässungsgrad in grund- und stauwasserbeeinflussten Böden mit Bezug zur Befahrungsempfindlichkeit (nach Walthert et al.
2004 ergänzt aus Richard et al. 1983).
Forum für Wissen 2013
11
Bei pseudovergleyten Böden (stauwasserbeeinflusst) mit Vernässungsgraden
von «sehr schwach bis mässig pseudovergleyt», liegt vorwiegend im Sommer
eine «mittlere bis hohe» Befahrungsempfindlichkeit vor. Der wechselfeuchte Bereich mit periodischer Wassersättigung sinkt dabei unter einen Meter
Tiefe.
Normal durchlässige Böden ohne
Vernässungsmerkmale (z. B. Braunerden) haben in Abhängigkeit von Körnung und Skelettgehalt einen ausgeglichenen Wasserhaushalt, der eine
Befahrung innert drei bis fünf Tagen
nach einem Regenereignis zulässt.
Diese Betrachtungen helfen bei der
Planung der Holzernte zur Einschätzung der Befahrungsempfindlichkeit.
Zum Zeitpunkt einer Befahrung ist
aber immer noch die aktuelle Bodenfeuchte in Abhängigkeit vom Witterungsverlauf zu berücksichtigen (vgl.
Kap. 4.4).
4.2 Spurbilder und Oberboden
Für die Spurtypen als Indikatoren zur
Beurteilung der Beeinträchtigung der
Bodenfruchtbarkeit ist die Ansprache
und die Unterscheidung von Ober- und
Unterboden wichtig (Tab. 1). Der Spurtyp 3 wird durch drei Merkmale charakterisiert, die alle erfüllt sein müssen:
1) Die Spureintiefung reicht bis in den
Unterboden, 2) es sind zusätzlich deutlich ausgeprägte seitliche Aufwölbungen (Verformungen) vorhanden und
3) die Spurtiefe beträgt in der Regel
mehr als 10 cm. Das Spurbild und die
damit zusammenhängende Bodenfunktionalität definieren gemeinsam
den Spurtyp 3. Wo dieser auftritt, ist ein
ökologischer Schaden im Boden sehr
wahrscheinlich, was nach entsprechenden Massnahmen ruft. Der Spurtyp 3
ist für die praktische Arbeit im Wald
ein einfacher und zugleich deutlich
erkennbarer Indikator für eine starke
Bodenbeeinträchtigung: Bis bessere
Bedingungen herrschen, sind hier die
Holzerntearbeiten umgehend einzustellen.
Je nach dem standortspezifischen
Auftreten der Humusform ergibt sich
für den Oberboden ein unterschiedliches Bild. Die Mächtigkeit des Oberbodens ist an der dunkleren Farbe, hervorgerufen durch den Humusgehalt,
erkennbar. Je höher der Humusgehalt
umso dunkler bis schwärzlich ist in der
Regel die Bodenfarbe. In den standortskundlichen Grundlagenwerken der
einzelnen Kantone oder im NaiS-Ordner (Frehner et al. 2005) sind SOLLWerte für die Humusformen der einzelnen Waldstandortstypen aufgeführt.
Damit sind unter idealen, naturnahen
Voraussetzungen die Mächtigkeiten
der Oberböden mittels der Humusform
indirekt definiert. Differenzen zwischen dem IST-Zustand einer Humusform und der beobachteten Mächtigkeit des Oberbodens lassen sich meist
durch waldbauliches Handeln in der
Vergangenheit erklären (Abb. 5).
4.3 Relevante Merkmale für die
Tragfähigkeit des Bodens
Anhand ausgewählter Bodenmerkmale lässt sich die Tragfähigkeit bzw.
die Verdichtungsempfindlichkeit von
Waldböden
ansprechen,
abschätzen und beurteilen. Der Skelettgehalt (Stein-/Kiesgehalt), die Korngrössenzusammensetzung (Bodenart),
das Gefüge, der Vernässungsgrad, der
Tab. 2 . Grundsätze zur Bewertung der Befahrungsempfindlichkeit.
Bodenaufbau
(Bodenentwicklung,
Bodentypen)
Bemerkungen
Befahrungsempfindlichkeit
(=Verdichtungs- und
Spurbildungsrisiko)
Bodeneigenschaften
Durchlässigkeit
Skelettgehalt
Bodenart
Vernässung
Vernässungsgrad
Humusgehalt
gering
übermässig durchlässige, skelett- rohe Böden wie: Gesteinsroh­
böden, Ranker, Rendzinen,
reiche, grobkörnige Böden
Regosole
keine Vernässung
mittel
Normaldurchlässige Böden mit
geringen Skelettgehalten und
sehr unterschiedlichen Korngrössen
Vorsicht: bei Tonverlagerung
wird unter Umständen die
Durchlässigkeit reduziert
Verwitterungsböden wie:
Braunerden
Parabraunerden
Podsole
Zeitpunkt der Befahrung
bedeutsam:
– Bodenfeuchte messen
– Boden ggf. abtrocknen lassen
hoch
minimale Befahrung
Gehemmt durchlässige Böden
Grund-, Hangwasser beeinflusste Böden
staunasse Böden wie: Pseudogleye und Stagnogleye sowie
Nassböden wie Gleye
Zeitpunkt der Befahrung
besonders bedeutsam:
nach längeren trockenen
Perioden oder bei gut
gefrorenem Boden
möglichst keine Befahrung oder
Beschränkung auf wenige
Fahrlinien
Reisigmatten anlegen
oft feinkörnige Böden
Extrem hoch
Keine Befahrung
Oberflächennah vernässte
Böden
Stagnogleye
Torfe, Organische Böden
keine besonderen Massnahmen
aktuelle Bodenfeuchte beachten
bei nasser Witterung
12
Forum für Wissen 2013
Rohhumus
Mull
Moder
cm
12
organische
Auflage
Bodenoberfläche
Vermischungstiefe
der Mineralerde
mit organischem
Material
Legende:
4
einjährige
mehrjährige
8
Zersetzungsphasen der
Vegetationsrückstände
Streu
0
2
4
6
8
10
12
14
16
18
zunehmende biologische Bodenaktivität
festgestellter IST - Zustand
Bereich der standortstypischen Humusform (SOLL - Zustand)
künftige Entwicklungstendenzen
mögliche natürliche Entwicklung
Entwicklung nach erfolgter waldbaulicher Massnahme
Mull
> 8–10 cm mächtige Vermischung
Moder
< 8 cm mächtige Vermischung
Rohhumus nur einige cm mächtige Vermischung
Abb. 5. Typische Humusformen mit organischer Auflage und Vermischungstiefe der Mineralerde mit organischem Material.
Messnetze mit laufend aktualisierten Werten zur Bodenfeuchte
Folgende Adressen (Auswahl) sind zur Zeit aktiv und brücksichtigen teilweise
auch Waldstandorte:
– Kt. SO, AG, BL (Nordwestschweiz): www.bodenmessnetz.ch; Abfrage
1.9.2013
Messstationen im Wald sind zur Zeit in Breitenbach (SO), Dulliken (SO)
und Etziken (SO).
– Kt. AI, AR, GL,GR, SG SH TG, ZH, FL (Ostschweiz): 17 Stationen im
Freiland www.bodenfeuchte-ostschweiz.ch; Abfrage 1.9.2013
– Kt. BE: 6 Stationen im Freiland
http://www.vol.be.ch/vol/de/index/landwirtschaft/landwirtschaft/bodenschutz/bodenzustand/messwerte_bodenfeuchte.html; Abfrage 1.9.2013
– Kt. LU: 6 Stationen im Freiland
http://http://www.umwelt-luzern.ch/index/themen/bodenschutz/messnetz_
bodenfeuchte.htm; Abfrage 17.10.2013
– Kt. UR: http://www.boden-uri.ch; Abfrage 1.9.2013 (1 Station im Freiland)
– WSL, LWF: http://www.wsl.ch/info/organisation/fpo/lwf/results/data/swc_
DE, Abfrage 1.9.2013
Wassergehaltsmessungen auf den Stationen (Wald): Bettlachstock (SO),
Vordemwald (AG), Othmarsingen (AG), Schänis (SG), Davos (GR), Celerina (GR), Beatenberg (BE) und Lausanne (VD)
Humusgehalt und vor allem die aktuelle Bodenfeuchte zum Zeitpunkt des
Befahrens sind dafür die massgeblichen Kriterien. Die Befahrungsempfindlichkeit wird von gering über mittel
bis hoch beziehungsweise extrem hoch
(nicht befahrbar) eingestuft (Abb. 4
und Tab. 2). Diese Einteilung erlaubt
es, zu beurteilen, wie tragfähig ein
Boden ist, was vor allem bei der Planung von Feinerschliessungssystemen
wie auch bei umfassenden Holzerntemassnahmen sehr wichtig ist. Dieses
Vorgehen wurde im Kapitel 4.1 bereits
kurz erwähnt.
Skelettgehalt
Zum Skelettgehalt (Stein-/Kiesgehalt) eines Bodens werden alle mineralischen
Bodenbestandteile
mit
einem Durchmesser von mehr als
2 mm gezählt (Kiesel, Steine und Blöcke). Mit zunehmendem Skelettgehalt
nimmt der Feinerdeanteil und somit
das für die Wurzeln nutzbare Bodenvolumen ab.
Das Skelett hat eine Stützfunktion und verleiht dem Boden eine gute
Stabilität gegenüber mechanischen
Belastungen. Ein stark skeletthaltiger
Boden ist beim Befahren mit schweren Maschinen widerstandsfähiger
gegen Verdichtung als ein Boden mit
geringerem Skelettgehalt. Ab 50 %V
Skelett kann von einem unempfindlichen Boden und damit von einem sehr
geringen Verdichtungsrisiko ausgegangen werden.
Bodenart und Gefüge
Die Körnung, auch als Bodenart
bezeichnet, kann zur groben Beurteilung des Verdichtungsrisikos verwendet werden. Sie ist Ausdruck der prozentualen Verteilung von Ton, Schluff
und Sand in der Feinerde. Je feinkörniger ein Boden ist, desto plastischer und
empfindlicher reagiert er – dies auch in
Abhängigkeit vom Wassergehalt – auf
eine mechanische Belastung.
Tonböden sind im trockenen
Zustand extrem hart und tragfähig.
Mit zunehmender Feuchtigkeit werden sie plastisch und stärker verformbar, was ihre Empfindlichkeit gegenüber mechanischer Belastung erhöht.
Zudem binden Tonböden das Bodenwasser in den Feinporen sehr stark,
trocknen also langsamer aus und benötigen nach einem Regen mehr Zeit als
Forum für Wissen 2013
andere Böden, bis sie wieder schonend
befahren werden können.
Schluffböden erreichen bei Niederschlägen den plastischen Bereich
wesentlich früher als Tonböden. Sie
sind deshalb sehr empfindlich und
im zeitlichen Ablauf rasch gefährdet.
Nach einem Starkregen können sie
wegen ihres grossen Anteils an Feinund Mittelporen kaum vor drei Tagen
bis zu zwei Wochen später schonend
befahren werden.
Reine Sandböden verformen sich
bei Nässe nur wenig, und die Entwässerung der mehrheitlich groben Poren
erfolgt innerhalb von drei Tagen, so
dass sie nach Niederschlägen rasch
wieder befahrbar sind. Bereits geringe Schluffanteile können jedoch eine
drastische Erhöhung der Empfindlichkeit von solchen Böden bewirken.
Das Bodengefüge bildet sich unter
dem Einfluss von Bodenlebewesen
sowie durch chemische und physikalische Prozesse. Je nach Form und
Anordnung der festen Bodenbestandteile unterscheidet sich der Zusammenhalt der Bodenpartikel und damit
die Reaktion auf eine Belastung des
Bodens u.a. durch Forstfahrzeuge. Je
nach Gefügeform besitzt ein Boden
ein unterschiedlich grosses und verzweigtes Hohlraumsystem. Dieses
ergibt eine für natürlich gewachsene
Böden typische zum Teil lockere Lagerung. Besonders ausgeprägt ist dies
beim Krümelgefüge in biologisch aktiven Oberböden, das gegenüber Befahrung oft empfindlich reagiert, umgekehrt aber auch regenerationsfähig
ist. Durch das Gefüge werden wichtige
Eigenschaften wie der Wasser-, Luftund Nährstoffhaushalt sowie die Wasserdurchlässigkeit beeinflusst.
Vernässungsmerkmale und
Vernässungsgrad
Zu den Vernässungsmerkmalen gehören Mangankonkretionen, Fahl-RotFärbungen (Marmorierungen), Rostflecken in wechselfeuchten Bereichen
und Reduktionsfarben (Abb. 6), entstanden in Horizonten mit ständiger
Wassersättigung.
Um eine nachvollziehbare und einheitliche Beurteilung der Vernässung
zu gewährleisten, wird die in Abbildung 4 gezeigte Übersicht der Merkmale verwendet. Im Schema wird
unterschieden zwischen Böden, die
13
vom Grundwasser beeinflusst sind
(Gleye) und solchen, die vom Stauwasser geprägt werden (Pseudogleye). Je
nach Lage der Obergrenze von Reduktionshorizonten Gr oder Oxidationshorizonten Go wird zwischen «schwach
grundnassen bis sumpfigen» Gleyen
unterschieden. Von Stauwasser beeinflusste Böden werden nach der Lage
der Obergrenze des stauwasserführenden Sw- oder wasserstauenden SdHorizontes beurteilt.
Die Vernässung wird als stark
bezeichnet, wenn Vernässungsmerkmale im gesamten Wurzelraum vorhanden
sind und als schwach, wenn nur vereinzelt oder schwach ausgeprägte Vernässungsmerkmale auftreten. Die Tragfähigkeit des Bodens nimmt mit zunehmendem Vernässungsgrad ab (Abb. 4).
Humusgehalt
Der Humusgehalt bezeichnet den
Gehalt an organischer Substanz in
einem Boden. Er kann in weiten Grenzen schwanken und variiert je nach
biologischer Bodenaktivität, Bodenaufbau, Bodenfeuchtigkeit, Pflanzendecke, Klima und Waldnutzung. Als
Faustregel gilt: je dunkler die Farbe
der Matrix, desto höher der Gehalt an
organischer Substanz.
Das mechanische Verhalten von
Humus ist mit demjenigen von Ton vergleichbar. Je höher der Humusgehalt,
desto plastischer wird sich der Boden
bei entsprechend höheren Wassergehalten unter mechanischer Belastung
verhalten. Je höher der Humusgehalt
des Bodens ist (jedoch unterhalb der
Grenze zu anmoorigen Bedingungen),
Mangankonkretionen
Die kleinen dunkelvioletten bis schwarzen
Flecken kennzeichnen die schwächste Stufe
der Vernässung.
Marmorierungen/Fahl-Rot-Färbungen
Marmorierungen/Fahl-Rot-Färbungen entstehen bei einem kleinräumigen Wechsel
von gebleichten und rostfarbigen Zonen,
bedingt durch örtliche Verdichtungen.
Rostflecken
Diffuse Rostflecken sind Hinweise von mittelfristigen Durchlüftungsproblemen.
Reduktionsfarben
Die blaugrauen Reduktionsfarben entstehen dort, wo ein Bereich des Bodens ständig wassergesättigte Poren aufweist.
Abb. 6. Die Vernässungsmerkmale zeigen die Durchlüftungssituation im Boden. Die Ursache der gehemmten Wasserdurchlässigkeit kann befahrungsbedingt sein, kann aber auch im
Unterboden unter natürlichen Bedingungen vorkommen.
14
Forum für Wissen 2013
Die hier aufgeführten Quellen enthalten verschiedene, vertiefte Grundlagen
und Ausführungen zum Thema:
– BAFU Umwelt-Wissen 2014: Physikalischer Bodenschutz im Wald. (in Vorbereitung, Lüscher et al. 2014)
In diesem Handbuch wird von den gesetzlichen Vorgaben und den bodenkundlichen Grundlagen ausgegangen. Im Weiteren werden ökologische
und ökonomische Aspekte erläutert bis zu Hinweisen und Anleitungen zur
praktischen Umsetzung des Bodenschutzes.
– Merkblatt für die Praxis Nr. 45, 2010: Das Merkblatt «Physikalischer
Bodenschutz im Wald» fasst in leicht verständlicher Weise die wichtigsten
Hinweise zusammen, mit denen sich die Bodenfruchtbarkeit langfristig
erhalten lässt (Lüscher et al. 2009b).
– Waldböden der Schweiz, 2004 ff: Bände 1–3
In drei Bänden werden 95 ausgewählte Böden morphologisch, physikalisch und chemisch charakerisiert. Die Daten werden bodengenetisch und
-ökologisch interpretiert. Allfällige ökologische Risiken u.a. Hinweise zur
Verdichtungsgefährdung werden aufgezeigt. Durch Analogieschlüsse zu
den dokumentierten Böden lassen sich Eigenschaften an beliebigen Waldstandorten abschätzen. Im Grundlagenteil des ersten Bandes werden die
morphologischen Bodenmerkmale z.B. Vernässung, Gefüge, Körnung, etc.
eingehend erläutert (Walthert et al. 2004; Blaser et al. 2005; Zimmermann
et al. 2006).
– Physikalische Eigenschaften von Böden der Schweiz (Lokalformen), 1978ff
Sammlung von 23 Profilen (Lokalformen) mit bodenphysikalischen Daten
u.a. Desorptionskurven (Zusammenhang zwischen der Sauspannung und
dem Wassergehalt bei einem Austrocknungsvorgang), z.T. mit Sauspannungsmessungen (im Gelände erhoben) (Richard und Lüscher 1983).
– Waldböden – Ein Bildatlas der wichtigsten Bodentypen aus Österreich,
Deutschland und der Schweiz (2013): Davon 15 Böden aus der Schweiz.
Auf vier Seiten werden pro Standort die wichtigsten Informationen zusammengestellt u.a. mit einer einfachen Risikoabschätzung (3 Stufen) bezüglich Trockenstress, Luftmangel, Nährstoffmangel, Verdichtung und Erosion
(Leitgeb et al. 2013).
– Standorte der Langfristigen Waldökosystemforschung (LWF)
der WSL (2003): http://e-collection.ethbib.ethz.ch/cgi-bin/show.
pl?type=bericht&nr=276
ausgewählte LWF-Flächen mit Wassergehaltsmessungen (vgl. Kap. 4.4;
Walthert 2003)
desto geringer wird das Verdichtungsrisiko durch das Befahren. Ähnlich wie
Tone, zeigen stark humose Böden erst
bei sehr hohen Wassergehalten viskoplastisches Verhalten.
4.4 Bodenfeuchte zum Zeitpunkt
des Befahrens
Der Boden besteht aus festen Bestandteilen (Matrix) und Hohlräumen. Diese bilden ein zusammenhängendes
Porensystem für den Gas- und Wasserhaushalt im Boden. Bei Wassersät-
tigung (z. B. nach starken Niederschlägen, zum Zeitpunkt der Schneeschmelze oder in der Vegetationsruhe beim
Ausbleiben der Transpiration) sind oft
alle Poren mit Wasser gefüllt. Bedingt
durch die Schwerkraft entleeren sich
grosse Poren aber sehr schnell. In den
mittleren und feinen Poren hingegen
verbleibt das Bodenwasser aufgrund
der hier wirkenden Kapillarkräfte. Der
Anteil wassergesättigten Porenraums
eines bestimmten Bodenvolumens ist
ein Mass für die Bodenfeuchte, die
stark von der jeweils aktuellen Witterung abhängt. Daneben bestimmen
hauptsächlich die vorgängig erwähn-
ten Bodeneigenschaften die Geschwindigkeit, mit der sich Änderungen der
Bodenfeuchte einstellen.
Die Bodenfeuchte kann grundsätzlich auf zwei verschiedene Arten
erfasst werden, entweder misst man
den Wassergehalt oder die Saugspannung. Während der Wassergehaltden Wasseranteil im Porenraum eines
bestimmten Bodenvolumens darstellt
(ausgedrückt in Volumenprozenten,
%V), beschreibt die Saugspannung diejenige Kraft (physikalisch ausgedrückt
ein Unterdruck), die benötigt wird, um
dem Boden Wasser entziehen zu können.
Die Saugspannung stabilisiert die
festen Bodenteilchen mit zunehmendem Unterdruck immer stärker und
hat damit einen direkten Einfluss auf
die mechanische Belastbarkeit des
Bodens. Bei hoher Saugspannung ist
die Tragfähigkeit des Bodens viel grösser und die Gefahr von Bodenschäden
durch Verdichtung klein. Hingegen ist
bei feuchtem oder gar nassem Boden
und der damit verbundenen geringen
Saugspannung die Verdichtungsgefährdung viel grösser.
Die Saugspannung wird mit einem
sogenannten Tensiometer ermittelt.
Die Masseinheiten für die Saugspannung sind cmWS (cm Wassersäule), hPa
(Hektopascal) oder – diese Druckeinheit wird heute am häufigsten verwendet – cbar(Centibar). Die Saugspannung als Mass für die aktuelle Bodenfeuchte ermöglicht eine Bewertung der
Tragfähigkeit und damit der Verdichtungsempfindlichkeit des Bodens.
Folgende
Saugspannungsbereiche
sollen für Akteuren, die mit Böden
in Land- und Forstwirtschaft sowie
im Bauwesen arbeiten, eine Orientierungshilfe sein und standardmässig in
Entscheidungsprozesse miteinbezogen
werden.
> 25 cbar trocken
10–25 cbarfeucht
6–10 cbar sehr feucht kein Befahren
0–6 cbar nass
kein Befahren
(und keine Boden bearbeitung)
Das Befahren eines Bodens ist ab einer
Saugspannung von 10 cbar grundsätzlich möglich. Beim Einhalten dieser
Belastungsgrenze kann mit eher leichten Maschinen und optimaler Berei-
Forum für Wissen 2013
fung eine bodenschonende Befahrung
sichergestellt werden. Für schwere
Maschinen sind höhere Saugspannungen einzuhalten.
Die Bodenfeuchte wird in der Regel
in 35 cm Tiefe bestimmt, d.h. an der
theoretischen Grenze des Unterbodens. Im Wald kann es zweckmässig
sein, sich auf eine zusätzliche Messung
im Bereich des Oberbodens abzustützen, vor allem wenn der Oberboden
nicht bis 35 cm Tiefe reicht.
Als Alternative zur Saugspannungsmessung kann der Wassergehalt einfach mit einem TDR-Gerät (Time
Domain Reflectometry) bestimmt werden. Die Interpretation des Wassergehaltes hinsichtlich Befahrungsempfindlichkeit ist beispielsweise mit dem
Informationssystem ProFor (Ziesak
2004) der Technischen Universität
München möglich. Dabei wird mittels
Kennziffern der Forstmaschine inklusive Reifen und spezifischer Bodendaten
(vgl. Kap. 4.3) ein Grenzwassergehalt
ermittelt, der ein bodenschonendes
Befahren erlaubt.
Messnetze
Die Bodenfeuchte wird in der Schweiz
in einzelnen Kantonen auf Messnetzen
erhoben. Die Kantone Zürich, Bern,
Solothurn, Aargau, Baselland, Luzern
und Uri haben solche automatischen
Messstationen in Betrieb. Die Messdaten (im Moment die Saugspannung für
Ober- und Unterboden auf landwirtschaftlich genutzten Böden, vereinzelte
Stationen auch im Wald) können direkt
im Internet abgerufen werden. Diese Informationen dienen als wichtige
Hinweise zu witterungsbedingten, auch
saisonalen Tendenzen. Sie sind wesentliche Entscheidungshilfen für einen
bodenschonenden Arbeitseinsatz.
5Folgerungen
Die Beeinträchtigungen des Waldbodens durch mechanische Belastung lassen sich mittels dreier klar definierter
Spurtypen beurteilen und bewerten.
Aufgrund der Zusammenhänge zwischen Spurbild und Bodenfunktionalität wurde es möglich, den Spurtyp 3
zu definieren, dessen Auftreten ein eindeutiges Signal für einen ökologischen
Schaden im Boden ist und nach ent-
15
Abb. 7. Fahrspur mit Vernässungsmerkmalen. Mangankonkretionen, Rostflecken und
Re­duktionsfarben (graublau) sind ein Hinweis auf die eingeschränkte Durchlüftung. Durch
das Befahren wurde der Porenraum verkleinert und die Porenkontinuität unterbrochen.
sprechenden Massnahmen ruft. Damit
ist für die praktische Arbeit im Wald
ein einfacher Indikator gegeben, an
dem sich die Praktiker orientieren können: Beim Auftreten vom Spurtyp 3
sind die Holzerntearbeiten aus bodenökologischer Sicht zu unterlassen.
Damit steht für den Vollzug des physikalischen Bodenschutzes ein Instrument zur Verfügung, womit die Umsetzung und die Kommunikation über
die zu treffenden Massnahmen gefördert und objektiviert wird. Dazu sind
aber Kenntnisse der bodenkundlichen
Grundlagen nötig. Erst damit lässt sich
eine nachhaltige Bodennutzung direkt
im Gelände umsetzen.
Beim Fehlen der auf Basis von detaillierten Bodenkarten erstellten Verdichtungempfindlichkeitskarten (vgl. von
Rohr et al. in diesem Tagungsband)
kann auch mit Bodenkennwerten die
Verdichtungsempfindlichkeit vorsorglich abschätzt und diese als Planungsgrundlage u.a. für die Feinerschliessung verwendet werden (vgl. Freuler
in diesem Tagungsband).
In den vergangenen Jahren führten
viele Kantone und die WSL umfassende Aus- und Weiterbildungen zur Planung und Ausführung von Holzernte-
massnahmen durch. Diese verbesserten bei mehr als 1800 Forstleuten und
Unternehmern die bodenkundlichen
Grundkenntnisse. Diese Massnahmen
stärken, nebst einer Wissensvermehrung, bei vielen Praktikern auch das
Bewusstsein für das Vorsorgeprinzip in
der forstlichen Tätigkeit, was der präventiven Grundhaltung in der Schweizerischen Umweltgesetzgebung entspricht.
Es ist festzuhalten, dass sich Bodenschädigungen durch konsequente Planung und durch Nutzung der Feinerschliessung unter Berücksichtigung des
Standortes minimieren lassen. Wenn
zum Zeitpunkt des Befahrens von
Waldböden die aktuelle Bodenfeuchte als Entscheidungsgrundlage berücksichtigt wird, kann eine Vielzahl von
Beeinträchtigungen verhindert werden. Die Aufgaben der verschiedenen
Verantwortungsträger für den physikalischen Bodenschutz werden im WSL
Merkblatt für die Praxis Nr. 45 zum
Thema «Physikalischer Bodenschutz
im Wald» (Lüscher et al. 2009b) eingehend beleuchtet.
Mit dem aufgezeigten Weg kann eine
nachhaltige Bodennutzung nach dem
DPSIR-Prinzip gewährleistet werden.
16
6Literatur
BAFU (Hrsg.) 2013: Waldpolitik 2020. Visionen, Ziele und Massnahmen für eine
nachhaltige Bewirtschaftung des Schweizerwaldes. Bern, Bundesamt für Umwelt.
66 S.
Blaser, P.; Zimmermann, S.; Luster, J.; Walthert, L.; Lüscher, P., 2005: Waldböden
der Schweiz. Band 2. Regionen Alpen
und Alpensüdseite. Birmensdorf, Eidgenössische Forschungsanstalt WSL, Bern,
Hep Verlag. 920 S.
EEA, European Environment Agency,
1999: Environment in the European Union at the turn of the Century. Copenhagen, Denmark, EEA.
Frehner, M.; Wasser, B; Schwitter, R.,
2005: Nachhaltigkeit und Erfolgskontrolle im Schutzwald. Vollzug Umwelt, Bern,
Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft. 564 S.
Freuler, A., 2013: Umsetzung des Bodenschutzes im Aargauer Wald. Forum für
Wissen 2013. Bodenschutz im Wald: Ziele
– Konflikte – Umsetzung. 99–102.
Leitgeb, E.; Reiter, R.; Englisch, M.;
Lüscher, P.; Schad, P.; Feger, K.H.,
(Hrsg.) 2013: Waldböden – Ein Bildatlas
der wichtigsten Bodentypen aus Österreich, Deutschland und der Schweiz.
WILEY-VCH Verlag. 387 S.
Forum für Wissen 2013
Lüscher, P.; Sciacca, S.; Thees, O., 2008a:
Bestrebungen zur Verbesserung des
Bodenschutzes in der Schweiz. LWF
aktuell 67/2008 Jg. 15. 19–21.
Lüscher, P.; Sciacca, S. und Frutig, F.,
2008b: Bodenschutz-Ausbildung in der
Schweiz. LWF aktuell 67/2008 Jg. 15. S.
33–34.
Lüscher, P.; Borer, F.; Blaser, P., 2009a:
Langfristige
Beeinträchtigung
der
Fruchtbarkeit von Waldböden. In: Thees, O.; Lemm, R. (Hrsg): Management
zukunftsorientierter Waldnutzung. Beiträge aus einem Forschungsprogramm
für die Schweizer Waldwirtschaft. Zürich,
Vdf-Verlag. 261–270.
Lüscher, P.; Frutig, F.; Sciacca, S.; Spjevak, S.; Thees, O., 2009b: Physikalischer
Bodenschutz im Wald: Bodenschutz beim
Einsatz von Forstmaschinen. Physikalischer Bodenschutz im Wald. Bodenschutz
beim Einsatz von Forstmaschinen. Merkbl. Prax. 45: 12 S.
Lüscher, P.; Thees, O.; Frutig, F., 2014:
Physikalischer Bodenschutz im Wald.
Umwelt-Wissen Nr. Bern, Bundesamt für
Umwelt (in Vorbereitung).
Richard, F.; Lüscher, P., 1983: Physikalische
Eignschaften von Böden der Schweiz.
Sonderserie EAFV.
USG, 1983: Bundesgesetz über den Umweltschutz vom 7. Okt. 1983, AS 1984 1122,
SR 814.01. Bern, EDMZ.
Abstract
Understanding the soil is essential for its protection and sustainable use: Some
thoughts on mechanical stress of forest soils
Future policies for sustainable soil use require fundamental reflection to take
into account ecological findings, economic activity, technical advances and social
demands on forests and forestry. The Swiss Confederation’s Forest Policy 2020
specifies conditions for soil protection corresponding to the targets and indicators
developed as part of the ‘Physical protection of forest soils’ project, aimed at
protecting soil from irreversible changes. These measures for implementation and
enforcement in the cantons are binding and are intended to avoid or minimise
long-term soil damage. In this context, basic pedological knowledge is vital to
ensure forest soils are used sustainably, and communication with all stakeholders
about protection issues is consistent.
Keywords: physical soil protection, soil compaction, soil quality, soil properties,
soil fertility
VBBo, 1998: Verordnung vom 1. Juli 1998
über Belastungen des Bodens. SR 814.12.
Bern, EDMZ.
von Rohr, G.; Margreth, S.; Hauert, C.,
2013: Bodeninformationen für die Waldwirtschaft im Kanton Solothurn. Forum
für Wissen 2013. Bodenschutz im Wald:
Ziele – Konflikte – Umsetzung. 103–106.
Wathert, L.; Blaser, P.; Lüscher, P.; Luster, J.; Zimmermann, S., 2003: Langfristige Waldökosystemforschung
LWF
in der Schweiz. Ergebnisse der ersten Erhebung 1994–1999. Birmensdorf,
Eidg. Forschungsanstalt WSL. http://ecollection.ethbib.ethz.ch/cgi-bin/show.
pl?type=bericht&nr=276
Walthert, L.; Zimmermann, S.; Blaser, P.;
Luster, J.; Lüscher, P., 2004: Waldböden
der Schweiz. Band 1. Grundlagen und
Region Jura. Birmensdorf, Eidg. Forschungsanstalt WSL, Bern, Hep Verlag.
768 S.
Ziesak, M., 2004: Entwicklung eines Informationssystems zum bodenschonenden
Fortstmaschineneinsatz. Lehrstuhl für
forstliche Arbeitswissenschaft und Angewandte Informatik. München. TU München. 130 S.
Zimmermann, S.; Blaser, P.; Wathert,
L.; Lüscher, P., 2006: Waldböden der
Schweiz. Band 3. Region Mittelland und
Voralpen. Birmensdorf, Eidgenössische
Forschungsanstalt WSL. Bern, Hep Verlag.
Forum für Wissen 2013: 17–20
17
Bodenschutz in Europa
Winfried E.H. Blum
Universität für Bodenkultur Wien, Institut für Bodenforschung, Department für Wald und Bodenwissenschaften,
Gregor Mendel Strasse 33, A-1180 Wien, [email protected]
In diesem Beitrag wird die Entwicklung des Bodenschutzes in Europa von der
«Europäischen Bodencharta» des Europarats / Strassburg, 1972, bis zur Mitteilung der Europäischen Kommission «Zur Implementierung der Thematischen
Bodenschutzstrategie», 2012, beschrieben. Weiter wirdgezeigt, dass erst die Befassung der Politik mit der Ressource Boden, ähnlich wie zuvor mit Luft und Wasser,
nennenswerte Fortschritte im Bodenschutz erbracht hat. Daneben haben auch
Wissenschaft und Forschung wesentliche Beiträge geleistet. Die bisher erreichten Ergebnisse wie Information der Öffentlichkeit und Erhöhung des öffentlichen Interesses, Integration des Bodenschutzes in weitere Politikbereiche wie
z. B. Land- und Forstwirtschaft, Verkehr und Industrie, weitere zusätzliche Forschung sowie neue Gesetzgebung zum Bodenschutz wie z. B. die Europäische
Bodenschutz- Rahmenrichtlinie, sind beachtlich und haben inzwischen auch andere Staaten wie z. B. die USA angeregt, sich stärker dem Bodenschutz zu widmen.
1Einleitung
Bodenschutz in Europa wurde bereits
1972 vom Europarat in Strassburg mittels der «European Soil Charta» proklamiert, die im Jahre 2003 erneuert
wurde. Diese Bodencharta ist älter als
die 1982 von der FAO in Rom proklamierte «World Soil Charta». Beide Proklamationen hatten im Wesentlichen
deklamatorischen Charakter und waren
für operationale Umsetzungen nicht
geeignet. Sie haben daher bezüglich
Bodenschutz auch keine wesentliche
Wirkung gezeitigt, obwohl vom Europarat in Strassburg mehrere Verlautbarungen publiziert wurden wie zum Beispiel «Problems of Soil Conserva­tion»,
1988, «Feasibility Study on Possible
National and/or European Actions in
the Field of Soil Protection», 1990, und
«European Soil Resources», 1995.
Erst im Jahre 2002 wurden dann von
Seiten der Europäischen Kommission in Brüssel neue Schritte für den
Bodenschutz in Europa unternommen.
2 Europäische Union und
Bodenschutz in Europa
Im Jahre 2002 traten auf Einladung
von Spanien fünfzehn Umweltminister
Europas zusammen, um ein Dokument
für den Bodenschutz in Europa zu ratifizieren, mit dem Titel «Hin zu einer
spezifischen Bodenschutzstrategie». Es
wurde als Mitteilung der Kommission
an den Rat, das Europäische Parlament, den Wirtschafts- und Sozialausschuss und an den Ausschuss der Regionen weitergeleitet; (KOM [2002]179
endgültig, vom 16.04.2002).
Dies war eine bedeutsame politische Aktion, wodurch erstmalig in der
Geschichte Europas nach den Medien
Luft und Wasser der Boden als wesentliches Element der Umwelt betrachtet
wurde und entsprechende Massnahmen eingeleitet wurden.
Neben einer Begriffsbestimmung des
Bodens sowie der Definition der fünf
wichtigsten Bodenfunktionen wurden
acht wesentliche Gefahren für den
Boden in der Europäischen Union und
in weiteren Ländern aufgezeigt.
Der Boden wurde als oberste Schicht
der Erdrinde definiert, die sich aus mineralischen Teilchen, organischer Sub­
stanz, Wasser, Luft und lebenden Organismen zusammensetzt, und als Schnittstelle zwischen Erde (Geosphäre), Luft
(Atmosphäre) und Wasser (Hydrosphäre) wesentliche Aufgaben erfüllt.
Darüber hinaus wurden fünf wesentliche Bodenfunktionen benannt:
– die Erzeugung von Lebensmitteln
und Biomasse,
– die Speicherung, Filterung und
Umwandlung,
– der Boden als Lebensraum und
Genpool,
– der Boden als physische und kulturelle Umwelt des Menschen und
– der Boden als Rohstoffquelle.
Diese Gliederung basierte im Wesentlichen auf bisherigen Publikationen
von Blum (vgl. z. B. Blum 1995) sowie
der Publikation des Europarats 1995.
Bedeutend war hierbei die Betonung
der Multifunktionalität von Böden, da
für Mensch und Umwelt alle Funktionen wesentlich sind.
Von besonderer Bedeutung war die
Benennung der acht Bodengefährdungen:
– die Erosion (ausgelöst durch natürliche und anthropogene Einflüsse),
– der Verlust der organischen Bodensubstanz (als ein wesentliches Problem der langfristigen Bodenfruchtbarkeit sowie des Bodens als Grundlage der Biodiversität),
– die Bodenkontamination (durch
lokale und diffuse Bodenkontamina­
tionen, letztere z. B. hervorgerufen
durch atmosphärische Deposition,
durch unsachgemässe landwirtschaftliche Praktiken und Abfallbeseitigung),
– die Bodenversiegelung (durch Infrastrukturentwicklung wie z. B. die
Errichtung von Gebäuden, Transporteinrichtungen),
– die Bodenverdichtung (durch
mechanische Bodenbelastung),
– der Rückgang der biologischen Vielfalt im Boden,
– die Versalzung, sowie
– Überschwemmungen und Erdrutsche.
3 Bodenschutz im Wald
Im Hinblick auf das Tagungsthema
«Bodenschutz im Wald» sind vor allem
Bodenverdichtung, Erosion, teilweise
18
auch Kontamination sowie der Rückgang der biologischen Vielfalt und
möglicherweise Erdrutsche zu nennen.
Es erscheint interessant hier anzumerken, dass die Bodenversauerung,
die im Wald eine bedeutende Rolle
spielt, nicht in der Liste der Bodengefährdungen Berücksichtigung fand, mit
dem Argument, dass Versauerung prinzipiell ein natürlicher Prozess ist, der
nicht ausschliesslich anthropogen verursacht wird.
Weil Bodengefährdungen vor allem
durch unsachgemässe landwirtschaftliche Nutzung verursacht werden, ist es
erklärlich, dass diese eine besondere
Berücksichtigung fanden. Dass Bodenschutz auch im Wald eine wichtige Rolle spielt, wurde wohl aus agrarpolitischen Gründen in der Europäischen
Bodenschutzstrategie nicht eigens
berücksichtigt.
Dies ist auch deshalb bedauerlich,
weil Waldböden als naturnahe und
wenig gestörte Ökosysteme als Vergleichsbasis für belastete und gestörte
landwirtschaftliche Böden von Bedeutung sind.
4 Europäische Kommission
und Umsetzung der Boden­
schutzstrategie im natio­
nalen und internationalen
Umfeld
2002 wurden von der Europäischen
Kommission fünf technische Arbeitsgruppen zu Bodenmonitoring, Erosion,
organische Bodensubstanz, Kontamination und Forschung mit der Aufgabe eingesetzt, bisherige Kenntnisse auf
den jeweiligen Sachgebieten zu evaluieren und Wissenslücken aufzuzeigen,
die im weiteren durch Forschung und
Entwicklung behoben werden sollten
(vgl. Abb. 1). So hatte zum Beispiel die
Arbeitsgruppe «Forschung» 65 Mitglieder aus ganz Europa und verfasste
mehrere Publikationen wie zum Beispiel Blum et al. 2004a und 2004b.
Insgesamt wurden von allen fünf
Arbeitsgruppen während der Jahre
2002 bis 2004 mehrere umfangreiche
Publikationen verfasst (vgl. Abb. 2).
Nach Beratung der Ergebnisse aus
den verschiedenen Arbeitsgruppen im
wissenschaftlichen und parlamentarischen Umfeld sowie in der Administ-
Forum für Wissen 2013
Abb. 1. Organisation der Europäischen Kommission in fünf technische Arbeitsgruppen.
ration der Kommission in den Jahren
2004 bis 2006 wurde von der Kommission im September 2006 die «Thema­
tische Strategie für Bodenschutz»
veröffentlicht, die drei Mitteilungen
umfasste:
1. Die Mitteilung selbst [(KOM 2006)
2031] über die thematische Strategie für Bodenschutz,
2. Die Direktive [(KOM 2006) 232]
für die Entwicklung einer Rahmenrichtlinie für Bodenschutz und die
Umsetzung der Direktive 2004/35/
EC, sowie
3. Eine ökonomische Bewertung der
bisherigen Bodenschutzprobleme
(SEC [2006] 620) als Ergänzung der
thematischen Bodenschutzstrategie.
Bezüglich der Bodengefährdungen
in Europa wurde mitgeteilt, dass etwa
15 Millionen ha oder 12 Prozent der
gesamten Landfläche durch Wassererosion und 42 Millionen ha durch Winderosion gefährdet sind; dass etwa 45
Prozent der europäischen Böden einen
zu niedrigen Gehalt an organischer
Substanz besitzen, vor allem Böden in
Südeuropa, aber ebenfalls in Frankreich, im Vereinigten Königreich und in
Deutschland, dass in der Europäischen
Union etwa 3,5 Millionen potenziell
kontaminierte Flächen vorhanden sind,
und dass zwischen 1990 und 2000 mindestens 2,8 Prozent der europäischen
Landfläche durch Vergrösserung der
urbanen Zentren, durch Strassenbau
sowie weitere Infrastrukturmassnahmen versiegelt wurden.
Für die operationelle Durchführung der thematischen Strategie zum
Bodenschutz wurde eine Rahmenrichtlinie für alle 27 Länder der Europäischen Union vorgeschlagen, die allerdings bisher nicht implementiert werden konnte, weil sich fünf europäische
Länder dagegen ausgesprochen haben.
Es wurden jedoch folgende drei
Massnahmen in Gang gesetzt:
1. Integration des Bodenschutzes in
die Formulierung und Implementierung europäischer, nationaler und
kommunaler Politik,
2. Neue Forschungsmassnamen innerhalb der europäischen Gemeinschaft und auch innerhalb nationaler Forschungsprogramme und
3. Einleitung eines Programms zur
Er­höhung der öffentlichen Wahrnehmung von Böden und vor allem
der Notwendigkeit, diese zu schützen.
Für die Forschung wurden neue Forschungsthemen definiert und mehr
finanzielle Mittel bereitgestellt.
Bezüglich der Erhöhung der öffentlichen Aufmerksamkeit wurden zahlreiche Initiativen unternommen wie
zum Beispiel die Veröffentlichung des
Bodenatlasses von Europa, die Einfüh-
Forum für Wissen 2013
rung von europäischen Sommer-Lehrveranstaltungen einschliesslich Fortbildungsmassnahmen an Universitäten
und weiteren Bildungseinrichtungen
und die Einrichtung von Preisen für
vorbildliche nachhaltige Bodenbewirtschaftung wie zum Beispiel der «Europäische Umwelt- und Bodenschutz
Preis» für Praktiker.
Da nachhaltige Bodenbewirtschaftung kein primär wissenschaftliches
sodern im Wesentlichen ein politisches
Thema darstellt, wurden zusätzlich das
Indikator-Rahmenprogramm DPSIR
(«Driving Forces, Pressure, State, Impact, and Response») von der Europäischen Umweltagentur entwickelt (Abb.
3). Dieses Rahmenprogramme wurde
in der kommissionellen Arbeitsgruppe
«For­
schung» für eine operationale
Umsetzung in der Umweltforschung
und im Umweltschutz» weiter entwickelt, speziell als Grundlage für die
zukünftige angewandte Forschung auf
dem Gebiet des Bodenschutzes und der
nachhaltigen Bodenbewirtschaftung.
Zur weiteren Umsetzung der Bodenschutzstrategie wurde 2012 ein Dokument mit dem Titel «Implementierung
der Thematischen Bodenstrategie und
weitere Massnahmen» veröffentlicht.
19
Darin wurden vier Aktivitäten hervorgehoben:
– Information und Erhöhung des
Bodenbewusstseins der Bevölkerung,
– Intensivierung der Forschung,
– Integration des Bodenschutzes in
wichtige Politikbereiche wie zum
Beispiel Landwirtschaft, Verkehr
und Industrie,
– Schaffung einer bodenspezifischen
Gesetzgebung, wie dies durch die
Bodenschutz-Rahmenrichtlinie
bereits eingeleitet wurde.
Derzeit werden durch die Europäische
Kommission zahlreiche Forschungsarbeiten zur Verbesserung des Bodenschutzes und der nachhaltigen Bodennutzung finanziert.
einer auch für die Allgemeinheit verständlichen Art und Weise formuliert
und die acht wesentlichen Bodengefährdungen, vor allem unter agrarischer Nutzung deutlich gemacht, allerdings ohne solche auch für Waldböden
entsprechend zu berücksichtigen.
Auf dieser Basis wurden mit Hilfe
von Wissenschaft und Forschung konkrete Schritte zum Bodenschutz aufgezeigt und auf politischer Ebene die
Einbringung von Bodenagenden in die
Umweltpolitik ermöglicht.
Die europäische Bodenstrategie war
immerhin so erfolgreich, dass im Jahre
2011 der Senat der Vereinigten Staaten
von Amerika ebenfalls eine Verlautbarung zum Bodenschutz erliess.
6Literatur
5Zusammenfassung
Während die Bodencharta des Europarats keinen Bodenschutz bewirken konnte, waren die nachfolgenden
Bemühungen der europäischen Politik
ab 2002 durchaus erfolgreich.
So wurden die Bodenfunktionen in
Abb. 2. Produkte der fünf Arbeitesgruppen. Die aktuelle Webpage für die Produkte ist
http://ec.europa.eu/environment/soil/publications_en.htm. Die Dokumente können hier
herunter geladen werden:
ec.europa.eu/environment/soil/pdf/vol1.pdf; ec.europa.eu/environment/soil/pdf/vol2.pdf;
ec.europa.eu/environment/soil/pdf/vol3.pdf; ec.europa.eu/environment/soil/pdf/vol4.pdf;
ec.europa.eu/environment/soil/pdf/vol5.pdf; ec.europa.eu/environment/soil/pdf/vol6.pdf
Blum, W.E.H. 1995: Soil protection concept
of the council of Europe. In: Zehnder, A.
J.B. (ed.): Soil and groundwater pollution.
Dordrecht: Kluver Academic Publisher.
pp. 72–73.
Blum, W.E.H., Barcelo, D., Büsing, J., Ertel,
Th., Tmeson, A., Vegter, J. 2004a: Scientific Basis for the Management of European Soil Resources. Guthmann-Peterson, Wien.
Blum, W.E.H., Büsing, J., Montanarella, L.
2004b: Research Needs in Support of the
European Thematic Strategy for Soil Protection. Trends in Analytical Chemistry,
23: 680–685.
Council of Europe 1972: European Soil
Charter. Strasbourg, (renewed 2003).
Council of Europe 1988: Problems of Soil
Conservation. Strasbourg, Nat. environ. 39.
Council of Europe 1990: Feasibility Study on
possible national and/or European actions
in the field of soil protection. Strasbourg.
Council of Europe 1995: European Soil
Resources. Strasbourg, Nat. environ. 71.
Europäische Kommission 2002: Hin zu einer
spezifischen Bodenschutzstrategie. Brüssel. KOM (2002) 179 endgültig.
Europäische Kommission 2006: Mitteilung über die Thematische Strategie für
Bodenschutz. Brüssel. KOM (2006) 231.
Europäische Kommission 2006: Direktive
für ein Rahmengesetz zum Bodenschutz
und zur Verbesserung der Direktive. Brüssel. 2004/35/EC.
Europäische Kommission 2012: Implementierung der Thematischen Bodenstrategie
und weitere Aktivitäten. Brüssel. KOM
(2012) 46 endgültig.
FAO (Food and Agriculture Organisation
of the United Nations) 1982: World Soil
Charter. Rome.
20
Forum für Wissen 2013
The DPSIR Indicator Framework Applied to Soil
Human population change
Land development
Tourism
Driving
Agricultural production
Transport
Industry/Energy generation
Mining
Natural events
Climate change
Water stress
PRIMARY PROTECTION
International Conventions
Development of a national/
regional soil protection
policies
SECONDARY PROTECTION
Reform of agricultural
programmes
Specific regulations or directives
Responses
Forces
Impact
Emission to air, water
and land/soil
De-forestation
Forest fires
Nutrient mining
Salinisation
Compaction
Urban expansion (soil
sealing)
Pressures
State
DEGRADED SOIL
Local and diffuse contaminated soil
Acid soil
Saline soil
Nutrient depleted soil
Physically degraded soil
Biologically degraded soil
INDIRECT (Effects on
other environmental
compartments)
Changes in
population
size and distribution,
Loss of biodiversity,
Climate change,
Water stress
DIRECT (Changes
in soil functions)
SOIL LOSS
Sealed soil
Eroded Soil
Large scale land
movements
Abb. 3. Das Indikator-Rahmenprogramm DPSIR («Driving Forces, Pressure, State, Impact, and Response») der Europäischen
Umweltagentur.
Abstract
Soil protection in Europe
The publication of the European Soil Thematic Strategy in 2002, a document signed by 15 European Ministers of Environment, put the protection of soil on the
same level as that of air and water on the environmental agenda in Europe .
This document defines soil as an important part of the environment. It describes
the five main soil functions and the eight main threats to soil in Europe and other
parts of the world.
The European soil scientific community cooperated closely with the European
Commission and its administrative organisations in drawing up recommendations.
After four years of intensive discussion, three different documents were published
by the European Commission and transmitted to the European Parliament, the
Council, the European Economic and Social Committee and the Committee of
the Regions. with four main goals:
– To inform the public in Europe about the importance of soil and its protection;
– To put soil on other political agendas such as national and European policies
for agriculture, industry, transport, and regional development;
– To intensify strategic research on soil protection and sustainable land use; and
– To introduce new legislation for soil protection and sustainable land use in
Europe.
These goals were reinforced in the European Commission’s statement in 2012 that
stressed their importance for soil protection.
Keywords: soil protection, sustainable land use, strategic soil research, soil legislation, raising public awareness, putting soil on a range of political agendas.
Forum für Wissen 2013: 21–22
21
Protection du sol dans les forêts Suisse
Jean-Pierre Clément
Département fédéral de l’environnement, des transports, de l’énergie et de la communication,
Office fédéral de l’environnement, OFEV, CH-3003 Bern, [email protected]
En tant que représentant de la section
sol de l’Office fédèral de l’environnement (OFEV), je vais tenter d’établir
un petit tour d’horizon de l’état de la
protection contre les atteintes physiques des sols forestiers, et ceci uniquement du point de vue des protecteurs administratifs des sols. Il ne sera
pas discuté en détail des problèmes
soulevés, ni traité des aspects scientifiques de la problématique.
Trois thèmes me paraissent important a évoquer en relation avec la protection des sols forestiers: le premier
concerne l’économie forestière et ses
acteurs, il sera développé par mon collègue S. Schmid, les deux thèmes suivants concernent des utilisations sans
relations directes à la sylviculture,
il s’agit des activités de loisir et de
détente, et des constructions en forêt.
Et je souhaite saisir l’occasion de ce
Workshop pour les aborder. Mais tout
d’abord quelques mots sur l’économie
forestière.
1 Economie forestière
et protection des sols
L’exposé de mon collègue Silvio
Schmid de la Section Prestations
forestières et qualité des forêts de
l’OFEV permettra d’affirmer que les
milieux forestiers sont, entre autres,
pleinement conscients de la nécessité de protéger les sols forestiers contre les atteintes physiques résultant
de l’exploitation sylvicole. Il démontrera également l’étroite collaboration
entre l’administration, la recherche,
la formation et l’industrie forestière,
ainsi qu’avec les milieux de la protection qualitative des sols. En résumé,
les forestiers soignent et exploitent les
forêts, tout en prévenant, dans la mesu-
re du faisable et du supportable, les atteintes portées aux sols.
Donc tout va bien dans le meilleur
des mondes forestiers?
Je pense que la prise en considération
des activités non forestières, mais utilisant l’espace forestier devrait apporter
un léger correctif à cette vision idyllique, les visiteurs des forêts ne sont
pas toujours aussi respectueux des sols
forestiers que les utilisateurs permanents.
2 Loisirs et détente
et protection des sols
Les milieux actifs dans la protection
des sols constatent que les activités
de loisirs et de détente (festival, fêtes
régionales ou cantonales, Events, Tractorpulling, etc) hors des zones urbanisées prennent de plus en plus de place
et d’importance économique dans les
terres agricoles. Les atteintes physiques portées aux sols par ces activités
«de plein air / auf der grünen Wiese»
sont souvent méconnues et les mesures de prévention peu ou pas appliquées, souvent en raison de procédures
d’autorisation très décentralisées et du
laisser aller / ignorance des organisateurs. Les déchets enfouis, les déstructurations des sols par lissage et piétinement, les compactions par des véhicules sont des atteintes qui se manifestent
des années après l’occupation temporaire de ces sols agricoles (http://www.
fr.ch/sol/files/pdf1/manifestations_
aide_memoire.pdf)Les activités de loisirs et de détente dans les forêts, (vélo
tout terrain (VTT), marche et course,
etc.) posent elles un problème à la pro-
tection qualitative des sols, en particulier contre les atteintes physiques? Ce
problème a-t-il une ampleur suffisante
pour impliquer une réaction au niveau
fédéral? Je ne suis pas en mesure de
répondre à ces questions, mais je pense
que nous devons les avoir à l’esprit.
3 Chantiers en forêt
La protection qualitative des sols sur
les chantiers a pris son essor avec le
boom de la croissance des années 60’
et 70’, particulièrement en raison d’un
effet induit. Il s’agit du développement
exponentiel des extractions de graviers dans les terres agricoles et sous les
forêts du Plateau suisse.
Le bétonnage de surfaces importantes de sol, a nécessité l’ouverture de
nombreuses gravières dans des terres
Vaud, cours de formation protection du sol
pour entreprise forestière (Photo Cjp)
22
agricoles productives (p. ex. Canton
d’Argovie (AG) 1 mio m3 par an en
1955, 4 mio m3 par an en 1975) et leur
remise en état après remplissage avec
des «matériaux d’excavation» (1971
«Keine Kiesausbeutung in Grundwasservorkommen mehr»). Le Document
SSP/BGS N° 1 exploitation du gravier
et agriculture – Kiesabbau und Landwirtschaft, paru en 1984 a établi la première norme en la matière pour les
sols agricoles. Un document identique
«Wald und Kiesabbau Richtlinien
für die Aufforstung von Kiesgruben»
existe pour les sols forestiers, il est paru
en 1991.
La question des chantiers dans
les terres agricoles, surtout pour les
infrastructures routières et ferroviaires,
ainsi que pour les conduites de gaz
sous haute pression, a fait l’objet d’une
forte réglementation et normalisation
au cours des années 90’. Dans le cadre
d’une réévaluation de tout cet appareillage technique, 8 Workshops ont été
organisé sur mandat de notre section
par M. E. Bellini du Sanu, entre l’au-
Forum für Wissen 2013
tomne 2012 et le printemps 2013. Ils
visaient a établir l’état de la technique
sur les chantiers et a décrire les spécificités des sols pour les divers types
de chantiers. Sur la base d’une pré
enquête sur les besoins, un WS a été
dédié à la thématique des sols forestiers et des chantiers et un autre WS a
traité de l’état de la technique pour les
chantiers en forêt. Des Spécialistes de
la protection des sols sur les chantiers
ayant une longue expérience des chantiers en forêt, des chercheurs et des responsables de services cantonaux de la
protection des sols ont contribués a ces
WS.
Quelques remarques issues de ces WS:
– Les chantiers en forêt sont plus
nombreux que perçus et leur nombre augmente.
– Les systèmes et techniques pour les
chantiers en sols forestiers ne sont
pas normés, ni systématiquement
développés.
– Les matériaux terreux issus de sols
forestiers sont un problème pour soi
et il existe peu de références scientifiques à leur sujet. L’entreposage
de plus d’un an, l’enherbement, la
réutilisation des matériaux terreux
issus des sols forestiers varie d’un
expert à l’autre.
– La remise en place des sols forestiers et les objectifs de remise en
«culture», y compris les phases
intermédiaires, ne sont pas encore
bien maîtrisés.
Le guide pratique qui devrait paraître en 2014 dans la série OFEV Connaissance de l’environnement attirera l’attention sur la problématique
et devra encourager tous les milieux forestiers concernés a contribuer
à l’établissement de documents techniques pour les chantiers sur sols forestiers dans le cadre des activités du groupe fédéral mise en œuvre de l’OSol
contre les atteintes physiques (VBPhy)
qui réunit les cantons et les institutions
concernées par la problématique.
Forum für Wissen 2013: 23–28
23
Bodenschutz im Wald – Beitrag der Waldpolitik 2020
des Bundes
Sabine Augustin und Silvio Schmid
Bundesamt für Umwelt, CH-3003 Bern, [email protected], [email protected]
Der Boden ist Lebens- und Produktionsgrundlage. Ohne Vegetation gäbe es keinen Boden, ohne Boden keine Vegetation. Alle Ökosystemleistungen aus dem
Wald sind direkt oder indirekt abhängig von funktionsfähigen Böden. Deshalb hat
der Gesetzgeber auch den Schutz der Waldböden in der Bodenschutz- und Waldgesetzgebung festgehalten. In der Waldpolitik 2020 konkretisiert der Bund, wie er
in den nächsten Jahren die Waldböden vor chemischen und physikalischen Schäden bewahren will. Der Artikel zeigt die in der Waldpolitik 2020 formulierten Ziele auf und erläutert die entsprechenden vorgesehenen Massnahmen.
1Einleitung
Intakte Ökosysteme sind gekennzeichnet durch eine hohe Anpassungsfähigkeit an wechselnde Umweltbedingungen und Widerstandsfähigkeit gegenüber biotischem und abiotischem
Stress. Die Stoffkreisläufe sind in
einem standortgerechten Fliessgleichgewicht, die Nahrungsketten sind vollständig und Nährstoffe werden der
Vegetation bedarfsgerecht bereitgestellt. Diese die Nachhaltigkeit gewährleistenden Eigenschaften und die Ökosystemleistungen des Waldes werden
wesentlich durch die Funktionsfähigkeit der Böden vermittelt. Böden sind
damit eine der wichtigsten Grundlagen
des Lebens.
2 Bodenschutz im Recht
Die Bundesverfassung beauftragt den
Bund, dafür zu sorgen, dass der Men­sch
und die natürliche Umwelt vor schädlichen und lästigen Einwirkungen geschützt werden. Die Kosten entsprechender Massnahmen sind durch die
Verursacher zu tragen (Verursacherprinzip). Für den Vollzug sind grundsätzlich die Kantone zuständig (Art. 74
BV; Art. 36 USG; Art. 13 Abs. 1 VBBo).
Gleichzeitig sorgt der Bund dafür, dass
der Wald seine Funktionen erfüllen
kann und er legt Grundsätze für den
Schutz des Waldes fest (Art. 77 BV).
Die Bodenschutzgesetzgebung in der
Schweiz zielt auf die langfristige Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit (Art. 1
Abs. 1 USG, Art. 1 VBBo). Dabei gilt die
oberste, unversiegelte Erdschicht, in der
Pflanzen wachsen können, als Boden.
Dies gilt für alle Böden, und damit ist
auch der Waldboden durch das Bodenschutzrecht geschützt (Iten 2009).
Das Waldgesetz erwähnt im Artikel
20, Absatz 1, den Bodenschutz nur indirekt: «Der Wald ist so zu bewirtschaften,
dass er seine Funktionen dauernd und
uneingeschränkt erfüllen kann (Nachhaltigkeit)». Damit der Wald seine
Funktionen und Ökosystemleistungen
langfristig und nachhaltig erbringen
kann, ist der Schutz des Bodens und
seiner Fruchtbarkeit unabdingbar. Das
Konzept der Ökosystemleistungen hat
aufgrund der von den Vereinten Nationen um die Jahrtausendwende lancierten Milleniumziele an Bedeutung
gewonnen. Es unterscheidet unterstützende, bereitstellende, regulierende
und kulturelle Leistungen (Reid et al.
2005; Bergen et al. 2013). Die Waldverordnung beauftragt in Artikel 28 Buchstabe d die Kantone, Massnahmen zur
Verminderung physikalischer Bodenschäden zu ergreifen, um Waldschäden
zu verhüten.
Daraus folgt: Wenn der Wald bewirtschaftet wird, sind chemische oder physikalische Belastungen, die das natürliche Potenzial der Erneuerung und des
Wachstums einschränken, nicht erlaubt
(Art. 6 VBBo). Im Sinne des Verur-
sacherprinzips ist der Bewirtschafter
dafür verantwortlich, dass keine irreversiblen Schäden entstehen.
In Artikel 1, Absatz 2, des Umweltschutzgesetzes wird das Vorsorgeprinzip verankert: «Im Sinne der Vorsorge
sind Einwirkungen, die schädlich oder
lästig werden könnten, frühzeitig zu
begrenzen.» Aus dem Vorsorgeprinzip lässt sich ableiten, dass sowohl der
Staat als auch der Waldbewirtschafter den Waldboden grundsätzlich vor
Beeinträchtigungen bewahren sollen
(Art. 74 BV; Art. 1, Abs. 1 USG).
3 Waldpolitik 2020 – Strategie
des Bundes
In der Waldpolitik 2020 stellt der Bundesrat seine waldpolitischen Absichten
bis 2020 vor. Eines der elf Ziele ist der
Schutz der Waldböden: «Waldböden,
Trinkwasser und Vitalität der Bäume
sind durch Stoffeinträge, unsachgemässe Bewirtschaftung und entsprechende physikalische Einwirkungen nicht
gefährdet (Ziel 7; BAFU 2013).»
Um dieses Ziel zu erreichen, sieht
der Bund die drei folgenden Stossrichtungen vor:
– Sektorübergreifende Ansätze (u.a.
zur Eindämmung der Einträge von
Stickstoff und Schwermetallen)
– Befahren des Waldbodens
–Nähstoffhaushalt
In den folgenden Kapiteln werden diese Stossrichtungen, insbesondere der
Handlungsbedarf und die vorgesehenen Massnahmen, genauer dargestellt.
3.1 Sektorübergreifende Ansätze
Viele in die Umwelt eingebrachte
Stoffe wirken in allen Umweltmedien (Wasser, Boden, Luft), sie werden
24
200
150
Relative Einheiten
vielfältig umgewandelt, gespeichert
oder an benachbarte Systeme (Gewässer) weitergeleitet. Gleichzeitig ist
die Bodenschutzpolitik sehr stark mit
anderen Politiken vernetzt. Wichtige
Wechselwirkungen bestehen etwa zur
Luftreinhalte-, zur Landwirtschafts-,
zur Verkehrs- und Raumplanungspolitik (Knoepfel et al. 2010). Deshalb lassen sich die Schadstoffeinträge nur mit
sektorübergreifenden Ansätzen eindämmen.
Forum für Wissen 2013
100
50
0
Stickstoff
Dies trifft in besonderem Masse auf
Stickstoff zu, der – einmal in reaktiver Form in die Umwelt eingebracht –
kaskadenartig durch alle Medien transportiert wird (Galloway et al. 2003).
Die unmittelbaren Quellen für den
Stickstoff in der Atmosphäre sind landwirtschaftliche und industrielle Tätigkeit sowie der Verkehr. Wälder kämmen ihn mit ihrer rauhen und grossen
Oberfläche aus der Luft aus, so dass
der Eintrag in Wälder oft ein Vielfaches dessen beträgt, was auf benachbarten unbestockten Flächen deponiert wird. Der Stickstoff wirkt langfristig auf allen ökosystemaren Ebenen. In
ehemals stickstofflimitierten Wäldern
führt der zunächst düngende Effekt
zu gesteigertem Wachstum der Bäume
und zur Förderung stickstoffliebender
Vegetation. Langfristig reichert sich
Stickstoff im Wald an.
Bei zu hohen Einträgen, das heisst
solchen, die nicht mehr von der Vegetation aufgenommen oder gespeichert
werden können, versauern die Waldböden und verlieren wichtige Nährstoffe
(Ca, Mg, K). Langfristig verringert dies
das Nährstoffangebot für Pflanzen und
führt zu Nährstoffungleichgewichten in
der Ernährung. Abbildung 1 zeigt schematisch die Modellvorstellungen zum
Verlauf der Stickstoffanreicherung in
Wäldern.
Diverse Ergebnisse des Umweltmonitorings im Wald belegen viele dieser Entwicklungen für Waldstandorte
auch in der Schweiz (Baumernährung,
Wachstum, N-Austrag: Flückiger et al.
2011). In den letzten Jahren zeigt sich
als Trend, dass die Phosphorkonzentrationen abnehmen und diese zum limitierenden Faktor in der Waldernährung
werden (Mellert et al. 2004; Braun
et al. 2010). Besonders die Buche, die
0
1
Stadium
N-Mineralisation
NPP
Nitrifikation
N-Austrag
2
3
C/N-Verhältnis
Abb. 1. Vorstellungen zum Verlauf der Stickstoff-Sättigung in Waldökosystemen, adaptiert
nach Aber et al. 1989; Aber et al. 1998; Emmett 2007.
Stadium 0 = N-Kreislauf unter stickstofflimitierenden Bedingungen; Stadium 1 = anfängliche Effekte chronischer N-Deposition; Stadium 2 = Stickstoff-Sättigung; Stadium 3 =
«Stickstoff-Übersättigung» (N-Austräge hoch). Die «relativen Einheiten» zeigen nur die
jeweiligen Zu- und Abnahmen.
N-Mineralisation = Abbau des Stickstoff aus organischer Substanz, z. B. Blättern und
Nadeln auf dem Waldboden; NPP = Nettoprimärproduktion = Wachstum; C/N-Verhältnis =
Verhältnis von Kohlenstoff zu Stickstoff im Oberboden; Nitrifikation = Bildung von Nitrat
(NO3–) aus Ammonium (NH4+); N-Austrag = Stickstoffauswaschung aus dem Wurzelraum
mit dem Sickerwasser, vorwiegend als Nitrat.
einen hohen P-Bedarf hat, scheint nicht
mehr genug Phosphor aufnehmen zu
können. Als Ursachen der verringerten
Phosphorverfügbarkeit werden erhöhte Stickstoffeinträge und Bodenversauerung diskutiert, doch sind die Mechanismen noch weiter zu klären.
Massnahmen
Die Verminderung der Stickstoffeinträge ist daher ein wichtiges Anliegen
des Waldsektors. Die Waldinteressen
werden aktiv in andere Sektoralpolitiken, zum Beispiel die Luftreinhaltung,
eingebracht. Die wichtigsten Elemente
sind hierbei:
– Die Ermittlung von Ausmass und
räumlicher Ausdehnung der potenziellen Gefährdung des Waldes
durch Stickstoffeinträge
– Bestimmung quantitativer UrsacheWirkungs-Beziehungen (Grundlage:
Monitoring)
– Die Bewertung der Ergebnisse
(Auswertung des Integrierenden
Monitorings)
Die internationale und nationale Luftreinhaltung ist wirkungsbasiert, d.h. die
Emissions-Reduktionsziele orientieren
sich unter anderem an den kritischen
Belastungsraten für Wälder. Somit leistet das Langfrist-Umweltmonitoring in
Wäldern wichtige Beiträge an die Luftreinhaltepolitik.
Schwermetalle
Böden sind potenziell effektive «Filter» für Schwermetalle. Dabei werden
Schwermetalle, im rein chemischen
Sinne, nicht gefiltert, sondern deren
Verbindungen werden umgewandelt
und in Böden gespeichert. Für die
Beurteilung der Belastung von Böden
mit Schwermetallen und ihres langfristigen Gefährdungspotenzials ist daher
die Kenntnis der (Wald-)Bodeneigenschaften und der Mobilitätsbedingungen der Schwermetalle unerlässlich.
Durch die Holzernte und die Versauerung können sich die chemischen
Bedingungen für die Speicherung der
deponierten Schwermetalle ändern.
Die Mineralisation organischer Substanz (durch Erwärmung, zu grosse
Auflichtung von Wäldern durch Stürme oder Holzschläge) führt insbesondere bei Blei, Kupfer und Quecksilber
Forum für Wissen 2013
zu Mobilisierung, während Cadmium,
Nickel, Kobalt und Zink eher durch
zunehmende Versauerung (Deposition, Nährstoffentzüge) verfügbar werden. Mobilisierung bedeutet, dass
die betreffenden Elemente mit dem
Sickerwasser transportiert werden können, aber auch, dass sie pflanzenverfügbar werden.
Während über die meisten mengenmässig bedeutenden Schwermetalle
ausreichende Kenntnisse vorliegen, ist
über das Verhalten und die Wirkungen des Quecksilbers (Hg) weniger
bekannt. Quecksilber gehört neben Blei
und Cadmium zu den hoch-toxischen
Schwermetallen. Untersuchungen zeigten, dass insbesondere das methylierte Hg als Gift wirkt. Diese Verbindung
wird im Boden durch Regenwürmer
synthetisiert und kann Auswirkungen
auf die Zusammensetzung der Pilzund Bakteriengemeinschaften haben
(Rieder und Frey 2013).
Massnahmen
Der Bund fördert Forschungsprojekte,
um diese Zusammenhänge besser zu
verstehen und nach Möglichkeit quantifizieren zu können. Die Resultate
dieser Abklärungen sind ein wichtiger
Beitrag für die Weiterentwicklung kritischer Grenzwerte für die Hg-Belastung von Böden und deren Festlegung
in der Verordnung über Belastungen
des Bodens, VBBo.
25
werden, um davon auch die notwendigen Schutzmassnahmen abzuleiten
(Lüscher 2010; Lüscher et al. 2009a;
Lüscher et al. 2009b).
Massnahmen
Die wichtigsten Vorkehrungen zur Vermeidung von Bodenverdichtung sind:
– Die systematisch angelegte Feinerschliessung: Für die bewirtschaftete
Waldfläche wird ein Feinerschliessungskonzept erarbeitet. Nasse Stellen sind zu umfahren. Damit auch
bei späteren Holzschlägen auf den
selben Gassen gefahren wird, ist
die Feinerschliessung im Gelände
und auf Plänen möglichst genau
festzuhalten (Kaufmann et al. 2010;
Lüscher et al. 2009a).
– Technische Massnahmen bei den
Maschinen: Durch technische Massnahmen, zum Beispiel die Wahl
einer gut geeigneten Maschine mit
entsprechender Bereifung sowie die
Verringerung des Reifenfülldrucks
lässt sich die Gefahr von Bodenverdichtungen verringern (Lüscher
et al. 2009a).
– Sensiblisierung und Ausbildung der
Waldbewirtschafter: In der Aus- und
Weiterbildung der Forstfachleute
Abb. 2. Fahrspur im Wald, Spurtyp 3. Das Befahren mit Forstmaschinen bewirkt Verdichtungen und Verformungen im Boden.
3.2 Befahren des Waldbodens
Werden Waldböden von Forstmaschinen befahren, verändern sich auf den
meisten Böden deren Eigenschaften,
insbesondere verringern sich das Volumen und die Vernetzung der Porenräume. Dadurch wird der Transport von
Luft und Wasser, zweier für das Planzenwachstum unabdingbaren Elemente, eingeschränkt. Im Grundsatz gilt es
– im Sinne des Vorsorgeprinzips – jegliche Bodenschädigung zu verhindern
(Lüscher 2010). Die WSL hat hierfür
eine wertvolle Hilfestellung für die
Praxis entwickelt: Mit diesen soll die
Forstpraxis befähigt werden, die Folgen
der Bodenverdichtung zu erkennen,
zu bewerten und möglichst zu verhindern. So kann etwa mit einer einfachen
Bodenansprache der Spurtyp bestimmt
Abb. 3. Sensibilisierung und Ausbildung: Peter Lüscher und Fritz Frutig von der WSL sensibilisieren und erklären bei jedem Wetter.
26
Forum für Wissen 2013
munikationsmassnahmen im Bereich
des physikalischen Bodenschutzes
(Stoss­richtung 7.2 «Befahren des Waldbodens»; BAFU 2013).
werden das «Wieso» und das «Wie»
einer bodenschonden Waldbewirtschaftung vermittelt (Kaufmann
et al. 2010).
Hier setzt die Waldpolitik 2020 an. Der
Bund prüft, wie die Anforderungen
und Auflagen für die bodenschonende
Bewirtschaftung bei den Subventionen
des Bundes (Neuer Finanzausgleich
NFA) berücksichtigt werden können.
Gleichzeitig entwickelt der Bund Kom-
500
Bei nachhaltiger Bewirtschaftung halten sich Holzzuwachs und Holzentnahme durch die Ernte und Freisetzung
von Nährstoffen aus der Verwitterung
Buchen (N=13)
450
% von Stamm ohne Rinde
3.3 Nährstoffhaushalt von Wäldern
Fichten (N=33)
Stamm mit Rinde
400
Stamm mit Ästen
350
Vollbaumernte
300
250
200
150
100
50
0
Biomasse
N
P
K
Ca
Mg
Biomasse
N
P
K
Ca
Mg
Abb. 4. Erhöhung des Nährstoffentzugs bei der Entfernung von Ästen oder der ganzen Krone, im Vergleich zur Ernte von «Stamm ohne Rinde». Datengrundlage: Literaturstudie von
Jacobsen et al. (2003) sowie Duvigneaud et al. (1971), Krauss und Heinsdorf (2008), Krapfenbauer und Buchleitner (1981).
Bund (Umwelt
inkl. Wald)
7.1 Sektorübergreifende
Ansätze
Landw. und
Verkehr
arbeiten zusammen:
berücksichtigen Emissionsreduktionen in Sektoralpolitiken
knüpft Auflagen und Bedingungen zugunsten Bodenschutz
an NFA-Subventionen
Kantone
entwickeln Kommunikationsmassnahmen
7.3 Nährstoffhaushalt
Landwirte, Industrie und
Verkehrsteilnehmer
setzen weniger Stickstoff
und Schwermetalle frei
Wald
unterstützt internationale
Bestrebungen zur Luftreinhaltung
7.2 Befahren des
Waldbodens
der Minerale die Waage, das heisst die
Stoffbilanz ist ausgeglichen. Neben den
nach wie vor zu hohen Stickstoffeinträgen beeinflusst heute vielerorts eine
intensivierte Holzernte für energetische Zwecke den Nährstoffhaushalt
von Wäldern. Bei der Vollbaumernte
werden neben dem Stamm- und Derbholz auch kleinere Äste und Reisig
sowie Blätter/Nadeln aus dem Wald
entfernt. Doch gerade diese Kompartimente enthalten viele Nährstoffe, die
dem Wald verloren gehen. So kann die
zusätzliche Nutzung von Baumkronen,
Rinden und Reisig den Nährstoffentzug
im Vergleich zur Stammholznutzung um
ein Vielfaches erhöhen (Abb. 4).
Ob dies im Einzelfall eine Gefährdung darstellt, hängt sehr vom Zustand
des Bodens, der Verwitterung und der
Baumart ab. Nährstoffentzüge über die
natürliche Nachlieferung aus der Verwitterung übersteigen führen zu negativen Nährstoffbilanzen und damit zu
einer Verarmung der Standorte.
Die wachsenden Ansprüche an den
Wald sollten daher räumlich gesteuert werden, das heisst eine intensivere
Nutzung sollte nur dort stattfinden, wo
es der Nährstoffhaushalt und die Belastungen durch die Deposition zulassen.
Hierfür stellt der Bund entsprechende
Grundlagen bereit und macht vorhandene Informationen nutzbar.
klären Ausmass der durch Stickstoff
und Versauerung gefährdeten
Standorte ab
Internationale Gemeinschaft
senkt Immissionsgrenzwerte
Waldbewirtschafter
Die Fruchtbarkeit des
Waldbodens und seine
Funktionsfähigkeit sind
gewährleistet.
Der Wald erbringt die
Waldleistungen und trägt
so zur Wohlfahrt bei.
befahren den Waldboden
schonend auf permanenten
Gassen
?
erarbeiten Konzept zur Verbesserung des Nährstoffhaushaltes
Abb. 5. Vereinfachte Übersicht über das in der Waldpolitik 2020 vorgesehene Massnahmenbündel des Bundes betreffend Bodenschutz im
Wald und dessen geplanten Wirkungen und Effekte. Bei der Stossrichtung «Nährstoffhaushalt» werden derzeit genauere Abklärungen vorgenommen. Erst nach Vorliegen dieser Resultate können Handlungsbedarf und Massnahmen bestimmt werden.
Forum für Wissen 2013
Massnahmen
Für die Abklärung des Ausmasses der
gefährdeten Waldstandorte sind folgende Massnahmen vorgesehen (Stossrichtung 7.3 «Nährstoffhaushalt»; BAFU
2013):
– Ermittlung des Bodenzustands der
Wälder, um Risiken hinsichtlich
Mangelernährung, Nährstoffungleichgewichten und Nährstoffverlusten aus dem Boden besser einschätzen zu können. Diese Arbeiten
laufen derzeit in einem Projekt des
BAFU.
– Bestimmung der Überschreitungen
der Critical Loads: Überschreitungen weisen das langfristige Gefährdungspotenzial aus. Diese Arbeiten
werden vom BAFU gefördert.
– Kartenmässige Verschneidung von
Gefährdungspotenzialen, das heisst
Critical Loads, Karten der Stoffein­
träge, Standorte geringer Basen­
sättigung im Wurzelraum, Verwitterungsraten und Trockenstress. Diese
Arbeiten werden teils schon durchgeführt, teils sind sie in Planung.
– Formulierung von Empfehlungen
für die Holzernte.
4 Schlussfolgerungen und
Perspektiven
Die Waldpolitik 2020, inklusive der
Massnahmen zum Bodenschutz, wird
in den nächsten Jahren weiter umgesetzt. Der Schutz der Böden ist eine
gemeinsame Aufgabe des Bundes, der
Kantone und der Waldeigentümer.
Dabei stützt sich der Bund auf die
bestehenden Monitoringsysteme und
arbeitet interdisziplinär mit weiteren
Bundesstellen zusammen. Wichtige
Partner sind auch die Forschungs- und
Bildungsinstitute. Um die Risiken und
zukünftigen Gefahren, gerade auch in
Anbetracht des Klimawandels, besser
abschätzen und voraussehen zu können, sind noch weitere Forschungsarbeiten, aber auch die Fortführung des
Monitorings, notwendig. Ein wichtiger
handlungsleitender Grundsatz ist das
Vorsorgeprinzip. Die UNCED (1992)
umschreibt das Vorsorgeprinzip wie
folgt: «Angesichts der Gefahr irreversibler Umweltschäden soll ein Mangel an vollständiger wissenschaftlicher
Gewissheit nicht als Entschuldigung
27
dafür dienen, Massnahmen hinauszuzögern, die in sich selbst gerechtfertigt sind. Bei Massnahmen, die sich auf
komplexe Systeme beziehen, die noch
nicht voll verstanden worden sind und
bei denen die Folgewirkungen von Störungen noch nicht vorausgesagt werden
können, könnte der Vorsorgeansatz als
Ausgangsbasis dienen.»
Wir werden wohl nie alle Details des
komplexen Systems Boden mit all seinen Wechselwirkungen mit der Biomasse, der Atmosphäre und dem Klima kennen und vorhersagen können.
Erforderlich für detailliertere und flächenscharfe Empfehlungen sind Angaben zum chemischen und physikalischen Bodenzustand. Diese bereitzustellen ist gemäss Waldpolitik 2020
Aufgabe des Bundes. In entsprechende
Projekten wird daran gearbeitet.
Doch ist das nun schon vorhandene
Wissen hinreichend um bereits jetzt zu
handeln.
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Forum für Wissen 2013
UNCED, 1992: UN-Konferenz für Umwelt
und Entwicklung, Rio de Janeiro. Rio
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Gesetzliche Grundlagen:
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(SR 101)
Umweltschutzgesetz USG vom 7. Oktober
1983 (SR 814.01)
Waldgesetz WaG vom 4. Oktober 1991 (SR
921.0)
Waldverordnung WaV vom 30. November
1992 (SR 921.01)
Verordnung über Belastungen des Bodens
VBBo vom 1. Juli 1998 (SR 814.12)
Abstract
Soil protection in forests – the contribution of the Swiss Confederation
According to the Federal Constitution of the Swiss Confederation, the Swiss
government must protect people and the environment against harmful and disagreeable influences. The Swiss legislation on Soil Protection specifies that soil fertility, including that of forest soils, should be protected in the long term. The Forest
Act states that forest owners manage their forests sustainably to ensure the forest
can perform its functions in the long term.
The Forest Policy 2020, adopted by the Swiss Federal Council in 2012, defines
a total of eleven policy objectives. These also concern the forest soil (including
drinking water and tree vitality). Objective 7 “Forest soil, drinking water and the
vitality of the trees shall not be endangered” formulates 3 strategic directions:
intersectoral approaches, driving on forest soil, and nutrient balance. To pursue
these objectives the Forest Division of FOEN cooperates with other sectors (intersectoral approaches), supports research and finances information campaigns in
the form of information sheets. The Forest Division of FOEN also provides basic
information, e.g. soil maps, or produces it if it is lacking, e.g. by preparing maps.
Keywords: soil protection, forest soil, Forest Policy 2020, Switzerland
Forum für Wissen 2013: 29–30
29
Umsetzung des Bodenschutzes im Aargauer Wald
Alain Morier
Departement Bau, Verkehr und Umwelt, Abteilung Wald, Entfelderstrasse 22, CH-5001 Aarau
[email protected]
Im Projekt «Bodenschutz im Wald» wurden zwischen 2008 und 2011 die Grundlagen für die Umsetzung von Bodenschutz-Massnahmen im Aargauer Wald geschaffen. Für den Kanton Aargau liegt eine flächendeckende Verdichtungsrisikokarte
vor. Der Staatsforstbetrieb Habsburg sammelte Erfahrungen mit der Planung,
Dokumentation und Markierung einer gesamtbetrieblichen Feinerschliessung.
Das gesamte Forstpersonal besuchte Weiterbildungskurse zum Thema Bodenschutz. Zusammen mit dem Aargauischen Försterverband, den Forstunternehmern Schweiz, Region Aargau und dem Aargauischen Waldwirtschaftsverband
entstanden fachliche Standards in Form von Empfehlungen. Seit 2012 berät und
unterstützt ein Spezialist der Abteilung Wald die Förster bei der Umsetzung des
Bodenschutzes in ihren Forstbetrieben.
1Ausgangslage
Das Thema Bodenschutz im Wald ist
im Kanton Aargau nicht neu. Schon
das Aargauische Forstgesetz von 1860
verlangte, dass die Abfuhrwege zweckmässig angelegt und entbehrliche Wege
bepflanzt werden sollten. Mit dem
Sturm Lothar 1999 hat die vollmechanisierte Holzernte im Aargauer Wald
zugenommen und das Thema Bodenschutz ist wieder vermehrt ins Bewusstsein gerückt. Die Aargauer Waldpolitik
(Kanton Aargau, Departement Bau,
Verkehr und Umwelt, Abteilung Wald
2007) will das Holz nachhaltig nutzen
und den naturnahen Waldbau umsetzen. Der Boden soll bei der Holzernte
geschont werden. Deshalb wurde 2008
das Projekt «Bodenschutz im Wald»
gestartet.
2Grundlagen
Für den Kanton Aargau liegt seit 2009
eine flächendeckende Verdichtungsrisikokarte als Grundlage für die Planung der Feinerschliessung und der
Holzschläge vor. Sie wurde durch die
Abteilung Wald mit Beratung der WSL
erstellt und zeigt, wo die Böden empfindlich auf Befahrung reagieren können. Die Verdichtungsrisikokarte stellt
das grundsätzliche Verdichtungsrisiko dar und nicht die aktuelle Befahrbarkeit des Bodens. Diese ergibt sich
immer aus einer Kombination von
aktueller Bodenfeuchte, Verdichtungsrisiko und eingesetzter Maschine.
Knapp ein Drittel der Aargauer Waldfläche gilt als empfindlich (hohes oder
sehr hohes Verdichtungsrisiko) oder ist
nicht befahrbar.
Im Rahmen des Bodenschutzprojekts wurde im Staatswald Habsburg
die Feinerschliessung auf 95 Hektaren
geplant, dokumentiert und im Gelände
markiert. Es liegen praktische Erfahrungen zum Einsatz von GPS-Geräten
und GIS, sowie zum Aufwand und zum
Nutzen einer Feinerschliessungskarte
vor.
Massnahmen für den Bodenschutz
können die Holzernte verteuern. Die
Berechnung der Mehrkosten ist mit
grossen Unsicherheiten behaftet. Von
speziellem Interesse ist der Einfluss
des Rückegassenabstands auf die Holzerntekosten. Diese Frage wurde mit
Modellrechnungen, Vergleichen der
Holzerntekosten gemäss BAR und
Nachkalkulation von Holzschlägen
unter­
sucht (Kanton Aargau, Departement Bau, Verkehr und Umwelt,
Abteilung Wald 2012).
3Ausbildung
Für die Umsetzung des Bodenschutzes im forstlichen Alltag ist das Verhalten des Forstpersonals ausschlaggebend. Zwischen September 2010 und
Juni 2011 wurden an total 6 Kurstagen
jeweils rund 60 bis 70 Forstingenieure, Förster, Maschinisten, Forstwarte
und Lehrlinge weitergebildet. Insgesamt besuchten rund 400 Personen die
Kurse, davon rund 30 Mitarbeiter von
Forstunternehmungen. An den Posten
«Boden und Spurtypen», «Maschinentechnik und organisatorische Massnahmen», «Feinerschliessung» und «Kosten-Nutzen des Bodenschutzes, Verantwortlichkeiten» wurde das Thema
Bodenschutz im Wald umfassend vorgestellt (Kanton Aargau, Departement
Bau, Verkehr und Umwelt, Abteilung
Wald 2012).
30
Forum für Wissen 2013
4Standard
6Fazit
7Literatur
Die Empfehlungen für den Bodenschutz im Wald bilden das Kernstück
für die praktische Umsetzung. Angestrebt wurde ein gemeinsamer, von
den Betroffenen akzeptierter, fachlich
guter Standard, der praktisch umsetzbar ist. Die Empfehlungen wurden
vom Aargauischen Försterverband,
von Forstunternehmer Schweiz, Region Aargau, vom Aargauischen Waldwirtschaftsverband und von der Abteilung Wald gemeinsam erarbeitet und
verabschiedet. Die Themen Feinerschliessung, bauliche Massnahmen
für den Bodenschutz, Grundsätze der
Maschinentechnik, sowie Verantwortlichkeiten und organisatorische Möglichkeiten werden praxisnah dargestellt (Kanton Aargau, Departement
Bau, Verkehr und Umwelt, Abteilung
Wald; Aargauischer Försterverband;
Forstunternehmer Schweiz, Region
Aargau; Aargauischer Waldwirtschaftsverband 2011).
Die Umsetzung von BodenschutzMassnahmen ist eine Daueraufgabe.
Sie gelingt nur, wenn die betroffenen
Akteure partnerschaftlich zusammenarbeiten. Gemeinsam vereinbarte Standards spielen eine entscheidende Rolle.
Im Kanton Aargau ist es gelungen, die
Waldeigentümer, den Forstdienst und
die Forstunternehmer für das Thema
zu sensibilisieren: Der Bodenschutz
geniesst heute bei allen einen hohen
Stellenwert im Berufsalltag. Ohne eine
anwendungsorientierte Forschung und
Beratung durch die WSL, wären die
vorliegenden Ergebnisse nicht möglich geworden. Herzlichen Dank allen
Beteiligten für das aussergewöhnliche
Engagement und die ausgezeichnete
Zusammenarbeit!
Kanton Aargau, Departement Bau, Verkehr
und Umwelt, Abteilung Wald (Hrsg.)
2007: Bericht zur Entwicklung des Waldes
im Aargau, waldentwicklung AARGAU.
Kanton Aargau, Departement Bau, Verkehr
und Umwelt, Abteilung Wald (Hrsg.)
2012: Projekt Bodenschutz im Wald.
Schlussbericht.
Kanton Aargau, Departement Bau, Verkehr
und Umwelt, Abteilung Wald; Aargauischer Försterverband; Forstunternehmer
Schweiz, Region Aargau; Aargauischer
Waldwirtschaftsverband (Hrsg.) 2011:
Empfehlungen für den Bodenschutz im
Wald.
Kanton Aargau, Departement Bau, Verkehr
und Umwelt, Abteilung Wald (Hrsg.)
2012: Umsetzung des Bodenschutzes im
Wald im Aargau.
5Beratung
Seit 2012 berät und unterstützt ein Spezialist der Abteilung Wald die Förster
bei der Umsetzung des Bodenschutzes
in ihren Forstbetrieben (Kanton Aargau, Departement Bau, Verkehr und
Umwelt, Abteilung Wald 2012).
Abstract
Putting soil protection into practice in Canton Aargau’s forest
Between 2008 and 2011, the project “Soil Protection in Forests” laid the
foundations for implementing soil-protection measures in Aargau’s forest and
a soil compaction risk map covering the whole of the Canton of Aargau was
produced. Habsburg’s state-run forest enterprise first obtained experience in
planning, documenting and marking non-invasive tracks throughout its forest. All
the forestry staff attended further training courses on soil protection. Professional
recommendations were drawn up in cooperation with the Aargau Foresters’
Association, the Swiss Association of Forest Contractors, the Region of Aargau
and the Aargau Forestry Association. Since 2012, a specialist from the Canton’s
Forest Division has been advising and supporting foresters in implementing soil
protection in their forest enterprises.
Keywords: soil protection, implementation, Canton Aargau, training, forestry
workers, recommendations
Forum für Wissen 2013: 31–43
31
Ökonomische Überlegungen zum physikalischen
Bodenschutz im Wald
Oliver Thees und Roland Olschewski
WSL Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft, Zürcherstrasse 111, CH-8903 Birmensdorf,
[email protected]
Der Schutz des Waldbodens rückt immer mehr in den Fokus der mitteleuropäischen Forstwirtschaften – so auch in der Schweiz. Im Zentrum stehen dabei die
Befahrung des Bodens mit Maschinen bei der Holzernte und die davon ausgehenden Risiken für die Bodenfruchtbarkeit und das Waldökosystem. Immer deutlicher wird die ökonomische Dimension des Themas, wenn nasse Witterung Planbarkeit und Ausführung der Arbeiten erschweren. Auch das öffentliche Interesse
hat zugenommen: Verletzungen des Waldbodens werden von der Bevölkerung
und in Naturschutzkreisen negativ wahrgenommen und die Medien berichten
darüber. Das Thema birgt grosse ökologische, aber auch ökonomische und politische Herausforderungen, denn es geht um eine umfassende Nachhaltigkeit in der
Waldbewirtschaftung.
1 Das Problem
Ein Drittel des Schweizer Waldbodens
ist befahrbar bzw. kann mit bodengestützten Erntemethoden bewirtschaftet werden. Das Gefährdungspotenzial beträgt also rund 400 000 Hektar.
Erste Erhebungen sind beruhigend.
Sie belegen den sorgsamen Umgang
der Schweizer Forstwirtschaft mit ihrer
Produktionsgrundlage
(Schwyzer
et al. 2010): Lediglich 1,3 Prozent der
befahrbaren Waldfläche in der Schweiz
sind nach Landesforstinventar durch
Befahrung derart in Mitleidenschaft
gezogen, dass der Zustand nicht mehr
mit dem Gesetz zu vereinbaren ist.
Gleichwohl bedingt der physikalische Bodenschutz Anpassungen der
Waldbewirtschaftung: zusätzliche technische und organisatorische Massnahmen sind zu seiner Umsetzung notwendig. Die Forschung kümmert sich in
diesem Zusammengang vor allem um
bodenphysikalische und bodenbiologische, aber auch um verfahrenstechnische Fragen. Die Praxis reagiert durch
Ausbildung und Sensibilisierung der
Akteure für das Thema sowie mit einschlägigen Empfehlungen oder Richtlinien, welche die Befahrung im Zuge
der Bewirtschaftung regeln. Die wirtschaftlichen Folgen dieser Konzepte
und Massnahmen wurden bisher allerdings wenig untersucht. Vor allem fehlt
eine gesamthafte betriebs- und volkswirtschaftliche Analyse des physikalischen Bodenschutzes im Wald.
Denn die Massnahmen können teuer sein. Was sie genau kosten, ist nicht
immer einfach festzustellen. Noch
schwieriger ist es festzustellen, wie wirkungsvoll sie wirklich sind und welchen Nutzen sie genau stiften. Daher
ist auch nicht von vornherein klar, welche Massnahmen erforderlich, effizient
und effektiv sind. Vielfach handelt man
vorsorglich. Es ist auch nicht klar, wer
die Kosten in welchem Umfang trägt,
und wie sie die Wettbewerbsfähigkeit
der Holzproduktion beeinflussen. Ökonomisch zielgerichtetes Handeln wird
dadurch enorm erschwert.
2 Zielsetzung und Methoden
Ökonomisch gesehen geht es auch
beim Bodenschutz um den Umgang
mit Knappheit und um Kosten-Nutzen-Überlegungen. Intakte Waldböden – annähernd noch in einem natürlichen Zustand – drohen zu verknappen.
Und Bodenschutz ist nicht umsonst zu
haben, er kostet Geld. Ökonomisches
Handeln beruht hier auf dem ökonomischen Prinzip, ein bestimmtes Ziel
mit minimalen Mitteln zu erreichen. Es
besteht privates und öffentliches Inter-
esse am Bodenschutz und es stellt sich
in beiden Fällen die Frage, ob Bodenschutz in genügender Menge und Qualität erzeugt wird.
Vor diesem Hintergrund ist es das
Ziel des Beitrages, den physikalischen
Bodenschutz bei der Waldbewirtschaftung unter ökonomischen Gesichtspunkten zu analysieren. Dabei geht es
darum, die ökonomischen Wirkungen
des Bodenschutzes zu erfassen, zu systematisieren und im Hinblick auf die
Ausgestaltung des Managements auf
betrieblicher und hoheitlicher Ebene
zu analysieren. Die ökonomische Einbettung des Bodenschutzes verspricht
eine differenzierte Einsicht in die
Realität, ein besseres Verständnis der
Zusammenhänge und vielleicht neue
Erkenntnisse, um bessere Entscheidungen zu ermöglichen.
Für die Analyse eines solchen Problems stellt die Ökonomie drei wesentliche Perspektiven bereit:
1 Die produktionsökonomische Perspektive untersucht die Auswirkungen auf die Produktionskosten.
2 Die industrieökonomische Perspektive fokussiert auf die Wettbewerbswirkungen.
3 Die institutionenökonomische Perspektive stellt Kontroll- und Anreizprobleme in den Vordergrund.
Der Beitrag analysiert den physikalischen Bodenschutz im Wald unter diesen methodischen Aspekten, beleuchtet seinen Charakter als Produkt
ökonomischen Handelns und zieht
Schlussfolgerungen für dessen Behandlung in Forschung und Praxis.
32
3 Gesetzliche Grundlagen
des physikalischen Boden­
schutzes – was muss
erreicht werden?
Ziel der Bodenschutzgesetzgebung ist
die langfristige Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit (Art. 1 Abs. 1 USG, Art 1
VBBo). Das Konzept ist auf die Sicherstellung der Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit und damit vorwiegend
auf vorsorgliche Massnahmen ausgerichtet (Iten 2009).
Art. 1 Abs. 1 USG: «Zweck:
1 Dieses Gesetz soll Menschen, Tiere
und Pflanzen, ihre Lebensgemeinschaften und Lebensräume gegen
schädliche oder lästige Einwirkungen schützen sowie die natürlichen
Lebensgrundlagen, insbesondere die biologische Vielfalt und die
Fruchtbarkeit des Bodens, dauerhaft erhalten.
2 Im Sinne der Vorsorge sind Einwirkungen, die schädlich oder lästig werden könnten, frühzeitig zu
begrenzen.»
Näheres zur Vermeidung von Bodenverdichtungen und Erosion findet sich
in der Verordnung über Belastungen
des Bodens (VBBo, Art. 6):
«Wer Anlagen erstellt oder den Boden
bewirtschaftet, muss unter Berücksichtigung der physikalischen Eigenschaften und der Feuchtigkeit des Bodens
Fahrzeuge, Maschinen und Geräte so
auswählen und einsetzen, dass Verdichtungen des Bodens vermieden werden,
welche die Bodenfruchtbarkeit langfristig gefährden.»
Auch die Waldgesetzgebung des Bundes sieht in Art. 28 Buchstabe d der
Verordnung vom 30. November 1992
über den Schutz des Waldes (WaV; SR
921.01) vor, dass die Kantone Massnahmen zur Verminderung physikalischer
Belastungen des Bodens treffen müssen, um Waldschäden zu verhindern.
Als Waldschäden gelten dabei Schäden, welche die Erhaltung des Waldes
gefährden können (Iten 2009).
Das schweizerische Bodenschutzund Waldrecht enthält also verschiedene Bestimmungen, die den Schutz der
Bodenfruchtbarkeit vor physikalischen
Beeinträchtigungen vorsehen. Beim
Vollzug dieser Bestimmungen wird den
Kantonen als Vollzugsbehörden ein
Forum für Wissen 2013
gewisser Spielraum belassen, beispielsweise bei der Bestimmung des zulässigen Ausmasses an Bodenbeeinträchtigung oder der Wahl der konkreten
Schutzmassnahmen (Iten 2009). Für
die Forstwirtschaft stellt sich die Frage,
was der Gesetzestext in der täglichen
Praxis konkret bedeutet. Nach Iten
(2009) kann sie bei der Bestimmung
des zulässigen Ausmasses an Bodenbeeinträchtigung mitwirken. Die WSL ist
dieser Frage aus bodenphysikalischer
und bodenbiologischer Sicht nachgegangen und hat praxisgerecht definiert,
welche Bodenzustände nach einer
Befahrung mit dem Gesetz kollidieren
und welche nicht. Da die unterschiedlichen Zustände mit den Fahrspuren an
der Bodenoberfläche korrespondieren,
war es möglich, eine Fahrspurtypisierung als Grundlage für die Umsetzung
des Bodenschutzes in der Praxis zu entwickeln (Lüscher et al. 2009a; Lüscher
et al. 2014). Mit dem sogenannten Spurtyp 3 konnte ein Schwellenwert definiert werden, den es aus bodenökologischen Gründen zu vermeiden gilt.
Wichtig ist festzustellen, dass dieser
Schwellenwert auch bei sorgfältiger
fachgerechter Arbeit nicht gänzlich
vermieden werden kann. Das bedeutet, dass ein gewisses geringes Ausmass
toleriert werden muss, wenn man die
Waldbewirtschaftung aufrechterhalten
will. Diese Spezifikation hat noch nicht
stattgefunden.
4 Bodenschutz als öffent­
liches und privates Gut
Physikalischer Bodenschutz bei der
Holzernte besteht im vorsorglichen
Vermeiden von Schäden bzw. unerwünschten Bodenzuständen: Nach der
Erntemassnahme soll sich der Waldboden in einem möglichst wenig veränderten Zustand befinden. Der Schutz
des Waldbodens wird in der Schweiz,
wie auch in anderen Ländern, nicht
der Entscheidung des Waldeigentümers allein überlassen, sondern via
Gesetz und Behörden «nachgefragt»
bzw. erzwungen. Eine ökonomische
Betrachtung kann hilfreich sein, um zu
verstehen, warum dies so ist, und um zu
prüfen, ob nicht auch Marktmechanismen zur Förderung des Bodenschutzes
eingesetzt werden könnten.
Der Schutz des Waldbodens kann, wie
auch der Klima- oder Biodiversitätsschutz (Vogt und Sturm 2011), als
ein eigens erzeugtes öffentliches Gut
angesehen werden. Im Gegensatz zu
privaten Gütern zeichnen sich öffentliche Güter dadurch aus, dass das Ausschlussprinzip nicht greift und gleichzeitig keine Rivalität in der Nutzung
vorliegt. Da der Bodenschutz auf der
gesamten Waldfläche zu gewährleisten ist und der Wald frei zugänglich
ist, kann niemand von der positiven
ästhetischen Wirkung ausgeschlossen werden. Aber auch unabhängig
vom Betretungsrecht kann die Bevölkerung beispielsweise vom Erosionsund Klimaschutz profitieren. Insofern
handelt es sich beim Bodenschutz um
ein öffentliches Gut. Allerdings hat
dieses Gut auch eine private Komponente: Der Waldeigentümer profitiert
in der Regel, wenn er schonend mit
seinen Ressourcen umgeht: dies zum
einen heute durch mögliche Wettbewerbsvorteile im Rahmen der Waldzertifizierung und zum anderen durch
positive Auswirkungen auf die zukünftige Holzproduktion. Gegenüber dieser letztgenannten, langfristigen Perspektive hat aber oft die kurzfristige,
liquiditätsorientierte Sicht ein grösseres Gewicht. Konkrete Gründe hierfür
sind vor allem die terminlichen Lieferverpflichtungen und die zusätzlichen Holzerntekosten besonders vorsorglicher Massnahmen. Offensichtlich können zwischen Öffentlichkeit
und Eigentümer unterschiedliche Vorstellungen darüber existieren, wie viel
Bodenschutz produziert werden soll,
wie das zu erreichende Ziel bzw. die
Grenze zum Schaden genau zu definieren ist und wie viele Mittel zur Erreichung diese Zieles eingesetzt werden
sollen.
Hat also der in der Zukunft liegende
positive Effekt auf die Holzproduktion ein zu geringes Gewicht im heutigen produktionsökonomischen Kalkül
des Waldbesitzers oder ergeben sich
aus der Zertifizierung keine industrieökonomischen Anreize für einen verstärkten Bodenschutz, wird das Gut
Bodenschutz in geringerem Umfang
produziert. In dieser Situation kann
der Staat die Bereitstellung aus übergeordneten wirtschaftlichen, ökologischen und ideellen Überlegungen
erzwingen, unabhängig von den Prä-
Forum für Wissen 2013
ferenzen der betroffenen Wirtschaftssubjekte. Man spricht dann von einem
öffentlichen beziehungsweise privaten
meritorischen Gut (Bergen et al. 2013).
Bei der Charakterisierung des Gutes
Bodenschutz ist ausserdem zu erwähnen, dass der tatsächliche Schutz des
Bodens schwierig zu erkennen, zu messen und zu bewerten ist. Verschärft
wird dieses Problem durch die Heterogenität der Böden in der Schweiz.
Diese Eigenschaften können insbesondere die betriebliche und hoheitliche
Kontrolle erschweren. In den folgenden Analysen wird sich zeigen, welche
ökonomischen Wirkungen sich aus den
skizzierten Eigenschaften des Bodenschutzes ergeben.
5Produktionsökonomische
Perspektive
5.1 Welche Kosten verursacht der
physikalische Bodenschutz?
Der Schutz des Waldbodens verursacht
Mehrkosten. Diese entstehen vor allem
bei der Holzernte, hervorgerufen durch
zusätzliche Massnahmen, die unmittel-
33
bar mit seiner Erzeugung verbunden
sind. Spjevak und Thees haben 2009
erstmalig versucht, die Kosten des physikalischen Bodenschutzes zu erfassen,
zu strukturieren und grob abzuschätzen. Tabelle 2 gibt einen Überblick
über die kostenverursachenden Massnahmen.
Auf der Ebene des Kantons fallen
Kosten im Rahmen der hoheitlichen
Überwachung des Bodenschutzes an.
Auf der Ebene des Betriebes handelt
es sich einerseits um investive Massnahmen wie die Ausbildung der Mitarbeiter und die Kartierung der Befahrungsempfindlichkeit der Waldböden
und andererseits um operative Massnahmen beim einzelnen Holzschlag,
wie den Einsatz bodenschonender
Spezialausrüstungen der Maschinen
bis hin zum Einsatz von seilgestützten Erntesystemen (vgl. Tab. 1). Diese
Massnahmen verteuern die Holzproduktion; sie verursachen fixe und variable Kosten. Insgesamt handelt es sich
um betriebswirtschaftliche Gemeinkosten (indirekte Kosten), weil sie nur
indirekt den einzelnen Kostenträgern,
in der Regel dem Festmeter, zurechenbar sind. Grundlegende Massnahmen
auf der Ebene des Betriebes sind die
Weiterbildung des Personals sowie
die Bodenzustandsermittlung und die
Abnahme der Arbeiten nach Beendigung eines Holzschlages. Diese wichtigen Massnahmen kosten vergleichsweise wenig und bringen viel. Wenn
man zusätzlich noch dafür sorgt, dass
mit möglichst geringem Reifeninnendruck gefahren wird, hat man schon
sehr viel getan. Darüber hinaus kann
man alle anderen Massnahmen als
optional ansehen, das heisst, sie sind im
Einzelfall je nach standörtlichen und
betrieblichen Verhältnissen zu wählen. Die minimalen Kosten, die sich aus
den grundlegenden Massnahmen ergeben, betragen rund 5 CHF/ha und Jahr
beziehungweise 0.5 CHF/m3 und haben
damit einen Anteil von knapp ein Prozent am mittleren Holzernteaufwand.
Bei schwierigen Verhältnissen und
hohen Ansprüchen können die Kosten
allerdings massiv ansteigen und Werte zwischen 50 und 100 CHF/ha und
Jahr beziehungsweise 5 und 10 CHF/
m3 annehmen. Eher teure Massnahmen
bestehen darin, grosse Beiseilentfernungen in Kauf zu nehmen oder auf
bodengestützte Erntesysteme zu verzichten und Seilsysteme einzusetzen.
Die Höhe der Kosten hängt stark
von der standörtlichen Situation und
vom Stellenwert des Bodenschutzes
Tab. 1. Überblick über kostenrelevante Massnahmen für den physikalischen Bodenschutz aus der Sicht des Forstbetriebes (Spjevak und
Thees 2009a, modifiziert). Fett: Basismassnahmen. *Es wird vom häufigeren Fall ausgegangen, dass die spezifischen bodenschonenden
Maschinenausrüstungen einem Forstunternehmen gehören. Bei ihrem Einsatz (Fremdregie) handelt es sich dann um zusätzlich variable
Kosten beim einzelnen Holzschlag, die der Unternehmer erstattet haben will; im Fall des Eigenregieeinsatzes handelt es sich um zusätzliche
Investitionen des Forstbetriebes.
Zusätzliche Investitionen
Zusätzliche Massnahmen beim einzelnen Holzschlag verursachen
fixe Kosten
variable Kosten
Planung
(Betrieb)
–Weiterbildung Betriebsleiter
–Kartierung im Hinblick auf Befahrungsempfindlichkeit, Markierung
und Dokumentation der Feinerschliessung
–Festlegen von Ausweichflächen
–Umweltleistungsbewertung
bezüglich Bodenschutz
–Vergrösserung des Rückegassen­
abstandes (>20m)
Steuerung und
Durchführung
(Betrieb)
–Weiterbildung Maschinenführer
–Software zur Beurteilung der
Befahrbarkeit
–Instrumente zur Messung der
Bodenfeuchte
–Schlepper mit geringerer Radlast
–Beurteilung des Bodenzustandes
→ Entscheid fahren/nicht fahren
–Unterbruch der Arbeiten und
Umsetzen auf Ausweichflächen
–Regenerationsmassnahmen
–Abnahme der Arbeiten
–Spezifische Maschinenausrüstungen*:
Reifen grösserer Nennbreite
Reifendruckregelanlage
Bogiebänder
Traktionshilfswinde
–Partieller Verzicht auf Befahrung,
z.B. grössere Beiseilentfernungen
beim Rücken
–Rücken mit reduzierter Last bzw.
kleinerer Maschine
–Wechsel von boden- auf seilgestützte
Erntesysteme
Überwachung
(Kanton)
–Kontrollen und gegebenenfalls
Sanktionsmassnahmen
34
Forum für Wissen 2013
im Betrieb ab. Ein Betrieb mit hohem
Anteil befahrungsempfindlicher Böden
wird entsprechend höhere Kosten in
Kauf nehmen müssen. Es sind ähnliche
Rahmenbedingungen wie die Steilheit
des Geländes, welche die Holzproduktion verteuern, die aber hinzunehmen
sind und nicht geändert werden können.
Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten gilt ein besonderes Augenmerk den Kosten, die durch grössere
Rückegassenabstände verursacht werden und sich vor allem beim mechanisierten Fällen und Aufarbeiten niederschlagen: Heutige Radvollernter
haben eine Kranreichweite von rund
zehn Metern. Somit können alle Bäume innerhalb eines zehn Meter breiten Streifens beidseits der Rückegasse
vom Ausleger des Vollernters erreicht
werden. Für einen flächendeckenden Einsatz des Vollernters darf also
der Abstand zwischen den Rückegassen nicht grösser als 20 Meter sein.
Bei grösseren Gassenabständen gibt
es eine Zwischenzone, in welcher
die Bäume von der Maschine nicht
erreicht werden können. Bäume in
dieser Zwischenzone werden je nach
Baumdimension und Gassenabstand
zugefällt oder, wenn dies aufgrund zu
44
Holzerntekosten [CHF/m3]
42
40
38
36
34
32
30
10
20
30
40
50
60
Rückegassenabstand [m]
Abb. 1. Durchschnittliche Holzerntekosten über eine gesamte Umtriebszeit bei verschiedenen Rückegassenabständen (Jäger 2012; Vollerntereinsatz, Fichtenbestand).
Szenarium 1
60
Szenarium 2
Szenarium 3
Erntekostenfreier Erlös [CHF/m3]
55
50
45
40
35
30
25
10
20
30
40
50
60
Rückegassenabstand [m]
Abb. 2. Erntekostenfreier Erlös bei den verschiedenen Szenarien in Abhängigkeit des Gassenabstandes (Jäger 2012). Die Szenarien werden im Text erläutert.
geringer Baumhöhen oder zu grosser
Gassenabstände nicht möglich ist, vorgeliefert. Jäger (2013) hat im Rahmen
seiner Masterarbeitan der ETH Zürich
diese Kosten modellhaft quantifiziert.
Pro zehn Meter Zunahme des Gassenabstandes ergeben sich hier 2 CHF/m3
(Abb. 1). Diese an sich schon beachtlichen durchschnittlichen Mehrkosten
können sich im Einzelfall, vor allem im
Schwachholz, auch auf rund 10 CHF/
m3 und mehr belaufen.
5.2 Welchen Nutzen stiftet der
physikalische Bodenschutz?
Der langfristige Nutzen besteht darin,
dass ein schonender Umgang mit dem
Boden heute zu einer ertragreichen
Holzproduktion in der Zukunft beiträgt. Der kurzfristige Nutzen entsteht
durch Einsparungen, die sich aus unterlassenen Massnahmen für den Bodenschutz heute ergeben. In der Praxis ist
es oft so, dass dem Waldbewirtschafter
der kurzfristige Nutzen wichtiger ist als
der langfristige Nutzen, da sich dieser
wesentlich später auswirkt.
Der ungenügende Schutz des Waldbodens bei der Holzernte heute kann
aber Kosten in der Zukunft verursachen. Diese äussern sich in Form von
Mindererlösen bei der Holzproduktion. Sie sind ursächlich zurückzuführen auf mögliche Zuwachseinbussen
infolge intensiver Feinerschliessung
und auf fäulnisbedingte Wertverluste
infolge Bestandes- und Wurzelschäden
beim verbleibenden Bestand. Der Nutzen des physikalischen Bodenschutzes
besteht also in der Vermeidung dieser
Mindererlöse. Hinzu kommt noch die
Verringerung von Stabilitätsrisiken der
Bestände.
Jäger (2012) hat im Rahmen seiner Masterarbeit an der ETH Zürich
versucht, diese Mindererlöse mittels
modellhafter Kalkulationen für verschiedene Rückegassenabstände zu
schätzen (Abb. 2). Dabei wurden verschiedene Szenarien mit unterschiedlichen
Produktionsverlusten
und
Zuwachseinbussen berechnet. Grundlage der vielen Annahmen und Berechnungen bildete eine umfangreiche
Literaturanalyse. In Szenarium 1 treten keine Zuwachsverluste auf. In Szenarium 2 können die Gassenrandbäume den Zuwachsverlust der Gassen
0.7
"600+BB"
0.6
"710+RDA"
0.4
0.5
"710+BB"
0.3
"600+RDA"
"710"
0.1
0.2
Mehrkosten (Fr./m3)
"600"
0.0
zur Hälfte ausgleichen. Keinen Ausgleich des Zuwachsverlustes der Gassen durch die Randbäume gibt es in
Szenarium 3.
Für die Szenarien wurden zusätzlich
die Wertverluste durch Fäulebefall des
Holzes als Folge von Stamm- und Wurzelverletzungen durch Holzernteprozesse berechnet. Mindererlöse durch
Zuwachseinbussen sind meist höher als
die Wertverluste durch Fäule. Für die
Szenarien 2 und 3 wurde angenommen,
dass Bäume mit einem Abstand von bis
zu vier Metern vom seitlichen Rand
der Rückegasse von Wurzelverletzungen betroffen sein können, da ihre
Wurzeln bis in den Gassenbereich reichen. Weiter wurde angenommen, dass
bei jeder Durchforstung bei 40 Prozent
dieser Bäume Wurzeln verletzt werden,
60 Prozent dieser verletzten Bäume
von Fäulepilzen befallen werden und
dass es durchschnittlich 10 Jahre dauert, bis die Fäule von den Wurzeln bis
in den Baumstamm vordringt.
Der optimale Gassenabstand ist
jener, bei welchem die durchschnittlichen, über eine gesamte Umtriebszeit
gerechneten erntekostenfreien Erlöse am höchsten sind. Je nach Szenarium liegt er bei 30 oder 40 Metern.
Allerdings sind die Unterschiede zwischen den erntekostenfreien Erlösen für die unterschiedlichen Gassenabstände gering, dürften sich im Falle
einer Abzinsung der Geldwerte sogar
weiter verringern und würden sich bei
einer realistischen Variation der Eingangsgrössen auch verändern. Szenario 1 widerspiegelt eine kurzfristige
Betrachtung ohne Zuwachs- und Wertverluste.
Grosse Unterschiede zwischen den
Rückegassenabständen ergeben sich
nur dann, wenn die Frage des Produktionsverlustes infolge der Gassenanlage komplett bejaht oder verneint wird;
hier sollte das Paradigma, dass die Gassenrandbäume den Produktionsverlust
ausgleichen, kritisch unter die Lupe
genommen werden.
Zusätzlicher Nutzen kann noch entstehen, wenn die Investitionen in die
Maschinentechnik, insbesondere in die
Zusatzausrüstungen (Abb. 3) es erlauben, einen empfindlichen Boden «länger», also bei höheren Wassergehalten
zu befahren. Der Nutzen besteht hier
in zusätzlichen Einsatztagen der Holzerntemaschinerie (Spjevak et al. 2009).
35
0.8
Forum für Wissen 2013
50
100
Aktuelle durchschnittliche Maschinenauslastung
in der Praxis
… ohne besondere Berücksichtigung des
boiBodenschutzes
… ohne Zusatzausrüstungen
… unabhängig von der Bodenart
150
200
250
300
350
Nutzen – Bodenschonende Einsatztage (Tage/Jahr)
Abb. 3. Kosten-Nutzen-Relation, berechnet für den Forwarder John Deere 1110 D und
für das Jahr 2004. (Spjevak et al. 2009b; Rot: Schluffiger Lehm. Blau: sandiger Lehm. Die
für eine Forstmaschine angenommene erforderliche jährliche Einsatzdauer beträgt in der
Schweiz rund 130 Tage bzw. 1100 Stunden; 600 bzw. 710: Reifenbreite in mm; BB: Bogiebänder; RDA: Reifendruckregelanlage).
Abbildung 3 zeigt die Kosten-Nutzen-Relationen der einzelnen Ausrüstungsvarianten auf dem sandigen
(blau hervorgehoben) und schluffigen
(rot hervorgehoben) Lehm. Die Referenzvariante «600» bedeutet, dass der
Bodenschutz streng eingehalten wird,
ohne dass Zusatzausrüstungen eingesetzt werden. In diesem Fall entstehen
folglich keine Mehrkosten, die Jahresauslastung bzw. die bodenschonende
Einsatzdauer reduziert sich aber auf
80 Tage auf schluffigem Lehm im Jahr
2004. Auf sandigem Lehm liegt sie bei
140 Tagen. Diese Werte sind in Abbildung 3 mit den Grenzen der Spanne
der Einsatztage eingezeichnet. Folglich sind auf sandigem Lehm in einem
Jahr mit durchschnittlicher Niederschlagsmenge genügend oder sogar
mehr bodenschonende Einsatztage für
die Holzernte im Vergleich zur durchschnittlichen Jahresauslastung möglich.
Diese Feststellung allein genügt allerdings nicht, es kommt auch darauf an,
wie diese bodenschonenden Tage im
Jahresverlauf verteilt sind.
Die übrigen Varianten gehen davon
aus, dass die Vorgaben des Boden-
schutzes streng eingehalten und hierfür Zusatzausrüstungen eingesetzt
werden. Die Kosten der Ausrüstungen
wurden insbesondere in Abhängigkeit
von der jeweiligen Auslastung berechnet. Somit sinken die Durchschnittskosten bei zunehmender Auslastung.
Die breiteren Reifen, die Reifendruckregelanlage sowie deren Kombination
ergeben die gleiche bodenschonende
Einsatzdauer mit 80 Tagen auf schluffigem Lehm und 140 Tagen auf sandigem Lehm. Ihre Kosten sind unterschiedlich, bleiben aber im Bereich von
weniger als 1 CHF/m3. Bei 80 Einsatztagen im Jahr 2004 auf dem sandigen
Lehm kosten die breiteren Reifen rund
0.30 CHF/m3, bei 140 Tagen 0.10 Franken weniger pro m3. Die Reifendruckregelanlage kostet bei 80 Einsatztagen
rund 0.50 CHF/m3 und bei 140 Tagen
gleich viel wie die Breitreifen. Die
summierten Einzelkosten ergeben sich
aus der Kombination beider Ausrüstungen. Für den Einsatz der Bogiebänder wurde angenommen, dass diese in
einem Zyklus von 10 Tagen montiert
und demontiert werden. Sie kosten mit
600er Reifen bei 220 bis 250 Einsatz-
36
tagen konstant 0.60 CHF/m3. Die Kosten verändern sich nicht nennenswert,
weil die Auslastung auf beiden Böden
bereits relativ hoch ist. Mit Bändern
und breiteren Reifen können beide
Böden praktisch das ganze Jahr befahren werden. Die durchschnittlichen
Kosten sind vor allem aufgrund dieser
hohen theoretischen Auslastung relativ
gering. Mit maximal rund 1,5 Prozent
des durchschnittlichen Holzernteaufwands im Schweizer Mittelland sind
die Mehrkosten pro m3 bei allen untersuchten Maschinenausrüstungen vergleichsweise gering.
5.3Produktionsökonomische
Folgerungen
Bodenschutz kann erhebliche Kosten
verursachen. Es zeigt sich aber auch,
dass den Massnahmen ein namhafter Nutzen in Form vermiedener Kosten gegenüber stehen kann. Es kann
also durchaus im eigenen Interesse des
Waldbesitzers liegen, seine Produktionsgrundlage Boden zu schützen. Dies
heisst, dass eine Abwägung zwischen
kurz- und langfristigen Effekten stattfinden muss. Die individuellen Zeitpräferenzen und Liquiditätsanforderungen der Wirtschafter entscheiden über
die Gewichtung der beiden Seiten.
Die Kosten für den physikalischen
Bodenschutz hängen auch davon ab,
wie viel Bedeutung man letztlich dem
Bodenschutz beimisst und zu zahlen
bereit ist. Dies kann deutlich über die
gesetzliche Vorgabe hinausgehen, wie
das Beispiel Baden-Württemberg zeigt,
wo im Staatswald standortsunabhängig ein 40 m-Gassenabstand gilt. Dieser
betriebliche Entscheid ist strategisch,
auf Risikominderung abzielend und
normativer Natur.
Das Minimalprogramm lässt sich
vergleichsweise kostengünstig umsetzen. Hinzu kommt, dass das generelle Absenken des Reifeninnendrucks
auf den vom Hersteller gewährleisteten Minimalwert fast nichts kostet und
viel bringt. Darüber hinaus können
aber auch Kostensenkungspotenziale
vermutet werden. Sie bestehen in Skalen- und Verbundeffekten. Skaleneffekte ergeben sich bei höherer Auslastung bodenschonender Erntetechnik
und -methoden, welche durch betriebsübergreifende Planung und Steuerung
Forum für Wissen 2013
der Holzernte erreicht werden kann.
Zur Überwindung der Strukturprobleme der Schweizer Forstwirtschaft wäre
dies sowieso zu prüfen.
Die risikomindernden Massnahmen für den Bodenschutz lassen sich
den drei Ebenen Feinerschliessung,
Maschinentechnik und Maschineneinsatz zuordnen. Den Rückegassenabständen kommt dabei eine besondere
Bedeutung zu. Sie beeinflussen Kosten und Qualität des Bodenschutzes
in hohem Mass. Rückegassen stellen
eine (semi-) permanente Anlage dar
und sind unabhängig von der einzelnen
Hiebsmassnahme zu planen. Grössere Rückegassenabstände können sich
unter bestimmten Umständen langfristig trotz kurzfristig höherer Erntekosten wirtschaftlich lohnen. Ein entsprechender Entscheid hängt aber von
vielen, teilweise unsicheren Faktoren
ab. Er ist im Einzelfall abhängig von
den Boden- und Wuchsverhältnissen,
der Qualität der Holzernte sowie von
den Betriebszielen bzw. den ökonomischen Bewertungen des Eigentümers.
Erschwerend kommt hinzu, dass die
mit der Vergrösserung der Abstände
einhergehende höhere Befahrungsfrequenz auf den verbleibenden Gassen
bodenphysikalisch und bodenbiologisch noch nicht ausreichend untersucht ist. Auf jeden Fall erscheint eine
staatliche verordnete Vorschrift des
Gassenabstandes ökonomisch und
ökologisch zweifelhaft und ordnungspolitisch bedenklich.
6Industrieökonomische
Perspektive
Die industrieökonomische Perspektive betrachtet das wirtschaftliche Handeln unter Wettbewerbsgesichtspunkten. Dabei wird von unvollkommenen
Märkten ausgegangen; im Mittelpunkt
stehen die Oligopole. Analysiert werden die Struktur von Märkten sowie die
Strategie von Unternehmen auf diesen
Märkten. Als dominante Unternehmensstrategie wird die Erhöhung der
Marktmacht des einzelnen Unternehmens bzw. die Vermeidung von Wettbewerb angesehen. Dazu wurde von der
Harvard School das «MarktstrukturMarktverhalten-Marktergebnis Konzept» entwickelt (Bergen et al. 2013).
Dieses geht davon aus, dass von der
Marktstruktur (z. B. Zahl der Anbieter,
Grad der vertikalen Integration) auf
das Marktverhalten (z. B. Preisbildung,
Investitionen) und daraus wiederum
auf die Marktergebnisse (z. B. Preise,
Mengen, Gewinnverteilung) geschlossen werden kann.
6.1 Welche Wettbewerbswirkungen
sind zu erwarten?
Die Industrieökonomik fragt nach dem
Einfluss, den die Struktur einer Branche auf das Marktergebnis hat. Wesentliche Merkmale der Struktur der
Schweizer Forstwirtschaft sind
– der hohe Anteil öffentlichen Waldes
– die kleinteiligen Besitz- und Bewirtschaftungsverhältnisse
– die hohe Relevanz einer Vielzahl
von Ökosystemdienstleistungen
– der hohe Anteil zertifizierten
Waldes
Die Marktstruktur der Schweizer
Forstwirtschaft ist durch kleinteilige Waldbesitz- und BewirtschaftungsVerhältnisse sowie von öffentlichen
Anbietern geprägt – etwa 70 Prozent
der Waldfläche wird von politischen
Kommunen und Ortsbürgergemeinden bewirtschaftet. Dieses besondere Strukturmerkmal erhöht die
Wahrscheinlichkeit, dass der Wettbewerb der Forstbetriebe untereinander
zumindest teilweise ausgeschaltet ist.
Es erhöht ferner die Wahrscheinlichkeit, dass die Kosten des physikalischen
Bodenschutzes, für den der Waldbesitz
verantwortlich ist, auch von ihm getragen werden. Eine Überwälzung dieser
Mehrkosten auf die tendenziell oligopolistisch strukturierte Holzkäuferschaft ist vor allem aus Gründen der
kleinteiligen Besitz- und Bewirtschaftungsverhältnisse, der geringen Anbieterkonzentration und der damit einhergehenden fehlenden Marktmacht
eher nicht möglich. Eine Überwälzung
auf die forstlichen Dienstleister vor
Ort ist vor allem nicht sinnvoll, weil
der Betrieb auf diese angewiesen ist.
Gerade diese ermöglichen die Einsparung von Transaktionskosten und die
Erhöhung der Einsatz-Flexibilität aus
Bodenschutzgründen. Bund und Kantone werden Bodenschutzmassnahmen
im Normalfall nicht abgelten, weil der
Forum für Wissen 2013
Waldbesitzer (und auch die Dienstleister) sowieso per Gesetz zur Einhaltung der Bodenschutzbestimmungen
verpflichtet sind. In der Regel tragen
daher die Forstbetriebe die Kosten,
wodurch sich ihre wirtschaftliche Situation verschlechtert. Da die Kosten
unter diesen Voraussetzungen nicht
preiswirksam werden, bleibt das Holz
ceteris paribus konkurrenzfähig und
der Wettbewerb wird durch den physikalischen Bodenschutz in diesem Fall
nicht verzerrt. Die Situation kann sich
aber entscheidend ändern, wenn die
Forstbetriebe unter weiteren Kostendruck geraten und der Waldboden deswegen zu wenig geschützt wird.
Die hohe Relevanz der vielen Ökosystemdienstleistungen des Waldes
in der Schweiz hilft ebenfalls, den
Schutz des Waldbodens zu gewährleisten. Im Vergleich mit anderen öffentlichen Gütern spielt der Bodenschutz
hier sogar eine hervorgehobene Rolle:
Die Nichtgefährdung der Waldböden,
des Trinkwassers und der Vitalität der
Bäume ist eines von 11 erklärten Zielen der Waldpolitik 2020 des Bundes
(BAFU 2013).
Schliesslich gilt es die Zertifizierung
als ein weiteres, markantes Strukturmerkmal der Branche zu beleuchten.
Zurzeit sind 56 Prozent der Schweizer Waldfläche nach PEFC oder FSC
zertifiziert (611 000 ha). Der physikalische Bodenschutz wird in beiden Systemen mit gleichen Standards behandelt. Gefordert wird beispielsweise vor
allem
– ein Feinerschliessungsnetz, welches
im Gelände markiert und kartenmässig dokumentiert sein muss,
– die Beschränkung der Befahrung
auf Waldwege und Rückegassen,
– die Verhinderung von Bodenbeeinträchtigungen, welche die
Bodenfruchtbarkeit langfristig
beeinträchtigen(sog. Spurtyp 3; vgl.
Kap. 9.1).
Die Zertifizierung stellt für die Forstbetriebe keinen Wettbewerbsvorteil
auf dem Holzmarkt dar (Interview von
B. Holenstein mit dem Direktor des
WVS M. Brunner, 2013). Dies ist vor
allem dadurch bedingt, dass nur wenige Grossabnehmer zertifiziertes Holz
verlangen und dieses wegen der hohen
Zertifizierungsquote in relativ grossen Mengen angeboten werden kann.
37
Der Aspekt Bodenschutz ist in diesem
Zusammenhang von untergeordneter
Bedeutung. Insofern ist Zertifizierung
unter den aktuellen Schweizer Verhältnissen kein Mittel, um den physikalischen Bodenschutz zu fördern. An dieser Stelle ist darauf hinzuweisen, dass
bei der Zertifizierung in der Landwirtschaft weniger strenge Massstäbe bzgl.
des physikalischen Bodenschutzes gelten und im internationalen Vergleich in
der Waldwirtschaft nicht mit gleicher
Elle gemessen wird. Wettbewerbsverzerrende Wirkungen sind nicht ausgeschlossen.
6.2Industrieökonomische
Folgerungen
Aus der Perspektive der Industrieökonomik bemühen sich die wirtschaftenden Akteure stets um eine Entschärfung des Wettbewerbs – was in der
Schweizer Forstwirtschaft schon weitgehend der Fall ist: Durch die gegebene
Marktstruktur mit dem hohen Anteil
öffentlicher Forstbetriebe bzw. Anbieter ist der Wettbewerb zumindest teilweise ausgeschaltet. Dieser Wettbewerbsschutz erleichtert es den Forstbetrieben, auf die Anforderungen des
Bodenschutzes zu reagieren und diese zu erfüllen. Die a priori gegebene
Ausschaltung des Wettbewerbs wirkt
sich somit (bisher) positiv auf die
Erzeugung des Gutes Bodenschutz aus
und hilft sogar, diesen zu garantieren.
Zugleich sind keine wettbewerbsverzerrenden Wirkungen zu erwarten: Die
Wettbewerbsfähigkeit des Produktes
Holz wird durch den physikalischen
Bodenschutz in der Schweiz eher nicht
beeinträchtigt.
Der fehlende Wettbewerb hilft
also, den Bodenschutz im Windschatten des Marktes in geschützter Nische
zu garantieren. Daran ändert bei den
gegebenen Marktstrukturen auch die
Zertifizierung nichts, die unter den
gegebenen Umständen kein Mittel
zur Produktdifferenzierung darstellt.
Unter diesen Bedingungen ist das
Gut Bodenschutz nicht handelbar und
zumindest nicht ohne weiteres ein Gut,
womit man mit anderen Betrieben in
Konkurrenz treten kann.
7Institutionenökonomische
Perspektive
Die Neue Institutionenökonomik versucht eine ökonomische Theorie zu
entwickeln, um das Wirtschaften und
seine Ergebnisse unter realistischeren Bedingungen zu erklären, als dies
die neoklassische Ökonomie mit ihren
idealtypischen Annahmen tut (Richter und Furubotn 2010). Die Institutionenökonomie unterstellt unvollkommene Akteure, also Menschen mit
begrenzter Voraussicht, Rationalität
und Moral, die in ihrem Handeln voneinander abhängen. Untersucht werden die Auswirkungen von Institutionen auf das Handeln der Menschen.
Institutionen werden verstanden als ein
System von formellen und informellen
Regeln einschliesslich der Instrumente ihrer Durchsetzung wie Eigentum,
Gesetze und Verträge. Kontroll- und
Anreizprobleme stehen im Mittelpunkt. Diese werden als höchst bedeutsame Elemente des Wirtschaftsprozesses angesehen. Dabei wird berücksichtigt, dass die Schaffung und Nutzung
und Überwachung von Institutionen
Ressourcen beanspruchen, welche sog.
Transaktionskosten verursachen.
7.1 Welche Anreize bestehen zum
Schutz des Bodens?
Forstbetriebe haben starke Anreize
zum Schutz des Bodens. Sie ergeben
sich zum einen durch ein besonderes
Prinzipal-Agenten-Verhältnis,
zum
anderen durch ein starkes forstliches
Berufsethos. Hinzu kommt die Bedeutung des Bodenschutzes in der Waldpolitik des Bundes. Auch aus dieser institutionenökonomischen Sicht ist der
Schutz des Waldbodens weitgehend
gewährleistet.
Das Gut Bodenschutz wird von
der Gesellschaft und den staatlichen
Behörden in Form von Gesetzen und
Verordnungen (vgl. Kap. 3) sowie zum
Teil auch direkt von Bürgern und Bürgerinnen als öffentliches Gut nachgefragt und kontrolliert (vgl. Kap. 4).
Erstere werden von den Kantonen
überwacht und vollzogen, wobei die
Bereitschaft, die Regeln mit Sanktionen durchzusetzen, nach unserer Einschätzung zunimmt. Letzteres äussert
38
Forum für Wissen 2013
sich in Beschwerden über tiefe Fahrspuren im Wald, mit denen sich die
Betriebsleiter auseinandersetzen müssen. In der Sprache der Institutionenökonomie kann eine solche besondere
Beziehung als Prinzipal-Agentenbeziehung bezeichnet werden. Die Auseinandersetzung mit einer Beschwerde
des Prinzipals Bevölkerung verursacht
dem Agenten Betriebsleiter unter
Umständen beträchtlichen Aufwand
und kann ihm auch sehr unangenehm
sein. Weiterhin kann die Beschwerde
seinem Ansehen bei der ortsansässigen
Bevölkerung schaden. Für das Gewicht
dieses Arguments sprechen z.B. die
umfangreichen
Kommunikationsanstrengungen zur Ankündigung und
Begründung von Erntemassnahmen im
Stadtwald von St. Gallen (Kuhn 2011).
Das starke forstliche Berufsethos
(Franck und Pudack 2005) stellt eine
weitere Institution dar. Verstärkt durch
den Druck von Politik und Bevölkerung umfasst dieses mittlerweile auch
den Bodenschutz, und sorgt dafür,
dass der schonende Umgang mit dem
Boden ein Qualitätsmerkmal guter
forstlicher Praxis darstellt. Hierzu hat
sicher auch die mehrjährige Sensibilisierung und Ausbildung der Praxisakteure durch die WSL beigetragen. Die
forstlichen Akteure teilen die Werte
und Normen des Berufsethos und ihre
Einhaltung erhält einen Eigenwert. Bei
Missachtung des Bodenschutzes drohen Ansehensverluste in der Branche.
Die Nichtgefährdung der Waldböden, des Trinkwassers und der Vitalität
der Bäume ist eines von 11 erklärten
Zielen der Waldpolitik 2020 des Bundes (BAFU 2013). Im Vergleich mit
anderen öffentlichen Gütern spielt der
Bodenschutz eine ebenbürtige Rolle.
Hieraus ergibt sich ein weiterer Anreiz,
den Boden aktiv zu schützen.
Bodenschutzfachstelle
obliegt
als
zuständigem Vollzugsorgan die Überprüfung der einzuhaltenden gesetzlichen Vorgaben. Im öffentlichen Wald
übernimmt in der Regel ein Forstbetrieb die Waldbewirtschaftung. Im Hinblick auf den Bodenschutz trägt hier
der Betriebsleiter die nahezu alleinige
Verantwortung in der Phase der Planung. Bei der Arbeitsausführung (Holzernte) ist er auf die Zusammenarbeit
mit den jeweils beteiligten Akteuren
angewiesen. Er ist auch für die Abnahme der Arbeiten im Hinblick auf den
Bodenschutz zuständig. Der Betriebsleiter ist somit auch die entscheidende
Person im oben angesprochenen Prinzipal-Agenten-Verhältnis.
7.2 Wer schützt den Boden?
7.3Institutionenökonomische
Folgerungen
Tabelle 2 zeigt auf, dass zahlreiche
Akteure für die Umsetzung des physikalischen Bodenschutzes verantwortlich sind: Waldeigentümer, Forstbetrieb, Forstunternehmer und kantonaler Forstdienst. Der kantonalen
Mehrere formelle und informelle Institutionen liefern also die Anreize
dafür, dass der Bodenschutz von den
Betriebsleitern ernst genommen und
im öffentlichen Wald eingehalten wird.
Betriebsplanung
Planung
Steuerung
und Durchführung
betriebliche Überwachung
hoheitliche Überwachung4
Feinerschliessungsplanung
Jahresplanung
Bodenschutzfachstelle
x
Forstdienst2
x
Maschinenführer
Aufgaben
Forstunternehmer
Phasen
Betriebsleiter2
Akteure
Waldeigentümer1
Tabelle 2: Akteure und grundsätzliche Verteilung der Verantwortlichkeiten im Hinblick auf den physikalischen Bodenschutz bei der Holzernte (Spjevak und Thees 2009a, Lüscher et al. 2009b).
x
x
x
x
x
Termin- und Kapazitätsplanung
x
Verfahrens- und Maschinenwahl
x
x
Vertragsabschluss/Arbeitsauftrag
x
x
Bodenzustandsermittlung3
x
Abnahme der Arbeiten
x
Beurteilung der Fahrspuren
x
Massnahmenentscheid
x
x
x
x
Kontrolle
(x)5
x
Massnahmenentscheid
(x)5
x
Im Privatwald kann der Waldeigentümer fallweise die Aufgaben des Betriebsleiters übernehmen. Deshalb ist die Linie zwischen den
Kolonnen Waldeigentümer und Betriebsleiter gestrichelt dargestellt.
2
Häufig nimmt der Betriebsleiter auch hoheitliche Aufgaben wahr (Revierförster) und übernimmt dann auch die Aufgaben in der Kolonne
Forstdienst.
3
Im Zusammenhang mit der Ermittlung des Bodenzustandes findet vor jeder Befahrung der Entscheid fahren/nicht fahren statt.
4
Bei der hoheitlichen Überwachung muss überprüft werden, ob die gesetzlichen Vorgaben zum Bodenschutz eingehalten wurden.
5
Die hoheitliche Überwachung der gesetzeskonformen Bodennutzung kann auch dem kantonalen Forstdienst delegiert werden.
1
Forum für Wissen 2013
8Herausforderungen
Klimawandel und steigende
Ressourcennachfrage
Eine besondere Herausforderung für
den physikalischen Bodenschutz bei
der Holzernte ergibt sich durch den
Klimawandel. Sollte es wärmer und
nässer werden und dies auch das Winterhalbjahr betreffen, wird die Zahl
der Tage mit guten Bedingungen für
die Befahrung bzw. die Zahl der potentiell schadensarmen Erntetage in der
traditionellen Einschlagsperiode massgeblich eingeschränkt. Das vergangene Frühjahr (2013) hat hierfür einen
Vorgeschmack geboten; der Holzeinschlag ist praktisch über Wochen zum
Stillstand gekommen, weil die Waldböden zu nass und die Schadensrisiken zu
hoch waren. Sollten Situationen wie im
letzten Frühjahr zur Regel werden, verlangt dies von der Forstwirtschaft eine
höchst flexible Einsatzplanung und
-steuerung.
Abbildung 4 verdeutlicht die aufgezeigte Problematik am Beispiel des niederschlags- und temperaturmässigen
Durchschnittsjahres 2004. Zu erkennen
sind der Tagesgang des gemessenen
Bodenwassergehaltes und die modellhaft kalkulierten Grenzwassergehalte
für die Befahrung mit verschiedenen
Spezialausrüstungen zur bodenschonenden Holzernte: Liegt der aktuelle
Wassergehalt unter diesem Grenzwassergehalt, kann man schadensfrei fah-
40
"710+BB"
35
Bodenwassergehalt (Vol.-%)
Der Anreiz liegt vor allem im Vermeiden von Ärger mit der Bevölkerung.
Dies kann bei der gegebenen Gesamtsituation sogar die staatliche Aufsicht
entlasten. Bei Nichtbeachtung drohen
beträchtliche Transaktionskosten. Im
Extremfall kann die öffentliche Meinung die Legitimationsgrundlage der
Holznutzung respektive der Forstwirtschaft insgesamt gefährden.
Es ist eine interessante Beobachtung
auf der institutionellen Ebene, dass in
vergleichsweise kurzer Zeit alle Akteure in der Forstwirtschaft und den flankierenden Systemen national wie international für das Thema sensibilisiert
wurden. Im Inland haben hierzu die
Ausbildungsaktivitäten der WSL und
die Politik des BAFU massgeblich beigetragen.
39
"600+BB"
30
"600", "600+RDA", "710", "710+RDA"
25
20
Jahresverlauf des
Bodenwassergehalts
15
10
5
0
1.1.04
1.2.04
1.3.04
1.4.04
1.5.04
1.6.04
1.7.04
1.8.04
1.9.04
1.10.04 1.11.04 1.12.04
Datum
Abb. 4. Modellhafte Kalkulation bodenschonender Einsatztage eines Forwarders John
Deere JD 1110 D im Verlauf des Jahres 2004 auf sandigem Lehm. (Spjevak et al. 2009;
die gestrichelten Linien grenzen die übliche Haupteinschlagszeit zwischen September und
März ab; 600 bzw. 710: Reifenbreite in mm; BB: Bogiebänder; RDA: Reifendruckregelanlage).
ren. Die bodenschonenden Einsatztage hätten sich im Jahr 2004 hinsichtlich
der Referenzvariante und den Varianten mit Breitreifen und Reifendruckregelanlage (rote Linie) vorwiegend
auf die Sommermonate beschränkt. In
der Haupteinschlagsperiode von September bis März wäre es somit nur selten möglich gewesen, bodenschonend
zu fahren. Mit breiteren Reifen und
Bogiebändern wäre der Boden auch
im Winter praktisch nie zu nass gewesen – ein sehr interessantes Ergebnis,
auch wenn die Modellberechnungen
im Moment nicht überbewertet werden
dürfen und noch genauer zu untersuchen sind.
Mögliche Massnahmen sind:
– technische Massnahmen, um den
spezifischen Bodendruck der
Maschinen zu senken wie Moorbänder oder leichtere Maschinen- soweit dies die auszuführende
Arbeit zulässt
– bessere Ausnutzung guter Wetterperioden, zum Beispiel Zweischichtbetrieb, je nach Situation auch Nachtarbeit, um gute Befahrungsbedingungen optimal auszunutzen
– Holzernte auch im Sommer, d.h.
in der Vegetationszeit, wenn der
Boden trocken ist
– grossräumige und flexible Einsatzgestaltung
– finanzielle Abgeltung von Massnahmen
Die Situation wird verschärft, wenn die
Ressourcennachfrage weiter steigt und
unter zunehmend schwierigeren Witterungsbedingungen mehr Holz genutzt
werden soll. Dies könnte zum Beispiel
durch steigende Nachfrage im energetischen Bereich bedingt sein. Hier ist
im Fall der Vollbaumnutzung und des
damit verbundenen Nährstoffentzugsrisikos infolge der Mitnutzung von Reisig und Nadeln zusätzlich auch der chemische Bodenschutz angesprochen.
Vor dem Hintergrund des Klimawandels und des steigenden Bedarfs
an erneuerbaren Ressourcen ist zu
befürchten, dass
– die Risiken zunehmen, dass Bodenschäden entstehen;
– die Ansprüche an Umfang und
Qualität der Massnahmen zunehmen;
– der Kontrollbedarf zunimmt;
– die Kosten des Bodenschutzes im
Wald deutlich zunehmen.
Das heisst, Bodenschutz im Wald könnte in Zukunft schwieriger und teurer
werden.
40
9 Diskussion und
Folgerungen
9.1Standardisierung
Standards sind Institutionen, die eine
wichtige Voraussetzung für eine konsequente Umsetzung des physikalischen
Bodenschutzes schaffen. Sie sind Verpflichtungen und definieren die optimale Qualität des Arbeitsergebnisses
beziehungsweise des Bodenzustands
nach der Befahrung. Sie ermöglichen
es, die Ausführenden darüber zu informieren, was bei den forstlichen Arbeiten zu vermeiden oder zu erreichen
ist und stellen eine Grundlage für die
Kontrolle der Arbeiten dar. Weitere
Vorteile von Qualitätsstandards für
den Bodenschutz sind die zwingende
Operationalisierung der allgemein formulierten gesetzlichen Vorschriften,
die verbesserte Transparenz und Fairness im Wettbewerb der forstlichen
Dienstleister und die Stärkung des
gesellschaftlichen Images einer Branche, die in und mit der Natur wirtschaftet und dabei Technik einsetzt. Qualitätsstandards für den Bodenschutz im
Wald können letztlich einen Teil der
Forum für Wissen 2013
umfassenden Qualitätsstandards der
Holzernte darstellen.
Der von der WSL vorgeschlagene Spurtyp 3 (Lüscher et al. 2009a;
Lüscher et al. 2014) bildet eine gute
Basis, um einen Standard im Bereich
des physikalischen Bodenschutzes bei
der Holzernte abzuleiten. Der Spurtyp 3 stellt eine Konkretisierung und
Operationalisierung des Gesetzestextes (langfristig nicht reversible Beeinträchtigung der Bodenfruchtbarkeit
und damit des Pflanzenwachstums)
dar. In der vorliegenden Form sagt
er aber lediglich aus, dass ein ökologischer Schaden eingetreten bzw. mit
hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten
ist.
Um aus dem Spurtyp 3 einen Standard bzw. eine Norm zu machen, ist es
notwendig, ihn weiter zu operationalisieren. Folglich gilt es, mittels weiterer
Beschreibung und unter Einbezug der
standortskundlichen Voraussetzungen
so zu konkretisieren, dass er in eine
Regel eingebaut werden kann, deren
Einhaltung breite Akzeptanz bei den
Beteiligten findet sowie objektiv und
effizient kontrolliert werden kann.
Dazu muss man zunächst festlegen,
welches Ausmass vom Spurtyp 3 vorlie-
Interpretation
Gesetzliche Vorgabe
… keine langfristige Beeinträchti­
gung der Bodenfruchtbarkeit …
Spurtyp 3
aufgrund der ökologischen
Auswirkungen definiert
gen muss, damit der Standard oder die
Regel als verletzt bzw. als nicht erreicht
gilt. Denn der Spurtyp 3 ist in der Praxis auch bei fachgerechter forstlicher
Arbeit nicht vollständig zu vermeiden. Die notwendige Quantifizierung
des tolerierbaren Schadenausmasses
kann man zum Beispiel so vornehmen,
dass ein bestimmter Anteil der Länge
einer Rückegasse den Spurtyp 3 aufweisen darf und dass dieser Anteil sich
mit zunehmender Befahrungsempfindlichkeit erhöht. Die Festlegung dieser
quantitativen Ausprägungen um einen
allgemeinverbindlichen Standard, ist
im Rahmen eines politischen Prozesses
zwischen den beteiligten Verbänden
und Interessengruppen auszuhandeln.
Bisher gibt es wie erwähnt noch keine offiziellen Standards für den Bodenschutz. Ihre Entwicklung und Umsetzung wird durch eine theoretisch fundierte Vorgehensweise erleichtert.
Dabei schlagen Bergen et al. (2013)
für die Formulierung von Standards die
drei Ebenen Ökologie, Ökonomie und
Politik vor. Auf der ökologischen Ebene sind Mindest-Qualitätsstandards
zu formulieren. Auf der ökonomischen Ebene müssen die Kosten für die
Bewahrung der Umwelt berücksich-
Operationalisierung
Standard
zusätzlich ökonomisch definiert:
Spurtyp 3 inklusive
– Ausmass, abhängig vom Standort
– Berücksichtigung der Wettbe­werbsfähigkeit
Grundlage
– für Ernteverträge
– für Einsatzsteuerung
– für Schlagkontrolle
Abb. 5. Konzept für einen Qualitätsstandard im physikalischen Bodenschutz bei der Holzernte (Foto Marco Walser)
Forum für Wissen 2013
41
tigt werden. Das sind die Kosten der
Schadensvermeidung, die im Hinblick
auf Angemessenheit überprüft werden müssen. Auf der politischen Ebene
geht es um die gesellschaftliche Beurteilung der vorgeschlagenen Zielstandards. Dies geschieht unter Verwendung von zusätzlichen Beurteilungskriterien. Abbildung 5 skizziert den
aktuellen Stand eines Konzeptes für
einen Qualitätsstandard im physikalischen Bodenschutz bei der Holzernte
in der Schweiz.
Integration des physikalischen Bodenschutzes in die gesamte produktionsökonomische Planung, Steuerung und
Kontrolle der Holznutzung (d.h., in die
Arbeitsvorbereitung (AVOR)) zeichnet den nachhaltigen und professionellen Forstbetrieb aus. Verbundeffekte
können genutzt werden. Abbildung 6
zeigt einen möglichen Ansatz, um diese
Forderung umzusetzen.
9.2 Integration in den
Managementprozess
Im Rahmen des Beitrages wurde der
physikalische Bodenschutz aus verschiedenen ökonomischen Perspektiven beleuchtet. Im Mittelpunkt stand
eine Analyse aus (i) Produktions-, (ii)
Industrie- und (iii) institutionenökonomischer Sicht. Die Ergebnisse tragen
zu einem besseren Verständnis dieses
privatwirtschaftlich erzeugten öffentlichen Gutes bei. Mögliche Herausforderungen in der Zukunft bilden Klimawandel und steigende Ressourcennachfrage. Sie können das Problem
des forstlichen Bodenschutzes massiv
verschärfen und die Mehrkosten in die
Höhe treiben.
Eine effektive und effiziente Umsetzung der Bodenschutz-Vorschriften
im Forstbetrieb setzt zum einen voraus, dass die entsprechenden Aufgaben
und die Verantwortlichkeiten klar definiert und abgegrenzt sind. Zum anderen sind diese Aufgaben in die betrieblichen Prozesse der Holzernte und in
den Prozess der kantonalen Überwachung der Waldbewirtschaftung zu
integrieren. Aspekte des Bodenschutzes sind praktisch im gesamten Ablauf
wichtig und zu berücksichtigen. Die
9.3Zusammenfassende
Schlussfolgerungen
Ad (i) Es konnte festgestellt werden,
dass der physikalische Bodenschutz
beträchtliche Kosten verursacht, aber
auch grossen Nutzen stiften kann. Um
den Nutzen zu realisieren sind langfristige ökonomische Aspekte ebenfalls
ins Kalkül zu ziehen; hierfür fehlen
allerdings derzeit noch praxisgerechte
Grundlagen. Potenziale zur Rationalisierung, insbesondere zur Kostensenkung und Professionalisierung sind vor
allem im Hinblick auf zukünftig steigende Anforderungen auszunutzen.
Zwei wesentliche, zielführende Massnahmen sind (1) die Integration der für
den Bodenschutz relevanten betrieblichen (und hoheitlichen) Prozesse in
den Ablauf der Holzernte und (2) die
Entwicklung einer hochflexiblen Einsatzplanung und -steuerung, insbesondere für den Umgang mit den Folgen
des Klimawandels und des Anstiegs
der Ressourcennachfrage. Die Basismassnahmen Weiterbildung, Bodenzustandsermittlung sowie Überwachung
und Abnahme der Arbeiten haben sich
als zielführend erwiesen.
Ad (ii) Der Wettbewerbsschutz
der öffentlichen Forstbetriebe in der
Schweiz gewährleistet derzeit einen
Bodenschutz
auf
vergleichsweise
Betriebsplanung
Feinerschliessungsplanung
Jahresplanung, inkl. Termin
und Kapazitätsplanung
Verfahrens- und Maschinenwahl
Vertragsabschluss / Arbeitsauftrag
Bodenzustandsermittlung
Entscheind fahren / nicht fahren
Fällen, Aufarbeiten, Rücken
Abnahme der Arbeiten
Berücksichtigung des
Bodenschutzes
Zusätzlicher Prozess durch
Bodenschutz
Beurteilung der Fahrspuren,
ggf. Erfassung
Massnahmen, ggf. Sanktionen
Abb. 6. Mögliche Integration des physikalischen Bodenschutzes in die Prozesse von betrieblicher Planung und Durchführung der Holzernte
und hoheitlicher Überwachung (Spjevak und Thees 2009).
42
Forum für Wissen 2013
Zum Beispiel durch die ökonomische Ergänzung der gerade genannten
naturwissenschaftlichen Untersuchungen und die Berechnung jährlicher
Holzproduktionswerte (Annuitäten;
Möhring und Rüping 2008) zur Quantifizierung möglicher Nutzungsverzichte infolge der bodenschonenden Holzernte.
10Literatur
Abb. 7. Beim Einsatz von Maschinen im Wald gilt es, den Boden schonend zu befahren und
dabei die Balance zwischen den ökologischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Anforderungen der Nachhaltigkeit zu wahren. Das Bild zeigt einen Forwarder bei der Rückearbeit, ausgerüstet mit Traktionshilfswinde und Bogiebändern (Traktionsbänder). Diese Ausrüstungen vermindern den Schlupf und ermöglichen so ein bodenschonendes Arbeiten am
Hang. (Foto: Fritz Frutig)
hohem Niveau. Die Wettbewerbsfähigkeit des Holzes ist angesichts der
Schweizer Eigentums- und Marktstrukturen durch den Bodenschutz
(noch) nicht gefährdet. Allerdings
kann zunehmender Kostendruck in
den Forstbetrieben zu Einschränkungen beim Bodenschutz führen und die
Wettbewerbsfähigkeit des Schweizer
Holzes beeinträchtigen. Diesem Problem kann insbesondere durch produktions- und institutionenökonomische
Massnahmen begegnet werden.
Ad (iii) Die für den Bodenschutz
sensibilisierte Bevölkerung und das
forstliche Berufsethos entschärfen
Anreiz- und Kontrollprobleme bei
der Erstellung des öffentlichen Gutes.
Die Zertifizierung kann marktstrukturbedingt derzeit nicht zu einer Verbesserung des Bodenschutzes beitragen. Durch die zu schaffende Institution eines Standards bezüglich der zu
vermeidenden Schadwirkung (auf der
Grundlage einer Fahrspurtypisierung)
lässt sich bei entsprechender Gestaltung ein Konsens zwischen allen Betei-
ligten – Waldbesitz, Bevölkerung und
Forstunternehmertum – schaffen, welcher einen Anreiz zum Schutz des
Bodens bildet, die Balance zwischen
den drei Dimensionen der Nachhaltigkeit (Ökologie, Ökonomie und Soziales) nicht aus den Augen verliert und
gleiche Wettbewerbsbedingungen für
die forstlichen Dienstleister gewährleistet.
Zur Gewährleistung und Verbesserung des physikalischen Bodenschutzes im Wald bedarf es auch weiterer
Forschung und Umsetzung: Noch fehlen wichtige bodenphysikalische und
bodenbiologische Grundlagen. Aktuell werden zum Beispiel Erkenntnisse über die Folgen der erhöhten
Befahrungsfrequenz bei vergrösserten Rückegassenabständen und des
Einsatzes verschiedener Arten von
Bogiebändern benötigt. Die ökonomische Analyse und Bewertung sollte
fortgesetzt werden, um die wirtschaftlichen Konsequenzen des Bodenschutzes besser beurteilen und entsprechend
bessere Entscheide fällen zu können:
BAFU (Hrsg.) 2013: Waldpolitik 2020. Visionen, Ziele und Massnahmen für eine
nachhaltige Bewirtschaftung des Schweizer Waldes.
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Handbücher der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Verlag Vahlen. 477 S.
Holenstein, B., 2013: Es hat noch Potenzial zur Rationalisierung. Interview mit
Markus Brunner – neuer Direktor WVS,
Schweizer Holzzeitung 21.08.2013.
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No. 5.
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Lüscher, P.; Frutig, F.; Sciacca, S.; Spjevak, S.; Thees, O., 2009b: Physikalischer
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Prax. 45: 12 S.
Lüscher, P.; Thees, O.; Frutig, F., 2014:
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Umwelt-Wissen Nr. Bundesamt
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43
Schwyzer, A.; Abegg, M.; Keller, M.;
Ulmer, U., 2010: Gesundheit und Vitalität. In: Brändli, U.-B. (Red.): Schweizerisches Landesforstinventar. Ergebnisse
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Management zukunftsfähige Waldnutzung. Grundlagen, Methoden und Instrumente. Birmensdorf, Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft
WSL; Zürich, VDF. 271–291.
Abstract
Economic aspects of soil protection in forest
Physical soil protection during timber harvesting is important in Switzerland not
only ecologically but also economically. We analysed these economic aspects from
the points of view of production, industrial and new institutional economics. The
results contribute to a better understanding of this privately produced public good.
Protecting the soil physically costs money but pays off in the long run. Since competition between the public enterprises is limited, it is possible to ensure soil protection at a high level. Both the public and professionals are aware of the need to
protect forests, which makes it easier to solve motivational and monitoring problems. Forest certification is not appropriate for improving soil protection under
the current market conditions. Our standard typology of vehicle tracks provides a
basis for developing a standard for acceptable levels of soil disturbance. With such
a standard it should be possible to reach a consensus on good practice among all
stakeholders – the owners, the public and the forest contractors.
Challenges for the future will be coping with climate change and a growing
demand for resources, which will make soil protection more difficult and more
expensive. Further economic analysis is needed to improve decision making about
soil protection to ensure sustainable forest management.
Keywords: soil protection, timber harvesting, skid lane, economics
Spjevak, S.; Thees, O.; Lüscher, P., 2009: Ein
Versuch zur modellgestützten Bestimmung des Nutzens von Forstmaschinenausrüstungen für den physikalischen
Bodenschutz bei der Holzernte. In: Thees, O.; Lemm, R. (Hrsg.) Management
zukunftsorientierter Waldnutzung. Beiträge aus einem Forschungsprogramm
für die Schweizer Waldwirtschaft. Zürich,
Vdf-Verlag. 293–317.
Vogt, C.; Sturm, B., 2011: Umweltökonomie: Eine anwendungsorientierte Einführung, Springer-Verlag. 49 S.
Forum für Wissen 2013: 45–46
45
Bodenverdichtung und Bodenstruktur
Rainer Schulin1, Christine Meyer1,2 und Peter Lüscher2
1
2
ETH Zürich, Institut für Terrestrische Oekosysteme, Universitätstrasse 16, CH-8092 Zürich
WSL Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft, Zürcherstrasse 111, CH-8903 Birmensdorf
Bodenverdichtung ist ein zentrales
Thema im Bodenschutz. War es früher
auf Landwirtschaftsböden beschränkt,
so ist es in den letzten zwei Jahrzehnten auch zunehmend zu einem Problem im Wald geworden. Wird durch das
Befahren mit schweren Maschinen die
Tragfähigkeit des Bodens überschritten, so werden die Bodenteilchen so
dicht zusammengepresst, bis der Boden
genügend Widerstand gegen weitere
Verdichtung aufbringt. Dadurch wird
der Porenraum verringert, der für das
Bodenwasser, die Durchlüftung und
das Bodenleben zur Verfügung steht.
Besonders ungünstig ist die Verquetschung von Grobporen, da diese für die
Durchlüftung eines Bodens entscheidend sind und schon die Verengung an
einer einzigen Stelle ausreicht, um die
Entwässerung einer Pore um Grössenordnungen zu verlangsamen. Die Folgen sind Wasserstau und Sauerstoffmangel im Wurzelraum bei Niederschlägen. Der Verlust an Grobporen ist
daher viel gravierender als der von feineren Poren, und der Verlust an Porenkontinuität viel schwerwiegender als
nur der Verlust an Porenvolumen. Dies
ist aber nur die eine Seite in der Beziehung zwischen Bodenverdichtung
und Bodenstruktur. Die andere ist,
dass auch die Empfindlichkeit gegenüber Verdichtung sehr stark von der
Struktur abhängt und auch hier grosse
Unterschiede zwischen verschiedenen
Porentypen bestehen. Nicht nur ist der
Verlust von Grobporen problematischer für die pflanzenbauliche Bodenqualität als der von feineren Poren,
Grobporenraum wird zudem auch
leichter zusammengedrückt. Zumindest war dies bisher die Lehrmeinung.
Neuere Untersuchungen zeigen, dass
auch hier eine Differenzierung notwendig ist. Während Grobporen, die
aus Zwischenräumen zwischen Aggregaten bestehen, tatsächlich besonders
leicht zusammengedrückt werden, weisen zylindrische Röhren und Kapilla-
ren, wie sie insbesondere durch Regenwürmer und Wurzeln gebildet werden,
eine vergleichsweise hohe Stabilität
auf. Die Förderung von Bedingungen,
welche die Bildung solcher Bioporen
begünstigen, sollte also in der Landwirtschaft wie im Waldbau eine hohe
Priorität haben.
Ein verdichteter Boden kann mit
technischen Massnahmen gelockert
werden. Dies ist aber zum einen aufwendig und vor allem im Wald nur in
beschränktem Masse – wenn überhaupt – möglich. Zum anderen kann
durch künstliche Lockerung allein die
ursprüngliche Bodenstruktur nicht wiederhergestellt werden, sondern höchstens eine Beschleunigung der natürlichen Regenerationsprozesse erreicht
werden, indem die Drainage und damit
die Durchlüftung gefördert wird, so
dass es strukturbildende Organismen
einschliesslich Pflanzenwurzeln leichter haben, verdichtete Partien wieder
zu erschliessen. Je tiefer die Verdich-
Abb. 1. Alle drei Fotos zeigen dieselbe Fahrspur am Standort Ermatingen (Thurgau), links: Fahrspurtyp 3, mittig: Fahrspur mit Bepflanzungsmassnahmen (Schwarzerlen), rechts: Situation 3 Jahre nach der Bepflanzung. Fotos: Roger Köchli und Christine Meyer.
46
tung reicht, umso langsamer wirken
diese Prozesse, und wie durch Gletscherauflast verursachte geogene Verdichtungen zeigen, können Verdichtungen des tieferen Unterbodens auch
nach Jahrtausenden noch vorhanden
sein. Es sollte daher absolut prioritär
sein, Bodenverdichtungen zu vermeiden, vor allem solche, die bis in den
tieferen Unterboden reichen. Für die
Tiefenwirkung ist auf der Belastungsseite nicht der Kontaktflächendruck
sondern die Auflast als ganzes entscheidend, auf der Bodenseite die Feuchtigkeit. Mit anderen Worten: Es muss
unbedingt vermieden werden, einen
Boden mit zu schweren Maschinen bei
zu feuchten Bedingungen zu befahren.
Trotzdem gibt es Situationen, in
denen sich eine solche Befahrung
Forum für Wissen 2013
nicht völlig vermeiden lässt, und auch
viele Standorte, an denen der Boden
durch frühere Befahrungen bereits
verdichtet ist. Hier stellt sich die Frage, wie die Wiederherstellung einer
für die Bestandesentwicklung günstigen Bodenstruktur möglichst wirksam
und kostengünstig beschleunigt oder
überhaupt erreicht werden kann. In
einem kürzlich abgeschlossenen Forschungsprojekt haben wir gefunden,
dass sich dazu die Bepflanzung von
stark verdichtetem Boden mit Schwarzerlen sehr gut eignen kann (Abb. 1).
Die Ergebnisse dieser Untersuchung
weisen darauf hin, dass Erlenwurzeln eine eigentliche Pionierfunktion in der Erschliessung von verdichtetem Boden für andere Organismen
haben können. Es zeigte sich nämlich,
dass sich zunächst und in enger Korrelation mit der Durchwurzelung die
Luftleitfähigkeit erhöhte und erst mit
Verzögerung in signifikantem Mass
Grobporenraum gebildet wurde. Dies
liess darauf schliessen, dass zunächst
durch die Wurzeln entwässerter Porenraum geschaffen werden musste, bevor
durch andere Prozesse weitere Struktur entstehen konnte. Das Fazit dieses
Vortrags ist, dass es für das Verständnis der Zusammenhänge zwischen
Bodenverdichtung und Bodenstruktur
die Erkenntnis entscheidend ist, nicht
nur zwischen Poren unterschiedlicher
Grösse zu unterscheiden, sondern dass
auch die Form und Art der Entstehung
wesentlich sind.
Forum für Wissen 2013: 47–53
47
Sind Waldbodenfunktionen nachhaltig gewährleistet?
Beispiel Säurepufferung
Stephan Zimmermann und Jörg Luster
WSL Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft, Zürcherstrasse 111, CH-8903 Birmensdorf,
[email protected]
Im Hinblick auf klimatische Veränderungen und anthropogene Stoffbelastungen
stellt sich die Frage, in wie weit die Regulierungsfunktionen von Waldböden –
dazu gehören einerseits die Speicherung von Wasser, Kohlenstoff und Nährstoffen,
andererseits die Säurepufferung und Rückhaltung von Schadstoffen – nachhaltig
gewährleistet sind. In einer Fallstudie anhand von Waldböden an 115 Standorten
in den Zentralschweizer Kantonen untersuchten wir diese Frage exemplarisch
für die Säurepufferung. Als Indikator verwendeten wir eine auf profilumfassenden Kriterien abgestützte Klassierung der Empfindlichkeit für eine Abnahme der
Basensättigung bei anhaltender Säurebelastung. Wir können damit beurteilen, wie
gut Böden mittel- und langfristig mit weiteren Säure-Einträgen umgehen können,
ohne dass wichtige Bodenfunktionen gefährdet sind.
1Einleitung
Böden erfüllen wichtige Funktionen
für Mensch und Umwelt. Eine heute
akzeptierte Einteilung ist in «Produktionsfunktion», «Regulierungsfunktion»,
«Lebensraumfunktion», «Trägerfunktion», «Rohstofffunktion» und «Archivfunktion» (BAFU 2011). Für den Wald
sind in erster Linie die ersten drei
wichtig, wobei die Produktions- und
die Regulierungs-Funktion zudem mit
ökonomisch bewertbaren ÖkosystemDienstleistungen wie Holz- und Energieproduktion, der Zur-VerfügungStellung von sauberem Trinkwasser
oder dem Schutz vor Naturgefahren
verknüpft sind.
Im Hinblick auf klimatische Veränderungen und anthropogene Stoffbelastungen ist die Regulierungsfunktion
von Waldböden von zentraler Bedeutung. Der Waldboden fungiert als Speicher und Reaktor in den Kreisläufen
von Kohlenstoff und Nährelementen
wie Stickstoff, Phosphor, Schwefel und
Kalium. Durch chemische, zu einem
grossen Anteil mikrobiell katalysierte
Umwandlungen werden gespeicherte
Nährstoffe den Organismen (wieder)
zur Verfügung gestellt. Die Speicherung von Kohlenstoff im Humus ist ein
bedeutender Prozess zur Bindung des
Treibhausgases Kohlendioxid, wobei
weltweit im Humus der Böden rund
doppelt so viel Kohlenstoff gespeichert
ist wie in der Atmosphäre (Schimel
1995). Eine weitere wichtige Regulierungsfunktion spielen Waldböden im
Wasserhaushalt, indem sie Wasser speichern, es den Pflanzen zur Verfügung
stellen und bei Starkniederschlägen
Abflussspitzen brechen können. Böden
wirken auch als Filter für Schadstoffe,
indem diese dort gebunden, abgebaut
oder umgewandelt werden. Dies führt
zu einem effektiven Schutz des Grundwassers vor Verunreinigungen. Die
Qualität von Trinkwasser aus Grundwasser-Quellen unter Wald ist deshalb
weitestgehend gut (Hegg et al. 2004).
Im Zusammenhang mit der Erfüllung
der Regulierungsfunktionen muss der
Waldboden als einzigartiger Lebensraum bzw. als Gesamtsystem betrachtet werden, welches nicht nur die festen
Bodenbestandteile mit ihren chemischen Eigenschaften, sondern auch den
wasser- beziehungsweise luftgefüllten
Porenraum, die Pflanzenwurzeln, die
Mikroorganismen und die Bodenfauna mit einschliesst. Das Potential der
Böden, Regulierungsfunktionen nachhaltig zu gewährleisten steht in direktem Zusammenhang mit der Nachhaltigkeit der den Funktionen zu Grunde
liegenden Einzel-Prozesse. Ein Prozess
kann dann als nachhaltig beziehungsweise längerfristig wirkend betrachtet werden, wenn er auf Störungen
oder gerichtete Veränderungen relativ
unempfindlich reagiert. Unter gerichteten Veränderungen verstehen wir in
diesem Zusammenhang den anhaltenden Eintrag oder die Produktion von
sauren und versauernden Substanzen,
ohne dass dem System zusätzliche Säureneutralisationskapazität zugeführt
wird. Die Beurteilung der Nachhaltigkeit einer Regulierungsfunktion möchten wir am Beispiel der Waldbodenversauerung und der entsprechenden Säurepufferungs-Prozesse illustrieren. Im
folgenden beurteilen wir den Stand der
Bodenversauerung von 115 Waldböden in den Zentralschweizer Kantonen
(LU, OW, NW, SZ, UR, ZG) und schätzen die Gefährdung der Pufferfunktion
bei anhaltendem Eintrag von Säuren
und versauernden Substanzen ab.
2Methodisches
Alle nachfolgenden Beurteilungen
erfolgen aufgrund der Eigenschaften
der Mineralbodenhorizonte der 115
untersuchten Waldböden. Anhand dieser Eigenschaften werden die Beurteilungskriterien für den Stand der
Bodenversauerung und die Empfindlichkeit für eine Abnahme der Basensättigung hergeleitet. Die organischen
Auflagehorizonte werden nicht berücksichtigt, da ihre chemischen Eigenschaften zeitlich stark variabel sind
und sie für die Säurepufferung nur eine
untergeordnete Bedeutung haben.
2.1 Definition von Säureklassen
Abbildung 1 zeigt für die insgesamt 650
Mineralbodenhorizonte der 115 untersuchten Böden die kumulative Häufigkeitsverteilung der pH-Werte und die
prozentualen Anteile der austausch-
48
Forum für Wissen 2013
lung weisen auf eine geringe, steile
Abschnitte auf eine hohe Effizienz der
im entsprechenden Bereich dominierenden Pufferreaktionen hin. Aufgrund
dieser in allen Böden ähnlichen Verhältnisse können Pufferbereiche mit
entsprechenden dominierenden Pufferreaktionen und ihrer Puffereffizienz
definiert werden (Schwertmann und
Fischer 1982; Ulrich 1983; Schwertmann et al. 1987). Im weiteren bezeichnen wir diese als Säureklassen (Tab. 1;
Blaser et al. 2008b).
baren Kationen in den unterschiedlichen pH-Klassen. Während erstere
Informationen über die Puffereffizienz
in den verschiedenen pH-Bereichen
liefert, widerspiegelt die Austauscher­
Belegung die vorherrschenden Pufferreaktionen. Zwei flache Abschnitte
mit vergleichsweise wenig Bodenproben in den Bereichen pH < 3,6 und zwischen pH 4,8 und 7,0 stehen steileren
Abschnitten mit deutlich mehr Bodenproben zwischen pH 3,6 und 4,8 sowie
pH > 7,0 gegenüber. Flache Abschnitte der kumulativen Häufigkeitsvertei-
Tab. 1. Definition der Säureklassen nach Blaser et al. 2008b mit entsprechenden dominanten Pufferreaktionen und -effizienzen und Abgrenzungen gemäss dem in dieser Arbeit diskutierten Datensatz von Abbildung 1.
Säureklasse
pH-Wert
[0,01 M CaCl2]
Dominante Pufferreaktion
Puffereffizienz
1
> 7,00
Karbonatverwitterung
gross
2
5,61–7,00
Protonierung variabler Ladungen;
Silikatverwitterung
gering
3
4,61–5,60
wie Säureklasse 2, jedoch beginnende Auflösung
von Al-Verbindungen
gering
4
3,81 – 4,60
Auflösung von Al-Verbindungen
gross
5
< 3,80
Protonierung der organischen Substanz;
Auflösung von Al- und Fe-Verbindungen
mittel
Säureklasse
3
2
1
100
7,6–7,8
7,2–7,4
6,8–7,0
6,4–6,6
0
6,0–6,2
0
5,6–5,8
20
5,2–5,4
20
4,8–5,0
40
4,4–4,6
40
4,0–4,2
60
3,6–3,8
60
3,2–3,4
80
2,8–3,0
80
2,4–2,6
Belegung des Austauschers (%)
100
4
Anteil der Mineralbodenproben (%)
5
pH-Klassen (pH CaCl2)
H%
Fe %
Mn %
Al %
BS %
Abb. 1. Mittlere prozentuale Belegung des Austauschers der untersuchten Mineralbodenproben (N = 650) mit basischen Kationen (BS) und sauren Kationen (Al, Mn, Fe, Protonen
H) in Abhängigkeit von der pH-Klasse (Klassenbreite 0,2 pH-Einheiten). Diesem Säulendiagramm ist die kumulative Häufigkeitsverteilung der pH-Werte überlagert (rechte y-Achse; schwarze Linie).
2.2 Stand der Bodenversauerung
Der Stand der Bodenversauerung wird
in fünf Stufen von sehr schwacher bis
sehr starker Versauerung beurteilt
(Tab. 2, Blaser et al. 2008b). Als erstes
Kriterium für die Klassierung dient die
relative Belegung des Austauschers der
gesamten Feinerde eines Bodens mit
sauren Kationen. Aus dem in Abbildung 1 ersichtlichen Zusammenhang
zwischen Säureklasse und AustauscherBelegung geht hervor, dass ein Boden
umso stärker versauert ist, desto geringer die Basensättigung ist.
Dabei bleibt allerdings unberücksichtigt, dass in sauren Böden, welche
sich aus karbonathaltigem Ausgangsgestein entwickelt haben, bei gleichem pH-Wert die Basensättigung im
Vergleich zu Böden aus karbonatfreiem Gestein grösser ist (Blaser et al.
2008a). Der Grund dafür ist einerseits
kapillarer Aufstieg von basenreichem
Wasser aus tieferen Bodenschichten,
andererseits eine allgemein grössere
Kationenaustauschkapazität in Böden
aus karbonathaltigem Gestein.
Um die Unterschiede zwischen
Böden auf karbonathaltigem und saurem Gestein in die Beurteilung einfliessen zu lassen, wird als zweites Kriterium für die Klassierung des Standes der
Bodenversauerung die Variabilität des
pH-Wertes mit der Bodentiefe herangezogen. Dazu wird ein pH-Gradient
errechnet, welcher der Differenz der
Säureklasse mit dem tiefsten im Boden
vorkommenden pH-Wert und der Säureklasse mit dem angenommenen pHWert zu Beginn der Bodenentwicklung entspricht. Auf karbonathaltigem
Ausgangsgestein liegt der pH-Wert
zu Beginn sicherlich im alkalischen
Bereich, das heisst in Säureklasse 1. In
Böden, welche sich aus karbonatfreiem
Ausgangsmaterial entwickelt haben,
wird angenommen, dass sich der pHWert zu Beginn der Bodenentwicklung
im Bereich des pH-Wertes von Regenwasser von 5.5 bis 6.0, d.h. in Säureklasse 2, befindet (Bohn et al. 1985; Blaser
et al. 2005). Dies liegt einerseits daran,
dass in diesem Stadium der Gehalt an
Tonmineralen mit variablen Ladungen
gering und somit langsame Silikatverwitterung die dominante Pufferreaktion ist. Andererseits weist der Boden
zu Beginn eine höchstens spärliche
Pflanzendecke auf und die biologische
Forum für Wissen 2013
49
Tab. 2. Klassierung des Standes der Bodenversauerung unter Verwendung der total austauschbaren Menge saurer Kationen (SK = Al3+ + Fe3+ + Mn2+ + H+) im Boden und des pHGradienten im Bodenprofil. Bestimmung des pH-Gradienten siehe Text.
Stand der Bodenversauerung
% saure Kationen (SK)
pH-Gradient < 3
pH-Gradient 3
pH-Gradient 4
≤ 25
sehr schwach
schwach
mässig
26–50
schwach
mässig
stark
51–70
mässig
stark
sehr stark
71–85
stark
sehr stark
sehr stark
> 85
sehr stark
sehr stark
sehr stark
Basensättigung [%]
100
80
60
40
20
7,6–7,8
7,2–7,4
6,8–7,0
6,4–6,6
6,0–6,2
5,6–5,8
5,2–5,4
4,8–5,0
4,4–4,6
4,0–4,2
3,6–3,8
3,2–3,4
2,8–3,0
2,4–2,6
0
pH-Klassen (pH CaCl2)
Abb. 2. Boxplots der Basensättigungen der untersuchten Bodenproben in verschiedenen
pH-Klassen (Klassenbreite 0,2 pH-Einheiten). Die Box stellt den Median und die 25 Prozent und 75 Prozent Quartile der Einzelmesswerte dar mit Minimum und Maximum als
T-Balken; die Punkte sind Ausreisser, Sterne extreme Ausreisser.
Aktivität ist gering, weshalb der CO2Partialdruck im Boden ungefähr jenem
der Atmosphäre entspricht. Regen wie
auch Bodenwasser haben beim CO2Partialdruck der Atmosphäre einen
pH-Wert zwischen 5,5 und 6,0
Die Klassierung des Standes der
Bodenversauerung mit Hilfe der Kombination der beiden Kriterien «Austauscher-Belegung mit sauren Kationen»
und «pH-Gradient» ist in Tabelle 2 aufgeführt.
2.3 Empfindlichkeit für eine Abnah­
me der Basensättigung
Als Kriterium für die Nachhaltigkeit
der Säurepufferung wird die Empfind-
lichkeit eines Bodens beurteilt, in wie
weit die Basensättigung bei anhaltender Säurebelastung abnimmt.
Betrachten wir zunächst den Zusammenhang zwischen Basensättigung und
pH-Wert, wie er in Abbildung 2 dargestellt ist. Bei pH-Werten grösser als
5,6 ist der Kationen-Austauscher des
Bodens praktisch vollständig mit basischen Kationen besetzt (Basensättigung > 99%). Im Verlaufe der Bodenentwicklung nimmt die Basensättigung
erst dann ab, wenn der pH-Wert unter
5,4 fällt. Danach nimmt sie bis zu einem
pH-Wert von 4,6 zuerst langsam auf
rund 75 Prozent und dann schnell auf
einen durchschnittlichen Wert von rund
11 Prozent bei einem pH-Wert von 3,2
ab. Bei noch tieferen pH-Werten gibt
es keinen Hinweis, dass die Basensättigung noch weiter abnimmt. Die Bodenproben in diesem sehr stark sauren pHBereich stammen zu einem grossen Teil
von mineralischen Oberböden, welche
viel organische Substanz enthalten und
deren
Kationen-Austauscherplätze
durch den Nährstoffkreislauf (Streumineralisierung) periodisch mit basischen
Kationen versorgt werden. Dadurch
kann sich die Basensättigung auf einem
für den tiefen pH-Wert relativ hohen
Niveau halten. Andererseits finden
sich im pH-Bereich < 3,8 auch zahlreiche Unterbodenproben mit sehr tiefer
Basensättigung. Im Hinblick auf solche
Proben stellte Hildebrand (1986) fest,
dass bei fortschreitender Versauerung
eine Reserve von basischen Kationen
am Austauscher von etwa fünf Prozent
nicht unterschritten wird. Das heisst, es
gibt auch hier eine untere Grenze der
Basensättigung.
Aus dem Zusammenhang zwischen
Basensättigung und pH-Wert, wie er in
Abbildung 2 dargestellt ist und oben
erläutert wurde, ergibt sich, dass die
Empfindlichkeit für eine Abnahme der
Basensättigung bei anhaltender Säurebelastung im pH-Bereich 3,2 bis 5
am grössten ist. Diese Empfindlichkeit
wird deshalb in Böden, welche relativ
viel Feinerde in diesem pH-Bereich
haben, grösser sein als in Böden, deren
Feinerde sich in anderen pH-Bereichen
befindet. Da aber die Basensättigung
eine relative Grösse ist, muss noch die
Kationenaustauschkapazität berücksichtigt werden. Die Empfindlichkeit
ist umso kleiner, je grösser die Kationenaustauschkapazität der Feinerde
ist, da bei einer grossen Austauschkapazität mehr Säureeintrag notwendig
ist, um eine bestimmte Abnahme der
Basensättigung zu verursachen.
Für die Klassierung der Empfindlichkeit wird zunächst derjenige Anteil
(%) an der gesamthaft vorhandenen
Feinerde in den obersten 100 cm des
Mineralbodens berechnet, welcher
sich im kritischen pH-Bereich von 3,2
bis 5,0 befindet (Blaser et al. 2008b).
Als zweites Kriterium wird für diesen Teil des Mineralbodens eine mit
der Horizontmächtigkeit gewichtete
durchschnittliche Kationenaustauschkapazität berechnet. Die Empfindlichkeit ergibt sich als Kombination der
beiden Kriterien, wie in Tabelle 3 dargestellt.
50
Forum für Wissen 2013
Tab. 3. Definition der Empfindlichkeitsklassen für eine Abnahme der Basensättigung bei
anhaltender Säurebelastung.
% empfindliche
Feinerde
> 100
25–100
< 25
0
kein Risiko
kein Risiko
kein Risiko
< 25
sehr gering
sehr gering
gering
25–50
sehr gering
gering
mässig
50–75
gering
mässig
gross
> 75
mässig
gross
sehr gross
3 Beurteilung der Zentral­
schweizer Waldböden
mittlere Kationenaustauschkapazität [mmolc*kg-1]
3.1 Stand der Bodenversauerung
Anteil der Böden (%)
40
30
20
10
0
Anteil der Böden (%)
sehr schwach
35,7
schwach
10,4
mässig
3,5
stark
11,3
sehr stark
39,1
Stand der Bodenversauerung
mittlere gewichtete CEC bis 100 cm Tiefe (mmolc kg-1)
400
300
200
100
0
0
25
50
75
100
Anteil empfindlicher Feinerde bis 100 cm Tiefe (%)
Abb. 3. Stand der Bodenversauerung von 115 Waldböden in den Zentralschweizer Kantonen.
Dargestellt sind die Häufigkeiten in den einzelnen Versauerungsklassen gemäss Tabelle 2.
112 Böden haben sich auf karbonathaltigem, 3 auf karbonatfreiem Ausgangsgestein entwickelt.
Empfindlichkeit
sehr gering
gering
mässig
gross
sehr gross
Abb. 4. Klassifikation der Böden im Hinblick auf ihre Empfindlichkeit für eine Abnahme
der Basensättigung. Die vertikalen, gestrichelten Linien trennen drei Bereiche der Kationenaustauschkapazität im Profil (als bis 100 cm Tiefe gewichtete Mittelwerte) und die horizontalen Linien die vier Bereiche verschiedener Anteile empfindlicher Feinerde (siehe Tab.
3). Die Bodenprofile ohne Risiko liegen auf der x-Achse.
Die Versauerung von Böden ist eine
Folge längerfristig anhaltender, gerichteter Veränderungen in Stoffkreisläufen offener Ökosysteme. Ein Boden
versauert natürlicherweise, da in einem
offenen Waldökoystem in unseren
Breitengraden einerseits auch ohne
anthropogene Quellen Säuren über
die Atmosphäre eingetragen werden,
andererseits infolge zeitlicher und
räumlicher Entkopplung interner säure-produzierender und -verbrauchender Prozesse basische Kationen dem
System durch Auswaschung verloren
gehen. In bodengenetisch jüngster Zeit
wurden die atmogenen Säureeinträge
zudem anthropogen verstärkt.
Da es praktisch unmöglich ist, den
Beitrag von natürlich und anthropogen bedingter Versauerung zu trennen,
beschränken wir uns darauf, den Stand
der Bodenversauerung insgesamt zu
beurteilen, d.h. ohne auf die Quellen
der versauernden Substanzen einzugehen. Abbildung 3 zeigt die Klassierung des Standes der Bodenversauerung gemäss Kapitel 2.2. für die 115
untersuchten Bodenprofile in den Zentralschweizer Kantonen. Die meisten
Böden sind sehr schwach (36 %) oder
sehr stark (39 %) versauert, während
sich nur ein geringer Anteil der Böden
in den mittleren Kategorien befindet.
Unter den sehr stark versauerten
Böden befinden sich alle Standorte auf
karbonatfreiem Ausgangsgestein. Im
Weiteren setzt sich das Ausgangsgestein der sehr stark versauerten Böden
zum überwiegenden Teil aus kalkarmer
Molasse sowie aus Terrassenschottern
und Moränen der Risseiszeit zusammen. Diese Böden befinden sich heute vorwiegend im Al- bis Fe-Pufferbereich, und die Karbonatgrenze befindet sich oft in Tiefen von mehr als zwei
Metern beziehungsweise unterhalb des
Profilaufschlusses.
Ganz anders ist die Situation bei
den sehr schwach versauerten Böden.
Hier dominieren stark karbonathaltige
Gesteine (junge Moränen, Kalke und
Kalkmolasse), und die Tiefe der aktuellen Karbonatgrenze wurde überall
erschlossen.
Forum für Wissen 2013
3.2 Empfindlichkeit gegenüber einer
Abnahme der Basensättigung
Bei 36 der insgesamt 115 Waldböden
besteht kein Risiko für eine Abnahme
der Basensättigung, da sie keine Feinerde im sensitiven pH-Bereich aufweisen. Zwei Vertreter dieser Empfindlichkeitsklasse sind in Abbildung 5.0
mit pH-Wert und Basensättigung
exemplarisch dargestellt. Von den 36
unempfindlichen Böden liegen bei 13
die pH-Werte im ganzen Profil über
sieben oder knapp darunter und der
Kationenaustauscher ist praktisch vollständig basengesättigt (profilumfassend > 98 Prozent, zum Beispiel Profil Buchrain). Bei weiteren 22 Böden,
repräsentiert durch Profil Schwarzenbach, wird irgendwo im erschlossenen
Teil des Bodenprofils die Kalkgrenze
erreicht und im Oberboden ist der pHWert im Bereich zwischen 5 und 7. Die
Basensättigung dieser Böden liegt in
allen Horizonten zwischen 95 und 100
Prozent. Die 35 Böden dieser beiden
Kategorien sind also unempfindlich
gegenüber einer Abnahme der Basensättigung weil sie sich weitgehend im
Karbonatpufferbereich oder teilweise knapp darunter befinden und die
Basensättigung somit profilumfassend
sehr hoch ist. Einer der als unempfindlich klassierten Böden hingegen weist
im ganzen zu beurteilenden Tiefenbereich pH-Werte unterhalb der unteren
Grenze des sensitiven pH-Bereichs von
3,2 auf, während die Basensättigung
zwischen 30 und 50 Prozent liegt. Das
sind Werte, welche in einem Bereich
schneller Abnahme liegen, womit dieser Boden mit den definierten Kriterien falsch klassiert wird. Dies liegt
aber nicht grundsätzlich am tiefen pHWert. Man könnte sich nämlich vorstellen, dass ein Boden bereits so stark
versauert ist, dass die Basensättigung
im Bereich des «eisernen» MinimalBestandes von etwa 5 Prozent liegt und
kein Risiko zur Abnahme besteht, weil
dies gar nicht mehr möglich ist. Dieser
Fall tritt unter den 115 Waldböden in
den Zentralschweizer Kantonen aber
nicht auf.
Bei den übrigen 79 Bodenprofilen besteht eine sehr geringe bis grosse Empfindlichkeit für eine Abnahme
der Basensättigung. Die Verteilung auf
die verschiedenen Risikoklassen geht
aus Abbildung 4 hervor. In Abbildung
51
5.1 bis 5.4 ist ersichtlich, dass das Risiko umso grösser ist, desto stärker der
Oberboden versauert und entkarbonatet ist. In der Gruppe 1 (sehr geringes
Risiko) befinden sich Böden, bei denen
im erschlossenen Teil des Bodenprofils die Kalkgrenze erreicht wird und
bei denen im Oberboden der pH-Wert
zum Teil bereits stark abgesunken ist,
teilweise sogar unterhalb von fünf, so
dass die Basensättigung in diesen Horizonten im kritischen Bereich liegt.
Erst mit zunehmender Ausdehnung des kritischen pH-Bereiches in
die Unterboden-Horizonte wird die
Empfindlichkeit zu einer Abnahme
der Basensättigung grösser als «sehr
gering». Bei den Böden der Gruppe
4 ist die Versauerung so weit fortgeschritten, dass sich alle Feinerde der
obersten 100 cm im kritischen Bereich
befindet und das Risiko entsprechend
gross wird. Bei den untersuchten Waldböden in den Zentralschweizer Kantonen fällt jedoch auf, dass in den tieferen Horizonten (> 100 cm) zahlreicher Böden der pH-Wert und vor
allem auch die Basensättigung wieder
markant ansteigen und die Basensättigung in diesen Profilen mindestens
einen Wert von 50 Prozent erreicht.
Das ist charakteristisch für Böden,
Buchrain
0
3
4
pH-Wert
5
6
20
0
Schwarzenbach
7
8
0
Basensättigung [%]
25
75
50
L
Ah
(A)C
-40
C
-80
CG
4
pH-Wert
5
6
20
0
7
8
0
Basensättigung [%]
25
75
50
100
-40
L
A
AB
B(G)
-80
Go1
-120
-120
Go2
-160
-160
IIC
1
3
100
Go,r
-200
Littau
20
0
Oberägeri
L1
L2
A
AB
BG
Go,r
-40
20
0
L
A
AB
BG
-40
Go
-80
-80
G(o),r
-120
Go,r
-120
G(o),r
-160
-160
Zug
2
20
0
-40
-80
3
Go2
-40
-160
-160
Unterägeri_1
BS1
BS2
-120
C
-160
-40
L1
L2
F
H
Ah
AS
ES
Sd
-80
IIGo,r1
20
0
-120
-40
-160
Go,r3
Unterägeri_3
L
F
Ah
AE
B(s)
BS
20
0
-40
-80
-80
-120
Go,r2
-160
Unterägeri_2
20
0
Gr
Hünenberg
L1
L2
A
AB
Bcn
-80
Go,r2
-80
-120
20
0
L
F
H
AG1
AG2
Go
Go,r1
20
0
-120
-40
4
Alpthal
L
A
AB
BG
Go1
Bcn
BC
C
-120
-160
L1
L2
F
H
AE1
AE2
B(s)
E
B(s)
B1
B2
R
Abb. 5. pH-Wert und Basensättigung von jeweils 2 Böden pro Empfindlichkeitsklasse (für
eine Abnahme der Basensättigung). Die Zahlen 0 bis 4 symbolisieren die Empfindlichkeitsklasse: 0 = kein Risiko (n = 36), 1 = sehr geringes Risiko (n = 12), 2 = geringes Risiko (n =
5), 3 = mässiges Risiko (n = 19) und 4 = grosses Risiko (n = 43). Die Böden sind mit dem
Namen der Gemeinde, in welcher sie sich befinden, gekennzeichnet.
52
Forum für Wissen 2013
die sich auf karbonathaltigem Gestein
entwickelt haben. Andererseits gibt
es jedoch auch viele Böden, wie zum
Beispiel das Profil Unterägeri_3 (Abb.
5.4), die keine Zunahme der Basensättigung mit der Tiefe zeigen. Das betrifft
nebst den Böden auf Kristallin vor
allem Böden auf Molasse und Moräne.
Dieser Unterkategorie der Böden mit
grosser Empfindlichkeit ist besondere
Aufmerksamkeit zu schenken.
Die «bauchförmige» Tiefenverteilung der Basensättigung in den Beispiel-Profilen Unterägeri_1, Hünenberg und Unterägeri_2 ist charakteristisch für stark bis sehr stark
versauerte Böden, in welchen die Wurzeln der Waldbäume die Kalkgrenze
erreichen. Solange die Waldbäume mit
ihren Wurzeln die karbonathaltigen,
bzw. basenreichen Unterbodenhorizonte erreichen, nehmen sie basische
Kationen auf, bauen sie in ihre oberirdische Biomasse ein und deponieren
sie mit der Streu wieder auf der Bodenoberfläche. Durch die anschliessende Mineralisierung der Streu werden
die obersten mineralischen Bodenhorizonte permanent mit Basen versorgt
und die Basensättigung kann sich in
einem relativ hohen Bereich halten.
Das Minimum der Basensättigung liegt
deshalb häufig in einem mittleren Profilbereich.
Die beispielhaften Darstellungen in
Abbildung 5 implizieren, dass die Empfindlichkeit gegenüber einer Abnahme
der Basensättigung bei Böden auf karbonathaltigem Gestein von der Tiefe
der Kalkgrenze im Profil abhängt. Eine
entsprechende Datenanalyse bestätigt
dies (Abb. 6). Böden, welche im ganzen
Profil karbonathaltig sind oder deren
Karbonatgrenze nahe der Bodenoberfläche liegt, sind nicht empfindlich,
weil der pH-Wert alkalisch ist und der
Austauscher vollständig basengesättigt
ist. Mit zunehmender Entkarbonatung
nimmt der pH-Wert und die Basensättigung im entkarbonateten Teil des
Bodens ab und die Tiefe der Kalkgrenze beeinflusst deutlich das Ausmass dieser Abnahme (Abb. 6). Somit
wird in Böden auf karbonathaltigem
Ausgangsgestein die Empfindlichkeit
für eine Abnahme der Basensättigung
durch den Stand der Bodenversauerung, ausgedrückt durch die Mächtigkeit der entkarbonateten Zone, beeinflusst. Die Empfindlichkeit ist in Böden
höher, die stärker entkarbonatet sind.
4Schlussfolgerungen
Die exemplarische Untersuchung von
115 Waldböden in den Zentralschweizer Kantonen zeigt, dass eine auf profilumfassenden Kriterien abgestützte
Klassierung eine weitgehend realistische Beurteilung der aktuellen Bodenversauerung und der Nachhaltigkeit der
Säurepufferung erlaubt. Beim Stand der
Empfindlichkeitsklassen
mittlere Tiefe der Kalkgrenze (cm)
0
0
1
2
3
4
5
40
Bodenversauerung kann allerdings aufgrund der vorliegenden Daten nicht zwischen den verursachenden Prozessen
– natürlich oder anthropogen – unterschieden werden. Die Empfindlichkeit
für eine Abnahme der Basensättigung
bei anhaltender Säurebelastung ist ein
probates Instrument, um die Nachhaltigkeit der Säurepufferung zu bewerten.
Wir können damit vergleichend beurteilen, wie gut Böden mittel- und langfristig mit weiteren Säure-Einträgen
umgehen können, ohne dass wichtige
Bodenfunktionen (Produktion, Regulierung, Lebensraum) gefährdet sind.
Geographisch bedingt wurden mit
unserer Untersuchung in erster Linie
Böden auf karbonathaltigem Gestein
abgedeckt, welche sich in vielen Eigenschaften wesentlich von Böden auf saurem Ausgangsgestein unterscheiden.
Für die Gruppe der Böden auf karbonathaltigem Gestein konnten wir zeigen, dass die Nachhaltigkeit der Säurepufferung mit zunehmender Tiefe der
Karbonatgrenze, das heisst mit zunehmender Entkarbonatung, abnimmt.
Insbesondere bei vielen stark versauerten Böden zeigte sich deutlich,
dass die Nachhaltigkeit der Pufferfunktion nicht nur von den chemischen
Eigenschaften der Boden-Festphase
abhängt, sondern die Bäume durch die
Nährstoffaufnahme und die Rückführung der Nährstoffe mit der Streu diese massgeblich mit beeinflussen. Diese Rückführung der Nährstoffe kann
der Waldbewirtschafter über die Baumartenwahl beeinflussen. Mischbestände mit unterschiedlichen Durchwurzelungseigenschaften der verschiedenen Baumarten garantieren am besten,
dass der gesamte potentielle Wurzelraum ausgenutzt wird und damit einer
Entkoppelung von basenreicherem
Unterboden und versauertem Oberboden entgegengewirkt, oder im besten Fall eine Entkoppelung rückgängig
gemacht werden kann.
80
120
160
Abb. 6. Mittlere Tiefe der Kalkgrenze in Beziehung zur Empfindlichkeit für eine Abnahme
der Basensättigung. Die Empfindlichkeitsstufen bedeuten: 0 = kein Risiko (n = 36); 1 = sehr
gering (n= 12); 2 = gering (n = 5); 3 = mässig (n = 19); 4 = gross (n = 43); 5 = sehr gross (n = 0).
5Literatur
Blaser, P.; Zimmermann, S.; Luster, J.; Walthert, L.; Lüscher, P., 2005: Waldböden
der Schweiz. Band 2. Regionen Alpen
und Alpensüdseite. Birmensdorf, Eidg.
Forschungsanst. WSL. Bern, hep Verlag.
920 S.
Forum für Wissen 2013
Blaser, P.; Graf Pannatier, E.; Walthert,
L., 2008a: The base saturation in acidified
Swiss forest soils on calcareous and noncalcareous parent material. A pH-base
saturation anomaly. J. Plant Nutr. Soil Sci.
171: 155–162.
Blaser, P.; Walthert, L.; Zimmermann, S.;
Graf Pannatier, E.; Luster, J., 2008b:
Classification schemes for the acidity,
base saturation, and acidification status of
forest soils in Switzerland. J. Plant Nutr.
Soil Sci. 171: 163–170.
Bohn, H.L.; McNeal, B.I.; O’Connor, G.A.,
1985: Soil Chemistry. 2nd Ed. New York,
John Wiley & Sons.
Bundesamt für Umwelt BAFU (Hrsg.)
2011: Bodenwelten. Magazin «umwelt»
4: 63 S.
Hegg, C.; Jeisy, M.; Waldner, P., 2004: Wald
und Trinkwasser, eine Literaturstudie.
Birmensdorf, Eidg. Forschungsanstalt für
Wald, Schnee und Landschaft. 60 S.
Hildebrand, E.E., 1986: Zustand und Entwicklung der Austauschereigenschaften
von Mineralböden aus Standorten mit
erkrankten Waldbeständen. Forstwiss.
Cent.bl. 105: 60–67.
Schimel, D.S., 1995: Terrestrial ecosystems
and the carbon cycle. Global Change Biology 1: 77–91.
Schwertmann, U.; Fischer, W.R., 1982: pH
distribution and buffering of soils. Z.
Pflanzenernähr. Bodenkd. 145: 221–223.
Schwertmann, U.; Süsser, P.; Nätscher, L.,
1987: Proton buffer compounds in soils. Z.
Pflanzenernähr. Bodenkd. 150: 174–178.
Ulrich, B., 1983: Soil acidity and its relations to acid deposition. In: Ulrich, B.;
Pankrath, J. (eds.) Effects of accumulation of air pollutants in forest ecosystems.
Heidelberg, Springer. 127–146.
53
Abstract
Sustainability of forest soil functions: acid buffering as an example
Given current and future climatic changes and anthropogenic pollution, the sustainability of the regulation functions of forest soils is crucial. These functions include the storage of water, carbon and nutrients, as well as the buffering of acidity
and filtering of pollutants. We conducted a case study of 115 forest soils located
in the central cantons of Switzerland looking at the sustainability of their capacity to buffer acidic inputs. As an indicator, we estimated the sensitivity of a soil to
a decrease in base saturation under ongoing acidic inputs, using criteria that are
based on the properties of the entire soil profile. With this indicator we were able
to assess the relative ability of soils to deal with acidic inputs in the long run, without compromising other important soil functions. The soil collective investigated was geographically biased to ensure it contained mainly soils developed from
carbonate containing rock. We found that the sustainability of a soil’s capacity to
buffer acidic inputs decreases with increasing depth of the decarbonated soil layer.
Its depth is strongly dependent on the carbonate content of the bedrock and the
intensity of weathering. Furthermore, in many strongly acidified soils, trees markedly influence the sustainability of the buffer function through their uptake of
nutrients from lower soil horizons, which they then re-introduce into the topsoil
through their litter.
Keywords: acid deposition, soil buffer, soil functions
Forum für Wissen 2013: 55–60
55
Werden im Boden gespeicherte Metalle durch
Umweltveränderungen freigesetzt?
Wolfgang Wilcke, Moritz Bigalke und Adrien Mestrot
Universität Bern, Geographisches Institut, Hallerstrasse 12, CH-3012 Bern, [email protected]
Der Klimawandel könnte in der Schweiz zu ausgeprägteren Nassphasen führen.
Die resultierende Wassersättigung verursacht Sauerstoffmangel im Boden und
senkt das Redoxpotenzial. Unter solchen chemisch-reduzierenden Bedingungen
können gespeicherte Metalle durch Auflösung von Eisen- und Mangan-(Hydr-)
oxiden gelöst und verlagert werden. Gleichzeitig kommt es zu einer bisher wenig
beachteten Freisetzung von Metall-Kolloiden in die Bodenlösung. Ein weiterer,
zahlreiche Metalle betreffender Transformations-Prozess unter sauerstoffarmen
Bedingungen ist die Biomethylierung. Mit sinkendem Redoxpotenzial wird ­dieser
Prozess verstärkt, der zum Beispiel für As mit einer Minderung, für Hg aber mit
einer Zunahme der Toxizität verbunden ist. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass zeitlich zunehmende Nassphasen voraussichtlich zu einer (Re-)Mobilisierung von Metallen in Waldböden in gelöster, kolloidaler und alkylierter Form
führen ­würden.
1Einleitung
Eine Bewertung der Belastung von
Waldböden mit ausgewählten Metallen (Cr, Ni, Cu, Zn und Pb) wurde von
Zimmermann et al. (2006) anhand von
95 Bodenprofilen aus der gesamten
Schweiz vorgenommen. Dabei zeigte
sich, dass vor allem in der Ostschweiz
häufig Cr- und Ni-Gehalte im mineralischen Oberboden auftreten, die den
Richtwert der VBBo (1998) überschreiten. Dies steht im Zusammenhang mit Serpentin-Gestein und hat
daher geogene Gründe. In den Unterböden wurden häufigere Cr- und NiRichtwertüberschreitungen gefunden
als im Oberboden, was ebenfalls auf
überwiegend geogene Gründe der Crund Ni-Belastung hinweist. Die Richtwerte der VBBo (1998) für Cu wurden
lediglich in wenigen Unterböden der
Südschweiz überschritten und es zeigte sich kein Hinweis auf Cu-Einträge
aus der Atmosphäre. Die Zinkgehalte
der untersuchten Böden überschritten
weder im Unter- noch im Oberboden
die Richtwerte der VBBo (1998) und es
zeigten sich Hinweise auf eine geringe
anthropogene Zn-Anreicherung. Blei
ist das einzige Metall, dessen Gehalte
im Oberboden häufiger die Richtwerte
überschreiten als im Unterboden, was
auf eine anthropogene Belastung, die
vermutlich noch aus der Zeit der Verwendung bleihaltigen Benzins stammt,
hinweist. Zusammenfassend lässt sich
feststellen, dass es in Waldböden der
Schweiz – mit Ausnahme weniger
kleinräumig belasteter Standorte (z. B.
Schiessanlagen im Wald) – flächen­
deckend geringe Probleme aufgrund
von anthropogener Bodenkontamination mit Metallen gibt, dass aber regional durchaus aus geogenen Gründen
stark erhöhte Schwermetallgehalte auf­
treten.
Um mögliche zukünftige Gefahren,
die von den regional erhöhten Schwermetallgehalten ausgehen können, einzuschätzen, müssen Veränderungen
des physiko-chemischen Bodenmilieus durch die vielfältigen aktuellen
Umweltveränderungen (u. a. Klimawandel, Nähr- und Schadstoffeinträge, beschleunigte Bodenversauerung)
berücksichtigt werden. Die vielleicht
markanteste aktuelle Umweltveränderung, der Klimawandel, wird sich in der
Schweiz voraussichtlich auf die Wassergehalte und damit verbunden den Sauerstoffhaushalt und das Redoxregime
des Bodens auswirken. Klimaprognosen rechnen mit steigenden Temperaturen, länger anhaltenden Trockenphasen, sowie mit vermehrten Stark­
regenereignissen und Veränderungen
der Schnee- und Gletscherschmelze
(Fischer und Schär 2009; Min et al.
2011; IPCC 2012), obwohl eine Vorhersage der Entwicklung des Niederschlagsregimes aktuell noch schwierig
ist (O’Gorman und Schneider 2009).
Die Auswirkungen dieser Entwicklung
auf die Bodenfeuchte und das Redoxpotenzial sind komplex und hängen neben den genauen klimatischen
Bedingungen auch von den Eigenschaften der jeweiligen Böden ab (IPCC
2012). Daher ist es schwierig, die generelle Bedeutung dieser Veränderung
auf die Redoxpotenziale in Waldböden abzuschätzen. Es kann aber davon
ausgegangen werden, dass in Auenwäldern und in stau- und grundwasserbeeinflussten Wäldern, zum Beispiel auf
Pseudogleyen, die in der Schweiz häufig auftreten, der Klimawandel Einfluss
auf das Redoxregime im Boden haben
wird. Im Hinblick auf die Mobilisierung von in Waldböden gespeicherten
Metallen könnten schon wenige Tage
anhaltende Nassphasen mit niedrigen
Redoxpotenzialen eine wichtige Rolle spielen (Abb. 1). Daher fokussieren
wir im Folgenden auf die Auswirkungen von Nassphasen auf die Überführung von Metallen in die Bodenlösung
in gelöster oder kolloidaler Form sowie
auf die Alkylierung und Bioverflüchtigung von Metallen.
2.1 Metallfreisetzung in die
Bodenlösung
Änderungen des Redoxpotenzials in
Böden können starke Auswirkungen
auf die Metallkonzentrationen in der
Bodenlösung und die Bindungsformen der Metalle in der Bodenfestphase haben (Grybos et al. 2009; Weber
et al. 2010). Kommt es zu einer Wassersättigung des Bodens wird der im
56
Wasser vorhandene Sauerstoff schnell
von Bodenorganismen verbraucht. Aus
Mangel an Sauerstoff werden im Folgenden die bei der Oxidation organischer Substanz entstehenden Elektronen auf alternative Elektronenakzeptoren (z. B. Nitrat) übertragen. Schon
innerhalb von wenigen Tagen nach der
Wassersättigung kommt es zur Reduktion von Mn- und Fe-(Hydr)Oxiden,
den Sesquioxiden. Bei der reduktiven
Auflösung dieser (Hydr)Oxide werden auch mit ihnen vergesellschaftete Metalle (z. B. As, Cr und Co) in
die Bodenlösung abgegeben (Borch
et al. 2010). Die reduktive Auflösung
von Sesquioxiden ist immer auch mit
einem Verbrauch von Protonen verbunden, wodurch in sauren Böden der
pH-Wert in der Bodenlösung ansteigen
kann. Durch diesen pH-Wert-Anstieg
kommt es zu einer Mobilisierung von
organischer Substanz (in gelöster und
kolloidaler Form) und damit verbunden auch zu einer Mobilisierung von
Organo-Metallkomplexen, die wieder­
um die Mobilität von Schadmetallen
im Boden stark erhöhen können (Grybos et al. 2007, 2009). Ein weiterer möglicher Effekt der sinkenden Redoxpotenziale ist die Biomineralisierung
und Reduktion von bestimmten Metallen (z. B. Cu), die wiederum den kolloidalen Anteil dieser Metalle in der
Bodenlösung stark erhöhen können
(Weber et al. 2009). Bei fortschreitender Wassersättigung kann es schliesslich zur Reduktion von Sulfat zu Sulfid kommen. Zu Beginn der Sulfatreduktion wird eine Reihe von Metallen
durch die Bildung kolloidaler Sulfide
kurzfristig stark mobilisiert (Weber
et al. 2009). Bei anhaltend niedrigem
Redoxpotenzial kommt es aber zu
einer Aggregation der Kolloide und
zu abnehmenden Metall-Konzentrationen in der Bodenlösung. Die als Sulfid gebundenen Metalle sind nun unter
anhaltend tiefen Redoxpotenzialen
immobil, werden aber bei einer Belüftung des Bodens (Abnahme der Wassersättigung) wieder remobilisiert.
Die Metallmobilisierung im Boden
läuft also in verschiedenen Stufen und
unterschiedlichen Zeitskalen ab. Während As vorwiegend durch die reduktive Auflösung von Sesquioxiden in die
Bodenlösung überführt wird und die
Konzentrationen in der Bodenlösung
auch lange nach der einsetzenden Was-
Forum für Wissen 2013
Abb. 1. Freisetzung von a) As und b) Cu unter reduzierenden Bedingungen in die Bodenlösung. Bitte beachten Sie die unterschiedliche Skalierung der Y-Achsen.
sersättigung im Boden noch ansteigt,
kommt es zum Beispiel bei Cu zu einer
schnellen Mobilisierung durch Biomineralisation und anschliessende CuxSBildung (Weber et al. 2009; Abb. 1).
Neben der Metallfreisetzung in die
Bodenlösung ändern sich auch die
Metallbindungsformen in der Bodenfestphase in Abhängigkeit vom Redoxpotenzial. Eine sequenzielle Extraktion mit sauerstofffrei inkubiertem
Boden zeigte in einem von uns durchgeführten Laborexperiment ansteigende Gehalte der meisten Metalle in zwei
relativ gut bioverfügbaren Fraktionen
mit zunehmender Dauer der Inkubation (Ergebnisse nicht dargestellt).
Ähnliche Beobachtungen berichteten
Weber et al. (2009, 2010), die mithilfe von Röntgen-Absorptionsspektrometrie (XAS) nachwiesen, dass sich
mit zunehmender Inkubationsdauer
die chemische Elementspeziierung im
Boden ändert. Während die meisten
dieser Erkenntnisse in Laborexperimenten gewonnen wurden, lassen sich
auch vor Ort in Waldböden Metallverlagerungen erkennen. Die Verlagerung von Eisen- und Manganoxiden in
wasserbeeinflussten Böden ist anhand
der entstehenden rot-weissen Marmorierung schon mit blossem Auge zu
erkennen, während es im Hinblick auf
potentielle Schadmetalle keine direkten visuellen Hinweise gibt.
Mit neuen Analysemethoden lassen
sich aber auch über die reinen (kleinen) Gehaltsänderungen nicht detektierbare Spurenmetall-Verlagerungen
in vernässten Böden untersuchen. Eine
geeignete Methode ist zum Beispiel
die Analyse der stabilen Metallisotopenverhältnisse. Metallisotope zeigen
Fraktionierungen (Verschiebungen der
Isotopenverhältnisse) in Abhängigkeit
von den physiko-chemischen Bedingungen (z. B. Redoxbedingungen)
im Boden. Werden Metalle aus dem
Boden ausgewaschen, ändert sich die
Isotopen-Zusammensetzung
sowohl
des Auswaschungs- als auch des Einwaschungs-Horizontes. Das Isotopenverhältnis der Probe wird dabei als d-Wert
relativ zu einem internationalen Isotopenstandard angegeben, wie in Gleichung 1 beispielhaft für Cu gezeigt.
Gleichung 1:
( Cu /
(
⎝ Cu /
⎛
δ 65Cu[‰] = ⎜⎜
65
65
63
63
Cu )sample
Cu )NIST 976
⎞
− 1⎟ *1000
⎟
⎠
Mit dieser Methode lassen sich Hinweise auf eine Mobilisierung und Auswaschung von Cu aus Waldböden finden. Bei einer Untersuchung von vier
Grund- oder Stauwasser-beeinflussten
Böden (zwei Gleyen und zwei Pseudogleyen) und vier nicht vernässtenBöden (zwei Podsolen und zwei Braunerden) stellte sich heraus, dass Cu in
den vernässten Böden mit zunehmender Tiefe isotopisch schwerer wurde
(0,11 ± 0,07‰; 95 % Konfidenzintervall), während es in den oxisch verwitterten Böden isotopisch leichter wurde
(–0,37 ± 0,21‰; 95 % Konfidenzintervall; Bigalke et al. 2010; 2011). Diese
Unterschiede lassen sich dadurch erklären, dass im Boden unter Sauerstoffmangel chemisch reduzierte Cu-Verbindungen – wahrscheinlich Kolloide
– freigesetzt und verlagert werden. Die
reduzierten Kolloide haben ein leichteres Cu-Isotopenverhältnis und das verbleibende Cu im Boden wird isotopisch
schwerer, je mehr Cu verlagert wird.
Forum für Wissen 2013
Die Cu-Isotopenverhältnisse zeigten
in einem Auenboden ausserdem eine
enge Korrelation mit den Eisen-Gehalten, was darauf schliessen lässt, dass
die gleichen Bedingungen, die zu der
reduktiven Eisen(hydr)oxid-Auflösung
und Fe-Verlagerung führen, auch die
Fraktionierung der Cu-Isotopenverhältnisse verursachen (Abb. 2; Bigalke
et al. 2010, 2013). In den nicht vernässten Boden findet eine entgegengesetzte
Isotopenfraktionierung statt, die wahrscheinlich auf die fortschreitende
Bodenentwicklung (Verwitterung, Bindung von Cu an organische Substanz
und (Hydr)Oxide) zurückzuführen ist.
Im Falle von Cu lässt sich also zeigen,
dass die Redoxverhältnisse im Boden
einen messbaren Einfluss auf die Auswaschung von Cu aus dem Boden
haben.
Zusammenfassend ist daher anzunehmen, dass sich mit einer Veränderung der Niederschlagsintensität und
-frequenz und somit auch der Dauer von sauerstoffarmen, reduzierenden Verhältnissen im Boden, auch die
Mobilität und Verfügbarkeit verschiedener (Schad-)Metalle in Waldböden
ändert. Ob daraus eine neue Gefahrenlage entsteht, ist für den einzelnen
Standort zu beurteilen.
2.2 Alkylierung von Metallen
Viele Metalle und Halbmetalle können
in Böden biologisch methyliert werden.
Wir konzentrieren uns im Folgenden
auf Arsen (As). Arsen ist ein potenziell giftiges Element (Fee 2009), das
aus natürlichen und anthropogenen
Abb. 2. Zusammenhang zwischen FeGehalten und d65Cu-Werten in einem Süsswasserwatt der Elbe.
57
Quellen in die Umwelt freigesetzt wird
(Adriano 2001). Geogene Belastungen haben eine wichtige Bedeutung für
die As-Gehalte in Böden und As-Konzentrationen in Gewässern (Nicholas
et al. 2003). Die VBBo (1998) akzeptiert einen maximalen As-Gehalt
von 50 mg kg–1 in Böden auf Kinderspielplätzen und Hausgärten. In der
Schweiz gibt es drei grössere geogene
As-Anreicherungen. (1) Die Thermalund Mineralquellen in der Ostschweiz,
(2) die eisenangereicherten Kalk- und
Tonsteine des Jura sowie (3) Sulfiderzablagerungen und Silikatgesteine in
den Alpen (Donzel 2001; Pfeifer et al.
2002; Le Bayon et al. 2011).
Weltweit konzentrieren sich die
meisten Forschungsarbeiten auf Askontaminierte Wässer in Bangladesh
und Südostasien (Chowdhury et al.
2000; Rahaman et al. 2010; Hossain
et al. 2012), wo die Gesundheit von bis
zu 100 Millionen Menschen durch hohe
As-Konzentrationen im Trinkwasser
bedroht wird (Ng und Moore 2005).
Die Speziierung von As wird dabei
kaum betrachtet, weil das meiste As im
Wasser anorganisch ist. In Böden wird
die As-Mobilität und -Toxizität aber
stark von mikrobiellen Transformationen beeinflusst (Thomas et al. 2001;
Fee 2009). Beispielsweise kann die
Biomethylierung von As seine Toxizität reduzieren, indem sie hochgiftige
anorganische As-Spezies in die deutlich weniger schädlichen Organo-AsVerbindungen verwandelt. Dieser Prozess ist mit der Entstehung von flüchtigen As-Spezies verbunden, die als
Arsine bezeichnet werden (Mestrot
et al. 2009, 2011, 2013). Sowohl Bio­
methylierung als auch Bioverflüchtigung reagieren sensitiv auf Veränderung des Redoxregimes. Solche Veränderungen ergeben sich in Abhängigkeit
vom Humusgehalt des Bodens zum
Beispiel durch periodische Überflutungen, anhalten­de Niederschläge auf
Stauwasser-be­einflussten Standorten
oder Hitze-/Kältewellen, deren Häufigkeit in der Schweiz in naher Zukunft
möglicherweise ansteigt. Daher ist es
wichtig, die mikrobielle As-Freisetzung aus Böden zu verstehen und zu
ermitteln, ob diese Transformationen
zur Bildung von weniger giftigen Spezies (z. B. durch Biomethylierung) oder
sogar zu einer As-Gehaltsabnahme in
den Böden (Bioverflüchtigung) füh-
ren. Forschungsarbeiten in Bangladesh,
China und Indien legen nahe, dass
Wassersättigung und die Anwesenheit von organischer Substanz eher zur
Freisetzung anorganischer As-Spezies,
die sehr giftig sind, führen. Allerdings
ist bislang sehr wenig darüber bekannt,
ob in Böden der gemässigten Breiten
ähnliche Transformationen auftreten
wie in tropischen Böden.
Fallbeispiel Juraweide
Aus den bisherigen Ausführungen wird
deutlich, dass die Ermittlung nicht
nur der As-Gesamtgehalte, sondern
auch der chemischen As-Speziierung
unerlässlich ist, wenn wir die Reaktion von As-belasteten Waldböden auf
sich ändernde Klimabedingungen einschätzen wollen. Im folgenden Beispiel
konzentrieren wir uns auf die As-Freisetzung und -Methylierung in einem
Weideboden mit hohen As-Gehalten
im Jura in Reaktion auf Klimaänderungen und Beweidung durch Kühe. Dazu
führten wir Mikrokosmen-Experimente durch, in denen wir mit Kuhdung
versetzte Bodenproben unter Wassersättigung bei 30 °C inkubierten, um
nassere und wärmere Bedingungen als
aktuell zu simulieren. Wir untersuchten
die Bodenlösung auf die gesamten AsKonzentrationen sowie die As-Speziierung, um alle Aspekte der As-Freisetzung zu erfassen. Zusätzlich bestimmten wir das Redoxpotenzial, den
pH-Wert und die gelöste organische
C-Konzentration (Englisch: dissolved
organic carbon, DOC). Abbildung 3
zeigt die As-Freisetzung in die Bodenlösung in Abhängigkeit von ansteigenden Kuhdung-Applikationen. Es wird
offensichtlich, dass die Zugabe von
Kuhdung die As-Freisetzung erhöhte aber auch, dass ohne Kuhdung As
unter niedrigen Redoxpotenzialen in
die Lösung überführt wurde. Übertragen auf Waldböden spekulieren
wir, dass zum Beispiel die infolge der
anhaltenden N-Einträge (Galloway et
al. 2004) in weit verbreitete N-limitierte Wälder stimulierte Netto-Primärproduktion (LeBauer und Treseder
2008) eine ähnliche Wirkung auf die
As-Freisetzung haben könnte. Abbildung 4 zeigt, dass die gesamte As-Freisetzung auch unabhängig vom Gehalt
an organischer Substanz mit sinkenden
Redoxpotenzialen exponentiell anstieg
und dass die Freisetzung bereits ober-
58
Forum für Wissen 2013
Gesamte As-Konzentration [µg.l–1]
120
100
5% Kuhdung
R² = 0,9997
80
2% Kuhdung
R² = 0,9996
60
0% Kuhdung
R² = 0,9985
40
20
0
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
Dauer der Inkubation [Tage]
Abb. 3. Entwicklung der gesamten As-Konzentration in den Bodenlösungen von Mikrokosmen während der 16-tägigen Inkubation eines As-belasteten jurassischen Bodens in Abhängigkeit vom zugesetzten Anteil an Kuhdung.
Gesamte As-Konzentration [µg.l–1]
120
100
0%
2%
5%
80
60
40
R² = 0,9027
20
0
0
50
100
150
200
250
Redoxpotenzial [mV]
Abb. 4. Zusammenhang zwischen den gesamten As-Konzentrationen in den Bodenlösungen von Mikrokosmen nach 16-tägiger Inkubation eines As-belasteten jurassischen Bodens
und dem Redoxpotenzial des Bodens in Abhängigkeit vom zugesetzten Anteil an Kuhdung
(in Massen-%).
100
As-Speziierung [%]
90
80
70
60
50
40
30
20
10
0
Tag 6 Tag 7 Tag 8 Tag 16
0 % Kuhdung
DMA (V)
MMA (V)
Tag 6 Tag 7 Tag 8 Tag 16
2 % Kuhdung
AS (V)
Tag 6 Tag 7 Tag 8 Tag 16
5 % Kuhdung
As (III)
Abb. 5. Speziierung von As in As(III), As(V), Monomethyl-As(V) (MMA) und DimethylAs(V) (DMA) in der Bodenlösung zwischen Tag 6 und Tag 16 der Inkubation eines jurassischen Bodens in Abhängigkeit vom zugesetzten Anteil an Kuhdung (in Massen-%).
halb eines Redoxpotenzials von 0 einsetzte, also bereits unter subaeroben
Bedingungen. Nach 16 Tagen Inkubation kam es zur Bildung von Methyl-AsVerbindungen (Abb. 5). Die MethylAs-Verbindungen umfassten in der
nicht mit Kuhdung versetzten Variante bis zu 25 Prozent der gesamten AsKonzentrationen und trugen damit zu
einer Abschwächung der As-Toxizität
bei. Warum mit absinkendem Redoxpotenzial der Beitrag von As(V) zur
gesamten As-Konzentration in der
Bodenlösung zunahm, also As offenbar oxidiert wurde, ist unklar. Wir
haben grösste Sorgfalt darauf verwendet, dass sich der Redoxzustand zwischen Entnahme der Bodenlösung und
der Analyse nicht verändert und halten
daher einen analytischen Artefakt für
unwahrscheinlich. Das Gleichgewicht
zwischen As(III)- und As(V)-Spezies
in der Bodenlösung ist fragil und wird
u.a. durch gelöste organische Substanzen, die auch oxidierend wirken können (z. B. Semi-Chinone), beeinflusst
(Borch et al. 2010). Im beobachteten
Redoxbereich können As(III) und
As(V) koexistieren. Die Aufklärung
der Transformationen zwischen den
verschiedenen Arsinen ist Gegenstand
eines aktuellen EU-finanzierten Forschungsprojektes (Marie Curie, BIOMETA) in unserer Gruppe.
Der untersuchte Boden aus dem Jura
wies mit 25 mg kg–1 einen erhöhten
As-Gehalt auf, der jedoch noch unter
dem Grenzwert der VBBo (1998) von
50 mg kg–1 lag. Die gesamten As- sowie
die Methyl-As-Konzentrationen in
der Bodenlösung stiegen mit sinkendem Redoxpotenzial und steigenden
Gehalten an über Kuhdung zugeführter organischer Substanz an. Obwohl
unsere Untersuchung mit einem Weideboden durchgeführt wurde, haben
frühere Studien belegt, dass OrganoAs-Verbindungen auch in unbelasteten
Waldböden auftreten, in denen organische As-Spezies bis zu 30 Prozent der
aus der Waldbodenauflage extrahierbaren As-Gehalte umfassten (Huang
und Matzner 2007). Bevor abschliessende Folgerungen im Hinblick auf die
verstärkte Verflüchtigung von AlkylMetallverbindungen in Reaktion auf
den Klimawandel getroffen werden,
sollten noch andere, zum Beispiel saure
As-belastete Böden sowie andere Elemente wie Selen, Antimon und Zinn
Forum für Wissen 2013
untersucht und dabei auch verschiedene Szenarien der möglichen Klimaänderung berücksichtigt werden.
3Schlussfolgerungen
Unsere Fallbeispiele zeigen, dass mit
einer verstärkten Metallfreisetzung
aus der Festphase in die Bodenlösung
sowohl in gelöster als auch in kolloidaler Form zu rechnen ist, sollte sich
das Redoxregime der Böden infolge veränderter Niederschlagsmuster
mit ausgeprägteren Nassphasen verändern. Gleichzeitig würde vermutlich die Alkylierung von Metallen verstärkt, die für manche Metalle – wie
As – zu einer Detoxifizierung und vielleicht sogar zu einer Abreicherung aus
Böden über Verflüchtigung, für andere Metalle – wie dem Hg – aber sogar
zur Bildung besonders toxischer Verbindungen führen würde. Die Reaktion der in Schweizer Waldböden gespeicherten Metalle auf veränderte Klimabedingungen bedarf der weiteren
wissenschaftlichen Untersuchung, die
verschiedene Klimaänderungsszenarien sowie den Einfluss von Bodeneigenschaften auf die Metallfreisetzung
berücksichtigen muss.
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Abstract
Will metals stored in soil be released in response to environmental change?
Current climate change is expected to lead to more pronounced wet phases in
Switzerland. The resulting water saturation means that O2 concentrations in
soils will decrease and thus the redox potential will drop. Under such reducing
conditions, metals stored in soils can be released through the reductive dissolution
of iron and manganese (hydr)oxides and leached to deeper soil layers and the
groundwater. At the same time, a mobilization of colloids will take place. An
additional transformation process under reducing conditions is biomethylation,
which affects many (semi-)metals. Decreasing redox potentials enhance
biomethylation, leading to, e.g., a reduction in toxicity for As but an increase for
Hg. Our findings indicate that prolonged phases of soil water saturation are likely
to (re-)mobilize metals in forest soils in dissolved, colloidal and alkylated form.
Keywords: climate change, soil moisture regime, chemical reduction, colloids,
metal mobilization, metal methylation, stable metal isotopes
Forum für Wissen 2013: 61–69
61
Biodiversität von Waldböden – Auswirkungen des Einsatzes
von Holzerntemaschinen auf mikrobielle Gemeinschaften
Beat Frey1 und Martin Hartmann1,2
1
2
WSL Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft, Zürcherstrasse 111, CH-8903 Birmensdorf
Agroscope Reckenholz-Tänikon ART, Reckenholzstrasse 191/211, CH-8046 Zürich
Auf einem Grossteil der Schweizer Waldböden kann das Befahren mit Forstmaschinen langfristig die Bodenstruktur im Bereich der Fahrspuren verändern.
Inwiefern dies den Boden nachhaltig schädigt, wurde bisher vorwiegend aus
bodenphysikalischer Sicht untersucht. Neue genetische Methoden erlauben nun,
die Wirkungen auf die mikrobielle Gemeinschaften im Boden zu untersuchen.
Europaweit erstmals fanden auf zwei Bodentypen des schweizerischen Mittellandes Fahrversuche statt. Die Ergebnisse zeigen, dass mechanische Bodenbelastungen den Wasser- und Gashaushalt in Fahrspuren verändern. In verdichteten
Böden verschwinden Mykorrhizapilze weitgehend. An ihrer Stelle breiten sich
Fäulnispilze aus, was die Baumverjüngung massgeblich beeinträchtigt. Zusätzlich
werden die an sauerstoffarme Verhältnisse angepasste Bakterien-Arten begünstigt, was die Bildung von Lachgas und Methan fördert. Die Studie zeigt, dass mikrobielle Gemeinschaften empfindlich auf mechanische Bodenbelastungen reagieren, womit sie helfen, Strukturschäden in Waldböden zu beurteilen sowie Richt­
linien aufzustellen, ab wann ein Bodenschaden problematisch ist.
1Einleitung
1.1 Physikalischer Bodenschutz
im Wald
Ein fruchtbarer Boden ist eine wichtige Voraussetzung für eine nachhaltige Waldbewirtschaftung. Mechanische
Belastungen des Bodengefüges durch
Holzerntemaschinen können jedoch
diese Fruchtbarkeit beeinträchtigen.
Die umfangreichsten Bodenverdichtungen der letzten Jahrzehnte stammen
von den Räumungsarbeiten nach dem
Sturm Lothar (1999 / 2000).
In den letzten Jahren sind Holz­
erntemaschinen ständig produktiver
und damit auch schwerer geworden
(Borchert und Kremer 2007). Diese
Maschinen sind oft während des ganzen Jahres und bei jeder Witterung im
Einsatz, besonders wenn Wälder nach
Stürmen aufgeräumt werden müssen,
um Wertverlust des Holzes und Befall
durch Schädlinge zu vermeiden. Mit
dieser Entwicklung einhergehend steigt
das Risiko schädlicher Bodenstrukturveränderungen an. Es besteht ein breiter Konsens, dass die hohen Belastungen
durch Erntefahrzeuge Bodenverfor-
mungen mit noch nicht genau abschätzbaren ökologischen Folgen bewirken
können. Unter Fahrspuren ist die Drainage- und Belüftungskapazität erheblich eingeschränkt (Marshall 2000)
und wirkt sich negativ auf die Feinwurzeln der Bäume und deren Naturverjüngung aus (Gaertig et al. 2001).
Spätestens seit der Aufarbeitung der
«Lothar»-Schäden ist der physikalische
Bodenschutz und damit die bodenschonende Holzernte ein wichtiger Aspekt
der Waldbewirtschaftung. Gegenwärtig
wird in der Schweiz an der gesetzlichen
Festlegung von Richt- und Prüfwerten
für bodenphysikalische Parameter im
Wald gearbeitet (Lüscher et al. 2005).
Die Verordnung über Belastungen des
Bodens VBBo (VBBo 1998) bezweckt,
die Bodenfruchtbarkeit langfristig
zu erhalten. Jeder Boden muss genügend durchlüftete Hohlräume enthalten, damit Wurzeln, Pilze, Bakterien,
Regenwürmer und andere Bodenlebewesen wirken können und Wasser versickern kann.
Aus ökologischer und wirtschaftlicher Sicht ist es wichtig, für das Schutzgut Boden den Begriff der «langfristigen Beeinträchtigung der Bodenfrucht-
barkeit nach mechanischer Belastung»
zu umschreiben und zu quantifizieren.
Solche Festlegungen setzen die Kenntnis der ganzen Kausalitätskette von der
mechanisch verursachten Strukturveränderung bis zu den in der VBBo aufgeführten funktionalen Kriterien der
Bodenfruchtbarkeit voraus (Abb. 1).
Eine Schlüsselfrage ist, ab welchem
Grad der strukturellen Veränderung
von einem Bodenschaden gesprochen
werden kann. Die bisher vorgeschlagenen Bewertungsansätze sind leider
nur teilweise wissenschaftlich abgesichert (Block et al. 2002). Bisher wurden Bodenverdichtungen vornehmlich
unter dem Aspekt ihrer Wirkungen auf
den Luft- und Wasserhaushalt sowie
die Ertragsfähigkeit von Böden untersucht (Schack-Kirchner et al. 2007).
Wirkungen auf Bodenorganismen und
Bodenmikroorganismen und deren
Fähigkeiten, in Waldböden Nähr- und
Abfallstoffe umzuwandeln, fanden bisher kaum Beachtung, obwohl diese
Organismen als exzellente Frühwarnsysteme bei schädlichen Bodenveränderungen gelten (Oberholzer und
Scheid 2007; Wilke et al. 2009).
1.2Bodenmikroorganismen
als Zeiger von mechanischen
Bodenbelastungen
Die Bodenlebewesen als schützenswerte Lebensgemeinschaft, als Strukturbildner und Garanten für die ungestörte Funktionalität der Böden stehen im
Zentrum des Bodenschutzes. Dies gilt
insbesondere für Bodenbakterien und
Pilze, welche unverzichtbar sind für die
Funktionalität von biogeochemischen
Stoffkreisläufen, die Stabilisierung der
Bodenstruktur und eine verbesserte
Speicherung von Wasser und Nährstoffen im Boden.
62
Forum für Wissen 2013
Funktionen
Eigenschaften
Bodenstruktur
Bodenfeuchte
Bodenluft (O2; CO2)
Bodenlebewesen
Häufigkeit, Biomasse
Diversität, Struktur
Baum
Artenspektrum
Wachstum
Schwellenwerte?
Luft- und Wasserhaushalt
Wassertransport
Gasaustausch
Wasserspeicher
Aktivität
Streuabbau
N-Fixierung
Treibhausgase
Potential für natürliche Regeneration
Lagerungsdichte
Porenvolumen
Porenverteilung
Durchlässigkeit
Holzproduktion
Durchwurzelung
Verjüngung
Abb. 1. Zusammenhang zwischen standorttypischen Bodeneigenschaften und Bodenfunk­
tionen und deren Beeinflussung durch mechanische Bodenbelastungen durch schwere Erntemaschinen im Wald. Für die Diagnose einer Verdichtung sind Kenngrössen des Bodenlufthaushaltes und biologische Parameter (z. B. mikrobielle Diversität, Baumwachstum) ebenso
wichtig für die Charakterisierung von Bodenstrukturstörungen wie die Bodenphysik (z. B.
Lagerungsdichte). Das Ziel ist, Schwellenwerte zu finden, oberhalb derer die Funktions­
tätigkeit der Böden zumindest auf niedrigem Niveau erhalten bleibt und damit Regenera­
tionschancen bestehen. Quelle: modifiziert nach Weisskopf unpubliziert.
Die Auswirkungen von Bodenverdichtung auf die Bodenmikroorganismen und ihre Aktivität sind sehr komplex und von vielen Faktoren abhängig
(Abb 1). Häufig werden globale mikrobielle Messgrössen bestimmt, um die
Wirkungen von Verdichtungen auf die
Bodenmikroorganismen zu untersuchen. Die Messung dieser Grössen ist
zwar relativ effizient, aber nicht ohne
Probleme. So zeigen mikrobielle Biomasse und C-Mineralisation in Feldund Laborexperimenten widersprüchliche Ergebnisse. Jordan et al. (2003)
zeigten, dass sich die mikrobielle Aktivität und mikrobielle Biomasse durch
Bodenverdichtungen reduziert, andere Studien hingegen zeigten keine Veränderungen dieser Messgrössen (Ponder und Tandros 2002; Shestak und
Busse 2005). Eindeutige Beziehungen zwischen Schadwirkungen (globalen mikrobiellen Aktivitätsparametern) und physikalischen Parametern
(Lagerungsdichte) liessen sich daher
nicht ableiten (Wilke et al. 2009). Ein
möglicher Grund könnte sein, dass globale mikrobielle Parameter zu ungenau oder zu wenig empfindlich sind,
um Veränderungen der Bodenstruktur auf Bodenmikroorganismen nachzuweisen. Neue genetische Methoden
sind oft aber empfindlicher als globale mikrobielle Aktivitätsparameter und
erlauben, die Wirkungen einer mechanischen Bodenbelastung auf die mikrobiellen Gemeinschaften im Boden zu
untersuchen (Frey und Lüscher 2008;
Frey 2010).
1.3 Untersuchung der mikrobiellen
Diversität in Waldböden mittels
genetischen Methoden
Die mikrobielle Diversität in Waldböden ist höchst komplex und übertrifft
um Grössenordnungen die Diversität
von Pflanzen und Tieren. Bakterien bilden die häufigste Gruppe von Mikroorganismen in Böden. Es wird geschätzt,
dass zwischen 2000 und 18 000 bakterielle Arten und bis zu 10 Milliarden
bakterielle Zellen ein Gramm Waldboden besiedeln, ungefähr zwanzigmal so viele wie in einem Ackerboden
(Roesch et al. 2007).
Lange Zeit haben technische Limitierungen es nicht erlaubt, diese komplexen mikrobiellen Lebensgemeinschaften adäquat zu untersuchen. Kultivierung von Mikroorganismen scheint
keine praktikable Methode zu sein, wissen wir doch heute, dass nur etwa ein
Prozent der Mikroorganismen unter
Laborbedingungen tatsächlich kultivierbar sind (Rappe und ­
Giovannoni
2003). Die Entwicklung genetischer
Methoden haben unser Verständnis
vom mikrobiellen Leben revolutioniert
und uns Zugang zu nicht-kultivierbaren
Organismen ermöglicht (Pace 2009).
Mit Hilfe von aus Umweltproben
extrahiertem Erbgut (DNA), ist es
heute möglich, die Zusammensetzung
mikrobieller
Lebensgemeinschaften
zu charakterisieren. Dieser Ansatz
umgeht den Schritt der Kultivierung
und ermöglicht ein tieferes Verständnis der Diversität, Struktur und Funktion von mikrobiellen Gemeinschaften. Dazu werden oft ribosomale Gene
analysiert, welche bei der Bildung von
Eiweissen eine wichtige Rolle spielen,
allem zellulären Leben zu Grunde liegen und darum ausgezeichnete molekulare Marker sind, um Verwandtschaftsbeziehungen zwischen verschie­
denen
Arten und Artgruppen zu charakterisieren. Mittels Analysen von DNAFragmentlängen («Fingerprints») kön­nen wir heute die Wirkung von strukturellen Bodenveränderungen auf die
Zusammensetzung der mikrobiellen
Lebensgemeinschaften im Boden eindeutig nachweisen (Frey et al. 2009;
Frey et al. 2011). «Fingerprints» lassen aber noch keine Rückschlüsse auf
Diversität, Zusammensetzung und
den genetischen Verwandschaftsgrad
von Bakterien und Pilzen im Boden
zu. In den letzten Jahren sind enorme Fortschritte auf dem Gebiet der
DNA-Sequenzierung gemacht worden. Die Analyse charakteristischer
DNA-Abschnitte (Dekodierung oder
Sequenzierung), ermöglicht phylogenetische Rückschlüsse über deren
Träger. Im Anbetracht der Entwicklung von Next-Generation Sequencing (kurz NGS) Technologien, wie zum
Beispiel 454-Pyrosequenzierung sind
wir erst am Anfang einer dramatischen
Veränderung unseres Wissens über
das mikrobielle Leben in der Umwelt
(Margulies et al. 2005; Hartmann
et al. 2012; Hartmann et al. 2013).
Forum für Wissen 2013
63
2 Eigene Untersuchungen
2.1 Morphologische Typisierung
von Fahrspuren
Seit 2006 bearbeitet die Forschungseinheit Waldböden und Biogeochemie
der Eidgenössischen Forschungsanstalt WSL das Projekt «Physikalischer
Bodenschutz im Wald» (Lüscher et al.
2009b). Dieses langjährige Projekt hat
zum Ziel, den Einfluss von Bodenverdichtung auf verschiedene Bodenparameter zu untersuchen und Schwellenwerte zu definieren (Abb. 1), unterhalb
Bodenwassergehalt …
Spurtyp 1
derer sich ein Waldboden noch regenerieren kann und keine dauerhaften
Bodenschäden entstehen (Kremer
et al. 2009). Für die Umsetzung des
physikalischen Bodenschutzes wäre es
vorteilhaft, verbindliche und nachvollziehbare ökologische Vorgaben, sogenannte Interventionswerte zu erhalten (Stichworte: Was ist ein Schaden?
Wann soll saniert werden?).
Zu diesem Zweck wurde mithilfe
von ausgewählten morphologischen
Merkmalen eine Typisierung der Fahrspuren entwickelt, die auf ökologisch
wirksame Veränderungen im Boden
Tiefe kleiner als 10 cm
organische Auflage
Oberboden
… unterhalb
oder gleich der
Ausrollgrenze
Unterboden
Spurtyp 2
meist kleiner als 10 cm
teilweise seitliche Aufwölbungen durch Auspressen
organische Auflage
Oberboden
… zwischen
Ausroll- und
Fliessgrenze
Unterboden
Spurtyp 3
grösser als 10 cm
seitliche Aufwölbungen
durch Bodenfliessen
organische Auflage
Oberboden
… gleich oder
über der
Fliessgrenze
Spurtyp 1–3:
Spurtyp 4:
Spurtyp 5:
Spurtyp 6: Unterboden
vgl. Tab. 1
flächige, ungeordnete Befahrung;
ältere nicht mehr typisierbare Spur;
vermutete Spur, überdeckte oder überwachsene Fahrlinie.
Abb. 2. (A) Typisierung der Fahrpuren entstanden durch schwere Holzerntemaschinen. (B)
Karte mit verschiedenen Spurentypen auf einer Testfläche der Pilotstudie. Quelle: Lüscher
et al. 2008a.
schliessen lässt (Lüscher et al. 2008a;
Lüscher et al. 2009a; Lüscher 2010).
In unterschiedlichen Regionen des
Schweizerischen Mittellandes (Ermatingen TG, Messen SO, Heiteren BE)
wurden auf Lotharflächen im befahrbaren Gelände alle noch erkennbaren
Fahrspuren kartiert, um einen Einblick
in die heutige Situation der Fahrspurendichte und Spurtypenanteile zu
erhalten. Die morphologische Typisierung der Fahrspuren (Spurtypen)
wurde in enger Zusammenarbeit mit
den Forstorganen und Bodenschutzfachstellen sowie mit Unterstützung
der Technischen Universität München
erarbeitet und publiziert (Lüscher
et al. 2008a). Generell können die
Fahrpuren in drei Kategorien eingeteilt werden, die als leicht (Spurtyp 1),
mittel (Spurtyp 2: Oberboden teilweise verschoben, Fahrrille von wenigen
cm ersichtlich) und schwer (Spurtyp
3: Oberboden komplett verschoben,
Fahrrille von mehreren cm, seitliche
Aufwölbungen ersichtlich) bezeichnet
werden können (Abb. 2A).
Die so definierten Spurtypen stehen im Einklang mit der Abstufung
der Richt- und Prüfwerte der VBBo
(1998) und dienen als Indikatoren für
das Management des Bodenschutzes
(z. B. Spurtyp 1 ist ein Warnzeichen,
bei Spurtyp 3 muss saniert werden).
Besonders beachtenswert ist, dass in
diesen Lotharflächen die durch Bodenverdichtung betroffene Fläche bis zu
zehn Prozent des ganzen befahrbaren
Areals ausmachte (Abb. 2B). Zur quantitativen Hinterlegung dieser morphologisch erkennbaren Spurtypen wurden Veränderungen der effektiven
Lagerungsdichte des Bodens, des Grobporenvolumens, der gesättigten Wasserleitfähigkeit sowie des Eindringwiderstandes herangezogen (Lüscher et al.
2005; Frey et al. 2009). Diese bodenphysikalischen Grössen ergaben ein
recht genaues Bild der befahrungsbedingten Veränderungen. Zur Charakterisierung der biotischen Konsequenzen
der beobachteten Bodenstrukturveränderungen wurden Kenngrössen des
Bodenlufthaushaltes sowie mikrobiologische Parameter erhoben (Abb. 1
und 3). An Probepunkten mit typischer
Ausprägung wurden bodenphysikalische Parameter erhoben und genetische «Fingerprintanalysen» durchgeführt.
64
Forum für Wissen 2013
Bisherige Auswertungen auf den
Lotharflächen haben gezeigt, dass das
Befahren mit schweren Forstmaschinen eine signifikante Veränderung von
physikalischen, chemischen und biologischen Bodeneigenschaften in den
Bodentiefen 5 und 20 cm hervorruft
(Frey und Lüscher 2008; Frey et al.
2009; Frey 2010; Frey et al. 2010). Bakterielle Lebensgemeinschaften unter
den Fahrspuren mit starker Störung
(Spurtyp 3) unterschieden sich wesentlich von den Gemeinschaften in den
ungestörten (Referenz) oder wenig
gestörten (Spurtyp 1; z. T. Spurtyp 2)
Bodenproben (Abb. 3). Diese Befunde
standen in engem Zusammenhang mit
nachweisbaren Bodenstrukturveränderungen und drastischen Reduktionen
der Wasser- und Gasleitfähigkeit in den
Fahrspuren (Kremer et al. 2009; Frey
et al. 2009; Frey 2010).
Trotz wertvoller Erkenntnisse hat
diese Pilotstudie ihre Grenzen. Die
bisherigen Analysen waren begrenzt
durch ungenügend kontrollierte experimentelle Bedingungen (Frey und
Lüscher 2008; Frey et al. 2009; Frey
et al. 2010). Im Weiteren sind weder das
exakte Datum der Befahrung dieser
Flächen noch Informationen über Reifendruck und damalige physikalische
Bodenbedingungen vorhanden. Dies
verunmöglicht eine genaue Charakterisierung der Störungen und Aussagen
über potentielle Schwellenwerte mittels dieser Daten.
0,6
Befahrung
Um die experimentellen Bedingungen besser zu kontrollieren sowie den
zeitlichen Verlauf beziehungsweise die
natürliche Regeneration der Verdichtung zu evaluieren, wurden in zwei
dieser Flächen im Wald unter kontrollierten Bedingungen Fahrversuche
durchgeführt (Frey et al. 2011; Hartmann et al. 2013). Das Ziel der Befahrungsexperimente war die Erzeugung
von typischen Spurausprägungen, die
Ermittlung des bodenphysikalischen
Zustandes und die Charakterisierung
der mikrobiellen Gemeinschaften in
Abhängigkeit von der Spurausprägung.
Spurtyp 1
Bakerielle Populationsstrukturen
Wasserleitfähigkeit
2
A
Spurtyp 3
C
1,6
B
md–1
PC2
Spurtyp 2
–0,6
2.2 Fahrversuche unter
kontrollierten Bedingungen
1,2
0,8
0,4
0
–1,0
PC1
Ref
1,5
1
2
3
Abb. 3. Zusammenhang zwischen Strukturschaden durch Befahrung (B), Bodenfunktionen (C) und Zusammensetzung der bakteriellen
Populationsstrukturen (A). Visuelle Typisierung 1, 2 und 3 der Fahrspuren nach der Art von Veränderungen im Boden (B). Ein schwere
Bodenbeeinträchtigung (Spurtyp 3) zeichnet sich durch eine stark reduzierte Wasserinfiltration (C) in den Fahrspuren aus. Die Zusammensetzung der bakteriellen Populationsstrukturen (A) zeigt in Abhängigkeit vom Spurtyp stark unterschiedliche Cluster in der Hauptkomponenentenanalyse (PC1; PC2) auf. Spurtypen 1 (grüne Kreise) und 2 (blaue Dreiecke) liegen eng bei den Punkten aus dem ungestörten
Referenzbereich (Ref: Sterne), davon unterscheiden sich die Gemeinschaften im Spurtyp 3 (rote Quadrate) deutlich.
A
B
Abb. 4. (A) Fahrexperiment mit schweren Holzerntemaschinen am Versuchsstandort Ermatingen TG. (B) Stark verdichtete Fahrspur mit
teilweise schlecht abfliessendem Wasser. Quelle: Frey und Lüscher 2008.
Forum für Wissen 2013
65
CH4 [µmol m–2 h–1]
Co2 [µmol m–2 h–1]
700
600
500
400
300
200
100
0
Ref
Sp1
Sp2
Sp3
5
5
3
4
N2O [µmol m–2 h–1]
800
1
–1
–3
–5
Ref
Sp1
Sp2
Sp3
3
2
1
0
Ref
Sp1
Sp2
Sp3
Abb. 5. Netto Emission von Kohlenstoffdioxid (CO2), Methan (CH4) und Lachgas (N2O) in unbefahrenen Bodenflächen (Ref), sowie nach
Befahrung im Spurtyp 1 (Sp1), Spurtyp 2 (Sp2) und Spurtyp 3 (Sp3). Quelle: Hartmann et al. 2013.
Diese Erkenntnisse sollen helfen, einen
Bodenschaden besser zu definieren.
In zwei Waldstandorten im schweizerischen Mittelland mit tonigem Lehm
(Ermatingen, 2007) und schluffigem
Sand (Heiteren bei Bern, 2008) wurde versucht, die aufgrund von morphologischen Kriterien ausgeschiedenen
Spurtypen 1, 2 und 3 bei bekanntem
Bodenwassergehalt und mit definierten Maschinenmassen künstlich zu
erzeugen (Abb. 4). Dazu wurde in ebener Lage mit möglichst einheitlichen
Bodeneigenschaften über je drei Fahrlinien ein Feuchtegradient angelegt,
durch den beim Befahren die angestrebten Fahrspurtypen entstanden.
Vor der Befahrung wurde die Bodenfeuchtigkeit entlang der vorgesehenen Spuren (dreifach im Abstand von
jeweils 20 Meter wiederholt) an verschiedene Wassergehalte angepasst.
Dieser Gradient reichte von 0,17 (plastisches Limit) über 0,27 zu 0,35 (flüssiges Limit) Gramm Wasser pro Gramm
Boden. Der erste Teil der vorgeschriebenen Fahrlinie (um den Spurtyp 1
anzustreben) wurde mit einer Plastikplane für zwei Tage abgedeckt, um
die Infiltration von Regen zu verhindern. Die zwei anderen Versuchsfelder wurden vor dem Fahrexperiment
mit verschiedener Intensität bewässert
(um den Spurtyp 3 anzustreben). Die
Forstmaschinen auf diesen verschieden feuchten Böden verursachten Verdichtungen der Kategorie leicht, mittel
und schwer (Abb. 2A) auf einer Länge von mindestens zehn Metern. Der
unmittelbar benachbarte, unbefahrene
Boden wurde als Kontrolle (Referenz)
verwendet.
Messungen von bodenphysikali­
schen Eigenschaften
Um das Ausmass von Bodenveränderungen in Abhängigkeit von der
Spurausprägung zu charakterisieren,
wurden die Spurtypen (1, 2, 3) systematisch auf ihren bodenphysikalischen
Zustand nach der Belastung untersucht. Dies geschah mit konventionellen Verfahren an Stechzylinderproben (100 cm3) aus zwei Tiefenstufen
(5–10 cm; 15–20 cm). Strukturrelevante
Bodenkennwerte wie Lagerungsdichte, Porenraum, Porengrössenverteilung
und ökologisch bedeutsame Funktionalitätsparameter wie gesättigte Wasserleitfähigkeit und intrinsische Luftleitfähigkeit wurden im Labor erhoben
(Frey et al. 2009).
Die Ergebnisse zeigen deutlich: Bodenverdichtung reduziert das Porenvolumen und kann Poren zerstören. Mit
der Wassersättigung durch verschlechterte Wasserinfiltration kommt es in
den Fahrspuren häufig zu stehendem
Wasser. Der Anteil des mit Wasser
gefüllten Porenraums nimmt zu und die
Gasleitfähigkeit sinkt, was wiederum
Diffusion und Verfügbarkeit von Sauerstoff limitiert (Abb. 3).
Messungen von Spurengasen
im Boden
Im verdichteten Porenvolumen in den
Fahrspuren wird der Gasaustausch zwischen Boden und Atmosphäre gestört.
In Zusammenarbeit mit Dr. Pascal
Niklaus (Universität Zürich) wurden
zwischen April 2008 und April 2009
monatlich die Flüsse der Treibhausgase Kohlendioxid (CO2), Methan (CH4)
und Lachgas (N2O) in diesen Böden
gemessen. Die Gewinnung der Bodengasproben erfolgte während der Messperioden in allen Versuchsvarianten
mittels geschlossener Bodenhauben
(«closed chamber method») in jeweils
4-facher Wiederholung. Kohlendioxid,
Methan und Lachgas in den Gasproben wurden an einem Gaschromatographen (Firma Shimadzu) gemessen
(Frey et al. 2011; Hartmann et al. 2013).
Die Messungen zeigten eine Zunahme von Methan und Lachgas und eine
Abnahme von Kohlendioxid mit steigender Bodenverdichtung (Abb. 5). Bei
sehr starker Verdichtung fällt die Lachgasproduktion. Dies könnte ein Hinweis
darauf sein, dass unter sauerstoffarmen
Bedingungen die Bildung von Lachgasvorstufen limitiert ist oder dass Lachgas komplett zu molekularem Stickstoff
umgesetzt wird. Ebenfalls kann aus diesen Daten die Hypothese aufgestellt
werden, dass eine reduzierte Aktivität
der Zersetzung von organischem Material (Dekomposition) zu einer niedrigeren CO2-Produktion in diesen Böden
führt (Abb. 5).
Ein gestörter Gasaustausch zwischen Boden und Atmosphäre in verdichteten Fahrspuren beeinflusst die
Lebensbedingungen der Mikroorganismen in Bezug auf O2- beziehungsweise CO2-Gehalt der Bodenluft. Der
im Boden enthaltene Sauerstoff wird
in kurzer Zeit durch aerobe Mikroorganismen verbraucht, um organisches
Material abzubauen. Bei sauerstofflimitierenden Bedingungen kommt es
zu veränderten mikrobiellen Prozessen
im Boden, indem das Oxidationsmittel für die Energiegewinnung der Mik-
66
A
Forum für Wissen 2013
B
4.E+07
30 Tg
30 Tg
8.E+06
180 Tg
180 Tg
360 Tg
mcrA Genkopien pro Gramm Boden
mcrA Genkopien pro Gramm Boden
3.E+07
3.E+07
2.E+07
2.E+07
1.E+07
5.E+06
mation (Spurtyp 2) mit eingeschränkten Bodenfunktionen, treten vermehrt
aerobe und anaerobe Bakterien auf,
die insbesondere Lachgas produzieren. In der gravierendsten Deformationsstufe (Spurtyp 3) verschwinden die
aeroben Bakterien und die Mykorrhizapilze. Die Abundanz von Methanproduzierenden und Sulfat-reduzierenden Bakterien und saproben Pilzen
nehmen dagegen zu. Diese sind also
der zweifelsfreie Hinweis für einen
«Bodenschaden».
9.E+06
360 Tg
7.E+06
6.E+06
5.E+06
4.E+06
3.E+06
2.E+06
1.E+06
2.3 Regenerationsmassnahmen von
verdichteten Fahrspuren
0.E+00
0.E+00
Ref
Sp1
Sp2
Sp3
Ref
Sp1
Sp2
Sp3
Abb. 6. Zunahme der Methan-Produzierer (Methanogene) in Ermatingen (A) und Heiteren
(B) 30, 180 und 360 Tage nach der Befahrung in den verschiedenen Spurtypen (1, 2 und 3).
Ref = ungestörte Referenz. Methan-Produzierer wurden mittels dem spezifischen, funktionellen Markergen mcrA (Methyl coenzyme M reduktase A) untersucht. Quelle: Frey et al.
2011.
roorganismen von Sauerstoff zu Nitrat
und anderen Elektronen-Akzeptoren
erfolgt (Schnurr-Pütz et al. 2006).
Veränderungen in der Zusammensetzung bakterieller und pilzlicher
Gemeinschaften
Vor und zu verschiedenen Zeitpunkten nach der Befahrung (1, 7, 30, 180,
360, 720, 1080 und 1440 Tage) wurden
Bodenproben aus den Fahrspuren und
Referenzflächen in zwei verschiedenen
Tiefen (5 und 15 cm) und an mehreren
Standorten innerhalb einer Fahrspur
entnommen. Alle Proben pro einzelne Fahrspur und Tiefe wurden in einer
Probe vereint, sodass jede Verdichtungsstufe und Tiefe dreifach repräsentiert war. Aus diesen Bodenproben
wurde fortlaufend DNA (Erbsubstanz)
der kompletten, mikrobiellen Gemeinschaft extrahiert und gelagert. So stehen heute 432 Proben (2 Fahrexperimente × 4 Verdichtungsstufen × 2 Tiefen × 3 Replikate × 9 Zeitpunkte) zur
Analyse bereit. Die Beprobungs-Serie
wird weiter fortgesetzt. Die Diversität und Verwandschaftsbeziehung der
mikrobiellen Gemeinschaften in unseren Bodenproben erfassen wir mittels
hochauflösenden 454-Pyrosequenzierung (Hartmann et al. 2012; Hartmann
et al. 2013).
Erste genetische Untersuchungen an
diesen Proben haben die Hypothese
bestätigt, dass spezifische bakterielle
Gemeinschaften, wie zum Beispiel die
Methan-Produzierer (Methanogene),
stark auf Verdichtung und die damit
zusammenhängenden physikalischen
und chemischen Veränderungen der
Bodeneigenschaften reagieren (Abb.
6). Diese Methan-produzierenden Bak­
terien sind somit gute Indikatoren um
eine mechanische Überbelastung des
Bodens anzuzeigen (Frey et al. 2011).
In sauerstoffarmen Böden nehmen die
Methanbakterien stark zu, welche
sonst vor allem in Moorböden oder auf
Reisanbauflächen leben. In der Folge
werden die Waldböden zu einer
Methanquelle, während sie normalerweise eine Methansenke bilden. Wird
wie oben erwähnt davon ausgegangen,
dass ungefähr drei Prozent der Wald­
fläche im Mittelland (­
Brändli 2010)
mechanisch ­
beeinträchtigt sind, so
werden hochgerechnet ungefähr 55 t
­
Methan pro Jahr (oder 1265 t CO2Äquivalente) ausgestossen. Im Vergleich zur Landwirtschaft ist dieser
Methanausstoss im Wald jedoch immer
noch sehr gering.
Ausgehend von einer intakten
Bodenstruktur (Referenz, Spurtyp 1)
ist die mikrobielle Lebensgemeinschaft
von aeroben Bakterien mit CO2 als
Atmungsprodukt und einer Dominanz
an Mykorrhizapilzen gekennzeichnet.
Kommt es zu einer plastischen Defor-
Verdichteter Boden kann sich durch
wechselfeuchte Bedingungen, Frostzyklen, Wurzelwachstum oder Regenwurmaktivität regenerieren (verbesserter
Gasaustausch zwischen Boden und
Atmos­phäre). Die natürliche Regeneration kann aber langsam und je nach
Schweregrad der Bodenverdichtung
sogar unmöglich sein (von Wilpert und
Schäffer 2006).
Darum treten aktive Regenerations­
massnahmen immer mehr in den Fokus
der Bodenschutzforschung. Auf LotharReservatsflächen (Habsburg AG, Messen SO, Brüttelen BE) wurden stark
geschädigte Fahrspuren im Jahre 2002
mit Alnus glutinosa (Schwarzerle als
Jungpflanzen) und Salix viminalis
(Korbweide als Stecklinge) bepflanzt,
um die biologische Regeneration zu
beschleunigen und die Spuren zu sanieren (Lüscher et al. 2008b). Erste Resultate nach sieben Jahren Baumwachstum
zeigten, dass die Schwarzerlen in den
stark verdichteten Fahrspuren anwachsen konnten (Abb. 7), die Korbweiden
jedoch nicht. Innerhalb von sieben Jahren durchwurzelten die Erlen den verdichteten Boden bis in Tiefen von > 80
cm. In den bepflanzten Fahrspuren wurde eine Verbesserung der Gefügestruktur, Luftleitfähigkeit (Abb. 8) sowie
eine Minderung der Vernässungsmerkmale nachgewiesen (Meyer et al. 2010;
Meyer et al. 2011a, b, c). Folglich erwies
sich das Wurzelwachstum von spezifischen Baumarten, wie zum Beispiel der
Schwarzerle, als hoffnungsvolle Methode, verdichtete Böden effizient und kostengünstig aufzulockern (Lüscher et al.
2008b). Über den Erfolg dieser Methode im Hinblick auf mikrobiologische
Forum für Wissen 2013
67
A
B
ten, dass die Regeneration nach aktiven Sanierungsmassnahmen durch
Bepflanzung schneller geschieht als
ohne Massnahmen. Für die Untersuchung von allfälligen Unterschieden
werden strukturrelevante Bodenkennwerte (Lagerungsdichte, Porenraum,
Porengrössenverteilung)
wiederholt
er­fasst. Im weiteren werden auch die
Durchwurzelung und die Regenwurmgänge ausgezählt (Meyer et al. 2011b,
c).
3 Schlussfolgerungen und
Ausblick
Abb. 7. (A) Mit Schwarzerlen und Korbweiden bepflanzte Fahrspuren in Habsburg AG
(März 2007). (B) Schwarzerlenwurzel unter einer Fahrspur in Brüttelen BE vier Jahre nach
der Pflanzung. Quelle: Lüscher et al. 2008b.
Tiefe 0,2–0,3 m
Luftfeuchtigkeit [m2]
*
83-11
*
4e-11
*
0e-00
Erle
mit Kompost
Erle
ohne Kompost
Erle unbefahrene
Referenz
Fahrspur ohne
Massnahme
Abb. 8. Verbesserung der Luftleitfähigkeit in der Tiefe 20–30 cm (n = 5) 6 Jahre nach der
Bepflanzung mit Schwarzerlen. Quelle: Meyer et al. 2011b).
Parameter in den verdichteten Fahrspuren ist allerdings wenig bekannt.
Ausgehend von diesen ersten Erfahrungen wurden Sanierungsmassnahmen in den Fahrspuren der Versuchsfläche Ermatingen (TG) durch Pflanzung von Alnus glutinosa (Schwarzerle)
im Jahre 2008 gestartet, um die durch
schwere Forstmaschinen verdichteten Böden mittels Wurzelwachstum zu
regenerieren. Der Erfolg der Bepflanzung auf das Regenerationsvermögen der mikrobiellen Gemeinschaften
wird gegenwärtig in Proben von 2011
(drei Jahre nach Bepflanzung) und
2013 untersucht. Die 2008 genommenen Bodenproben dienen als Basisdaten. Referenzflächen sowie verdichtete,
aber nicht bepflanzte Fahrspuren dienen als Kontrolle. Die Anlage dieses
Versuchsfeldes erlaubt, etwaiger regenerativer Strukturentwicklungen über
zweijährliche Wiederholungsaufnahmen zu verfolgen.
Bei diesen Untersuchungen steht
das Regenerationsvermögen mikrobieller Gemeinschaften im Vordergrund,
welche in den Fahrversuchen darauf
hindeuten, dass die Böden verdichtet
und ihre Struktur gestört sind. Mikrobielle Gemeinschaften regenerieren
sich im Allgemeinen gut. Vermutlich
werden Arten, die durch abnehmende Sauerstoffverfügbarkeit zurückgehen (sensible Indikatoren) oder
zunehmen (resistente Indikatoren), in
den Zustand vor der Störung zurückkehren, sobald der mechanische Stress
durch Sanierungsmassnahmen gemindert oder behoben wird. Wir vermu-
Diese Studien zeigen, dass eine mechanische Bodenbelastung mit schweren
Erntemaschinen die ökologische Funktionalität des Bodens stark beeinträchtigen kann. Durch Veränderung des
Luft- und des Wasserhaushaltes im
Boden werden die Lebensbedingungen der Mikroorganismen in Bezug
auf O2- beziehungsweise CO2-Gehalt
der Bodenluft verändert. Folge ist eine
erhebliche Veränderung der Diversität
und Gemeinschaftsstruktur von Bakterien und Pilzen.
Gewisse mikrobielle Schlüsselgruppen (z. B. Methan-Produzierer oder Sulfat-reduzierende Bakterien) dienen als
Zeiger, um derartige Störungen anzuzeigen. Sie sind der zweifelsfreie Hinweis für einen «Bodenschaden» (Abb.
9). Eine Zeitreihe erlaubt uns zudem
das Potenzial und den Erfolg der Regeneration in verdichteten Böden mittels
den mikrobiellen Zeiger abzuschätzen.
Es wird sich herausstellen, ob die mikrobiellen Schlüsselgruppen fähig sind,
sich in einem verdichteten Boden nach
Bepflanzung wieder zu erholen (und
nach wieviel Jahren). Diese Erkenntnis
wird aufzeigen, wie wahrscheinlich es
ist, dass sich ein durch schwere Forstmaschinen verdichteter Boden durch
Bepflanzung erholen kann. Bei einer
Verdichtung oberhalb eines zu definierenden Schwellenwertes wird keine
natürliche Regeneration stattfinden.
Aufgrund der Bedeutung dieses Themas im Hinblick auf den Bodenschutz
und die Emission klimarelevanter Gase
aus Waldböden erscheint eine vertiefte
Forschung zu den Zusammenhängen
zwischen physikalischen Beeinträchtigungen und den Folgen für die Boden-
68
Forum für Wissen 2013
Spurtyp 1
Spurtyp 2
Spurtyp 3
+
+/–
–
CO2
voll aerob
N2O
aerob – anaerob
nicht
beeinträchtigt
beeinträchtigt
Spurbild
Bodenphysik
Mikrobiologie
Boden- und
Wurzelfunktion
?
CH4
anaerob
geschädigt
Abb. 9. Vorrangiges Ziel muss die Abgrenzung von beeinträchtigten zu geschädigten Bodenfunktionen sein. Sie ist dann auf die operative Ebene der visuellen Spurausprägung zu übertragen.
mikroorganismen angebracht. Nachdem ein hinreichend gutes, jedoch nur
generelles Prozessverständnis besteht,
müssen im nächsten Schritt die Schlüsselorganismen im Stickstoff- und Kohlenstoffkreislauf für die verschiedenen
Intensitäten verformter Böden zur Ableitung von Schwellenwerten untersucht
werden (Abb. 9). Wir vermuten, dass
stickstoffabbauende und -fixierende
so­wie methanbildende Organismen von
sauerstoffarmen Bedingungen profitieren,
während
stickstoffbildende,
methan-­
abbauende und pflanzensymbiotische (z. B. Mykorrhizapilze) Arten
negativ beeinflusst werden. Diese Störungen können weitreichende Konsequenzen bezüglich des Stickstoff- und
Kohlenstoffhaushalts nach sich ziehen
und können die Emission von
Treibhaus­
gasen signifikant erhöhen
sowie die Nährstoffstoffverfügbarkeit
in Waldböden negativ beeinflussen.
Diese Untersuchungen werden zu
einem stark verbesserten Verständnis
führen, wie diese funktionellen Schlüsselgruppen
durch
Forstwirtschaft
beeinflusst werden und auch helfen,
Richtlinien aufzustellen, unter welchen
Umständen Bodenschäden problematisch sind.
4Danksagung
Unsere Forschungsarbeiten w
­urden
durch ein WSL-internes Projekt
(5233.00029.001.01) unterstützt. Unser
Dank gilt speziell Peter Lüscher, der
uns unterstützte all die experimentellen Flächen zur mechanischen Bodenbelastung in den Waldstandorten zu
Nutzen. Ebenfalls danken wir Johann
Kremer, Stephan Zimmermann und
Pascal Niklaus, welche die umfangreichen Daten zu Bodenphysik und Klimagasen erhoben.
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Abstract
Biodiversity of forest soil – impact of logging machinery on microbial communities
The use of heavy logging machinery in Swiss forests often leads to the formation of ruts in which the soil suffers profound and long-lasting damage. The central
question is: what degree of structural change in the soil should be regarded as soil
damage? In two separate trafficking experiments, wheel tracks of different severities were created to explore the functional relationships between the physical
properties of the soil (compaction), and the way these influence vital soil functions,
greenhouse gas production and microbial diversity.
Compaction was found to alter soil porosity and thus strongly limit air and water
conductivity, leading to increased trace gas emissions (methane, nitrous oxide)
from the compacted forest soils. Compaction persistently altered the structure of
the microbiome and organisms capable of anaerobic respiration, such as methanogens and sulphate reducers, were significantly associated with compacted soils. Soil
compaction also detrimentally affected ectomycorrhizas, whereas saprobic and
parasitic fungi increased proportionally with compaction. These fungi can therefore be used as indicators in evaluating the degree of structural damage to the forest
soil after heavy machines have moved over it.
Keywords: forest soil compaction, soil physical characteristics, microbial diversity,
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Forum für Wissen 2013: 71–81
71
Bodenbiologie im Referenzmessnetz der Nationalen
Bodenbeobachtung NABO
Anna-Sofia Hug1, Andreas Gubler1, Franco Widmer2, Beat Frey3, Hansruedi Oberholzer4, Peter Schwab1 und Reto Meuli1
Agroscope Reckenholz-Tänikon ART, Nationale Bodenbeobachtung, Reckenholzstrasse 191, CH-8046 Zürich,
[email protected]
2
Agroscope Reckenholz-Tänikon ART, Molekulare Ökologie, Reckenholzstrasse 191, CH-8046 Zürich
3
WSL Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft, Rhizosphären Prozesse, Zürcherstrasse 111,
CH-8903 Birmensdorf
4
Agroscope Reckenholz-Tänikon ART, Bodenfruchtbarkeit /Bodenschutz
1
Viele für den Menschen wichtige Bodenfunktionen, wie der Abbau von organischem Material, die Stickstofffixierung oder die Grundwasserfilterung sind unter
anderem abhängig von den im Boden lebenden Organismen. Bodenlebewesen
reagieren sehr sensibel auf Veränderungen ihres Lebensraumes. Um frühzeitig
Hinweise auf schädliche Veränderungen im System Boden zu erhalten ist es für
die Nationale Bodenbeobachtung NABO von grossem Interesse, bodenbiologische Parameter routinemässig in ihr Messprogramm aufzunehmen. Basierend auf
den Erkenntnissen von bereits durchgeführten bodenbiologischen Untersuchungen der NABO und internationalen Richtlinien, wurde im Frühjahr 2012 damit
begonnen, an 30 Standorten des NABO-Referenzmessnetzes die bodenmikro­
biologischen Parameter mikrobielle Biomasse (bestimmt mit den Methoden
Fumigation-Extraktion und Substratinduzierte Respiration), Basalatmung und
DNS-Menge zu messen. Diese klassischen mikrobiologischen Bestimmungsmethoden werden dabei von der sich rasch entwickelnden molekulargenetischen
Analytik ergänzt. Diese auf der DNS basierenden Methoden eröffnen neue Möglichkeiten in der Erforschung der Diversität von Bodenorganismen und deren
Funktionen und weisen für die Bodendauerbeobachtung grosses Potential auf.
Dieser Beitrag stellt das Messkonzept sowie erste Resultate der Beprobung vom
Frühjahr 2012 vor.
1Einleitung
Seit 1984 betreiben die Bundesämter
für Umwelt (BAFU) und Landwirtschaft (BLW) gemeinsam das Nationale
Bodenbeobachtungsprogramm
(NABO). Dieses basiert auf dem
Umweltschutzgesetz (USG 1983) und
der damals noch geltenden Verordnung
über Schadstoffe im Boden (VSBo
1986). Zurzeit wird im landesweiten
NABO-Referenzmessnetz die Belastung des Bodens mit anorganischen
und organischen Schadstoffen an über
100 Standorten in fünfjährigen Beprobungszyklen überwacht. Mit der Ablösung der VSBo (1986) durch die Verordnung über Belastungen des Bodens
(VBBo 1998), die neu neben chemischen auch physikalische und biologische Bodenbelastungen berücksichtigt,
wurde der gesetzliche Auftrag für das
Bodenmonitoring ausgeweitet. Neben
den gesetzlichen Vorgaben haben sich
in den vergangenen 25 Jahren auch der
ökologische, wirtschaftliche und politische Rahmen der Umweltbeobachtung
geändert. So wird auch die Bodenbeobachtung mit neuen Fragestellungen
konfrontiert und neue Themenfelder
wie Biodiversität, Klimawandel oder
Landnutzungsänderungen sind in den
Vordergrund getreten. Um das Messnetz den neuen Rahmenbedingungen
anzupassen, hat sich die NABO zum
Ziel gesetzt, bodenbiologische Messgrössen als Routineparameter in ihr
Messprogramm aufzunehmen.
1.1 Bedeutung der Boden­
lebewesen
Oberstes Ziel der VBBo ist der langfristige Erhalt der Bodenfruchtbarkeit (VBBo 1998). Die Bodenfruchtbarkeit kann mit der Fähigkeit des
Bodens umschrieben werden, mit der
er durch seine physikalischen, chemischen und biologischen Eigenschaften
in der Lage ist, verschiedenste Funktionen wie etwa die Produktions-, Regulierungs- oder Lebensraumfunktion
(«ecosystem services») zu erfüllen. Das
Ökosystem Boden liefert somit in verschiedensten Bereichen die Grundlage für das Fortbestehen der Menschheit, wobei die Bodenorganismen mit
ihren vielfältigen Funktionen (Abbau
von organischen Material, Stickstofffixierung, Grundwasserfilterung, Bioremediation usw.) einen entscheidenden Beitrag dazu leisten. Der Wert
der «ecosystem services», der weltweit
durch Bodenlebewesen bereitgestellt
wird, wird auf rund 1,542 Milliarden
US$ pro Jahr geschätzt (FAO 2012).
Das
Bundes-Bodenschutzgesetz
Deutschlands etwa verlangt explizit die
nachhaltige Sicherung der natürlichen
Funktionen des Bodens (BBodSchG
1998). Auch die Schweizer Bodenpolitik des BAFU basiert auf den lebenswichtigen Bodenfunktionen (BAFU
2011).
1.2 Bodenbiologische Parameter
in der NABO
Wie zahlreiche Studien belegen, rea­
gieren Bodenlebewesen sensibel auf
Veränderungen ihres Lebensraumes
(Hartmann et al. 2006; Frey et al. 2006;
Frey et al. 2009; Dequiedt et al. 2011;
Frey et al. 2011; Thomsen et al. 2012).
Aus diesem Grund können bodenbiologische Parameter als Indikatoren genutzt werden, um Veränderungen des Systems Boden frühzeitig zu
erkennen. Um die Messergebnisse
an NABO-Standorten umfassend zu
interpretieren, sind Kenntnisse über
72
biologische Bodeneigenschaften für
die NABO unabdingbar. Für die Stand­
orte des NABO-Referenzmessnetzes
sind Standorteigenschaften (Textur,
Gehalt organischer Kohlenstoff, pH
oder Landnutzung) sowie die stoffliche Belastung mit Schwermetallen und
organischen Schadstoffen (PAK und
PCB) bekannt. Darüber hinaus werden im Rahmen des indirekten Monitorings (NABO-Flux) an ausgewählten
NABO-Standorten die Stoffflüsse (P
und N) anhand der Bewirtschaftungsangaben der Landwirte erfasst (Keller
et al. 2005; Della Peruta et al. 2013).
Diese Daten können wiederum für
die Interpretation der Messergebnisse
von bodenbiologischen Untersuchungen verwendet werden – und umgekehrt.
Bisherige Untersuchungen
Im Rahmen des Projektes «Langzeitbeobachtung von physikalischen und
biologischen
Bodeneigenschaften»
(LAZBO) wurde während sechs Jahren die Eignung ausgewählter Parameter für die Langzeitbeobachtung physikalischer und biologischer Eigenschaften von Böden beurteilt (Schwab et al.
2006). Zudem wurde in den Jahren
2004/2005 von Oberholzer et al. (2007)
an 59 NABO-Standorten eine einmalige Zustandserhebung bodenmikrobiologischer Kennwerte vorgenommen.
Im Rahmen dieser Projekte wurden
bodenmikrobiologische Parameter wie
die mikrobielle Biomasse, bestimmt
mit den Methoden «Substratinduzierte
Respiration» (SIR) und «ChloroformFumigations-Extraktion» (FE), die
Basalatmung sowie N-Mineralisierung
im aeroben Brutversuch gemessen.
Diese Parameterauswahl basierte auf
den Empfehlungen der Arbeitsgruppe «Vollzug Bodenbiologie» (VBB)
der Schweiz (VBB, BSA 2009). In der
Zustandserhebung von 2004/2005 wurden zudem bestehende Referenzwertmodelle zur Beurteilung der mikrobiellen Biomasse (SIR) für Acker- und
Graslandstandorte überprüft (Oberholzer et al. 2007).
Environmental Assessment of Soil for
Monitoring
2
Ecological Function and Biodiversity
Indicators in European Soils
1
Forum für Wissen 2013
Neue Messmethoden für die
Boden­biologie
Neben diesen klassischen Bestimmungsmethoden für bodenmikrobiologische Eigenschaften eröffnet der
Fortschritt in der molekulargenetischen Analytik neue Möglichkeiten
in der Erforschung der Diversität von
Bodenorganismen und deren Funktionen. Anhand von DNS-Extrakten aus
Bodenproben kann einerseits die Erbsubstanz der Organismen im Boden
quantifiziert werden. Die DNS-Menge wird in der Literatur auch als Biomassenindikator diskutiert (Hartmann et al. 2005; Dequiedt et al. 2011).
Andererseits ermöglicht die molekulargenetische Analytik auch qualita­
tive Aussagen über die Zusammen­
setzung bzw. die Diversität von mikrobiellen Lebensgemeinschaften. Dazu
werden bestimmte mikrobielle Markergene aus den DNS-Extrakten isoliert und eine grosse Anzahl von DNSSequenzen (bis zu Millionen mittels
«massive parallel sequencing») dieser
Markergene ermittelt und miteinander verglichen. Von der Diversität dieser Markergene lassen sich dann Rückschlüsse auf die Diversität der Mikroorganismen ziehen. Dies im Gegensatz
zur mikrobiellen Biomasse, bestimmt
mit den Methoden FE oder SIR, die
Aussagen über die Quantität der Biomasse, nicht jedoch über deren Zusammensetzung zulassen.
Einige Länder wenden molekularbiologische Methoden bereits in der
Bodendauerbeobachtung an. Frankreich hat im Rahmen seines Dauerbeobachtungsprogrammes
(Réseau
de Mesures de la Qualité des Sols)
die DNS aus Bodenproben von allen
2150 Standorten des Messnetzes extrahiert, quantifiziert und das Resultat
kartographisch dargestellt (Dequiedt
et al. 2011). Im Rahmen des «Countryside Survey» wurde in England an
1000 Standorten die Zusammensetzung der Bodenbakterien mit molekularbiologischen Methoden bestimmt
(Fingerprint Methode mittels t-RFLP)
und deren biogeographische Verteilung kartographisch erfasst (Griffiths
et al. 2011). Die Niederlande untersuchen im Rahmen ihres Dutch Soil Quality Network (DSQN) die mikrobielle
Diversität und wenden im Rahmen des
Projekts BISQ (Biological Indicator
of Soil Quality) Methoden der gene-
tischen Diagnostik an (Rutgers et al.
2009). Auch die europäische ENVASSO1-Initiative empfiehlt mikrobielle Parameter in ein Bodendauerbeobachtungsprogramm zu implementieren,
die Aussagen über die genetische und
funktionelle Diversität von Bakterien
und Pilzen zulassen (Kibblewhite et al.
2008). Im EU-Projekt EcoFINDERS2
wird der molekularen Technik bei der
Untersuchung von Organismen in der
Bodendauerbeobachtung
ebenfalls
gros­se Bedeutung beigemessen (Faber
et al. 2013). Im Ausblick wird das Potential der molekulargenetischen Analytik
für die Bodendauerbeobachtung noch
ausführlicher diskutiert (Kap. 4.4).
1.3 Das Projekt NABObio12_13
Im Rahmen des Projektes NABObio12_13 sollen in den Jahren 2012
und 2013 an 30 NABO-Referenzmessstandorten Aussagen über den Zustand
bodenbiologischer Eigenschaften gemacht und die erforderlichen methodischen Kriterien für eine Dauerbeobachtung festgelegt werden. Aufgrund der Resultate der Erhebungen
2012 und 2013 werden (1) Zusammenhänge zwischen biologischen Eigenschaften und weiteren Bodeneigenschaften, Standorteigenschaften (z.B.
Klima, Niederschlag) sowie Bewirtschaftungstypen
(Düngungsregime)
ausgewertet, (2) die Qualitätskriterien
für eine Dauerbeobachtung (Standortpräzision, Standortwiederholpräzision,
Referenzierung) quantifiziert und (3)
Zusammenhänge zwischen den klassischen (FE, SIR) und molekularbiologischen Methoden (DNS-Extraktion und
-Quantifizierung) zur Bestimmung der
mikrobiellen Biomasse untersucht. Mit
NABObio12_13 soll die Basis für den
Start einer Zeitreihe von bodenbiologischen Parametern in der NABO gelegt
werden (vgl. auch Kap. 4.4).
Das Projekt wird in Zusammenarbeit
mit Franco Widmer (Gruppe Molekulare Ökologie) und H.R. Oberholzer
(Gruppe Bodenfruchtbarkeit / Bodenschutz) der Agroscope ReckenholzTänikon ART und B. Frey (Gruppe
Rhizos­phären Prozesse) der Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und
Landschaft WSL durchgeführt.
Forum für Wissen 2013
2Methoden
2.1Standortauswahl
Die Untersuchungen erfolgen an zehn
Ackerbau-, zehn Grasland- und zehn
Waldstandorten des NABO-Referenzmessnetzes (vgl. Abb. 1). Die Ackerbau- und Graslandstandorte lassen
sich in intensiv und extensiv genutzte Standorte unterteilen. Bei der Auswahl der Waldstandorte werden die
Waldtypen Laub-, Misch- und Nadelwald unterschieden (vgl. Tab. 1). Um
für die Interpretation der Ergebnisse eine möglichst gute Datenlage zu
haben, wurde bei der Auswahl der
Ackerbau- und Graslandstandorte darauf geachtet, dass diese wenn möglich
auch Bestandteil des NABO-Flux-Programms sind. Alle ausgewählten Waldstandorte sind auch Teil des NitrateLeaching-Projekts3.
2.2Probenahme
Die Probenahme, -aufbereitung und
-lagerung erfolgt gemäss den Refe-
73
renzmethoden der Eidg. Landw. Forschungsanstalten (FAL, FAW, RAC,
1998). Um die Bedingungen den
Anforderungen des Projektes NABObio12_13 anzupassen, wurden dabei
folgende Punkte modifiziert:
–Um die Dauerbeobachtungsflächen
der NABO-Referenzmessstandorte
vor zu intensiver Störung zu schützen,
werden die Proben für bodenbiologische Untersuchungen auf einer Fläche
entnommen, die direkt angrenzend an
der regulären NABO-Referenzmessfläche liegt. Die Fläche beträgt ebenfalls 10 × 10 m (vgl. Abb. 2).
–
Stichprobenzahl: 3 Mischproben
aus 25 Einstichen pro Standort (mit
Hohlmeisselbohrer, 2,5 cm ø). Dieses
Vorgehen lehnt sich an internationale Untersuchungen an, die mindestens 15 Einstiche für eine Mischprobe empfehlen (Lischer et al. 2001,
Wagner et al. 2001). Bei der Ersterhebung im Frühjahr 2012 (und jedes
dritte darauffolgende Jahr) wird pro
Standort eine vierte Mischprobe
jeweils aus dem 4. Qua-dranten als
Referenzprobenmaterial genommen
(in Abb. 2 rot markiert).
–Beprobungstiefen: 0 bis 20 cm für
Grasland-, Ackerland- und Waldstandorte
–Wenn möglich sollen die Proben zu
folgendem Zeitpunkt entnommen
werden (vgl. Schwab et al. 2006):
–im Frühjahr nachdem die Böden
aufgetaut und nicht mehr wassergesättigt sind
–vor Beginn der Bodenerwärmung
(je nach Höhenlage unterschiedlich)
–vor Vegetationsbeginn und der
ersten N-Düngung
–vor einer Bodenbearbeitung oder
Weidegang
–Zur Bestimmung des Raumgewichts
der Feinerde sowie des Wassergehaltes wird mit der Humax-Schlagsonde
(4,8 cm ø) in den Ecken der Fläche
jeweils im 4. Quadranten eine Volumenprobe (Zylinderproben, 0 bis
20 cm) entnommen.
Abb. 1. Ausgewählte NABO-Referenzmessstandorte für das Projekt NABObio12_13 (als Rhomben dargestellt).
Im Rahmen des Projektes «Nitrate Leaching under changed climate conditions and forest management» interessiert die Frage, wie sich
der Stickstoffsättigungsgrad der LWF-Flächen (Langfristige Waldökosystemforschung) aufgrund der erhöhten Stickstoffeinträge
verändert hat (Waldner et al. 2010).
3
74
Forum für Wissen 2013
Tab. 1. Bodeneigenschaften und Nutzung der beprobten NABO-Referenzmessstandorte. aCaCO3 = Kalk; bCorg = Organischer Kohlenstoff;
c
RG FE = Raumgewicht Feinerde, zusammen mit dem Skelettgehalt in der NABO-Fünfterhebung bestimmt (Gubler et al. in Vorbereitung);
n.b. = nicht bestimmt.
Bodenkenngrössen 0–20 cm
Nutzung
NABO-Standort
Nadelwald Mischwald
Laubwald
Grasland
Ackerbau
25
m ü. M.
Nutzung:
Intensiv /
Extensiv
Bodentyp
(gemäss FAL)
pH CaCO3a
%
(CaCl2)
Corgb
%
Ton
%
Schluff RG FEc Skelett
%
g/cm3 Vol.%
Schleitheim / Milten
SH
545
I
Braunerde
6,8
2,8
2,4
59
30
0,9
1.0
Vallon
Zuzwil
Coldrerio
Vouvry
Leuggern / Etzwil
Oensingen
Etoy
Paspels
Klarsreuti
FR
BE
TI
VS
AG
SO
VD
GR
TG
439
557
336
379
465
450
435
830
559
I
I
I
I
E
E
E
E
E
Braunerde-Gley
Braunerde
Braunerde
Fluvisol
Braunerde-Pseudogley
Braunerde-Pseudogley
Braunerde
Phäozem
Braunerde
6,8
6,0
5,8
6,5
5,3
5,4
5,3
6,1
5,2
10,2
0,0
0,0
8,5
0,1
0,0
0,0
0,0
0,0
2,8
1,3
1,7
1,3
1,8
2,0
1,4
2,6
1,7
43
12
21
6
14
36
19
18
24
46
35
38
60
34
45
45
51
44
1,1
1,4
1,2
1,1
1,2
1,1
1,3
1,0
1,1
0,0
3,4
4,9
0,6
3,1
0,0
2,0
4,8
3,7
1
30
33
35
69
6
37
41
49
Aadorf / Tänikon
Ebikon / Dottenberg
Mollis
Le Cerneux-Péquignot
Attalens / Rombuet
Grindelwald / Itramen
Ependes
Kyburg-Buchegg
Unterschächen
TG 537
LU 635
GL 431
NE 1093
FR 818
BE 1915
FR 735
SO 464
UR 1100
I
I
I
I
I
E
E
E
E
Braunerde
Saure Braunerde
Fahlgley
Braunerde
Braunerde
Braunpodsol
Braunerde
Braunerde-Gley
Braunerde
6,2
5,0
5,9
5,6
5,8
3,9
5,9
4,9
4,6
0,9
0,1
0,0
0,0
0,0
0,0
0,0
0,0
0,0
3,9
2,8
3,8
3,5
3,3
6,5
2,7
2,4
5,7
35
20
33
28
26
25
19
24
33
34
33
55
49
37
50
35
34
27
1,0
1,0
0,8
1,0
0,9
0,7
1,1
1,1
0,8
2,6
2,3
0,2
0,0
5,9
0,0
1,7
0,0
4,1
70
Disentis
GR 1105
E
Braunerde
5,5
0,0
3,6
13
37
0,9
11,3
Rendzina
Pseudogley
6,6
4,4
2,0
0,0
4,9
2,7
14
24
72
51
0,6
1,0
5,1
1,0
5,4
3,9
0,2
0,0
3,7
11,7
31
n.b.
52
n.b.
0,8
0,4
0,0
8,7
46
54
95
102
28
63
68
77
87
8 Rothenfluh
BL
27 Jussy / Les Grands Bois GE
695
505
62 Bettlach / Bettlachstock SO
92 Novaggio / Cima Pianca TI
1065
1080
7
18
Braunerde
Humus-Eisenpodsol
Oberstammheim
ZH
581
Braunderde
5,1
0,0
2,9
28
35
0,9
4,0
Langenthal / Riedhof
BE
525
Parabraunerde
3,7
0,0
4,1
19
52
0,9
0,0
Fahlgley
Humus-Eisenpodsol
Regosol
Braunerde
5,8
3,3
4,9
5,5
0,0
0,0
0,0
0,0
13,1
18,6
5,0
5,1
n.b.
n.b.
21
12
n.b.
n.b.
22
45
0,2
0,3
0,7
0,6
0,0
5,0
11,2
3,7
45 Alpthal / Erlentobel
47 Davos / Seehornwald
73 Alvaneu
99 Visp / Albulawald
SZ 1180
GR 1655
GR 1560
VS 830
2.3Messgrössen
Abb. 2. Schema für Probenahme der Flächenmischproben für NABObio12_13. Die
Proben aus den Quadranten 1 bis 3 ergeben
die Mischproben. Das Probenmaterial aus
den 4. Quadranten wird als Referenzprobenmaterial verwendet.
Basierend auf den Erkenntnissen
des LAZBO-Projekts (Schwab et al.
2006) und der Zustandsuntersuchung
2004/2005 (Oberholzer et al. 2007)
werden klassische mikrobielle Parameter wie die mikrobielle Biomasse
(SIR und FE) und die Basalatmung
bestimmt (vgl. Tab. 2). Ergänzt werden
diese mit Methoden der molekulargenetischen Analytik (DNS-Menge).
Weiter werden wichtige Parameter wie
der pH-Wert, das CN-Verhältnis usw.
gemessen (vgl. Tab. 2).
Raumgewicht Feinerde
Das Raumgewicht Feinerde entspricht
der Masse der Feinerde (Fraktion ≤
2 mm) bezogen auf das Bodenvolumen
(kg TS dm–3). Das Raumgewicht Feinerde ist einerseits abhängig von den
Standorteigenschaften (Anteil organische Substanz, Körnung, Textur, Verdichtung, usw.), andererseits variiert
es über die Zeit in Abhängigkeit der
Bodenfeuchtigkeit (Quellungs- und
Schrumpfungsprozesse). Zudem können die gemessenen (gewichtsbezogenen) Werte der mikrobiellen Biomasse
(SIR und FE), der Basalatmung und
der DNS-Menge durch Multiplikation mit dem Raumgewicht Feinerde
auf das Bodenvolumen (dm3) bezogen
werden. Die Bestimmung des Raumgewichts Feinerde verbessert die Vergleichbarkeit zwischen den verschiedenen Erhebungen und Standorten. Zum
Beispiel weisen insbesondere Böden
Forum für Wissen 2013
3 Erste Ergebnisse und
Diskussion
Die folgenden Ergebnisse stammen
von Messungen der Proben aus dem
Frühjahr 2012. Aussagen über eine
mögliche Entwicklung der Messgrössen über die Zeit werden erst möglich, wenn die Resultate der Erhebung
vom Frühjahr 2013 vorhanden sind.
Über die beschriebene Referenzierungsmethode können zu diesem Zeit-
3.1 Raumgewicht Feinerde
Von den 30 untersuchten Standorten
weisen Ackerbaustandorte mit einem
Mittelwert von 1,16 g cm–3 tendenziell höhere Werte für das Raumge-
Tab. 2. Im Projekt NABObio12_13 aufgenommene Parameter.
Parameter
Bezeichnung
Einheit
Methode
Mikrobielle Biomasse
Biomasse (SIR)
Substratinduzierte Respiration
mg Cmik kg TS
mg Cmik dm–3
B-BM-HM
Mikrobielle Biomasse1,3
Chloroform-FumigationsExtraktionsmethode
Biomasse (FE)
mg Cmik kg–1 TS
mg Cmik dm–3
B-BM-FE
Basalatmung1,3
mg CCO2 kg–1 TS h–1 B-BA-IS
mg CCO2 l–1 h–1
DNS-Menge2,3
DNS-Menge
mg DNS kg–1 TS
mg DNS dm–3
PicoGreen
pH
pH
pH CaCl2
C/N
Raumgewicht Feinerde
RG FE
g cm
Wassergehalt Feinerde4
WG FE
g g–1
gravimetrisch
Bodentemperatur (–5 cm/
–15cm)4
B.temp.
°C
Lufttemperatur4
L.temp
°C
1
C/N-Verhältnis4
4
–1
Trockenveraschung
–3
Messungen durch H.R. Oberholzer, Agroscope (Ackerbau- und Graslandstandorte)
Messungen durch F. Widmer, Agroscope (Ackerbau- und Graslandstandorte)
3
Messungen durch B. Frey, WSL (Waldstandorte)
4
Messungen durch NABO, Agroscope (Ackerbau-, Grasland-, Waldstandorte)
1
2
2,0
Ackerbau, intensiv
Ackerbau, extensiv
Grasland, intensiv
Grasland, extensiv
Laubwald
Mischwald
Nadelwald
)
Für die Dauerbeobachtung ist die bestmögliche Eliminierung von methodischen Fehlern zwischen den Bestimmungen von Bodeneigenschaften verschiedener zeitlicher Erhebungen eine
zentrale Voraussetzung. Dies wird mit
einer Referenzierung der gemessenen Werte durch zeitgleich gemessene Bodenproben aus früheren Erhebungen (=Referenzmaterial) angestrebt. In diesem Projekt wird eine
standortbezogene Referenzierung der
Biomasse(SIR und FE)- und Basalatmungs-Werte vorgenommen. Die Korrektur der Messwerte erfolgt für jeden
Standort aufgrund der mittleren Messabweichung zur Ersterhebung der tiefgekühlt gelagerten Referenzproben
(–20 °C). Pro Standort und Jahr ergibt
dies einen spezifischen Korrekturwert.
Die Messwerte werden absolut referenziert, das heisst der Korrekturwert
wird dem gemessenen Wert addiert
bzw. subtrahiert (Ammann 2010; Oberholzer und Weisskopf 2010).
wicht Feinerde auf als Grasland- und
Waldstandorte (Mittelwert 0,94 bzw.
0,69 g cm–3, Abb. 3). Dies entspricht den
Erwartungen, da Ackerbaustandorte
weniger organische Substanz enthalten (Mittelwert Corg: Ackerbau: 1,9 %,
Grasland: 3,8 %, Wald: 7,2 %, vgl. Tab.1)
und mechanisch bearbeitet werden.
Sehr geringe Werte zeigen die Standorte 45, 47 und 92. Diese drei Standor-
−3
2.4 Referenzierung der Messwerte
punkt ebenfalls noch keine Aussagen
gemacht werden.
Raumgewicht Feinerde (g cm
mit viel organischer Substanz durch
ihr tiefes Raumgewicht Feinerde oft
sehr hohe gewichtsbezogene Werte auf.
Bezogen auf das Bodenvolumen relativieren sich die hohen Werte jedoch
(vgl. auch das Beispiel im Kap. 3.3).
Zusammen mit der Information des
Skelettgehalts ermöglicht das Raumgewicht Feinerde zudem eine ökologische
Betrachtungsweise der Messergebnisse
(vgl. Tab. 1). So kann beispielsweise ein
hohes Raumgewicht Feinerde Hinweise auf anaerobe Verhältnisse geben.
Das Raumgewicht Feinerde wird im
Referenzmessnetz der NABO seit 2003
routinemässig bestimmt.
75
1,5
54
25
46
1,0
68
95
87
63
102
28
77
1
30
27
37
35
41
69
62
49
33
7
70
18
8
99
6
73
0,5
92
45
47
0,0
Abb. 3. Raumgewicht Feinerde (Mittelwert und Standardabweichung von jeweils vier Zylinderproben, 4,8 cm ø, 0–20 cm) der 30 beprobten Standorte. Horizontale Linien: Gruppenmittelwerte mit Standardabweichung (gestrichelt).
mg Cmilk kg–1 TS (Fumigation−Extraktion)
76
Forum für Wissen 2013
te enthalten mehr als 10 Prozent Corg.
Waldstandorte sind innerhalb ihrer
Nutzungsgruppe heterogener als die
übrigen Standorte und weisen Werte
zwischen 0,24 g cm–3 (Standort 45) und
1,11 g cm–3 (Standort 27) auf (vgl. auch
Abb. 6).
4000
47
92
27
3000
6
33
8
1
2000
77
25
1000
46
54
49
30
35
73
62
7
69
70
37
41
87
63
95
102 28 68
99
18
0
Ackerbau, intensiv
Ackerbau, extensiv
Grasland, intensiv
Grasland, extensiv
Laubwald
Mischwald
Nadelwald
Abb. 4. Gewichtsbezogene Cmik-Gehalte pro Standort (Mittelwert und Standardabweichung
der 3 Mischproben, Messwerte bestehen aus zwei Messwiederholungen). Ausserhalb des
gezeigten Wertebereichs: Standort 45: 7727 mg Cmik kg–1 TS (Standardabweichung: 600 mg
Cmik kg–1 TS). Horizontale Linien: Gruppenmittelwerte mit Standardabweichung (gestrichelt).
mg Cmilk dm–3 (Fumigation−Extraktion)
4000
27
3000
1
2000
8
33
25
1000
30
77
46
54
95102
35
69
87
63
68
28
49
6
37
41
62
92
45
7
70
73
47
99
18
0
Ackerbau, intensiv
Ackerbau, extensiv
Grasland, intensiv
Grasland, extensiv
Laubwald
Mischwald
Nadelwald
Abb. 5. Volumenbezogene Cmik-Gehalte pro Standort (Mittelwert und Standardabweichung
der 3 Mischproben, Messwerte bestehen aus zwei Messwiederholungen). Horizontale Linien: Gruppenmittelwerte mit Standardabweichung (gestrichelt).
Var. Koeff. innerhalb Standort
Raumgew. Feinerde
50 %
50 %
40 %
40 %
30 %
30 %
20 %
20 %
10 %
10 %
0%
Cmik (FE)
volumenbezogen
0%
Acker Grasland
Wald
Acker Grasland
Wald
Abb. 6. Box-Plots der Variationskoeffizienten (Standardabweichung der Proben eines
Standortes dividiert durch deren Mittelwert) für das Raumgewicht Feinerde und CmikGehalte bestimmt mit Fumigation-Extraktion (FE) nach Landnutzung.
3.2 Mikrobielle Biomasse
(Fumigation-Extraktion)
Exemplarisch für die untersuchten
bodenbiologischen Messgrössen werden hier die Gehalte für den mikrobiellen Kohlenstoff (Cmik-Gehalte)
gezeigt und besprochen. Diese wurden
mit der Fumigation-Extraktionsmethode bestimmt. In Abbildung 4 sind die
Gehalte auf die Trockensubstanz der
Feinderde bezogen dargestellt (mg Cmik
kg–1 TS). In Abbildung 5 werden diese auf das Bodenvolumen beziehungsweise Raumgewicht Feinerde bezogen
(mg Cmik dm–3).
Ackerbaustandorte weisen mit einem
Mittelwert von 790 mg Cmik dm–3 tiefere Cmik-Gehalte auf als Grasland- und
Waldstandorte (1500 bzw. 1520 mg Cmik
dm–3, Abb. 5). Die Wertebereiche überlappen sich jedoch und die Streuung
innerhalb der Gruppen (insbesondere
bei Waldstandorten, vgl. auch Abb. 6)
ist gross. Auch in anderen Bodendauerbeobachtungsprogrammen, die bereits
bodenbiologische Parameter aufnehmen, konnte ein Einfluss der Nutzungsgruppe (Ackerbau, Grasland oder
Wald) auf die mikrobielle Biomasse
nachgewiesen werden (Rutgers et al.
2009; Griffiths et al. 2011; Dequiedt
et al. 2011).
Die Nutzungsintensität der Grasland- und Ackerbaustandorte (intensiv oder extensiv) hat keinen Einfluss
auf die Cmik-Gehalte. Beispielsweise
werden die Graslandstandorte 1 und
33 intensiv genutzt und weisen bezogen auf ihr Volumen die grössten CmikGehalte auf. Die Graslandstandorte
49 und 6 wiederum werden extensiv
genutzt und weisen dennoch sowohl
innerhalb der Grasland- als auch verglichen mit den Ackerbaustandorten
die zweithöchsten Gehalte auf. Bei den
Ackerbaustandorten wird der Standort 25 intensiv genutzt, im Gegensatz
zum Standort 77, der extensiv genutzt
wird. Beide Standorte weisen ähnlich
hohe Cmik-Gehalte auf (Abb. 5). Dies
Forum für Wissen 2013
deckt sich nicht mit Ergebnissen des
DOK4-Versuchs in Therwil oder anderer Studien, wo eine eindeutige Abhängigkeit der Biomasseparameter vom
Bewirtschaftungssystem
festgestellt
wurde (Widmer et al. 2006; Peacock
et al. 2001). Laubwaldstandorte zeigen
mit einem Mittelwert von 2166 mg Cmik
dm–3 tendenziell höhere Cmik-Gehalte als Misch- (Mittelwert: 951 mg Cmik
dm–3) und Nadelwälder (Mittelwert:
1154 mg Cmik dm–3). Geringere mikrobielle Biomassen in Nadelwäldern haben
auch Dequiedt et al. (2011) in Untersuchungen innerhalb des französischen
Bodendauerbeobachtungsprogrammes
gefunden.
3.3 Heterogenität der Wald­standorte
Der Vergleich der Variationskoeffizienten pro Standort (Standardabweichung des Standortes / Mittelwert des
Standortes) zeigt, dass Waldstandorte
heterogener als die übrigen Standorte
sind (vgl. Abb. 6). Die Variationskoeffizienten der Ackerbau- und Graslandstandorte liegen für das Raumgewicht
Feinerde mehrheitlich unter 10 Prozent, während die Waldstandorte einen
Variationskoeffizient zwischen 10 und
20 Prozent zeigen. Waldstandorte weisen auch heterogenere Cmik-Gehalte als
die übrigen Standorte auf. Es scheint
deshalb plausibel, dass die grösseren
Streuungen bei den Waldstandorten
durch die kleinräumigere Variabilität
der Standorte (vgl. Variationskoeffizienten Raumgewicht Feinerde, Abb. 6)
oder aber durch die Probenahme (bei
Waldstandorten Probenahme über
verschiedene Horizonte) bedingt sind.
Beide Faktoren können zu heterogenem Probenmaterial führen.
3.4 Vergleich gewichts- vs.
volumenbezogene Werte
Die gemessenen Cmik-Gehalte wurden
sowohl auf das Gewicht (Menge pro kg
TS) als auch auf das Volumen (Menge
pro dm–3) bezogen (vgl. Kap. 3.2). In
Vergleich von biologisch-dynamisch (D),
organisch-biologisch (O) und konven­tionell (K) angebauten Ackerkulturen.
4
77
diesem Kapitel sollen die zwei Herangehensweisen verglichen werden.
Bezogen auf das Gewicht weist der
Waldstandort 45 im Vergleich zu den
übrigen Standorten einen sehr hohen
Cmik-Gehalt von 7727 g Cmik kg–1 TS auf
(Abb. 4). Gleichzeitig hat dieser ein
geringes Raumgewicht Feinerde von
0,24 g cm–3. Wird der Cmik-Gehalt nun
auf das Bodenvolumen bezogen, liegt
dieser im Bereich der übrigen Waldstandorte (1855 mg Cmik dm–3). Beim
Waldstandort 27 befindet sich der
gewichtsbezogene Cmik-Gehalt innerhalb des Wertebereichs aller Waldstandorte. Der Standort hat ein hohes
Raumgewicht Feinerde von 1,11 g
cm–3. Bezogen auf das Volumen weist
der Standort 27 im Vergleich zu den
anderen Standorten dann einen auffällig hohen Cmik-Gehalt von 3477 mg Cmik
dm–3 auf. Diese Gegenüberstellung (mg
Cmik kg–1 TS vs. mg Cmik dm–3) verdeutlicht den Einfluss der Bezugseinheit
auf die Interpretation der Ergebnisse.
So sind beispielsweise die Unterschiede zwischen den Nutzungsgruppen
Ackerbau, Grasland und Wald bei den
gewichtsbezogenen Werten ausgeprägter als bei den volumenbezogenen.
Werden die Cmik-Gehalte auf das Volumen bezogen, unterscheiden sich die
Mittelwerte der Grasland- und Waldstandorte um 20 mg Cmik dm–3. Dies
im Gegensatz zu den gewichtsbezogenen Gehalten, wo sich die Mittelwerte
um 530 mg Cmik kg–1 TS unterscheiden
(Abb. 4 und 5).
3.5 Vergleichbarkeit der
verschiedenen Messmethoden
Die für das Projekt NABObio12_13
erhobenen Messgrössen (Biomasse
(FE und SIR), Basalatmung und DNSMenge) zeigen in der Verteilung der
Messwerte alle ein ähnliches Muster.
So weisen Ackerbaustandorte tendenziell tiefere Werte auf als Graslandund Waldstandorte. Grasland- und
Waldstandorte lassen sich anhand der
hier aufgenommenen Parameter nicht
voneinander unterscheiden. Die Resultate der vier verwendeten Methoden
zeigen relativ hohe Korrelationen (vgl.
Abb. 7). Die geringste Korrelation
besteht mit 0,67 zwischen der Basalatmung und der DNS-Menge, ansonsten werden Korrelationen von 0,7 oder
höher gefunden. Ähnlich hohe Korrelationskoeffizienten wurden auch in der
Zustandserhebung 04/05 von Oberholzer et al. (2007) beobachtet. Die
festgestellten Korrelationen der Messwerte lassen den Schluss zu, dass die
Messgrössen eine gewisse Redundanz
aufweisen und deren Anzahl für das
Messprogramm der NABO reduziert
werden könnte (vgl. auch Kap. 4.4).
4Ausblick
4.1 Weitere Auswertungen
Nach Abschluss der zweiten Erhebung
im Frühjahr 2013 sind weitere Auswertungen geplant, etwa um den Einfluss der Bodeneigenschaften oder der
Bewirtschaftungsintensität auf die mikrobiellen Parameter genauer zu untersuchen. Vorhandene Nährstoffangaben (P und N) der Standorte aus dem
NABO-Flux-Programm sollten dabei
weitere aufschlussreiche Informationen liefern. Weiter können mit den von
Oberholzer et al. (2007) entwickelten
Referenzwertmodellen die zu erwartenden Werte für die Biomasse (SIR)
der Ackerbaustandorte überprüft werden.
4.2 Methodische Abklärungen
Im Projekt NABObio12_13 weisen die
DNS-Werte verglichen mit den CmikWerten (FE und SIR) und Basalatmung eine grössere Streuung auf. Dies
gilt vor allem für die Graslandstandorte 1, 33 und 41 und die Laubwaldstandorte 7, 27 und 42 (vgl. Abb. 8). Die
DNS-Extraktion und -Quantifizierung
wurde unmittelbar nach den Probenahmen durchgeführt, wobei die Zeit zwischen Probenahme und Fixierung im
DNS-Extraktionspuffer auf 48 Stunden festgelegt wurde. Die Messungen
mittels Fumigation-Extraktion sowie
substratinduzierte Respiration wurden
während mehrerer Wochen durchgeführt (gekühlte Lagerung der Proben
bei 4°C). Ein Vergleich von zeitgleich
gemessenen Werten (d. h. keine unterschiedliche Lagerungsdauer für verschiedene Methoden) der mikrobiellen
Biomasse (bestimmt mit den Metho-
78
Forum für Wissen 2013
49
70
50
0,7
Basalatmung
0,67
1200
0,76
400
Cmik FE
25
3330
77
7035 69
25
102
68 37
41
6 87
9563
54
28
46
1
10
30
0,7
25
33
6 8746
35
4977 30 69
41 37
9563 70
102
68
54
28
800
0,71
8
7
62
87 35
33
30 645
46 77
41 3769 49
70
95
63
102 47
73
18
99
68
54
28
92
49
62
8
33
3069
77
70 3525
7
102
68 41 37
6
87
95
45
63
54
28
73
18 46
92
47
99
1200
1,6
69
25
3777
3530
1
400
0,75
70
1
33
70
8746
63
1029568
28
54
50
1
1,2
41
30
0,8
6 49
10
0,4
500 1000
2000
Cmik SIR
2000
800
500 1000
49
1
62 1 8
33
77
6930
70
25
102 35 7
68
37
41
687
95 45
63
54 73
28
18
46
92
47
99
0,4
0,8
1,2
DNS−Menge
1,6
Abb. 7. Streudiagramme und Korrelationskoeffizienten nach Spearman der mikrobiellen
Biomasse (Cmik-SIR und Cmik-FE), Basalatmung und DNS-Menge. (Alle Werte sind volumenbezogene Gehalte. Nummer: Standortnummer; rot: Ackerbau, grün: Grasland, schwarz:
Wald. Cmik-SIR wurde für Waldstandorte nicht bestimmt.)
DNS−Menge (mg dm–3)
150
100
49
1
50 25
102
46
95
54
28
77
68
63
87
3033 69
35
70
6
8 2762
7
3741
92
18
45
47
73
99
0
Ackerbau, intensiv
Ackerbau, extensiv
Grasland, intensiv
Grasland, extensiv
Laubwald
Mischwald
Nadelwald
Abb. 8. Volumenbezogene DNS-Gehalte pro Standort (Mittelwert und Standardabweichung der 3 Mischproben. Horizontale Linien: Gruppenmittelwerte mit Standardabweichung (gestrichelt).
den FE und SIR), der Basalatmung und
DNS-Menge könnte Hinweise geben,
ob die Streuung analytisch bedingt ist
oder ob diese durch die unterschiedliche Lagerungsdauer der Proben vor
der Analyse hervorgerufen wird.
Waldstandorte weisen eine grössere Streuung der Cmik-Gehalte pro
Standort auf als Ackerbau- und Graslandstandorte (vgl. Abb. 6). Von Interesse wäre, ob die Beprobung über
verschiedene Horizonte (Auflage, AhHorizont, B-Horizont) verantwortlich für die Streuung der Messwerte
pro Standort ist. Entscheidend könnte
auch sein, dass das Material von Waldböden grundsätzlich (d. h. auch innerhalb der Horizonte) heterogener und
deshalb für die Analytik messtechnisch
schwieriger ist. Die kleinräumige Variabilität der Standorte könnte ebenfalls
eine Rolle spielen, dürfte im Vergleich
zu den vorherigen Punkten aber weniger wichtig sein. Die Variabilität sollte
durch die Flächenmischproben grösstenteils ausgeglichen werden.
4.3 Standardisierung der Methoden
Neben der regelmässigen Beobachtung
von Bodeneigenschaften ist es eine
weitere Aufgabe der NABO, Methoden zu erarbeiten, die standardisiert
im Vollzug eingesetzt werden können. Für die klassischen mikrobiellen
Messgrössen wie die mikrobielle Biomasse (bestimmt mit den Methoden
FE oder SIR) oder Basalatmung bestehen bereits Referenz- beziehungsweise ISO-standardisierte Methoden, die
auch auf internationaler Ebene angewendet werden (FAL, FAW, RAC 1998;
Philippot et al. 2012). Die molekulargenetische Analytik stellt ein relativ junges und sich rasch entwickelndes Feld
in der Bodendauerbeobachtung dar.
Anstrengungen im Hinblick auf eine
Standardisierung der Verfahren sind
deshalb noch notwendig. Insbesondere bei den neuesten molekularbiologischen Methoden des »massive parallel
sequencing («next generation sequencing»), welche die Erfassung der mikrobiellen Diversität im Boden zulassen,
sollte durch die Verwendung von standardisierten Methoden auch die projekt- und grenzüberschreitende Vergleichbarkeit der Resultate angestrebt
werden (Philippot et al. 2012). Das im
Forum für Wissen 2013
Projekt NABObio12_13 angewendete
DNS-Extraktionsprotokoll GnS-GII
deckt sich weitgehend mit jenem, das
zum Beispiel im Rahmen des französischen Dauerbeobachtungsprogrammes angewendet wird (Terrat et al.
2012; Dequiedt et al. 2011). Das jeweils
verwendete Protokoll beeinflusst die
extrahierbare DNS-Menge und damit
auch allfällig bestimmte Diversitätsparameter (Terrat et al. 2012). So ist
für die Vergleichbarkeit der Resultate verschiedener Projekte die Verwendung desselben Protokolls von grosser
Bedeutung. Ein Extraktionsprotokoll
ist zurzeit in der finalen Evaluation, um
dann als ISO-standardisierte Methode «ISO 11063» publiziert zu werden
(Martin-Laurent et al. 2001; Petric
et al. 2011; Bru et al. 2011).
4.4 Auswahl der Parameter –
Potential der Molekularbiologie
Für eine fundierte Entscheidung, mit
welchen bodenbiologischen Messgrössen im Rahmen der NABO fortgefahren wird, müssen die Ergebnisse der 2.
Erhebung vom Frühjahr 2013 und weitere Auswertungen abgewartet werden.
Kriterien für die Auswahl von Messgrössen für ein Monitoring werden beispielsweise von Ritz et al. (2009), Turbé et al. (2010) oder auch der OECD
(2002) gegeben – ausschlaggebend
sind die Messbarkeit, die Kosteneffektivität, die Sensitivität der Messgrösse
und der Standardisierungsgrad. Für die
NABO würde dies bedeuten, dass man
sich den limitierten finanziellen Rahmenbedingung entsprechend für einen
Summenparameter (mikrobielle Biomasse (Cmik-SIR oder Cmik-FE) oder
DNS-Menge) und für einen prozessorientierten Parameter (Basalatmung)
entscheiden sollte. Eine Metadatenanalyse über bestehende bodenbiologische Monitoringprogramme in der EU
ergab, dass die mikrobielle Biomasse
(SIR oder FE) und die Basalatmung
die zwei am häufigsten verwendeten
bodenbiologischen Messgrössen sind
(Faber et al. 2013).
Ein grosses Potential bei der Verwendung der DNS-Menge als Biomassenindikator wird in der Möglichkeit
der weiteren Verwendung der Extrakte
gesehen. Die Möglichkeit der mehrfachen Verwendung der Extrakte (Aus-
79
sagen über Quantität und Qualität der
Biomasse) entspricht auch dem Kriterium der Kosteneffektivität. Mit der
Anwendung eines international verwendeten Protokolls für die DNSExtraktion wird das Kriterium der
Standardisierung ebenfalls berücksichtigt (Philippot et al. 2012). Ein weiterer Vorteil der DNS-Extrakte wird in
deren langen Lagerungsdauer gesehen.
Fixiert und eingefroren im Extraktionspuffer, können die Extrakte über
Jahre hinweg wiederverwendet werden. So können die sich wandelnden
Fragenstellungen seitens der Umweltpolitik einerseits flexibler, andererseits
auch rückblickend beantwortet werden. Zudem besteht die Möglichkeit,
die DNS-Extrakte mit allenfalls neuen
Methoden erneut zu messen.
In Bezug auf die «ecosystem services» können mit Hilfe molekularbiologischer Methoden beispielsweise Aussagen über Bakterien gemacht
werden, die für den Stickstoffkreislauf
relevant sind. Bru et al. (2011) etwa
fanden mit molekularbiologischen
Methoden Zusammenhänge zwischen
Bewirtschaftungssystemen und dem
Vorkommen von Nitrifizierbakterien
AOB (Ammonium-oxidierende Bakterien). AOB stellen für Ritz et al. (2004)
den Topkandidaten für die Verwendung als bodenbiologische Messgrösse
in einem Monitoring dar. Weiter kann
gezielt nach Organismen gesucht werden, die eher in aeroben oder anaeroben Verhältnissen vorkommen und
Hinweise auf verdichtete Bodenverhältnisse geben können (Frey et al.
2011). Faber et al. (2013) halten fest,
dass die Verwendung von Indikatoren,
die möglichst eindeutig mit einer Ökosystemleistung in Verbindung gebracht
werden können, für die Umweltpolitik
aussagekräftiger sind als andere. Wissenschaftliche Erkenntnisse, die auf
solchen Indikatoren basieren finden
zudem eine breitere Akzeptanz.
Aussagen über die allgemeine mikrobielle Diversität der Extrakte sind
anhand molekularbiologischer Methoden ebenfalls möglich. Philippot et al.
(2012) stellten mit molekularbiologischen Methoden fest, dass der Verlust
von mikrobieller Diversität den Stickstoffkreislauf beeinflussen kann. Sie
konnten so mit ihrer Arbeit Argumente gegen die These der funktionellen
Redundanz mikrobieller Gemeinschaf-
ten liefern. Solche auf die Bodenbiodiversität hin ausgerichtete Untersuchungen sind auch im Hinblick auf die
Strategie Biodiversität Schweiz (SBS)
notwendig und gefordert. Ist doch ein
in der SBS formuliertes strategisches
Ziel, dass «Die Überwachung der Veränderungen von Ökosystemen, Arten
und der genetischen Vielfalt bis 2020
sichergestellt ist» (BAFU 2012). Um
Veränderungen der Bodenbiodiversität feststellen zu können, braucht es
heute Messungen, die in der Zukunft
als sogenannte baseline-Werte dienen
können (Gardi et al. 2013).
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81
Abstract
Soil biology in the reference measurement network of the Swiss Soil Monitoring
Network NABO
The Swiss Soil Monitoring Network NABO was set up in 1984 to monitor primarily
heavy metal contamination in soils. Since then, environmental and political issues
have considerably changed and new aspects have become the focus of interest,
e.g. climate change or loss of biodiversity. Microorganisms in soils are essential for
many soil functions – such as nutrient cycling and storage as well as water filtering.
Thus, if soil functions and changes in biodiversity are to be assessed, information
on soil biological properties is crucial for soil monitoring networks. In this context,
NABO has started monitoring soil biological parameters on a sub-set of its
long-term observation sites. Since 2012, every spring soil samples (0–20 cm) are
collected at 30 NABO-sites and analysed for soil microbial biomass with substrateinduced respiration (BM-SIR) and fumigation-extraction (BM-FE) method, basal
respiration and DNA-quantity. Initial results indicate that, in general, arable soils
contain less biomass than grassland and forest soils. Furthermore, the different
biomass measurements (BM-SIR, BM-FE and DNA-quantity) tend to correlate
(0.6–0.7, Spearman). New methodologies make it possible to use the extracted
soil DNA to assess the diversity of soil microorganisms and their functions in
ecosystems. In the medium term, NABO plans to explore these issues further.
Keywords: soil biological monitoring, microbial biomass, molecular methods, soil
biodiversity, DNA extraction
Forum für Wissen 2012: 83–90
83
Baumwurzeln und Infiltration
Benjamin Lange1,2,3,4, Peter Lüscher2, Peter Germann3 und Axel Bronstert4
Bundesamt für Umwelt BAFU, CH-3003 Bern, [email protected]
WSL Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft, Zürcherstrasse 111, CH-8903 Birmensdorf,
[email protected]
3
Geographisches Institut der Universität Bern, Hallerstrasse 12, CH-3012 Bern, [email protected]
4
Institut für Erd- und Umweltwissenschaften, Universität Potsdam, Karl-Liebknecht-Straße 24-25, D-14476 Potsdam,
[email protected]
1
2
Die Erforschung der Hochwasserschutzwirkung von Wäldern hat in der Schweiz
eine lange Tradition die bis Anfang des 20. Jahrhundert zurück reicht. Lange
Zeit galt die Prämisse, dass Wald a priori hochwasserschutzwirksam sei bis dieses
Paradigma in den 1980er vermehrt angezweifelt wurde und sich ein differenzierteres, waldstandortsspezifisches Bild der Waldwirkung auf den Hochwasserschutz
durchsetzte. Hier stellen wir die Resultate verschiedener Forschungsprojekte über
den Einfluss von Wurzeln auf den Wasserrückhalt vor, die in den letzten Jahren in Hochwasserschutzwäldern im Gantrischgebiet (Kanton Bern) durchgeführt
­wurden. Es konnte gezeigt werden, dass Wurzeln in gewissen Waldstandortstypen
das Wasserspeichervermögen massgeblich beeinflussen und waldbauliche Massnahmen die Hochwasserschutzwirkung verbessern können.
1Einleitung
In der Schweiz häuften sich im Zeitraum vom 1825 bis 1875 Hochwasserereignisse mit katastrophalen Auswirkungen (Röthlisberger 1991). Trotz
fehlenden wissenschaftlichen Untersuchungen ging man bereits damals
davon aus, dass grossflächige Rodungen und die starke Übernutzung der
Wälder zur hohen Hochwasserfrequenz beigetragen hatten. Als Folge
davon wurde 1876 das erste eidgenössische Forstpolizeigesetz erlassen, welches unter anderem ein Rodungsverbot beinhaltete. Zudem wurden grosse
Flächen aufgeforstet um den Wasserrückhalt in den Einzugsgebieten grosser Flüsse zu erhöhen. Zu Beginn des
20. Jahrhundert initiierte die Zentralanstalt für forstliches Versuchswesen
(heute die Eidg. Forschungsanstalt
WSL) unter der Leitung von Prof. A.
Engler eine Studie zur Untersuchung
der Waldwirkung auf das Abflussgeschehen. Die Forscher verglichen dabei
Abflussdaten des bewaldeten Einzugsgebietes «Sperbelgraben» (Emmental) mit denjenigen des in unmittelbarer Nachbarschaft liegenden, schwach
bewaldeten «Rappengraben». Engler
(1919) konnte zeigen, dass der Spitzenabfluss bei kurzzeitigen Starknie-
derschlägen im stärker bewaldeten
Einzugsgebiet um 30 bis 50 Prozent
geringer war. Diese Untersuchung
erhärtete das forsthydrologische Paradigma in der Schweiz das besagte, dass
Wald a priori eine ­
abflusshemmende
Wirkung aufweist. Diese Meinung
blieb lange Zeit unangetastet, erst ab
den 1980er Jahren wurde die Untersuchung der Hochwasserschutzwirkung von Wäldern wieder intensiviert
und führte zum Teil zu kontroversen
Ergebnissen. Auch wenn ein breiter
Konsens darüber herrscht, dass Wälder im Vergleich zu offener Vegetation
den durchschnittlichen Jahresabfluss
von Gewässern aufgrund der höheren
Transpirations- und Interzep­tionsraten
vermindern, ist die Wirkung auf Spitzenabflüsse weniger eindeutig. Gerber (1989) zeigte, dass eine Erhöhung
der Waldfläche um 20 Prozent im Einzugsgebiet der Emme zwischen 1860
und 1980 keinen signifikanten Einfluss
auf Abflussvolumina hatte und Burch
et al. (1996) wiesen nach, dass es keinen statistisch nachweisbaren Zusammenhang zwischen dem prozentualen Waldanteil von kleinen Einzugsgebieten (1 bis 5 km2 im voralpinen
Flyschgebieten mit Wald, eher extensiv bewirtschafteter Streuwiesen und
Weiden) und dem flächenbezogenen
Abfluss eines mittleren jährlichen
Hochwassers gab. Die einfache Formel «Wald = Hochwasserschutz» greift
damit zu wenig weit. Unter anderem
ist die Waldwirkung auf Spitzenabflüsse abhängig von der Intensität
des Niederschlagsereignisses (Beschta
et al. 2000), der alternativen Landnutzungsform, und der Waldbewirtschaftung. So zeigte Moeschke (1998), dass
eine Entwaldung um 40 Prozent bei
Femelschlag den Spitzenabfluss um 30
Prozent erhöhte während die einzelbaumweise Entnahme von 40 Prozent
der Bäume zu keiner Änderung des
Abflussgeschehens führte. Nach heutigem Kenntnisstand muss die Hochwasserschutzwirkung standortspezifisch beurteilt werden indem sowohl
der Baumbestand (Arten-, Alters- und
räumliche Struktur) wie auch Bodeneigenschaften und Niederschlagscharakteristiken integrativ beurteilt werden. Generell geht man davon aus,
dass die positive Wirkung des Waldes
auf die Wasserretention auf gehemmt
durchlässigen, mittel- bis tiefgründigen Böden maximal ist während Wälder auf sehr durchlässigen oder stark
vernässten Böden den Wasserrückhalt
kaum beeinflussen (Lüscher und Zürcher 2003). 2005 wurde die Wegleitung
«Nachhaltigkeit und Erfolgskontrolle
im Schutzwald» (NaiS, Frehner et al.
2005) publiziert. Die Autoren definierten für alle relevanten Waldstandorts­
typen einen die Schutzwirkung maximierenden Idealzustand bezüglich der
Baumartenmischung, des Waldgefüges
und der Verjüngung. Diese Bestandesparameter wirken sich vor allem auf
die Durchwurzelungssituation und
damit auf die durch Wurzeln gebildeten Poren aus, die ein massgeblicher
Faktor bei Infiltrationsvorgängen sein
können (Li und Ghodrati 1994; Lange et al. 2009). Hier präsentieren wir
84
die Ergebnisse und Schlussfolgerungen
langjähriger Untersuchungen über den
Zusammenhang zwischen der Durchwurzelung und Wasserhaushaltsgrös­
sen bei kurzen ­Starkniederschlägen in
voralpinen Schutzwäldern auf ge­hemmt
durchlässigen, mittel bis tiefgründigen
Böden im Flyschgürtel wo eine grosse
Wirkung des Waldes auf das Abflussgeschehen erwartet werden kann.
2Methoden
2.1 Untersuchungsgebiet und
Experimente
Die Untersuchungen wurden in voralpinen Hochwasserschutzwäldern im
Gantrischgebiet (Kt. Bern) in Höhenlagen zwischen rund 880 und 1000 m
ü. M. in Waldstandortstypen (WST) 46
(Typischer Heidelbeer-Tannen-Fich­
ten­­wald), 49 (Schachtelhalm-TannenFich­
tenwald) und 19f (WaldsimsenTannen-Buchenwald auf Pseudogley)
durchgeführt. Die Böden wurden als
Pseudogleye, Gleye beziehungsweise
vergleyte und pseudovergleyte Braunerden klassiert (vgl. Zimmerman et al.
2006). Zur Erfassung der bodenhydrologischen Parameter wurden intensive
(70 mm h–1), kurzzeitige (1 Std.), kleinflächige Beregnungen (1 m2) durchgeführt. Oberflächenabfluss konnte nicht
beobachtet werden. Eine dreimalige Wiederholung der Beregnung pro
Standort diente dazu, unterschiedliche
Ausgangswassergehalte im Boden zu
simulieren. Der Abstand zwischen den
Beregnungen betrug rund 23 Stunden.
Während den Beregnungsexperimenten wurden mittels TDR- beziehungsweise FDR-Sonden die volumetrischen
Wassergehalte in einer zeitlichen Auf­
lösung von 60 s aufgezeichnet. Pro
Standort wurden fünf Sonden in unterschiedlichen Tiefen eingesetzt. Nach
diesen Experimenten wurden an denselben Positionen, an welchen die
Wassergehaltssonden platziert waren,
Bohrproben entnommen (0,1 m Durchmesser) aus welchen die Wurzeln separiert und anschliessend mittels der
Software «whinRHIZO» digital vermessen wurden. In den Waldstandortstypen 46 und 49 wurden insgesamt 16
Standorte beregnet, im Waldstandortstyp 19f deren zehn. Die Abstände zur
Forum für Wissen 2013
Stammbasis der Bäume betrug ungefähr 1 m mit Ausnahme von drei Plots
im WST 46 und 49 wo der Abstand
maximal 3,5 m war.
Die Bodeneigenschaften der Untersuchungsflächen waren relativ homogen, es konnten keine signifikanten
Unterschiede in der Bodenart, der
Lagerungsdichte und dem pH-Wert
festgestellt werden: Der Sandanteil
der Horizonte lag zwischen 17,5 und
73,1 Prozent, der Schluffanteil 16,4 bis
48,6 Prozent und der Tonanteil betrug
8,6 bis 34,6 Prozent. Die Lagerungsdichten im Oberboden waren zwischen
0,65 und 1,0 g cm–3, im Unterboden
zwischen 0,79 und 1,6 g cm–3. Details zu
den Bodeneigenschaften sind in Lange et al. (2013) zu finden. Ein Vergleich
zwischen den WST ist damit zulässig.
2.2Theorie
Die Zeitreihen der volumetrischen
Wassergehalte wurden nach einem
Ansatz von Germann et al. (2007) ausgewertet. Es wird davon ausgegangen,
dass Wasser in Form von Wasserfilmen laminar entlang von Porenwänden fliesst. Dabei muss die Pore nicht
in ihrem ganzen Durchmesser Wasser
führen. In diesem Stokes-Fluss Ansatz
beschleunigt die Gravitation den Wasserfluss, während die Viskosität des
Wassers den gravitativen Kräften entgegenwirkt. Damit ist die Interpretation der Ergebnisse auf einen bestimmten Bodenwassergehalt limitiert, bei
dem kleinere Poren bereits gesättigt
sind und grössere Poren als Fliesswege dienen. Diese Verhältnisse sind
typisch für Wasserfluss in präferenziellen Fliesspfaden wie zum Beispiel in
Makroporen. Ein Wasserfilm ist definiert durch seine Mächtigkeit (Filmdicke F) sowie seine Kontaktlänge L
mit den festen Bodenbestandteilen in
der horizontalen Ebene. Dabei ist L ein
Mass für die Porosität, welche am Wasserfluss beteiligt ist. Die Kontaktlänge
kann mit der Wurzeldichte verglichen
werden, um zu untersuchen inwieweit
Wurzeln den hydrologisch aktiven
Porenraum bilden. Ausgangspunkt der
Analysen sind aufgezeichnete Wassergehaltsmessungen. Aus dem Zeitpunkt
des ersten Anstieges des Wassergehaltes bei der Beregnung (Ankunftszeit
der Feuchtefront) lässt sich die Filmdi-
cke F berechnen. Unter Einbezug des
volumetrischen Wassergehaltes kann
die Kontaktlänge L bestimmt werden.
Ein detaillierter Beschrieb der theoretischen Hintergründe ist in Germann
et al. (2007) zu finden.
3Resultate
3.1 Vergleich der Wurzeldichten
Die WST 46 und 49 waren im Untersuchungsgebiet räumlich eng verzahnt,
weshalb diese Waldstandortstypen
hier, trotz unterschiedlichem Mikrorelief, zusammenfassend als Tannen-Fichtenwälder dem WST 19f mit höherem
Buchenanteil gegenüber gestellt werden. Als vergleichbares Mass für die
Wurzeldichte diente die Wurzellänge pro Bodenvolumen RL in cm cm–3.
Rund 90 Prozent der Gesamtwurzellänge wurden durch Feinwurzeln mit
einem Durchmesser von unter 2 mm
gebildet. Erwartungsgemäss nahm
die Wurzeldichte mit zunehmender
Bodentiefe infolge der Zunahme der
Vernässungsgrade der Horizonte ab.
Im Tannen-Buchenwald (WST 19f)
war die Durchwurzelung generell ausgeprägter als in Tannen-Fichtenwäldern (WST 46, 49), auch wenn sich
die durchschnittlichen Durchwurzelungsdichten zwischen den Standorten infolge einiger sehr hohen Wurzeldichten im Oberboden der WST 46, 49
nur geringfügig unterschieden. Insbesondere im Tiefenbereich von 0,2 bis
0,8 m, d. h. in nicht und schwach vernässten Unterbodenhorizonten war
der WST 19f intensiver durchwurzelt,
was mit dem höheren Deckungsgrad
der Buchen erklärt werden kann die
über Herzwurzelsysteme verfügen die
mittlere Bodentiefen intensiver durchwurzelt (Abb. 1).
Werden nicht die Tiefenbereiche
zum Vergleich der Wurzeldichten herangezogen sondern morphologische
Bodenhorizonten, ergibt sich ein leicht
anderes Bild. Bei dieser Betrachtungsweise waren nicht hydromorphe Oberbodenhorizonte in den WST 46, 49
intensiver durchwurzelt als der WST
19f, was mit der stärkeren Verbreitung
der bekanntermassen flachwurzelnden
Fichte zusammenhängen dürfte.
Forum für Wissen 2013
85
3.2Infiltration
0,4−0,2
0,6−0,4
1,0−0,8
Abb. 1. Durchschnittliche Wurzeldichten
der WST 46, 49 im Vergleich zum WST 19f
in unterschiedlichen
Bodentiefen. Die Fehlerbalken zeigen ± ein
Standardfehler.
0,8−0,6
Tiefenbereich, m
0,2−0,0
Wurzeldichte WST 19f
0,0 0,2 0,4 0,6 0,8 1,0 1,2
0,0 0,2 0,4 0,6 0,8 1,0 1,2
Wurzeldichte, cm cm −3
Wurzeldichte, cm cm −3
Amplitude Infiltration
WST 19f
Abb. 2. Durchschnittliche Amplituden der
Infiltration vI der WST
46, 49 und des WST 19f
in unterschiedlichen
Bodentiefen. Die Fehlerbalken zeigen ± ein
Standardfehler.
0,4−0,2
0,6−0,4
0,8−0,6
Tiefenbereich, m
0,2−0,0
Amplitude Infiltration
WST 46 und 49
1,0−0,8
Der Unterschied zwischen dem Wassergehalt unmittelbar vor der Beregnung und dem maximalen Wassergehalt während der Beregnung, die Amplitude der Infiltration vI, ist ein Mass
für das Infiltrationsvermögen. Die hier
präsentierten Ergebnisse stammen
ausschliesslich von der dritten Beregnung. Der Grund liegt darin, dass während der dritten Beregnung ein vergleichbares
Porengrössenspektrum
hydrologisch aktiv war. Während den
ersten zwei Beregnungen wurden kleinere Poren kapillar gesättigt und das
Wasser darin immobilisiert. Der Wasserfluss der dritten Beregnung fand primär in grösseren Poren statt in denen
Gravitation als massgebende Kraft
angenommen werden kann und der
angewandte theoretische Ansatz gültig ist. Die Amplitude der Infiltration
war bis in 0,2 m Tiefe in den WST 46,
49 höher als im WST 19f. Zwischen 0,2
und 0,8 m verfügte dagegen der WST
19f über eine deutlich höhere vI die
sich erst zwischen 0,8 und 1,0 m wieder anglich (Abb. 2). Das bedeutet,
dass die Wasseraufnahme in den WST
46, 49 bei einem kurzzeitigen Starkniederschlagsereignis vor allem auf die
obersten Bodenhorizonte, in der Regel
der Ah-Horizont, beschränkt war und
kaum Tiefensickerung stattfand während im WST 19f auch der Unterboden
als Speicherraum zur Verfügung stand.
Der erwähnte Stokes-Fluss Ansatz
erlaubte nun eine genauere Analyse der Geometrie des Wasserflusses:
Eine Veränderung der Amplitude der
Infiltration kann entweder durch Veränderungen der Wasserfilmdicke F
oder durch eine Variation der wasserführenden Porosität (Kontaktlänge L)
erfolgen. Zur Berechnung von L und F
ist eine Zunahme des Wassergehaltes
infolge der Beregnung nötig. Aufgrund
des geringen Umfanges der Stichproben welche diese Bedingung in Bodentiefen unterhalb von 0,8 m erfüllten,
wurde in diesem Tiefenbereich auf die
Berechnung der Wasserflussgeometrie verzichtet. Wie Abbildung 3 zeigt,
war die Filmdicke bei vertikaler Infiltration im WST 46, 49 über die ganze Bodentiefe relativ konstant. Das
bedeutet aufgrund der Theorie, dass
auch die Geschwindigkeit der sich vertikal nach unten bewegenden Feuchte-
Wurzeldichte WST 46 und 49
0,00
0,02
0,04
0,06
0,08
0,10
Amplitude Infiltration, m3 m−3
front relativ stabil war und Änderungen der Amplitude der Infiltration
primär durch verändertes wasserführendes Porenvolumen bedingt waren.
Demgegenüber nahm die Filmdicke
im WST 19f mit zunehmender Bodentiefe zu. Eine mögliche Erklärung
dazu sind zusammenfliessende Wasserfilme aufgrund einer mit der Tiefe
abnehmenden (Makro-)Porosität analog eines Trichters. Die Kontaktlänge
nahm in den WST 46, 49 mit zunehmender Bodentiefe deutlich ab. Dieser
0,00
0,02
0,04
0,06
0,08
0,10
Amplitude Infiltration, m3 m−3
Trend war auch im WST 19f ersichtlich,
allerdings weniger deutlich ausgeprägt
(Abb. 4). Veränderungen in der Infiltrationskapazität über die Bodentiefe
waren damit in den WST 46, 49 in einer
Abnahme der wasserführenden Porosität begründet während im WST 19f
sowohl die Kontaktlänge L wie auch
die Filmdicke F variierten und damit zu
einem weniger einheitlichen Bild führten.
86
Forum für Wissen 2013
Filmdicke F WST 19f
0
0
Kontaktlänge L WST 46 und 49
0,4−0,2
Tiefenbereich, m
0,8−0,6
0,6−0,4
0,2−0,0
0,4−0,2
0,6−0,4
0,8−0,6
0,00001
8000
Damit konnte nachgewiesen werden,
dass in gewissen Hochwasserschutzwäldern mit vernässten Horizonten ein
Zusammenhang zwischen der Wurzeldichte und der wasserführende Porosität besteht. Die Ergebnisse von zahlreichen anderen Studien lassen den
Schluss zu, dass Wurzeln die Infiltration tatsächlich massgeblich erhöhen
kann und nicht nur eine Folge der örtlich höheren Porosität sind. So wiesen
2000
4000
6000
8000
−2
Kontaktlänge L, m m
zum Beispiel Meek et al. (1989) nach,
dass sich die Infiltrationsrate eines
gepflügten und mit Luzerne bewachsenen Standortes aufgrund des durch
Wurzeln gebildeten Porenraumes
innerhalb von vier Jahren etwa verdoppelte. Detaillierte Ergebnisse zum
Zusammenhang zwischen der Infiltration und der Durchwurzelung in Waldböden sind in Lange et al. (2010) zu
finden.
RL vs. L WST 19f
0,0
0,5
1,0
1,5
2,0
RL vs. L WST 46 und 49
Abb. 5. Horizontspezifische Wurzeldichte vs.
Kontaktlänge der WST
46, 49 und des WST
19f. R2 WST 46, 49:
0,43; R2 WST 19f: 0,26.
0
Abb. 4. Durchschnittliche Kontaktlängen L der WST 46, 49 und
19f verschiedener Tiefenbereiche. Die Fehlerbalken zeigen ± ein
Standardfehler.
2,0
Um den Einfluss der Wurzeln auf die
Infiltration zu eruieren, wurde eine
multiple Regressionsanalyse durchgeführt. Als Inputvariablen dienten die
Lagerungsdichten, die Wurzeldichten und die Bodenart (prozentuale
Anteile von Sand, Schluff und Ton).
Im WST 19f konnte damit die Amplitude der Infiltration nicht zufriedenstellend erklärt werden. Es scheint, als
ob an diesem Standort weitere, nicht
erfasste Faktoren den Wasserfluss im
Boden beeinflussten. Mögliche makroporenbildende Prozesse sind zum Beispiel Gefrier- und Tauzyklen, Quellen
und Schrumpfen tonhaltiger Bodenbestandteilen (Romkens und Prasad
2006) oder die Wühltätigkeit von
Bodentieren (Lamande et al. 2003).
Dagegen zeigte sich im WST 46, 49
klar, dass die Amplitude der Infiltration bei hohem Bodenwassergehalt primär durch Wurzeln bestimmt w
­ urde
(R2 zwischen RL und vI 0,43). Der
Einbezug der weiteren Variablen verbesserte das Modell nur marginal. Da
die Fimdicke F in diesem WST über
die Bodentiefe relativ konstant war,
be­
einflussten die Wurzeln vor allem
die Kontaktlänge L und damit den an
der Infiltration beteiligte Porenraum
(Abb. 5).
6000
Kontaktlänge L, m m
Wurzeldichte RL, cm cm −3
3.3 Wurzeln und vertikale
Infiltration
4000
−2
Filmdicke F, m
Abb. 3. Durchschnittliche Filmdicken F der WST 46, 49 und 19f
verschiedener Tiefenbereiche. Die Fehlerbalken zeigen ± ein
Standardfehler.
2000
1,5
Filmdicke F, m
0
0,00003
1,0
0,00003
0,5
0,00001
0,0
Tiefenbereich, m
Kontaktlänge L WST 19f
0,2−0,0
Filmdicke F WST 46 und 49
0 5000
15000
Kontaktlänge L, m m−2
0 5000
15000
Kontaktlänge L, m m −2
Forum für Wissen 2013
87
3.4 Wurzeln und lateraler Fluss
0,00020
m
−1
0,00015
WST 46 und 49
WST 19f
0,00000
0,00005
0,00010
−1
3
Ausfluss , m s
Lateraler Fluss im Boden ist ein wichtiger abflussbildender Prozess in Einzugsgebieten mit geringer Bodenmächtigkeit oder dichten Bodenhorizonten
oberhalb derer Wasser lateral hangabwärts fliessen kann. Wurzeln können
lateralen Abfluss im Boden begünstigen indem sie durch die hangparallele Ausbildung von Poren ein laterales präferenzielles Fliessnetz generieren können (z. B. Noguchi et al. 1999).
Dadurch können Wurzeln auch dazu
beitragen, dass die Volumenflussdichte des lateralen Abflusses bei konstanter Niederschlagsintensität zunimmt.
Dieser Prozess kann die Hochwasserschutzfunktion von Wäldern zumindest teilweise mindern. Als Beispiel
sei hier das Ergebnis eines hydrologischen Modells gezeigt, dass den vertikalen Stokes-Fluss Ansatz von Germann et al. (2007) um lateralen Fluss
erweitert. In diesem Ansatz wird gravitativer Fluss angenommen, kapillare
Kräfte und Oberflächenabfluss werden
nicht berücksichtigt. Die Aussagekraft
beschränkt sich damit auf einen Wassergehalt zwischen Sättigung und der
Feldkapazität. Ziel der Untersuchung
war es, den Ausfluss am unteren Ende
eines Hanges für verschiedene laterale Porositäten, und damit unterschiedliche lateralen Wurzeldichten, zu modellieren. Als Modell diente ein virtueller Hang mit einer Neigung von 30 °,
beliebiger Breite der während 1 h mit
70 mm h–1 beregnet wird. Zudem wurde in 0,5 m Tiefe eine Stauschicht oder
anstehender Fels angenommen. Entlang diesem Infiltrationshindernis floss
das Wasser lateral hangabwärts. Es
wurde weiter davon ausgegangen, dass
die Wurzeldichte nur die wasserführende Porosität (Kontaktlänge L) beeinflusste während die Filmdicke F konstant blieb da Hincapié und Germann
(2009b) nachwiesen, dass F primär von
der Niederschlagsintensität abhängt
und kaum von lokalen Bodeneigenschaften beeinflusst ist. Im Modell wurde daher der Mittelwert der Filmdicken aller WST in einer Bodentiefe
von 0,4 bis 0,6 m verwendet (F = 1,755
× 10–5 m) während die Kontaktlängen
WST-spezifisch über dieselbe Bodentiefen gemittelt wurden. Daraus resultierte L = 1669 m m–2 im WST 46, 49
und L = 4022 m m–2 im WST 19f. Damit
Theoretischer Ausfluss pro m Hangbreite
0
5000
10000
15000
20000
Zeit, s
Abb. 6. Modellierter Ausfluss aus einem Hang bei einer Niederschlagsdauer von 3600 s und
einer Intensität von 70 mm h-1. Tiefe der Stauschicht: 0,5 m; Hangneigung: 30 °; Filmdicke F:
1,755 × 10–5 m; Kontaktlänge L: 1669 m m–2 (WST 46, 49) bzw. 4022 m m–2 (WST 19f). Kein
Oberflächenabfluss, rein gravitativer Fluss in grösseren Poren.
wurde angenommen, dass die durch
Wurzeln gebildete vertikale Porosität
auch der lateralen Porosität entspricht.
Abbildung 6 zeigt den erwarteten Ausfluss pro m Hangbreite. Eine höhere
Wurzeldichte führte zu höherem Ausfluss am Hangende. Im hier gezeigten
Beispiel resultierte eine Erhöhung der
Wurzeldichte um einen Faktor von 2,4
zu einer Erhöhung des Spitzenausflusses um denselben Faktor. Unter der
Annahme, dass die Filmdicke konstant war, war der Spitzenausfluss aus
dem Hangsegment also linear abhängig von der lateralen Porosität die auch
durch Wurzeln erhöht werden kann.
Die Begründung liegt darin, dass die
Volumenflussdichte gemäss Theorie eine Funktion von F in der dritten
Potenz und L (linear) ist. Da F nur von
der Niederschlagsintensität abhängig
ist, hängt die Volumenflussdichte bei
gleichbleibender Intensität des Niederschlages linear von L ab.
Damit kann davon ausgegangen werden, dass lateral verlaufende Wurzeln
den hangparallelen Fluss erhöhen und
damit die Schutzwirkung der Wälder
vermindern können. Diese Schlussfolgerung muss allerdings relativiert werden wenn die Fliessdistanz des Wassers
zwischen dem Beginn des Niederschlags
und dem Spitzenabfluss berücksichtigt
wird. Wenn angenommen wurde, dass
das Wasser vertikal bis zur Stauschicht
floss und sich anschliessend lateral daran entlang bewegte, resultierte eine
laterale Fliessdistanz bis zum Zeitpunkt
des Spitzenabflusses (3828 s nach Niederschlagsbeginn) von gerade einmal
2,7 m bei einem Niederschlagereignis
von 1 Stunden Dauer und einer Intensität von 70 mm h–1. Die abflussbeitragende Fläche beim Spitzenabfluss erstreckte sich damit maximal 2,7 m seitlich vom
Gewässer hangaufwärts. Weiter entfernte Flächen wurden erst zu einem späteren Zeitpunkt abflusswirksam wenn
die Volumenflussdichte der gerinnenahen Flächen bereits wieder abnimmt
und sich damit der Ausfluss aus dem
Hang verringert. Damit kann auch die
Wirkung von durch Wurzeln gebildeten
lateralen Poren auf den Spitzenabfluss
88
Die globale Erwärmung wird die Baumartenzusammensetzung in gewissen
Höhenstufen verändern. Frostemp­
find­liche Arten können höhere Lagen
be­stocken und aufgrund ihrer Konkur-
im WST 19f. Dagegen wird in mittleren Bodentiefen zwischen rund 0,1 und
0,8 m eine Zunahme der Wasseraufnahmekapazität erwartet (Abb. 7).
Der zusätzliche Wasserspeicherraum
summiert sich über eine Bodentiefe von einem Meter auf rund 9 mm,
was im Untersuchungsgebiet rund 15
Prozent eines einstündigen Extremniederschlagereignisses mit einer Wiederkehrperiode von 100 Jahren entspricht. Auch wenn dieses Ergebnis
zeigt, dass der Wasserspeicherraum
im heutigen WST 46 mit einem höheren Buchenanteil vergrössert wird,
kann trotzdem nicht von einer generellen Verbesserung der Hochwasserschutzfunktion ausgegangen werden,
da die Klimaerwärmung auch intensivere Niederschlagsereignisse mit sich
bringen könnte (OcCC/ProClim 2007).
Zudem wurde nur ein WST untersucht
und die Folgen potentieller, klimatisch
bedingter Artenwechseln auf das Wasserspeichervermögen von Böden anderer WST sind weitgehend unbekannt.
Die Ergebnisse sind repräsentativ für
kurzzeitige Starkniederschlagsereignisse bei hoher Bodenfeuchte im nordalpinen Flyschgürtel mit Tannen-Fichtenwäldern und in Höhenlagen wo die
Buche die Fichte voraussichtlich stark
konkurrieren wird.
0,8−0,6
0,6−0,4
0,4−0,2
0,2−0,0
Zusätzlicher Wasserspeicher WST 19f
1,0−0,8
3.5 Klimaänderung und Schutzwirkung
renzkraft heute verbreitete Arten teilweise verdrängen. Damit geht auch
eine Veränderung der Durchwurzelungssituation und der Schutzwirkung
einher. Um die daraus resultierenden
Konsequenzen abzuschätzen wurde ein
Szenario verwendet, bei dem Buchen
infolge der Klimaänderung vermehrt
in heutige Hochwasserschutzwälder
des WST 46 einwandern und vor allem
Fichten verdrängen werden (Brzeziecki et al. 1995). Es wurde angenommen,
dass sich die Wurzeldichte im heutigen WST 46 mit dem Einwachsen der
Buche zukünftig zu derjenigen verändern wird, wie sie heute im WST 19f
typisch ist. Aufgrund der Korrelation
zwischen der Wurzeldichte und der
Amplitude der Infiltration liess sich
anschliessend abschätzen, wie sich die
Wasserspeicherkapazität mit einem
höheren Anteil der Buchen voraussichtlich ändern würde. Details der
Berechnungsgrundlage sind in Lange et al. (2013) zu finden. Aufgrund
der tendenziell höheren Wurzeldichte
im WST 19f kann von einer höheren
Wasserspeicherkapazität
ausgegangen werden. In den obersten 10 cm des
Bodens ist eine leichte Abnahme des
Wasserspeichervermögens zu erwartet,
da hier die Wurzeldichte in den WST
46, 49 durchschnittliche höher war als
Tiefenbereich, m
relativiert werden, da unsere Modellierung zeigte, dass diese nur sehr gerinnenah oder bei sehr lang anhaltenden Niederschlägen von hydrologischer Bedeutung waren. Wurde dagegen ein längerer
Zeitrahmen betrachtet, erhöhte sich die
Grösse der abflussbeitragenden Fläche.
So war nach 10 Stunden eine Distanz
von etwa 11,3 m hangaufwärts am Ausfluss beteiligt wobei dann der Ausfluss
nur noch etwa 28 Prozent des Spitzenabflusses betrug. Hinzu kommt, dass in
realen Böden Wasser von präferenziellen Fliesspfaden in kleinere Poren abstrahiert wird und kurz bis mittelfristig
durch Kapillarkräfte gebunden werden
kann (Hincapie und Germann 2009a)
was den lateralen Abfluss weiter vermindern wird.
Auch wenn eine hohe Wurzeldichte
den lateralen Fluss im Boden erhöhen
kann, sei an dieser Stelle ausdrücklich
darauf hingewiesen, dass die Verminderung oder Verhinderung des Oberflächenabflusses ein zentrales Ziel der
Hochwasserschutzfunktion des Waldes
sein sollte. Damit kann einerseits eine
schnelle Abflussantwort der Gewässer
verzögert, andererseits der Boden als
potentieller Zwischenspeicher erst zur
Verfügung gestellt werden. Oberflächenabfluss erreicht Geschwindigkeiten
von bis zu 10 cm s–1 (Wohlrab et al.
1992), während sich Fliessgeschwindigkeiten in präferenziellen Fliesspfaden
im Boden meist zwischen 0,01 bis 0,5 cm
s–1 (Germann und Hänsel 2006) bewegen. Dies führt bereits zu einer deutlichen Verzögerung des Abflusses. Eine
durch Wurzeln erwirkte höhere Infiltration vergrössert auch den Speicherraum
im Boden, die Wasseraufnahmekapazität kann gesteigert werden. Die positiven Auswirkungen erhöhter Durchwurzelungsdichten auf die vertikale
Infiltration überwiegen damit bei weitem und überkompensieren die negativen Effekte bezüglich des Hochwasserschutzes aufgrund potentiell höherer
lateraler Fliessgeschwindigkeiten.
Forum für Wissen 2013
0,0
0,5
1,0
1,5
2,0
2,5
3,0
3,5
Zusätzlicher Wasserspeicher, mm
Abb. 7. Zusätzlicher Wasserspeicher (Amplitude der Infiltration) in mm wenn die Buche im
WST 46 infolge der Klimaerwärmung dominanter wird.
Forum für Wissen 2013
4 Der ideale Hochwasser­
schutzwald
Hochwasserschutzwälder stocken vielerorts auf vernässten Böden die bei
stärkeren Niederschlagereignissen und
höheren Bodenwassergehalten zur Bildung von Oberflächenabfluss neigen.
Ein wichtiges Schutzziel dieser Wälder
ist die Erhöhung der Infiltrationskapazität und des Wasserspeichervermögens des Bodens. Unsere Studien weisen klar daraufhin, dass Wurzeln das
Infiltrationsvermögen und die Wasserspeicherkapazität von Böden massgeblich verbessern können. Das Ziel im
Hochwasserschutzwald sollte deshalb
eine in allen Dimensionen möglichst
hohe Wurzeldichte sein, die auch vernässte Horizonte einbezieht und grössere Lücken in der Durchwurzelung
des Bodens ausschliesst. Damit kann
auch eine vorhandene Stauschicht
erschlossen werden und potentielle
laterale Fliesspfade entlang der Stauschicht können unterbrochen werden.
Verschiedene Studien haben gezeigt,
dass bei einzelbaumweiser Baumartenmischung, bei gleichzeitigem Vorhandensein unterschiedlicher Altersstufen und bei einer Mischung von eher
flach- und tiefwurzelnder Arten eine
maximale Durchwurzelungsintensität
über den gesamten potentiellen Wurzelraum erreicht wird (Fölster et al.
1991; Schmid und Kazda 2002). Daraus
können folgende Anforderungen an
Hochwasserschutzwäldern auf vernässten Böden abgeleitet werden:
1. Der Bestand soll über eine einzelbaumweise Artenmischung verfügen.
2. Die Baumarten sollen über unterschiedliche Wurzelsysteme verfügen
(Flach-, Herz- und Pfahlwurzeln)
um den gesamten potentiellen Wurzelraum optimal zu erschliessen.
3. Mindestens eine Baumart, idealerweise die am tiefsten wurzelnde,
sollte auch in teilweise anaeroben
Bodenhorizonten wurzeln können.
4. Unterschiedliche Altersstufen sollten
gleichzeitig vorhanden sein. Nebst
einer Erhöhung der Wurzeldichte
kann damit auch eine ausreichende
Verjüngung und die nötige Bestandesstabilität sichergestellt werden.
Diese Erkenntnisse decken sich mit
denen von Frehner et al. (2005), die
in der Wegleitung «Nachhaltigkeit
89
und Erfolgskontrolle im Schutzwald»
(NaiS) Zielgrössen bezüglich der
Artenmischung, Bestandesstruktur und
Verjüngung für schutzrelevante Waldstandortstypen definiert haben. Die
Autoren fordern generell eine naturnahe, stufige Bestockung mit hohem
Deckungsgrad um den Wurzelraum
optimal zu erschliessen und damit die
Schutzwirkung zu optimieren. Frehner et al. (2005) stellen zudem Unterlagen zur Verfügung, um den aktuellen
Zustand der Schutzwälder zu erfassen
und daraus waldbauliche Massnahmen
zur Optimierung der Schutzfunktion
abzuleiten.
Die Wirkung der Hochwasserschutzwälder beruht einerseits auf der Porosität des Bodens welche massgeblich
durch Wurzeln gebildet wird, andererseits aber auch auf erhöhten Interzeptions- und Transpirationraten von
Wäldern gegenüber offener Vegetation. Das führt dazu, dass der Boden vor
einem Niederschlagereignis trockener
sein kann und damit ein höheres Speichervermögen aufweist. Die hier präsentierten Studien befassten sich vor
allem mit der Wirkung von Wurzeln
auf die Infiltration. Um die Waldwirkung auf den Hochwasserschutz umfassend zu untersuchen, müssten auch die
Interzeption und Transpiration berücksichtig werden. Bei der Transpiration
von Bäumen wird, je nach Durchwurzelungstiefe, Wasser aus unterschiedlichen Bodentiefen entnommen. Auch
bei diesem Prozess sind damit Wurzeln von zentraler Bedeutung und eine
Abschätzung der Auswirkungen der
Transpiration auf den Bodenwassergehalt und potentiellen Wasserspeicher
bedingt Kenntnisse über die standortstypische Durchwurzelungssituation.
Generell existieren bislang nur wenige Daten zur vertikalen und lateralen
Durchwurzelung verschiedener WST.
Dies ist primär darin begründet, dass
die Erfassung der Durchwurzelungssituation zeitraubend ist und die Ergebnisse aufgrund der Inhomogenität der
Böden und Bestände nur unter Vorbehalten auf andere Standorte übertragen werden können. Möglicherweise
bieten sich hier Wurzelmodellierungen
an, wie sie zum Beispiel von Schwarz
et al. (2010) durchgeführt wurden. Ein
besserer Kenntnisstand über Dichten
und räumliche Verteilungen von Wurzeln liesse eine Verbesserung hydro-
logischer Modelle zu und würde auch
in anderen Gebieten, wie zum Beispiel
der Modellierung von Trockenstressrisiken aufgrund der Klimaerwärmung,
entscheidend zur Verbesserung von
Vorhersagemodellen beitragen.
Einige offenen Fragen, in welcher
Weise und unter welchen Umständen
der Wald einen Beitrag zum Hochwasserschutz leisten kann, wurden in den
letzten Jahren beantwortet. Allerdings
bereitet es nach wie vor Schwierigkeiten, daraus allgemeine Zusammenhänge abzuleiten da sowohl die Vorfeuchte des Bodens, die Bodeneigenschaften, Niederschlagscharakteristiken und
Bestandesparameter hochvariabel sind.
Für die Praxis hat die Wegleitung von
Frehner et al. (2005) auch nach neusten Erkenntnissen ihre Gültigkeit und
bietet einen dem Stand des Wissens
angepassten Rahmen, um die Hochwasserschutzwirkung von Wäldern
abzuschätzen, zu erhalten und gegebenfalls mittels forstlicher Massnahmen zu verbessern.
5Danksagung
Die Autoren bedanken sich bei Roger
Köchli und Marco Walser von der Eidg.
Forschungsanstalt WSL (Schweiz) und
bei Andreas Bauer, Thomas Gräff und
Irene Hahn von der Universität Potsdam (Deutschland) für die Hilfe bei
der Feldarbeit. Philipp Mösch von der
Waldabteilung 5 (Kt. Bern) hat uns bei
der Suche nach Untersuchungsgebieten
unterstützt und uns erlaubt, die Feldarbeiten durchzuführen. Die hier vorgestellten Forschungsarbeiten wurden
durch die COST-Aktion E38 (Woody
Root Processes), das Forschungsprogramm «Wald und Klimawandel» der
Eidg. Forschungsanstalt WSL und des
Bundesamtes für Umwelt BAFU sowie
durch den Schweizerischen Nationalfonds finanziell unterstützt und ermöglicht.
90
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transport of nitrate through soil columns
containing root channels. Soil Sci. Soc.
Am. J. 58: 653–659.
Abstract
Tree roots and infiltration
Since the 19th century, it has been widely assumed that forests mitigate runoff
because forest soils are thought to be more porous than soils outside the forest.
Not until the 1980s, however, did the scientific community begin to discuss this
forest hydrological paradigm seriously. Today it is no longer assumed that the mere
existence of a forest is sufficient to mitigate runoff. A forest’s capacity for water
retention depends on the characteristics of both its soil and forest stands. Several
studies have shown that tree roots are relevant pore-generators in forest soils.
Here we present the results of three research projects on the influence of roots on
vertical and lateral water flow in forests soils of pre-alpine forests in Switzerland.
The presence of tree roots in the soil was found to increase the soil’s infiltration
and water storage capacity in the forest communities we investigated. Thus, water
retention can be optimized through silvicultural interventions. A comparison of
the root densities and water storage capacities in different forest stands indicated
that the tree species shift from spruce- to beech-dominated mixed forests expected
under climate change will probably increase slightly the water storage capacity in
the soils of stands where this shift takes place.
Keywords: infiltration, soil water flow, flood protection forests, tree roots, lateral
subsurface flow, climate change
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Forum für Wissen 2013: 91–98
91
Die Bedeutung der Waldböden für Wassermenge
und -qualität in Einzugsgebieten
Karl-Heinz Feger1, Raphael Benning1 und Andreas Wahren1,2
Institut für Bodenkunde und Standortslehre, Technische Universität Dresden, Pienner Str. 19, D-01737 Tharandt,
[email protected], [email protected]
2
Dr. Dittrich & Partner Hydro-Consult GmbH, Gerlinger Strasse 4, D-01728 Bannewitz, [email protected]
1
Am Beispiel längerfristiger hydrologischer und biogeochemischer Messungen und
darauf gestützter Modellierung des Gebietswasserhaushalts wird für das Erzgebirge (Sachsen, Deutschland) der Einfluss der Waldböden auf wasserbezogene Ökosystemdienstleistungen verdeutlicht. Die Wasserqualität wird durch Überlagerung
natürlicher Bodenprozesse (v.a. Podsolierung) und Nachwirkung der früher extrem hohen Schwefel-Belastung bestimmt. Problematisch aus Sicht der Wasserversorgung sind gelöste Huminstoffe, allerdings mit boden-/standortsabhängiger
Differenzierung. Im Vergleich zur Agrarnutzung sind Stickstoff- und PhosphorAusträge sehr gering. Simulationen mit Landnutzungsszenarien unterschiedlich
grosser Waldanteile lassen erkennen, dass der Abfluss zurückgeht, die Hoch­
wasserretention aber ansteigt. Künftige Herausforderungen für Wissenschaft und
Planung liegen in einer stärkeren Verknüpfung von Wasserqualität und -menge.
1Hintergrund
Wälder spielen im Wasserhaushalt von
Landschaften eine bedeutende Rolle.
Ein hoher Waldanteil im Einzugsgebiet
gilt als Garant für eine gute Rohwasserqualität für die Trinkwasserversorgung. Waldbestockung wirkt sich günstig auf den Wasserrückhalt aus. Wasserschutz ist daher integraler Bestandteil
einer am Prinzip der Nachhaltigkeit
orientierten Waldbewirtschaftung. So
formulierte bereits 1993 die Europäische Forstministerkonferenz in Helsinki (MCPFE 1993): «Die Methoden
der Waldbewirtschaftung sollten angemessene Rücksicht auf den … Schutz
der Qualität und Quantität des Wassers
… und den Schutz gegen Hochwasser
… nehmen.» Die Warschau-Konferenz
(MCPFE 2007) widmete dem Thema
«Wald und Wasser» sogar eine eigene
Resolution. Darin wird gefordert, die
Leistungen von Wäldern in Bezug auf
Wassermenge und -qualität und den
Hochwasserschutz zu bewerten und in
ein System von Zahlungen von Ökosystemdienstleistungen zu integrieren,
um die allgemeinen Schutzleistungen
von Wäldern zu gewährleisten.
Die Anforderungen an eine dem
Management der Ressource Wasser
angepasste Waldbewirtschaftung variieren regional und standörtlich. Im
einen Fall steht das Wasserangebot, im
anderen die Wasserqualität oder die
Steuerung des Oberflächenabflusses im
Vordergrund. Dabei geht es nicht allein
um etablierte Waldflächen, sondern
auch um solche, wo eine Waldbestockung geschaffen werden sollte, damit
bestimmte Leistungen künftig besser
erfüllt werden. Da Wasserwirtschaft
jedoch auf wesentlich grösseren räumlichen Skalenebenen, meist für Fluss­
einzugsgebiete, abläuft als die forstliche (und selbstverständlich auch die
landwirtschaftliche) Nutzung, ist häufig unklar, welche Effekte die Landnutzung beziehungsweise deren Änderung
hat. Unklar ist meist auch, an welchem
Ort im Einzugsgebiet wasserbezogene
Ökosystemdienstleistungen entstehen
und in welcher Menge, Intensität und
zeitlicher Dauer sie einem Nutzer, das
ist meist die Allgemeinheit, zur Verfügung gestellt werden und wie sich diese
Leistungen durch verschiedenste Einflüsse verändern (Brauman et al. 2007).
Die Gewinnung relevanter Informationen und der Skalentransfer sind
daher wesentliche Aufgabe der (forst-)
hydrologischen Forschung (vgl. Pilaš
et al. 2010). Darüber hinaus gewinnen
solche Informationen eine zunehmende Bedeutung für die Umsetzung von
Regelungen auf EU-Ebene (Wasserrahmenrichtlinie, Hochwasserrichtlinie).
Den Böden kommt bei den komplexen Wechselwirkungen des Wassers auf
seinem Weg durch das Einzugsgebiet
eine zentrale Bedeutung zu. Daher sind
deren Funktionen als Filter, Puffer,
Speicher und Transformatoren entsprechend zu erfassen und zu bewerten. Zu
berücksichtigen sind dabei die Vielfalt der Böden als Ergebnis der Pedogenese aber auch die meist sehr jungen
Veränderungen in Folge menschlicher
Aktivitäten (vgl. Leitgeb et al. 2013).
Im Beitrag wird an ausgewählten Beispielen aus dem östlichen und mittleren Erzgebirge in Sachsen gezeigt, wie
Waldböden sich im Hinblick auf wasserwirtschaftlich relevante Leistungen
verhalten und wie sich diese Erkenntnisse künftig auf die Skala grösserer Einzugsgebiete transferieren lassen. Das Erzgebirge besitzt die grösste Waldfläche in Sachsen und hat eine
entsprechend grosse forstwirtschaftliche Bedeutung. Gleichzeitig gibt
es zahlreiche Talsperren, welche der
Trinkwasserversorgung (etwa der Ballungsräume Chemnitz und Dresden)
aber auch dem technischen Hochwasserschutz dienen. Aus der historischen
Entwicklung heraus (Versorgung der
Bergbausiedlungen) ist der Landwirtschaftsanteil an der Flächennutzung
auch heute noch bedeutsam. Dort wo
es die Bodenverhältnisse zulassen, ist
selbst in den Kammlagen noch Ackerbau anzutreffen. Eine optimierte Steuerung der Talsperren im Hinblick auf
Mengen- und Qualitätsziele benötigt
daher umfangreiche Informationen,
nicht zuletzt als Ergebnis interdisziplinärer Forschung zum Landnutzungseinfluss (Feger und Wahren 2008).
92
Forum für Wissen 2013
2Wasserqualität
2.1 Langfristiger Einfluss von Schad
stoffeinträgen über die Luft
Die extrem hohen SO2-Emissionen
aus der ungefilterten Verbrennung
von Braunkohle führten seit Ende der
1970er Jahren im Erzgebirge nicht nur
zu den bekannten Waldschäden, sondern hatten auch beträchtliche Veränderungen der boden- und gewässerchemischen Bedingungen zur Folge (vgl.
Armbruster et al. 2003, 2004, 2005).
Die Gewässer waren durch einen
starken Versauerungseinfluss geprägt,
der sich in den pufferschwachen Böden
aus Gneisen und Graniten durch pHWerte < 5 sowie stark erhöhte Konzentrationen von Al-Ionen äusserte. Als
Ursache ist die hohe S-Belastung anzusehen, welche sich in der Dominanz
der Ionenbilanz durch Sulfat zeigte
(Abb. 1a). In Mittelgebirgen mit geringerer atmogener Belastung war der
Depositionseinfluss auf den Gewässerchemismus bei vergleichbaren Puffereigenschaften der Gesteine und Böden
weit geringer (z. B. Südschwarzwald:
Abb. 1b).
Anfang/Mitte der 1990er Jahre ging
nach Einführung und Umsetzung
umfangreicher Luftreinhaltungsmassnahmen die S-Depositionsbelastung
stark zurück. Dies bewirkte eine deutliche Erholung der Gewässerqualität
(Tab. 1). Der pH-Wert stieg deutlich an.
Die besonders deutliche Abnahme der
Sulfat-Konzentrationen auf der Anionenseite wurde durch eine Abnahme der Al-Konzentrationen begleitet.
Auch Mn und weitere Schwermetalle (nicht gezeigt) nahmen deutlich ab.
Standortsökologisch bedeutsam ist
Tab. 1. Übersicht über die langfristige Entwicklung ausgewählter Wasserqualitätsparameter
im Rotherdbach-Einzugsgebiet für drei Zeitscheiben. Angegeben sind die Mittelwerte der
jeweiligen Zeitperiode (aus Benning und Feger 2013).
Zeitraum
1994–1999
2000–2005
2006–2011
pH-Wert
4,3
4,3
4,6
Leitfähigkeit (µS)
148
121
103
NO3– (µmolc L–1)
132
73
51
–1
SO4 (µmolc L )
715
431
338
Al (µmolc L )
279
121
96
–
29
142
609
498
407
–
3,3
4,4
2–
3+
–1
Phosphat-P (µg L–1)
∑ basische Kationen (ohne Na+)
DOC (mg L–1)
Abb. 1. Ionenbilanzen von zwei Experimental-Wassereinzugsgebieten mit Fichtenbe­
stockung aus Granitpodsolen im östlichen Erzgebirge (links) und Südschwarzwald (rechts);
Mittelwerte aus den Beobachtungzeiträumen 1994–1999 beziehungsweise 1988–1998
(beachte die unterschiedliche Skalierung der x-Achsen; Organische Anionen [aus Anionendefizit] aus Armbruster et al. 2003).
auch, dass die Austräge der basischen
Kationen Ca2+ und Mg2+ (beides sind
wichtige Pflanzennährstoffe) durch
den Sulfat-Rückgang und entsprechend geringere Pufferbeanspruchung
ebenfalls deutlich zurückgingen.
Wasserwirtschaftlich relevant sind
die heute deutlich höheren Konzentrationen an gelöster organischer Substanz (DOC). Die Wasserversorger
müssen einen höheren Aufbereitungsaufwand betreiben, um diese braungefärbten Huminstoffe aus dem Rohwasser zu entfernen. Der in vielen
Mittelgebirgsgewässern in Mittel- /
Nordeuropa und Nordamerika seit
etwa 20 Jahren festgestellte langsame
Anstieg der DOC-Konzentrationen
(z. B. Evans et al. 2006) ist auf eine verändere chemische Zusammensetzung
des Sickerwassers infolge einer verringerten atmogenen Depositionsbelastung zurückzuführen (vgl. Sucker und
Krause 2010). Interessant ist auch, dass
die relativ niedrigen P-Austräge in jüngerer Zeit etwas angestiegen sind. Dies
beeinflusst den Trophiezustand der Talsperren, wo die Einträge aus der Landwirtschaft und dem Siedlungsbereich
seit Anfang / Mitte der 1990er Jahre
stark zurückgingen (Reichelt 2012).
Betrachtet man die zeitliche Variabilität von Oberflächenwässern aus
Waldgebieten mit multivariaten Statistikmethoden, so kommt neben der
mehr oder weniger deutlichen Überprägung durch den S-Eintrag und die
Sulfat-Dominanz auch der Einfluss des
Gestein- / Bodenfaktors deutlich zum
Vorschein. In den basenarmen Mittelgebirgen ist als prägender (natürlicher) Bodenprozess vorrangig die Podsolierung erkennbar. Hier ist nicht nur
der Podsolierungsgrad entscheidend,
sondern auch der Anteil des oberflächennahen Abflusses (Interflow). Dieser führt vor allem bei Schneeschmelze
und Starkregen dazu, dass die Filterund Pufferkapazität der Unterböden
besonders bei vernässten und sickerschwachen Böden weniger zur Geltung
kommt (vgl. Feger und Brahmer 1986;
Menzer und Feger 2005). Insofern ist
also der Oberbodenzustand und damit
auch die Podsolierung, die waldbaulich
beeinflusst werden kann, wichtig für
die Wasserqualität.
Die Erholung der Gewässerqualität, die bislang stark durch die atmogene Versauerung geprägt war, zeigt
Forum für Wissen 2013
93
Abb. 2. Vorräte der Schwefel-Bindungsformen in den Waldböden der 8 Level-II-Standorte
in Sachsen (Stot = Gesamt-S, Sorg = organisch gebundender S; weitere Fraktionen sind austauschbarer und wasserlöslicher Sulfat-S); aus: Wunderlich et al. (2006).
eine deutliche Verzögerung. Betrachtet
man S-Eintrag- /Austrag-Bilanzen, so
wird deutlich, dass die Waldökosysteme
im Erzgebirge (wie auch an anderen
Waldstandorten Mitteleuropas, aber
in einem viel stärkeren Masse) den
Schwefel aus der S-Deposition früherer Jahre im Boden akkumuliert haben
(Abb. 2). Vor diesem Hintergrund fungieren die Böden daher als S-Quelle.
Für den Bodenschutz bedeutsam ist
dabei, dass ein beträchtlicher Teil dieser S-Vorräte in den Böden organisch
gebunden ist und damit in ähnlicher
Weise wie N mikrobiellen Umsetzungen unterworfen ist. Störungen
des Humuskörpers (z. B. durch starke
Bestandesauflichtung etwa nach Windwürfen, Schneebruch, Insektenkalamitäten) können daher analog zu Nitrat
zu Versauerungsschüben mit entsprechenden Austrägen von Kationen führen (vgl. Feger 1998).
2.2 Wirkung von Bodenschutzkalkungen
Grossflächige Kalkungen haben in der
forstlichen Praxis einiger deutscher
Bundesländer seit den 1990er Jahren
weite Verbreitung gefunden. Dabei
überlagern sich häufig ganz unterschiedliche Ziele: Bodenmelioration,
Säurekompensation, Düngung, Bodenbzw. Grundwasserschutz (vgl. Feger
1996). Ein häufig genanntes Ziel von
Kalkungsmassnahmen besteht auch
darin, das Quell- und Grundwasser vor
Schwermetall-, Aluminium- und Säureeinträgen zu schützen. Diesen Motiven stehen allerdings eine Reihe möglicher Risiken gegenüber: vorrangig eine
erhöhte Auswaschung von Nitrat als
Folge einer angekurbelten mikrobiellen Humusumsetzung und ÜberschussNitrifikation sowie eine Mobilisierung
von DOC (Feger 1996). Auch die
Mobilisierung von organisch gebundenem Boden-Schwefel wird hier diskutiert (s. o.; Feger 1998). Ein Anstieg
beider Parameter hätte Konsequenzen
für die Trinkwassergewinnung.
Die aus Untersuchungen der Zusammensetzung des Bodensickerwassers
auf Standortsebene abgeleitete kritische Bewertung von Waldkalkungen
im Hinblick auf die Wasserqualität (z. B.
Beese und Meiwes 1995; Kreutzer
1995) relativiert sich allerdings, wenn
man Kalkungsexperimente auf der
Skala kleiner Einzugsgebiete betrachtet. So zeigte die einmalige Ausbringung von 4 t ha–1 dolomitischem Kalk
im Südschwarzwald (Gebiet Schluchsee) und Osterzgebirge (Rotherdbach)
insgesamt nur geringe Auswirkungen auf die chemische Zusammensetzung des Gebietsabflusses (Armbruster et al. 2004). Die Lösung des oberflächlich ausgebrachten Dolomitkalkes
schreitet nur sehr langsam voran. Wie
wiederholte Bodeninventuren in den
ARINUS-Experimental-Einzugsgebie-
ten im Südschwarzwald zeigten, hatte
die Kalkung nur eine geringe bodenchemische Tiefenwirkung (das heisst
höhere Basensättigung und höhere pHWerte) (Raspe und Feger 1998). Somit
waren die Austauschgleichgewichte
im Mineralboden kaum verändert, die
chemische Zusammensetzung des tieferen Sickerwassers variierte kaum. Bei
erhöhten Abflüssen war nach Kalkung
allerdings eine leicht verbesserte Säurepufferung zu beobachten. In beiden
gekalkten Einzugsgebieten zeigte sich
im Bachwasser keine Reaktion bei Nitrat. Ein erhöhter Nitrat-Austrag nach
Waldkalkung dürfte wohl am ehesten
dort auftreten, wo sich klare Indikatoren einer N-Sättigung des Waldökosystems zeigen (Beispiel: stadtnahe Wälder im Ballungsraum Rhein-Neckar:
Feger 2007). Bei DOC ist zu beachten,
dass in den letzten Jahren ein genereller Trend in Richtung höherer Austräge
aus Waldböden feststellbar ist, wofür
Bodenschutzkalkungen als Hauptursache aber ausscheiden (vgl. Evans et al.
2006; Sucker und Krause 2010).
2.3 Einfluss der Landnutzung im
Einzugsgebiet
Das Trinkwasser für die Region Dresden stammt zu einem grossen Teil aus
dem im Erzgebirge gelegenen Talsperrensystem
Klingenberg / Lehnmühle
(Abb. 3). Beim Hauptzufluss der Talsperre Lehnmühle hat das Gebiet eine
Flächengrösse von etwa 51 km² (am
Pegel Ammelsdorf); die Höhenlage
variiert von 520 m ü. M. im nördlichen
Teil bis zu 800 m ü. M. im südlichen
Teil. Die Landnutzung entspricht der
für Mittelgebirgsregionen charakteristischen Verteilung: ~ 52 Prozent Wald,
~ 34 Prozent Grünland und ~ 9 Prozent ackerbauliche Nutzung. Der mittlere jährliche Niederschlag beträgt
~1080 mm, die mittlere Jahrestemperatur liegt bei 4,9 °C. Im Einzugsgebiet
sind hauptsächlich basenarme Braunerden und Podsole zu finden, die sich
aus den silikatischen Grundgesteinen
entwickelt haben. Um die Stoffausträge einzelner Landnutzungen erfassen zu können, wurden für die drei
Hauptlandnutzungen Acker, Grünland
und Wald jeweils Kleinsteinzugsgebiete ausgesucht, in denen je eine dieser
Nutzungen dominiert (vgl. Benning
94
Forum für Wissen 2013
und Feger 2013). Deren standörtliche
Ausstattung ist für das mesoskalige
Einzugsgebiet repräsentativ. Die beiden näher untersuchten Waldgebiete Kohlgrundbach (20,4 ha, Muskovit-
Gneis, tiefgründige Braunerden) und
Rotherdbach (9,4 ha, Granitporphyr,
flach- bis mittelgründige Podsole) sind
mit Fichte bestockt.
Die in den beiden Messjahren 2010
Tab. 2 Austräge der Stoffe Nitrat-Stickstoff (NO3-N), Gesamt-Phosphor (GP) und gelöster
organischer Kohlenstoff (DOC) aus den definierten Landnutzungen Acker, Grünland und
Wald im Einzugsgebiet der Talsperre Lehnmühle für die Jahre 2010 und 2011.
NO3-N
2010
GP
DOC
Acker
49,3
0,22
Grünland
38,5
0,18
5,0
0,05
kg ha–1 a–1
Wald
NO3-N
2011
GP
DOC
  4,2 
52,1
0,28
3,9
16,77
20,5
0,11
7,6
 9,56
3,6
0,02
 5,3
Kohlgrundbach
mg/l
Rotherdbach
mg/l
Abb. 3. Darstellung der Lage der Einzugsgebiete: In blau ist das Einzugsgebiet des Zuflusses
zur Talsperre Lehnmühle (Pegel Ammelsdorf, Wilde Weisseritz) dargestellt, innerhalb dessen die Kleinsteinzugsgebiete Grünland (hellgrün) und Wald (dunkelgrün, Kohlgrundbach)
liegen. In braun ist das Kleinsteinzugsgebiet Acker dargestellt. Rot gekennzeichnet ist das
Kleinsteinzugsgebiet des Rotherdbachs (Level-II Messfläche).
Abb. 4. Zeitreihen der Konzentration an gelöstem organischen Kohlenstoff (DOC) in den
Bachwässern des Kohlgrund- und Rotherdbachgebietes für die hydrologischen Jahre 2010
und 2011.
und 2011 ermittelten Stoffausträge für
Nitrat-N, Gesamt-P und DOC sind
in Tabelle 2 zusammengestellt. Die
Stoffausträge aus Acker und Grünland sind deutlich höher als aus dem
mit Wald bestockten Einzugsgebiet
(Kohlgrundbach). Der höchste Nitrat-Austrag wurde mit durchschnittlich 51 kg ha–1 a–1 bei Acker gemessen.
Der Nitrat-N-Austrag bei Grünland
betrug im Mittel 30 kg ha–1 a–1. Demgegenüber war der Nitrat-N Austrag
aus Wald mit durchschnittlich 4 kg
ha–1 a–1 sehr gering. Die hohen Austräge aus den landwirtschaftlich genutzten Flächen sind auf die regelmässige
N-Zufuhr über Mineraldüngung und
Gülleausbringung
zurückzuführen.
Die gemessenen Gesamt-PhosphorAusträge zeigen ähnliche Unterschiede zwischen den einzelnen Landnutzungen. Die höchsten durchschnittlichen P-Austräge wurden bei Acker
(0,25 kg ha–1 a–1) gemessen, gefolgt
vom Grünland (0,15 kg ha–1 a–1) und
wesentlich geringerem Austrag unter
Wald (0,04 kg ha–1 a–1). Sowohl die Austräge aus Wald als auch aus den landwirtschaftlichen Flächen sind als gering
einzuschätzen. Auf den beiden landwirtschaftlichen Flächen erfolgt seit
mehr als zehn Jahren allerdings keine
P-Düngung mehr und die Bewirtschaftung wurde auf konservierende Bodenbearbeitung umgestellt.
Der Austrag von gelöstem organischem Kohlenstoff (DOC) war bei
Acker am geringsten. Die höchsten
DOC-Austräge wurden überraschenderweise aus dem Grünland gemessen;
die Austräge aus Wald lagen dazwischen. Die partielle Drainage und der
Anteil hydromorpher Böden (Gleye)
im Grünlandgebiet dürfte eine wesentliche Ursache für die hohen Austräge
sein, da der DOC-Austrag sehr stark
an den Durchfluss und vor allem an
Abflussspitzen gekoppelt ist.
Hinsichtlich der DOC-Austräge aus
dem Wald wirken die Bodenverhältnisse stark differenzierend (Abb. 4). Im
Rotherdbach (Granit-Podsol) ist die
mittlere Konzentration um ca. Faktor
5 höher als im Kohlgrundbach (GneisBraunerde). Betrachtet man die zeitliche Dynamik, so schwanken die
DOC-Konzentrationen im Kohlgrundbach weniger als im Rotherdbach, wo
deutliche Peaks erkennbar sind, die
mit Abflussspitzen korrelieren. Diese
95
mg/l
Forum für Wissen 2013
Abb. 5. Vergleichende Darstellung der Zeitreihen der Nitrat-N-Konzentrationen in den drei
Kleinsteinzugsgebieten Acker, Grünland und Wald (Kohlgrundbach) sowie im Gesamteinzugsgebiet (Zufluss Talsperre Lehnmühle, Pegel Ammelsdorf). Dargestellt für die beiden
hydrologischen Jahre 2010 und 2011.
Unterschiede sind durch Zusammenwirken von unterschiedlicher Bodenchemie und Art der Abflussbildung
(Interflow-Anteil) bedingt.
Am Zufluss zur Talsperre Lehnmühle ist die Wirkung des Waldes im
mesoskaligen
Gesamteinzugsgebiet
gut erkennbar (Abb. 5). Die mittlere Nitrat-N-Konzentration am Pegel
Ammelsdorf betrug 1,8 mg L–1. Sie ist
damit höher als die im Kleineinzugsgebiet im Wald gemessene Konzentration, aber deutlich niedriger als die Konzentration im Bachwasser der landwirtschaftlichen Flächen. Der relativ
hohe Waldanteil im Gesamteinzugsgebiet (Pegel Ammelsdorf) führt offenbar dazu, dass die Nitrat-Belastung aus
landwirtschaftlichen Flächen nahezu
kompensiert werden.
3 Veränderte Waldanteile
– Auswirkungen auf die
Gebietsabflüsse
Inwieweit eine Erhöhung der Waldbestockung zu einer Verbesserung
der Wasserqualität führt, lässt sich im
Hinblick auf eine wasserwirtschaftliche Gesamtbewertung nicht vom
Aspekt veränderter Wassermengen
(Gebietswasserspenden) trennen. Um
abzuschätzen, wie sich Art und Intensität der Landnutzung im Einzugsgebiet auf den Wasserhaushalt auswirken, hat sich die Anwendung von
räumlich-verteilten
Prozessmodellen gut bewährt. Für das Einzugsgebiet des Schlettenbach (6,8 km2) bei
Marienberg im mittleren Erzgebir-
ge modellierten wir den Gebietswasserhaushalt mit dem GIS-basierten
Wasserhaushaltsmodell
AKWA-M.
Details zum Modell und zur Modellierung sind bei Münch et al. (2007) sowie
Wahren et al. (2008a, 2012) erläutert.
Ein besonderer Schwerpunkt bei der
Modell-Implementierung wurde auf
die Anpassung der Bodenparameter
bei Landnutzungswechsel von Acker
zu Wald gelegt. Der Ansatz basiert auf
der Ermittlung bodenhydraulischer
Kenngrössen an Bodenprofilen in einer
unechten Zeitreihe, die unterschiedliche Zeiträume nach Aufforstung eines
Ackerstandortes repräsentieren (Wahren et al. 2009).
Modellläufe erfolgten für den Zeitraum der hydrologischen Jahre 1985
bis 2001. Neben der aktuellen Landnutzung erfolgte die Simulation von
fünf verschiedenen Landnutzungsszenarien mit unterschiedlich grossen
Waldanteilen (Abb. 6, Tab. 3). Dabei
siegeln SZ1 bis SZ4 vier sozioökonomische begründete Szenarien wider
(Wahren et al. 2008b). Ein weiteres
(selbstverständlich vollkommen hypothetisches) Szenario ist die vollständige Bewaldung mit einem natürlichen
Bergmischwald.
Der unterschiedlich grosse Waldanteil und die unterschiedliche räumliche Verteilung bedingen deutliche Verschiebungen in den Wasserhaushaltskomponenten (Tab. 4). Besonders die
bei Waldbestockung höhere Interzeptionsverdunstung bewirkt eine Reduktion des Gebietswasserabflusses zwischen 1 Prozent und 24 Prozent (vollständige Bewaldung) im Vergleich zur
aktuellen Landnutzung. Diese Zah-
len beziehen sich auf das langjährige
Mittel. In Einzeljahren ist eine noch
höhere Minderung des Gebietsabflusses möglich. Aus Sicht der Wassermengenwirtschaft (Talsperrennutzung) ist
dies als relevantes Defizit zu werten.
Die Minderung des jährlichen Gebietsabflusses dürfte unter den Bedingungen des Klimawandels noch höher ausfallen (Feger und Wahren 2008). Bei
höheren Waldanteilen ergibt sich eine
deutlich verbesserte Hochwasserretentionsleistung (Quantifizierung für einzelne Hochwasserereignisse bei Wahren et al. 2012).
4 Konsequenzen für
den Bodenschutz und
Perspektiven
Die mit Waldvegetation bestockten
Teile der Wassereinzugsgebiete üben
eine insgesamt sehr positive, aber
standörtlich differenzierte Wirkung auf
die Wasserqualität aus. Deren Erfassung und Bewertung stellt daher eine
wesentliche Grundlage der forstlichen
Bewirtschaftung und ggf. auch für eine
mögliche Steuerung und Honorierung
wasserbezogener Ökosystemdienstleistungen auf Gesamteinzugsgebietsebene dar.
Betrachtet man die Waldböden, so
zeigt sich eine Überlagerung natürlicher Prozesse (v. a. Podsolierung) und
der Nachwirkung der früher extrem
hohen Schwefel-Belastung. Dies ist bei
der Waldbewirtschaftung zu berücksichtigen. Besonderes Augenmerk verdient hier der Humuskörper. Denn
Störungen (z. B. durch starke Bestandesauflichtung etwa nach Windwürfen,
Schneebruch,
Insektenkalamitäten,
möglicherweise auch durch mechanische Schäden) können hier zu verstärkten Austrägen von Nitrat, Sulfat und
entsprechenden Begleitkationen führen. Dies gilt besonders auch für gelöste Huminstoffe (messbar als DOC),
die aufgrund veränderter bodenchemischer Bedingungen seit Rückgang der
starken Depositionsbelastung zudem
einen allgemein ansteigenden Trend
zeigen. Erhöhte DOC-Befrachtung bei
gleichzeitig zurückgehenden Gesamtelektrolyt-Konzentrationen erfordern
bei der Aufbereitung des Rohwassers
verstärkte technische Aufwendungen.
96
Forum für Wissen 2013
Der DOC-Austrag aus dem Wald zeigt
aber eine boden-/standortsabhängige Differenzierung. Auf Gesamteinzugsgebietsebene können ausserdem
auch DOC-Austräge aus Grünland und
Moorflächen relevant sein.
Im Vergleich zur Agrarnutzung sind
N- und P-Austräge sehr gering. Daher
empfehlen sich hohe Waldanteile im
Einzugsgebiet gerade von Trinkwassertalsperren. Simulationen mit Landnutzungsszenarien unterschiedlich gros-
Tab. 3. Flächenanteile (%) der für die Simulation des Schlettenbach-Gebietswasserhaushalts verwendeten Landnutzungsszenarien (IST –
aktuelle Landnutzung, nach Color-IR-Aufnahme 1992/93), SZ 1 (WM) – Szenario 1 «World Markets»; SZ 2 (NE) – Szenario 2 «National
Enterprise»; SZ 3 (GS) – Szenario 3 «Global Sustainability»; SZ 4 (LS) – Szenario 4 «Local Stewardship» – vgl. Karten in Abb. 6; PNV –
vollständige Bewaldung entsprechend der potenziell natürlichen Vegetation); Details in Wahren et al. (2008b).
SZ1 (WM)
81
0
SZ2 (NE)
44
0
11
11
19
38
34
7
6
6
SZ3 (GS)
53
43
10
SZ4 (LS)
63
54
9
PNV
99
87
12
4
12
15
2
4
41
versiegelt
11
Hecken und Obstgehölze
41
Siedlungen
Konventioneller Ackerbau
2
Konservierender Ackerbau
Extensives Grünland
29
Intensives Grünland
Naturferner Fichtenreinbestand
(Alter 70 a)
Naturferner Fichtenreinbestand
(Alter 30 a)
4
Feucht­wald
IST
Naturferner Fichtenreinbestand
(Alter 10 a)
Naturnaher Mischwald
35
Szenario
Kahl­schlagflächen
Wald gesamt
Wald
3
4
9
2
42
3
1
1
18
2
1
1
1
Abb. 6. Vier sozio-ökonomisch begründete Landnutzungsszenarien für das Schlettenbach-Einzugsgebiet (6,8 km2) bei Marienberg im mittleren Erzgebirge (aus Wahren et al. 2008b)
Forum für Wissen 2013
97
Tab. 4. Ergebnis der Simulation des Gebietswasserhaushalts für das Schlettenbach- Einzugsgebiet (6,8 km2) bei Marienberg im mittleren Erzgebirge (aus Wahren et al. 2008b).
«Differenz» bezieht sich auf die relative Veränderung des Gebietsabflusses aus dem Vergleich zwischen dem aktuellen Zustand (IST) und fünf verschiedenen Landnutzungsszenarien (vgl. Abb. 6 und Tab. 3). WHH = Wasserhaushaltsjahr.
WHH 1985–2001
IST
SZ 1
SZ2
SZ3
SZ4
PNV
Niederschlag
972
972
972
972
972
972
reale Verdunstung
472
480
505
509
534
593
Transpiration
193
178
212
212
222
244
Interzeption
190
238
227
221
252
296
Abfluss
507
501
476
473
448
386
Differenz
–
–1%
–6%
–7%
–12%
–24%
ser Waldanteile machen deutlich, dass
dann aber die Gebietsabflüsse zurückgehen. Hingegen steigen die Hochwasserretention und die damit verbundene Stoffretention im Einzugsgebiet an.
Die Minderung der Abflüsse dürfte
unter den Bedingungen des Klimawandels noch höher ausfallen. Diese komplexen Effekte sind bei längerfristigen
Planungen zu berücksichtigen. Vor diesem Hintergrund sollte eine Waldmehrung nicht unspezifisch auf der gesamten Fläche erfolgen, sondern dort wo
die Retention gesteigert und der Stoffaustrag minimiert werden kann. Bei
der Baumartenwahl sind Laubbäume (vorrangig Buche) der heute noch
dominierenden Fichte vorzuziehen.
Denn bei Fichte wirkt sich die höhere Interzeptionsverdunstung erniedrigend auf den Gesamtabfluss und damit
die nutzbare Wassermenge aus. Gleichzeitig fördern hohe Fichtenanteile die
Podsolierung und damit unter Umständen den Huminstoffaustrag. Die Tanne als Baumart der natürlichen Waldgesellschaft, die nutzungsbedingt und
aufgrund der hohen Luftverschmutzung im Erzgebirge stark zurückgegangen ist, in jüngerer Zeit waldbaulich aber wieder stark gefördert wird,
ist hier positiv zu bewerten. Zum einen
ist die Tannenstreu besser zersetzbar,
zum anderen fördert die starke Tiefendurchwurzelung der Tanne die Tiefensickerung, sodass dadurch der oberflächennahe Wasser- und Stofftransport
reduziert wird. Allerdings fehlen hierfür experimentelle Daten.
Eine differenzierte Bewertung der
Veränderungen in den Wasserflüssen im Hinblick auf die Wasserqualität fehlt bislang. Ein einfacher Ansatz
wäre hierfür eine «Verschneidung» von
gemessenen Konzentrationen aus dem
Monitoring und den Wasserflüssen
aus der Modellierung der Wasserflüsse. Gerade aber die Effekte bei Landnutzungswandel (z. B. durch Aufforstung) sind aufgrund zahlreicher Wechselwirkungen nur schwer abschätzbar.
Künftige Herausforderungen für die
interdisziplinäre Waldforschung und
die Einzugsgebietshydrologie liegen in
einer stärkeren Verknüpfung von Wasserqualität und -menge sowohl hinsichtlich Monitoring als auch Modellierung.
Danksagung
Das Analysenprogramm im Einzugsgebiet der Talsperre Lehnmühle war Teil
des BMBF-geförderten Verbundvorhabens REGKLAM (Entwicklung und
Erprobung eines integrierten Regionalen Klimaanpassungsprogramms für
die Modellregion Dresden). Ebenso
danken wir dem Staatsbetrieb Sachsenforst (Dr. H. Andreae) für die
freundliche Bereitstellung der Rohdaten der Level-II Messfläche Altenberg
(Rotherdbach) und S. Wunderlich für
die aus verschiedenen Forschungsprojekten zusammengestellten Daten für
dieses Gebiet. Die Arbeiten im Schlettenbach-Einzugsgebiet erfolgten im
Rahmen des im 6. EU-Forschungsrahmenprogramm geförderten Verbundvorhabens FLOODsite.
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Abstract
The importance of forest soils for water yield and quality
In the Ore Mts. (Erzgebirge, Saxony, Germany), long-term hydrological and biogeochemical monitoring has been performed and related models of watershed
budgets developed. These illustrate how forest soils affect water-related ecosystem services. Water quality is still influenced by the distinct after-effects of sulphur
deposition, which was very high in the region until the mid 1990s, and by natural
soil processes i.e. podsolization. Humic compounds (analyzed as DOC) appear to
be a problem for drinking water, but they vary with soil/site conditions. Much less
nitrogen and phosphorus are exported from forests than from agricultural land.
Hydrological simulations using distributed watershed models indicate the water
yield is less for land-use scenarios with more forest in the watershed. On the other
hand, higher percentages of forest cover are beneficial in terms of flood retention
and overall water quality. Challenges for future research will be to combine good
water quality and water yield/fluxes.
Keywords: forest soil, water quality, water yield, hydrologic ecosystem service, land
use, acid deposition, Erzgebirge/Ore Mts.
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Forum für Wissen 2013: 99–102
99
Umsetzung des Bodenschutzes im Aargauer Wald
Andreas Freuler
Departement Bau, Verkehr und Umwelt, Abteilung Wald, Entfelderstrasse 22, CH-5001 Aarau, [email protected]
Physikalischer Bodenschutz im Aargauer Wald beruht auf drei Stossrichtungen:
der Ausbildung und Sensibilisierung aller Akteure, dem Bereitstellen von Grundlagen sowie einem Angebot für Beratung und Unterstützung. Für die Umsetzung
wurden ein Idealzustand aus Sicht des Bodenschutzes skizziert und anhand einer
Soll-Ist-Analyse die dringendsten Handlungsfelder definiert. Momentan wichtigstes Ziel des Bodenschutzes im Aargauer Wald ist die Dokumentation und Optimierung der Feinerschliessung.
Beratung /
Unterstützung
Umsetzung Bodenschutz im Wald
Grundlagen
bereitstellen
Physikalischer Bodenschutz im Wald
ist ein komplexes Thema. Der Waldbesitzer möchte die Fruchtbarkeit des
Waldbodens langfristig erhalten und
muss dies mit kurzfristigen Anforderungen an die Wirtschaftlichkeit des
Betriebes und mit den sich stetig wandelnden Ansprüchen der Waldbesucher in Einklang bringen. Mit dem Projekt Bodenschutz im Wald (2008–2011)
wurde dieses Thema im Kanton Aargau angegangen. Unter der Leitung
von Peter Ammann (Abteilung Wald)
und in enger Zusammenarbeit mit der
Forschungseinheit Waldböden und
Biogeochemie sowie der Forschungsgruppe Forstliche Produktionssysteme
der Eidg. Forschungsanstalt WSL wurden die Grundlagen für eine erfolgreiche Umsetzung des Bodenschutzes im
Aargauer Wald geschaffen.
Produkte dieser Zusammenarbeit
sind u.a. eine Verdichtungsrisikokarte
als Grundlage der Feinerschliessungsplanung und der Holzernteplanung
für den ganzen Waldboden im Aargau
(Freuler 2011) sowie Empfehlungen
für den Bodenschutz im Wald, welche
die Abteilung Wald gemeinsam mit
dem Aargauischen Försterverband,
dem Aargauischen Waldwirtschaftsverband und den Forstunternehmern
Schweiz, Region Aargau herausgegeben hat (Anonymus 2011). Ebenfalls
im Rahmen dieses Projektes wurden
eine Pilotstudie zur Aufnahme, Opti-
mierung und Dokumentation der Feinerschliessung unter Einsatz von GPS
und GIS durchgeführt sowie Überlegungen zum Kosten-Nutzen-Verhältnis des Bodenschutzes angestellt und
das gesamte Aargauer Forstpersonal
an eintägigen Kursen für dieses Thema
sensibilisiert und ausgebildet. Zudem
wurde eine Stelle für Beratung und
Unterstützung der Waldbewirtschafter
geschaffen.
Die Umsetzung des Bodenschutzes
im Wald stützt sich auf die drei Schwerpunkte Ausbildung / Sensibilisierung,
Bereitstellen von Grundlagen sowie
ein Beratungsangebot. Sie baut auf den
Ergebnissen des Projektes auf (Abb. 1).
Ausbildung /
Sensibilisierung
1Ausgangslage
Projekt Bodenschutz im Wald
Abb. 1. Umsetzung des Bodenschutzes im
Wald im Kanton Aargau.
2Soll-Zustand
Die eigentliche Umsetzungsarbeit startete mit der Definition des Soll-Zustandes. Ausgehend von den Empfehlungen
für den Bodenschutz im Wald wurde der
aus Sicht des Bodenschutzes op­
timal
vorbereitete Forstbetrieb skizziert:
– Alle Akteure (Waldbesitzer,
Betriebsleiter, Förster, Maschinisten,
Forstwarte, Unternehmer, Behörden und Holzabnehmer) sind sich
der Bedeutung des Bodenschutzes
bewusst und wissen, mit welchen
Massnahmen sie zu einem guten
Ergebnis beitragen können.
– Im bewirtschafteten Wald ist die
Fein­erschliessung für jede Feinerschliessungseinheit unter Berücksichtigung des Verdichtungsrisikos und
der kleinräumigen Situation optimiert und vollständig vorhanden. Die
Fahrlinien sind zusammen mit dem
Verdichtungsrisiko in der Bestandeskarte eingetragen und im Wald so
versichert, dass sie innert nützlicher
Frist aufgefunden werden können.
– Der Betriebsleiter organisiert die
Arbeiten gemäss der Witterung und
dem Verdichtungsrisiko in den einzelnen Holzschlägen. Bei Holzschlägen
auf sehr befahrungsempfindlichen
Böden wird auf günstige Verhältnisse
gewartet (allenfalls auch über Jahre).
Er kennt die Eigenschaften und Einsatzbereiche der eigenen Maschinen
und derjenigen des Unternehmers
und stimmt das Verfahren und die
Maschinen auf den Bestand und den
Boden ab. Beim Maschinenkauf ist
die Bodenpfleglichkeit ein wichtiges
Auswahlkriterium.
– Bodenschutz als Kriterium der
Arbeitsqualität ist Teil der Anweisungen an das eigene Personal und /
oder der Ausschreibung und des
Vertrages zwischen Forstbetrieb
und Unternehmer und wird entsprechend kontrolliert.
100
– Die Kompetenzen und Verantwortlichkeiten zur Einhaltung des
Bodenschutzes bei der Planung und
Durchführung der Holzerntearbeiten sind klar geregelt.
Diese Punkte wurden mit dem IstZustand verglichen. Aus dieser SollIst-Analyse ergab sich der Handlungsbedarf für den physikalischen Bodenschutz im Aargauer Wald.
3Handlungsfelder
Mit den erwähnten Ausbildungskursen wurde bereits eine hohe Sensibilisierung erreicht. Das Thema Bodenschutz wird seither vermehrt diskutiert
und gehört zur Holzernte dazu. Die
Diskussion hat sich dabei vom «Ob»
zum «Wie» gewandelt und da an den
Kursen auch die Aargauer Forstunternehmer freiwillig teilgenommen haben,
findet die Lösungsfindung gemeinsam statt. Mit der Definition der Spurtypen (Lüscher et al. 2010) verfügen
die beteiligten Akteure zudem über
einen einfach zu handhabenden Indikator für die Arbeitsqualität. Im Rahmen von Beratungen bei der Feinerschliessung und Betriebsbesuchen der
Behörden (Waldarbeitstage der Kreisförster, Evaluationen der Jungwaldpflege, usw.) werden Bodenschutzthemen anhand konkreter Holzschläge
und unter den örtlichen Rahmenbedingungen besprochen, so dass das Thema auch nach den Ausbildungskursen
aktuell bleibt. Der Ist-Zustand nähert
sich somit dem Soll-Zustand an.
Bei der Feinerschliessung wurde
allerdings noch erheblicher Handlungsbedarf festgestellt. Da die Anlage und Nutzung der Feinerschliessung
den grössten Einfluss auf den Boden
haben, lohnt sich ein Engagement in
diesem Bereich – nebst der Sensibilisierung – zudem am meisten. Die Anlage
der Feinerschliessung soll nach einem
ersten Befahren nicht mehr geändert
werden. Eine sorgfältige Planung und
Optimierung ist daher besonders wichtig und rechtfertigt auch einen gewissen Aufwand. Damit wertvolles Wissen
über die Anlage der Feinerschliessung
nach Stellenwechseln oder Pensionierungen nicht verloren geht und um das
Auffinden bei Zwangsnutzungen oder
Forum für Wissen 2013
nach Räumungen zu erleichtern, empfiehlt die Abteilung Wald des Kantons
Aargau die Feinerschliessungslinien zu
digitalisieren und bietet dazu Unterstützung an.
4Umsetzungsbeispiel
Feinerschliessung
In einem grossen Teil des Aargauer
Waldes ist die Feinerschliessung bereits
vorhanden. In vielen Fällen wurde
­diese Feinerschliessung aber für einen
bestimmten Holzschlag angelegt und
es fehlt ein bestandesübergreifendes
Feinerschliessungssystem.
Bisherige
Feinerschliessungsaufnahmen zeigen
zudem, dass in unerschlossenen, erstmalig maschinell zu bearbeitenden
Beständen die Feinerschliessung teilweise ohne Anzeichnung zu Beginn
oder während der Holzernte direkt
mit dem Vollernter definiert wird. Dies
geschieht unter Zeitdruck und ohne
Verwendung von Messinstrumenten.
Die Folge können unnötige Kurven,
nicht parallele Rückegassen und ungeeignete Rückegassenabstände sowie
eine schlechte Anbindung an die übrige Feinerschliessung sein. Der Waldbewirtschafter vergibt damit die einmalige Gelegenheit, die Feinerschliessung
sorgfältig und präzise sowie vorausschauend und bestandesübergreifend
zu planen. Er vergibt somit auch die
Chance, seinen Wald mit einem optimalen System nach dem Grundsatz so viel
Waldfläche wie möglich mit so wenig
Befahrung wie nötig zu erschliessen.
Die Abteilung Wald des Kantons
Aargau verfügt für Waldausscheidungen und Versicherungen von Vertragsflächen über ein hochpräzises GPSGerät der Firma Leica Geosystems AG.
Die Verwendung des Referenzsignals
von Swisstopo und der Software Leica
MobileMatriX ermöglichen die Korrektur des GPS-Signals in Echtzeit. Der
Einsatz eines leistungsfähigen Feldcomputers erlaubt den Betrieb eines vollwertigen Geographischen Informationssystems (ESRI ArcGIS 9.3.1 mit
ArcView-Lizenz) und das Arbeiten
mit grossen Rasterdaten (Orthofotos,
Pixelkarten). In einer Pilotstudie wurde im Staatswald Habsburg untersucht,
ob dieses GPS-Gerät auch für die Feinerschliessungsdigitalisierung und -pla-
nung verwendet werden kann. Dafür
wurde auf der ganzen Fläche (157 ha)
die vorhandenen Fahrspuren aufgenommen, das Feinerschliessungssystem analysiert, unter Berücksichtigung
des Verdichtungsrisikos optimiert und
draussen im Wald markiert.
Die geforderte Genauigkeit (Abweichung von unter einem Meter) wird
mit der Verwendung der GIS-Daten
in einem Sturmschadensfall oder bei
der erstmaligen maschinellen Nutzung
nach Räumungen begründet. In solchen Fällen wird davon ausgegangen,
dass die bestehende Feinerschliessung
zu grossen Teilen nicht mehr sichtbar
ist und sie daher mit Hilfe genauer
GPS-Daten wiedergefunden werden
muss. Es zeigte sich, dass diese hohe
Genauigkeit praktisch immer erreicht
werden kann. Der Aufwand für Aufnahme und Planung kann dabei von in
der Regel einer halben Stunde bis zu
fünf Stunden in Ausnahmefällen pro
Hektare variieren (Ammann und Freuler 2012, unveröffentlicht). Der Zeitbedarf hängt stark von der vorhandenen Feinerschliessung ab: bei systematischer Anlage, wenig Bewuchs und nur
wenig Fläche mit noch fehlender und
daher zu planender Feinerschliessung
reduziert sich der Aufwand beträchtlich. Unkenntnis des Gebietes, unsystematische Befahrung (Lotharflächen),
starker Brombeerwuchs und viele
Hindernisse (z. B. Windwurfstöcke)
erhöhen den Aufwand. Aufgrund der
geringeren Bedeckung im laublosen
Abb. 2. Aufnahme einer Rückegasse mittels GPS.
Forum für Wissen 2013
Zustand eignet sich das Winterhalbjahr
besonders gut für die Arbeit mit dem
GPS. Der negative Einfluss des Laubes
ist allerdings geringer als erwartet, so
dass auch in der Vegetationszeit gearbeitet werden kann.
Durch die Verwendung des GIS und
des in Echtzeit korrigierten GPS-Signals bietet das Gerät insbesondere bei
der Neuerschliessung grosse Vorteile
gegenüber herkömmlichen Arbeitsmethoden mit Kompass und Jalon. So kann
die Planung direkt im Wald dem Gelän-
101
de und allfälligen Hindernissen angepasst werden und am Schluss der Arbeit
ist die Feinerschliessung bereits digital dokumentiert. Interessierte Förster
werden in der Handhabung des Gerätes
instruiert und dokumentieren und planen danach ihre Feinerschliessung selbständig (Abb. 2).
Auf diese Weise sind im Aargau zur
Zeit gut 3400 ha fertig geplant, dokumentiert und im Gelände entsprechend der Praxis des jeweiligen Waldbewirtschafters markiert. Dies sind sie-
ben Prozent der gesamten Waldfläche
im Aargau (49 100 ha).
Der Kanton Aargau verfügt über elf
flächendeckende Orthofotos seit 1994,
zwei davon (2011 und 2013) in laublosem Zustand. Hinzu kommen diverse
regionale Orthofotos. Auf diesen Aufnahmen sind immer wieder Fahrspuren sichtbar, welche direkt digitalisiert
werden können (Abb. 3).
Zusätzlich existiert ein digitales
Höhenmodell mit einer Auflösung von
einem Meter. Darauf sind ebenfalls ein-
Abb. 3. Orthofoto 2011 mit sichtbaren Fahrspuren (links) und deren Darstellung auf dem Übersichtsplan (rechts) zur Integration in die
Fein­erschliessungsaufnahme durch den Waldbewirtschafter. Kartendaten: AGIS.
Abb. 4. Digitales Höhenmodell 1m mit sichtbaren Maschinenwegen (links) und deren Darstellung auf dem Übersichtsplan (rechts) zur Integration in die Feinerschliessungsaufnahme durch den Waldbewirtschafter. Kartendaten: AGIS
102
zelne Rückegassen sichtbar. Insbesondere Maschinenwege in Hanglagen sind
sehr deutlich zu erkennen und können
direkt digitalisiert werden (Abb. 4).
Diese «Fernerkundung» wird als
Vorarbeit geleistet und die gefundenen Spuren werden auf den Feldcomputer des GPS-Geräts geladen. Der
Waldbewirtschafter überprüft dann
im Zuge der restlichen Aufnahmen,
ob diese Spuren Teil des Feinerschliessungssystems sind. Vor allem bei den
Maschinenwegen im ansonsten wenig
erschlossenen Gelände kann er dies
mit seiner Lokalkenntnis oftmals auch
vom Büro aus erledigen. Mit Hilfe dieser Vorarbeit kann der Aufnahmeaufwand nochmals reduziert werden und
liegt bei Aufnahmen durch den Waldbewirtschafter mittlerweile bei einer
halben Stunde pro ha.
Zusätzlich zur Digitalisierung per
GPS werden bereits vorhandene, qualitativ hochwertige Feinerschliessungspläne auf Papier eingescannt, georeferenziert und die Rückegassen unter
Berücksichtigung der Orthofotos und
des digitalen Höhenmodells vektorisiert. Auf diese Weise konnte bisher auf
weiteren gut 1500 ha Wald die Feinerschliessung digitalisiert werden. Ins­
Forum für Wissen 2013
gesamt ist die Feinerschliessung im
Aargau somit auf knapp 5000 Hektaren oder zehn Prozent der Waldfläche
digitalisiert.
Die Aargauer Förster unterhalten
ihre Bestandeskarten digital auf einer
vom Kanton zur Verfügung gestellten Online-GIS-Applikation (BKOnline). An der Abteilung Wald des Kantons Aargau werden die digitalisierten
Fein­erschliessungsdaten bereinigt und
ebenfalls auf diese Plattform geladen.
Damit verfügt der Förster für die Planung und Steuerung der Holzernte
aber auch für andere Arbeiten im Wald
über eine gute Grundlage, die er beispielsweise zur Anfertigung von Plänen bei Arbeitsaufträgen nutzen kann.
Nach den momentan laufenden Erweiterungsarbeiten an der BKOnline wird
das Erstellen von Holzschlagsskizzen
automatisiert, so dass – falls die Fein­
erschliessung digital dokumentiert ist
– mit wenigen Klicks eine Holzschlagsskizze inklusive Notfallorganisation
gemäss Anforderungen der SUVA ausgedruckt werden kann.
Der Waldbewirtschafter hat so nebst
dem langfristigen Nutzen des Bodenschutzes auch kurzfristig einen direkten Nutzen der digitalen Feinerschlies-
Abstract
Implementation of soil protection in the forest in Canton Aargau
Soil protection in the forest in Canton Aargau focuses on training and sensitising
the forestry personnel, developing and providing background information and
making available expert advice and support.
For implementation purposes, an ideal forest management regarding soil
protection was designed, and corresponding fields of action defined. At the
moment, the main goal for soil protection in the forest in Canton Aargau is the
documentation and optimisation of the skid-road system.
Forest managers use a GPS-GIS-System that is accurate down to less than one
metre to digitalise and optimise the skid-road system with the support of Canton
Aargau’s Forest Division. Up to now the skid roads have been digitalised in an
area of 3400 ha with GPS. Together with an additional 1500 ha of digitalised maps
of existing skid roads recorded in paper maps, this information is made available
for forest managers in Canton Aargau. The information is thus digitally stored for
long term soil protection reasons but also readily accessible for everyday use.
Keywords: soil protection in forests, implementation, digitalising skid roads, GPS
sung im Alltag. Dies ist eine zusätzliche
Motivation, den Aufwand der Digitalisierung zu betreiben.
5Literatur
Anonymus, 2011: Empfehlungen für
den Bodenschutz im Wald, Stand 29. 6.
2011. Departement Bau, Verkehr und
Umwelt, Abteilung Wald, Aarau; Aargauischer Försterverband; Forstunternehmer
Schweiz – Region Aargau; Aargauischer
Waldwirtschaftsverband. 11 S.
Ammann, P.; Freuler, A., 2012 unveröffentlicht: Projekt Bodenschutz im Wald,
Schlussbericht. Aarau, Departement Bau,
Verkehr und Umwelt, Abteilung Wald,
38 S.
Freuler, A., 2011: Verdichtungsrisikokarte der Aargauer Wälder. Erläuterungen
bei Abgabe der Verdichtungsrisikokarte.
Aarau, Departement Bau, Verkehr und
Umwelt, Abteilung Wald, 1 S.
Lüscher, P.; Frutig, F.; Sciacca, S.; Spjevak,
S.; Thees, O., 2010: Physikalischer Bodenschutz im Wald. Birmensdorf, Eidg. Forschungsanstalt WSL. 2. Auflage. Merkbl.
Prax. 45: 12 S.
Forum für Wissen 2013: 103–106
103
Bodeninformationen für die Waldwirtschaft
im Kanton Solothurn
Gaby von Rohr, Stephan Margreth und Christine Hauert
Amt für Umwelt, Fachstelle Bodenschutz, Werkhofstrasse 5, CH-4509 Solothurn, [email protected]
Chemische und physikalische Belastungen von Böden sind kaum oder nur aufwändig und über lange Zeiträume regenerierbar. Der vorsorgliche Bodenschutz
ist daher von zentraler Bedeutung. Durch immer grössere Maschinengewichte hat
sich das Verdichtungsrisiko für Waldböden stark erhöht. Als Grundlage für eine
bodenschonende Waldwirtschaft hat die Fachstelle Bodenschutz unter anderem
Karten zum Verdichtungsrisiko von Waldböden erstellt und im Internet veröffentlicht. Karten zu weiteren Bodeninformationen, zum Beispiel Wasserhaushalt/
Durchwurzelung oder Säuregrad sollen für waldbauliche Entscheidungen dienen.
Basis für diese Anwendungskarten bilden die Polygondaten der Bodenkartierung
Kanton Solothurn. Das Bodenmessnetz Nordwestschweiz, betrieben durch die
Kantone Solothurn, Aargau und Basel-Landschaft, informiert über die aktuelle
Bodenfeuchte. Als Referenzgrösse für den bodenschonenden Maschineneinsatz wird die Saugspannung gemessen; die laufend aktualisierten Messwerte zur
Bodenfeuchte sind on-line abrufbar.
1Einleitung
Für den Vollzug der eidgenössischen
Verordnung über Belastungen des
Bodens (VBBo; 814.12) ist im Kanton
Solothurn die Fachstelle Bodenschutz
im Amt für Umwelt zuständig. Der
Vollzugsauftrag erstreckt sich auf alle
Böden im Sinne der VBBo, also auch
auf die Waldböden.
Ein grundlegendes Prinzip im Boden­
schutz ist die Vorsorge. Sie hat zum Ziel,
chemische und physikalische Beeinträchtigungen der Böden zu verhindern, da Bodenschäden kaum oder nur
sehr aufwändig und über lange Zeiträume regeneriert werden können.
Ein Arbeitsschwerpunkt der Fachstelle Bodenschutz ist daher, Grundlagen
für den vorsorglichen Bodenschutz zu
erarbeiten und den Bodennutzern zur
Verfügung zu stellen.
Der zielgerichtete Schutz von Böden
vor chemischen und physikalischen
Belastungen, eine dem Boden angepasste Nutzung oder auch Optimierungen im Gewässer- und Hochwasserschutz setzen detaillierte Kenntnisse der Bodeneigenschaften und des
aktuellen Bodenfeuchtezustandes voraus. Aus diesem Grund führt der Kanton Solothurn seit längerem eine sys-
tematische, grossmassstäbliche Kartierung der forst- und landwirtschaftlich
genutzten Böden durch. Die dabei
gewonnenen flächendeckenden Boden­
informationen ermöglichen die Herleitung von anwendungsorientierten
Bodenkarten, unter anderem als Hilfsmittel für eine bodenschonende und
bodenangepasste Waldnutzung.
Um den Bodennutzern Informationen über den aktuellen Bodenfeuchtezustand anbieten zu können, betreibt
der Kanton Solothurn, gemeinsam
mit den Kantonen Aargau und BaselLandschaft, das Bodenmessnetz Nordwestschweiz.
2Bodenkarten
2.1 Bodenkartierung Kanton
Solothurn
Im Jahr 1996 wurde das Projekt «Boden-­
kartierung Kanton Solothurn» (AfU SO
1995) gestartet, mit dem langfristig
alle Landwirtschafts- und Waldböden
des Kantons erfasst sein sollen. Aktuell sind mit 5800 ha gut 20 Prozent der
Waldböden und mit 11 570 ha knapp
30 Prozent der Landwirtschaftsböden
kartiert.
Die Kartierung erfolgt gemäss der
Klassifikation der Böden der Schweiz
(BGS 2008), anhand der Kartieranleitungen der FAL (1997) respektive des
BUWAL (1996).
An repräsentativen Standorten werden Bodenprofile ausgehoben und
detailliert beschrieben. Diese sogenannten Leitprofile bilden die Basis für
die flächendeckende Kartierung der
Bodeneinheiten im Massstab 1: 2500,
bei der mittels Handbohrstock engmaschige Aufnahmen im Gelände zur
Abgrenzung von Polygonen mit gleichen Bodeneigenschaften durchgeführt werden. Für jedes Polygon wird
ein individueller Datensatz mit den
geforderten Bodeninformationen für
Ober- und Unterboden (29 Attribute) erfasst. Die Abgrenzung der Polygone erfolgt im Hinblick auf den Darstellungsmassstab 1 : 5000. Die Daten
der Bodenprofile und Bodeneinheiten
werden digital verwaltet und sind in
die GIS-Umgebung des Kantons Solothurn integriert. Sie bilden die Basis
für vielfältige Auswertungen und die
Erstellung entsprechender funktionaler Bodenkarten.
2.2 Anwendungskarten für die
Waldwirtschaft
Um die erhobenen Bodendaten (Rohdaten) lesen und interpretieren zu können, braucht es bodenkundliches Spezialwissen. Die Fachstelle Bodenschutz
des Kantons Solothurn veröffentlicht
daher bewusst nicht die Rohdaten,
da diese für die grosse Mehrheit der
Bevölkerung nicht verständlich und
somit für ihr Handeln nicht nutzbar
sind. Unser Ziel ist es, den verschiedenen Kreisen von Bodennutzern spezifische Anwendungskarten zur Verfü-
104
gung zu stellen. Diese bieten umsetzbare Informationen, unter anderem für
eine bodenschonende Nutzung.
Nachdem im Frühling 2011 anwendungsorientierte Bodenkarten für die
Landwirtschaft veröffentlicht wurden,
stehen seit Frühling 2013 auch entsprechende Bodeninformationen für die
Wald­wirtschaft zur Verfügung (Geoportal des Kantons Solothurn www.sogis.ch:
Link «Interaktive Karten», rechte Spalte, oder www.afu.so.ch: Link «Karte
Bodeninformationen», rechte Spalte).
Die Karten thematisieren die Verdichtungsgefährdung, den Bodentyp,
den Charakter des Wasserhaushaltes
kombiniert mit der potentiellen Durchwurzelungstiefe, Humusgehalt und
Humusform, Säuregrad, Körnung und
Skelettgehalt. Eine Karte zum pflanzennutzbaren Wasservorrat und dem
Trockenstressrisiko ist in Erarbeitung.
Karten zur Verdichtungsgefährdung
der Waldböden
Als Planungsgrundlage für den vorsorglichen physikalischen Bodenschutz
im Wald stehen neu zwei Karten zur
Verdichtungsgefährdung der Waldböden zur Verfügung.
Für Wälder, in denen die detaillierten Bodeneigenschaften dank der Kartierung bekannt sind, liegt die Verdichtungsempfindlichkeitskarte vor, hergeleitet aus Wasserhaushalt, Bodentyp,
Bodenart und Skelettgehalt (Abb. 1).
Die Karte zeigt die Verdichtungsempfindlichkeit der Unterböden, da insbesondere die folgenschweren Unterbodenverdichtungen vermieden werden
müssen. Diese Karte ermöglicht parzellengenaue Aussagen und ist damit ein
Instrument sowohl für die betriebliche
Planung wie auch für die detaillierte
Schlag- und Feinerschliessungsplanung.
Für die übrigen Waldgebiete gibt
die Hinweiskarte Bodenverdichtung
(Abb. 2) eine allgemeine Information
zum Verdichtungsrisiko. Sie wurde im
Kanton Aargau entwickelt (basierend
auf der Pflanzensoziologischen Karte,
der Geologischen Karte 1: 25 000 und
Bodenkarten 1: 25 000) und auf die vergleichbaren Verhältnisse im Kanton
Solothurn übertragen. Ihre Aussagekraft ist begrenzt, da das Verdichtungsrisiko nur indirekt aus den genannten
Forum für Wissen 2013
Grundlagen abgeschätzt werden kann.
Die grössten Einschränkungen bestehen bei den «mittleren», weit verbreiteten Waldstandortstypen, da diese ein
breites Spektrum von Bodeneigenschaften abdecken. Die Hinweiskarte
ist ein Instrument für die betriebliche
Planung; für die detaillierte Schlagund Feinerschliessungsplanung ist sie
nicht geeignet.
3 Bodenmessnetz Nordwest­
schweiz
Neben den standörtlichen Bodeneigenschaften und der Verdichtungsempfindlichkeit ist für einen effektiven physikalischen Bodenschutz die
aktuelle Bodenfeuchte entscheidend.
In der Bauwirtschaft hat sich die Saugspannung als Referenzgrösse für den
bodenschonenden Maschineneinsatz
etabliert und bewährt.
Die Saugspannung ist daher die
zentrale Messgrösse im Bodenmessnetz Nordwestschweiz. Automatisierte
Messstationen erfassen die Saugspannung im Ober- und Unterboden, den
Niederschlag sowie Boden- und Lufttemperatur. Derzeit sind 22 Stationen in Betrieb, davon zehn im Kanton
Solothurn. Drei der solothurner Stationen stehen im Wald.
Die Messdaten sind on-line verfügbar
(www.bodenmessnetz.ch) und werden
laufend aktualisiert (Abb. 3). Neben
den aktuellen Werten können Messreihen über beliebige Zeitintervalle abgefragt werden.
Die Messwerte sind mit einer Beurteilung des Bodenfeuchtezustandes
und mit Empfehlungen hinsichtlich der
Befahrbarkeit des Bodens versehen.
Diese stützen sich derzeit auf Erfahrungen mit Raupenfahrzeugen in der
Bauwirtschaft und auf erste Erkenntnisse beim Maschineneinsatz in der
landwirtschaftlichen Bewirtschaftung
ab. Mit der Anwendung dieses neuen
Instrumentes in der Forst- und Landwirtschaft können nun entsprechende Erfahrungen unter den spezifischen Gegebenheiten der forst- und
landwirtschaftlichen Bewirtschaftung
gesammelt und die Empfehlungen entsprechend ergänzt werden.
4Umsetzung
Mit den bestehenden und geplanten
Anwendungskarten und dem Bodenmessnetz stehen den Forstbetrieben
Grundlagen für die betriebliche Planung zur Verfügung.
In Wäldern mit bestehender Bodenkarte kann die Verdichtungsempfindlichkeit direkt in die Schlagplanung
integriert werden.
Die Informationen zu Wasserhaushalt / Durchwurzelungstiefe, zu pflanzennutzbarem Wasservorrat / Trockenstressrisiko, zur Humusform oder zum
Säuregrad können für die waldbauliche Entscheidungsfindung beigezogen
werden. Sie sind unter anderem von
grosser Wichtigkeit für die Baumartenwahl unter den sich verändernden
Klimabedingungen.
Die neuen Instrumente wurden im
Frühsommer 2013 anlässlich eines eintägigen Kurses «Physikalischer Bodenschutz im Wald» dem gesamten Forstpersonal des Kantons Solothurn und
einer Vielzahl der im Kanton tätigen
Forstunternehmer vorgestellt und die
Einsatzmöglichkeiten mit grossem In-­
teresse an praktischen Beispielen disku­
tiert. Diese neuen Mittel stehen für die
Planung und Umsetzung einer bodenangepassten und -schonenden Wald­
be­wirtschaftung bereit. Erste Forst­be­
triebe haben die Anwendungskarten
hierzu bereits in ihr Betriebs-GIS integriert.
5Literatur
AfU So Amt für Umweltschutz Kanton
Solothurn (Hrsg.) 1995: Bodenkartierung
Kanton Solothurn. Konzept. Berichte, 23.
BGS Bodenkundliche Gesellschaft der
Schweiz (Hrsg.) 2008: Klassifikation der
Böden der Schweiz. Dritte und korrigierte Auflage.
BUWAL Bundesamt für Umwelt, Wald
und Landschaft (Hrsg.) 1996: Handbuch
Waldbodenkartierung.
Schriftenreihe
Voll­­zug Umwelt.
FAL Eidg. Forschungsanstalt für Agrarökologie und Landbau (Hrsg.) 1997: Kartieranleitung, Kartieren und Beurteilen von
Landwirtschaftsböden. Zürich-Reckenholz. FAL-Schriftenreihe, 24.
Forum für Wissen 2013
105
Abb. 1. Auszug aus der Verdichtungsempfindlichkeitskarte des Kantons Solothurn. Die im Internet zugängliche Karte weist grossmassstäblich die Verdichtungsempfindlichkeit der Unterböden aus, hergeleitet aus Wasserhaushalt, Bodentyp, Bodenart und Skelettgehalt. Die
Beurteilung ist mit Empfehlungen zur bodenschonenden Befahrung ergänzt.
Abb. 2. Auszug aus der Hinweiskarte Bodenverdichtung (Massstab 1: 10 000) des Kantons Solothurn. Die im Internet zugängliche Karte gibt
eine allgemeine Information zum Verdichtungsrisiko von Waldböden. Die Abschätzung basiert auf der Pflanzensoziologischen Karte, der
Geologischen Karte 1: 25 000 und Bodenkarten 1: 25 000. Die Beurteilung ist mit Empfehlungen zur bodenschonenden Befahrung ergänzt.
106
Forum für Wissen 2013
Abb. 3. Startseite des Bodenmessnetzes Nordwestschweiz (www.bodenmessnetz.ch) mit dem Überblick über die die Mess-Standorte und
die aktuellen Saugspannungsmesswerte in der Region. An jeder Station werden die Saugspannung und die Bodentemperatur in 20 cm und
35 cm Bodentiefe sowie der Niederschlag und die Lufttemperatur gemessen. Alle Daten sind on-line abrufbar.
Abstract
Soil data for forestry in the Canton of Solothurn
Repairing chemical and physical damage to soil is costly and time-consuming and
in some cases virtually impossible. Precautionary soil protection is therefore extremely important. The compaction risk for forest soil has increased substantially
due to the use of ever heavier machinery. With a view to promoting soil-friendly
forestry practices, the Soil Protection Unit (Fachstelle Bodenschutz) has, among
other things, compiled maps charting the compaction risk for forest soil and published them on the Internet. Maps of other soil data, such as soil water regime /
root penetration and acidity, are intended to support silvicultural decision-making.
These functional soil maps are based on the polygon data of Canton Solothurn’s
soil mapping project. Information about current soil moisture levels is provided
by North-west Switzerland’s Soil Moisture Monitoring Network (Bodenmessnetz
Nordwestschweiz), which is operated by the Cantons of Solothurn, Aargau and
Basel-Land. The soil moisture tension is measured to provide a reference value for
the soil-friendly use of machinery. The measurement values are continually updated and can be consulted online.
Keywords: soil protection, soil compaction, soil mapping, functional soil map, soil
moisture monitoring
Forum für Wissen 2013: 107–116
107
Hochwasserschutzwald Gantrisch: der Weg zur
quantitativen Methode für die Praxis
Massimiliano Schwarz1, Lukas Dämpfle1, Peter Lüscher1, Philipp Mösch2 und Jean-Jacques Thormann3
WSL Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft, Zürcherstrasse 111, CH-8903 Birmensdorf,
[email protected]
2
Waldabteilung 5 Bern – Gantrisch, Amt für Wald des Kantons Bern, Hintere Gasse 5, CH-3132 Riggisberg
3
Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaft, Berner Fachhochschule, Länggasse 85, CH-3052 Zollikofen
1
Seit mehr als 150 Jahren ist die Bevölkerung in der Gantrischregion mit Hochwasserrisiken konfrontiert. Durch diesen Umstand wurde die Schutzfunktion des
Waldes schon vor langer Zeit anerkannt und gepflegt, bereits 1840 erfolgten die
ersten Aufforstungen im Gurnigelgebiet. Obwohl weltweit zahlreiche Studien die
Wirkung des Waldes auf das Hochwassergeschehen untersucht haben, bleibt die
Entwicklung quantitativer Methoden zur Abschätzung der Waldwirkung für das
Risikomanagement in der Praxis eine Herausforderung. In diesem Artikel wird
ein Überblick über die im Gantrischgebiet durchgeführten Projekte gegeben und
diskutiert, wie die Resultate von Feldversuchen und Modellsimulationen den Weg
zu einem quantitativen Ansatz für die Praxis ebnen können. Um derartige Ansätze in Kostenwirksamkeitsanalysen im Rahmen des Risikomanagements systematisch anwenden zu können, bleiben aber noch viele Wissenslücken, die zukünftige
Studien ausfüllen sollten.
1 Einführung: Geschichte
der Waldnutzung und
Hochwassergefahr im
Gantrischgebiet
Qualität, gliedert die Landschaft und
dient der Bevölkerung als wichtiger
Erlebnis- und Erholungsraum.
1.2 Hochwassergefahren
1.1 Übersicht
Die Region Gantrisch (Kt. Bern) ist
durch Wald und Wasser stark geprägt.
In der ganzen Region graben wilde
Bäche tiefe Einschnitte in den weichen
Untergrund. Zum Schutze der Talbewohner mussten bereits in der Vergangenheit Bäche verbaut und viele Alpweiden aufgeforstet werden. Die Waldpflege und damit die Waldentwicklung
wurden stark beeinflusst durch den
Willen, die Hochwassergefahr im Tal
zu verringern. Der Wald lieferte aber
auch den wertvollen, nachwachsenden Rohstoff Holz. Dieser brachte viel
Arbeit und Wertschöpfung in die ländliche Region. Auch heute ist der ökologisch wertvolle Baustoff und Energielieferant Holz ein wichtiges Produkt
aus den Gantrischwäldern. Der Wald
als naturnaher Raum beherbergt ausserdem zahlreiche seltene Pflanzen und
Tiere und wird so für die Erhaltung der
Artenvielfalt immer wichtiger. Zudem
liefert der Wald Trinkwasser von hoher
Starke Gewitterregen mit Hagel führen oft zu gefährlichen Wasserabflussspitzen. Der leicht erodierbare und
rutschanfällige Untergrund aus Flysch
Abb. 1. Waldlandschaft Gantrisch
oder subalpiner Molasse liefert grosse Mengen an Erdmaterial, welches
sich – transportiert durch die grossen
Wassermassen – murgangartig in die
Täler bewegen kann und dort Leid
bei der Bevölkerung und die Zerstörung der Infrastruktur mit sich bringt.
Die Bevölkerung der Region Gantrisch
begann deshalb bereits früh mit einfachsten Verbauungsmassnahmen an
den gefährlichen Bächen. An der Gürbe beispielsweise wurden ab 1858 mit
Unterstützung des Kantons Bern die
ersten Holzsperren gebaut. Ab 1895 bis
zum Ersten Weltkrieg kamen Bergamasker-Arbeitsgruppen aus Norditalien in den Gantrisch und bauten erste
Steinblockmauern und Trockenmauerwerke. Erst ab der Mitte des 20. Jahrhunderts wurde mit grossen Betonsperren der Gürbelauf systematisch
verbaut. Die Verbauungen wurden im
Laufe der Zeit mehrmals durch heftige
Unwetter geprüft, teilweise beschädigt
und sogar zerstört. Das letzte Grossereignis fand Ende Juli 1990 statt. Im
108
Forum für Wissen 2013
Einzugsgebiet fielen innerhalb von
vier Stunden 270 mm Niederschlag,
wodurch viele der alten Sperren zerstört wurden und die Gürbe am Kegelhals, im «Hohli», über die Dämme trat
und das Dorf Wattenwil sowie Teile des
tiefer gelegenen Gürbetals überflutete.
1.3 Aufforstungen und Waldpflege
Bereits ab 1840 erfolgten erste Aufforstungen im Gantrischgebiet, vor allem
im Staatswald der Einzugsgebiete Sense und Schwarzwasser. Mit der damals
neuen Bundesgesetzgebung von 1876
konnten dann Bundessubventionen
für die Aufforstung von Hochwasserschutzwaldungen ausgelöst werden.
Der damalige Oberförster Friedrich
Nigst (im Amt: 1878 bis 1927) trieb die
Aufforstungstätigkeit in der Region
Gantrisch hartnäckig voran. In seiner
Zeit wurden rund 1000 ha Weideland
aufgeforstet. Diese Alpweiden mussten oft vorgängig durch aufwändige
Verfahren erworben werden. Bis in die
Mitte des letzten Jahrhunderts wurden
über 2000 ha Wald im Gantrischgebiet
neu aufgeforstet. In der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts begann sich
der Holztransport mit Lastkraftwagen
durchzusetzen. Die Waldbesitzer mussten mit dem Forstdienst die Walderschliessung neu planen und einrichten.
Mit Holzprügellagen oder speziellen
Kalkstabilisierungsmassnahmen – in
Zusammenarbeit mit der ETH Zürich
– wurde versucht, die schweren Lehmböden in einen tragfähigen Untergrund
zu verwandeln. Die Holzerei und Wald-
Abb. 2. Alte (links) und neue Sperren (rechts).
Abb. 3. Hochmontaner Waldbestand mit stufigem Aufbau.
pflege konzentrierte sich meist entlang
der neugebauten Waldwege und die
ausgedehnten Aufforstungsbestände
wuchsen vielerorts zu dichten, finsteren
Fichtenforsten heran. Meist fehlte in
diesen Beständen die Bodenvegetation und eine natürliche Verjüngung war
kaum auszumachen. Die ersten grossen
Löcher riss 1982 ein Föhnsturm in die
labilen Baumholzbestände. Nach dem
Orkan Vivian 1990, wurden auf den
geräumten Sturmflächen erste Rottenpflanzungen durchgeführt. Der Orkan
Lothar zerstörte Ende 1999 grosse Flächen in den Aufforstungsbeständen. In
der Süftenen (Staatswald) fällte der
Orkan den zehnfachen Hiebsatz, näm-
lich 30 000 m3, innerhalb eines Tages.
Erst nach dieser Katastrophe setzte
sich die Meinung durch, dass in den
aufgerissenen Aufforstungsbeständen
eine vitale, ungleichaltrige Verjüngung
die grösste Priorität erhalten muss.
In den ursprünglichen Waldbeständen wurde bereits früh mit der stufigen
Ausformung begonnen. Mit den neuen
Erkenntnissen und auch mit den Vorgaben durch NaiS (Frehner et al. 2005),
wird nun insbesondere die Weiss­tanne
stark gefördert. Dies ist aber für den
Waldbesitzer oft mit Zusatzaufwendungen oder Einbussen verbunden
(Wildverbiss, gefährliche Tannentrieblaus, tieferer Holzertrag, etc.).
Forum für Wissen 2013
1.4 Ausblick
Auf den gehemmt durchlässigen Böden
hilft das Einbringen und Begünstigen
von tiefwurzelnden Baumarten wie der
Weisstanne und das Fördern von stufigen, eher jüngeren Waldbeständen, die
Hochwasserabflussspitze zu vermindern. Der Revierförster kann heute im
Rahmen seiner Beratungstätigkeit den
Waldbesitzer mit Schutzwaldprojekten
in diese Richtung lenken und mit Beiträgen unterstützen. Auf den verdichtungsanfälligen Böden muss das Befahren mit schweren Forstmaschinen eine
Ausnahme bleiben und darf nur auf
eingeplanten Rückegassen erfolgen,
nach Möglichkeit ist der Seilkranbringung den Vorrang zu geben. Das Ziel,
stufige Bestände mit verschiedenen
tiefwurzelnden Baumarten durchzusetzen, kann aber langfristig nur erreicht
werden, wenn die Waldeigentümer von
deren Wirkung überzeugt sind, sie für
die Umtriebe zumindest teilweise entschädigt werden und für das Holz einen
angemessenen Erlös erhalten. Um die
finanzielle und politische Bedeutung
der Schutzwaldpflege zu bewerten,
braucht es neben langjähriger Erfahrung auch quantitative Methoden, die
eine systematische Analyse der Schutzwaldwirkung erlauben und damit einen
nachvollziehbaren Einsatz der Ressourcen ermöglichen. Die Forschung ist
in diesem Sinn gefragt, neue quantitative Methoden zu entwickeln.
2 Wald und Hochwasserge­
schehen: Stand des Wissens
2.1 Waldwirkung gegen
Hochwasser
Zahlreiche Studien weltweit haben die
Wirkung des Waldes auf das Hochwassergeschehen mit verschiedensten Kombinationen von Einflussgrössen und auf unterschiedlichen Skalen
analysiert und diskutiert (z. B. Badoux
et al. 2006). Diese Untersuchungen
haben geholfen, verschiedene forsthydrologische Prozesse besser zu quantifizieren und deren Wirkung auf die
Hochwasserintensität
abzuschätzen.
Dennoch sind die vom Wald beeinflussten Faktoren und Prozesse, wel-
109
che theoretisch zur Hochwasserminderung beitragen können, sehr schwierig
zu charakterisieren und quantifizieren.
Allgemein wird die hydrologische Wirkung des Waldes in direkte und indirekte Aspekte unterteilt. Zu den direkten Wirkungen zählen Prozesse wie die
Interzeption, der Stammabfluss, die
Evapotranspiration, der präferenzielle
Abfluss entlang von Wurzeln/Wurzelkanälen, usw. Zu den indirekten Wirkungen zählen Prozesse wie der Einfluss der Streueinträge auf die biologische Aktivität im Boden sowie auf die
physikalische und chemische Eigenschaften, zum Beispiel die Gefügebildung im Oberboden.
Die wichtigsten, durch den Wald
beeinflussten Prozesse für die Minderung der Abflussspitze sind die Evapotranspiration und Interzeption (Regen
und Schnee), welche die Vorfeuchte
des Bodens über längere Zeit reduzieren können (je nach Standort und Jahreszeit) sowie die durch die Waldbehandlung beeinflusste Bodenstruktur,
welche die Speicherkapazität und das
Abflussgeschehen bestimmt. Interzeption (Regen) und Evapotranspiration
spielen kurzfristig bei starken Niederschlägen, welche nur wenige Stunden
dauern, selten eine bedeutende Rolle.
des Waldzustandes (Baumartenzusammensetzung und Bestandesstruktur)
beurteilt werden muss. Dabei ist auch
der Bodenaufbau zu berücksichtigen.
Abbildung 4 zeigt beispielhaft den
Übergang von einer Kuppe zu einer
Mulde, welche durch eine starke Änderung der Vegetation verdeutlich wird
(Vaccinium mirtillis dominierte Krautschicht auf der Kuppe, Caltha palustris charakterisierte Gesellschaft in der
Mulde). Die Änderung der Vegetation weist ebenfalls auf eine Änderung
des Bodenaufbaus und des Bodentyps,
sowie auf unterschiedliche hydrologische Eigenschaften des Standorts hin.
Je nach Situation können verschiedene Baumarten je nach Bodeneigenschaften unterschiedlich wurzeln und
entsprechend unterschiedlich gegen
Hochwasser wirken. Abbildung 5 zeigt
das umgeworfene Wurzelsystem einer
Weisstanne (Abies alba) mit Pfahlwurzeln, welche zum Teil auch in vernässte Horizonte wachsen können. Aus
diesem Grund wird diese Baumart
an staunassen Standorten gegenüber
flachwurzelnden Baumarten wie der
Fichte (Picea abies) bevorzugt. Obwohl
sich die Anwendung von NaiS in der
Praxis bewährt hat, bleiben dennoch
viele Fragen offen, um praxistaugliche
Methoden nachvollziehbarer und fundierter zu formulieren.
2.2 Beurteilung der Waldwirkung
In der Richtlinien von NaiS («Nachhaltigkeit im Schutzwald» [Frehner
et al. 2005]) wird angenommen, dass die
Hochwasserschutzwirkung des Waldes in erster Linie durch eine Erhöhung der Wasserspeicherkapazität im
durchwurzelten Boden erreicht wird.
Diese Annahme basiert auf Feldbeobachtungen und berücksichtigt, wie die
indirekte Wirkung des Waldbestandes
die Bodeneigenschaften und deren
Zustand in Kombination mit anderen Bodenbildungsfaktoren, wie Ausgangsgestein, Klima und Relief, beeinflussen kann. In den NaiS Richtlinien
wird ein weiterer, wichtiger Grundsatz berücksichtigt: Nicht alle Wälder
haben dieselbe Schutzwirkung. Dieses Konzept wurde von Lüscher und
Zürcher (2003) entwickelt und stützt
sich auf die Idee, dass die Hochwasserschutzwirkung, insbesondere die
Wasserspeicherkapazität, standortspezifisch, d.h. unter Berücksichtigung
Abb. 4. Übergang von Kuppe zu Mulde
mit deutlicher Änderung der Zusammensetzung der Krautschicht, welche auf eine
Änderung des Bodenaufbaus beziehungsweise des Bodentyps hinweist. (Waldstandortstyp 46, Über­gang zu 49).
110
Abb. 5. Umgeworfenes Wurzelsystem einer
Weisstanne (Abies alba) mit 0.6 m langen
Pfahlwurzeln unterhalb des Baumstamms.
3 Forschungsaktivitäten im
Gantrischgebiet
Seit 2006 wurden verschiedene Forschungsprojekte der WSL in Zusammenarbeit mit der Uni Bern und der
HAFL über die Hochwasserschutzwälder im Gantrischgebiet durchgeführt. Die Staffelung der verschiedenen Arbeiten während der letzten
Jahre zeigt den generell verwendeten
«bottom-up» Ansatz. In diesem Kapitel wird ein Überblick über die durchgeführten Projekte und die dadurch
gewonnenen Erkenntnisse vermittelt.
3.1 Einfluss der Wurzeln auf die
Infiltration/Speicherkapazität
auf der Bodenprofilskala
Die erste Studie befasste sich mit
dem Einfluss von Baumwurzeln auf
die Infiltration (COST Aktion E38
«woody root processes», 2006–2010).
Anhand von Beregnungsexeprimenten
in einem Heidelbeer Tannen-Fichtenwald (E&K 46, jeweils auf 1 m2) wurde gezeigt, dass die Wurzeldichte die
Infiltrationskapazität nicht vernässter
Oberbodenhorizonte sowie vernässter
Horizonte erhöhen kann (Lange et al.
2009). Es wurde auch gezeigt, dass in
diesem Gebiet die Entwässerung des
gesamten Bodens immer lateral erfolgt
und dass der Abfluss zum Teil von der
Forum für Wissen 2013
Druckhöhe (wassergesättigter Profilbereich) bestimmt wird. Als Schlussfolgerung dieser Untersuchung lässt
sich vermuten, dass es «mittels forstlicher Massnahmen möglich sein wird,
die Wurzelverteilungen in Wäldern zu
beeinflussen und damit Infiltrationsund Speicherkapazitäten durch Artenzusammensetzung und Bestandesstruktur zu modifizieren» (Lange et al.
2011).
Hartmann (2008) konnte in demselben Gebiet zeigen, dass die Durchwurzelung der Vogelbeere stark durch
vernässte Horizonte limitiert ist, wie
es auch schon für die Fichte und die
Buche (Fagus sylvatica) aus der Literatur bekannt ist. Es bleibt unklar,
wie langfristig die Bodenstruktur des
Oberbodens aufgrund der geänderten
Zusammensetzung des Streumaterials
und einer erhöhten biologischen Aktivität verbessert werden kann. Feldbeobachtungen haben bestätigt, dass die
Tanne, in diesem Gebiet die am meisten verbreitete Baumart ist, da sie zum
Teil gesättigte Bodenhorizonte ohne
Limitierung durchwurzelt.
In einer Arbeit von Grunauer (2009)
wurden hydrologische Reaktionen in
sechs Bodenprofilen und der Einfluss
unterschiedlich alter Wurzelstöcke auf
die Infiltration untersucht. Diese Arbeit
zeigte trotz eines begrenzten Stichprobenumfangs, dass sich der Abbau der
Wurzelmasse unter teilweise anaeroben Bedingungen in hydromorphen
Horizonten so langsam vollzieht, dass
über 30 Jahre nach dem Absterben der
Bäume noch annähernd alle Wurzeln
vorhanden waren. Der Trend, dass sich
eine höhere Wurzeldichte günstig auf
die Infiltrationsgeschwindigkeit auswirkt, wurde bestätigt.
In einem weiteren Projekt (Wald und
Klimawandel, 2010–2012) untersuchten Lange et al. (2013) die potentiellen
Auswirkungen der Klimaänderung auf
die Hochwasserschutzwirkung. In der
Annahme, dass die Durchwurzelung in
Buchenbeständen tieferer Lagen für
zukünftige Klimaszenarien in höheren Lagen repräsentativ sein wird (in
denen heute Tannen-Fichtenbestände dominieren), schätzen die Autoren,
dass die Hochwasserschutzwirkung auf
Grund einer intensiveren Durchwurzelung und erhöhter Verzögerung des
Wasserabflusses zukünftig in höheren
Lagen verstärkt wird.
3.2 Einfluss der Wurzelverteilung
auf die räumliche Heterogenität
von Vernässungsmerkmalen
auf der Transektskala
Das Projekt COST FORMAN (Forest
Management and Water Cycle, 2009–
2012) strebte das Ziel an, den Wassergehalt und die Durchwurzelung in
Abhängigkeit des Bestandesaufbaus
zu charakterisieren. Das zentrale Thema dieser Arbeit war die Aufskalierung
hydrologischer Prozesse vom Punkt
zur Fläche unter Berücksichtigung der
einzelnen Waldstandorte und deren
Bewirtschaftung. In der erste Phase
des Projektes, wurde die Bodenhydrologie und die Durchwurzelungsintensität durch Transekte (etwa 6–8 m lange
Bodenprofile zwischen zwei Bäumen)
und ein flächendeckendes Raster von
Messpunkten (Raster Netz 10 × 10 m)
analysiert. Eine detaillierte Studie über
die Aufnahmemethoden (Hebeisen
2011) hat gezeigt, dass die erhobenen
Daten und Werte für Horizontmerkmale (Go,r) und Wurzelverteilung vergleichbar sind, egal ob sie mit Rahmenbohrer, Humaxproben oder durch eine
Profilansprache gewonnen werden.
Allerdings ist die Variabilität je nach
Aufnahmemethode im Fehlerbereich
sehr unterschiedlich.
Die ersten Resultate dieser Studien wiesen darauf hin, dass die Reliefkomponente (Kuppe/Mulde) sowie der
Baumabstand keine grosse Rolle bei
Betrachtung der vertikalen Infiltration
spielten (Stimm et al. 2009; Allenspach
et al. 2011). Weiter gab es Hinweise
darauf, dass die Durchwurzelungsintensität der Feinwurzeln in einem gut
strukturierten, geschlossenen Bestand
keine Funktion des Baumabstandes ist
(Abb. 6). Spätere Untersuchungen in
der zweite Phase des Projektes hingegen zeigten, dass der laterale Abfluss
durch das Relief beeinflusst ist und die
Wurzelverteilung (Fein- und Grobwurzeln) von der Waldstruktur abhängig
ist (Schwarz et al. 2013).
Forum für Wissen 2013
111
Abb. 6. Wurzelverteilung zwischen zwei Baumstämmen entlang eines Transekts aufgenommen durch Zählungen im 10 × 10 cm Raster
3.3 Zusammenhang zwischen
Durchwurzelung, Boden­struktur
und lateralem Zwischenabfluss
auf der Ebene der Boden­profilskala
In einer späteren Phase des COST
FORMAN Projekts wurden neue
Beregnungsversuche mit regelmässigen Abständen zu Baumstämmen
durchgeführt (1,5 , 3,5 und 5,5 m), um
den Zusammenhang zwischen Relief, Durchwurzelung, Wassergehalt
und lateralem Abfluss zu untersuchen
(Schwarz et al. 2013).
Jedes Profil wurde mit drei verschiedenen Intensitäten (70, 40, 100 mm/
Std) beregnet, wobei jede Beregnung
durch eine zweistündige Pause unterbrochen wurde (Sequenz Beregnung:
erste Stunde 70 mm/Std, zwei Stunden ohne Beregnung, eine Stunde 40
Abb. 7. Einrichtung der Feldexperimente für die Messung des lateralen Abflusses auf Bodenprofilskala.
mm/Std, und anschliessend eine Stunde 100 mm/Std). In jedem beregneten
Profil wurden Wurzelverteilung, Wassergehalt und lateraler Abfluss gemessen. Die Wurzelverteilung wurde bis
0,5 m Bodentiefe auf eine Breite von
0,5 m kartiert. Der Wassergehalt wurde
an zehn verschiedenen Stellen (Messintervall 1 Min.) gemessen (Abb. 7),
in den Tiefen von 0,075, 0,225 und
0,375 m. Der laterale Abfluss wurde in
drei Tiefenbereichen (0–0,15 , 0,16–0,3 ,
0,31–0,45 m) in 0,5 m breiten Metallrillen gesammelt und mit Kippwaagen
(RainWiseInc) gemessen.
Aus den ersten qualitativen Beobachtungen im Feld hat sich bestätigt,
dass am untersuchten Standort (E&K
Nr. 49) das Kuppen-Mulden-Relief
einen deutlichen Zusammenhang mit
der räumlichen Verteilung des Bodenaufbaus beziehungsweise -typs zeigte (z. B. Lage reduzierter oder oxidierter bzw. wechselfeuchter Horizonte)
und dadurch auch einen starken Einfluss auf den lateralen Abfluss hatte (Abb. 8). Weiter haben die Ansprachen der Bodenprofile ergeben, dass
die Bodenverdichtung in der Nähe von
Abb. 8. Serie von Bodenprofilen entlang eines Kuppen-Mulden Gradienten in verschiedenen Abständen zu einem Baumstamm (1,5 ,
3,5 , und 5,5 m). Innerhalb weniger Meter ist der Gr-Horizont zwischen 0,7 und 0,2 m Tiefe zu finden.
112
Baumstämmen und die Präsenz von
Grobwurzeln den lateralen Abfluss
innerhalb von nicht und wenig hydromorphen Horizonten (z. B. B oder SB)
während extremer Niederschlagereignisse fördern. In steileren Hangpartien
erreichten gut durchwurzelte Horizonte eine Tiefe von 1 bis 1,5 m und wiesen
eine subpolyedrische bis polyedrische
Struktur auf. Solche mächtige und gut
strukturierte Horizonte sind Voraussetzung für eine hohe Speicherkapazität und für eine bedeutende Verzögerung des lateralen Abflusses. In nicht
bestockten Mulden oder flachen Hangpartien waren die Bodenprofile stark
von Reduktionsmerkmalen geprägt
und die Tiefe der rasch drainierenden
Horizonte war auf die obersten 0,1 bis
0,2 m des Bodenprofiles limitiert.
Von dreizehn durchgeführten Beregnungsversuchen wiesen acht einen
lateralen Abfluss höher als 0,0017 Lt./
sec (= 0,1 Lt./min) innerhalb der ersten
0,45 m auf. Die resultierenden Abflusskoeffizienten schwankten zwischen
0 und 0,9 , wobei nur bei zwei Experimenten der Abflusskoeffizient über
0,8 lag. Neun Beregnungen wurden bei
Fichten und vier bei Tannen durchgeführt. Die untersuchten Bäume hatten
einen BHD zwischen 0,3 und 0,4 m.
Abbildung 10 zeigt ein Beispiel für
den gemessenen lateralen Abfluss für
ein Profil (Abb. 9) in 1,5 m Abstand
zu einer Tanne (BHD = 0,38 m). Die
Forum für Wissen 2013
Resultate zeigen auf, dass der Grossteil des lateralen Abflusses zwischen
0,16 und 0,3 m Bodentiefe stattgefunden hat und der maximale Abfluss
proportional zur Niederschlagsintensität war. Eine quasi-konstante Wasserbilanz (input = output) wurde etwa
15 bis 20 Minuten nach Beregnungsbeginn erreicht. Die Messungen zeigen
auch, dass der Abfluss typischerweise
erst ab einem bestimmten Wassergehalt beginnt (durchschnittlich 0,36 [m3/
m3]) und auch ungesättigte Horizonte
zu lateralem Abfluss beitragen können.
Des Weiteren kann vermutet werden,
dass die Steigung des Abflusses stark
durch die Dimensionen und Form der
Makroporen beeinflusst wird und die
Durchwurzelungssituation, sowie die
biologische Aktivität eine wichtige
Voraussetzung für eine Erhöhung der
Wasserspeicherung (Einfluss auf Porosität und Bodenvorfeuchte) und damit
auf die Abflussverzögerung hat.
3.4 Modellierungsansatz für die
Charakterisierung des lateralen
Zwischenabflusses und der
präferenziellen Fliesswege
In diesem Teilprojekt wurde ein neuer Modellierungsansatz entwickelt, um
den präferenziellen Abfluss in durchwurzelten Böden zu quantifizieren.
Die Grundkonzepte der Modellierung
Abb. 9. Detail des Bodenprofils (T13_1.5) in 1,5 m Abstand zu einem Tannenstamm mit klarem Übergang von Ah Horizont mit Wurzeln und Rissen zu einem Go/r Horizont mit einer
kompakten kohärenten Struktur (und deshalb weniger durchlässig) in 0,2 m Tiefe.
basieren auf dem Ansatz von Beven
und Germann (2013) für den präferentiellen lateralen Abfluss und wurden erweitert, um den Zusammenhang
zwischen Wurzelverteilung, Abfluss
und Wassergehalt besser abzubilden
(Schwarz et al. 2013). Das Modell
löst die Wasserbilanzgleichung unter
Anwendung der Stokes Gleichung für
die Berechnung der Wasserflüsse.
Die sensibelsten Modellparameter,
welche mit den Resultaten aus den
Beregnungsexperimenten
kalibriert
wurden, sind:
– Tiefe der rasch drainierten Bodenhorizonte (T [m]),
– Kontaktfläche der Makroporen (L
[m2/m3]),
– Koeffizient der vertikalen Sickerung
(cv [–]) und
– der sogenannte Faktor der Makroporen (gF [–]).
Eine detaillierte Beschreibung des
Modells ist in Schwarz et al. (2013) zu
finden.
Abbildung 11 zeigt den Vergleich
zwischen dem gemessenen und simulierten Zeitverlauf des Wassergehaltes
und des Abflusses von zwei Beregnungen bei sehr unterschiedlichen Verhältnissen. Das Bodenprofil der ersten Beregnung (Abb. 11A und 11C)
wies einen stark vernässten Boden mit
einem reduzierten Horizont schon ab
0,2 m Bodentiefe auf. Dadurch änderte
sich der gesamte Wassergehalt im Profil während der Beregnung nicht, wobei
aber der laterale Abfluss in kurzer Zeit
stattfand. Das zweite Profil (Abb. 11B
und 11D) zeigte eine grössere Schwankung des Wassergehaltes proportional
zur Beregnungsintensität und praktisch keinen lateralen Abfluss innerhalb der ersten 0,45 m Bodentiefe, da
in diesem Fall der reduzierte Horizont
tiefer unten lag. Mit diesen Informationen und Daten konnten die Modellparameter kalibriert werden. Die Tiefe
der rasch drainierten Bodenhorizonte (T [m]) im untersuchten Gebiet lag
zwischen 0,15 und 1 m, die kalibrierte
Kontaktfläche der Makroporen (L [m2/
m3]) lag zwischen 50 und 2500 m2/m3.
Der Koeffizient der vertikalen Versickerung (cv [–]) lag zwischen 0 und 1
und der sogenannte geometrische Faktor der Makroporen (gF [–]) wurde
konstant bei 0,25 festgelegt.
Forum für Wissen 2013
113
Abbildung 12 zeigt die Sensibilität
des Modells relativ zum Parameter L
(Kontaktfläche der Makroporen) und
gibt einen Hinweis zur Bedeutung dieses Parameters auf den Ausschlag der
Abflussspitze. Die Berechnungen wurden mit einer Vorfeuchte von 0,3 [m3/
m3], T = 0,5 m, c = 0 und gF = 0,25 durchgeführt. Die drei Regenintensitäten
entsprachen 70-40-100 mm/Std wie bei
den Feldexperimenten. Die Resultate
zeigten, dass bei gleicher Speicherkapazität die unterschiedlichen Dimensionen der Makroporen, welche durch
den Parameter L charakterisiert werden, eine grosse Bedeutung für die
Minderung der Abflusssptitze haben.
Abb. 10. Resultate des gemessenen lateralen Abflusses bei Profil T13_1.5.
A
B
Englische Übersetzung des Titels
Since more than 150 years the population of the Gantrisch region is faced
with floodrisks. For this reason, the role of protection forests has been considered important since long time, and big reforestations took place already in the
1840’s. Notwithstanding the numerous studies on the flood-mitigating effects of
C
D
forests, the development of quantitative methods for the practice is still challenging. In this work we present an overview of the research projects carried out in
the Gantrisch region aimed to quantify the protection function of the forest. We
discuss how the results of field experiments and numerical modeling could lead
to the formulation of new quantitative approaches for the practice. However, for
the systematical implementation of such approaches in cost-benefit analysis for
risk management, several lags of knowledge still need to be adressed by future
research works.
Keywords: flood risk, protection forests, Gantrisch region, lateral sub-surface
flow, root distribution, numerical modeling.
Abb. 11. Resultate der gemessenen und modellierten Änderung des Wassergehalts (A und B) und des lateralen Abflusses (C und D) bei zwei
sehr unterschiedlichen Profilen (F10_5.5 [A und C] und F10_3.5 [B und D]).
114
Forum für Wissen 2013
Vegetationsbedeckungen (Wiese =
gelb, «schlechter» Wald = dunkelgrün,
«minimaler» Wald = grün, «optimaler»
Wald = hell grün) bei einem kurzen
(1 Std. → 45 mm) und einem langen
(24 Std. → 120 mm) hundertjährlichen
Niederschlagsereignis. Der Niederschlag wurde über die Zeit als normal
verteilt angenommen und das Speichervermögen war für alle Kombinationen konstant. Die Resultate zeigten,
dass bei einem kurzen Niederschlagsereignis, ein «optimaler» Waldbestand
die Abflussspitze bis zu 30 Prozent
reduzieren konnte, dank einer starken Verzögerung des Wasserabflusses.
Bei einem langandauernden Regenereignis hingegen, schien der Wald keinen Einfluss bei solch kleinen Hängen
(10 × 15 m) zu haben. Die simulierten
Abflüsse begannen erst, als der Hang
hydrologisch vernetzt war. Je mehr
Wasser benötigt wurde, um den lateralen Abfluss zu initialisieren, desto stärker wurde die Abflussspitze reduziert.
Abb. 12. Resultate der Sensibilitätsanalyse des Abflussmodells auf der Bodenprofilskala mit
unterschiedlichen Werten des Parameters L (Kontaktfläche [m2/m3]).
4 Diskussion und Schluss­
folgerungen
3.5 Aufskalierung der Abfluss-­
prozesse und Einfluss der
Durchwurzelung
Das kalibrierte Abflussmodell der Profilskala wurde dann in einem Abflussmodell für die Hangskala angewandt,
um die Verhältnisse von unterschiedlich hydrologisch beitragenden Flächen
während eines Niederschlags zu simulieren und zu analysieren.
Eine «random generating function»
definiert in dem Modell die zufällige
Normalverteilung der initialen Vorfeuchte (0,3 +– 0,03) in jeder Simulation (2 bis 5 pro Vegetationsbedeckung).
Abbildung 13 zeigt die zeitliche Entwicklung der hydrologischen Benetzung des Hanges in Zusammenhang
mit der Zunahme des Wassergehalts
in jeder Zelle bis zu den Werten, bei
welchen der laterale Abfluss beginnt
(blaue Punkte).
Unter der Annahme, dass unterschiedliche Werte von T (hydrologische aktive Bodentiefe) und L (Kontaktfläche) charakteristisch für unter-
schiedliche Bedingungen bezüglich
Vegetationsbedeckung (Wiese bis gut
strukturierte Waldbestände) sind, ist es
möglich, die Abflussverhältnisse eines
Hanges für unterschiedliche Niederschlagsereignisse zu simulieren. Abbildung 14 zeigt den simulierten Abfluss
eines Hanges mit vier verschiedenen
Für ein bestimmtes Niederschlagsereignis und ein bestimmtes Einzugsgebiet kann die Abflussspitze durch eine
erhöhte Speicherkapazität des Bodens
oder durch eine grössere Verzögerung
des Wasserabflusses reduziert werden.
In der Regel wirkt der Wald positiv auf
diese beiden Prozesse (Speicherung
und Verzögerung), aber in unterschied-
Abb. 13. Zeitliche Entwicklung der hydrologischen Benetzung des Hanges in Zusammenhang mit der Zunahme des Wassergehalts (a = 60 Sek., b = 600 Sek., c = 1200 Sek.) während
eines intensiven Niederschlages. Die roten Zellen weisen einen Wassergehalt kleiner als θmin
auf und produzieren keinen lateralen Abfluss, während die blauen Zellen einen Wassergehalt grösser als θmin aufweisen und einen lateralen Abfluss proportional zu ihrem Sättigungsgrad produzieren.
Forum für Wissen 2013
lichem Ausmass je nach Situation. Die
von der WSL durchgeführten Studien
im Gantrischgebiet haben die Basis für
eine quantitative Analyse der Waldwirkung in staunassen, vernässten Böden
geschaffen und erlauben eine systematische Diskussion der komplexen
Interaktionen und Prozesse, welche zu
Hochwasserbildung führen.
Gemäss unserer Resultate und der
Modellierung ist die Speicherkapazität
des Bodens (definiert als die Kapazität des Bodens durch Kapillarkraft das
Wasser festzuhalten und nicht fliessen zu lassen) die wichtigste Einflussgrösse um die Abflussspitze zu reduzieren. Die Speicherkapazität hängt
von der Art der Porosität des Bodens
(z. B. Porengrösseverteilung, Konnektivität, Geometrie der Poren) und seiner Mächtigkeit ab (je tiefgründiger
der Boden, desto mehr Wasser kann
gespeichert werden). Tiefwurzelnde
Baumarten, welche durch vernässte
Bodenhorizonte nicht stark limitiert
werden, sind waldbaulich zu bevorzugen, da diese Baumarten auch den
tieferen Horizonten Wasser entziehen
und so indirekt die Bodenstruktur dieser Horizonte verbessern. Aus diesem
Grund erhöht die Präsenz von Wurzeln
die Infiltration und die Speicherkapazität des Bodens. Im vorgeschlagenen
Modellierungsansatz wird die Speicherkapazität durch die Parameter T,
θBeginn (Vorfeuchte) und θmin (Wassergehalt, bei welchem der laterale Abfluss
beginnt) bestimmt. In ungünstigen
Situationen kann die Speicherkapazität gleich Null sein, wenn beispielsweise während der Schneeschmelze
die Bodenfeuchte sehr hoch ist. Aber
auch wenn das Wasser in den Boden
infiltriert, kann es, je nach Abflussbildungsprozess, rasch durch präferenzielle Fliesswege zum Abfluss beitragen.
In bewaldeten Hängen ist der laterale Zwischenabfluss oft dominierend
und die Geschwindigkeit des Abflusses
hängt von der Dimension und Vernetzung der Makroporen ab. Die Resultate haben gezeigt, dass die Intensität
des Zwischenabflusses durch die Kontaktflächenlänge charakterisiert werden kann. Dieser Parameter hat sich
im Modell als zweitwichtigster für die
Minderung der Abflussspitze herausgestellt.
Auf der Bodenprofilskala kann der
Einfluss des Waldes über die indi-
115
Abb. 14. Simulierter Abfluss eines Hanges mit vier verschiedenen Vegetationsbedeckungen (Wiese = gelb, «schlechter» Wald = dunkel grün, «minimaler» Wald = grün, «optimaler»
Wald = hell grün) bei einem kurzen (1 Std. → 45 mm) und einem langen (24 Std. → 120 mm)
hundertjährlichen Niederschlagsereignis.
rekte Wirkung der Wurzelverteilung,
durch die Parameter T, θBeginn , θmin und
L gut charakterisiert werden. Auf der
Hangskala wirkt der Einfluss des Waldes durch die räumliche Heterogenität der oben genannten Parameter und
dadurch auf die hydrologische Vernetzung des Hanges.
Die bis heute gewonnenen Resultate
bilden eine solide Basis für die Analyse
der Prozesse auf der Profilskala (Infiltration und lateraler Abfluss), aber auf
der Hangskala bleiben die Ergebnisse nur eine numerische Ex­trapolation,
welche mit weiteren Felddaten und Studien validiert werden muss. Die Analyse der Wurzelverteilung auf der Hangskala (Stimm et al. 2009; Allenspach
et al. 2011; Hebeisen 2011; Schwarz
et al. 2013) hat zwar ein besseres Bild
des Zusammenhangs zwischen Waldstruktur und Wurzelverteilung ergeben, aber die hydrologischen Prozesse auf dieser Skala wurden noch nicht
ausreichend charakterisiert. Zudem
sind diesbezüglich nur wenige Studien in der Literatur vorhanden (z. B.
Kohl et al. 2002). Dennoch lassen die
numerischen Simulationen eine erste Schätzung der Waldwirkung zu. Zu
den wichtigsten Rahmenbedingungen
zählen die Intensität und Dauer eines
Niederschlagsereignisses, das Relief,
die Hanglänge und die Hangneigung.
Die ersten Resultate haben gezeigt,
dass bei einem gleichen Ereignis (z. B.
1 Std. Dauer mit einem Gesamtniederschlag von 45 mm), je nach Verteilung
der Niederschläge über die Zeit (konstant, normalverteilt, oder unregelmäs-
sig), die Waldwirkung unterschiedlich
sein kann.
Die Resultate und Ansätze, welche
in diesem Artikel präsentiert werden,
dienen als wichtige Grundlagen für
die Quantifizierung der Waldwirkung
gegen Hochwasserrisiken. Als Beispiel können derartige Ansätze in Kostenwirksamkeitsanlysen im Rahmen
des Risikomanagements angewendet
werden, wobei die Waldwirkung je
nach Wiederkehrdauer und Intensität
der Niederschlagsereignisse, sowie je
nach Waldzustand quantifiziert werden kann. In ähnlicher Weise hat Sandri (2006) die Waldwirkung gegen
Wildbach- und Hochwassergefahren
in einem Intensitäts-Wahrscheinlichkeits-Diagramm qualitativ dargestellt.
Abbildung 15 zeigt eine KonzeptDarstellung der möglichen Resultate aus numerischen Simulationen für
die Quantifizierung der Waldwirkung
je nach Wiederkehrdauer und Dauer
eines Niederschlagsereignisses für ein
bestimmtes Einzugsgebiet und einen
bestimmten Waldzustand.
Die Wirkung des Waldes hängt vom
Waldstandortstyp und vom Waldzustand ab, welcher wiederum oft von der
Waldbewirtschaftung abhängig ist. Die
sorgfältige Auswahl der Baumartenmischung und die Bildung einer heterogenen mehrstufigen Struktur sind in
den in NaiS enthaltenen Vorgaben für
eine optimale Schutzwirkung des Waldes Voraussetzungen. Diese Richtlinie basiert auf qualitativen Schätzungen. Eine Verbesserung ist im Moment
nicht systematisch möglich, vor allem
116
Forum für Wissen 2013
Abb. 15. Konzeptuelle Darstellung der möglichen Resultate für die Quantifizierung der
Waldwirkung je nach Wiederkehrdauer und Dauer eines Niederschlagsereignisses.
auf Grund fehlender Felddaten. Die
mittel- bis langfristigen Wirkungen
von verschiedenen Baumarten und
Waldstrukturen unter verschiedenen
Bedingungen (Klima, Boden, etc.) sind
nur für wenige Situationen schätzbar
(Lange et al. 2009; Hartmann 2008).
Weitere Projekte sollten diese Kenntnisse mithilfe neuer Felddaten erweitern. Für ein besseres Gesamtbild der
Waldwirkungen gegen Hochwasser ist
die langfristige Berücksichtigung der
Walddynamik (Absterben und Wachstum der Bäume) ein sehr wichtiges
Element, welches zusätzlich noch besser untersucht werden muss.
5Literatur
Allenspach, A.; Pecoroni, D.; Stimm E.-M;
Lange, B.; Zürcher, K.; Lüscher, P.;
Weingartner, R., 2011: Infiltrationsverhalten gehemmt durchlässiger Waldböden in Abhängigkeit der Durchwurzelungs. In: Böden verstehen, Böden nutzen, Böden fit machen. Jahrestagung der
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online).
Badoux, A.; Witzig, J.; Germann, P.F.; Kienholz, H.; Lüscher P.; Weingartner, R.;
Hegg, C., 2006: Investigations on the
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20: 377–394.
Beven, K.; Germann, P.F., 2013: Macropores
and Water Flow in Soils Revisited. doi:
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Frehner, M.; Wasser B.; Schwitter, R.,
2005: Nachhaltigkeit und Erfolgskontrolle im Schutzwald: Wegleitung für Pflegemassnahmen in Wäldern mit Schutzfunktion. Bern, Bundesamt für Umwelt,
BAFU.
Grunauer, C., 2009: Bodenhydrologische
Auswirkungen von Wurzeln abgestorbener Bäume nach 1, 6, 18, 36 und über
40Jahren, Masterarbeit, Geogr. Institut
der Universität Bern – GIUB, Bern.
Hartmann, O., 2008: Durchwurzelungssituation der Vogelbeere (Sorbus aucuparia) auf hydromorphen Böden und deren
Einfluss auf hydrologische Bodeneigenschaften. Bachelor Thesis, Zurcher Hochschule fur Angewandte Wissenschaften –
ZHAW, Wädenswil.
Hebeisen, K., 2011: Untersuchung zum Einfluss der Waldbestandesstruktur auf die
Durchwurzelung temporär vernässter
Flyschböden im Under Scheidwald (BE).
Bachelor Thesis, Hochschule für Agrar-,
Forst-, und Lebensmittelwissenschaften,
Zollikofen.
Kohl, B.; Markart, G.; Bauer, W., 2002:
Abflussmenge und Sedimentfracht unterschiedlich genutzter Boden-/Vegetationskomplexe bei Starkregen im Sölktal/Steiermark. BFW-Ber. 127: 5–15.
Lange, B.; Lüscher, P.; Germann, P.F., 2009:
Significance of tree roots for preferential
infiltration in stagnic soils. Hydrol. Earth
Syst. Sci. 13: 1809–1821.
Lange, B.; Germann, P.F.; Lüscher, P., 2011:
Runoff-generating processes in hydromorphic soils on a plot scale: free gravity-driven versus pressure-controlled flow.
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Lange, B.; Germann P.F.; Lüscher P., 2013:
Greater abundance of Fagus sylvatica in
coniferous flood protection forests due to
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densities on infiltration. Eur. J. For. Res.
132: 151–163.
Lüscher, P.; Zürcher, K., 2003: Waldwirkung und Hochwasserschutz: Eine differenzierte Betrachtungsweise ist angebracht. LWF-Ber. 40: 30–33.
Sandri, A., 2006: Vom Nutzen des Waldes.
Bull. angew. Geol. 11, 2: 109–115.
Stimm, E.-M.; Lange, B.; Zürcher, K.;
Lüscher, P.; Weingartner, R., 2009: Infiltrationsverhalten gehemmt durchlässiger
Waldböden in Abhängigkeit der Durchwurzelungs-tiefe. In: Böden – eine endliche Ressource. Jahrestagung der DBG,
Bonn, September 2009.
Schwarz, M.; Dämpfle, L.; Lüscher P., 2013
(in Vorbereitung): A new framework for
the quantification of the hydrological
connectivity of vegetated slopes. Ecohydrology.
Abstract
Gantrisch’s flood-protection forest: developing quantitative methods for practical use
The population in the Gantrisch region has had to cope with the risk of floods for
more than 150 years. The role of protection forests has therefore long been considered important, and extensive reforestation was already undertaken in the 1840s.
Notwithstanding the numerous studies on the flood-mitigating effects of forests,
quantitative methods for use in practice are still underdeveloped. In this work we
present an overview of the research projects carried out in the Gantrisch region to
quantify the protection function of the forest. We discuss how the results of field
experiments and numerical modeling has led to the formulation of new quantitative approaches for use in practice. However, to implement such approaches systematically in cost-benefit analyses for risk management, several gaps in knowledge
still need to be addressed in future research.
Keywords: flood risk, protection forests, Gantrisch region, lateral sub-surface flow,
root distribution, numerical modeling.
Verzeichnis der Schriftenreihe «Forum für Wissen»
Forum für Wissen 2012
Alpine Schnee- und Wasserressourcen gestern, heute, morgen. 68 S.
Forum für Wissen 2011
Der multifunktionale Wald – Konflikte und Lösungen. 58 S.
Forum für Wissen 2010
Landschaftsqualität. Konzepte, Indikatoren und Datengrundlagen. 67 S.
Forum für Wissen 2009
Langzeitforschung für eine nachhaltige Waldnutzung. 129 S.
Forum für Wissen 2008
Ballungsräume für Mensch und Natur. 82 S.
Forum für Wissen 2007
Warnung bei aussergewöhnlichen Naturereignissen. 96 S.
Forum für Wissen 2006
Wald und Klimawandel. 71 S.
Forum für Wissen 2005
Wald und Huftiere – eine Lebensgemeinschaft im Wandel. 74 S.
Forum für Wissen 2004
Schutzwald und Naturgefahren. 103 S.
Forum für Wissen 2000
Naturwerte in Ost und West. Forschen für eine nachhaltige Entwicklung vom Alpenbogen bis zum Ural. 87 S.
Forum für Wissen 1999, 2
Nachhaltige Nutzung im Gebirgsraum. 70 S.
Forum für Wissen 1999, 1
Biosphärenpark Ballungsraum. 56 S.
Forum für Wissen 1998
Optimierung der Produktionskette «Holz». 87 S.
Forum für Wissen 1997
Säure- und Stickstoffbelastungen – ein Risiko für den Schweizer Wald? 100 S.
Forum für Wissen 1996
Wild im Wald – Landschaftsgestalter oder Waldzerstörer? 71 S.
Forum für Wissen 1995
Erhaltung der Biodiversität – eine Aufgabe für Wissenschaft, Praxis und Politik. 59 S.
Forum für Wissen 1994
Waldwirtschaft im Gebirge – eine ökologische und ökonomische Herausforderung. 54 S
Forum für Wissen 1993
Naturgefahren. 63 S.
Forum für Wissen 1992
Waldschadenforschung in der Schweiz: Stand der Kenntnisse. 162 S.
Forum für Wissen 1991
Wald und Landschaft: Lebensräume schützen und nutzen. 63 S.
ISSN 2296-3448

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