Bodenschutz im Wald: Ziele – Konflikte – Umsetzung
Transcrição
Bodenschutz im Wald: Ziele – Konflikte – Umsetzung
Heft 6, 2013 WSL Berichte ISSN 2296-3448 FORUM für Wissen 2013 Bodenschutz im Wald: Ziele – Konflikte – Umsetzung Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL CH-8903 Birmensdorf Heft 6, 2013 WSL Berichte ISSN 2296-3448 FORUM für Wissen 2013 Bodenschutz im Wald: Ziele – Konflikte – Umsetzung Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL CH-8903 Birmensdorf 2 Forum für Wissen 2013 Das Forum für Wissen ist eine Veranstaltung, die von der Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL durchgeführt wird. Aktuelle Themen aus den Arbeitsgebieten der Forschungsanstalt werden vorgestellt und diskutiert. Neben Referenten von der WSL können auswärtige Fachleute beigezogen werden. Gleichzeitig zu jeder Veranstaltung «Forum für Wissen» erscheint eine auf das Thema bezogene Publikation in der Reihe WSL Berichte. Verantwortlich für die Herausgabe der Schriftenreihe Prof. Dr. Konrad Steffen, Direktor WSL Verantwortlich für dieses Heft Dr. Ivano Brunner, Leiter Forschungseinheit Boden-Wissenschaften Dr. Peter Lüscher, Senior Consultant Schriftleitung Sandra Gurzeler Wir danken folgenden Personen, welche sich als Reviewer zur Verfügung stellten, für die kritische Durchsicht der Beiträge und die hilfreichen Kommentare: Franz Borer, Ivano Brunner, Beat Frey, Fritz Frutig, Elisabeth Graf-Pannatier, Benjamin Lange, Reinhard Lässig, Felix Lüscher, Peter Lüscher, Jörg Luster, Christine Meyer, Martin Moritzi, Patrick Schleppi, Massimiliano Schwarz, Christoph Sperisen, Manfred Stähli, Oliver Thees, Peter Waldner, Martin Ziesak und Stephan Zimmermann Zitierung Eidgenössische Forschungsanstalt WSL (Hrsg.) 2013: Forum für Wissen 2013. Bodenschutz im Wald: Ziele – Konflikte – Umsetzung. WSL Ber. 6: 116 S. Layout Jacqueline Annen, WSL Sandra Gurzeler, WSL Druck Rüegg Media AG, Aesch ZH PERFOR MANCE neutral Drucksache 01-13-307354 myclimate.org Bezugsadresse WSL Shop Zürcherstrasse 111 CH-8903 Birmensdorf http://www.wsl.ch/eshop/ ISSN 2296-3448 © Eidgenössische Forschungsanstalt WSL Birmensdorf 2013 Forum für Wissen 2013 3 Vorwort Gesunde Böden sind für die Erhaltung einer alles umfassenden Nachhaltigkeit im Wald eine grundlegende Voraussetzung. Naturbelassene Böden stellen ein System mit erstaunlich grosser Selbsterhaltungskraft dar und gewährleisten umfassend die Erfüllung aller Waldfunktionen. Böden sind aber auch eine nicht erneuerbare Ressource. Es ist daher wichtig, dass Waldböden in ihrer Fruchtbarkeit weder durch Stoffeinträge noch durch die Waldbewirtschaftung mit entsprechenden physikalischen Einwirkungen beeinträchtigt werden. Das Forum für Wissen behandelt verschiedene Bodenschutzthemen anhand aktueller Beispiele und zeigt Interessenskonflikte sowie Vorschläge zu deren Lösung auf: Inwieweit lassen sich die Zielvorgaben des Umweltschutz- und des Waldgesetzes erreichen? Welche Auswirkungen haben die Massnahmen des Bodenschutzes auf die Biodiversität im Boden? Welche Lösungsansätze werden für das Spannungsfeld zwischen Ökologie und Ökonomie verfolgt? Referierende aus Forschung und Praxis präsentieren den aktuellen Stand des Wissens und zeigen aus Sicht der Bodenschutzpraxis Wege für erfolgversprechende Massnahmen und Entwicklungen auf. Der Tagungsband richtet sich an Fachleute aus dem Forstdienst und dem Bodenschutz sowie aus Verwaltung und Wissenschaft. Er soll – ausgehend von der heutigen Situation – allen beteiligten Stellen aufzeigen, wie sich der Bodenschutz im Wald weiter verbessern lässt. Wir danken allen Autoren und Autorinnen für ihre Beiträge. Wir möchten gemeinsam mit unseren Partnern das zusammengetragene Wissen künftig weiterentwickeln und vertiefen sowie die eingeschlagene Umsetzung fortführen. Damit schaffen wir die nötigen Voraussetzungen für eine nachhaltige Bodennutzung. Folgenden Personen sei an dieser Stelle herzlich für ihr Engagement bei den Tagungsvorbereitungen und -durchführung gedankt: Ivano Brunner, Beat Frey, Frank Hagedorn, Jörg Luster, Stephan Zimmermann Organisation und Sekretariat: Sandra Gurzeler, Martin Moritzi, Susanne SennRaschle Birmensdorf, im November 2013 Konrad Steffen, Direktor WSL Peter Lüscher, Tagungsleiter Forum für Wissen 2013 5 InhaltSeite Vorwort3 Nur wer den Boden kennt, kann ihn schützen und nachhaltig nutzen.7 Gedanken zur «Mechanischen Belastung von Waldböden» Peter Lüscher Bodenschutz in Europa 17 Winfried E.H. Blum Protection du sol dans les forêts Suisse21 Jean-Pierre Clément Bodenschutz im Wald – Beitrag der Waldpolitik 2020 des Bundes 23 Sabine Augustin und Silvio Schmid Umsetzung des Bodenschutzes im Aargauer Wald29 Alain Morier Ökonomische Überlegungen zum physikalischen Bodenschutz im Wald31 Oliver Thees und Roland Olschewski Bodenverdichtung und Bodenstruktur45 Rainer Schulin, Christine Meyer und Peter Lüscher Sind Waldbodenfunktionen nachhaltig gewährleistet? 47 Beispiel Säurepufferung Stephan Zimmermann und Jörg Luster Werden im Boden gespeicherte Metalle durch Umweltveränderungen 55 freigesetzt? Wolfgang Wilcke, Moritz Bigalke und Adrien Mestrot Biodiversität von Waldböden – Auswirkungen des Einsatzes 61 von Holzerntemaschinen auf mikrobielle Gemeinschaften Beat Frey und Martin Hartmann Bodenbiologie im Referenzmessnetz der Nationalen Bodenbeobachtung 71 NABO Anna-Sofia Hug, Andreas Gubler, Franco Widmer, Beat Frey, Hansruedi Oberholzer, Peter Schwab und Reto Meuli Baumwurzeln und Infiltration83 Benjamin Lange, Peter Lüscher, Peter Germann und Axel Bronstert Die Bedeutung der Waldböden für Wassermenge und -qualität 91 in Einzugsgebieten Karl-Heinz Feger, Raphael Benning und Andreas Wahren Umsetzung des Bodenschutzes im Aargauer Wald99 Andreas Freuler Bodeninformationen für die Waldwirtschaft im Kanton Solothurn103 Gaby von Rohr, Stephan Margreth und Christine Hauert Hochwasserschutzwald Gantrisch: der Weg zur quantitativen Methode 107 für die Praxis Massimiliano Schwarz, Lukas Dämpfle, Peter Lüscher, Philipp Mösch und Jean-Jacques Thormann Forum für Wissen 2013: 7–16 7 Nur wer den Boden kennt, kann ihn schützen und nachhaltig nutzen Gedanken zur «Mechanischen Belastung von Waldböden» Peter Lüscher WSL Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft, Zürcherstrasse 111, CH-8903 Birmensdorf, [email protected] Ökologische Erkenntnisse, ökonomisches Handeln, technische Weiterentwicklungen und gesellschaftliche Ansprüche an den Wald beziehungsweise die Waldwirtschaft erfordern grundsätzliche Überlegungen hinsichtlich künftiger Konzepte für eine nachhaltige Bodennutzung. Mit der «Waldpolitik 2020» wurden für den Bodenschutz Rahmenbedingungen gesetzt, die mit den Zielgrössen und Indikatoren – entwickelt im Projekt «Physikalischer Bodenschutz im Wald» – übereinstimmen und den Schutz des Bodens vor irreversiblen Veränderungen sicherstellen. Diese Vorgaben sollen langfristige Beeinträchtigungen des Bodens vermeiden beziehungsweise minimieren. Sie haben verbindlichen Charakter hinsichtlich Umsetzung und Vollzug in den Kantonen. Bodenkundliche Grundkenntnisse sind dabei unerlässlich, um die nachhaltige Nutzung der Waldböden zu gewährleisten. Nicht zuletzt sind sie eine wichtige Voraussetzung für die einheitliche Kommunikation der Schutzanliegen zwischen allen Beteiligten. 1Einleitung Das Befahren von natürlich gelagerten Waldböden mit Forstmaschinen kann auf einem Grossteil der Böden im Schweizer Wald im Bereich der Fahrspuren tiefgreifende und zum Teil lang anhaltende oder gar irreversivle Bodenveränderungen verursachen, die wichtige Bodenfunktionen beeinträchtigen. Sind Porenvolumen und Porenvernetzung beeinträchtigt, ist die Transportleistung des Bodens für Wasser und Luft eingeschränkt. Die Versorgung der Wurzeln mit Wasser und Luft ist aber eine unabdingbare Voraussetzung für die Fruchtbarkeit von Waldböden und für das Wachstum der darauf stockenden Bestände. Durch starke Bodenverdichtungen werden nicht nur im Keimbeet die Voraussetzungen für die Naturverjüngung drastisch verschlechtert, auch das Wurzelwachstum wird bis in beträchtliche Bodentiefen nachhaltig gestört. Dies lässt sich mit dem Begriff der «langfristigen Beeinträchtigung der Bodenfruchtbarkeit nach physikalischer Belastung» treffend beschreiben und auch quantifizieren. Mit dem Projekt «Physikalischer Bodenschutz im Wald» ist das in den vergangenen Jahre weitgehend erreicht worden. Für die Umsetzung der Vorgaben sind bodenkundliche Grundkennt- nisse eine unerlässliche Voraussetzung. Das gilt für den Oberboden, den Bodenaufbau, bestimmte Bodenmerkmale und -eigenschaften, den Bodenwasserhaushalt und insbesondere die aktuelle Bodenfeuchte zum Zeitpunkt des Befahrens spielt eine bedeutende Rolle. Aus ökologischer und wirtschaftlicher Sicht ist es daher zentral: Der Boden muss geschützt werden! Ziel muss es sein, eine langfristige Beeinträchtigung der Bodenfruchtbarkeit durch Bodenverdichtung – wie im Umweltschutzgesetz (USG 1983 und VBBo 1998), aber auch in der Waldgesetzgebung gefordert – zu erkennen, zu bewerten und durch Umsetzung bodenkundlicher Kenntnisse soweit als möglich zu verhindern bzw. zu minimieren (Lüscher et. al. 2009a) um damit eine nachhaltige Bodennutzung sicherzustellen. Eine wichtige Voraussetzung ist dabei, dass alle am Prozess beteilgten Akteure begrifflich eine gemeinsame Sprache finden. 2 Rahmenbedingungen zur Beurteilung der nach haltigen Bodennutzung Zur Beurteilung einer nachhaltigen Bodennutzung wird auf europäischer Ebene oft das Indikator-Rahmenprogramm DPSIR (Abkürzung für Driving forces, Pressure, State, Impact and Response nach EEA 1999; vgl. Abb. 1) verwendet. Damit werden unter anderem Bodenschutzprobleme erfasst, deren zeitliche Veränderungen überwacht sowie die dahinter stehenden Kräfte, Einflüsse und Aktionen kont- D Driving forces Vermehrte Nutzung der Ressource Holz durch boden gestützte Holzernte P Pressure Auf und in den fruchtbaren Boden wirkende Kräfte S State Struktur- und Eigenschaftsveränderungen im Boden in Abhängigkeit von statischen und dynamischen Parametern I Impact Langfristige Beeinträchtigung der Bodenfruchtbarkeit mit negativen Folgen für Waldwaschstum und -verjüngung R Response Massnahmen wie bspw. Ausbildung und Sensibilisierung der Akteure, Vorgaben zu Holzernteverfahren, zum Einsatz von Maschinen sowie zur Maschinentechnik Abb. 1. DPSIR-Modellansatz (EEA 1999) mit konkreter Abstimmung auf die Holzerntemassnahmen. 8 Forum für Wissen 2013 rolliert und gesteuert. Das Modell kann auch verwendet werden, um Umweltbelastungen und Umweltschutzmassnahmen darzustellen. Im Folgenden wird dieser Ansatz zur Beurteilung der mechanischen Belastung des Waldbodens durch die Holzerntemassnahmen eingesetzt. Die Systembetrachtung soll visualisieren, wie der Waldboden im Umfeld von Waldbestand, Waldstandort bis zur Holznutzung über die Systemgrenzen hinweg beeinflusst wird. Im System «Ressourcennutzung Holz» sind, bezogen auf das Modell DPSIR (Abb. 2), die Holzernte und der Maschineneinsatz die treibenden Kräfte (D). Sie sind Ursache der potenziellen Belastung (P), die im Boden zu einer Veränderung (DS) verschiedener Bodeneigenschaften führt. Die Wirkung solcher Veränderungen ist besonders im Hinblick auf eine allfällige Beeinträchtigung der Bodenfruchtbarkeit (I) zu beurteilen und zu bewerten. Zu diesem Zweck verwenden wir für die konkrete Umsetzung in der Praxis zuvor klar definierte Spurtypen, die es erlauben, durch den Maschineneinsatz entstehende Fahrspuren zu unterscheiden (Tab. 1). Im Vergleich mit bekannten Referenzgrössen lassen sich diese Spurtypen als wirkungsorientiertes Mass der Bodenveränderung nutzen. Je nach Grad der Beeinträchtigung werden entsprechende Massnahmen (R) erforderlich, die rechtzeitig einzuleiten bzw. umzusetzen sind. Dieser Modellansatz zeigt einen Weg für eine direkte Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft, Forstwirtschaft, Gesellschaft und Politik. Ebenfalls lässt sich daraus eine thematische Strategie für den Wissenstransfer ableiten (Lüscher et al. 2008a und b). Der Boden steht über die Wurzeln der Bäume in einer engen Verbindung mit dem Waldbestand. Ein Waldbestand setzt sich aus oberirdischen Teilen (Stamm, Krone) und einem unterirdischen Teil, dem Wurzelsystem, zusammen. Das Wurzelwachstum muss sich, der baumartenspezifischen Wurzelarchtektur folgend, vom Sämling bis zum Altbestand ungestört im Boden entwickeln können und darf einzig durch natürliche Eigenschaften beeinflusst werden. Der Oberboden (Humus) mit seinen typischen Eigenschaften wird durch den Streueintrag aus dem Bestand wesentlich beeinflusst. Die standortsspezifische Humusform bildet das Keimbeet und den Wurzelraum für die Verjüngung einer nächsten Baumgeneration. Umsatzraten von Stoffen aus Wurzelwachstum und -erneuerung sind weitere Grössen, die eine interaktive Verknüpfung der beiden Systeme bewirken. Unter dem Einfluss der Standortsfaktoren ergibt sich als übergeordnete Einheit Ressourcennutzung Holz D Holzernteverfahren P Waldstandort Standortfaktoren Waldbestand Wachstum Verfüngung S Waldboden Wurzeln D bewirkt ein P und ergibt ΔS, das über Indikatoren und deren Veränderung festgehalten werden kann. Dabei darf keine langfristige Beeinträchtigung der Bodenfruchtbarkeit eintreten. I Vollzug mit Vorgaben z.B. ökologische Standards, Ausbildung, Interventionswerte R Abb. 2. Systembetrachtung im Rahmen der DPSIR-Indikatoren. ein Waldstandort. Mittels unterschiedlicher Ernteverfahren wirken bei der Holznutzung durch den Maschineneinsatz Kräfte auf den Boden, die ein erkennbares Spurbild hinterlassen (vgl. Kap. 4.2). Dabei erfolgt eine Beeinträchtigung der Bodeneigenschaften und allenfalls auch der Bodenfruchtbarkeit. Ein ökologischer Schaden liegt vor, wenn die Bodenfruchtbarkeit langfristig beeinträchtigt wird. Die gezielte Ausbildung und Sensibilisierung aller verantwortlichen Akteure soll zur Minimierung von Bodenschäden beitragen. 3 Standortskundliche Voraus setzungen für den Schutz des Bodens Der im Umweltschutzgesetz im Zusammenhang mit der Bodenfruchtbarkeit weitsichtig erwähnte «Standort» – hier ein «Waldstandort» – stellt ein System dar, das «Waldbestand» und «Boden» über die Standortsfaktoren mit gegenseitiger Wechselwirkung verbindet. Dieser Bezug zum Standort bzw. zu den damit verbundenen bodenkundlichen Voraussetzungen, wie ihn der Gesetzgeber vorgibt, ist für eine nachhaltige Bodennutzung zentral. So wurden beispielsweise im Merkblatt für die Praxis Nr. 45 der WSL (Lüscher et al. 2009b) die typischen Humusformen (Abb. 3) und auch die Vernässungsmerkmale (Abb. 6) beschrieben und abgebildet. Die Humusformen erlauben erste Hinweise auf die Befahrungsempfindlichkeit der Böden. Vernässungsmerkmale zeigen eine geringe oder sich verschlechternde Leitfähigkeit für Wasser und Luft im Porensystem des Bodens an. Oxidations- und Reduktionsprozesse verursachen sichtbare Farbmuster im Boden. Die Tiefe ihres Auftretens und ihre Ausprägung geben Hinweise auf die Durchlüftungssituation bzw. Vernässung im Wurzelraum und eine Bewertung erfolgt über den Vernässunggrad (Walthert et al. 2004). Die Ursache für das Auftreten von Vernässungsmerkmalen ist die gehemmte Wasserdurchlässigkeit bzw. das Stauwasser. Der Grund für eine gehemmte Wassersickerung kann im Bodenaufbau liegen, ist möglicherwei- Forum für Wissen 2013 9 Tab. 1. Kriterien zur Unterscheidung der drei Spurtypen. Kriterium Spurtyp 1 Spurtyp 2 Spurtyp 3 Aufbau Oberboden nicht gestört +/– gestört gestört Spureintiefung * bleibt in Oberbodenhorizonten (5 bis max. 10 cm) bleibt in Oberbodenhorizonten (meist < 10 cm) reicht bis in Unterbodenhorizonte (> 10 cm) Verformung keine ** Ansätze von seitlichen Auspressungen des Oberbodens ausgeprägte seitliche Aufwölbungen Farbe (Vernässungsmerkmale) Vernässungsmerkmale je nach den standörtlichen Voraussetzungen vorhanden * Hauptkriterium ist, bis in welchen Bodenhorizont die Spureintiefung reicht und nicht die eigentliche Spurtiefe in cm. ** teilweise sind Stollenabdrücke sichtbar se aber auch – meist bei oberflächennahem Auftreten – auf das Befahren mit Holzerntemaschinen zurückzuführen. Grund- und/oder Hangwasser einflüsse können ebenso Ursache für wechselfeuchte bzw. ständig wassergesättigte Bodenhorizonte sein. Je nach Bodenaufbau, Bodenmerkmalen und -eigenschaften ergibt sich eine unterschiedliche standortspezifische Beurteilung der Befahrungsempfindlichkeit eines Bodens (Abb. 4). Wo Bodenkarten vorhanden sind, kann – als Planungsgrundlage für den vorsorglichen physikalischen Bodenschutz – die Verdichtungsempfindlichkeit auch in Form von grossmassstäbigen Karten dargestellt werden (vgl. von Rohr et al. in diesem Tagungsband). L Ah 4 Umsetzung des Boden schutzes bedingt Bodenkenntnisse 4.1 Bodenaufbau und Bodenwasserhaushalt Der Bodenaufbau lässt Aussagen über den Wasserhaushalt eines Bodens zu, beispielsweise durch Benennung des Bodentyps. Böden mit einem dichter gelagerten Horizont sind oft durch Stauwasser beeinflusst (Pseudogley, pseudovergleyte Böden). Durch Hangund/oder Grundwasser beeinflusste Böden (Gley, vergleyte Böden) weisen wechselfeuchte Horizonte auf und haben in unterschiedlicher Tiefe einen ständig wassergesättigten Horizont. Dabei ist die Tiefe, in der wassergesättigte Zustände auftreten sowohl im Winter als auch im Sommer, in Abhängigkeit vom Vernässungsgrad, deutlich unterschiedlich (Abb. 4). Dies zeigt, dass Vernässungsmerkmale bei der Beurteilung eines Bodens bezüglich Befahrungsempfindlichkeit eine zentrale Grösse darstellen. So weisen Gleye generell eine «hohe bis extrem hohe» Befahungsempfindlichkeit auf. Wenn ausnahmsweise, am ehesten im Sommer, ein Vernässungsgrad «schwach grundnass» vorliegt (mit einer gesättigten Zone unterhalb von einem Meter) kann von einer lediglich «mittleren» Befahrungsempfindlichkeit ausgegangen werden. L L F F H Ah H Ah Zur Humusform Mull (L/Ah) gehört eine grosse biologische Aktivität mit raschem Streuabbau (meistens zwischen ein und zwei Jahren) und inniger Vermischung von Humusstoffen und mineralischer Feinerde. Solche Oberböden sind allgemein mit Nährstoffen gut versorgt, locker gelagert und weisen eine Krümelstruktur auf. Sie sind nach mechanischer Belastung je nach Abbaumi lieu unterschiedlich regenerationsfähig. Moder (L/F/[H]/Ah) wird vor allem in krautarmen Laub- und Nadelwäldern mit relativ nährstoffarmen Oberböden oder unter kühlfeuchten Klimaverhältnissen gebildet (Entwicklungszustand zwischen Mull und Rohhumus). Rohhumus (L/F/H/Ah) ist typisch für extrem nährstoffarme und meist grobkörnige Oberböden unter einer Pflanzendecke, die schwer abbaubare Streu liefert. Dichte, lichtarme Nadelwälder ohne krautigen Unterwuchs oder mit Zwergstrauchbewuchs begünstigen eine Rohhumusbildung ebenso wie ein kühlfeuchtes Klima. Die verschiedenen organischen Auflagehorizonte sind klar unterscheidbar. Abb. 3. Typische Humusformen im Wald. Um den Waldboden zu schützen, muss sein Aufbau bekannt sein. Die Humusformen geben Hinweise auf die Befahrungsempfindlichkeit und das Regenerationsvermögen. L Streuhorizont (weitgehend unzersetzte Vegetationsrückstände); F Fermentationshorizont (teilweise zersetzte, mehrjährige Vegetationsrückstände); H Humusstoffhorizont (mehrheitlich organische Feinsubstanz); Ah humushaltiger Oberbodenhorizont (dunkel gefärbt). 10 Forum für Wissen 2013 vergleyte Bodentypen Gleye 0 20 40 20 40 Go - Horizont 60 60 80 80 100 150 A - Horizont AG-, BG-, CG - Horizont A - Horizont ohne Vernässung 0 100 Go,r oder Gr Gr oder Go,r 150 200 200 Vernässungsgrad Vernässungsgrad mässig grundnass schwach grundnass stark grundnass sehr stark grundnass keine Vernässung sumpfig Befahrungsempfindlichkeit mässig grundnass schwach grundnass stark grundnass Befahrungsempfindlichkeit mittel bis hoch mittel bis hoch bis extrem hoch gering bis hoch extrem hoch hoch bis extrem hoch Pseudovergleyung 0 60 Bcn-Horizont ES -H or iz AS- , BS- , CS- Horizont 40 ohne Vernässung 20 on t A-Horizont 80 100 150 200 Sw oder Sd 250 300 Vernässungsgrad keine Vernässung sehr schwach pseudovergleyt schwach pseudovergleyt mässig pseudovergleyt stark pseudovergleyt Pseudogley Stagnogley Befahrungsempfindlichkeit gering bis mittel mittel mittel bis hoch hoch hoch bis extrem hoch Mittlere Tiefe der wassergesättigten Zone im Winter Mittlere Tiefe der wassergesättigten Zone im Sommer Mittlere Tiefe der wechselfeuchten Zone im Winter mit wassergesättigten Phasen Mittlere Tiefe der wechselfeuchten Zone im Sommer mit wassergesättigten Phasen Legende: Signaturen Mangankonkretionen Fahl-Rot-Färbung Horizontbezeichnungen S Stauwasserhorizont Sw Stauwasserleitender Horizont Sd Wasser stauender Horizont SE Auswaschungshorizont (Nassbleichung) Rostflecken Reduktionsfarben G Grundwasserhorizont Go Oxidationshorizont Gr Reduktionshorizont Abb. 4. Vernässungsgrad in grund- und stauwasserbeeinflussten Böden mit Bezug zur Befahrungsempfindlichkeit (nach Walthert et al. 2004 ergänzt aus Richard et al. 1983). Forum für Wissen 2013 11 Bei pseudovergleyten Böden (stauwasserbeeinflusst) mit Vernässungsgraden von «sehr schwach bis mässig pseudovergleyt», liegt vorwiegend im Sommer eine «mittlere bis hohe» Befahrungsempfindlichkeit vor. Der wechselfeuchte Bereich mit periodischer Wassersättigung sinkt dabei unter einen Meter Tiefe. Normal durchlässige Böden ohne Vernässungsmerkmale (z. B. Braunerden) haben in Abhängigkeit von Körnung und Skelettgehalt einen ausgeglichenen Wasserhaushalt, der eine Befahrung innert drei bis fünf Tagen nach einem Regenereignis zulässt. Diese Betrachtungen helfen bei der Planung der Holzernte zur Einschätzung der Befahrungsempfindlichkeit. Zum Zeitpunkt einer Befahrung ist aber immer noch die aktuelle Bodenfeuchte in Abhängigkeit vom Witterungsverlauf zu berücksichtigen (vgl. Kap. 4.4). 4.2 Spurbilder und Oberboden Für die Spurtypen als Indikatoren zur Beurteilung der Beeinträchtigung der Bodenfruchtbarkeit ist die Ansprache und die Unterscheidung von Ober- und Unterboden wichtig (Tab. 1). Der Spurtyp 3 wird durch drei Merkmale charakterisiert, die alle erfüllt sein müssen: 1) Die Spureintiefung reicht bis in den Unterboden, 2) es sind zusätzlich deutlich ausgeprägte seitliche Aufwölbungen (Verformungen) vorhanden und 3) die Spurtiefe beträgt in der Regel mehr als 10 cm. Das Spurbild und die damit zusammenhängende Bodenfunktionalität definieren gemeinsam den Spurtyp 3. Wo dieser auftritt, ist ein ökologischer Schaden im Boden sehr wahrscheinlich, was nach entsprechenden Massnahmen ruft. Der Spurtyp 3 ist für die praktische Arbeit im Wald ein einfacher und zugleich deutlich erkennbarer Indikator für eine starke Bodenbeeinträchtigung: Bis bessere Bedingungen herrschen, sind hier die Holzerntearbeiten umgehend einzustellen. Je nach dem standortspezifischen Auftreten der Humusform ergibt sich für den Oberboden ein unterschiedliches Bild. Die Mächtigkeit des Oberbodens ist an der dunkleren Farbe, hervorgerufen durch den Humusgehalt, erkennbar. Je höher der Humusgehalt umso dunkler bis schwärzlich ist in der Regel die Bodenfarbe. In den standortskundlichen Grundlagenwerken der einzelnen Kantone oder im NaiS-Ordner (Frehner et al. 2005) sind SOLLWerte für die Humusformen der einzelnen Waldstandortstypen aufgeführt. Damit sind unter idealen, naturnahen Voraussetzungen die Mächtigkeiten der Oberböden mittels der Humusform indirekt definiert. Differenzen zwischen dem IST-Zustand einer Humusform und der beobachteten Mächtigkeit des Oberbodens lassen sich meist durch waldbauliches Handeln in der Vergangenheit erklären (Abb. 5). 4.3 Relevante Merkmale für die Tragfähigkeit des Bodens Anhand ausgewählter Bodenmerkmale lässt sich die Tragfähigkeit bzw. die Verdichtungsempfindlichkeit von Waldböden ansprechen, abschätzen und beurteilen. Der Skelettgehalt (Stein-/Kiesgehalt), die Korngrössenzusammensetzung (Bodenart), das Gefüge, der Vernässungsgrad, der Tab. 2 . Grundsätze zur Bewertung der Befahrungsempfindlichkeit. Bodenaufbau (Bodenentwicklung, Bodentypen) Bemerkungen Befahrungsempfindlichkeit (=Verdichtungs- und Spurbildungsrisiko) Bodeneigenschaften Durchlässigkeit Skelettgehalt Bodenart Vernässung Vernässungsgrad Humusgehalt gering übermässig durchlässige, skelett- rohe Böden wie: Gesteinsroh böden, Ranker, Rendzinen, reiche, grobkörnige Böden Regosole keine Vernässung mittel Normaldurchlässige Böden mit geringen Skelettgehalten und sehr unterschiedlichen Korngrössen Vorsicht: bei Tonverlagerung wird unter Umständen die Durchlässigkeit reduziert Verwitterungsböden wie: Braunerden Parabraunerden Podsole Zeitpunkt der Befahrung bedeutsam: – Bodenfeuchte messen – Boden ggf. abtrocknen lassen hoch minimale Befahrung Gehemmt durchlässige Böden Grund-, Hangwasser beeinflusste Böden staunasse Böden wie: Pseudogleye und Stagnogleye sowie Nassböden wie Gleye Zeitpunkt der Befahrung besonders bedeutsam: nach längeren trockenen Perioden oder bei gut gefrorenem Boden möglichst keine Befahrung oder Beschränkung auf wenige Fahrlinien Reisigmatten anlegen oft feinkörnige Böden Extrem hoch Keine Befahrung Oberflächennah vernässte Böden Stagnogleye Torfe, Organische Böden keine besonderen Massnahmen aktuelle Bodenfeuchte beachten bei nasser Witterung 12 Forum für Wissen 2013 Rohhumus Mull Moder cm 12 organische Auflage Bodenoberfläche Vermischungstiefe der Mineralerde mit organischem Material Legende: 4 einjährige mehrjährige 8 Zersetzungsphasen der Vegetationsrückstände Streu 0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 zunehmende biologische Bodenaktivität festgestellter IST - Zustand Bereich der standortstypischen Humusform (SOLL - Zustand) künftige Entwicklungstendenzen mögliche natürliche Entwicklung Entwicklung nach erfolgter waldbaulicher Massnahme Mull > 8–10 cm mächtige Vermischung Moder < 8 cm mächtige Vermischung Rohhumus nur einige cm mächtige Vermischung Abb. 5. Typische Humusformen mit organischer Auflage und Vermischungstiefe der Mineralerde mit organischem Material. Messnetze mit laufend aktualisierten Werten zur Bodenfeuchte Folgende Adressen (Auswahl) sind zur Zeit aktiv und brücksichtigen teilweise auch Waldstandorte: – Kt. SO, AG, BL (Nordwestschweiz): www.bodenmessnetz.ch; Abfrage 1.9.2013 Messstationen im Wald sind zur Zeit in Breitenbach (SO), Dulliken (SO) und Etziken (SO). – Kt. AI, AR, GL,GR, SG SH TG, ZH, FL (Ostschweiz): 17 Stationen im Freiland www.bodenfeuchte-ostschweiz.ch; Abfrage 1.9.2013 – Kt. BE: 6 Stationen im Freiland http://www.vol.be.ch/vol/de/index/landwirtschaft/landwirtschaft/bodenschutz/bodenzustand/messwerte_bodenfeuchte.html; Abfrage 1.9.2013 – Kt. LU: 6 Stationen im Freiland http://http://www.umwelt-luzern.ch/index/themen/bodenschutz/messnetz_ bodenfeuchte.htm; Abfrage 17.10.2013 – Kt. UR: http://www.boden-uri.ch; Abfrage 1.9.2013 (1 Station im Freiland) – WSL, LWF: http://www.wsl.ch/info/organisation/fpo/lwf/results/data/swc_ DE, Abfrage 1.9.2013 Wassergehaltsmessungen auf den Stationen (Wald): Bettlachstock (SO), Vordemwald (AG), Othmarsingen (AG), Schänis (SG), Davos (GR), Celerina (GR), Beatenberg (BE) und Lausanne (VD) Humusgehalt und vor allem die aktuelle Bodenfeuchte zum Zeitpunkt des Befahrens sind dafür die massgeblichen Kriterien. Die Befahrungsempfindlichkeit wird von gering über mittel bis hoch beziehungsweise extrem hoch (nicht befahrbar) eingestuft (Abb. 4 und Tab. 2). Diese Einteilung erlaubt es, zu beurteilen, wie tragfähig ein Boden ist, was vor allem bei der Planung von Feinerschliessungssystemen wie auch bei umfassenden Holzerntemassnahmen sehr wichtig ist. Dieses Vorgehen wurde im Kapitel 4.1 bereits kurz erwähnt. Skelettgehalt Zum Skelettgehalt (Stein-/Kiesgehalt) eines Bodens werden alle mineralischen Bodenbestandteile mit einem Durchmesser von mehr als 2 mm gezählt (Kiesel, Steine und Blöcke). Mit zunehmendem Skelettgehalt nimmt der Feinerdeanteil und somit das für die Wurzeln nutzbare Bodenvolumen ab. Das Skelett hat eine Stützfunktion und verleiht dem Boden eine gute Stabilität gegenüber mechanischen Belastungen. Ein stark skeletthaltiger Boden ist beim Befahren mit schweren Maschinen widerstandsfähiger gegen Verdichtung als ein Boden mit geringerem Skelettgehalt. Ab 50 %V Skelett kann von einem unempfindlichen Boden und damit von einem sehr geringen Verdichtungsrisiko ausgegangen werden. Bodenart und Gefüge Die Körnung, auch als Bodenart bezeichnet, kann zur groben Beurteilung des Verdichtungsrisikos verwendet werden. Sie ist Ausdruck der prozentualen Verteilung von Ton, Schluff und Sand in der Feinerde. Je feinkörniger ein Boden ist, desto plastischer und empfindlicher reagiert er – dies auch in Abhängigkeit vom Wassergehalt – auf eine mechanische Belastung. Tonböden sind im trockenen Zustand extrem hart und tragfähig. Mit zunehmender Feuchtigkeit werden sie plastisch und stärker verformbar, was ihre Empfindlichkeit gegenüber mechanischer Belastung erhöht. Zudem binden Tonböden das Bodenwasser in den Feinporen sehr stark, trocknen also langsamer aus und benötigen nach einem Regen mehr Zeit als Forum für Wissen 2013 andere Böden, bis sie wieder schonend befahren werden können. Schluffböden erreichen bei Niederschlägen den plastischen Bereich wesentlich früher als Tonböden. Sie sind deshalb sehr empfindlich und im zeitlichen Ablauf rasch gefährdet. Nach einem Starkregen können sie wegen ihres grossen Anteils an Feinund Mittelporen kaum vor drei Tagen bis zu zwei Wochen später schonend befahren werden. Reine Sandböden verformen sich bei Nässe nur wenig, und die Entwässerung der mehrheitlich groben Poren erfolgt innerhalb von drei Tagen, so dass sie nach Niederschlägen rasch wieder befahrbar sind. Bereits geringe Schluffanteile können jedoch eine drastische Erhöhung der Empfindlichkeit von solchen Böden bewirken. Das Bodengefüge bildet sich unter dem Einfluss von Bodenlebewesen sowie durch chemische und physikalische Prozesse. Je nach Form und Anordnung der festen Bodenbestandteile unterscheidet sich der Zusammenhalt der Bodenpartikel und damit die Reaktion auf eine Belastung des Bodens u.a. durch Forstfahrzeuge. Je nach Gefügeform besitzt ein Boden ein unterschiedlich grosses und verzweigtes Hohlraumsystem. Dieses ergibt eine für natürlich gewachsene Böden typische zum Teil lockere Lagerung. Besonders ausgeprägt ist dies beim Krümelgefüge in biologisch aktiven Oberböden, das gegenüber Befahrung oft empfindlich reagiert, umgekehrt aber auch regenerationsfähig ist. Durch das Gefüge werden wichtige Eigenschaften wie der Wasser-, Luftund Nährstoffhaushalt sowie die Wasserdurchlässigkeit beeinflusst. Vernässungsmerkmale und Vernässungsgrad Zu den Vernässungsmerkmalen gehören Mangankonkretionen, Fahl-RotFärbungen (Marmorierungen), Rostflecken in wechselfeuchten Bereichen und Reduktionsfarben (Abb. 6), entstanden in Horizonten mit ständiger Wassersättigung. Um eine nachvollziehbare und einheitliche Beurteilung der Vernässung zu gewährleisten, wird die in Abbildung 4 gezeigte Übersicht der Merkmale verwendet. Im Schema wird unterschieden zwischen Böden, die 13 vom Grundwasser beeinflusst sind (Gleye) und solchen, die vom Stauwasser geprägt werden (Pseudogleye). Je nach Lage der Obergrenze von Reduktionshorizonten Gr oder Oxidationshorizonten Go wird zwischen «schwach grundnassen bis sumpfigen» Gleyen unterschieden. Von Stauwasser beeinflusste Böden werden nach der Lage der Obergrenze des stauwasserführenden Sw- oder wasserstauenden SdHorizontes beurteilt. Die Vernässung wird als stark bezeichnet, wenn Vernässungsmerkmale im gesamten Wurzelraum vorhanden sind und als schwach, wenn nur vereinzelt oder schwach ausgeprägte Vernässungsmerkmale auftreten. Die Tragfähigkeit des Bodens nimmt mit zunehmendem Vernässungsgrad ab (Abb. 4). Humusgehalt Der Humusgehalt bezeichnet den Gehalt an organischer Substanz in einem Boden. Er kann in weiten Grenzen schwanken und variiert je nach biologischer Bodenaktivität, Bodenaufbau, Bodenfeuchtigkeit, Pflanzendecke, Klima und Waldnutzung. Als Faustregel gilt: je dunkler die Farbe der Matrix, desto höher der Gehalt an organischer Substanz. Das mechanische Verhalten von Humus ist mit demjenigen von Ton vergleichbar. Je höher der Humusgehalt, desto plastischer wird sich der Boden bei entsprechend höheren Wassergehalten unter mechanischer Belastung verhalten. Je höher der Humusgehalt des Bodens ist (jedoch unterhalb der Grenze zu anmoorigen Bedingungen), Mangankonkretionen Die kleinen dunkelvioletten bis schwarzen Flecken kennzeichnen die schwächste Stufe der Vernässung. Marmorierungen/Fahl-Rot-Färbungen Marmorierungen/Fahl-Rot-Färbungen entstehen bei einem kleinräumigen Wechsel von gebleichten und rostfarbigen Zonen, bedingt durch örtliche Verdichtungen. Rostflecken Diffuse Rostflecken sind Hinweise von mittelfristigen Durchlüftungsproblemen. Reduktionsfarben Die blaugrauen Reduktionsfarben entstehen dort, wo ein Bereich des Bodens ständig wassergesättigte Poren aufweist. Abb. 6. Die Vernässungsmerkmale zeigen die Durchlüftungssituation im Boden. Die Ursache der gehemmten Wasserdurchlässigkeit kann befahrungsbedingt sein, kann aber auch im Unterboden unter natürlichen Bedingungen vorkommen. 14 Forum für Wissen 2013 Die hier aufgeführten Quellen enthalten verschiedene, vertiefte Grundlagen und Ausführungen zum Thema: – BAFU Umwelt-Wissen 2014: Physikalischer Bodenschutz im Wald. (in Vorbereitung, Lüscher et al. 2014) In diesem Handbuch wird von den gesetzlichen Vorgaben und den bodenkundlichen Grundlagen ausgegangen. Im Weiteren werden ökologische und ökonomische Aspekte erläutert bis zu Hinweisen und Anleitungen zur praktischen Umsetzung des Bodenschutzes. – Merkblatt für die Praxis Nr. 45, 2010: Das Merkblatt «Physikalischer Bodenschutz im Wald» fasst in leicht verständlicher Weise die wichtigsten Hinweise zusammen, mit denen sich die Bodenfruchtbarkeit langfristig erhalten lässt (Lüscher et al. 2009b). – Waldböden der Schweiz, 2004 ff: Bände 1–3 In drei Bänden werden 95 ausgewählte Böden morphologisch, physikalisch und chemisch charakerisiert. Die Daten werden bodengenetisch und -ökologisch interpretiert. Allfällige ökologische Risiken u.a. Hinweise zur Verdichtungsgefährdung werden aufgezeigt. Durch Analogieschlüsse zu den dokumentierten Böden lassen sich Eigenschaften an beliebigen Waldstandorten abschätzen. Im Grundlagenteil des ersten Bandes werden die morphologischen Bodenmerkmale z.B. Vernässung, Gefüge, Körnung, etc. eingehend erläutert (Walthert et al. 2004; Blaser et al. 2005; Zimmermann et al. 2006). – Physikalische Eigenschaften von Böden der Schweiz (Lokalformen), 1978ff Sammlung von 23 Profilen (Lokalformen) mit bodenphysikalischen Daten u.a. Desorptionskurven (Zusammenhang zwischen der Sauspannung und dem Wassergehalt bei einem Austrocknungsvorgang), z.T. mit Sauspannungsmessungen (im Gelände erhoben) (Richard und Lüscher 1983). – Waldböden – Ein Bildatlas der wichtigsten Bodentypen aus Österreich, Deutschland und der Schweiz (2013): Davon 15 Böden aus der Schweiz. Auf vier Seiten werden pro Standort die wichtigsten Informationen zusammengestellt u.a. mit einer einfachen Risikoabschätzung (3 Stufen) bezüglich Trockenstress, Luftmangel, Nährstoffmangel, Verdichtung und Erosion (Leitgeb et al. 2013). – Standorte der Langfristigen Waldökosystemforschung (LWF) der WSL (2003): http://e-collection.ethbib.ethz.ch/cgi-bin/show. pl?type=bericht&nr=276 ausgewählte LWF-Flächen mit Wassergehaltsmessungen (vgl. Kap. 4.4; Walthert 2003) desto geringer wird das Verdichtungsrisiko durch das Befahren. Ähnlich wie Tone, zeigen stark humose Böden erst bei sehr hohen Wassergehalten viskoplastisches Verhalten. 4.4 Bodenfeuchte zum Zeitpunkt des Befahrens Der Boden besteht aus festen Bestandteilen (Matrix) und Hohlräumen. Diese bilden ein zusammenhängendes Porensystem für den Gas- und Wasserhaushalt im Boden. Bei Wassersät- tigung (z. B. nach starken Niederschlägen, zum Zeitpunkt der Schneeschmelze oder in der Vegetationsruhe beim Ausbleiben der Transpiration) sind oft alle Poren mit Wasser gefüllt. Bedingt durch die Schwerkraft entleeren sich grosse Poren aber sehr schnell. In den mittleren und feinen Poren hingegen verbleibt das Bodenwasser aufgrund der hier wirkenden Kapillarkräfte. Der Anteil wassergesättigten Porenraums eines bestimmten Bodenvolumens ist ein Mass für die Bodenfeuchte, die stark von der jeweils aktuellen Witterung abhängt. Daneben bestimmen hauptsächlich die vorgängig erwähn- ten Bodeneigenschaften die Geschwindigkeit, mit der sich Änderungen der Bodenfeuchte einstellen. Die Bodenfeuchte kann grundsätzlich auf zwei verschiedene Arten erfasst werden, entweder misst man den Wassergehalt oder die Saugspannung. Während der Wassergehaltden Wasseranteil im Porenraum eines bestimmten Bodenvolumens darstellt (ausgedrückt in Volumenprozenten, %V), beschreibt die Saugspannung diejenige Kraft (physikalisch ausgedrückt ein Unterdruck), die benötigt wird, um dem Boden Wasser entziehen zu können. Die Saugspannung stabilisiert die festen Bodenteilchen mit zunehmendem Unterdruck immer stärker und hat damit einen direkten Einfluss auf die mechanische Belastbarkeit des Bodens. Bei hoher Saugspannung ist die Tragfähigkeit des Bodens viel grösser und die Gefahr von Bodenschäden durch Verdichtung klein. Hingegen ist bei feuchtem oder gar nassem Boden und der damit verbundenen geringen Saugspannung die Verdichtungsgefährdung viel grösser. Die Saugspannung wird mit einem sogenannten Tensiometer ermittelt. Die Masseinheiten für die Saugspannung sind cmWS (cm Wassersäule), hPa (Hektopascal) oder – diese Druckeinheit wird heute am häufigsten verwendet – cbar(Centibar). Die Saugspannung als Mass für die aktuelle Bodenfeuchte ermöglicht eine Bewertung der Tragfähigkeit und damit der Verdichtungsempfindlichkeit des Bodens. Folgende Saugspannungsbereiche sollen für Akteuren, die mit Böden in Land- und Forstwirtschaft sowie im Bauwesen arbeiten, eine Orientierungshilfe sein und standardmässig in Entscheidungsprozesse miteinbezogen werden. > 25 cbar trocken 10–25 cbarfeucht 6–10 cbar sehr feucht kein Befahren 0–6 cbar nass kein Befahren (und keine Boden bearbeitung) Das Befahren eines Bodens ist ab einer Saugspannung von 10 cbar grundsätzlich möglich. Beim Einhalten dieser Belastungsgrenze kann mit eher leichten Maschinen und optimaler Berei- Forum für Wissen 2013 fung eine bodenschonende Befahrung sichergestellt werden. Für schwere Maschinen sind höhere Saugspannungen einzuhalten. Die Bodenfeuchte wird in der Regel in 35 cm Tiefe bestimmt, d.h. an der theoretischen Grenze des Unterbodens. Im Wald kann es zweckmässig sein, sich auf eine zusätzliche Messung im Bereich des Oberbodens abzustützen, vor allem wenn der Oberboden nicht bis 35 cm Tiefe reicht. Als Alternative zur Saugspannungsmessung kann der Wassergehalt einfach mit einem TDR-Gerät (Time Domain Reflectometry) bestimmt werden. Die Interpretation des Wassergehaltes hinsichtlich Befahrungsempfindlichkeit ist beispielsweise mit dem Informationssystem ProFor (Ziesak 2004) der Technischen Universität München möglich. Dabei wird mittels Kennziffern der Forstmaschine inklusive Reifen und spezifischer Bodendaten (vgl. Kap. 4.3) ein Grenzwassergehalt ermittelt, der ein bodenschonendes Befahren erlaubt. Messnetze Die Bodenfeuchte wird in der Schweiz in einzelnen Kantonen auf Messnetzen erhoben. Die Kantone Zürich, Bern, Solothurn, Aargau, Baselland, Luzern und Uri haben solche automatischen Messstationen in Betrieb. Die Messdaten (im Moment die Saugspannung für Ober- und Unterboden auf landwirtschaftlich genutzten Böden, vereinzelte Stationen auch im Wald) können direkt im Internet abgerufen werden. Diese Informationen dienen als wichtige Hinweise zu witterungsbedingten, auch saisonalen Tendenzen. Sie sind wesentliche Entscheidungshilfen für einen bodenschonenden Arbeitseinsatz. 5Folgerungen Die Beeinträchtigungen des Waldbodens durch mechanische Belastung lassen sich mittels dreier klar definierter Spurtypen beurteilen und bewerten. Aufgrund der Zusammenhänge zwischen Spurbild und Bodenfunktionalität wurde es möglich, den Spurtyp 3 zu definieren, dessen Auftreten ein eindeutiges Signal für einen ökologischen Schaden im Boden ist und nach ent- 15 Abb. 7. Fahrspur mit Vernässungsmerkmalen. Mangankonkretionen, Rostflecken und Reduktionsfarben (graublau) sind ein Hinweis auf die eingeschränkte Durchlüftung. Durch das Befahren wurde der Porenraum verkleinert und die Porenkontinuität unterbrochen. sprechenden Massnahmen ruft. Damit ist für die praktische Arbeit im Wald ein einfacher Indikator gegeben, an dem sich die Praktiker orientieren können: Beim Auftreten vom Spurtyp 3 sind die Holzerntearbeiten aus bodenökologischer Sicht zu unterlassen. Damit steht für den Vollzug des physikalischen Bodenschutzes ein Instrument zur Verfügung, womit die Umsetzung und die Kommunikation über die zu treffenden Massnahmen gefördert und objektiviert wird. Dazu sind aber Kenntnisse der bodenkundlichen Grundlagen nötig. Erst damit lässt sich eine nachhaltige Bodennutzung direkt im Gelände umsetzen. Beim Fehlen der auf Basis von detaillierten Bodenkarten erstellten Verdichtungempfindlichkeitskarten (vgl. von Rohr et al. in diesem Tagungsband) kann auch mit Bodenkennwerten die Verdichtungsempfindlichkeit vorsorglich abschätzt und diese als Planungsgrundlage u.a. für die Feinerschliessung verwendet werden (vgl. Freuler in diesem Tagungsband). In den vergangenen Jahren führten viele Kantone und die WSL umfassende Aus- und Weiterbildungen zur Planung und Ausführung von Holzernte- massnahmen durch. Diese verbesserten bei mehr als 1800 Forstleuten und Unternehmern die bodenkundlichen Grundkenntnisse. Diese Massnahmen stärken, nebst einer Wissensvermehrung, bei vielen Praktikern auch das Bewusstsein für das Vorsorgeprinzip in der forstlichen Tätigkeit, was der präventiven Grundhaltung in der Schweizerischen Umweltgesetzgebung entspricht. Es ist festzuhalten, dass sich Bodenschädigungen durch konsequente Planung und durch Nutzung der Feinerschliessung unter Berücksichtigung des Standortes minimieren lassen. Wenn zum Zeitpunkt des Befahrens von Waldböden die aktuelle Bodenfeuchte als Entscheidungsgrundlage berücksichtigt wird, kann eine Vielzahl von Beeinträchtigungen verhindert werden. Die Aufgaben der verschiedenen Verantwortungsträger für den physikalischen Bodenschutz werden im WSL Merkblatt für die Praxis Nr. 45 zum Thema «Physikalischer Bodenschutz im Wald» (Lüscher et al. 2009b) eingehend beleuchtet. Mit dem aufgezeigten Weg kann eine nachhaltige Bodennutzung nach dem DPSIR-Prinzip gewährleistet werden. 16 6Literatur BAFU (Hrsg.) 2013: Waldpolitik 2020. Visionen, Ziele und Massnahmen für eine nachhaltige Bewirtschaftung des Schweizerwaldes. Bern, Bundesamt für Umwelt. 66 S. Blaser, P.; Zimmermann, S.; Luster, J.; Walthert, L.; Lüscher, P., 2005: Waldböden der Schweiz. Band 2. Regionen Alpen und Alpensüdseite. Birmensdorf, Eidgenössische Forschungsanstalt WSL, Bern, Hep Verlag. 920 S. EEA, European Environment Agency, 1999: Environment in the European Union at the turn of the Century. Copenhagen, Denmark, EEA. Frehner, M.; Wasser, B; Schwitter, R., 2005: Nachhaltigkeit und Erfolgskontrolle im Schutzwald. Vollzug Umwelt, Bern, Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft. 564 S. Freuler, A., 2013: Umsetzung des Bodenschutzes im Aargauer Wald. Forum für Wissen 2013. Bodenschutz im Wald: Ziele – Konflikte – Umsetzung. 99–102. Leitgeb, E.; Reiter, R.; Englisch, M.; Lüscher, P.; Schad, P.; Feger, K.H., (Hrsg.) 2013: Waldböden – Ein Bildatlas der wichtigsten Bodentypen aus Österreich, Deutschland und der Schweiz. WILEY-VCH Verlag. 387 S. Forum für Wissen 2013 Lüscher, P.; Sciacca, S.; Thees, O., 2008a: Bestrebungen zur Verbesserung des Bodenschutzes in der Schweiz. LWF aktuell 67/2008 Jg. 15. 19–21. Lüscher, P.; Sciacca, S. und Frutig, F., 2008b: Bodenschutz-Ausbildung in der Schweiz. LWF aktuell 67/2008 Jg. 15. S. 33–34. Lüscher, P.; Borer, F.; Blaser, P., 2009a: Langfristige Beeinträchtigung der Fruchtbarkeit von Waldböden. In: Thees, O.; Lemm, R. (Hrsg): Management zukunftsorientierter Waldnutzung. Beiträge aus einem Forschungsprogramm für die Schweizer Waldwirtschaft. Zürich, Vdf-Verlag. 261–270. Lüscher, P.; Frutig, F.; Sciacca, S.; Spjevak, S.; Thees, O., 2009b: Physikalischer Bodenschutz im Wald: Bodenschutz beim Einsatz von Forstmaschinen. Physikalischer Bodenschutz im Wald. Bodenschutz beim Einsatz von Forstmaschinen. Merkbl. Prax. 45: 12 S. Lüscher, P.; Thees, O.; Frutig, F., 2014: Physikalischer Bodenschutz im Wald. Umwelt-Wissen Nr. Bern, Bundesamt für Umwelt (in Vorbereitung). Richard, F.; Lüscher, P., 1983: Physikalische Eignschaften von Böden der Schweiz. Sonderserie EAFV. USG, 1983: Bundesgesetz über den Umweltschutz vom 7. Okt. 1983, AS 1984 1122, SR 814.01. Bern, EDMZ. Abstract Understanding the soil is essential for its protection and sustainable use: Some thoughts on mechanical stress of forest soils Future policies for sustainable soil use require fundamental reflection to take into account ecological findings, economic activity, technical advances and social demands on forests and forestry. The Swiss Confederation’s Forest Policy 2020 specifies conditions for soil protection corresponding to the targets and indicators developed as part of the ‘Physical protection of forest soils’ project, aimed at protecting soil from irreversible changes. These measures for implementation and enforcement in the cantons are binding and are intended to avoid or minimise long-term soil damage. In this context, basic pedological knowledge is vital to ensure forest soils are used sustainably, and communication with all stakeholders about protection issues is consistent. Keywords: physical soil protection, soil compaction, soil quality, soil properties, soil fertility VBBo, 1998: Verordnung vom 1. Juli 1998 über Belastungen des Bodens. SR 814.12. Bern, EDMZ. von Rohr, G.; Margreth, S.; Hauert, C., 2013: Bodeninformationen für die Waldwirtschaft im Kanton Solothurn. Forum für Wissen 2013. Bodenschutz im Wald: Ziele – Konflikte – Umsetzung. 103–106. Wathert, L.; Blaser, P.; Lüscher, P.; Luster, J.; Zimmermann, S., 2003: Langfristige Waldökosystemforschung LWF in der Schweiz. Ergebnisse der ersten Erhebung 1994–1999. Birmensdorf, Eidg. Forschungsanstalt WSL. http://ecollection.ethbib.ethz.ch/cgi-bin/show. pl?type=bericht&nr=276 Walthert, L.; Zimmermann, S.; Blaser, P.; Luster, J.; Lüscher, P., 2004: Waldböden der Schweiz. Band 1. Grundlagen und Region Jura. Birmensdorf, Eidg. Forschungsanstalt WSL, Bern, Hep Verlag. 768 S. Ziesak, M., 2004: Entwicklung eines Informationssystems zum bodenschonenden Fortstmaschineneinsatz. Lehrstuhl für forstliche Arbeitswissenschaft und Angewandte Informatik. München. TU München. 130 S. Zimmermann, S.; Blaser, P.; Wathert, L.; Lüscher, P., 2006: Waldböden der Schweiz. Band 3. Region Mittelland und Voralpen. Birmensdorf, Eidgenössische Forschungsanstalt WSL. Bern, Hep Verlag. Forum für Wissen 2013: 17–20 17 Bodenschutz in Europa Winfried E.H. Blum Universität für Bodenkultur Wien, Institut für Bodenforschung, Department für Wald und Bodenwissenschaften, Gregor Mendel Strasse 33, A-1180 Wien, [email protected] In diesem Beitrag wird die Entwicklung des Bodenschutzes in Europa von der «Europäischen Bodencharta» des Europarats / Strassburg, 1972, bis zur Mitteilung der Europäischen Kommission «Zur Implementierung der Thematischen Bodenschutzstrategie», 2012, beschrieben. Weiter wirdgezeigt, dass erst die Befassung der Politik mit der Ressource Boden, ähnlich wie zuvor mit Luft und Wasser, nennenswerte Fortschritte im Bodenschutz erbracht hat. Daneben haben auch Wissenschaft und Forschung wesentliche Beiträge geleistet. Die bisher erreichten Ergebnisse wie Information der Öffentlichkeit und Erhöhung des öffentlichen Interesses, Integration des Bodenschutzes in weitere Politikbereiche wie z. B. Land- und Forstwirtschaft, Verkehr und Industrie, weitere zusätzliche Forschung sowie neue Gesetzgebung zum Bodenschutz wie z. B. die Europäische Bodenschutz- Rahmenrichtlinie, sind beachtlich und haben inzwischen auch andere Staaten wie z. B. die USA angeregt, sich stärker dem Bodenschutz zu widmen. 1Einleitung Bodenschutz in Europa wurde bereits 1972 vom Europarat in Strassburg mittels der «European Soil Charta» proklamiert, die im Jahre 2003 erneuert wurde. Diese Bodencharta ist älter als die 1982 von der FAO in Rom proklamierte «World Soil Charta». Beide Proklamationen hatten im Wesentlichen deklamatorischen Charakter und waren für operationale Umsetzungen nicht geeignet. Sie haben daher bezüglich Bodenschutz auch keine wesentliche Wirkung gezeitigt, obwohl vom Europarat in Strassburg mehrere Verlautbarungen publiziert wurden wie zum Beispiel «Problems of Soil Conservation», 1988, «Feasibility Study on Possible National and/or European Actions in the Field of Soil Protection», 1990, und «European Soil Resources», 1995. Erst im Jahre 2002 wurden dann von Seiten der Europäischen Kommission in Brüssel neue Schritte für den Bodenschutz in Europa unternommen. 2 Europäische Union und Bodenschutz in Europa Im Jahre 2002 traten auf Einladung von Spanien fünfzehn Umweltminister Europas zusammen, um ein Dokument für den Bodenschutz in Europa zu ratifizieren, mit dem Titel «Hin zu einer spezifischen Bodenschutzstrategie». Es wurde als Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Wirtschafts- und Sozialausschuss und an den Ausschuss der Regionen weitergeleitet; (KOM [2002]179 endgültig, vom 16.04.2002). Dies war eine bedeutsame politische Aktion, wodurch erstmalig in der Geschichte Europas nach den Medien Luft und Wasser der Boden als wesentliches Element der Umwelt betrachtet wurde und entsprechende Massnahmen eingeleitet wurden. Neben einer Begriffsbestimmung des Bodens sowie der Definition der fünf wichtigsten Bodenfunktionen wurden acht wesentliche Gefahren für den Boden in der Europäischen Union und in weiteren Ländern aufgezeigt. Der Boden wurde als oberste Schicht der Erdrinde definiert, die sich aus mineralischen Teilchen, organischer Sub stanz, Wasser, Luft und lebenden Organismen zusammensetzt, und als Schnittstelle zwischen Erde (Geosphäre), Luft (Atmosphäre) und Wasser (Hydrosphäre) wesentliche Aufgaben erfüllt. Darüber hinaus wurden fünf wesentliche Bodenfunktionen benannt: – die Erzeugung von Lebensmitteln und Biomasse, – die Speicherung, Filterung und Umwandlung, – der Boden als Lebensraum und Genpool, – der Boden als physische und kulturelle Umwelt des Menschen und – der Boden als Rohstoffquelle. Diese Gliederung basierte im Wesentlichen auf bisherigen Publikationen von Blum (vgl. z. B. Blum 1995) sowie der Publikation des Europarats 1995. Bedeutend war hierbei die Betonung der Multifunktionalität von Böden, da für Mensch und Umwelt alle Funktionen wesentlich sind. Von besonderer Bedeutung war die Benennung der acht Bodengefährdungen: – die Erosion (ausgelöst durch natürliche und anthropogene Einflüsse), – der Verlust der organischen Bodensubstanz (als ein wesentliches Problem der langfristigen Bodenfruchtbarkeit sowie des Bodens als Grundlage der Biodiversität), – die Bodenkontamination (durch lokale und diffuse Bodenkontamina tionen, letztere z. B. hervorgerufen durch atmosphärische Deposition, durch unsachgemässe landwirtschaftliche Praktiken und Abfallbeseitigung), – die Bodenversiegelung (durch Infrastrukturentwicklung wie z. B. die Errichtung von Gebäuden, Transporteinrichtungen), – die Bodenverdichtung (durch mechanische Bodenbelastung), – der Rückgang der biologischen Vielfalt im Boden, – die Versalzung, sowie – Überschwemmungen und Erdrutsche. 3 Bodenschutz im Wald Im Hinblick auf das Tagungsthema «Bodenschutz im Wald» sind vor allem Bodenverdichtung, Erosion, teilweise 18 auch Kontamination sowie der Rückgang der biologischen Vielfalt und möglicherweise Erdrutsche zu nennen. Es erscheint interessant hier anzumerken, dass die Bodenversauerung, die im Wald eine bedeutende Rolle spielt, nicht in der Liste der Bodengefährdungen Berücksichtigung fand, mit dem Argument, dass Versauerung prinzipiell ein natürlicher Prozess ist, der nicht ausschliesslich anthropogen verursacht wird. Weil Bodengefährdungen vor allem durch unsachgemässe landwirtschaftliche Nutzung verursacht werden, ist es erklärlich, dass diese eine besondere Berücksichtigung fanden. Dass Bodenschutz auch im Wald eine wichtige Rolle spielt, wurde wohl aus agrarpolitischen Gründen in der Europäischen Bodenschutzstrategie nicht eigens berücksichtigt. Dies ist auch deshalb bedauerlich, weil Waldböden als naturnahe und wenig gestörte Ökosysteme als Vergleichsbasis für belastete und gestörte landwirtschaftliche Böden von Bedeutung sind. 4 Europäische Kommission und Umsetzung der Boden schutzstrategie im natio nalen und internationalen Umfeld 2002 wurden von der Europäischen Kommission fünf technische Arbeitsgruppen zu Bodenmonitoring, Erosion, organische Bodensubstanz, Kontamination und Forschung mit der Aufgabe eingesetzt, bisherige Kenntnisse auf den jeweiligen Sachgebieten zu evaluieren und Wissenslücken aufzuzeigen, die im weiteren durch Forschung und Entwicklung behoben werden sollten (vgl. Abb. 1). So hatte zum Beispiel die Arbeitsgruppe «Forschung» 65 Mitglieder aus ganz Europa und verfasste mehrere Publikationen wie zum Beispiel Blum et al. 2004a und 2004b. Insgesamt wurden von allen fünf Arbeitsgruppen während der Jahre 2002 bis 2004 mehrere umfangreiche Publikationen verfasst (vgl. Abb. 2). Nach Beratung der Ergebnisse aus den verschiedenen Arbeitsgruppen im wissenschaftlichen und parlamentarischen Umfeld sowie in der Administ- Forum für Wissen 2013 Abb. 1. Organisation der Europäischen Kommission in fünf technische Arbeitsgruppen. ration der Kommission in den Jahren 2004 bis 2006 wurde von der Kommission im September 2006 die «Thema tische Strategie für Bodenschutz» veröffentlicht, die drei Mitteilungen umfasste: 1. Die Mitteilung selbst [(KOM 2006) 2031] über die thematische Strategie für Bodenschutz, 2. Die Direktive [(KOM 2006) 232] für die Entwicklung einer Rahmenrichtlinie für Bodenschutz und die Umsetzung der Direktive 2004/35/ EC, sowie 3. Eine ökonomische Bewertung der bisherigen Bodenschutzprobleme (SEC [2006] 620) als Ergänzung der thematischen Bodenschutzstrategie. Bezüglich der Bodengefährdungen in Europa wurde mitgeteilt, dass etwa 15 Millionen ha oder 12 Prozent der gesamten Landfläche durch Wassererosion und 42 Millionen ha durch Winderosion gefährdet sind; dass etwa 45 Prozent der europäischen Böden einen zu niedrigen Gehalt an organischer Substanz besitzen, vor allem Böden in Südeuropa, aber ebenfalls in Frankreich, im Vereinigten Königreich und in Deutschland, dass in der Europäischen Union etwa 3,5 Millionen potenziell kontaminierte Flächen vorhanden sind, und dass zwischen 1990 und 2000 mindestens 2,8 Prozent der europäischen Landfläche durch Vergrösserung der urbanen Zentren, durch Strassenbau sowie weitere Infrastrukturmassnahmen versiegelt wurden. Für die operationelle Durchführung der thematischen Strategie zum Bodenschutz wurde eine Rahmenrichtlinie für alle 27 Länder der Europäischen Union vorgeschlagen, die allerdings bisher nicht implementiert werden konnte, weil sich fünf europäische Länder dagegen ausgesprochen haben. Es wurden jedoch folgende drei Massnahmen in Gang gesetzt: 1. Integration des Bodenschutzes in die Formulierung und Implementierung europäischer, nationaler und kommunaler Politik, 2. Neue Forschungsmassnamen innerhalb der europäischen Gemeinschaft und auch innerhalb nationaler Forschungsprogramme und 3. Einleitung eines Programms zur Erhöhung der öffentlichen Wahrnehmung von Böden und vor allem der Notwendigkeit, diese zu schützen. Für die Forschung wurden neue Forschungsthemen definiert und mehr finanzielle Mittel bereitgestellt. Bezüglich der Erhöhung der öffentlichen Aufmerksamkeit wurden zahlreiche Initiativen unternommen wie zum Beispiel die Veröffentlichung des Bodenatlasses von Europa, die Einfüh- Forum für Wissen 2013 rung von europäischen Sommer-Lehrveranstaltungen einschliesslich Fortbildungsmassnahmen an Universitäten und weiteren Bildungseinrichtungen und die Einrichtung von Preisen für vorbildliche nachhaltige Bodenbewirtschaftung wie zum Beispiel der «Europäische Umwelt- und Bodenschutz Preis» für Praktiker. Da nachhaltige Bodenbewirtschaftung kein primär wissenschaftliches sodern im Wesentlichen ein politisches Thema darstellt, wurden zusätzlich das Indikator-Rahmenprogramm DPSIR («Driving Forces, Pressure, State, Impact, and Response») von der Europäischen Umweltagentur entwickelt (Abb. 3). Dieses Rahmenprogramme wurde in der kommissionellen Arbeitsgruppe «For schung» für eine operationale Umsetzung in der Umweltforschung und im Umweltschutz» weiter entwickelt, speziell als Grundlage für die zukünftige angewandte Forschung auf dem Gebiet des Bodenschutzes und der nachhaltigen Bodenbewirtschaftung. Zur weiteren Umsetzung der Bodenschutzstrategie wurde 2012 ein Dokument mit dem Titel «Implementierung der Thematischen Bodenstrategie und weitere Massnahmen» veröffentlicht. 19 Darin wurden vier Aktivitäten hervorgehoben: – Information und Erhöhung des Bodenbewusstseins der Bevölkerung, – Intensivierung der Forschung, – Integration des Bodenschutzes in wichtige Politikbereiche wie zum Beispiel Landwirtschaft, Verkehr und Industrie, – Schaffung einer bodenspezifischen Gesetzgebung, wie dies durch die Bodenschutz-Rahmenrichtlinie bereits eingeleitet wurde. Derzeit werden durch die Europäische Kommission zahlreiche Forschungsarbeiten zur Verbesserung des Bodenschutzes und der nachhaltigen Bodennutzung finanziert. einer auch für die Allgemeinheit verständlichen Art und Weise formuliert und die acht wesentlichen Bodengefährdungen, vor allem unter agrarischer Nutzung deutlich gemacht, allerdings ohne solche auch für Waldböden entsprechend zu berücksichtigen. Auf dieser Basis wurden mit Hilfe von Wissenschaft und Forschung konkrete Schritte zum Bodenschutz aufgezeigt und auf politischer Ebene die Einbringung von Bodenagenden in die Umweltpolitik ermöglicht. Die europäische Bodenstrategie war immerhin so erfolgreich, dass im Jahre 2011 der Senat der Vereinigten Staaten von Amerika ebenfalls eine Verlautbarung zum Bodenschutz erliess. 6Literatur 5Zusammenfassung Während die Bodencharta des Europarats keinen Bodenschutz bewirken konnte, waren die nachfolgenden Bemühungen der europäischen Politik ab 2002 durchaus erfolgreich. So wurden die Bodenfunktionen in Abb. 2. Produkte der fünf Arbeitesgruppen. Die aktuelle Webpage für die Produkte ist http://ec.europa.eu/environment/soil/publications_en.htm. Die Dokumente können hier herunter geladen werden: ec.europa.eu/environment/soil/pdf/vol1.pdf; ec.europa.eu/environment/soil/pdf/vol2.pdf; ec.europa.eu/environment/soil/pdf/vol3.pdf; ec.europa.eu/environment/soil/pdf/vol4.pdf; ec.europa.eu/environment/soil/pdf/vol5.pdf; ec.europa.eu/environment/soil/pdf/vol6.pdf Blum, W.E.H. 1995: Soil protection concept of the council of Europe. In: Zehnder, A. J.B. (ed.): Soil and groundwater pollution. Dordrecht: Kluver Academic Publisher. pp. 72–73. Blum, W.E.H., Barcelo, D., Büsing, J., Ertel, Th., Tmeson, A., Vegter, J. 2004a: Scientific Basis for the Management of European Soil Resources. Guthmann-Peterson, Wien. Blum, W.E.H., Büsing, J., Montanarella, L. 2004b: Research Needs in Support of the European Thematic Strategy for Soil Protection. Trends in Analytical Chemistry, 23: 680–685. Council of Europe 1972: European Soil Charter. Strasbourg, (renewed 2003). Council of Europe 1988: Problems of Soil Conservation. Strasbourg, Nat. environ. 39. Council of Europe 1990: Feasibility Study on possible national and/or European actions in the field of soil protection. Strasbourg. Council of Europe 1995: European Soil Resources. Strasbourg, Nat. environ. 71. Europäische Kommission 2002: Hin zu einer spezifischen Bodenschutzstrategie. Brüssel. KOM (2002) 179 endgültig. Europäische Kommission 2006: Mitteilung über die Thematische Strategie für Bodenschutz. Brüssel. KOM (2006) 231. Europäische Kommission 2006: Direktive für ein Rahmengesetz zum Bodenschutz und zur Verbesserung der Direktive. Brüssel. 2004/35/EC. Europäische Kommission 2012: Implementierung der Thematischen Bodenstrategie und weitere Aktivitäten. Brüssel. KOM (2012) 46 endgültig. FAO (Food and Agriculture Organisation of the United Nations) 1982: World Soil Charter. Rome. 20 Forum für Wissen 2013 The DPSIR Indicator Framework Applied to Soil Human population change Land development Tourism Driving Agricultural production Transport Industry/Energy generation Mining Natural events Climate change Water stress PRIMARY PROTECTION International Conventions Development of a national/ regional soil protection policies SECONDARY PROTECTION Reform of agricultural programmes Specific regulations or directives Responses Forces Impact Emission to air, water and land/soil De-forestation Forest fires Nutrient mining Salinisation Compaction Urban expansion (soil sealing) Pressures State DEGRADED SOIL Local and diffuse contaminated soil Acid soil Saline soil Nutrient depleted soil Physically degraded soil Biologically degraded soil INDIRECT (Effects on other environmental compartments) Changes in population size and distribution, Loss of biodiversity, Climate change, Water stress DIRECT (Changes in soil functions) SOIL LOSS Sealed soil Eroded Soil Large scale land movements Abb. 3. Das Indikator-Rahmenprogramm DPSIR («Driving Forces, Pressure, State, Impact, and Response») der Europäischen Umweltagentur. Abstract Soil protection in Europe The publication of the European Soil Thematic Strategy in 2002, a document signed by 15 European Ministers of Environment, put the protection of soil on the same level as that of air and water on the environmental agenda in Europe . This document defines soil as an important part of the environment. It describes the five main soil functions and the eight main threats to soil in Europe and other parts of the world. The European soil scientific community cooperated closely with the European Commission and its administrative organisations in drawing up recommendations. After four years of intensive discussion, three different documents were published by the European Commission and transmitted to the European Parliament, the Council, the European Economic and Social Committee and the Committee of the Regions. with four main goals: – To inform the public in Europe about the importance of soil and its protection; – To put soil on other political agendas such as national and European policies for agriculture, industry, transport, and regional development; – To intensify strategic research on soil protection and sustainable land use; and – To introduce new legislation for soil protection and sustainable land use in Europe. These goals were reinforced in the European Commission’s statement in 2012 that stressed their importance for soil protection. Keywords: soil protection, sustainable land use, strategic soil research, soil legislation, raising public awareness, putting soil on a range of political agendas. Forum für Wissen 2013: 21–22 21 Protection du sol dans les forêts Suisse Jean-Pierre Clément Département fédéral de l’environnement, des transports, de l’énergie et de la communication, Office fédéral de l’environnement, OFEV, CH-3003 Bern, [email protected] En tant que représentant de la section sol de l’Office fédèral de l’environnement (OFEV), je vais tenter d’établir un petit tour d’horizon de l’état de la protection contre les atteintes physiques des sols forestiers, et ceci uniquement du point de vue des protecteurs administratifs des sols. Il ne sera pas discuté en détail des problèmes soulevés, ni traité des aspects scientifiques de la problématique. Trois thèmes me paraissent important a évoquer en relation avec la protection des sols forestiers: le premier concerne l’économie forestière et ses acteurs, il sera développé par mon collègue S. Schmid, les deux thèmes suivants concernent des utilisations sans relations directes à la sylviculture, il s’agit des activités de loisir et de détente, et des constructions en forêt. Et je souhaite saisir l’occasion de ce Workshop pour les aborder. Mais tout d’abord quelques mots sur l’économie forestière. 1 Economie forestière et protection des sols L’exposé de mon collègue Silvio Schmid de la Section Prestations forestières et qualité des forêts de l’OFEV permettra d’affirmer que les milieux forestiers sont, entre autres, pleinement conscients de la nécessité de protéger les sols forestiers contre les atteintes physiques résultant de l’exploitation sylvicole. Il démontrera également l’étroite collaboration entre l’administration, la recherche, la formation et l’industrie forestière, ainsi qu’avec les milieux de la protection qualitative des sols. En résumé, les forestiers soignent et exploitent les forêts, tout en prévenant, dans la mesu- re du faisable et du supportable, les atteintes portées aux sols. Donc tout va bien dans le meilleur des mondes forestiers? Je pense que la prise en considération des activités non forestières, mais utilisant l’espace forestier devrait apporter un léger correctif à cette vision idyllique, les visiteurs des forêts ne sont pas toujours aussi respectueux des sols forestiers que les utilisateurs permanents. 2 Loisirs et détente et protection des sols Les milieux actifs dans la protection des sols constatent que les activités de loisirs et de détente (festival, fêtes régionales ou cantonales, Events, Tractorpulling, etc) hors des zones urbanisées prennent de plus en plus de place et d’importance économique dans les terres agricoles. Les atteintes physiques portées aux sols par ces activités «de plein air / auf der grünen Wiese» sont souvent méconnues et les mesures de prévention peu ou pas appliquées, souvent en raison de procédures d’autorisation très décentralisées et du laisser aller / ignorance des organisateurs. Les déchets enfouis, les déstructurations des sols par lissage et piétinement, les compactions par des véhicules sont des atteintes qui se manifestent des années après l’occupation temporaire de ces sols agricoles (http://www. fr.ch/sol/files/pdf1/manifestations_ aide_memoire.pdf)Les activités de loisirs et de détente dans les forêts, (vélo tout terrain (VTT), marche et course, etc.) posent elles un problème à la pro- tection qualitative des sols, en particulier contre les atteintes physiques? Ce problème a-t-il une ampleur suffisante pour impliquer une réaction au niveau fédéral? Je ne suis pas en mesure de répondre à ces questions, mais je pense que nous devons les avoir à l’esprit. 3 Chantiers en forêt La protection qualitative des sols sur les chantiers a pris son essor avec le boom de la croissance des années 60’ et 70’, particulièrement en raison d’un effet induit. Il s’agit du développement exponentiel des extractions de graviers dans les terres agricoles et sous les forêts du Plateau suisse. Le bétonnage de surfaces importantes de sol, a nécessité l’ouverture de nombreuses gravières dans des terres Vaud, cours de formation protection du sol pour entreprise forestière (Photo Cjp) 22 agricoles productives (p. ex. Canton d’Argovie (AG) 1 mio m3 par an en 1955, 4 mio m3 par an en 1975) et leur remise en état après remplissage avec des «matériaux d’excavation» (1971 «Keine Kiesausbeutung in Grundwasservorkommen mehr»). Le Document SSP/BGS N° 1 exploitation du gravier et agriculture – Kiesabbau und Landwirtschaft, paru en 1984 a établi la première norme en la matière pour les sols agricoles. Un document identique «Wald und Kiesabbau Richtlinien für die Aufforstung von Kiesgruben» existe pour les sols forestiers, il est paru en 1991. La question des chantiers dans les terres agricoles, surtout pour les infrastructures routières et ferroviaires, ainsi que pour les conduites de gaz sous haute pression, a fait l’objet d’une forte réglementation et normalisation au cours des années 90’. Dans le cadre d’une réévaluation de tout cet appareillage technique, 8 Workshops ont été organisé sur mandat de notre section par M. E. Bellini du Sanu, entre l’au- Forum für Wissen 2013 tomne 2012 et le printemps 2013. Ils visaient a établir l’état de la technique sur les chantiers et a décrire les spécificités des sols pour les divers types de chantiers. Sur la base d’une pré enquête sur les besoins, un WS a été dédié à la thématique des sols forestiers et des chantiers et un autre WS a traité de l’état de la technique pour les chantiers en forêt. Des Spécialistes de la protection des sols sur les chantiers ayant une longue expérience des chantiers en forêt, des chercheurs et des responsables de services cantonaux de la protection des sols ont contribués a ces WS. Quelques remarques issues de ces WS: – Les chantiers en forêt sont plus nombreux que perçus et leur nombre augmente. – Les systèmes et techniques pour les chantiers en sols forestiers ne sont pas normés, ni systématiquement développés. – Les matériaux terreux issus de sols forestiers sont un problème pour soi et il existe peu de références scientifiques à leur sujet. L’entreposage de plus d’un an, l’enherbement, la réutilisation des matériaux terreux issus des sols forestiers varie d’un expert à l’autre. – La remise en place des sols forestiers et les objectifs de remise en «culture», y compris les phases intermédiaires, ne sont pas encore bien maîtrisés. Le guide pratique qui devrait paraître en 2014 dans la série OFEV Connaissance de l’environnement attirera l’attention sur la problématique et devra encourager tous les milieux forestiers concernés a contribuer à l’établissement de documents techniques pour les chantiers sur sols forestiers dans le cadre des activités du groupe fédéral mise en œuvre de l’OSol contre les atteintes physiques (VBPhy) qui réunit les cantons et les institutions concernées par la problématique. Forum für Wissen 2013: 23–28 23 Bodenschutz im Wald – Beitrag der Waldpolitik 2020 des Bundes Sabine Augustin und Silvio Schmid Bundesamt für Umwelt, CH-3003 Bern, [email protected], [email protected] Der Boden ist Lebens- und Produktionsgrundlage. Ohne Vegetation gäbe es keinen Boden, ohne Boden keine Vegetation. Alle Ökosystemleistungen aus dem Wald sind direkt oder indirekt abhängig von funktionsfähigen Böden. Deshalb hat der Gesetzgeber auch den Schutz der Waldböden in der Bodenschutz- und Waldgesetzgebung festgehalten. In der Waldpolitik 2020 konkretisiert der Bund, wie er in den nächsten Jahren die Waldböden vor chemischen und physikalischen Schäden bewahren will. Der Artikel zeigt die in der Waldpolitik 2020 formulierten Ziele auf und erläutert die entsprechenden vorgesehenen Massnahmen. 1Einleitung Intakte Ökosysteme sind gekennzeichnet durch eine hohe Anpassungsfähigkeit an wechselnde Umweltbedingungen und Widerstandsfähigkeit gegenüber biotischem und abiotischem Stress. Die Stoffkreisläufe sind in einem standortgerechten Fliessgleichgewicht, die Nahrungsketten sind vollständig und Nährstoffe werden der Vegetation bedarfsgerecht bereitgestellt. Diese die Nachhaltigkeit gewährleistenden Eigenschaften und die Ökosystemleistungen des Waldes werden wesentlich durch die Funktionsfähigkeit der Böden vermittelt. Böden sind damit eine der wichtigsten Grundlagen des Lebens. 2 Bodenschutz im Recht Die Bundesverfassung beauftragt den Bund, dafür zu sorgen, dass der Mensch und die natürliche Umwelt vor schädlichen und lästigen Einwirkungen geschützt werden. Die Kosten entsprechender Massnahmen sind durch die Verursacher zu tragen (Verursacherprinzip). Für den Vollzug sind grundsätzlich die Kantone zuständig (Art. 74 BV; Art. 36 USG; Art. 13 Abs. 1 VBBo). Gleichzeitig sorgt der Bund dafür, dass der Wald seine Funktionen erfüllen kann und er legt Grundsätze für den Schutz des Waldes fest (Art. 77 BV). Die Bodenschutzgesetzgebung in der Schweiz zielt auf die langfristige Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit (Art. 1 Abs. 1 USG, Art. 1 VBBo). Dabei gilt die oberste, unversiegelte Erdschicht, in der Pflanzen wachsen können, als Boden. Dies gilt für alle Böden, und damit ist auch der Waldboden durch das Bodenschutzrecht geschützt (Iten 2009). Das Waldgesetz erwähnt im Artikel 20, Absatz 1, den Bodenschutz nur indirekt: «Der Wald ist so zu bewirtschaften, dass er seine Funktionen dauernd und uneingeschränkt erfüllen kann (Nachhaltigkeit)». Damit der Wald seine Funktionen und Ökosystemleistungen langfristig und nachhaltig erbringen kann, ist der Schutz des Bodens und seiner Fruchtbarkeit unabdingbar. Das Konzept der Ökosystemleistungen hat aufgrund der von den Vereinten Nationen um die Jahrtausendwende lancierten Milleniumziele an Bedeutung gewonnen. Es unterscheidet unterstützende, bereitstellende, regulierende und kulturelle Leistungen (Reid et al. 2005; Bergen et al. 2013). Die Waldverordnung beauftragt in Artikel 28 Buchstabe d die Kantone, Massnahmen zur Verminderung physikalischer Bodenschäden zu ergreifen, um Waldschäden zu verhüten. Daraus folgt: Wenn der Wald bewirtschaftet wird, sind chemische oder physikalische Belastungen, die das natürliche Potenzial der Erneuerung und des Wachstums einschränken, nicht erlaubt (Art. 6 VBBo). Im Sinne des Verur- sacherprinzips ist der Bewirtschafter dafür verantwortlich, dass keine irreversiblen Schäden entstehen. In Artikel 1, Absatz 2, des Umweltschutzgesetzes wird das Vorsorgeprinzip verankert: «Im Sinne der Vorsorge sind Einwirkungen, die schädlich oder lästig werden könnten, frühzeitig zu begrenzen.» Aus dem Vorsorgeprinzip lässt sich ableiten, dass sowohl der Staat als auch der Waldbewirtschafter den Waldboden grundsätzlich vor Beeinträchtigungen bewahren sollen (Art. 74 BV; Art. 1, Abs. 1 USG). 3 Waldpolitik 2020 – Strategie des Bundes In der Waldpolitik 2020 stellt der Bundesrat seine waldpolitischen Absichten bis 2020 vor. Eines der elf Ziele ist der Schutz der Waldböden: «Waldböden, Trinkwasser und Vitalität der Bäume sind durch Stoffeinträge, unsachgemässe Bewirtschaftung und entsprechende physikalische Einwirkungen nicht gefährdet (Ziel 7; BAFU 2013).» Um dieses Ziel zu erreichen, sieht der Bund die drei folgenden Stossrichtungen vor: – Sektorübergreifende Ansätze (u.a. zur Eindämmung der Einträge von Stickstoff und Schwermetallen) – Befahren des Waldbodens –Nähstoffhaushalt In den folgenden Kapiteln werden diese Stossrichtungen, insbesondere der Handlungsbedarf und die vorgesehenen Massnahmen, genauer dargestellt. 3.1 Sektorübergreifende Ansätze Viele in die Umwelt eingebrachte Stoffe wirken in allen Umweltmedien (Wasser, Boden, Luft), sie werden 24 200 150 Relative Einheiten vielfältig umgewandelt, gespeichert oder an benachbarte Systeme (Gewässer) weitergeleitet. Gleichzeitig ist die Bodenschutzpolitik sehr stark mit anderen Politiken vernetzt. Wichtige Wechselwirkungen bestehen etwa zur Luftreinhalte-, zur Landwirtschafts-, zur Verkehrs- und Raumplanungspolitik (Knoepfel et al. 2010). Deshalb lassen sich die Schadstoffeinträge nur mit sektorübergreifenden Ansätzen eindämmen. Forum für Wissen 2013 100 50 0 Stickstoff Dies trifft in besonderem Masse auf Stickstoff zu, der – einmal in reaktiver Form in die Umwelt eingebracht – kaskadenartig durch alle Medien transportiert wird (Galloway et al. 2003). Die unmittelbaren Quellen für den Stickstoff in der Atmosphäre sind landwirtschaftliche und industrielle Tätigkeit sowie der Verkehr. Wälder kämmen ihn mit ihrer rauhen und grossen Oberfläche aus der Luft aus, so dass der Eintrag in Wälder oft ein Vielfaches dessen beträgt, was auf benachbarten unbestockten Flächen deponiert wird. Der Stickstoff wirkt langfristig auf allen ökosystemaren Ebenen. In ehemals stickstofflimitierten Wäldern führt der zunächst düngende Effekt zu gesteigertem Wachstum der Bäume und zur Förderung stickstoffliebender Vegetation. Langfristig reichert sich Stickstoff im Wald an. Bei zu hohen Einträgen, das heisst solchen, die nicht mehr von der Vegetation aufgenommen oder gespeichert werden können, versauern die Waldböden und verlieren wichtige Nährstoffe (Ca, Mg, K). Langfristig verringert dies das Nährstoffangebot für Pflanzen und führt zu Nährstoffungleichgewichten in der Ernährung. Abbildung 1 zeigt schematisch die Modellvorstellungen zum Verlauf der Stickstoffanreicherung in Wäldern. Diverse Ergebnisse des Umweltmonitorings im Wald belegen viele dieser Entwicklungen für Waldstandorte auch in der Schweiz (Baumernährung, Wachstum, N-Austrag: Flückiger et al. 2011). In den letzten Jahren zeigt sich als Trend, dass die Phosphorkonzentrationen abnehmen und diese zum limitierenden Faktor in der Waldernährung werden (Mellert et al. 2004; Braun et al. 2010). Besonders die Buche, die 0 1 Stadium N-Mineralisation NPP Nitrifikation N-Austrag 2 3 C/N-Verhältnis Abb. 1. Vorstellungen zum Verlauf der Stickstoff-Sättigung in Waldökosystemen, adaptiert nach Aber et al. 1989; Aber et al. 1998; Emmett 2007. Stadium 0 = N-Kreislauf unter stickstofflimitierenden Bedingungen; Stadium 1 = anfängliche Effekte chronischer N-Deposition; Stadium 2 = Stickstoff-Sättigung; Stadium 3 = «Stickstoff-Übersättigung» (N-Austräge hoch). Die «relativen Einheiten» zeigen nur die jeweiligen Zu- und Abnahmen. N-Mineralisation = Abbau des Stickstoff aus organischer Substanz, z. B. Blättern und Nadeln auf dem Waldboden; NPP = Nettoprimärproduktion = Wachstum; C/N-Verhältnis = Verhältnis von Kohlenstoff zu Stickstoff im Oberboden; Nitrifikation = Bildung von Nitrat (NO3–) aus Ammonium (NH4+); N-Austrag = Stickstoffauswaschung aus dem Wurzelraum mit dem Sickerwasser, vorwiegend als Nitrat. einen hohen P-Bedarf hat, scheint nicht mehr genug Phosphor aufnehmen zu können. Als Ursachen der verringerten Phosphorverfügbarkeit werden erhöhte Stickstoffeinträge und Bodenversauerung diskutiert, doch sind die Mechanismen noch weiter zu klären. Massnahmen Die Verminderung der Stickstoffeinträge ist daher ein wichtiges Anliegen des Waldsektors. Die Waldinteressen werden aktiv in andere Sektoralpolitiken, zum Beispiel die Luftreinhaltung, eingebracht. Die wichtigsten Elemente sind hierbei: – Die Ermittlung von Ausmass und räumlicher Ausdehnung der potenziellen Gefährdung des Waldes durch Stickstoffeinträge – Bestimmung quantitativer UrsacheWirkungs-Beziehungen (Grundlage: Monitoring) – Die Bewertung der Ergebnisse (Auswertung des Integrierenden Monitorings) Die internationale und nationale Luftreinhaltung ist wirkungsbasiert, d.h. die Emissions-Reduktionsziele orientieren sich unter anderem an den kritischen Belastungsraten für Wälder. Somit leistet das Langfrist-Umweltmonitoring in Wäldern wichtige Beiträge an die Luftreinhaltepolitik. Schwermetalle Böden sind potenziell effektive «Filter» für Schwermetalle. Dabei werden Schwermetalle, im rein chemischen Sinne, nicht gefiltert, sondern deren Verbindungen werden umgewandelt und in Böden gespeichert. Für die Beurteilung der Belastung von Böden mit Schwermetallen und ihres langfristigen Gefährdungspotenzials ist daher die Kenntnis der (Wald-)Bodeneigenschaften und der Mobilitätsbedingungen der Schwermetalle unerlässlich. Durch die Holzernte und die Versauerung können sich die chemischen Bedingungen für die Speicherung der deponierten Schwermetalle ändern. Die Mineralisation organischer Substanz (durch Erwärmung, zu grosse Auflichtung von Wäldern durch Stürme oder Holzschläge) führt insbesondere bei Blei, Kupfer und Quecksilber Forum für Wissen 2013 zu Mobilisierung, während Cadmium, Nickel, Kobalt und Zink eher durch zunehmende Versauerung (Deposition, Nährstoffentzüge) verfügbar werden. Mobilisierung bedeutet, dass die betreffenden Elemente mit dem Sickerwasser transportiert werden können, aber auch, dass sie pflanzenverfügbar werden. Während über die meisten mengenmässig bedeutenden Schwermetalle ausreichende Kenntnisse vorliegen, ist über das Verhalten und die Wirkungen des Quecksilbers (Hg) weniger bekannt. Quecksilber gehört neben Blei und Cadmium zu den hoch-toxischen Schwermetallen. Untersuchungen zeigten, dass insbesondere das methylierte Hg als Gift wirkt. Diese Verbindung wird im Boden durch Regenwürmer synthetisiert und kann Auswirkungen auf die Zusammensetzung der Pilzund Bakteriengemeinschaften haben (Rieder und Frey 2013). Massnahmen Der Bund fördert Forschungsprojekte, um diese Zusammenhänge besser zu verstehen und nach Möglichkeit quantifizieren zu können. Die Resultate dieser Abklärungen sind ein wichtiger Beitrag für die Weiterentwicklung kritischer Grenzwerte für die Hg-Belastung von Böden und deren Festlegung in der Verordnung über Belastungen des Bodens, VBBo. 25 werden, um davon auch die notwendigen Schutzmassnahmen abzuleiten (Lüscher 2010; Lüscher et al. 2009a; Lüscher et al. 2009b). Massnahmen Die wichtigsten Vorkehrungen zur Vermeidung von Bodenverdichtung sind: – Die systematisch angelegte Feinerschliessung: Für die bewirtschaftete Waldfläche wird ein Feinerschliessungskonzept erarbeitet. Nasse Stellen sind zu umfahren. Damit auch bei späteren Holzschlägen auf den selben Gassen gefahren wird, ist die Feinerschliessung im Gelände und auf Plänen möglichst genau festzuhalten (Kaufmann et al. 2010; Lüscher et al. 2009a). – Technische Massnahmen bei den Maschinen: Durch technische Massnahmen, zum Beispiel die Wahl einer gut geeigneten Maschine mit entsprechender Bereifung sowie die Verringerung des Reifenfülldrucks lässt sich die Gefahr von Bodenverdichtungen verringern (Lüscher et al. 2009a). – Sensiblisierung und Ausbildung der Waldbewirtschafter: In der Aus- und Weiterbildung der Forstfachleute Abb. 2. Fahrspur im Wald, Spurtyp 3. Das Befahren mit Forstmaschinen bewirkt Verdichtungen und Verformungen im Boden. 3.2 Befahren des Waldbodens Werden Waldböden von Forstmaschinen befahren, verändern sich auf den meisten Böden deren Eigenschaften, insbesondere verringern sich das Volumen und die Vernetzung der Porenräume. Dadurch wird der Transport von Luft und Wasser, zweier für das Planzenwachstum unabdingbaren Elemente, eingeschränkt. Im Grundsatz gilt es – im Sinne des Vorsorgeprinzips – jegliche Bodenschädigung zu verhindern (Lüscher 2010). Die WSL hat hierfür eine wertvolle Hilfestellung für die Praxis entwickelt: Mit diesen soll die Forstpraxis befähigt werden, die Folgen der Bodenverdichtung zu erkennen, zu bewerten und möglichst zu verhindern. So kann etwa mit einer einfachen Bodenansprache der Spurtyp bestimmt Abb. 3. Sensibilisierung und Ausbildung: Peter Lüscher und Fritz Frutig von der WSL sensibilisieren und erklären bei jedem Wetter. 26 Forum für Wissen 2013 munikationsmassnahmen im Bereich des physikalischen Bodenschutzes (Stossrichtung 7.2 «Befahren des Waldbodens»; BAFU 2013). werden das «Wieso» und das «Wie» einer bodenschonden Waldbewirtschaftung vermittelt (Kaufmann et al. 2010). Hier setzt die Waldpolitik 2020 an. Der Bund prüft, wie die Anforderungen und Auflagen für die bodenschonende Bewirtschaftung bei den Subventionen des Bundes (Neuer Finanzausgleich NFA) berücksichtigt werden können. Gleichzeitig entwickelt der Bund Kom- 500 Bei nachhaltiger Bewirtschaftung halten sich Holzzuwachs und Holzentnahme durch die Ernte und Freisetzung von Nährstoffen aus der Verwitterung Buchen (N=13) 450 % von Stamm ohne Rinde 3.3 Nährstoffhaushalt von Wäldern Fichten (N=33) Stamm mit Rinde 400 Stamm mit Ästen 350 Vollbaumernte 300 250 200 150 100 50 0 Biomasse N P K Ca Mg Biomasse N P K Ca Mg Abb. 4. Erhöhung des Nährstoffentzugs bei der Entfernung von Ästen oder der ganzen Krone, im Vergleich zur Ernte von «Stamm ohne Rinde». Datengrundlage: Literaturstudie von Jacobsen et al. (2003) sowie Duvigneaud et al. (1971), Krauss und Heinsdorf (2008), Krapfenbauer und Buchleitner (1981). Bund (Umwelt inkl. Wald) 7.1 Sektorübergreifende Ansätze Landw. und Verkehr arbeiten zusammen: berücksichtigen Emissionsreduktionen in Sektoralpolitiken knüpft Auflagen und Bedingungen zugunsten Bodenschutz an NFA-Subventionen Kantone entwickeln Kommunikationsmassnahmen 7.3 Nährstoffhaushalt Landwirte, Industrie und Verkehrsteilnehmer setzen weniger Stickstoff und Schwermetalle frei Wald unterstützt internationale Bestrebungen zur Luftreinhaltung 7.2 Befahren des Waldbodens der Minerale die Waage, das heisst die Stoffbilanz ist ausgeglichen. Neben den nach wie vor zu hohen Stickstoffeinträgen beeinflusst heute vielerorts eine intensivierte Holzernte für energetische Zwecke den Nährstoffhaushalt von Wäldern. Bei der Vollbaumernte werden neben dem Stamm- und Derbholz auch kleinere Äste und Reisig sowie Blätter/Nadeln aus dem Wald entfernt. Doch gerade diese Kompartimente enthalten viele Nährstoffe, die dem Wald verloren gehen. So kann die zusätzliche Nutzung von Baumkronen, Rinden und Reisig den Nährstoffentzug im Vergleich zur Stammholznutzung um ein Vielfaches erhöhen (Abb. 4). Ob dies im Einzelfall eine Gefährdung darstellt, hängt sehr vom Zustand des Bodens, der Verwitterung und der Baumart ab. Nährstoffentzüge über die natürliche Nachlieferung aus der Verwitterung übersteigen führen zu negativen Nährstoffbilanzen und damit zu einer Verarmung der Standorte. Die wachsenden Ansprüche an den Wald sollten daher räumlich gesteuert werden, das heisst eine intensivere Nutzung sollte nur dort stattfinden, wo es der Nährstoffhaushalt und die Belastungen durch die Deposition zulassen. Hierfür stellt der Bund entsprechende Grundlagen bereit und macht vorhandene Informationen nutzbar. klären Ausmass der durch Stickstoff und Versauerung gefährdeten Standorte ab Internationale Gemeinschaft senkt Immissionsgrenzwerte Waldbewirtschafter Die Fruchtbarkeit des Waldbodens und seine Funktionsfähigkeit sind gewährleistet. Der Wald erbringt die Waldleistungen und trägt so zur Wohlfahrt bei. befahren den Waldboden schonend auf permanenten Gassen ? erarbeiten Konzept zur Verbesserung des Nährstoffhaushaltes Abb. 5. Vereinfachte Übersicht über das in der Waldpolitik 2020 vorgesehene Massnahmenbündel des Bundes betreffend Bodenschutz im Wald und dessen geplanten Wirkungen und Effekte. Bei der Stossrichtung «Nährstoffhaushalt» werden derzeit genauere Abklärungen vorgenommen. Erst nach Vorliegen dieser Resultate können Handlungsbedarf und Massnahmen bestimmt werden. Forum für Wissen 2013 Massnahmen Für die Abklärung des Ausmasses der gefährdeten Waldstandorte sind folgende Massnahmen vorgesehen (Stossrichtung 7.3 «Nährstoffhaushalt»; BAFU 2013): – Ermittlung des Bodenzustands der Wälder, um Risiken hinsichtlich Mangelernährung, Nährstoffungleichgewichten und Nährstoffverlusten aus dem Boden besser einschätzen zu können. Diese Arbeiten laufen derzeit in einem Projekt des BAFU. – Bestimmung der Überschreitungen der Critical Loads: Überschreitungen weisen das langfristige Gefährdungspotenzial aus. Diese Arbeiten werden vom BAFU gefördert. – Kartenmässige Verschneidung von Gefährdungspotenzialen, das heisst Critical Loads, Karten der Stoffein träge, Standorte geringer Basen sättigung im Wurzelraum, Verwitterungsraten und Trockenstress. Diese Arbeiten werden teils schon durchgeführt, teils sind sie in Planung. – Formulierung von Empfehlungen für die Holzernte. 4 Schlussfolgerungen und Perspektiven Die Waldpolitik 2020, inklusive der Massnahmen zum Bodenschutz, wird in den nächsten Jahren weiter umgesetzt. Der Schutz der Böden ist eine gemeinsame Aufgabe des Bundes, der Kantone und der Waldeigentümer. Dabei stützt sich der Bund auf die bestehenden Monitoringsysteme und arbeitet interdisziplinär mit weiteren Bundesstellen zusammen. Wichtige Partner sind auch die Forschungs- und Bildungsinstitute. Um die Risiken und zukünftigen Gefahren, gerade auch in Anbetracht des Klimawandels, besser abschätzen und voraussehen zu können, sind noch weitere Forschungsarbeiten, aber auch die Fortführung des Monitorings, notwendig. Ein wichtiger handlungsleitender Grundsatz ist das Vorsorgeprinzip. Die UNCED (1992) umschreibt das Vorsorgeprinzip wie folgt: «Angesichts der Gefahr irreversibler Umweltschäden soll ein Mangel an vollständiger wissenschaftlicher Gewissheit nicht als Entschuldigung 27 dafür dienen, Massnahmen hinauszuzögern, die in sich selbst gerechtfertigt sind. Bei Massnahmen, die sich auf komplexe Systeme beziehen, die noch nicht voll verstanden worden sind und bei denen die Folgewirkungen von Störungen noch nicht vorausgesagt werden können, könnte der Vorsorgeansatz als Ausgangsbasis dienen.» Wir werden wohl nie alle Details des komplexen Systems Boden mit all seinen Wechselwirkungen mit der Biomasse, der Atmosphäre und dem Klima kennen und vorhersagen können. Erforderlich für detailliertere und flächenscharfe Empfehlungen sind Angaben zum chemischen und physikalischen Bodenzustand. Diese bereitzustellen ist gemäss Waldpolitik 2020 Aufgabe des Bundes. In entsprechende Projekten wird daran gearbeitet. Doch ist das nun schon vorhandene Wissen hinreichend um bereits jetzt zu handeln. 5Literatur Aber, J.D.; Nadelhoffer, K.J.; Steudler, P.; Melillo, J.M., 1989: Nitrogen saturation in northern forest ecosystems. BioScience 39: 378–386. Aber, J.D.; McDowell, W.; Nadelhoffer, K.J.; Magill, A.; Berntson, G.; Kamakea, M.; McNulty, S.; Currie, W.; Rustad, L.; Fernandez, I., 1998. Nitrogen saturation in northern forest ecosystems – Hypotheses revisted. BioScience 48: 921–934. Bergen V.; Löwenstein W.; Olschewski, R., 2013: Forstökonomie – volkswirtschaftliche Ansätze für eine vernünftige Umwelt- und Landnutzung. München, Vahlen. 2. Auflage, 477 S. Braun, S.; Thomas, V. F. D.; Quiring, R.; Flückiger, W., 2010: Does nitrogen deposition increase forest production? The role of phosphorus. Environ. Pollut. 158: 2043–2052. Braun, S.; Kurz D., 2012: Nährstoffbilanzen bei Vollbaumnutzung. Zür. Wald 44: 20–22. Bundesamt für Umwelt BAFU (Hrsg.) 2013: Waldpolitik 2020 – Visionen, Ziele und Massnahmen für eine nachhaltige Bewirtschaftung des Schweizer Waldes. Bern, Bundesamt für Umwelt. 66 S. Duvigneau, P.; Denaeryer, S.; Ambroes, P.; Timperman, J., 1971: Recherches sur l‘écosystème forêt. Mémoires de l’institute Royal des Sciences Naturelle de Belgique 164: 1–101. Emmett, B., 2007: Nitrogen saturation of terrestrial ecosystems: some recent findings and their applications for our conceptual framework. Water Air Soil Pollut. Focus 7: 99–109. Flückiger, W.; Braun, S.; Mainiero, R.; Schütz, K.; Thomas, V., 2011: Auswirkung erhöhter Stickstoffbelastung auf die Stabilität des Waldes. Synthesebericht im Auftrag des BAFU. Galloway, J.N.; Aber, J.D.; Erisman, J.W.; Seitzinger, S.P.; Howarth, R.W.; Cowling, E.B.; Cosby, B.J., 2003: The Nitrogen cascade. BioScience 53: 341–356. Iten B., 2009: Gesetzliche Grundlagen für den physikalischen Bodenschutz bei der Holzernte, in: Thees Oliver, Lemm Renato (Herausgeber), Management zukunftsfähige Waldnutzung. Zürich, vdf Hochschulverlag an der ETH Zürich, S. 247– 259. Jacobsen, C.; Rademacher, P.; Meesenburg, H.; Meiwes, K. J., 2003: Gehalte chemischer Elemente in Baumkompartimenten. Literaturstudie und Datensammlung. Univ. Göttingen, Ber. Forsch.zent. Waldökosyst. B 69: 1–81. Kaufmann G.; Staedeli M.; Wasser, B., 2010: Grundanforderungen an den naturnahen Waldbau. Projektbericht, Bundesamt für Umwelt, 86 S. Knoepfel, P.; Nahrath, S.; Savary, J.; Varone, F., 2010: Analyse des politiques suisses de l’environnement, Zurich/Coire, Verlag Rüegger, 2ème édition, 592 p. Krapfenbauer, A.; Buchleitner, E., 1981: Holzernte, Biomassen- und Nährstoffaustrag, Nährstoffbilanz eines Fichtenbestandes. Cent.bl. gesamte Forstwes. 98: 193–223. Krauss, H. H.; Heinsdorf, D., 2008: Herleitung von Trockenmassen und Nährstoffspeicherungen in Buchenbeständen. Eberswalde, Landesforstanstalt Eberswalde, 72 S. Lüscher, P., 2010: Bodenveränderungen und Typisierung von Fahrspuren nach physikalischer Belastung. Schweiz. Z. Forstwes. 504–509. Lüscher, P.; Frutig F., Sciacca, S.; Spjevak, S.; Thees, O., 2009a: Physikalischer Bodenschutz im Wald – Bodenschutz beim Einsatz von Forstmaschinen. Birmensdorf, Eidg. Forschungsanstalt WSL. Merkbl. Prax. 45: 12 S. Lüscher P.; Borer, F.; Blaser, P., 2009b: Langfristige Beeinträchtigung der Frucht barkeit des Waldbodens durch mecha- 28 nische Belastung. In: Thees, O.; Lemm, R. (Hrsg.) Management zukunftsfähige Waldnutzung. Zürich, vdf Hochschulverlag an der ETH Zürich, S. 261–270. Mellert, K. H.; Prietzel, J.; Straussberger, R.; Rehfuess, K. E., 2004: Long-term nutritional trends of conifer stands in Europe: results from the RECOGNITION project. Eur. J. For. Res. 123: 305–319. Reid, W. V.; Mooney, H. A.; Cropper, A.; Capistrano, D.; Carpenter, S. R.; Chopra K.; Dasgupta, P. et al., 2005: Millennium Ecosystem Assessment. Ecosystems and Human Well-Being, Synthesis, Island Press, Washington DC, 137 p. http://www. millenniumassessment.org/documents/ document.356.aspx.pdf Rieder, S.R.; Frey, B., 2013: Methyl-mercury affects microbial activity and biomass, bacterial community structure but rarely the fungal community structure. Soil Biol. Biochem., in press. Forum für Wissen 2013 UNCED, 1992: UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung, Rio de Janeiro. Rio -Erklärung über Umwelt und Entwicklung, Grundsatz 15. Agenda 21, Artikel 35. Gesetzliche Grundlagen: Bundesverfassung BV, vom 18. April 1999 (SR 101) Umweltschutzgesetz USG vom 7. Oktober 1983 (SR 814.01) Waldgesetz WaG vom 4. Oktober 1991 (SR 921.0) Waldverordnung WaV vom 30. November 1992 (SR 921.01) Verordnung über Belastungen des Bodens VBBo vom 1. Juli 1998 (SR 814.12) Abstract Soil protection in forests – the contribution of the Swiss Confederation According to the Federal Constitution of the Swiss Confederation, the Swiss government must protect people and the environment against harmful and disagreeable influences. The Swiss legislation on Soil Protection specifies that soil fertility, including that of forest soils, should be protected in the long term. The Forest Act states that forest owners manage their forests sustainably to ensure the forest can perform its functions in the long term. The Forest Policy 2020, adopted by the Swiss Federal Council in 2012, defines a total of eleven policy objectives. These also concern the forest soil (including drinking water and tree vitality). Objective 7 “Forest soil, drinking water and the vitality of the trees shall not be endangered” formulates 3 strategic directions: intersectoral approaches, driving on forest soil, and nutrient balance. To pursue these objectives the Forest Division of FOEN cooperates with other sectors (intersectoral approaches), supports research and finances information campaigns in the form of information sheets. The Forest Division of FOEN also provides basic information, e.g. soil maps, or produces it if it is lacking, e.g. by preparing maps. Keywords: soil protection, forest soil, Forest Policy 2020, Switzerland Forum für Wissen 2013: 29–30 29 Umsetzung des Bodenschutzes im Aargauer Wald Alain Morier Departement Bau, Verkehr und Umwelt, Abteilung Wald, Entfelderstrasse 22, CH-5001 Aarau [email protected] Im Projekt «Bodenschutz im Wald» wurden zwischen 2008 und 2011 die Grundlagen für die Umsetzung von Bodenschutz-Massnahmen im Aargauer Wald geschaffen. Für den Kanton Aargau liegt eine flächendeckende Verdichtungsrisikokarte vor. Der Staatsforstbetrieb Habsburg sammelte Erfahrungen mit der Planung, Dokumentation und Markierung einer gesamtbetrieblichen Feinerschliessung. Das gesamte Forstpersonal besuchte Weiterbildungskurse zum Thema Bodenschutz. Zusammen mit dem Aargauischen Försterverband, den Forstunternehmern Schweiz, Region Aargau und dem Aargauischen Waldwirtschaftsverband entstanden fachliche Standards in Form von Empfehlungen. Seit 2012 berät und unterstützt ein Spezialist der Abteilung Wald die Förster bei der Umsetzung des Bodenschutzes in ihren Forstbetrieben. 1Ausgangslage Das Thema Bodenschutz im Wald ist im Kanton Aargau nicht neu. Schon das Aargauische Forstgesetz von 1860 verlangte, dass die Abfuhrwege zweckmässig angelegt und entbehrliche Wege bepflanzt werden sollten. Mit dem Sturm Lothar 1999 hat die vollmechanisierte Holzernte im Aargauer Wald zugenommen und das Thema Bodenschutz ist wieder vermehrt ins Bewusstsein gerückt. Die Aargauer Waldpolitik (Kanton Aargau, Departement Bau, Verkehr und Umwelt, Abteilung Wald 2007) will das Holz nachhaltig nutzen und den naturnahen Waldbau umsetzen. Der Boden soll bei der Holzernte geschont werden. Deshalb wurde 2008 das Projekt «Bodenschutz im Wald» gestartet. 2Grundlagen Für den Kanton Aargau liegt seit 2009 eine flächendeckende Verdichtungsrisikokarte als Grundlage für die Planung der Feinerschliessung und der Holzschläge vor. Sie wurde durch die Abteilung Wald mit Beratung der WSL erstellt und zeigt, wo die Böden empfindlich auf Befahrung reagieren können. Die Verdichtungsrisikokarte stellt das grundsätzliche Verdichtungsrisiko dar und nicht die aktuelle Befahrbarkeit des Bodens. Diese ergibt sich immer aus einer Kombination von aktueller Bodenfeuchte, Verdichtungsrisiko und eingesetzter Maschine. Knapp ein Drittel der Aargauer Waldfläche gilt als empfindlich (hohes oder sehr hohes Verdichtungsrisiko) oder ist nicht befahrbar. Im Rahmen des Bodenschutzprojekts wurde im Staatswald Habsburg die Feinerschliessung auf 95 Hektaren geplant, dokumentiert und im Gelände markiert. Es liegen praktische Erfahrungen zum Einsatz von GPS-Geräten und GIS, sowie zum Aufwand und zum Nutzen einer Feinerschliessungskarte vor. Massnahmen für den Bodenschutz können die Holzernte verteuern. Die Berechnung der Mehrkosten ist mit grossen Unsicherheiten behaftet. Von speziellem Interesse ist der Einfluss des Rückegassenabstands auf die Holzerntekosten. Diese Frage wurde mit Modellrechnungen, Vergleichen der Holzerntekosten gemäss BAR und Nachkalkulation von Holzschlägen unter sucht (Kanton Aargau, Departement Bau, Verkehr und Umwelt, Abteilung Wald 2012). 3Ausbildung Für die Umsetzung des Bodenschutzes im forstlichen Alltag ist das Verhalten des Forstpersonals ausschlaggebend. Zwischen September 2010 und Juni 2011 wurden an total 6 Kurstagen jeweils rund 60 bis 70 Forstingenieure, Förster, Maschinisten, Forstwarte und Lehrlinge weitergebildet. Insgesamt besuchten rund 400 Personen die Kurse, davon rund 30 Mitarbeiter von Forstunternehmungen. An den Posten «Boden und Spurtypen», «Maschinentechnik und organisatorische Massnahmen», «Feinerschliessung» und «Kosten-Nutzen des Bodenschutzes, Verantwortlichkeiten» wurde das Thema Bodenschutz im Wald umfassend vorgestellt (Kanton Aargau, Departement Bau, Verkehr und Umwelt, Abteilung Wald 2012). 30 Forum für Wissen 2013 4Standard 6Fazit 7Literatur Die Empfehlungen für den Bodenschutz im Wald bilden das Kernstück für die praktische Umsetzung. Angestrebt wurde ein gemeinsamer, von den Betroffenen akzeptierter, fachlich guter Standard, der praktisch umsetzbar ist. Die Empfehlungen wurden vom Aargauischen Försterverband, von Forstunternehmer Schweiz, Region Aargau, vom Aargauischen Waldwirtschaftsverband und von der Abteilung Wald gemeinsam erarbeitet und verabschiedet. Die Themen Feinerschliessung, bauliche Massnahmen für den Bodenschutz, Grundsätze der Maschinentechnik, sowie Verantwortlichkeiten und organisatorische Möglichkeiten werden praxisnah dargestellt (Kanton Aargau, Departement Bau, Verkehr und Umwelt, Abteilung Wald; Aargauischer Försterverband; Forstunternehmer Schweiz, Region Aargau; Aargauischer Waldwirtschaftsverband 2011). Die Umsetzung von BodenschutzMassnahmen ist eine Daueraufgabe. Sie gelingt nur, wenn die betroffenen Akteure partnerschaftlich zusammenarbeiten. Gemeinsam vereinbarte Standards spielen eine entscheidende Rolle. Im Kanton Aargau ist es gelungen, die Waldeigentümer, den Forstdienst und die Forstunternehmer für das Thema zu sensibilisieren: Der Bodenschutz geniesst heute bei allen einen hohen Stellenwert im Berufsalltag. Ohne eine anwendungsorientierte Forschung und Beratung durch die WSL, wären die vorliegenden Ergebnisse nicht möglich geworden. Herzlichen Dank allen Beteiligten für das aussergewöhnliche Engagement und die ausgezeichnete Zusammenarbeit! Kanton Aargau, Departement Bau, Verkehr und Umwelt, Abteilung Wald (Hrsg.) 2007: Bericht zur Entwicklung des Waldes im Aargau, waldentwicklung AARGAU. Kanton Aargau, Departement Bau, Verkehr und Umwelt, Abteilung Wald (Hrsg.) 2012: Projekt Bodenschutz im Wald. Schlussbericht. Kanton Aargau, Departement Bau, Verkehr und Umwelt, Abteilung Wald; Aargauischer Försterverband; Forstunternehmer Schweiz, Region Aargau; Aargauischer Waldwirtschaftsverband (Hrsg.) 2011: Empfehlungen für den Bodenschutz im Wald. Kanton Aargau, Departement Bau, Verkehr und Umwelt, Abteilung Wald (Hrsg.) 2012: Umsetzung des Bodenschutzes im Wald im Aargau. 5Beratung Seit 2012 berät und unterstützt ein Spezialist der Abteilung Wald die Förster bei der Umsetzung des Bodenschutzes in ihren Forstbetrieben (Kanton Aargau, Departement Bau, Verkehr und Umwelt, Abteilung Wald 2012). Abstract Putting soil protection into practice in Canton Aargau’s forest Between 2008 and 2011, the project “Soil Protection in Forests” laid the foundations for implementing soil-protection measures in Aargau’s forest and a soil compaction risk map covering the whole of the Canton of Aargau was produced. Habsburg’s state-run forest enterprise first obtained experience in planning, documenting and marking non-invasive tracks throughout its forest. All the forestry staff attended further training courses on soil protection. Professional recommendations were drawn up in cooperation with the Aargau Foresters’ Association, the Swiss Association of Forest Contractors, the Region of Aargau and the Aargau Forestry Association. Since 2012, a specialist from the Canton’s Forest Division has been advising and supporting foresters in implementing soil protection in their forest enterprises. Keywords: soil protection, implementation, Canton Aargau, training, forestry workers, recommendations Forum für Wissen 2013: 31–43 31 Ökonomische Überlegungen zum physikalischen Bodenschutz im Wald Oliver Thees und Roland Olschewski WSL Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft, Zürcherstrasse 111, CH-8903 Birmensdorf, [email protected] Der Schutz des Waldbodens rückt immer mehr in den Fokus der mitteleuropäischen Forstwirtschaften – so auch in der Schweiz. Im Zentrum stehen dabei die Befahrung des Bodens mit Maschinen bei der Holzernte und die davon ausgehenden Risiken für die Bodenfruchtbarkeit und das Waldökosystem. Immer deutlicher wird die ökonomische Dimension des Themas, wenn nasse Witterung Planbarkeit und Ausführung der Arbeiten erschweren. Auch das öffentliche Interesse hat zugenommen: Verletzungen des Waldbodens werden von der Bevölkerung und in Naturschutzkreisen negativ wahrgenommen und die Medien berichten darüber. Das Thema birgt grosse ökologische, aber auch ökonomische und politische Herausforderungen, denn es geht um eine umfassende Nachhaltigkeit in der Waldbewirtschaftung. 1 Das Problem Ein Drittel des Schweizer Waldbodens ist befahrbar bzw. kann mit bodengestützten Erntemethoden bewirtschaftet werden. Das Gefährdungspotenzial beträgt also rund 400 000 Hektar. Erste Erhebungen sind beruhigend. Sie belegen den sorgsamen Umgang der Schweizer Forstwirtschaft mit ihrer Produktionsgrundlage (Schwyzer et al. 2010): Lediglich 1,3 Prozent der befahrbaren Waldfläche in der Schweiz sind nach Landesforstinventar durch Befahrung derart in Mitleidenschaft gezogen, dass der Zustand nicht mehr mit dem Gesetz zu vereinbaren ist. Gleichwohl bedingt der physikalische Bodenschutz Anpassungen der Waldbewirtschaftung: zusätzliche technische und organisatorische Massnahmen sind zu seiner Umsetzung notwendig. Die Forschung kümmert sich in diesem Zusammengang vor allem um bodenphysikalische und bodenbiologische, aber auch um verfahrenstechnische Fragen. Die Praxis reagiert durch Ausbildung und Sensibilisierung der Akteure für das Thema sowie mit einschlägigen Empfehlungen oder Richtlinien, welche die Befahrung im Zuge der Bewirtschaftung regeln. Die wirtschaftlichen Folgen dieser Konzepte und Massnahmen wurden bisher allerdings wenig untersucht. Vor allem fehlt eine gesamthafte betriebs- und volkswirtschaftliche Analyse des physikalischen Bodenschutzes im Wald. Denn die Massnahmen können teuer sein. Was sie genau kosten, ist nicht immer einfach festzustellen. Noch schwieriger ist es festzustellen, wie wirkungsvoll sie wirklich sind und welchen Nutzen sie genau stiften. Daher ist auch nicht von vornherein klar, welche Massnahmen erforderlich, effizient und effektiv sind. Vielfach handelt man vorsorglich. Es ist auch nicht klar, wer die Kosten in welchem Umfang trägt, und wie sie die Wettbewerbsfähigkeit der Holzproduktion beeinflussen. Ökonomisch zielgerichtetes Handeln wird dadurch enorm erschwert. 2 Zielsetzung und Methoden Ökonomisch gesehen geht es auch beim Bodenschutz um den Umgang mit Knappheit und um Kosten-Nutzen-Überlegungen. Intakte Waldböden – annähernd noch in einem natürlichen Zustand – drohen zu verknappen. Und Bodenschutz ist nicht umsonst zu haben, er kostet Geld. Ökonomisches Handeln beruht hier auf dem ökonomischen Prinzip, ein bestimmtes Ziel mit minimalen Mitteln zu erreichen. Es besteht privates und öffentliches Inter- esse am Bodenschutz und es stellt sich in beiden Fällen die Frage, ob Bodenschutz in genügender Menge und Qualität erzeugt wird. Vor diesem Hintergrund ist es das Ziel des Beitrages, den physikalischen Bodenschutz bei der Waldbewirtschaftung unter ökonomischen Gesichtspunkten zu analysieren. Dabei geht es darum, die ökonomischen Wirkungen des Bodenschutzes zu erfassen, zu systematisieren und im Hinblick auf die Ausgestaltung des Managements auf betrieblicher und hoheitlicher Ebene zu analysieren. Die ökonomische Einbettung des Bodenschutzes verspricht eine differenzierte Einsicht in die Realität, ein besseres Verständnis der Zusammenhänge und vielleicht neue Erkenntnisse, um bessere Entscheidungen zu ermöglichen. Für die Analyse eines solchen Problems stellt die Ökonomie drei wesentliche Perspektiven bereit: 1 Die produktionsökonomische Perspektive untersucht die Auswirkungen auf die Produktionskosten. 2 Die industrieökonomische Perspektive fokussiert auf die Wettbewerbswirkungen. 3 Die institutionenökonomische Perspektive stellt Kontroll- und Anreizprobleme in den Vordergrund. Der Beitrag analysiert den physikalischen Bodenschutz im Wald unter diesen methodischen Aspekten, beleuchtet seinen Charakter als Produkt ökonomischen Handelns und zieht Schlussfolgerungen für dessen Behandlung in Forschung und Praxis. 32 3 Gesetzliche Grundlagen des physikalischen Boden schutzes – was muss erreicht werden? Ziel der Bodenschutzgesetzgebung ist die langfristige Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit (Art. 1 Abs. 1 USG, Art 1 VBBo). Das Konzept ist auf die Sicherstellung der Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit und damit vorwiegend auf vorsorgliche Massnahmen ausgerichtet (Iten 2009). Art. 1 Abs. 1 USG: «Zweck: 1 Dieses Gesetz soll Menschen, Tiere und Pflanzen, ihre Lebensgemeinschaften und Lebensräume gegen schädliche oder lästige Einwirkungen schützen sowie die natürlichen Lebensgrundlagen, insbesondere die biologische Vielfalt und die Fruchtbarkeit des Bodens, dauerhaft erhalten. 2 Im Sinne der Vorsorge sind Einwirkungen, die schädlich oder lästig werden könnten, frühzeitig zu begrenzen.» Näheres zur Vermeidung von Bodenverdichtungen und Erosion findet sich in der Verordnung über Belastungen des Bodens (VBBo, Art. 6): «Wer Anlagen erstellt oder den Boden bewirtschaftet, muss unter Berücksichtigung der physikalischen Eigenschaften und der Feuchtigkeit des Bodens Fahrzeuge, Maschinen und Geräte so auswählen und einsetzen, dass Verdichtungen des Bodens vermieden werden, welche die Bodenfruchtbarkeit langfristig gefährden.» Auch die Waldgesetzgebung des Bundes sieht in Art. 28 Buchstabe d der Verordnung vom 30. November 1992 über den Schutz des Waldes (WaV; SR 921.01) vor, dass die Kantone Massnahmen zur Verminderung physikalischer Belastungen des Bodens treffen müssen, um Waldschäden zu verhindern. Als Waldschäden gelten dabei Schäden, welche die Erhaltung des Waldes gefährden können (Iten 2009). Das schweizerische Bodenschutzund Waldrecht enthält also verschiedene Bestimmungen, die den Schutz der Bodenfruchtbarkeit vor physikalischen Beeinträchtigungen vorsehen. Beim Vollzug dieser Bestimmungen wird den Kantonen als Vollzugsbehörden ein Forum für Wissen 2013 gewisser Spielraum belassen, beispielsweise bei der Bestimmung des zulässigen Ausmasses an Bodenbeeinträchtigung oder der Wahl der konkreten Schutzmassnahmen (Iten 2009). Für die Forstwirtschaft stellt sich die Frage, was der Gesetzestext in der täglichen Praxis konkret bedeutet. Nach Iten (2009) kann sie bei der Bestimmung des zulässigen Ausmasses an Bodenbeeinträchtigung mitwirken. Die WSL ist dieser Frage aus bodenphysikalischer und bodenbiologischer Sicht nachgegangen und hat praxisgerecht definiert, welche Bodenzustände nach einer Befahrung mit dem Gesetz kollidieren und welche nicht. Da die unterschiedlichen Zustände mit den Fahrspuren an der Bodenoberfläche korrespondieren, war es möglich, eine Fahrspurtypisierung als Grundlage für die Umsetzung des Bodenschutzes in der Praxis zu entwickeln (Lüscher et al. 2009a; Lüscher et al. 2014). Mit dem sogenannten Spurtyp 3 konnte ein Schwellenwert definiert werden, den es aus bodenökologischen Gründen zu vermeiden gilt. Wichtig ist festzustellen, dass dieser Schwellenwert auch bei sorgfältiger fachgerechter Arbeit nicht gänzlich vermieden werden kann. Das bedeutet, dass ein gewisses geringes Ausmass toleriert werden muss, wenn man die Waldbewirtschaftung aufrechterhalten will. Diese Spezifikation hat noch nicht stattgefunden. 4 Bodenschutz als öffent liches und privates Gut Physikalischer Bodenschutz bei der Holzernte besteht im vorsorglichen Vermeiden von Schäden bzw. unerwünschten Bodenzuständen: Nach der Erntemassnahme soll sich der Waldboden in einem möglichst wenig veränderten Zustand befinden. Der Schutz des Waldbodens wird in der Schweiz, wie auch in anderen Ländern, nicht der Entscheidung des Waldeigentümers allein überlassen, sondern via Gesetz und Behörden «nachgefragt» bzw. erzwungen. Eine ökonomische Betrachtung kann hilfreich sein, um zu verstehen, warum dies so ist, und um zu prüfen, ob nicht auch Marktmechanismen zur Förderung des Bodenschutzes eingesetzt werden könnten. Der Schutz des Waldbodens kann, wie auch der Klima- oder Biodiversitätsschutz (Vogt und Sturm 2011), als ein eigens erzeugtes öffentliches Gut angesehen werden. Im Gegensatz zu privaten Gütern zeichnen sich öffentliche Güter dadurch aus, dass das Ausschlussprinzip nicht greift und gleichzeitig keine Rivalität in der Nutzung vorliegt. Da der Bodenschutz auf der gesamten Waldfläche zu gewährleisten ist und der Wald frei zugänglich ist, kann niemand von der positiven ästhetischen Wirkung ausgeschlossen werden. Aber auch unabhängig vom Betretungsrecht kann die Bevölkerung beispielsweise vom Erosionsund Klimaschutz profitieren. Insofern handelt es sich beim Bodenschutz um ein öffentliches Gut. Allerdings hat dieses Gut auch eine private Komponente: Der Waldeigentümer profitiert in der Regel, wenn er schonend mit seinen Ressourcen umgeht: dies zum einen heute durch mögliche Wettbewerbsvorteile im Rahmen der Waldzertifizierung und zum anderen durch positive Auswirkungen auf die zukünftige Holzproduktion. Gegenüber dieser letztgenannten, langfristigen Perspektive hat aber oft die kurzfristige, liquiditätsorientierte Sicht ein grösseres Gewicht. Konkrete Gründe hierfür sind vor allem die terminlichen Lieferverpflichtungen und die zusätzlichen Holzerntekosten besonders vorsorglicher Massnahmen. Offensichtlich können zwischen Öffentlichkeit und Eigentümer unterschiedliche Vorstellungen darüber existieren, wie viel Bodenschutz produziert werden soll, wie das zu erreichende Ziel bzw. die Grenze zum Schaden genau zu definieren ist und wie viele Mittel zur Erreichung diese Zieles eingesetzt werden sollen. Hat also der in der Zukunft liegende positive Effekt auf die Holzproduktion ein zu geringes Gewicht im heutigen produktionsökonomischen Kalkül des Waldbesitzers oder ergeben sich aus der Zertifizierung keine industrieökonomischen Anreize für einen verstärkten Bodenschutz, wird das Gut Bodenschutz in geringerem Umfang produziert. In dieser Situation kann der Staat die Bereitstellung aus übergeordneten wirtschaftlichen, ökologischen und ideellen Überlegungen erzwingen, unabhängig von den Prä- Forum für Wissen 2013 ferenzen der betroffenen Wirtschaftssubjekte. Man spricht dann von einem öffentlichen beziehungsweise privaten meritorischen Gut (Bergen et al. 2013). Bei der Charakterisierung des Gutes Bodenschutz ist ausserdem zu erwähnen, dass der tatsächliche Schutz des Bodens schwierig zu erkennen, zu messen und zu bewerten ist. Verschärft wird dieses Problem durch die Heterogenität der Böden in der Schweiz. Diese Eigenschaften können insbesondere die betriebliche und hoheitliche Kontrolle erschweren. In den folgenden Analysen wird sich zeigen, welche ökonomischen Wirkungen sich aus den skizzierten Eigenschaften des Bodenschutzes ergeben. 5Produktionsökonomische Perspektive 5.1 Welche Kosten verursacht der physikalische Bodenschutz? Der Schutz des Waldbodens verursacht Mehrkosten. Diese entstehen vor allem bei der Holzernte, hervorgerufen durch zusätzliche Massnahmen, die unmittel- 33 bar mit seiner Erzeugung verbunden sind. Spjevak und Thees haben 2009 erstmalig versucht, die Kosten des physikalischen Bodenschutzes zu erfassen, zu strukturieren und grob abzuschätzen. Tabelle 2 gibt einen Überblick über die kostenverursachenden Massnahmen. Auf der Ebene des Kantons fallen Kosten im Rahmen der hoheitlichen Überwachung des Bodenschutzes an. Auf der Ebene des Betriebes handelt es sich einerseits um investive Massnahmen wie die Ausbildung der Mitarbeiter und die Kartierung der Befahrungsempfindlichkeit der Waldböden und andererseits um operative Massnahmen beim einzelnen Holzschlag, wie den Einsatz bodenschonender Spezialausrüstungen der Maschinen bis hin zum Einsatz von seilgestützten Erntesystemen (vgl. Tab. 1). Diese Massnahmen verteuern die Holzproduktion; sie verursachen fixe und variable Kosten. Insgesamt handelt es sich um betriebswirtschaftliche Gemeinkosten (indirekte Kosten), weil sie nur indirekt den einzelnen Kostenträgern, in der Regel dem Festmeter, zurechenbar sind. Grundlegende Massnahmen auf der Ebene des Betriebes sind die Weiterbildung des Personals sowie die Bodenzustandsermittlung und die Abnahme der Arbeiten nach Beendigung eines Holzschlages. Diese wichtigen Massnahmen kosten vergleichsweise wenig und bringen viel. Wenn man zusätzlich noch dafür sorgt, dass mit möglichst geringem Reifeninnendruck gefahren wird, hat man schon sehr viel getan. Darüber hinaus kann man alle anderen Massnahmen als optional ansehen, das heisst, sie sind im Einzelfall je nach standörtlichen und betrieblichen Verhältnissen zu wählen. Die minimalen Kosten, die sich aus den grundlegenden Massnahmen ergeben, betragen rund 5 CHF/ha und Jahr beziehungweise 0.5 CHF/m3 und haben damit einen Anteil von knapp ein Prozent am mittleren Holzernteaufwand. Bei schwierigen Verhältnissen und hohen Ansprüchen können die Kosten allerdings massiv ansteigen und Werte zwischen 50 und 100 CHF/ha und Jahr beziehungsweise 5 und 10 CHF/ m3 annehmen. Eher teure Massnahmen bestehen darin, grosse Beiseilentfernungen in Kauf zu nehmen oder auf bodengestützte Erntesysteme zu verzichten und Seilsysteme einzusetzen. Die Höhe der Kosten hängt stark von der standörtlichen Situation und vom Stellenwert des Bodenschutzes Tab. 1. Überblick über kostenrelevante Massnahmen für den physikalischen Bodenschutz aus der Sicht des Forstbetriebes (Spjevak und Thees 2009a, modifiziert). Fett: Basismassnahmen. *Es wird vom häufigeren Fall ausgegangen, dass die spezifischen bodenschonenden Maschinenausrüstungen einem Forstunternehmen gehören. Bei ihrem Einsatz (Fremdregie) handelt es sich dann um zusätzlich variable Kosten beim einzelnen Holzschlag, die der Unternehmer erstattet haben will; im Fall des Eigenregieeinsatzes handelt es sich um zusätzliche Investitionen des Forstbetriebes. Zusätzliche Investitionen Zusätzliche Massnahmen beim einzelnen Holzschlag verursachen fixe Kosten variable Kosten Planung (Betrieb) –Weiterbildung Betriebsleiter –Kartierung im Hinblick auf Befahrungsempfindlichkeit, Markierung und Dokumentation der Feinerschliessung –Festlegen von Ausweichflächen –Umweltleistungsbewertung bezüglich Bodenschutz –Vergrösserung des Rückegassen abstandes (>20m) Steuerung und Durchführung (Betrieb) –Weiterbildung Maschinenführer –Software zur Beurteilung der Befahrbarkeit –Instrumente zur Messung der Bodenfeuchte –Schlepper mit geringerer Radlast –Beurteilung des Bodenzustandes → Entscheid fahren/nicht fahren –Unterbruch der Arbeiten und Umsetzen auf Ausweichflächen –Regenerationsmassnahmen –Abnahme der Arbeiten –Spezifische Maschinenausrüstungen*: Reifen grösserer Nennbreite Reifendruckregelanlage Bogiebänder Traktionshilfswinde –Partieller Verzicht auf Befahrung, z.B. grössere Beiseilentfernungen beim Rücken –Rücken mit reduzierter Last bzw. kleinerer Maschine –Wechsel von boden- auf seilgestützte Erntesysteme Überwachung (Kanton) –Kontrollen und gegebenenfalls Sanktionsmassnahmen 34 Forum für Wissen 2013 im Betrieb ab. Ein Betrieb mit hohem Anteil befahrungsempfindlicher Böden wird entsprechend höhere Kosten in Kauf nehmen müssen. Es sind ähnliche Rahmenbedingungen wie die Steilheit des Geländes, welche die Holzproduktion verteuern, die aber hinzunehmen sind und nicht geändert werden können. Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten gilt ein besonderes Augenmerk den Kosten, die durch grössere Rückegassenabstände verursacht werden und sich vor allem beim mechanisierten Fällen und Aufarbeiten niederschlagen: Heutige Radvollernter haben eine Kranreichweite von rund zehn Metern. Somit können alle Bäume innerhalb eines zehn Meter breiten Streifens beidseits der Rückegasse vom Ausleger des Vollernters erreicht werden. Für einen flächendeckenden Einsatz des Vollernters darf also der Abstand zwischen den Rückegassen nicht grösser als 20 Meter sein. Bei grösseren Gassenabständen gibt es eine Zwischenzone, in welcher die Bäume von der Maschine nicht erreicht werden können. Bäume in dieser Zwischenzone werden je nach Baumdimension und Gassenabstand zugefällt oder, wenn dies aufgrund zu 44 Holzerntekosten [CHF/m3] 42 40 38 36 34 32 30 10 20 30 40 50 60 Rückegassenabstand [m] Abb. 1. Durchschnittliche Holzerntekosten über eine gesamte Umtriebszeit bei verschiedenen Rückegassenabständen (Jäger 2012; Vollerntereinsatz, Fichtenbestand). Szenarium 1 60 Szenarium 2 Szenarium 3 Erntekostenfreier Erlös [CHF/m3] 55 50 45 40 35 30 25 10 20 30 40 50 60 Rückegassenabstand [m] Abb. 2. Erntekostenfreier Erlös bei den verschiedenen Szenarien in Abhängigkeit des Gassenabstandes (Jäger 2012). Die Szenarien werden im Text erläutert. geringer Baumhöhen oder zu grosser Gassenabstände nicht möglich ist, vorgeliefert. Jäger (2013) hat im Rahmen seiner Masterarbeitan der ETH Zürich diese Kosten modellhaft quantifiziert. Pro zehn Meter Zunahme des Gassenabstandes ergeben sich hier 2 CHF/m3 (Abb. 1). Diese an sich schon beachtlichen durchschnittlichen Mehrkosten können sich im Einzelfall, vor allem im Schwachholz, auch auf rund 10 CHF/ m3 und mehr belaufen. 5.2 Welchen Nutzen stiftet der physikalische Bodenschutz? Der langfristige Nutzen besteht darin, dass ein schonender Umgang mit dem Boden heute zu einer ertragreichen Holzproduktion in der Zukunft beiträgt. Der kurzfristige Nutzen entsteht durch Einsparungen, die sich aus unterlassenen Massnahmen für den Bodenschutz heute ergeben. In der Praxis ist es oft so, dass dem Waldbewirtschafter der kurzfristige Nutzen wichtiger ist als der langfristige Nutzen, da sich dieser wesentlich später auswirkt. Der ungenügende Schutz des Waldbodens bei der Holzernte heute kann aber Kosten in der Zukunft verursachen. Diese äussern sich in Form von Mindererlösen bei der Holzproduktion. Sie sind ursächlich zurückzuführen auf mögliche Zuwachseinbussen infolge intensiver Feinerschliessung und auf fäulnisbedingte Wertverluste infolge Bestandes- und Wurzelschäden beim verbleibenden Bestand. Der Nutzen des physikalischen Bodenschutzes besteht also in der Vermeidung dieser Mindererlöse. Hinzu kommt noch die Verringerung von Stabilitätsrisiken der Bestände. Jäger (2012) hat im Rahmen seiner Masterarbeit an der ETH Zürich versucht, diese Mindererlöse mittels modellhafter Kalkulationen für verschiedene Rückegassenabstände zu schätzen (Abb. 2). Dabei wurden verschiedene Szenarien mit unterschiedlichen Produktionsverlusten und Zuwachseinbussen berechnet. Grundlage der vielen Annahmen und Berechnungen bildete eine umfangreiche Literaturanalyse. In Szenarium 1 treten keine Zuwachsverluste auf. In Szenarium 2 können die Gassenrandbäume den Zuwachsverlust der Gassen 0.7 "600+BB" 0.6 "710+RDA" 0.4 0.5 "710+BB" 0.3 "600+RDA" "710" 0.1 0.2 Mehrkosten (Fr./m3) "600" 0.0 zur Hälfte ausgleichen. Keinen Ausgleich des Zuwachsverlustes der Gassen durch die Randbäume gibt es in Szenarium 3. Für die Szenarien wurden zusätzlich die Wertverluste durch Fäulebefall des Holzes als Folge von Stamm- und Wurzelverletzungen durch Holzernteprozesse berechnet. Mindererlöse durch Zuwachseinbussen sind meist höher als die Wertverluste durch Fäule. Für die Szenarien 2 und 3 wurde angenommen, dass Bäume mit einem Abstand von bis zu vier Metern vom seitlichen Rand der Rückegasse von Wurzelverletzungen betroffen sein können, da ihre Wurzeln bis in den Gassenbereich reichen. Weiter wurde angenommen, dass bei jeder Durchforstung bei 40 Prozent dieser Bäume Wurzeln verletzt werden, 60 Prozent dieser verletzten Bäume von Fäulepilzen befallen werden und dass es durchschnittlich 10 Jahre dauert, bis die Fäule von den Wurzeln bis in den Baumstamm vordringt. Der optimale Gassenabstand ist jener, bei welchem die durchschnittlichen, über eine gesamte Umtriebszeit gerechneten erntekostenfreien Erlöse am höchsten sind. Je nach Szenarium liegt er bei 30 oder 40 Metern. Allerdings sind die Unterschiede zwischen den erntekostenfreien Erlösen für die unterschiedlichen Gassenabstände gering, dürften sich im Falle einer Abzinsung der Geldwerte sogar weiter verringern und würden sich bei einer realistischen Variation der Eingangsgrössen auch verändern. Szenario 1 widerspiegelt eine kurzfristige Betrachtung ohne Zuwachs- und Wertverluste. Grosse Unterschiede zwischen den Rückegassenabständen ergeben sich nur dann, wenn die Frage des Produktionsverlustes infolge der Gassenanlage komplett bejaht oder verneint wird; hier sollte das Paradigma, dass die Gassenrandbäume den Produktionsverlust ausgleichen, kritisch unter die Lupe genommen werden. Zusätzlicher Nutzen kann noch entstehen, wenn die Investitionen in die Maschinentechnik, insbesondere in die Zusatzausrüstungen (Abb. 3) es erlauben, einen empfindlichen Boden «länger», also bei höheren Wassergehalten zu befahren. Der Nutzen besteht hier in zusätzlichen Einsatztagen der Holzerntemaschinerie (Spjevak et al. 2009). 35 0.8 Forum für Wissen 2013 50 100 Aktuelle durchschnittliche Maschinenauslastung in der Praxis … ohne besondere Berücksichtigung des boiBodenschutzes … ohne Zusatzausrüstungen … unabhängig von der Bodenart 150 200 250 300 350 Nutzen – Bodenschonende Einsatztage (Tage/Jahr) Abb. 3. Kosten-Nutzen-Relation, berechnet für den Forwarder John Deere 1110 D und für das Jahr 2004. (Spjevak et al. 2009b; Rot: Schluffiger Lehm. Blau: sandiger Lehm. Die für eine Forstmaschine angenommene erforderliche jährliche Einsatzdauer beträgt in der Schweiz rund 130 Tage bzw. 1100 Stunden; 600 bzw. 710: Reifenbreite in mm; BB: Bogiebänder; RDA: Reifendruckregelanlage). Abbildung 3 zeigt die Kosten-Nutzen-Relationen der einzelnen Ausrüstungsvarianten auf dem sandigen (blau hervorgehoben) und schluffigen (rot hervorgehoben) Lehm. Die Referenzvariante «600» bedeutet, dass der Bodenschutz streng eingehalten wird, ohne dass Zusatzausrüstungen eingesetzt werden. In diesem Fall entstehen folglich keine Mehrkosten, die Jahresauslastung bzw. die bodenschonende Einsatzdauer reduziert sich aber auf 80 Tage auf schluffigem Lehm im Jahr 2004. Auf sandigem Lehm liegt sie bei 140 Tagen. Diese Werte sind in Abbildung 3 mit den Grenzen der Spanne der Einsatztage eingezeichnet. Folglich sind auf sandigem Lehm in einem Jahr mit durchschnittlicher Niederschlagsmenge genügend oder sogar mehr bodenschonende Einsatztage für die Holzernte im Vergleich zur durchschnittlichen Jahresauslastung möglich. Diese Feststellung allein genügt allerdings nicht, es kommt auch darauf an, wie diese bodenschonenden Tage im Jahresverlauf verteilt sind. Die übrigen Varianten gehen davon aus, dass die Vorgaben des Boden- schutzes streng eingehalten und hierfür Zusatzausrüstungen eingesetzt werden. Die Kosten der Ausrüstungen wurden insbesondere in Abhängigkeit von der jeweiligen Auslastung berechnet. Somit sinken die Durchschnittskosten bei zunehmender Auslastung. Die breiteren Reifen, die Reifendruckregelanlage sowie deren Kombination ergeben die gleiche bodenschonende Einsatzdauer mit 80 Tagen auf schluffigem Lehm und 140 Tagen auf sandigem Lehm. Ihre Kosten sind unterschiedlich, bleiben aber im Bereich von weniger als 1 CHF/m3. Bei 80 Einsatztagen im Jahr 2004 auf dem sandigen Lehm kosten die breiteren Reifen rund 0.30 CHF/m3, bei 140 Tagen 0.10 Franken weniger pro m3. Die Reifendruckregelanlage kostet bei 80 Einsatztagen rund 0.50 CHF/m3 und bei 140 Tagen gleich viel wie die Breitreifen. Die summierten Einzelkosten ergeben sich aus der Kombination beider Ausrüstungen. Für den Einsatz der Bogiebänder wurde angenommen, dass diese in einem Zyklus von 10 Tagen montiert und demontiert werden. Sie kosten mit 600er Reifen bei 220 bis 250 Einsatz- 36 tagen konstant 0.60 CHF/m3. Die Kosten verändern sich nicht nennenswert, weil die Auslastung auf beiden Böden bereits relativ hoch ist. Mit Bändern und breiteren Reifen können beide Böden praktisch das ganze Jahr befahren werden. Die durchschnittlichen Kosten sind vor allem aufgrund dieser hohen theoretischen Auslastung relativ gering. Mit maximal rund 1,5 Prozent des durchschnittlichen Holzernteaufwands im Schweizer Mittelland sind die Mehrkosten pro m3 bei allen untersuchten Maschinenausrüstungen vergleichsweise gering. 5.3Produktionsökonomische Folgerungen Bodenschutz kann erhebliche Kosten verursachen. Es zeigt sich aber auch, dass den Massnahmen ein namhafter Nutzen in Form vermiedener Kosten gegenüber stehen kann. Es kann also durchaus im eigenen Interesse des Waldbesitzers liegen, seine Produktionsgrundlage Boden zu schützen. Dies heisst, dass eine Abwägung zwischen kurz- und langfristigen Effekten stattfinden muss. Die individuellen Zeitpräferenzen und Liquiditätsanforderungen der Wirtschafter entscheiden über die Gewichtung der beiden Seiten. Die Kosten für den physikalischen Bodenschutz hängen auch davon ab, wie viel Bedeutung man letztlich dem Bodenschutz beimisst und zu zahlen bereit ist. Dies kann deutlich über die gesetzliche Vorgabe hinausgehen, wie das Beispiel Baden-Württemberg zeigt, wo im Staatswald standortsunabhängig ein 40 m-Gassenabstand gilt. Dieser betriebliche Entscheid ist strategisch, auf Risikominderung abzielend und normativer Natur. Das Minimalprogramm lässt sich vergleichsweise kostengünstig umsetzen. Hinzu kommt, dass das generelle Absenken des Reifeninnendrucks auf den vom Hersteller gewährleisteten Minimalwert fast nichts kostet und viel bringt. Darüber hinaus können aber auch Kostensenkungspotenziale vermutet werden. Sie bestehen in Skalen- und Verbundeffekten. Skaleneffekte ergeben sich bei höherer Auslastung bodenschonender Erntetechnik und -methoden, welche durch betriebsübergreifende Planung und Steuerung Forum für Wissen 2013 der Holzernte erreicht werden kann. Zur Überwindung der Strukturprobleme der Schweizer Forstwirtschaft wäre dies sowieso zu prüfen. Die risikomindernden Massnahmen für den Bodenschutz lassen sich den drei Ebenen Feinerschliessung, Maschinentechnik und Maschineneinsatz zuordnen. Den Rückegassenabständen kommt dabei eine besondere Bedeutung zu. Sie beeinflussen Kosten und Qualität des Bodenschutzes in hohem Mass. Rückegassen stellen eine (semi-) permanente Anlage dar und sind unabhängig von der einzelnen Hiebsmassnahme zu planen. Grössere Rückegassenabstände können sich unter bestimmten Umständen langfristig trotz kurzfristig höherer Erntekosten wirtschaftlich lohnen. Ein entsprechender Entscheid hängt aber von vielen, teilweise unsicheren Faktoren ab. Er ist im Einzelfall abhängig von den Boden- und Wuchsverhältnissen, der Qualität der Holzernte sowie von den Betriebszielen bzw. den ökonomischen Bewertungen des Eigentümers. Erschwerend kommt hinzu, dass die mit der Vergrösserung der Abstände einhergehende höhere Befahrungsfrequenz auf den verbleibenden Gassen bodenphysikalisch und bodenbiologisch noch nicht ausreichend untersucht ist. Auf jeden Fall erscheint eine staatliche verordnete Vorschrift des Gassenabstandes ökonomisch und ökologisch zweifelhaft und ordnungspolitisch bedenklich. 6Industrieökonomische Perspektive Die industrieökonomische Perspektive betrachtet das wirtschaftliche Handeln unter Wettbewerbsgesichtspunkten. Dabei wird von unvollkommenen Märkten ausgegangen; im Mittelpunkt stehen die Oligopole. Analysiert werden die Struktur von Märkten sowie die Strategie von Unternehmen auf diesen Märkten. Als dominante Unternehmensstrategie wird die Erhöhung der Marktmacht des einzelnen Unternehmens bzw. die Vermeidung von Wettbewerb angesehen. Dazu wurde von der Harvard School das «MarktstrukturMarktverhalten-Marktergebnis Konzept» entwickelt (Bergen et al. 2013). Dieses geht davon aus, dass von der Marktstruktur (z. B. Zahl der Anbieter, Grad der vertikalen Integration) auf das Marktverhalten (z. B. Preisbildung, Investitionen) und daraus wiederum auf die Marktergebnisse (z. B. Preise, Mengen, Gewinnverteilung) geschlossen werden kann. 6.1 Welche Wettbewerbswirkungen sind zu erwarten? Die Industrieökonomik fragt nach dem Einfluss, den die Struktur einer Branche auf das Marktergebnis hat. Wesentliche Merkmale der Struktur der Schweizer Forstwirtschaft sind – der hohe Anteil öffentlichen Waldes – die kleinteiligen Besitz- und Bewirtschaftungsverhältnisse – die hohe Relevanz einer Vielzahl von Ökosystemdienstleistungen – der hohe Anteil zertifizierten Waldes Die Marktstruktur der Schweizer Forstwirtschaft ist durch kleinteilige Waldbesitz- und BewirtschaftungsVerhältnisse sowie von öffentlichen Anbietern geprägt – etwa 70 Prozent der Waldfläche wird von politischen Kommunen und Ortsbürgergemeinden bewirtschaftet. Dieses besondere Strukturmerkmal erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass der Wettbewerb der Forstbetriebe untereinander zumindest teilweise ausgeschaltet ist. Es erhöht ferner die Wahrscheinlichkeit, dass die Kosten des physikalischen Bodenschutzes, für den der Waldbesitz verantwortlich ist, auch von ihm getragen werden. Eine Überwälzung dieser Mehrkosten auf die tendenziell oligopolistisch strukturierte Holzkäuferschaft ist vor allem aus Gründen der kleinteiligen Besitz- und Bewirtschaftungsverhältnisse, der geringen Anbieterkonzentration und der damit einhergehenden fehlenden Marktmacht eher nicht möglich. Eine Überwälzung auf die forstlichen Dienstleister vor Ort ist vor allem nicht sinnvoll, weil der Betrieb auf diese angewiesen ist. Gerade diese ermöglichen die Einsparung von Transaktionskosten und die Erhöhung der Einsatz-Flexibilität aus Bodenschutzgründen. Bund und Kantone werden Bodenschutzmassnahmen im Normalfall nicht abgelten, weil der Forum für Wissen 2013 Waldbesitzer (und auch die Dienstleister) sowieso per Gesetz zur Einhaltung der Bodenschutzbestimmungen verpflichtet sind. In der Regel tragen daher die Forstbetriebe die Kosten, wodurch sich ihre wirtschaftliche Situation verschlechtert. Da die Kosten unter diesen Voraussetzungen nicht preiswirksam werden, bleibt das Holz ceteris paribus konkurrenzfähig und der Wettbewerb wird durch den physikalischen Bodenschutz in diesem Fall nicht verzerrt. Die Situation kann sich aber entscheidend ändern, wenn die Forstbetriebe unter weiteren Kostendruck geraten und der Waldboden deswegen zu wenig geschützt wird. Die hohe Relevanz der vielen Ökosystemdienstleistungen des Waldes in der Schweiz hilft ebenfalls, den Schutz des Waldbodens zu gewährleisten. Im Vergleich mit anderen öffentlichen Gütern spielt der Bodenschutz hier sogar eine hervorgehobene Rolle: Die Nichtgefährdung der Waldböden, des Trinkwassers und der Vitalität der Bäume ist eines von 11 erklärten Zielen der Waldpolitik 2020 des Bundes (BAFU 2013). Schliesslich gilt es die Zertifizierung als ein weiteres, markantes Strukturmerkmal der Branche zu beleuchten. Zurzeit sind 56 Prozent der Schweizer Waldfläche nach PEFC oder FSC zertifiziert (611 000 ha). Der physikalische Bodenschutz wird in beiden Systemen mit gleichen Standards behandelt. Gefordert wird beispielsweise vor allem – ein Feinerschliessungsnetz, welches im Gelände markiert und kartenmässig dokumentiert sein muss, – die Beschränkung der Befahrung auf Waldwege und Rückegassen, – die Verhinderung von Bodenbeeinträchtigungen, welche die Bodenfruchtbarkeit langfristig beeinträchtigen(sog. Spurtyp 3; vgl. Kap. 9.1). Die Zertifizierung stellt für die Forstbetriebe keinen Wettbewerbsvorteil auf dem Holzmarkt dar (Interview von B. Holenstein mit dem Direktor des WVS M. Brunner, 2013). Dies ist vor allem dadurch bedingt, dass nur wenige Grossabnehmer zertifiziertes Holz verlangen und dieses wegen der hohen Zertifizierungsquote in relativ grossen Mengen angeboten werden kann. 37 Der Aspekt Bodenschutz ist in diesem Zusammenhang von untergeordneter Bedeutung. Insofern ist Zertifizierung unter den aktuellen Schweizer Verhältnissen kein Mittel, um den physikalischen Bodenschutz zu fördern. An dieser Stelle ist darauf hinzuweisen, dass bei der Zertifizierung in der Landwirtschaft weniger strenge Massstäbe bzgl. des physikalischen Bodenschutzes gelten und im internationalen Vergleich in der Waldwirtschaft nicht mit gleicher Elle gemessen wird. Wettbewerbsverzerrende Wirkungen sind nicht ausgeschlossen. 6.2Industrieökonomische Folgerungen Aus der Perspektive der Industrieökonomik bemühen sich die wirtschaftenden Akteure stets um eine Entschärfung des Wettbewerbs – was in der Schweizer Forstwirtschaft schon weitgehend der Fall ist: Durch die gegebene Marktstruktur mit dem hohen Anteil öffentlicher Forstbetriebe bzw. Anbieter ist der Wettbewerb zumindest teilweise ausgeschaltet. Dieser Wettbewerbsschutz erleichtert es den Forstbetrieben, auf die Anforderungen des Bodenschutzes zu reagieren und diese zu erfüllen. Die a priori gegebene Ausschaltung des Wettbewerbs wirkt sich somit (bisher) positiv auf die Erzeugung des Gutes Bodenschutz aus und hilft sogar, diesen zu garantieren. Zugleich sind keine wettbewerbsverzerrenden Wirkungen zu erwarten: Die Wettbewerbsfähigkeit des Produktes Holz wird durch den physikalischen Bodenschutz in der Schweiz eher nicht beeinträchtigt. Der fehlende Wettbewerb hilft also, den Bodenschutz im Windschatten des Marktes in geschützter Nische zu garantieren. Daran ändert bei den gegebenen Marktstrukturen auch die Zertifizierung nichts, die unter den gegebenen Umständen kein Mittel zur Produktdifferenzierung darstellt. Unter diesen Bedingungen ist das Gut Bodenschutz nicht handelbar und zumindest nicht ohne weiteres ein Gut, womit man mit anderen Betrieben in Konkurrenz treten kann. 7Institutionenökonomische Perspektive Die Neue Institutionenökonomik versucht eine ökonomische Theorie zu entwickeln, um das Wirtschaften und seine Ergebnisse unter realistischeren Bedingungen zu erklären, als dies die neoklassische Ökonomie mit ihren idealtypischen Annahmen tut (Richter und Furubotn 2010). Die Institutionenökonomie unterstellt unvollkommene Akteure, also Menschen mit begrenzter Voraussicht, Rationalität und Moral, die in ihrem Handeln voneinander abhängen. Untersucht werden die Auswirkungen von Institutionen auf das Handeln der Menschen. Institutionen werden verstanden als ein System von formellen und informellen Regeln einschliesslich der Instrumente ihrer Durchsetzung wie Eigentum, Gesetze und Verträge. Kontroll- und Anreizprobleme stehen im Mittelpunkt. Diese werden als höchst bedeutsame Elemente des Wirtschaftsprozesses angesehen. Dabei wird berücksichtigt, dass die Schaffung und Nutzung und Überwachung von Institutionen Ressourcen beanspruchen, welche sog. Transaktionskosten verursachen. 7.1 Welche Anreize bestehen zum Schutz des Bodens? Forstbetriebe haben starke Anreize zum Schutz des Bodens. Sie ergeben sich zum einen durch ein besonderes Prinzipal-Agenten-Verhältnis, zum anderen durch ein starkes forstliches Berufsethos. Hinzu kommt die Bedeutung des Bodenschutzes in der Waldpolitik des Bundes. Auch aus dieser institutionenökonomischen Sicht ist der Schutz des Waldbodens weitgehend gewährleistet. Das Gut Bodenschutz wird von der Gesellschaft und den staatlichen Behörden in Form von Gesetzen und Verordnungen (vgl. Kap. 3) sowie zum Teil auch direkt von Bürgern und Bürgerinnen als öffentliches Gut nachgefragt und kontrolliert (vgl. Kap. 4). Erstere werden von den Kantonen überwacht und vollzogen, wobei die Bereitschaft, die Regeln mit Sanktionen durchzusetzen, nach unserer Einschätzung zunimmt. Letzteres äussert 38 Forum für Wissen 2013 sich in Beschwerden über tiefe Fahrspuren im Wald, mit denen sich die Betriebsleiter auseinandersetzen müssen. In der Sprache der Institutionenökonomie kann eine solche besondere Beziehung als Prinzipal-Agentenbeziehung bezeichnet werden. Die Auseinandersetzung mit einer Beschwerde des Prinzipals Bevölkerung verursacht dem Agenten Betriebsleiter unter Umständen beträchtlichen Aufwand und kann ihm auch sehr unangenehm sein. Weiterhin kann die Beschwerde seinem Ansehen bei der ortsansässigen Bevölkerung schaden. Für das Gewicht dieses Arguments sprechen z.B. die umfangreichen Kommunikationsanstrengungen zur Ankündigung und Begründung von Erntemassnahmen im Stadtwald von St. Gallen (Kuhn 2011). Das starke forstliche Berufsethos (Franck und Pudack 2005) stellt eine weitere Institution dar. Verstärkt durch den Druck von Politik und Bevölkerung umfasst dieses mittlerweile auch den Bodenschutz, und sorgt dafür, dass der schonende Umgang mit dem Boden ein Qualitätsmerkmal guter forstlicher Praxis darstellt. Hierzu hat sicher auch die mehrjährige Sensibilisierung und Ausbildung der Praxisakteure durch die WSL beigetragen. Die forstlichen Akteure teilen die Werte und Normen des Berufsethos und ihre Einhaltung erhält einen Eigenwert. Bei Missachtung des Bodenschutzes drohen Ansehensverluste in der Branche. Die Nichtgefährdung der Waldböden, des Trinkwassers und der Vitalität der Bäume ist eines von 11 erklärten Zielen der Waldpolitik 2020 des Bundes (BAFU 2013). Im Vergleich mit anderen öffentlichen Gütern spielt der Bodenschutz eine ebenbürtige Rolle. Hieraus ergibt sich ein weiterer Anreiz, den Boden aktiv zu schützen. Bodenschutzfachstelle obliegt als zuständigem Vollzugsorgan die Überprüfung der einzuhaltenden gesetzlichen Vorgaben. Im öffentlichen Wald übernimmt in der Regel ein Forstbetrieb die Waldbewirtschaftung. Im Hinblick auf den Bodenschutz trägt hier der Betriebsleiter die nahezu alleinige Verantwortung in der Phase der Planung. Bei der Arbeitsausführung (Holzernte) ist er auf die Zusammenarbeit mit den jeweils beteiligten Akteuren angewiesen. Er ist auch für die Abnahme der Arbeiten im Hinblick auf den Bodenschutz zuständig. Der Betriebsleiter ist somit auch die entscheidende Person im oben angesprochenen Prinzipal-Agenten-Verhältnis. 7.2 Wer schützt den Boden? 7.3Institutionenökonomische Folgerungen Tabelle 2 zeigt auf, dass zahlreiche Akteure für die Umsetzung des physikalischen Bodenschutzes verantwortlich sind: Waldeigentümer, Forstbetrieb, Forstunternehmer und kantonaler Forstdienst. Der kantonalen Mehrere formelle und informelle Institutionen liefern also die Anreize dafür, dass der Bodenschutz von den Betriebsleitern ernst genommen und im öffentlichen Wald eingehalten wird. Betriebsplanung Planung Steuerung und Durchführung betriebliche Überwachung hoheitliche Überwachung4 Feinerschliessungsplanung Jahresplanung Bodenschutzfachstelle x Forstdienst2 x Maschinenführer Aufgaben Forstunternehmer Phasen Betriebsleiter2 Akteure Waldeigentümer1 Tabelle 2: Akteure und grundsätzliche Verteilung der Verantwortlichkeiten im Hinblick auf den physikalischen Bodenschutz bei der Holzernte (Spjevak und Thees 2009a, Lüscher et al. 2009b). x x x x x Termin- und Kapazitätsplanung x Verfahrens- und Maschinenwahl x x Vertragsabschluss/Arbeitsauftrag x x Bodenzustandsermittlung3 x Abnahme der Arbeiten x Beurteilung der Fahrspuren x Massnahmenentscheid x x x x Kontrolle (x)5 x Massnahmenentscheid (x)5 x Im Privatwald kann der Waldeigentümer fallweise die Aufgaben des Betriebsleiters übernehmen. Deshalb ist die Linie zwischen den Kolonnen Waldeigentümer und Betriebsleiter gestrichelt dargestellt. 2 Häufig nimmt der Betriebsleiter auch hoheitliche Aufgaben wahr (Revierförster) und übernimmt dann auch die Aufgaben in der Kolonne Forstdienst. 3 Im Zusammenhang mit der Ermittlung des Bodenzustandes findet vor jeder Befahrung der Entscheid fahren/nicht fahren statt. 4 Bei der hoheitlichen Überwachung muss überprüft werden, ob die gesetzlichen Vorgaben zum Bodenschutz eingehalten wurden. 5 Die hoheitliche Überwachung der gesetzeskonformen Bodennutzung kann auch dem kantonalen Forstdienst delegiert werden. 1 Forum für Wissen 2013 8Herausforderungen Klimawandel und steigende Ressourcennachfrage Eine besondere Herausforderung für den physikalischen Bodenschutz bei der Holzernte ergibt sich durch den Klimawandel. Sollte es wärmer und nässer werden und dies auch das Winterhalbjahr betreffen, wird die Zahl der Tage mit guten Bedingungen für die Befahrung bzw. die Zahl der potentiell schadensarmen Erntetage in der traditionellen Einschlagsperiode massgeblich eingeschränkt. Das vergangene Frühjahr (2013) hat hierfür einen Vorgeschmack geboten; der Holzeinschlag ist praktisch über Wochen zum Stillstand gekommen, weil die Waldböden zu nass und die Schadensrisiken zu hoch waren. Sollten Situationen wie im letzten Frühjahr zur Regel werden, verlangt dies von der Forstwirtschaft eine höchst flexible Einsatzplanung und -steuerung. Abbildung 4 verdeutlicht die aufgezeigte Problematik am Beispiel des niederschlags- und temperaturmässigen Durchschnittsjahres 2004. Zu erkennen sind der Tagesgang des gemessenen Bodenwassergehaltes und die modellhaft kalkulierten Grenzwassergehalte für die Befahrung mit verschiedenen Spezialausrüstungen zur bodenschonenden Holzernte: Liegt der aktuelle Wassergehalt unter diesem Grenzwassergehalt, kann man schadensfrei fah- 40 "710+BB" 35 Bodenwassergehalt (Vol.-%) Der Anreiz liegt vor allem im Vermeiden von Ärger mit der Bevölkerung. Dies kann bei der gegebenen Gesamtsituation sogar die staatliche Aufsicht entlasten. Bei Nichtbeachtung drohen beträchtliche Transaktionskosten. Im Extremfall kann die öffentliche Meinung die Legitimationsgrundlage der Holznutzung respektive der Forstwirtschaft insgesamt gefährden. Es ist eine interessante Beobachtung auf der institutionellen Ebene, dass in vergleichsweise kurzer Zeit alle Akteure in der Forstwirtschaft und den flankierenden Systemen national wie international für das Thema sensibilisiert wurden. Im Inland haben hierzu die Ausbildungsaktivitäten der WSL und die Politik des BAFU massgeblich beigetragen. 39 "600+BB" 30 "600", "600+RDA", "710", "710+RDA" 25 20 Jahresverlauf des Bodenwassergehalts 15 10 5 0 1.1.04 1.2.04 1.3.04 1.4.04 1.5.04 1.6.04 1.7.04 1.8.04 1.9.04 1.10.04 1.11.04 1.12.04 Datum Abb. 4. Modellhafte Kalkulation bodenschonender Einsatztage eines Forwarders John Deere JD 1110 D im Verlauf des Jahres 2004 auf sandigem Lehm. (Spjevak et al. 2009; die gestrichelten Linien grenzen die übliche Haupteinschlagszeit zwischen September und März ab; 600 bzw. 710: Reifenbreite in mm; BB: Bogiebänder; RDA: Reifendruckregelanlage). ren. Die bodenschonenden Einsatztage hätten sich im Jahr 2004 hinsichtlich der Referenzvariante und den Varianten mit Breitreifen und Reifendruckregelanlage (rote Linie) vorwiegend auf die Sommermonate beschränkt. In der Haupteinschlagsperiode von September bis März wäre es somit nur selten möglich gewesen, bodenschonend zu fahren. Mit breiteren Reifen und Bogiebändern wäre der Boden auch im Winter praktisch nie zu nass gewesen – ein sehr interessantes Ergebnis, auch wenn die Modellberechnungen im Moment nicht überbewertet werden dürfen und noch genauer zu untersuchen sind. Mögliche Massnahmen sind: – technische Massnahmen, um den spezifischen Bodendruck der Maschinen zu senken wie Moorbänder oder leichtere Maschinen- soweit dies die auszuführende Arbeit zulässt – bessere Ausnutzung guter Wetterperioden, zum Beispiel Zweischichtbetrieb, je nach Situation auch Nachtarbeit, um gute Befahrungsbedingungen optimal auszunutzen – Holzernte auch im Sommer, d.h. in der Vegetationszeit, wenn der Boden trocken ist – grossräumige und flexible Einsatzgestaltung – finanzielle Abgeltung von Massnahmen Die Situation wird verschärft, wenn die Ressourcennachfrage weiter steigt und unter zunehmend schwierigeren Witterungsbedingungen mehr Holz genutzt werden soll. Dies könnte zum Beispiel durch steigende Nachfrage im energetischen Bereich bedingt sein. Hier ist im Fall der Vollbaumnutzung und des damit verbundenen Nährstoffentzugsrisikos infolge der Mitnutzung von Reisig und Nadeln zusätzlich auch der chemische Bodenschutz angesprochen. Vor dem Hintergrund des Klimawandels und des steigenden Bedarfs an erneuerbaren Ressourcen ist zu befürchten, dass – die Risiken zunehmen, dass Bodenschäden entstehen; – die Ansprüche an Umfang und Qualität der Massnahmen zunehmen; – der Kontrollbedarf zunimmt; – die Kosten des Bodenschutzes im Wald deutlich zunehmen. Das heisst, Bodenschutz im Wald könnte in Zukunft schwieriger und teurer werden. 40 9 Diskussion und Folgerungen 9.1Standardisierung Standards sind Institutionen, die eine wichtige Voraussetzung für eine konsequente Umsetzung des physikalischen Bodenschutzes schaffen. Sie sind Verpflichtungen und definieren die optimale Qualität des Arbeitsergebnisses beziehungsweise des Bodenzustands nach der Befahrung. Sie ermöglichen es, die Ausführenden darüber zu informieren, was bei den forstlichen Arbeiten zu vermeiden oder zu erreichen ist und stellen eine Grundlage für die Kontrolle der Arbeiten dar. Weitere Vorteile von Qualitätsstandards für den Bodenschutz sind die zwingende Operationalisierung der allgemein formulierten gesetzlichen Vorschriften, die verbesserte Transparenz und Fairness im Wettbewerb der forstlichen Dienstleister und die Stärkung des gesellschaftlichen Images einer Branche, die in und mit der Natur wirtschaftet und dabei Technik einsetzt. Qualitätsstandards für den Bodenschutz im Wald können letztlich einen Teil der Forum für Wissen 2013 umfassenden Qualitätsstandards der Holzernte darstellen. Der von der WSL vorgeschlagene Spurtyp 3 (Lüscher et al. 2009a; Lüscher et al. 2014) bildet eine gute Basis, um einen Standard im Bereich des physikalischen Bodenschutzes bei der Holzernte abzuleiten. Der Spurtyp 3 stellt eine Konkretisierung und Operationalisierung des Gesetzestextes (langfristig nicht reversible Beeinträchtigung der Bodenfruchtbarkeit und damit des Pflanzenwachstums) dar. In der vorliegenden Form sagt er aber lediglich aus, dass ein ökologischer Schaden eingetreten bzw. mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. Um aus dem Spurtyp 3 einen Standard bzw. eine Norm zu machen, ist es notwendig, ihn weiter zu operationalisieren. Folglich gilt es, mittels weiterer Beschreibung und unter Einbezug der standortskundlichen Voraussetzungen so zu konkretisieren, dass er in eine Regel eingebaut werden kann, deren Einhaltung breite Akzeptanz bei den Beteiligten findet sowie objektiv und effizient kontrolliert werden kann. Dazu muss man zunächst festlegen, welches Ausmass vom Spurtyp 3 vorlie- Interpretation Gesetzliche Vorgabe … keine langfristige Beeinträchti gung der Bodenfruchtbarkeit … Spurtyp 3 aufgrund der ökologischen Auswirkungen definiert gen muss, damit der Standard oder die Regel als verletzt bzw. als nicht erreicht gilt. Denn der Spurtyp 3 ist in der Praxis auch bei fachgerechter forstlicher Arbeit nicht vollständig zu vermeiden. Die notwendige Quantifizierung des tolerierbaren Schadenausmasses kann man zum Beispiel so vornehmen, dass ein bestimmter Anteil der Länge einer Rückegasse den Spurtyp 3 aufweisen darf und dass dieser Anteil sich mit zunehmender Befahrungsempfindlichkeit erhöht. Die Festlegung dieser quantitativen Ausprägungen um einen allgemeinverbindlichen Standard, ist im Rahmen eines politischen Prozesses zwischen den beteiligten Verbänden und Interessengruppen auszuhandeln. Bisher gibt es wie erwähnt noch keine offiziellen Standards für den Bodenschutz. Ihre Entwicklung und Umsetzung wird durch eine theoretisch fundierte Vorgehensweise erleichtert. Dabei schlagen Bergen et al. (2013) für die Formulierung von Standards die drei Ebenen Ökologie, Ökonomie und Politik vor. Auf der ökologischen Ebene sind Mindest-Qualitätsstandards zu formulieren. Auf der ökonomischen Ebene müssen die Kosten für die Bewahrung der Umwelt berücksich- Operationalisierung Standard zusätzlich ökonomisch definiert: Spurtyp 3 inklusive – Ausmass, abhängig vom Standort – Berücksichtigung der Wettbewerbsfähigkeit Grundlage – für Ernteverträge – für Einsatzsteuerung – für Schlagkontrolle Abb. 5. Konzept für einen Qualitätsstandard im physikalischen Bodenschutz bei der Holzernte (Foto Marco Walser) Forum für Wissen 2013 41 tigt werden. Das sind die Kosten der Schadensvermeidung, die im Hinblick auf Angemessenheit überprüft werden müssen. Auf der politischen Ebene geht es um die gesellschaftliche Beurteilung der vorgeschlagenen Zielstandards. Dies geschieht unter Verwendung von zusätzlichen Beurteilungskriterien. Abbildung 5 skizziert den aktuellen Stand eines Konzeptes für einen Qualitätsstandard im physikalischen Bodenschutz bei der Holzernte in der Schweiz. Integration des physikalischen Bodenschutzes in die gesamte produktionsökonomische Planung, Steuerung und Kontrolle der Holznutzung (d.h., in die Arbeitsvorbereitung (AVOR)) zeichnet den nachhaltigen und professionellen Forstbetrieb aus. Verbundeffekte können genutzt werden. Abbildung 6 zeigt einen möglichen Ansatz, um diese Forderung umzusetzen. 9.2 Integration in den Managementprozess Im Rahmen des Beitrages wurde der physikalische Bodenschutz aus verschiedenen ökonomischen Perspektiven beleuchtet. Im Mittelpunkt stand eine Analyse aus (i) Produktions-, (ii) Industrie- und (iii) institutionenökonomischer Sicht. Die Ergebnisse tragen zu einem besseren Verständnis dieses privatwirtschaftlich erzeugten öffentlichen Gutes bei. Mögliche Herausforderungen in der Zukunft bilden Klimawandel und steigende Ressourcennachfrage. Sie können das Problem des forstlichen Bodenschutzes massiv verschärfen und die Mehrkosten in die Höhe treiben. Eine effektive und effiziente Umsetzung der Bodenschutz-Vorschriften im Forstbetrieb setzt zum einen voraus, dass die entsprechenden Aufgaben und die Verantwortlichkeiten klar definiert und abgegrenzt sind. Zum anderen sind diese Aufgaben in die betrieblichen Prozesse der Holzernte und in den Prozess der kantonalen Überwachung der Waldbewirtschaftung zu integrieren. Aspekte des Bodenschutzes sind praktisch im gesamten Ablauf wichtig und zu berücksichtigen. Die 9.3Zusammenfassende Schlussfolgerungen Ad (i) Es konnte festgestellt werden, dass der physikalische Bodenschutz beträchtliche Kosten verursacht, aber auch grossen Nutzen stiften kann. Um den Nutzen zu realisieren sind langfristige ökonomische Aspekte ebenfalls ins Kalkül zu ziehen; hierfür fehlen allerdings derzeit noch praxisgerechte Grundlagen. Potenziale zur Rationalisierung, insbesondere zur Kostensenkung und Professionalisierung sind vor allem im Hinblick auf zukünftig steigende Anforderungen auszunutzen. Zwei wesentliche, zielführende Massnahmen sind (1) die Integration der für den Bodenschutz relevanten betrieblichen (und hoheitlichen) Prozesse in den Ablauf der Holzernte und (2) die Entwicklung einer hochflexiblen Einsatzplanung und -steuerung, insbesondere für den Umgang mit den Folgen des Klimawandels und des Anstiegs der Ressourcennachfrage. Die Basismassnahmen Weiterbildung, Bodenzustandsermittlung sowie Überwachung und Abnahme der Arbeiten haben sich als zielführend erwiesen. Ad (ii) Der Wettbewerbsschutz der öffentlichen Forstbetriebe in der Schweiz gewährleistet derzeit einen Bodenschutz auf vergleichsweise Betriebsplanung Feinerschliessungsplanung Jahresplanung, inkl. Termin und Kapazitätsplanung Verfahrens- und Maschinenwahl Vertragsabschluss / Arbeitsauftrag Bodenzustandsermittlung Entscheind fahren / nicht fahren Fällen, Aufarbeiten, Rücken Abnahme der Arbeiten Berücksichtigung des Bodenschutzes Zusätzlicher Prozess durch Bodenschutz Beurteilung der Fahrspuren, ggf. Erfassung Massnahmen, ggf. Sanktionen Abb. 6. Mögliche Integration des physikalischen Bodenschutzes in die Prozesse von betrieblicher Planung und Durchführung der Holzernte und hoheitlicher Überwachung (Spjevak und Thees 2009). 42 Forum für Wissen 2013 Zum Beispiel durch die ökonomische Ergänzung der gerade genannten naturwissenschaftlichen Untersuchungen und die Berechnung jährlicher Holzproduktionswerte (Annuitäten; Möhring und Rüping 2008) zur Quantifizierung möglicher Nutzungsverzichte infolge der bodenschonenden Holzernte. 10Literatur Abb. 7. Beim Einsatz von Maschinen im Wald gilt es, den Boden schonend zu befahren und dabei die Balance zwischen den ökologischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Anforderungen der Nachhaltigkeit zu wahren. Das Bild zeigt einen Forwarder bei der Rückearbeit, ausgerüstet mit Traktionshilfswinde und Bogiebändern (Traktionsbänder). Diese Ausrüstungen vermindern den Schlupf und ermöglichen so ein bodenschonendes Arbeiten am Hang. (Foto: Fritz Frutig) hohem Niveau. Die Wettbewerbsfähigkeit des Holzes ist angesichts der Schweizer Eigentums- und Marktstrukturen durch den Bodenschutz (noch) nicht gefährdet. Allerdings kann zunehmender Kostendruck in den Forstbetrieben zu Einschränkungen beim Bodenschutz führen und die Wettbewerbsfähigkeit des Schweizer Holzes beeinträchtigen. Diesem Problem kann insbesondere durch produktions- und institutionenökonomische Massnahmen begegnet werden. Ad (iii) Die für den Bodenschutz sensibilisierte Bevölkerung und das forstliche Berufsethos entschärfen Anreiz- und Kontrollprobleme bei der Erstellung des öffentlichen Gutes. Die Zertifizierung kann marktstrukturbedingt derzeit nicht zu einer Verbesserung des Bodenschutzes beitragen. Durch die zu schaffende Institution eines Standards bezüglich der zu vermeidenden Schadwirkung (auf der Grundlage einer Fahrspurtypisierung) lässt sich bei entsprechender Gestaltung ein Konsens zwischen allen Betei- ligten – Waldbesitz, Bevölkerung und Forstunternehmertum – schaffen, welcher einen Anreiz zum Schutz des Bodens bildet, die Balance zwischen den drei Dimensionen der Nachhaltigkeit (Ökologie, Ökonomie und Soziales) nicht aus den Augen verliert und gleiche Wettbewerbsbedingungen für die forstlichen Dienstleister gewährleistet. Zur Gewährleistung und Verbesserung des physikalischen Bodenschutzes im Wald bedarf es auch weiterer Forschung und Umsetzung: Noch fehlen wichtige bodenphysikalische und bodenbiologische Grundlagen. Aktuell werden zum Beispiel Erkenntnisse über die Folgen der erhöhten Befahrungsfrequenz bei vergrösserten Rückegassenabständen und des Einsatzes verschiedener Arten von Bogiebändern benötigt. Die ökonomische Analyse und Bewertung sollte fortgesetzt werden, um die wirtschaftlichen Konsequenzen des Bodenschutzes besser beurteilen und entsprechend bessere Entscheide fällen zu können: BAFU (Hrsg.) 2013: Waldpolitik 2020. Visionen, Ziele und Massnahmen für eine nachhaltige Bewirtschaftung des Schweizer Waldes. Bergen, V.; Löwenstein, W.; Olschewski, R., 2013: Forstökonomie. Volkswirtschaftliche Ansätze für eine vernünftige Umwelt und Landnutzung. Vahlens Handbücher der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Verlag Vahlen. 477 S. Holenstein, B., 2013: Es hat noch Potenzial zur Rationalisierung. Interview mit Markus Brunner – neuer Direktor WVS, Schweizer Holzzeitung 21.08.2013. Franck, E.; Pudack, T., 2005: Integration of management and law enforcement functions in Swiss forestry. Revisiting the boundaries of the forest firm. Section Forest Use Management. Working paper No. 5. Iten, B., 2009: Gesetzliche Grundlagen für den physikalischen Bodenschutz bei der Holzernte. In: Thees, O.; Lemm, R. (Hrsg.): Management zukunftsorientierter Waldnutzung. Beiträge aus einem Forschungsprogramm für die Schweizer Waldwirtschaft. Zürich, Vdf-Verlag: S. 247–259. Jäger, T.; 2012: Quantifizierung der monetären Vorteile von intakten Waldböden und allfälliger Mehraufwände bei der Holzernte. Masterarbeit Eidg. Technische Hochschule Zürich, Departement Umweltsystemwissenschaften. 108 S. Kuhn, C., 2011: Umgang mit Konfliktpotential in stadtnahen Wäldern. Der multifunktionale Wald – Konflikte und Lösungen. Forum für Wissen 2011: 23–25. Lüscher, P.; Borer, F.; Blaser, P., 2009a: Langfristige Beeinträchtigung der Fruchtbarkeit des Waldbodens durch mechanische Belastung. In: Thees, O.; Lemm, R. (Hrsg.) Management zukunftsfähige Waldnutzung. Grundlagen, Methoden und Instrumente. Birmensdorf, Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL; Zürich, VDF. 261–270. Forum für Wissen 2013 Lüscher, P.; Frutig, F.; Sciacca, S.; Spjevak, S.; Thees, O., 2009b: Physikalischer Bodenschutz im Wald. Bodenschutz beim Einsatz von Forstmaschinen. Merkbl. Prax. 45: 12 S. Lüscher, P.; Thees, O.; Frutig, F., 2014: Physikalischer Bodenschutz im Wald. Umwelt-Wissen Nr. Bundesamt für Umwelt, Bern (in Vorbereitung). Möhring, B., Rüping, U., 2008: A concept for calculation of financial losses when changing the forest management strategy. For. Policy Econ. 10: 98–107. Richter, R.; Furubotn, E.G., 2010: Neue Institutionenökonomik. Eine Einführung und kritische Würdigung. 4. Überarbeitetet und erweiterte Auflage; Tübingen, Mohr. 678 S. 43 Schwyzer, A.; Abegg, M.; Keller, M.; Ulmer, U., 2010: Gesundheit und Vitalität. In: Brändli, U.-B. (Red.): Schweizerisches Landesforstinventar. Ergebnisse der dritten Aufnahme 2004–2006. Birmensdorf, Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft. Bern, Bundesamt für Umwelt. Spjevak, S.; Thees, O., 2009: Konzeptionelle Überlegungen zum Management des physikalischen Bodenschutzes bei der Holzernte. In: Thees, O.; Lemm, R. (Hrsg.) Management zukunftsfähige Waldnutzung. Grundlagen, Methoden und Instrumente. Birmensdorf, Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL; Zürich, VDF. 271–291. Abstract Economic aspects of soil protection in forest Physical soil protection during timber harvesting is important in Switzerland not only ecologically but also economically. We analysed these economic aspects from the points of view of production, industrial and new institutional economics. The results contribute to a better understanding of this privately produced public good. Protecting the soil physically costs money but pays off in the long run. Since competition between the public enterprises is limited, it is possible to ensure soil protection at a high level. Both the public and professionals are aware of the need to protect forests, which makes it easier to solve motivational and monitoring problems. Forest certification is not appropriate for improving soil protection under the current market conditions. Our standard typology of vehicle tracks provides a basis for developing a standard for acceptable levels of soil disturbance. With such a standard it should be possible to reach a consensus on good practice among all stakeholders – the owners, the public and the forest contractors. Challenges for the future will be coping with climate change and a growing demand for resources, which will make soil protection more difficult and more expensive. Further economic analysis is needed to improve decision making about soil protection to ensure sustainable forest management. Keywords: soil protection, timber harvesting, skid lane, economics Spjevak, S.; Thees, O.; Lüscher, P., 2009: Ein Versuch zur modellgestützten Bestimmung des Nutzens von Forstmaschinenausrüstungen für den physikalischen Bodenschutz bei der Holzernte. In: Thees, O.; Lemm, R. (Hrsg.) Management zukunftsorientierter Waldnutzung. Beiträge aus einem Forschungsprogramm für die Schweizer Waldwirtschaft. Zürich, Vdf-Verlag. 293–317. Vogt, C.; Sturm, B., 2011: Umweltökonomie: Eine anwendungsorientierte Einführung, Springer-Verlag. 49 S. Forum für Wissen 2013: 45–46 45 Bodenverdichtung und Bodenstruktur Rainer Schulin1, Christine Meyer1,2 und Peter Lüscher2 1 2 ETH Zürich, Institut für Terrestrische Oekosysteme, Universitätstrasse 16, CH-8092 Zürich WSL Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft, Zürcherstrasse 111, CH-8903 Birmensdorf Bodenverdichtung ist ein zentrales Thema im Bodenschutz. War es früher auf Landwirtschaftsböden beschränkt, so ist es in den letzten zwei Jahrzehnten auch zunehmend zu einem Problem im Wald geworden. Wird durch das Befahren mit schweren Maschinen die Tragfähigkeit des Bodens überschritten, so werden die Bodenteilchen so dicht zusammengepresst, bis der Boden genügend Widerstand gegen weitere Verdichtung aufbringt. Dadurch wird der Porenraum verringert, der für das Bodenwasser, die Durchlüftung und das Bodenleben zur Verfügung steht. Besonders ungünstig ist die Verquetschung von Grobporen, da diese für die Durchlüftung eines Bodens entscheidend sind und schon die Verengung an einer einzigen Stelle ausreicht, um die Entwässerung einer Pore um Grössenordnungen zu verlangsamen. Die Folgen sind Wasserstau und Sauerstoffmangel im Wurzelraum bei Niederschlägen. Der Verlust an Grobporen ist daher viel gravierender als der von feineren Poren, und der Verlust an Porenkontinuität viel schwerwiegender als nur der Verlust an Porenvolumen. Dies ist aber nur die eine Seite in der Beziehung zwischen Bodenverdichtung und Bodenstruktur. Die andere ist, dass auch die Empfindlichkeit gegenüber Verdichtung sehr stark von der Struktur abhängt und auch hier grosse Unterschiede zwischen verschiedenen Porentypen bestehen. Nicht nur ist der Verlust von Grobporen problematischer für die pflanzenbauliche Bodenqualität als der von feineren Poren, Grobporenraum wird zudem auch leichter zusammengedrückt. Zumindest war dies bisher die Lehrmeinung. Neuere Untersuchungen zeigen, dass auch hier eine Differenzierung notwendig ist. Während Grobporen, die aus Zwischenräumen zwischen Aggregaten bestehen, tatsächlich besonders leicht zusammengedrückt werden, weisen zylindrische Röhren und Kapilla- ren, wie sie insbesondere durch Regenwürmer und Wurzeln gebildet werden, eine vergleichsweise hohe Stabilität auf. Die Förderung von Bedingungen, welche die Bildung solcher Bioporen begünstigen, sollte also in der Landwirtschaft wie im Waldbau eine hohe Priorität haben. Ein verdichteter Boden kann mit technischen Massnahmen gelockert werden. Dies ist aber zum einen aufwendig und vor allem im Wald nur in beschränktem Masse – wenn überhaupt – möglich. Zum anderen kann durch künstliche Lockerung allein die ursprüngliche Bodenstruktur nicht wiederhergestellt werden, sondern höchstens eine Beschleunigung der natürlichen Regenerationsprozesse erreicht werden, indem die Drainage und damit die Durchlüftung gefördert wird, so dass es strukturbildende Organismen einschliesslich Pflanzenwurzeln leichter haben, verdichtete Partien wieder zu erschliessen. Je tiefer die Verdich- Abb. 1. Alle drei Fotos zeigen dieselbe Fahrspur am Standort Ermatingen (Thurgau), links: Fahrspurtyp 3, mittig: Fahrspur mit Bepflanzungsmassnahmen (Schwarzerlen), rechts: Situation 3 Jahre nach der Bepflanzung. Fotos: Roger Köchli und Christine Meyer. 46 tung reicht, umso langsamer wirken diese Prozesse, und wie durch Gletscherauflast verursachte geogene Verdichtungen zeigen, können Verdichtungen des tieferen Unterbodens auch nach Jahrtausenden noch vorhanden sein. Es sollte daher absolut prioritär sein, Bodenverdichtungen zu vermeiden, vor allem solche, die bis in den tieferen Unterboden reichen. Für die Tiefenwirkung ist auf der Belastungsseite nicht der Kontaktflächendruck sondern die Auflast als ganzes entscheidend, auf der Bodenseite die Feuchtigkeit. Mit anderen Worten: Es muss unbedingt vermieden werden, einen Boden mit zu schweren Maschinen bei zu feuchten Bedingungen zu befahren. Trotzdem gibt es Situationen, in denen sich eine solche Befahrung Forum für Wissen 2013 nicht völlig vermeiden lässt, und auch viele Standorte, an denen der Boden durch frühere Befahrungen bereits verdichtet ist. Hier stellt sich die Frage, wie die Wiederherstellung einer für die Bestandesentwicklung günstigen Bodenstruktur möglichst wirksam und kostengünstig beschleunigt oder überhaupt erreicht werden kann. In einem kürzlich abgeschlossenen Forschungsprojekt haben wir gefunden, dass sich dazu die Bepflanzung von stark verdichtetem Boden mit Schwarzerlen sehr gut eignen kann (Abb. 1). Die Ergebnisse dieser Untersuchung weisen darauf hin, dass Erlenwurzeln eine eigentliche Pionierfunktion in der Erschliessung von verdichtetem Boden für andere Organismen haben können. Es zeigte sich nämlich, dass sich zunächst und in enger Korrelation mit der Durchwurzelung die Luftleitfähigkeit erhöhte und erst mit Verzögerung in signifikantem Mass Grobporenraum gebildet wurde. Dies liess darauf schliessen, dass zunächst durch die Wurzeln entwässerter Porenraum geschaffen werden musste, bevor durch andere Prozesse weitere Struktur entstehen konnte. Das Fazit dieses Vortrags ist, dass es für das Verständnis der Zusammenhänge zwischen Bodenverdichtung und Bodenstruktur die Erkenntnis entscheidend ist, nicht nur zwischen Poren unterschiedlicher Grösse zu unterscheiden, sondern dass auch die Form und Art der Entstehung wesentlich sind. Forum für Wissen 2013: 47–53 47 Sind Waldbodenfunktionen nachhaltig gewährleistet? Beispiel Säurepufferung Stephan Zimmermann und Jörg Luster WSL Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft, Zürcherstrasse 111, CH-8903 Birmensdorf, [email protected] Im Hinblick auf klimatische Veränderungen und anthropogene Stoffbelastungen stellt sich die Frage, in wie weit die Regulierungsfunktionen von Waldböden – dazu gehören einerseits die Speicherung von Wasser, Kohlenstoff und Nährstoffen, andererseits die Säurepufferung und Rückhaltung von Schadstoffen – nachhaltig gewährleistet sind. In einer Fallstudie anhand von Waldböden an 115 Standorten in den Zentralschweizer Kantonen untersuchten wir diese Frage exemplarisch für die Säurepufferung. Als Indikator verwendeten wir eine auf profilumfassenden Kriterien abgestützte Klassierung der Empfindlichkeit für eine Abnahme der Basensättigung bei anhaltender Säurebelastung. Wir können damit beurteilen, wie gut Böden mittel- und langfristig mit weiteren Säure-Einträgen umgehen können, ohne dass wichtige Bodenfunktionen gefährdet sind. 1Einleitung Böden erfüllen wichtige Funktionen für Mensch und Umwelt. Eine heute akzeptierte Einteilung ist in «Produktionsfunktion», «Regulierungsfunktion», «Lebensraumfunktion», «Trägerfunktion», «Rohstofffunktion» und «Archivfunktion» (BAFU 2011). Für den Wald sind in erster Linie die ersten drei wichtig, wobei die Produktions- und die Regulierungs-Funktion zudem mit ökonomisch bewertbaren ÖkosystemDienstleistungen wie Holz- und Energieproduktion, der Zur-VerfügungStellung von sauberem Trinkwasser oder dem Schutz vor Naturgefahren verknüpft sind. Im Hinblick auf klimatische Veränderungen und anthropogene Stoffbelastungen ist die Regulierungsfunktion von Waldböden von zentraler Bedeutung. Der Waldboden fungiert als Speicher und Reaktor in den Kreisläufen von Kohlenstoff und Nährelementen wie Stickstoff, Phosphor, Schwefel und Kalium. Durch chemische, zu einem grossen Anteil mikrobiell katalysierte Umwandlungen werden gespeicherte Nährstoffe den Organismen (wieder) zur Verfügung gestellt. Die Speicherung von Kohlenstoff im Humus ist ein bedeutender Prozess zur Bindung des Treibhausgases Kohlendioxid, wobei weltweit im Humus der Böden rund doppelt so viel Kohlenstoff gespeichert ist wie in der Atmosphäre (Schimel 1995). Eine weitere wichtige Regulierungsfunktion spielen Waldböden im Wasserhaushalt, indem sie Wasser speichern, es den Pflanzen zur Verfügung stellen und bei Starkniederschlägen Abflussspitzen brechen können. Böden wirken auch als Filter für Schadstoffe, indem diese dort gebunden, abgebaut oder umgewandelt werden. Dies führt zu einem effektiven Schutz des Grundwassers vor Verunreinigungen. Die Qualität von Trinkwasser aus Grundwasser-Quellen unter Wald ist deshalb weitestgehend gut (Hegg et al. 2004). Im Zusammenhang mit der Erfüllung der Regulierungsfunktionen muss der Waldboden als einzigartiger Lebensraum bzw. als Gesamtsystem betrachtet werden, welches nicht nur die festen Bodenbestandteile mit ihren chemischen Eigenschaften, sondern auch den wasser- beziehungsweise luftgefüllten Porenraum, die Pflanzenwurzeln, die Mikroorganismen und die Bodenfauna mit einschliesst. Das Potential der Böden, Regulierungsfunktionen nachhaltig zu gewährleisten steht in direktem Zusammenhang mit der Nachhaltigkeit der den Funktionen zu Grunde liegenden Einzel-Prozesse. Ein Prozess kann dann als nachhaltig beziehungsweise längerfristig wirkend betrachtet werden, wenn er auf Störungen oder gerichtete Veränderungen relativ unempfindlich reagiert. Unter gerichteten Veränderungen verstehen wir in diesem Zusammenhang den anhaltenden Eintrag oder die Produktion von sauren und versauernden Substanzen, ohne dass dem System zusätzliche Säureneutralisationskapazität zugeführt wird. Die Beurteilung der Nachhaltigkeit einer Regulierungsfunktion möchten wir am Beispiel der Waldbodenversauerung und der entsprechenden Säurepufferungs-Prozesse illustrieren. Im folgenden beurteilen wir den Stand der Bodenversauerung von 115 Waldböden in den Zentralschweizer Kantonen (LU, OW, NW, SZ, UR, ZG) und schätzen die Gefährdung der Pufferfunktion bei anhaltendem Eintrag von Säuren und versauernden Substanzen ab. 2Methodisches Alle nachfolgenden Beurteilungen erfolgen aufgrund der Eigenschaften der Mineralbodenhorizonte der 115 untersuchten Waldböden. Anhand dieser Eigenschaften werden die Beurteilungskriterien für den Stand der Bodenversauerung und die Empfindlichkeit für eine Abnahme der Basensättigung hergeleitet. Die organischen Auflagehorizonte werden nicht berücksichtigt, da ihre chemischen Eigenschaften zeitlich stark variabel sind und sie für die Säurepufferung nur eine untergeordnete Bedeutung haben. 2.1 Definition von Säureklassen Abbildung 1 zeigt für die insgesamt 650 Mineralbodenhorizonte der 115 untersuchten Böden die kumulative Häufigkeitsverteilung der pH-Werte und die prozentualen Anteile der austausch- 48 Forum für Wissen 2013 lung weisen auf eine geringe, steile Abschnitte auf eine hohe Effizienz der im entsprechenden Bereich dominierenden Pufferreaktionen hin. Aufgrund dieser in allen Böden ähnlichen Verhältnisse können Pufferbereiche mit entsprechenden dominierenden Pufferreaktionen und ihrer Puffereffizienz definiert werden (Schwertmann und Fischer 1982; Ulrich 1983; Schwertmann et al. 1987). Im weiteren bezeichnen wir diese als Säureklassen (Tab. 1; Blaser et al. 2008b). baren Kationen in den unterschiedlichen pH-Klassen. Während erstere Informationen über die Puffereffizienz in den verschiedenen pH-Bereichen liefert, widerspiegelt die Austauscher Belegung die vorherrschenden Pufferreaktionen. Zwei flache Abschnitte mit vergleichsweise wenig Bodenproben in den Bereichen pH < 3,6 und zwischen pH 4,8 und 7,0 stehen steileren Abschnitten mit deutlich mehr Bodenproben zwischen pH 3,6 und 4,8 sowie pH > 7,0 gegenüber. Flache Abschnitte der kumulativen Häufigkeitsvertei- Tab. 1. Definition der Säureklassen nach Blaser et al. 2008b mit entsprechenden dominanten Pufferreaktionen und -effizienzen und Abgrenzungen gemäss dem in dieser Arbeit diskutierten Datensatz von Abbildung 1. Säureklasse pH-Wert [0,01 M CaCl2] Dominante Pufferreaktion Puffereffizienz 1 > 7,00 Karbonatverwitterung gross 2 5,61–7,00 Protonierung variabler Ladungen; Silikatverwitterung gering 3 4,61–5,60 wie Säureklasse 2, jedoch beginnende Auflösung von Al-Verbindungen gering 4 3,81 – 4,60 Auflösung von Al-Verbindungen gross 5 < 3,80 Protonierung der organischen Substanz; Auflösung von Al- und Fe-Verbindungen mittel Säureklasse 3 2 1 100 7,6–7,8 7,2–7,4 6,8–7,0 6,4–6,6 0 6,0–6,2 0 5,6–5,8 20 5,2–5,4 20 4,8–5,0 40 4,4–4,6 40 4,0–4,2 60 3,6–3,8 60 3,2–3,4 80 2,8–3,0 80 2,4–2,6 Belegung des Austauschers (%) 100 4 Anteil der Mineralbodenproben (%) 5 pH-Klassen (pH CaCl2) H% Fe % Mn % Al % BS % Abb. 1. Mittlere prozentuale Belegung des Austauschers der untersuchten Mineralbodenproben (N = 650) mit basischen Kationen (BS) und sauren Kationen (Al, Mn, Fe, Protonen H) in Abhängigkeit von der pH-Klasse (Klassenbreite 0,2 pH-Einheiten). Diesem Säulendiagramm ist die kumulative Häufigkeitsverteilung der pH-Werte überlagert (rechte y-Achse; schwarze Linie). 2.2 Stand der Bodenversauerung Der Stand der Bodenversauerung wird in fünf Stufen von sehr schwacher bis sehr starker Versauerung beurteilt (Tab. 2, Blaser et al. 2008b). Als erstes Kriterium für die Klassierung dient die relative Belegung des Austauschers der gesamten Feinerde eines Bodens mit sauren Kationen. Aus dem in Abbildung 1 ersichtlichen Zusammenhang zwischen Säureklasse und AustauscherBelegung geht hervor, dass ein Boden umso stärker versauert ist, desto geringer die Basensättigung ist. Dabei bleibt allerdings unberücksichtigt, dass in sauren Böden, welche sich aus karbonathaltigem Ausgangsgestein entwickelt haben, bei gleichem pH-Wert die Basensättigung im Vergleich zu Böden aus karbonatfreiem Gestein grösser ist (Blaser et al. 2008a). Der Grund dafür ist einerseits kapillarer Aufstieg von basenreichem Wasser aus tieferen Bodenschichten, andererseits eine allgemein grössere Kationenaustauschkapazität in Böden aus karbonathaltigem Gestein. Um die Unterschiede zwischen Böden auf karbonathaltigem und saurem Gestein in die Beurteilung einfliessen zu lassen, wird als zweites Kriterium für die Klassierung des Standes der Bodenversauerung die Variabilität des pH-Wertes mit der Bodentiefe herangezogen. Dazu wird ein pH-Gradient errechnet, welcher der Differenz der Säureklasse mit dem tiefsten im Boden vorkommenden pH-Wert und der Säureklasse mit dem angenommenen pHWert zu Beginn der Bodenentwicklung entspricht. Auf karbonathaltigem Ausgangsgestein liegt der pH-Wert zu Beginn sicherlich im alkalischen Bereich, das heisst in Säureklasse 1. In Böden, welche sich aus karbonatfreiem Ausgangsmaterial entwickelt haben, wird angenommen, dass sich der pHWert zu Beginn der Bodenentwicklung im Bereich des pH-Wertes von Regenwasser von 5.5 bis 6.0, d.h. in Säureklasse 2, befindet (Bohn et al. 1985; Blaser et al. 2005). Dies liegt einerseits daran, dass in diesem Stadium der Gehalt an Tonmineralen mit variablen Ladungen gering und somit langsame Silikatverwitterung die dominante Pufferreaktion ist. Andererseits weist der Boden zu Beginn eine höchstens spärliche Pflanzendecke auf und die biologische Forum für Wissen 2013 49 Tab. 2. Klassierung des Standes der Bodenversauerung unter Verwendung der total austauschbaren Menge saurer Kationen (SK = Al3+ + Fe3+ + Mn2+ + H+) im Boden und des pHGradienten im Bodenprofil. Bestimmung des pH-Gradienten siehe Text. Stand der Bodenversauerung % saure Kationen (SK) pH-Gradient < 3 pH-Gradient 3 pH-Gradient 4 ≤ 25 sehr schwach schwach mässig 26–50 schwach mässig stark 51–70 mässig stark sehr stark 71–85 stark sehr stark sehr stark > 85 sehr stark sehr stark sehr stark Basensättigung [%] 100 80 60 40 20 7,6–7,8 7,2–7,4 6,8–7,0 6,4–6,6 6,0–6,2 5,6–5,8 5,2–5,4 4,8–5,0 4,4–4,6 4,0–4,2 3,6–3,8 3,2–3,4 2,8–3,0 2,4–2,6 0 pH-Klassen (pH CaCl2) Abb. 2. Boxplots der Basensättigungen der untersuchten Bodenproben in verschiedenen pH-Klassen (Klassenbreite 0,2 pH-Einheiten). Die Box stellt den Median und die 25 Prozent und 75 Prozent Quartile der Einzelmesswerte dar mit Minimum und Maximum als T-Balken; die Punkte sind Ausreisser, Sterne extreme Ausreisser. Aktivität ist gering, weshalb der CO2Partialdruck im Boden ungefähr jenem der Atmosphäre entspricht. Regen wie auch Bodenwasser haben beim CO2Partialdruck der Atmosphäre einen pH-Wert zwischen 5,5 und 6,0 Die Klassierung des Standes der Bodenversauerung mit Hilfe der Kombination der beiden Kriterien «Austauscher-Belegung mit sauren Kationen» und «pH-Gradient» ist in Tabelle 2 aufgeführt. 2.3 Empfindlichkeit für eine Abnah me der Basensättigung Als Kriterium für die Nachhaltigkeit der Säurepufferung wird die Empfind- lichkeit eines Bodens beurteilt, in wie weit die Basensättigung bei anhaltender Säurebelastung abnimmt. Betrachten wir zunächst den Zusammenhang zwischen Basensättigung und pH-Wert, wie er in Abbildung 2 dargestellt ist. Bei pH-Werten grösser als 5,6 ist der Kationen-Austauscher des Bodens praktisch vollständig mit basischen Kationen besetzt (Basensättigung > 99%). Im Verlaufe der Bodenentwicklung nimmt die Basensättigung erst dann ab, wenn der pH-Wert unter 5,4 fällt. Danach nimmt sie bis zu einem pH-Wert von 4,6 zuerst langsam auf rund 75 Prozent und dann schnell auf einen durchschnittlichen Wert von rund 11 Prozent bei einem pH-Wert von 3,2 ab. Bei noch tieferen pH-Werten gibt es keinen Hinweis, dass die Basensättigung noch weiter abnimmt. Die Bodenproben in diesem sehr stark sauren pHBereich stammen zu einem grossen Teil von mineralischen Oberböden, welche viel organische Substanz enthalten und deren Kationen-Austauscherplätze durch den Nährstoffkreislauf (Streumineralisierung) periodisch mit basischen Kationen versorgt werden. Dadurch kann sich die Basensättigung auf einem für den tiefen pH-Wert relativ hohen Niveau halten. Andererseits finden sich im pH-Bereich < 3,8 auch zahlreiche Unterbodenproben mit sehr tiefer Basensättigung. Im Hinblick auf solche Proben stellte Hildebrand (1986) fest, dass bei fortschreitender Versauerung eine Reserve von basischen Kationen am Austauscher von etwa fünf Prozent nicht unterschritten wird. Das heisst, es gibt auch hier eine untere Grenze der Basensättigung. Aus dem Zusammenhang zwischen Basensättigung und pH-Wert, wie er in Abbildung 2 dargestellt ist und oben erläutert wurde, ergibt sich, dass die Empfindlichkeit für eine Abnahme der Basensättigung bei anhaltender Säurebelastung im pH-Bereich 3,2 bis 5 am grössten ist. Diese Empfindlichkeit wird deshalb in Böden, welche relativ viel Feinerde in diesem pH-Bereich haben, grösser sein als in Böden, deren Feinerde sich in anderen pH-Bereichen befindet. Da aber die Basensättigung eine relative Grösse ist, muss noch die Kationenaustauschkapazität berücksichtigt werden. Die Empfindlichkeit ist umso kleiner, je grösser die Kationenaustauschkapazität der Feinerde ist, da bei einer grossen Austauschkapazität mehr Säureeintrag notwendig ist, um eine bestimmte Abnahme der Basensättigung zu verursachen. Für die Klassierung der Empfindlichkeit wird zunächst derjenige Anteil (%) an der gesamthaft vorhandenen Feinerde in den obersten 100 cm des Mineralbodens berechnet, welcher sich im kritischen pH-Bereich von 3,2 bis 5,0 befindet (Blaser et al. 2008b). Als zweites Kriterium wird für diesen Teil des Mineralbodens eine mit der Horizontmächtigkeit gewichtete durchschnittliche Kationenaustauschkapazität berechnet. Die Empfindlichkeit ergibt sich als Kombination der beiden Kriterien, wie in Tabelle 3 dargestellt. 50 Forum für Wissen 2013 Tab. 3. Definition der Empfindlichkeitsklassen für eine Abnahme der Basensättigung bei anhaltender Säurebelastung. % empfindliche Feinerde > 100 25–100 < 25 0 kein Risiko kein Risiko kein Risiko < 25 sehr gering sehr gering gering 25–50 sehr gering gering mässig 50–75 gering mässig gross > 75 mässig gross sehr gross 3 Beurteilung der Zentral schweizer Waldböden mittlere Kationenaustauschkapazität [mmolc*kg-1] 3.1 Stand der Bodenversauerung Anteil der Böden (%) 40 30 20 10 0 Anteil der Böden (%) sehr schwach 35,7 schwach 10,4 mässig 3,5 stark 11,3 sehr stark 39,1 Stand der Bodenversauerung mittlere gewichtete CEC bis 100 cm Tiefe (mmolc kg-1) 400 300 200 100 0 0 25 50 75 100 Anteil empfindlicher Feinerde bis 100 cm Tiefe (%) Abb. 3. Stand der Bodenversauerung von 115 Waldböden in den Zentralschweizer Kantonen. Dargestellt sind die Häufigkeiten in den einzelnen Versauerungsklassen gemäss Tabelle 2. 112 Böden haben sich auf karbonathaltigem, 3 auf karbonatfreiem Ausgangsgestein entwickelt. Empfindlichkeit sehr gering gering mässig gross sehr gross Abb. 4. Klassifikation der Böden im Hinblick auf ihre Empfindlichkeit für eine Abnahme der Basensättigung. Die vertikalen, gestrichelten Linien trennen drei Bereiche der Kationenaustauschkapazität im Profil (als bis 100 cm Tiefe gewichtete Mittelwerte) und die horizontalen Linien die vier Bereiche verschiedener Anteile empfindlicher Feinerde (siehe Tab. 3). Die Bodenprofile ohne Risiko liegen auf der x-Achse. Die Versauerung von Böden ist eine Folge längerfristig anhaltender, gerichteter Veränderungen in Stoffkreisläufen offener Ökosysteme. Ein Boden versauert natürlicherweise, da in einem offenen Waldökoystem in unseren Breitengraden einerseits auch ohne anthropogene Quellen Säuren über die Atmosphäre eingetragen werden, andererseits infolge zeitlicher und räumlicher Entkopplung interner säure-produzierender und -verbrauchender Prozesse basische Kationen dem System durch Auswaschung verloren gehen. In bodengenetisch jüngster Zeit wurden die atmogenen Säureeinträge zudem anthropogen verstärkt. Da es praktisch unmöglich ist, den Beitrag von natürlich und anthropogen bedingter Versauerung zu trennen, beschränken wir uns darauf, den Stand der Bodenversauerung insgesamt zu beurteilen, d.h. ohne auf die Quellen der versauernden Substanzen einzugehen. Abbildung 3 zeigt die Klassierung des Standes der Bodenversauerung gemäss Kapitel 2.2. für die 115 untersuchten Bodenprofile in den Zentralschweizer Kantonen. Die meisten Böden sind sehr schwach (36 %) oder sehr stark (39 %) versauert, während sich nur ein geringer Anteil der Böden in den mittleren Kategorien befindet. Unter den sehr stark versauerten Böden befinden sich alle Standorte auf karbonatfreiem Ausgangsgestein. Im Weiteren setzt sich das Ausgangsgestein der sehr stark versauerten Böden zum überwiegenden Teil aus kalkarmer Molasse sowie aus Terrassenschottern und Moränen der Risseiszeit zusammen. Diese Böden befinden sich heute vorwiegend im Al- bis Fe-Pufferbereich, und die Karbonatgrenze befindet sich oft in Tiefen von mehr als zwei Metern beziehungsweise unterhalb des Profilaufschlusses. Ganz anders ist die Situation bei den sehr schwach versauerten Böden. Hier dominieren stark karbonathaltige Gesteine (junge Moränen, Kalke und Kalkmolasse), und die Tiefe der aktuellen Karbonatgrenze wurde überall erschlossen. Forum für Wissen 2013 3.2 Empfindlichkeit gegenüber einer Abnahme der Basensättigung Bei 36 der insgesamt 115 Waldböden besteht kein Risiko für eine Abnahme der Basensättigung, da sie keine Feinerde im sensitiven pH-Bereich aufweisen. Zwei Vertreter dieser Empfindlichkeitsklasse sind in Abbildung 5.0 mit pH-Wert und Basensättigung exemplarisch dargestellt. Von den 36 unempfindlichen Böden liegen bei 13 die pH-Werte im ganzen Profil über sieben oder knapp darunter und der Kationenaustauscher ist praktisch vollständig basengesättigt (profilumfassend > 98 Prozent, zum Beispiel Profil Buchrain). Bei weiteren 22 Böden, repräsentiert durch Profil Schwarzenbach, wird irgendwo im erschlossenen Teil des Bodenprofils die Kalkgrenze erreicht und im Oberboden ist der pHWert im Bereich zwischen 5 und 7. Die Basensättigung dieser Böden liegt in allen Horizonten zwischen 95 und 100 Prozent. Die 35 Böden dieser beiden Kategorien sind also unempfindlich gegenüber einer Abnahme der Basensättigung weil sie sich weitgehend im Karbonatpufferbereich oder teilweise knapp darunter befinden und die Basensättigung somit profilumfassend sehr hoch ist. Einer der als unempfindlich klassierten Böden hingegen weist im ganzen zu beurteilenden Tiefenbereich pH-Werte unterhalb der unteren Grenze des sensitiven pH-Bereichs von 3,2 auf, während die Basensättigung zwischen 30 und 50 Prozent liegt. Das sind Werte, welche in einem Bereich schneller Abnahme liegen, womit dieser Boden mit den definierten Kriterien falsch klassiert wird. Dies liegt aber nicht grundsätzlich am tiefen pHWert. Man könnte sich nämlich vorstellen, dass ein Boden bereits so stark versauert ist, dass die Basensättigung im Bereich des «eisernen» MinimalBestandes von etwa 5 Prozent liegt und kein Risiko zur Abnahme besteht, weil dies gar nicht mehr möglich ist. Dieser Fall tritt unter den 115 Waldböden in den Zentralschweizer Kantonen aber nicht auf. Bei den übrigen 79 Bodenprofilen besteht eine sehr geringe bis grosse Empfindlichkeit für eine Abnahme der Basensättigung. Die Verteilung auf die verschiedenen Risikoklassen geht aus Abbildung 4 hervor. In Abbildung 51 5.1 bis 5.4 ist ersichtlich, dass das Risiko umso grösser ist, desto stärker der Oberboden versauert und entkarbonatet ist. In der Gruppe 1 (sehr geringes Risiko) befinden sich Böden, bei denen im erschlossenen Teil des Bodenprofils die Kalkgrenze erreicht wird und bei denen im Oberboden der pH-Wert zum Teil bereits stark abgesunken ist, teilweise sogar unterhalb von fünf, so dass die Basensättigung in diesen Horizonten im kritischen Bereich liegt. Erst mit zunehmender Ausdehnung des kritischen pH-Bereiches in die Unterboden-Horizonte wird die Empfindlichkeit zu einer Abnahme der Basensättigung grösser als «sehr gering». Bei den Böden der Gruppe 4 ist die Versauerung so weit fortgeschritten, dass sich alle Feinerde der obersten 100 cm im kritischen Bereich befindet und das Risiko entsprechend gross wird. Bei den untersuchten Waldböden in den Zentralschweizer Kantonen fällt jedoch auf, dass in den tieferen Horizonten (> 100 cm) zahlreicher Böden der pH-Wert und vor allem auch die Basensättigung wieder markant ansteigen und die Basensättigung in diesen Profilen mindestens einen Wert von 50 Prozent erreicht. Das ist charakteristisch für Böden, Buchrain 0 3 4 pH-Wert 5 6 20 0 Schwarzenbach 7 8 0 Basensättigung [%] 25 75 50 L Ah (A)C -40 C -80 CG 4 pH-Wert 5 6 20 0 7 8 0 Basensättigung [%] 25 75 50 100 -40 L A AB B(G) -80 Go1 -120 -120 Go2 -160 -160 IIC 1 3 100 Go,r -200 Littau 20 0 Oberägeri L1 L2 A AB BG Go,r -40 20 0 L A AB BG -40 Go -80 -80 G(o),r -120 Go,r -120 G(o),r -160 -160 Zug 2 20 0 -40 -80 3 Go2 -40 -160 -160 Unterägeri_1 BS1 BS2 -120 C -160 -40 L1 L2 F H Ah AS ES Sd -80 IIGo,r1 20 0 -120 -40 -160 Go,r3 Unterägeri_3 L F Ah AE B(s) BS 20 0 -40 -80 -80 -120 Go,r2 -160 Unterägeri_2 20 0 Gr Hünenberg L1 L2 A AB Bcn -80 Go,r2 -80 -120 20 0 L F H AG1 AG2 Go Go,r1 20 0 -120 -40 4 Alpthal L A AB BG Go1 Bcn BC C -120 -160 L1 L2 F H AE1 AE2 B(s) E B(s) B1 B2 R Abb. 5. pH-Wert und Basensättigung von jeweils 2 Böden pro Empfindlichkeitsklasse (für eine Abnahme der Basensättigung). Die Zahlen 0 bis 4 symbolisieren die Empfindlichkeitsklasse: 0 = kein Risiko (n = 36), 1 = sehr geringes Risiko (n = 12), 2 = geringes Risiko (n = 5), 3 = mässiges Risiko (n = 19) und 4 = grosses Risiko (n = 43). Die Böden sind mit dem Namen der Gemeinde, in welcher sie sich befinden, gekennzeichnet. 52 Forum für Wissen 2013 die sich auf karbonathaltigem Gestein entwickelt haben. Andererseits gibt es jedoch auch viele Böden, wie zum Beispiel das Profil Unterägeri_3 (Abb. 5.4), die keine Zunahme der Basensättigung mit der Tiefe zeigen. Das betrifft nebst den Böden auf Kristallin vor allem Böden auf Molasse und Moräne. Dieser Unterkategorie der Böden mit grosser Empfindlichkeit ist besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Die «bauchförmige» Tiefenverteilung der Basensättigung in den Beispiel-Profilen Unterägeri_1, Hünenberg und Unterägeri_2 ist charakteristisch für stark bis sehr stark versauerte Böden, in welchen die Wurzeln der Waldbäume die Kalkgrenze erreichen. Solange die Waldbäume mit ihren Wurzeln die karbonathaltigen, bzw. basenreichen Unterbodenhorizonte erreichen, nehmen sie basische Kationen auf, bauen sie in ihre oberirdische Biomasse ein und deponieren sie mit der Streu wieder auf der Bodenoberfläche. Durch die anschliessende Mineralisierung der Streu werden die obersten mineralischen Bodenhorizonte permanent mit Basen versorgt und die Basensättigung kann sich in einem relativ hohen Bereich halten. Das Minimum der Basensättigung liegt deshalb häufig in einem mittleren Profilbereich. Die beispielhaften Darstellungen in Abbildung 5 implizieren, dass die Empfindlichkeit gegenüber einer Abnahme der Basensättigung bei Böden auf karbonathaltigem Gestein von der Tiefe der Kalkgrenze im Profil abhängt. Eine entsprechende Datenanalyse bestätigt dies (Abb. 6). Böden, welche im ganzen Profil karbonathaltig sind oder deren Karbonatgrenze nahe der Bodenoberfläche liegt, sind nicht empfindlich, weil der pH-Wert alkalisch ist und der Austauscher vollständig basengesättigt ist. Mit zunehmender Entkarbonatung nimmt der pH-Wert und die Basensättigung im entkarbonateten Teil des Bodens ab und die Tiefe der Kalkgrenze beeinflusst deutlich das Ausmass dieser Abnahme (Abb. 6). Somit wird in Böden auf karbonathaltigem Ausgangsgestein die Empfindlichkeit für eine Abnahme der Basensättigung durch den Stand der Bodenversauerung, ausgedrückt durch die Mächtigkeit der entkarbonateten Zone, beeinflusst. Die Empfindlichkeit ist in Böden höher, die stärker entkarbonatet sind. 4Schlussfolgerungen Die exemplarische Untersuchung von 115 Waldböden in den Zentralschweizer Kantonen zeigt, dass eine auf profilumfassenden Kriterien abgestützte Klassierung eine weitgehend realistische Beurteilung der aktuellen Bodenversauerung und der Nachhaltigkeit der Säurepufferung erlaubt. Beim Stand der Empfindlichkeitsklassen mittlere Tiefe der Kalkgrenze (cm) 0 0 1 2 3 4 5 40 Bodenversauerung kann allerdings aufgrund der vorliegenden Daten nicht zwischen den verursachenden Prozessen – natürlich oder anthropogen – unterschieden werden. Die Empfindlichkeit für eine Abnahme der Basensättigung bei anhaltender Säurebelastung ist ein probates Instrument, um die Nachhaltigkeit der Säurepufferung zu bewerten. Wir können damit vergleichend beurteilen, wie gut Böden mittel- und langfristig mit weiteren Säure-Einträgen umgehen können, ohne dass wichtige Bodenfunktionen (Produktion, Regulierung, Lebensraum) gefährdet sind. Geographisch bedingt wurden mit unserer Untersuchung in erster Linie Böden auf karbonathaltigem Gestein abgedeckt, welche sich in vielen Eigenschaften wesentlich von Böden auf saurem Ausgangsgestein unterscheiden. Für die Gruppe der Böden auf karbonathaltigem Gestein konnten wir zeigen, dass die Nachhaltigkeit der Säurepufferung mit zunehmender Tiefe der Karbonatgrenze, das heisst mit zunehmender Entkarbonatung, abnimmt. Insbesondere bei vielen stark versauerten Böden zeigte sich deutlich, dass die Nachhaltigkeit der Pufferfunktion nicht nur von den chemischen Eigenschaften der Boden-Festphase abhängt, sondern die Bäume durch die Nährstoffaufnahme und die Rückführung der Nährstoffe mit der Streu diese massgeblich mit beeinflussen. Diese Rückführung der Nährstoffe kann der Waldbewirtschafter über die Baumartenwahl beeinflussen. Mischbestände mit unterschiedlichen Durchwurzelungseigenschaften der verschiedenen Baumarten garantieren am besten, dass der gesamte potentielle Wurzelraum ausgenutzt wird und damit einer Entkoppelung von basenreicherem Unterboden und versauertem Oberboden entgegengewirkt, oder im besten Fall eine Entkoppelung rückgängig gemacht werden kann. 80 120 160 Abb. 6. Mittlere Tiefe der Kalkgrenze in Beziehung zur Empfindlichkeit für eine Abnahme der Basensättigung. Die Empfindlichkeitsstufen bedeuten: 0 = kein Risiko (n = 36); 1 = sehr gering (n= 12); 2 = gering (n = 5); 3 = mässig (n = 19); 4 = gross (n = 43); 5 = sehr gross (n = 0). 5Literatur Blaser, P.; Zimmermann, S.; Luster, J.; Walthert, L.; Lüscher, P., 2005: Waldböden der Schweiz. Band 2. Regionen Alpen und Alpensüdseite. Birmensdorf, Eidg. Forschungsanst. WSL. Bern, hep Verlag. 920 S. Forum für Wissen 2013 Blaser, P.; Graf Pannatier, E.; Walthert, L., 2008a: The base saturation in acidified Swiss forest soils on calcareous and noncalcareous parent material. A pH-base saturation anomaly. J. Plant Nutr. Soil Sci. 171: 155–162. Blaser, P.; Walthert, L.; Zimmermann, S.; Graf Pannatier, E.; Luster, J., 2008b: Classification schemes for the acidity, base saturation, and acidification status of forest soils in Switzerland. J. Plant Nutr. Soil Sci. 171: 163–170. Bohn, H.L.; McNeal, B.I.; O’Connor, G.A., 1985: Soil Chemistry. 2nd Ed. New York, John Wiley & Sons. Bundesamt für Umwelt BAFU (Hrsg.) 2011: Bodenwelten. Magazin «umwelt» 4: 63 S. Hegg, C.; Jeisy, M.; Waldner, P., 2004: Wald und Trinkwasser, eine Literaturstudie. Birmensdorf, Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft. 60 S. Hildebrand, E.E., 1986: Zustand und Entwicklung der Austauschereigenschaften von Mineralböden aus Standorten mit erkrankten Waldbeständen. Forstwiss. Cent.bl. 105: 60–67. Schimel, D.S., 1995: Terrestrial ecosystems and the carbon cycle. Global Change Biology 1: 77–91. Schwertmann, U.; Fischer, W.R., 1982: pH distribution and buffering of soils. Z. Pflanzenernähr. Bodenkd. 145: 221–223. Schwertmann, U.; Süsser, P.; Nätscher, L., 1987: Proton buffer compounds in soils. Z. Pflanzenernähr. Bodenkd. 150: 174–178. Ulrich, B., 1983: Soil acidity and its relations to acid deposition. In: Ulrich, B.; Pankrath, J. (eds.) Effects of accumulation of air pollutants in forest ecosystems. Heidelberg, Springer. 127–146. 53 Abstract Sustainability of forest soil functions: acid buffering as an example Given current and future climatic changes and anthropogenic pollution, the sustainability of the regulation functions of forest soils is crucial. These functions include the storage of water, carbon and nutrients, as well as the buffering of acidity and filtering of pollutants. We conducted a case study of 115 forest soils located in the central cantons of Switzerland looking at the sustainability of their capacity to buffer acidic inputs. As an indicator, we estimated the sensitivity of a soil to a decrease in base saturation under ongoing acidic inputs, using criteria that are based on the properties of the entire soil profile. With this indicator we were able to assess the relative ability of soils to deal with acidic inputs in the long run, without compromising other important soil functions. The soil collective investigated was geographically biased to ensure it contained mainly soils developed from carbonate containing rock. We found that the sustainability of a soil’s capacity to buffer acidic inputs decreases with increasing depth of the decarbonated soil layer. Its depth is strongly dependent on the carbonate content of the bedrock and the intensity of weathering. Furthermore, in many strongly acidified soils, trees markedly influence the sustainability of the buffer function through their uptake of nutrients from lower soil horizons, which they then re-introduce into the topsoil through their litter. Keywords: acid deposition, soil buffer, soil functions Forum für Wissen 2013: 55–60 55 Werden im Boden gespeicherte Metalle durch Umweltveränderungen freigesetzt? Wolfgang Wilcke, Moritz Bigalke und Adrien Mestrot Universität Bern, Geographisches Institut, Hallerstrasse 12, CH-3012 Bern, [email protected] Der Klimawandel könnte in der Schweiz zu ausgeprägteren Nassphasen führen. Die resultierende Wassersättigung verursacht Sauerstoffmangel im Boden und senkt das Redoxpotenzial. Unter solchen chemisch-reduzierenden Bedingungen können gespeicherte Metalle durch Auflösung von Eisen- und Mangan-(Hydr-) oxiden gelöst und verlagert werden. Gleichzeitig kommt es zu einer bisher wenig beachteten Freisetzung von Metall-Kolloiden in die Bodenlösung. Ein weiterer, zahlreiche Metalle betreffender Transformations-Prozess unter sauerstoffarmen Bedingungen ist die Biomethylierung. Mit sinkendem Redoxpotenzial wird dieser Prozess verstärkt, der zum Beispiel für As mit einer Minderung, für Hg aber mit einer Zunahme der Toxizität verbunden ist. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass zeitlich zunehmende Nassphasen voraussichtlich zu einer (Re-)Mobilisierung von Metallen in Waldböden in gelöster, kolloidaler und alkylierter Form führen würden. 1Einleitung Eine Bewertung der Belastung von Waldböden mit ausgewählten Metallen (Cr, Ni, Cu, Zn und Pb) wurde von Zimmermann et al. (2006) anhand von 95 Bodenprofilen aus der gesamten Schweiz vorgenommen. Dabei zeigte sich, dass vor allem in der Ostschweiz häufig Cr- und Ni-Gehalte im mineralischen Oberboden auftreten, die den Richtwert der VBBo (1998) überschreiten. Dies steht im Zusammenhang mit Serpentin-Gestein und hat daher geogene Gründe. In den Unterböden wurden häufigere Cr- und NiRichtwertüberschreitungen gefunden als im Oberboden, was ebenfalls auf überwiegend geogene Gründe der Crund Ni-Belastung hinweist. Die Richtwerte der VBBo (1998) für Cu wurden lediglich in wenigen Unterböden der Südschweiz überschritten und es zeigte sich kein Hinweis auf Cu-Einträge aus der Atmosphäre. Die Zinkgehalte der untersuchten Böden überschritten weder im Unter- noch im Oberboden die Richtwerte der VBBo (1998) und es zeigten sich Hinweise auf eine geringe anthropogene Zn-Anreicherung. Blei ist das einzige Metall, dessen Gehalte im Oberboden häufiger die Richtwerte überschreiten als im Unterboden, was auf eine anthropogene Belastung, die vermutlich noch aus der Zeit der Verwendung bleihaltigen Benzins stammt, hinweist. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass es in Waldböden der Schweiz – mit Ausnahme weniger kleinräumig belasteter Standorte (z. B. Schiessanlagen im Wald) – flächen deckend geringe Probleme aufgrund von anthropogener Bodenkontamination mit Metallen gibt, dass aber regional durchaus aus geogenen Gründen stark erhöhte Schwermetallgehalte auf treten. Um mögliche zukünftige Gefahren, die von den regional erhöhten Schwermetallgehalten ausgehen können, einzuschätzen, müssen Veränderungen des physiko-chemischen Bodenmilieus durch die vielfältigen aktuellen Umweltveränderungen (u. a. Klimawandel, Nähr- und Schadstoffeinträge, beschleunigte Bodenversauerung) berücksichtigt werden. Die vielleicht markanteste aktuelle Umweltveränderung, der Klimawandel, wird sich in der Schweiz voraussichtlich auf die Wassergehalte und damit verbunden den Sauerstoffhaushalt und das Redoxregime des Bodens auswirken. Klimaprognosen rechnen mit steigenden Temperaturen, länger anhaltenden Trockenphasen, sowie mit vermehrten Stark regenereignissen und Veränderungen der Schnee- und Gletscherschmelze (Fischer und Schär 2009; Min et al. 2011; IPCC 2012), obwohl eine Vorhersage der Entwicklung des Niederschlagsregimes aktuell noch schwierig ist (O’Gorman und Schneider 2009). Die Auswirkungen dieser Entwicklung auf die Bodenfeuchte und das Redoxpotenzial sind komplex und hängen neben den genauen klimatischen Bedingungen auch von den Eigenschaften der jeweiligen Böden ab (IPCC 2012). Daher ist es schwierig, die generelle Bedeutung dieser Veränderung auf die Redoxpotenziale in Waldböden abzuschätzen. Es kann aber davon ausgegangen werden, dass in Auenwäldern und in stau- und grundwasserbeeinflussten Wäldern, zum Beispiel auf Pseudogleyen, die in der Schweiz häufig auftreten, der Klimawandel Einfluss auf das Redoxregime im Boden haben wird. Im Hinblick auf die Mobilisierung von in Waldböden gespeicherten Metallen könnten schon wenige Tage anhaltende Nassphasen mit niedrigen Redoxpotenzialen eine wichtige Rolle spielen (Abb. 1). Daher fokussieren wir im Folgenden auf die Auswirkungen von Nassphasen auf die Überführung von Metallen in die Bodenlösung in gelöster oder kolloidaler Form sowie auf die Alkylierung und Bioverflüchtigung von Metallen. 2.1 Metallfreisetzung in die Bodenlösung Änderungen des Redoxpotenzials in Böden können starke Auswirkungen auf die Metallkonzentrationen in der Bodenlösung und die Bindungsformen der Metalle in der Bodenfestphase haben (Grybos et al. 2009; Weber et al. 2010). Kommt es zu einer Wassersättigung des Bodens wird der im 56 Wasser vorhandene Sauerstoff schnell von Bodenorganismen verbraucht. Aus Mangel an Sauerstoff werden im Folgenden die bei der Oxidation organischer Substanz entstehenden Elektronen auf alternative Elektronenakzeptoren (z. B. Nitrat) übertragen. Schon innerhalb von wenigen Tagen nach der Wassersättigung kommt es zur Reduktion von Mn- und Fe-(Hydr)Oxiden, den Sesquioxiden. Bei der reduktiven Auflösung dieser (Hydr)Oxide werden auch mit ihnen vergesellschaftete Metalle (z. B. As, Cr und Co) in die Bodenlösung abgegeben (Borch et al. 2010). Die reduktive Auflösung von Sesquioxiden ist immer auch mit einem Verbrauch von Protonen verbunden, wodurch in sauren Böden der pH-Wert in der Bodenlösung ansteigen kann. Durch diesen pH-Wert-Anstieg kommt es zu einer Mobilisierung von organischer Substanz (in gelöster und kolloidaler Form) und damit verbunden auch zu einer Mobilisierung von Organo-Metallkomplexen, die wieder um die Mobilität von Schadmetallen im Boden stark erhöhen können (Grybos et al. 2007, 2009). Ein weiterer möglicher Effekt der sinkenden Redoxpotenziale ist die Biomineralisierung und Reduktion von bestimmten Metallen (z. B. Cu), die wiederum den kolloidalen Anteil dieser Metalle in der Bodenlösung stark erhöhen können (Weber et al. 2009). Bei fortschreitender Wassersättigung kann es schliesslich zur Reduktion von Sulfat zu Sulfid kommen. Zu Beginn der Sulfatreduktion wird eine Reihe von Metallen durch die Bildung kolloidaler Sulfide kurzfristig stark mobilisiert (Weber et al. 2009). Bei anhaltend niedrigem Redoxpotenzial kommt es aber zu einer Aggregation der Kolloide und zu abnehmenden Metall-Konzentrationen in der Bodenlösung. Die als Sulfid gebundenen Metalle sind nun unter anhaltend tiefen Redoxpotenzialen immobil, werden aber bei einer Belüftung des Bodens (Abnahme der Wassersättigung) wieder remobilisiert. Die Metallmobilisierung im Boden läuft also in verschiedenen Stufen und unterschiedlichen Zeitskalen ab. Während As vorwiegend durch die reduktive Auflösung von Sesquioxiden in die Bodenlösung überführt wird und die Konzentrationen in der Bodenlösung auch lange nach der einsetzenden Was- Forum für Wissen 2013 Abb. 1. Freisetzung von a) As und b) Cu unter reduzierenden Bedingungen in die Bodenlösung. Bitte beachten Sie die unterschiedliche Skalierung der Y-Achsen. sersättigung im Boden noch ansteigt, kommt es zum Beispiel bei Cu zu einer schnellen Mobilisierung durch Biomineralisation und anschliessende CuxSBildung (Weber et al. 2009; Abb. 1). Neben der Metallfreisetzung in die Bodenlösung ändern sich auch die Metallbindungsformen in der Bodenfestphase in Abhängigkeit vom Redoxpotenzial. Eine sequenzielle Extraktion mit sauerstofffrei inkubiertem Boden zeigte in einem von uns durchgeführten Laborexperiment ansteigende Gehalte der meisten Metalle in zwei relativ gut bioverfügbaren Fraktionen mit zunehmender Dauer der Inkubation (Ergebnisse nicht dargestellt). Ähnliche Beobachtungen berichteten Weber et al. (2009, 2010), die mithilfe von Röntgen-Absorptionsspektrometrie (XAS) nachwiesen, dass sich mit zunehmender Inkubationsdauer die chemische Elementspeziierung im Boden ändert. Während die meisten dieser Erkenntnisse in Laborexperimenten gewonnen wurden, lassen sich auch vor Ort in Waldböden Metallverlagerungen erkennen. Die Verlagerung von Eisen- und Manganoxiden in wasserbeeinflussten Böden ist anhand der entstehenden rot-weissen Marmorierung schon mit blossem Auge zu erkennen, während es im Hinblick auf potentielle Schadmetalle keine direkten visuellen Hinweise gibt. Mit neuen Analysemethoden lassen sich aber auch über die reinen (kleinen) Gehaltsänderungen nicht detektierbare Spurenmetall-Verlagerungen in vernässten Böden untersuchen. Eine geeignete Methode ist zum Beispiel die Analyse der stabilen Metallisotopenverhältnisse. Metallisotope zeigen Fraktionierungen (Verschiebungen der Isotopenverhältnisse) in Abhängigkeit von den physiko-chemischen Bedingungen (z. B. Redoxbedingungen) im Boden. Werden Metalle aus dem Boden ausgewaschen, ändert sich die Isotopen-Zusammensetzung sowohl des Auswaschungs- als auch des Einwaschungs-Horizontes. Das Isotopenverhältnis der Probe wird dabei als d-Wert relativ zu einem internationalen Isotopenstandard angegeben, wie in Gleichung 1 beispielhaft für Cu gezeigt. Gleichung 1: ( Cu / ( ⎝ Cu / ⎛ δ 65Cu[‰] = ⎜⎜ 65 65 63 63 Cu )sample Cu )NIST 976 ⎞ − 1⎟ *1000 ⎟ ⎠ Mit dieser Methode lassen sich Hinweise auf eine Mobilisierung und Auswaschung von Cu aus Waldböden finden. Bei einer Untersuchung von vier Grund- oder Stauwasser-beeinflussten Böden (zwei Gleyen und zwei Pseudogleyen) und vier nicht vernässtenBöden (zwei Podsolen und zwei Braunerden) stellte sich heraus, dass Cu in den vernässten Böden mit zunehmender Tiefe isotopisch schwerer wurde (0,11 ± 0,07‰; 95 % Konfidenzintervall), während es in den oxisch verwitterten Böden isotopisch leichter wurde (–0,37 ± 0,21‰; 95 % Konfidenzintervall; Bigalke et al. 2010; 2011). Diese Unterschiede lassen sich dadurch erklären, dass im Boden unter Sauerstoffmangel chemisch reduzierte Cu-Verbindungen – wahrscheinlich Kolloide – freigesetzt und verlagert werden. Die reduzierten Kolloide haben ein leichteres Cu-Isotopenverhältnis und das verbleibende Cu im Boden wird isotopisch schwerer, je mehr Cu verlagert wird. Forum für Wissen 2013 Die Cu-Isotopenverhältnisse zeigten in einem Auenboden ausserdem eine enge Korrelation mit den Eisen-Gehalten, was darauf schliessen lässt, dass die gleichen Bedingungen, die zu der reduktiven Eisen(hydr)oxid-Auflösung und Fe-Verlagerung führen, auch die Fraktionierung der Cu-Isotopenverhältnisse verursachen (Abb. 2; Bigalke et al. 2010, 2013). In den nicht vernässten Boden findet eine entgegengesetzte Isotopenfraktionierung statt, die wahrscheinlich auf die fortschreitende Bodenentwicklung (Verwitterung, Bindung von Cu an organische Substanz und (Hydr)Oxide) zurückzuführen ist. Im Falle von Cu lässt sich also zeigen, dass die Redoxverhältnisse im Boden einen messbaren Einfluss auf die Auswaschung von Cu aus dem Boden haben. Zusammenfassend ist daher anzunehmen, dass sich mit einer Veränderung der Niederschlagsintensität und -frequenz und somit auch der Dauer von sauerstoffarmen, reduzierenden Verhältnissen im Boden, auch die Mobilität und Verfügbarkeit verschiedener (Schad-)Metalle in Waldböden ändert. Ob daraus eine neue Gefahrenlage entsteht, ist für den einzelnen Standort zu beurteilen. 2.2 Alkylierung von Metallen Viele Metalle und Halbmetalle können in Böden biologisch methyliert werden. Wir konzentrieren uns im Folgenden auf Arsen (As). Arsen ist ein potenziell giftiges Element (Fee 2009), das aus natürlichen und anthropogenen Abb. 2. Zusammenhang zwischen FeGehalten und d65Cu-Werten in einem Süsswasserwatt der Elbe. 57 Quellen in die Umwelt freigesetzt wird (Adriano 2001). Geogene Belastungen haben eine wichtige Bedeutung für die As-Gehalte in Böden und As-Konzentrationen in Gewässern (Nicholas et al. 2003). Die VBBo (1998) akzeptiert einen maximalen As-Gehalt von 50 mg kg–1 in Böden auf Kinderspielplätzen und Hausgärten. In der Schweiz gibt es drei grössere geogene As-Anreicherungen. (1) Die Thermalund Mineralquellen in der Ostschweiz, (2) die eisenangereicherten Kalk- und Tonsteine des Jura sowie (3) Sulfiderzablagerungen und Silikatgesteine in den Alpen (Donzel 2001; Pfeifer et al. 2002; Le Bayon et al. 2011). Weltweit konzentrieren sich die meisten Forschungsarbeiten auf Askontaminierte Wässer in Bangladesh und Südostasien (Chowdhury et al. 2000; Rahaman et al. 2010; Hossain et al. 2012), wo die Gesundheit von bis zu 100 Millionen Menschen durch hohe As-Konzentrationen im Trinkwasser bedroht wird (Ng und Moore 2005). Die Speziierung von As wird dabei kaum betrachtet, weil das meiste As im Wasser anorganisch ist. In Böden wird die As-Mobilität und -Toxizität aber stark von mikrobiellen Transformationen beeinflusst (Thomas et al. 2001; Fee 2009). Beispielsweise kann die Biomethylierung von As seine Toxizität reduzieren, indem sie hochgiftige anorganische As-Spezies in die deutlich weniger schädlichen Organo-AsVerbindungen verwandelt. Dieser Prozess ist mit der Entstehung von flüchtigen As-Spezies verbunden, die als Arsine bezeichnet werden (Mestrot et al. 2009, 2011, 2013). Sowohl Bio methylierung als auch Bioverflüchtigung reagieren sensitiv auf Veränderung des Redoxregimes. Solche Veränderungen ergeben sich in Abhängigkeit vom Humusgehalt des Bodens zum Beispiel durch periodische Überflutungen, anhaltende Niederschläge auf Stauwasser-beeinflussten Standorten oder Hitze-/Kältewellen, deren Häufigkeit in der Schweiz in naher Zukunft möglicherweise ansteigt. Daher ist es wichtig, die mikrobielle As-Freisetzung aus Böden zu verstehen und zu ermitteln, ob diese Transformationen zur Bildung von weniger giftigen Spezies (z. B. durch Biomethylierung) oder sogar zu einer As-Gehaltsabnahme in den Böden (Bioverflüchtigung) füh- ren. Forschungsarbeiten in Bangladesh, China und Indien legen nahe, dass Wassersättigung und die Anwesenheit von organischer Substanz eher zur Freisetzung anorganischer As-Spezies, die sehr giftig sind, führen. Allerdings ist bislang sehr wenig darüber bekannt, ob in Böden der gemässigten Breiten ähnliche Transformationen auftreten wie in tropischen Böden. Fallbeispiel Juraweide Aus den bisherigen Ausführungen wird deutlich, dass die Ermittlung nicht nur der As-Gesamtgehalte, sondern auch der chemischen As-Speziierung unerlässlich ist, wenn wir die Reaktion von As-belasteten Waldböden auf sich ändernde Klimabedingungen einschätzen wollen. Im folgenden Beispiel konzentrieren wir uns auf die As-Freisetzung und -Methylierung in einem Weideboden mit hohen As-Gehalten im Jura in Reaktion auf Klimaänderungen und Beweidung durch Kühe. Dazu führten wir Mikrokosmen-Experimente durch, in denen wir mit Kuhdung versetzte Bodenproben unter Wassersättigung bei 30 °C inkubierten, um nassere und wärmere Bedingungen als aktuell zu simulieren. Wir untersuchten die Bodenlösung auf die gesamten AsKonzentrationen sowie die As-Speziierung, um alle Aspekte der As-Freisetzung zu erfassen. Zusätzlich bestimmten wir das Redoxpotenzial, den pH-Wert und die gelöste organische C-Konzentration (Englisch: dissolved organic carbon, DOC). Abbildung 3 zeigt die As-Freisetzung in die Bodenlösung in Abhängigkeit von ansteigenden Kuhdung-Applikationen. Es wird offensichtlich, dass die Zugabe von Kuhdung die As-Freisetzung erhöhte aber auch, dass ohne Kuhdung As unter niedrigen Redoxpotenzialen in die Lösung überführt wurde. Übertragen auf Waldböden spekulieren wir, dass zum Beispiel die infolge der anhaltenden N-Einträge (Galloway et al. 2004) in weit verbreitete N-limitierte Wälder stimulierte Netto-Primärproduktion (LeBauer und Treseder 2008) eine ähnliche Wirkung auf die As-Freisetzung haben könnte. Abbildung 4 zeigt, dass die gesamte As-Freisetzung auch unabhängig vom Gehalt an organischer Substanz mit sinkenden Redoxpotenzialen exponentiell anstieg und dass die Freisetzung bereits ober- 58 Forum für Wissen 2013 Gesamte As-Konzentration [µg.l–1] 120 100 5% Kuhdung R² = 0,9997 80 2% Kuhdung R² = 0,9996 60 0% Kuhdung R² = 0,9985 40 20 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 Dauer der Inkubation [Tage] Abb. 3. Entwicklung der gesamten As-Konzentration in den Bodenlösungen von Mikrokosmen während der 16-tägigen Inkubation eines As-belasteten jurassischen Bodens in Abhängigkeit vom zugesetzten Anteil an Kuhdung. Gesamte As-Konzentration [µg.l–1] 120 100 0% 2% 5% 80 60 40 R² = 0,9027 20 0 0 50 100 150 200 250 Redoxpotenzial [mV] Abb. 4. Zusammenhang zwischen den gesamten As-Konzentrationen in den Bodenlösungen von Mikrokosmen nach 16-tägiger Inkubation eines As-belasteten jurassischen Bodens und dem Redoxpotenzial des Bodens in Abhängigkeit vom zugesetzten Anteil an Kuhdung (in Massen-%). 100 As-Speziierung [%] 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 Tag 6 Tag 7 Tag 8 Tag 16 0 % Kuhdung DMA (V) MMA (V) Tag 6 Tag 7 Tag 8 Tag 16 2 % Kuhdung AS (V) Tag 6 Tag 7 Tag 8 Tag 16 5 % Kuhdung As (III) Abb. 5. Speziierung von As in As(III), As(V), Monomethyl-As(V) (MMA) und DimethylAs(V) (DMA) in der Bodenlösung zwischen Tag 6 und Tag 16 der Inkubation eines jurassischen Bodens in Abhängigkeit vom zugesetzten Anteil an Kuhdung (in Massen-%). halb eines Redoxpotenzials von 0 einsetzte, also bereits unter subaeroben Bedingungen. Nach 16 Tagen Inkubation kam es zur Bildung von Methyl-AsVerbindungen (Abb. 5). Die MethylAs-Verbindungen umfassten in der nicht mit Kuhdung versetzten Variante bis zu 25 Prozent der gesamten AsKonzentrationen und trugen damit zu einer Abschwächung der As-Toxizität bei. Warum mit absinkendem Redoxpotenzial der Beitrag von As(V) zur gesamten As-Konzentration in der Bodenlösung zunahm, also As offenbar oxidiert wurde, ist unklar. Wir haben grösste Sorgfalt darauf verwendet, dass sich der Redoxzustand zwischen Entnahme der Bodenlösung und der Analyse nicht verändert und halten daher einen analytischen Artefakt für unwahrscheinlich. Das Gleichgewicht zwischen As(III)- und As(V)-Spezies in der Bodenlösung ist fragil und wird u.a. durch gelöste organische Substanzen, die auch oxidierend wirken können (z. B. Semi-Chinone), beeinflusst (Borch et al. 2010). Im beobachteten Redoxbereich können As(III) und As(V) koexistieren. Die Aufklärung der Transformationen zwischen den verschiedenen Arsinen ist Gegenstand eines aktuellen EU-finanzierten Forschungsprojektes (Marie Curie, BIOMETA) in unserer Gruppe. Der untersuchte Boden aus dem Jura wies mit 25 mg kg–1 einen erhöhten As-Gehalt auf, der jedoch noch unter dem Grenzwert der VBBo (1998) von 50 mg kg–1 lag. Die gesamten As- sowie die Methyl-As-Konzentrationen in der Bodenlösung stiegen mit sinkendem Redoxpotenzial und steigenden Gehalten an über Kuhdung zugeführter organischer Substanz an. Obwohl unsere Untersuchung mit einem Weideboden durchgeführt wurde, haben frühere Studien belegt, dass OrganoAs-Verbindungen auch in unbelasteten Waldböden auftreten, in denen organische As-Spezies bis zu 30 Prozent der aus der Waldbodenauflage extrahierbaren As-Gehalte umfassten (Huang und Matzner 2007). Bevor abschliessende Folgerungen im Hinblick auf die verstärkte Verflüchtigung von AlkylMetallverbindungen in Reaktion auf den Klimawandel getroffen werden, sollten noch andere, zum Beispiel saure As-belastete Böden sowie andere Elemente wie Selen, Antimon und Zinn Forum für Wissen 2013 untersucht und dabei auch verschiedene Szenarien der möglichen Klimaänderung berücksichtigt werden. 3Schlussfolgerungen Unsere Fallbeispiele zeigen, dass mit einer verstärkten Metallfreisetzung aus der Festphase in die Bodenlösung sowohl in gelöster als auch in kolloidaler Form zu rechnen ist, sollte sich das Redoxregime der Böden infolge veränderter Niederschlagsmuster mit ausgeprägteren Nassphasen verändern. Gleichzeitig würde vermutlich die Alkylierung von Metallen verstärkt, die für manche Metalle – wie As – zu einer Detoxifizierung und vielleicht sogar zu einer Abreicherung aus Böden über Verflüchtigung, für andere Metalle – wie dem Hg – aber sogar zur Bildung besonders toxischer Verbindungen führen würde. Die Reaktion der in Schweizer Waldböden gespeicherten Metalle auf veränderte Klimabedingungen bedarf der weiteren wissenschaftlichen Untersuchung, die verschiedene Klimaänderungsszenarien sowie den Einfluss von Bodeneigenschaften auf die Metallfreisetzung berücksichtigen muss. 4Literatur Adriano, D.C. (Hrsg.) 2001: Trace Elements in the Terrestrial Environment. Springer, New York. Bigalke, M.; Weyer, S.; Wilcke; W., 2010: Stable copper isotopes: a novel tool to trace copper behavior in hydromorphic soils. Soil Sci. Soc. Am. J. 74, 60–73. Bigalke, M.; Weyer, S.; Wilcke, W., 2011: Stable Cu isotope fractionation in soils during oxic weathering and podzolation. Geochim. Cosmochim. Acta 75, 3119– 3134. Bigalke, M.; Kersten, M.; Weyer, S.; Wilcke, W., 2013: Isotopes trace biogeochemistry and sources of Cu and Zn in an intertidal soil. Soil Sci. Soc. Am. J. 77, 680– 691. Borch, T.; Kretzschmar, R.; Kappler, A.; Van Cappellen, P.; Ginder-Vogel, M.; Voegelin, A.; Campbell, K., 2010: Biogeochemical redox processes and their 59 impact on contaminant dynamics. Environ. Sci. Technol. 44, 15–23. Chowdhury, U.K.; Biswas, B.K.; Chowdhury, T.R.; Samanta, G.; Mandal, B.K.; Basu, G.C.; Chanda, C.R.; Lodh, D.; Saha, K.C.; Mukherjee, S.K.; Roy, S.; Kabir, S.; Quamruzzaman, Q.; Chakraborti, D., 2000: Groundwater arsenic contamination in Bangladesh and West Bengal, India. Environ. Health Persp. 108, 393–397. Donzel, P.-Y., 2001: Arsène dans les roches et les sols du Haut-Jura Suisse: distribution générale sur la chaîne et étude détaillée dans la région du Weissenstein (SO). Travail de diplôme, Sciences de la Terre, Université de Lausanne. Fee, D.B., 2009: Chapter 23 – Arsenic. In: Dobbs, M.R. (Hrsg.) Clinical Neurotoxicology. Syndromes, Substances, Environments, Elsevier, Philadelphia. S. 273–276. Fischer, E.M.; Schär, C., 2009: Future changes in daily summer temperature variability: driving processes and role for temperature extremes. Clim. Dyn. 33, 917–335. Galloway, J.N.; Dentener, F.J.; Capone; D.G.; Boyer, E.W.; Howarth, R.W.; Seitzinger, S.P.; Asner, G.P.; Cleveland; C.C.; Green, P.A.; Holland, E.A.; Karl, D.M.; Michaels, A.F., Porter, J.H.; Townsend, A.R.; Vörösmarty, C.J., 2004: Nitrogen cycles: past, present, and future. Biogeochemistry 70, 153–226 Grybos, M.; Davranche, M.; Gruau, G.; Petitjean, P., 2007: Is trace metal release in wetland soils controlled by organic matter mobility or Fe-oxyhydroxides reduction? J. Colloid Interface Sci. 314, 490–501. Grybos, M.; Davranche, M.; Gruau, G.; Petitjean, P.; Pedrot, M., 2009: Increasing pH drives organic matter solubilization from wetland soils under reducing conditions. Geoderma 154, 13–19. Hossain, M.; Williams, P.N.; Mestrot, A.; Norton, G.J.; Deacon, C.M.; Meharg, A.A., 2012: Spatial heterogenity and kinetic regulation of arsenic dyamics in Mangrove sediments: the Sundarbans, Bangladesh. Environ. Sci. Technol. 46, 8645–8652. Huang, J.-H.; Matzner, E., 2007: Mobile arsenic species in unpolluted and polluted soils. Sci. Tot. Environ. 377, 308–318. IPCC, 2012: Managing the Risks of Extreme Events and Disasters to Advance Climate Change Adaptation. A Special Report of Working Groups I and II of the Intergovernmental Panel on Climate Change (Field, C.B.; V. Barros, T.F.; Stocker, D.; Qin, D.J.; Dokken, K.L., Ebi, M.D., Mastrandrea, K.J.; Mach, G.-K.; Plattner, S.K.; Allen, M.; Tignor, and P.M.; Midgley [eds.]). Cambridge University Press, Cambridge. 582 S. LeBauer, D.S.; Treseder, K.K., 2008: Nitrogen limitation of net primary productivity in terrestrial ecosystems is globally distributed. Ecology 89, 379–379. Le Bayon, R.C.; Matera, V.; Kohler-Milleret, R.; Degen, C.; Gobat, J.-M., 2011: Earthworm activity alters geogenic arsenic and soil nutrient dynamics. Pedobiologia 54, 93–201. Mestrot, A.; Plantevin, T.; Uroic, M.K.; Islam, R.; Krupp, E.M.; Feldmann, J.; Meharg, A.A., 2009: Quantitative and qualitative trapping of arsines deployed to assess loss of volatile arsenic from paddy soil. Environ. Sci. Technol. 43, 8270– 8275. Mestrot, A.; Feldmann, J.; Krupp, E.M.; Hossain, M.S.; Roman-Ross, G.; Meharg, A.A., 2011: Field fluxes and speciation of arsines emanating from soils. Environ. Sci. Technol. 45, 1798–1804. Mestrot, A.; Planer-Friedrich, B.; Feldmann, J., 2013: REVIEW. Biovolatilisation: a poorly studied pathway of As biogeochemical cycle. Environ. Sci. Proc. Imp. 15, 1639–1651. Min, S.-K.; Zhan, X.B.; Zwiers, F.W.; Hegerl, G.C., 2011: Human contribution to more-intense precipitation extremes. Nature 470, 378–381. Ng, J.C.; Moore, M.R. (2005): Arsenic in drinking water: a natural killer in Bangladesh and beyond. Med. J. Austr. 183, 562–563. Nicholas, D. R.; Ramamoorthy, S.; Palace, V.; Spring, S.; Moore, J.N.; Rosenzweig, F., 2003: Biogeochemical transformations of arsenic in circumneutral freshwater sediments. Biodegradation 14, 123–137. O’Gorman, P.A.; Schneider, T., 2009: The physical basis for increases in precipitation extremes in simulations of 21st century climate change. Proc. Natl. Acad. Sci. USA 106, 14773–14777. Pfeifer, H.R.; Beatrizotti, G.; Berthoud, J.; DeRossa, M.; Girardet, A.; Jäggli, M.; Lavanchy, J-C.; Reymond, D.; Righetti, G.; Schlegel, C.; Schmit, V.; Temgoua, E., 2002: Natural arsenic-contamination of surface and ground waters in southern Switzerland (Ticino). Bull. Appl. Geol. 7, 81–103. 60 Rahaman, S.; Sinha, A.C.; Mukhopadhyay, D., 2010: Effect of water regimes and organic matters on transport of arsenic in summer rice (Oryza sativa L.) J. Environ. Sci. 23, 633–639. Thomas, D.J.; Styblo, M.; Lin, S., 2001: The cellular metabolism and systemic toxicity of arsenic. Toxicol. Appl. Pharm. 176, 127–144. VBBo, 1998: Der Schweizerische Bundesrat. Verordnung über die Sanierung von belasteten Standorten (Altlasten-Verordnung, AltlV, 814.680). Stand 1. Januar 2009. Forum für Wissen 2013 Weber, F. A.; Voegelin, A.; Kaegi, R.; Kretzschmar, R., 2009: Contaminant mobilization by metallic copper and metal sulphide colloids in flooded soil. Nat. Geosci. 2, 267–271. Weber, F. A.; Hofacker, A. F.; Voegelin, A.; Kretzschmar, R.; 2010: Temperature dependence and coupling of iron and arsenic reduction and release during flooding of a contaminated soil. Environ. Sci. Technol. 44, 116–122. Zimmermann, S.; Luster, J.; Blaser, P.; Walthert, L.; Lüscher, P., 2006: Waldböden der Schweiz. Band 3. Regionen Mittelland und Voralpen. Bern, h.e.p.-Verlag. Abstract Will metals stored in soil be released in response to environmental change? Current climate change is expected to lead to more pronounced wet phases in Switzerland. The resulting water saturation means that O2 concentrations in soils will decrease and thus the redox potential will drop. Under such reducing conditions, metals stored in soils can be released through the reductive dissolution of iron and manganese (hydr)oxides and leached to deeper soil layers and the groundwater. At the same time, a mobilization of colloids will take place. An additional transformation process under reducing conditions is biomethylation, which affects many (semi-)metals. Decreasing redox potentials enhance biomethylation, leading to, e.g., a reduction in toxicity for As but an increase for Hg. Our findings indicate that prolonged phases of soil water saturation are likely to (re-)mobilize metals in forest soils in dissolved, colloidal and alkylated form. Keywords: climate change, soil moisture regime, chemical reduction, colloids, metal mobilization, metal methylation, stable metal isotopes Forum für Wissen 2013: 61–69 61 Biodiversität von Waldböden – Auswirkungen des Einsatzes von Holzerntemaschinen auf mikrobielle Gemeinschaften Beat Frey1 und Martin Hartmann1,2 1 2 WSL Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft, Zürcherstrasse 111, CH-8903 Birmensdorf Agroscope Reckenholz-Tänikon ART, Reckenholzstrasse 191/211, CH-8046 Zürich Auf einem Grossteil der Schweizer Waldböden kann das Befahren mit Forstmaschinen langfristig die Bodenstruktur im Bereich der Fahrspuren verändern. Inwiefern dies den Boden nachhaltig schädigt, wurde bisher vorwiegend aus bodenphysikalischer Sicht untersucht. Neue genetische Methoden erlauben nun, die Wirkungen auf die mikrobielle Gemeinschaften im Boden zu untersuchen. Europaweit erstmals fanden auf zwei Bodentypen des schweizerischen Mittellandes Fahrversuche statt. Die Ergebnisse zeigen, dass mechanische Bodenbelastungen den Wasser- und Gashaushalt in Fahrspuren verändern. In verdichteten Böden verschwinden Mykorrhizapilze weitgehend. An ihrer Stelle breiten sich Fäulnispilze aus, was die Baumverjüngung massgeblich beeinträchtigt. Zusätzlich werden die an sauerstoffarme Verhältnisse angepasste Bakterien-Arten begünstigt, was die Bildung von Lachgas und Methan fördert. Die Studie zeigt, dass mikrobielle Gemeinschaften empfindlich auf mechanische Bodenbelastungen reagieren, womit sie helfen, Strukturschäden in Waldböden zu beurteilen sowie Richt linien aufzustellen, ab wann ein Bodenschaden problematisch ist. 1Einleitung 1.1 Physikalischer Bodenschutz im Wald Ein fruchtbarer Boden ist eine wichtige Voraussetzung für eine nachhaltige Waldbewirtschaftung. Mechanische Belastungen des Bodengefüges durch Holzerntemaschinen können jedoch diese Fruchtbarkeit beeinträchtigen. Die umfangreichsten Bodenverdichtungen der letzten Jahrzehnte stammen von den Räumungsarbeiten nach dem Sturm Lothar (1999 / 2000). In den letzten Jahren sind Holz erntemaschinen ständig produktiver und damit auch schwerer geworden (Borchert und Kremer 2007). Diese Maschinen sind oft während des ganzen Jahres und bei jeder Witterung im Einsatz, besonders wenn Wälder nach Stürmen aufgeräumt werden müssen, um Wertverlust des Holzes und Befall durch Schädlinge zu vermeiden. Mit dieser Entwicklung einhergehend steigt das Risiko schädlicher Bodenstrukturveränderungen an. Es besteht ein breiter Konsens, dass die hohen Belastungen durch Erntefahrzeuge Bodenverfor- mungen mit noch nicht genau abschätzbaren ökologischen Folgen bewirken können. Unter Fahrspuren ist die Drainage- und Belüftungskapazität erheblich eingeschränkt (Marshall 2000) und wirkt sich negativ auf die Feinwurzeln der Bäume und deren Naturverjüngung aus (Gaertig et al. 2001). Spätestens seit der Aufarbeitung der «Lothar»-Schäden ist der physikalische Bodenschutz und damit die bodenschonende Holzernte ein wichtiger Aspekt der Waldbewirtschaftung. Gegenwärtig wird in der Schweiz an der gesetzlichen Festlegung von Richt- und Prüfwerten für bodenphysikalische Parameter im Wald gearbeitet (Lüscher et al. 2005). Die Verordnung über Belastungen des Bodens VBBo (VBBo 1998) bezweckt, die Bodenfruchtbarkeit langfristig zu erhalten. Jeder Boden muss genügend durchlüftete Hohlräume enthalten, damit Wurzeln, Pilze, Bakterien, Regenwürmer und andere Bodenlebewesen wirken können und Wasser versickern kann. Aus ökologischer und wirtschaftlicher Sicht ist es wichtig, für das Schutzgut Boden den Begriff der «langfristigen Beeinträchtigung der Bodenfrucht- barkeit nach mechanischer Belastung» zu umschreiben und zu quantifizieren. Solche Festlegungen setzen die Kenntnis der ganzen Kausalitätskette von der mechanisch verursachten Strukturveränderung bis zu den in der VBBo aufgeführten funktionalen Kriterien der Bodenfruchtbarkeit voraus (Abb. 1). Eine Schlüsselfrage ist, ab welchem Grad der strukturellen Veränderung von einem Bodenschaden gesprochen werden kann. Die bisher vorgeschlagenen Bewertungsansätze sind leider nur teilweise wissenschaftlich abgesichert (Block et al. 2002). Bisher wurden Bodenverdichtungen vornehmlich unter dem Aspekt ihrer Wirkungen auf den Luft- und Wasserhaushalt sowie die Ertragsfähigkeit von Böden untersucht (Schack-Kirchner et al. 2007). Wirkungen auf Bodenorganismen und Bodenmikroorganismen und deren Fähigkeiten, in Waldböden Nähr- und Abfallstoffe umzuwandeln, fanden bisher kaum Beachtung, obwohl diese Organismen als exzellente Frühwarnsysteme bei schädlichen Bodenveränderungen gelten (Oberholzer und Scheid 2007; Wilke et al. 2009). 1.2Bodenmikroorganismen als Zeiger von mechanischen Bodenbelastungen Die Bodenlebewesen als schützenswerte Lebensgemeinschaft, als Strukturbildner und Garanten für die ungestörte Funktionalität der Böden stehen im Zentrum des Bodenschutzes. Dies gilt insbesondere für Bodenbakterien und Pilze, welche unverzichtbar sind für die Funktionalität von biogeochemischen Stoffkreisläufen, die Stabilisierung der Bodenstruktur und eine verbesserte Speicherung von Wasser und Nährstoffen im Boden. 62 Forum für Wissen 2013 Funktionen Eigenschaften Bodenstruktur Bodenfeuchte Bodenluft (O2; CO2) Bodenlebewesen Häufigkeit, Biomasse Diversität, Struktur Baum Artenspektrum Wachstum Schwellenwerte? Luft- und Wasserhaushalt Wassertransport Gasaustausch Wasserspeicher Aktivität Streuabbau N-Fixierung Treibhausgase Potential für natürliche Regeneration Lagerungsdichte Porenvolumen Porenverteilung Durchlässigkeit Holzproduktion Durchwurzelung Verjüngung Abb. 1. Zusammenhang zwischen standorttypischen Bodeneigenschaften und Bodenfunk tionen und deren Beeinflussung durch mechanische Bodenbelastungen durch schwere Erntemaschinen im Wald. Für die Diagnose einer Verdichtung sind Kenngrössen des Bodenlufthaushaltes und biologische Parameter (z. B. mikrobielle Diversität, Baumwachstum) ebenso wichtig für die Charakterisierung von Bodenstrukturstörungen wie die Bodenphysik (z. B. Lagerungsdichte). Das Ziel ist, Schwellenwerte zu finden, oberhalb derer die Funktions tätigkeit der Böden zumindest auf niedrigem Niveau erhalten bleibt und damit Regenera tionschancen bestehen. Quelle: modifiziert nach Weisskopf unpubliziert. Die Auswirkungen von Bodenverdichtung auf die Bodenmikroorganismen und ihre Aktivität sind sehr komplex und von vielen Faktoren abhängig (Abb 1). Häufig werden globale mikrobielle Messgrössen bestimmt, um die Wirkungen von Verdichtungen auf die Bodenmikroorganismen zu untersuchen. Die Messung dieser Grössen ist zwar relativ effizient, aber nicht ohne Probleme. So zeigen mikrobielle Biomasse und C-Mineralisation in Feldund Laborexperimenten widersprüchliche Ergebnisse. Jordan et al. (2003) zeigten, dass sich die mikrobielle Aktivität und mikrobielle Biomasse durch Bodenverdichtungen reduziert, andere Studien hingegen zeigten keine Veränderungen dieser Messgrössen (Ponder und Tandros 2002; Shestak und Busse 2005). Eindeutige Beziehungen zwischen Schadwirkungen (globalen mikrobiellen Aktivitätsparametern) und physikalischen Parametern (Lagerungsdichte) liessen sich daher nicht ableiten (Wilke et al. 2009). Ein möglicher Grund könnte sein, dass globale mikrobielle Parameter zu ungenau oder zu wenig empfindlich sind, um Veränderungen der Bodenstruktur auf Bodenmikroorganismen nachzuweisen. Neue genetische Methoden sind oft aber empfindlicher als globale mikrobielle Aktivitätsparameter und erlauben, die Wirkungen einer mechanischen Bodenbelastung auf die mikrobiellen Gemeinschaften im Boden zu untersuchen (Frey und Lüscher 2008; Frey 2010). 1.3 Untersuchung der mikrobiellen Diversität in Waldböden mittels genetischen Methoden Die mikrobielle Diversität in Waldböden ist höchst komplex und übertrifft um Grössenordnungen die Diversität von Pflanzen und Tieren. Bakterien bilden die häufigste Gruppe von Mikroorganismen in Böden. Es wird geschätzt, dass zwischen 2000 und 18 000 bakterielle Arten und bis zu 10 Milliarden bakterielle Zellen ein Gramm Waldboden besiedeln, ungefähr zwanzigmal so viele wie in einem Ackerboden (Roesch et al. 2007). Lange Zeit haben technische Limitierungen es nicht erlaubt, diese komplexen mikrobiellen Lebensgemeinschaften adäquat zu untersuchen. Kultivierung von Mikroorganismen scheint keine praktikable Methode zu sein, wissen wir doch heute, dass nur etwa ein Prozent der Mikroorganismen unter Laborbedingungen tatsächlich kultivierbar sind (Rappe und Giovannoni 2003). Die Entwicklung genetischer Methoden haben unser Verständnis vom mikrobiellen Leben revolutioniert und uns Zugang zu nicht-kultivierbaren Organismen ermöglicht (Pace 2009). Mit Hilfe von aus Umweltproben extrahiertem Erbgut (DNA), ist es heute möglich, die Zusammensetzung mikrobieller Lebensgemeinschaften zu charakterisieren. Dieser Ansatz umgeht den Schritt der Kultivierung und ermöglicht ein tieferes Verständnis der Diversität, Struktur und Funktion von mikrobiellen Gemeinschaften. Dazu werden oft ribosomale Gene analysiert, welche bei der Bildung von Eiweissen eine wichtige Rolle spielen, allem zellulären Leben zu Grunde liegen und darum ausgezeichnete molekulare Marker sind, um Verwandtschaftsbeziehungen zwischen verschie denen Arten und Artgruppen zu charakterisieren. Mittels Analysen von DNAFragmentlängen («Fingerprints») können wir heute die Wirkung von strukturellen Bodenveränderungen auf die Zusammensetzung der mikrobiellen Lebensgemeinschaften im Boden eindeutig nachweisen (Frey et al. 2009; Frey et al. 2011). «Fingerprints» lassen aber noch keine Rückschlüsse auf Diversität, Zusammensetzung und den genetischen Verwandschaftsgrad von Bakterien und Pilzen im Boden zu. In den letzten Jahren sind enorme Fortschritte auf dem Gebiet der DNA-Sequenzierung gemacht worden. Die Analyse charakteristischer DNA-Abschnitte (Dekodierung oder Sequenzierung), ermöglicht phylogenetische Rückschlüsse über deren Träger. Im Anbetracht der Entwicklung von Next-Generation Sequencing (kurz NGS) Technologien, wie zum Beispiel 454-Pyrosequenzierung sind wir erst am Anfang einer dramatischen Veränderung unseres Wissens über das mikrobielle Leben in der Umwelt (Margulies et al. 2005; Hartmann et al. 2012; Hartmann et al. 2013). Forum für Wissen 2013 63 2 Eigene Untersuchungen 2.1 Morphologische Typisierung von Fahrspuren Seit 2006 bearbeitet die Forschungseinheit Waldböden und Biogeochemie der Eidgenössischen Forschungsanstalt WSL das Projekt «Physikalischer Bodenschutz im Wald» (Lüscher et al. 2009b). Dieses langjährige Projekt hat zum Ziel, den Einfluss von Bodenverdichtung auf verschiedene Bodenparameter zu untersuchen und Schwellenwerte zu definieren (Abb. 1), unterhalb Bodenwassergehalt … Spurtyp 1 derer sich ein Waldboden noch regenerieren kann und keine dauerhaften Bodenschäden entstehen (Kremer et al. 2009). Für die Umsetzung des physikalischen Bodenschutzes wäre es vorteilhaft, verbindliche und nachvollziehbare ökologische Vorgaben, sogenannte Interventionswerte zu erhalten (Stichworte: Was ist ein Schaden? Wann soll saniert werden?). Zu diesem Zweck wurde mithilfe von ausgewählten morphologischen Merkmalen eine Typisierung der Fahrspuren entwickelt, die auf ökologisch wirksame Veränderungen im Boden Tiefe kleiner als 10 cm organische Auflage Oberboden … unterhalb oder gleich der Ausrollgrenze Unterboden Spurtyp 2 meist kleiner als 10 cm teilweise seitliche Aufwölbungen durch Auspressen organische Auflage Oberboden … zwischen Ausroll- und Fliessgrenze Unterboden Spurtyp 3 grösser als 10 cm seitliche Aufwölbungen durch Bodenfliessen organische Auflage Oberboden … gleich oder über der Fliessgrenze Spurtyp 1–3: Spurtyp 4: Spurtyp 5: Spurtyp 6: Unterboden vgl. Tab. 1 flächige, ungeordnete Befahrung; ältere nicht mehr typisierbare Spur; vermutete Spur, überdeckte oder überwachsene Fahrlinie. Abb. 2. (A) Typisierung der Fahrpuren entstanden durch schwere Holzerntemaschinen. (B) Karte mit verschiedenen Spurentypen auf einer Testfläche der Pilotstudie. Quelle: Lüscher et al. 2008a. schliessen lässt (Lüscher et al. 2008a; Lüscher et al. 2009a; Lüscher 2010). In unterschiedlichen Regionen des Schweizerischen Mittellandes (Ermatingen TG, Messen SO, Heiteren BE) wurden auf Lotharflächen im befahrbaren Gelände alle noch erkennbaren Fahrspuren kartiert, um einen Einblick in die heutige Situation der Fahrspurendichte und Spurtypenanteile zu erhalten. Die morphologische Typisierung der Fahrspuren (Spurtypen) wurde in enger Zusammenarbeit mit den Forstorganen und Bodenschutzfachstellen sowie mit Unterstützung der Technischen Universität München erarbeitet und publiziert (Lüscher et al. 2008a). Generell können die Fahrpuren in drei Kategorien eingeteilt werden, die als leicht (Spurtyp 1), mittel (Spurtyp 2: Oberboden teilweise verschoben, Fahrrille von wenigen cm ersichtlich) und schwer (Spurtyp 3: Oberboden komplett verschoben, Fahrrille von mehreren cm, seitliche Aufwölbungen ersichtlich) bezeichnet werden können (Abb. 2A). Die so definierten Spurtypen stehen im Einklang mit der Abstufung der Richt- und Prüfwerte der VBBo (1998) und dienen als Indikatoren für das Management des Bodenschutzes (z. B. Spurtyp 1 ist ein Warnzeichen, bei Spurtyp 3 muss saniert werden). Besonders beachtenswert ist, dass in diesen Lotharflächen die durch Bodenverdichtung betroffene Fläche bis zu zehn Prozent des ganzen befahrbaren Areals ausmachte (Abb. 2B). Zur quantitativen Hinterlegung dieser morphologisch erkennbaren Spurtypen wurden Veränderungen der effektiven Lagerungsdichte des Bodens, des Grobporenvolumens, der gesättigten Wasserleitfähigkeit sowie des Eindringwiderstandes herangezogen (Lüscher et al. 2005; Frey et al. 2009). Diese bodenphysikalischen Grössen ergaben ein recht genaues Bild der befahrungsbedingten Veränderungen. Zur Charakterisierung der biotischen Konsequenzen der beobachteten Bodenstrukturveränderungen wurden Kenngrössen des Bodenlufthaushaltes sowie mikrobiologische Parameter erhoben (Abb. 1 und 3). An Probepunkten mit typischer Ausprägung wurden bodenphysikalische Parameter erhoben und genetische «Fingerprintanalysen» durchgeführt. 64 Forum für Wissen 2013 Bisherige Auswertungen auf den Lotharflächen haben gezeigt, dass das Befahren mit schweren Forstmaschinen eine signifikante Veränderung von physikalischen, chemischen und biologischen Bodeneigenschaften in den Bodentiefen 5 und 20 cm hervorruft (Frey und Lüscher 2008; Frey et al. 2009; Frey 2010; Frey et al. 2010). Bakterielle Lebensgemeinschaften unter den Fahrspuren mit starker Störung (Spurtyp 3) unterschieden sich wesentlich von den Gemeinschaften in den ungestörten (Referenz) oder wenig gestörten (Spurtyp 1; z. T. Spurtyp 2) Bodenproben (Abb. 3). Diese Befunde standen in engem Zusammenhang mit nachweisbaren Bodenstrukturveränderungen und drastischen Reduktionen der Wasser- und Gasleitfähigkeit in den Fahrspuren (Kremer et al. 2009; Frey et al. 2009; Frey 2010). Trotz wertvoller Erkenntnisse hat diese Pilotstudie ihre Grenzen. Die bisherigen Analysen waren begrenzt durch ungenügend kontrollierte experimentelle Bedingungen (Frey und Lüscher 2008; Frey et al. 2009; Frey et al. 2010). Im Weiteren sind weder das exakte Datum der Befahrung dieser Flächen noch Informationen über Reifendruck und damalige physikalische Bodenbedingungen vorhanden. Dies verunmöglicht eine genaue Charakterisierung der Störungen und Aussagen über potentielle Schwellenwerte mittels dieser Daten. 0,6 Befahrung Um die experimentellen Bedingungen besser zu kontrollieren sowie den zeitlichen Verlauf beziehungsweise die natürliche Regeneration der Verdichtung zu evaluieren, wurden in zwei dieser Flächen im Wald unter kontrollierten Bedingungen Fahrversuche durchgeführt (Frey et al. 2011; Hartmann et al. 2013). Das Ziel der Befahrungsexperimente war die Erzeugung von typischen Spurausprägungen, die Ermittlung des bodenphysikalischen Zustandes und die Charakterisierung der mikrobiellen Gemeinschaften in Abhängigkeit von der Spurausprägung. Spurtyp 1 Bakerielle Populationsstrukturen Wasserleitfähigkeit 2 A Spurtyp 3 C 1,6 B md–1 PC2 Spurtyp 2 –0,6 2.2 Fahrversuche unter kontrollierten Bedingungen 1,2 0,8 0,4 0 –1,0 PC1 Ref 1,5 1 2 3 Abb. 3. Zusammenhang zwischen Strukturschaden durch Befahrung (B), Bodenfunktionen (C) und Zusammensetzung der bakteriellen Populationsstrukturen (A). Visuelle Typisierung 1, 2 und 3 der Fahrspuren nach der Art von Veränderungen im Boden (B). Ein schwere Bodenbeeinträchtigung (Spurtyp 3) zeichnet sich durch eine stark reduzierte Wasserinfiltration (C) in den Fahrspuren aus. Die Zusammensetzung der bakteriellen Populationsstrukturen (A) zeigt in Abhängigkeit vom Spurtyp stark unterschiedliche Cluster in der Hauptkomponenentenanalyse (PC1; PC2) auf. Spurtypen 1 (grüne Kreise) und 2 (blaue Dreiecke) liegen eng bei den Punkten aus dem ungestörten Referenzbereich (Ref: Sterne), davon unterscheiden sich die Gemeinschaften im Spurtyp 3 (rote Quadrate) deutlich. A B Abb. 4. (A) Fahrexperiment mit schweren Holzerntemaschinen am Versuchsstandort Ermatingen TG. (B) Stark verdichtete Fahrspur mit teilweise schlecht abfliessendem Wasser. Quelle: Frey und Lüscher 2008. Forum für Wissen 2013 65 CH4 [µmol m–2 h–1] Co2 [µmol m–2 h–1] 700 600 500 400 300 200 100 0 Ref Sp1 Sp2 Sp3 5 5 3 4 N2O [µmol m–2 h–1] 800 1 –1 –3 –5 Ref Sp1 Sp2 Sp3 3 2 1 0 Ref Sp1 Sp2 Sp3 Abb. 5. Netto Emission von Kohlenstoffdioxid (CO2), Methan (CH4) und Lachgas (N2O) in unbefahrenen Bodenflächen (Ref), sowie nach Befahrung im Spurtyp 1 (Sp1), Spurtyp 2 (Sp2) und Spurtyp 3 (Sp3). Quelle: Hartmann et al. 2013. Diese Erkenntnisse sollen helfen, einen Bodenschaden besser zu definieren. In zwei Waldstandorten im schweizerischen Mittelland mit tonigem Lehm (Ermatingen, 2007) und schluffigem Sand (Heiteren bei Bern, 2008) wurde versucht, die aufgrund von morphologischen Kriterien ausgeschiedenen Spurtypen 1, 2 und 3 bei bekanntem Bodenwassergehalt und mit definierten Maschinenmassen künstlich zu erzeugen (Abb. 4). Dazu wurde in ebener Lage mit möglichst einheitlichen Bodeneigenschaften über je drei Fahrlinien ein Feuchtegradient angelegt, durch den beim Befahren die angestrebten Fahrspurtypen entstanden. Vor der Befahrung wurde die Bodenfeuchtigkeit entlang der vorgesehenen Spuren (dreifach im Abstand von jeweils 20 Meter wiederholt) an verschiedene Wassergehalte angepasst. Dieser Gradient reichte von 0,17 (plastisches Limit) über 0,27 zu 0,35 (flüssiges Limit) Gramm Wasser pro Gramm Boden. Der erste Teil der vorgeschriebenen Fahrlinie (um den Spurtyp 1 anzustreben) wurde mit einer Plastikplane für zwei Tage abgedeckt, um die Infiltration von Regen zu verhindern. Die zwei anderen Versuchsfelder wurden vor dem Fahrexperiment mit verschiedener Intensität bewässert (um den Spurtyp 3 anzustreben). Die Forstmaschinen auf diesen verschieden feuchten Böden verursachten Verdichtungen der Kategorie leicht, mittel und schwer (Abb. 2A) auf einer Länge von mindestens zehn Metern. Der unmittelbar benachbarte, unbefahrene Boden wurde als Kontrolle (Referenz) verwendet. Messungen von bodenphysikali schen Eigenschaften Um das Ausmass von Bodenveränderungen in Abhängigkeit von der Spurausprägung zu charakterisieren, wurden die Spurtypen (1, 2, 3) systematisch auf ihren bodenphysikalischen Zustand nach der Belastung untersucht. Dies geschah mit konventionellen Verfahren an Stechzylinderproben (100 cm3) aus zwei Tiefenstufen (5–10 cm; 15–20 cm). Strukturrelevante Bodenkennwerte wie Lagerungsdichte, Porenraum, Porengrössenverteilung und ökologisch bedeutsame Funktionalitätsparameter wie gesättigte Wasserleitfähigkeit und intrinsische Luftleitfähigkeit wurden im Labor erhoben (Frey et al. 2009). Die Ergebnisse zeigen deutlich: Bodenverdichtung reduziert das Porenvolumen und kann Poren zerstören. Mit der Wassersättigung durch verschlechterte Wasserinfiltration kommt es in den Fahrspuren häufig zu stehendem Wasser. Der Anteil des mit Wasser gefüllten Porenraums nimmt zu und die Gasleitfähigkeit sinkt, was wiederum Diffusion und Verfügbarkeit von Sauerstoff limitiert (Abb. 3). Messungen von Spurengasen im Boden Im verdichteten Porenvolumen in den Fahrspuren wird der Gasaustausch zwischen Boden und Atmosphäre gestört. In Zusammenarbeit mit Dr. Pascal Niklaus (Universität Zürich) wurden zwischen April 2008 und April 2009 monatlich die Flüsse der Treibhausgase Kohlendioxid (CO2), Methan (CH4) und Lachgas (N2O) in diesen Böden gemessen. Die Gewinnung der Bodengasproben erfolgte während der Messperioden in allen Versuchsvarianten mittels geschlossener Bodenhauben («closed chamber method») in jeweils 4-facher Wiederholung. Kohlendioxid, Methan und Lachgas in den Gasproben wurden an einem Gaschromatographen (Firma Shimadzu) gemessen (Frey et al. 2011; Hartmann et al. 2013). Die Messungen zeigten eine Zunahme von Methan und Lachgas und eine Abnahme von Kohlendioxid mit steigender Bodenverdichtung (Abb. 5). Bei sehr starker Verdichtung fällt die Lachgasproduktion. Dies könnte ein Hinweis darauf sein, dass unter sauerstoffarmen Bedingungen die Bildung von Lachgasvorstufen limitiert ist oder dass Lachgas komplett zu molekularem Stickstoff umgesetzt wird. Ebenfalls kann aus diesen Daten die Hypothese aufgestellt werden, dass eine reduzierte Aktivität der Zersetzung von organischem Material (Dekomposition) zu einer niedrigeren CO2-Produktion in diesen Böden führt (Abb. 5). Ein gestörter Gasaustausch zwischen Boden und Atmosphäre in verdichteten Fahrspuren beeinflusst die Lebensbedingungen der Mikroorganismen in Bezug auf O2- beziehungsweise CO2-Gehalt der Bodenluft. Der im Boden enthaltene Sauerstoff wird in kurzer Zeit durch aerobe Mikroorganismen verbraucht, um organisches Material abzubauen. Bei sauerstofflimitierenden Bedingungen kommt es zu veränderten mikrobiellen Prozessen im Boden, indem das Oxidationsmittel für die Energiegewinnung der Mik- 66 A Forum für Wissen 2013 B 4.E+07 30 Tg 30 Tg 8.E+06 180 Tg 180 Tg 360 Tg mcrA Genkopien pro Gramm Boden mcrA Genkopien pro Gramm Boden 3.E+07 3.E+07 2.E+07 2.E+07 1.E+07 5.E+06 mation (Spurtyp 2) mit eingeschränkten Bodenfunktionen, treten vermehrt aerobe und anaerobe Bakterien auf, die insbesondere Lachgas produzieren. In der gravierendsten Deformationsstufe (Spurtyp 3) verschwinden die aeroben Bakterien und die Mykorrhizapilze. Die Abundanz von Methanproduzierenden und Sulfat-reduzierenden Bakterien und saproben Pilzen nehmen dagegen zu. Diese sind also der zweifelsfreie Hinweis für einen «Bodenschaden». 9.E+06 360 Tg 7.E+06 6.E+06 5.E+06 4.E+06 3.E+06 2.E+06 1.E+06 2.3 Regenerationsmassnahmen von verdichteten Fahrspuren 0.E+00 0.E+00 Ref Sp1 Sp2 Sp3 Ref Sp1 Sp2 Sp3 Abb. 6. Zunahme der Methan-Produzierer (Methanogene) in Ermatingen (A) und Heiteren (B) 30, 180 und 360 Tage nach der Befahrung in den verschiedenen Spurtypen (1, 2 und 3). Ref = ungestörte Referenz. Methan-Produzierer wurden mittels dem spezifischen, funktionellen Markergen mcrA (Methyl coenzyme M reduktase A) untersucht. Quelle: Frey et al. 2011. roorganismen von Sauerstoff zu Nitrat und anderen Elektronen-Akzeptoren erfolgt (Schnurr-Pütz et al. 2006). Veränderungen in der Zusammensetzung bakterieller und pilzlicher Gemeinschaften Vor und zu verschiedenen Zeitpunkten nach der Befahrung (1, 7, 30, 180, 360, 720, 1080 und 1440 Tage) wurden Bodenproben aus den Fahrspuren und Referenzflächen in zwei verschiedenen Tiefen (5 und 15 cm) und an mehreren Standorten innerhalb einer Fahrspur entnommen. Alle Proben pro einzelne Fahrspur und Tiefe wurden in einer Probe vereint, sodass jede Verdichtungsstufe und Tiefe dreifach repräsentiert war. Aus diesen Bodenproben wurde fortlaufend DNA (Erbsubstanz) der kompletten, mikrobiellen Gemeinschaft extrahiert und gelagert. So stehen heute 432 Proben (2 Fahrexperimente × 4 Verdichtungsstufen × 2 Tiefen × 3 Replikate × 9 Zeitpunkte) zur Analyse bereit. Die Beprobungs-Serie wird weiter fortgesetzt. Die Diversität und Verwandschaftsbeziehung der mikrobiellen Gemeinschaften in unseren Bodenproben erfassen wir mittels hochauflösenden 454-Pyrosequenzierung (Hartmann et al. 2012; Hartmann et al. 2013). Erste genetische Untersuchungen an diesen Proben haben die Hypothese bestätigt, dass spezifische bakterielle Gemeinschaften, wie zum Beispiel die Methan-Produzierer (Methanogene), stark auf Verdichtung und die damit zusammenhängenden physikalischen und chemischen Veränderungen der Bodeneigenschaften reagieren (Abb. 6). Diese Methan-produzierenden Bak terien sind somit gute Indikatoren um eine mechanische Überbelastung des Bodens anzuzeigen (Frey et al. 2011). In sauerstoffarmen Böden nehmen die Methanbakterien stark zu, welche sonst vor allem in Moorböden oder auf Reisanbauflächen leben. In der Folge werden die Waldböden zu einer Methanquelle, während sie normalerweise eine Methansenke bilden. Wird wie oben erwähnt davon ausgegangen, dass ungefähr drei Prozent der Wald fläche im Mittelland ( Brändli 2010) mechanisch beeinträchtigt sind, so werden hochgerechnet ungefähr 55 t Methan pro Jahr (oder 1265 t CO2Äquivalente) ausgestossen. Im Vergleich zur Landwirtschaft ist dieser Methanausstoss im Wald jedoch immer noch sehr gering. Ausgehend von einer intakten Bodenstruktur (Referenz, Spurtyp 1) ist die mikrobielle Lebensgemeinschaft von aeroben Bakterien mit CO2 als Atmungsprodukt und einer Dominanz an Mykorrhizapilzen gekennzeichnet. Kommt es zu einer plastischen Defor- Verdichteter Boden kann sich durch wechselfeuchte Bedingungen, Frostzyklen, Wurzelwachstum oder Regenwurmaktivität regenerieren (verbesserter Gasaustausch zwischen Boden und Atmosphäre). Die natürliche Regeneration kann aber langsam und je nach Schweregrad der Bodenverdichtung sogar unmöglich sein (von Wilpert und Schäffer 2006). Darum treten aktive Regenerations massnahmen immer mehr in den Fokus der Bodenschutzforschung. Auf LotharReservatsflächen (Habsburg AG, Messen SO, Brüttelen BE) wurden stark geschädigte Fahrspuren im Jahre 2002 mit Alnus glutinosa (Schwarzerle als Jungpflanzen) und Salix viminalis (Korbweide als Stecklinge) bepflanzt, um die biologische Regeneration zu beschleunigen und die Spuren zu sanieren (Lüscher et al. 2008b). Erste Resultate nach sieben Jahren Baumwachstum zeigten, dass die Schwarzerlen in den stark verdichteten Fahrspuren anwachsen konnten (Abb. 7), die Korbweiden jedoch nicht. Innerhalb von sieben Jahren durchwurzelten die Erlen den verdichteten Boden bis in Tiefen von > 80 cm. In den bepflanzten Fahrspuren wurde eine Verbesserung der Gefügestruktur, Luftleitfähigkeit (Abb. 8) sowie eine Minderung der Vernässungsmerkmale nachgewiesen (Meyer et al. 2010; Meyer et al. 2011a, b, c). Folglich erwies sich das Wurzelwachstum von spezifischen Baumarten, wie zum Beispiel der Schwarzerle, als hoffnungsvolle Methode, verdichtete Böden effizient und kostengünstig aufzulockern (Lüscher et al. 2008b). Über den Erfolg dieser Methode im Hinblick auf mikrobiologische Forum für Wissen 2013 67 A B ten, dass die Regeneration nach aktiven Sanierungsmassnahmen durch Bepflanzung schneller geschieht als ohne Massnahmen. Für die Untersuchung von allfälligen Unterschieden werden strukturrelevante Bodenkennwerte (Lagerungsdichte, Porenraum, Porengrössenverteilung) wiederholt erfasst. Im weiteren werden auch die Durchwurzelung und die Regenwurmgänge ausgezählt (Meyer et al. 2011b, c). 3 Schlussfolgerungen und Ausblick Abb. 7. (A) Mit Schwarzerlen und Korbweiden bepflanzte Fahrspuren in Habsburg AG (März 2007). (B) Schwarzerlenwurzel unter einer Fahrspur in Brüttelen BE vier Jahre nach der Pflanzung. Quelle: Lüscher et al. 2008b. Tiefe 0,2–0,3 m Luftfeuchtigkeit [m2] * 83-11 * 4e-11 * 0e-00 Erle mit Kompost Erle ohne Kompost Erle unbefahrene Referenz Fahrspur ohne Massnahme Abb. 8. Verbesserung der Luftleitfähigkeit in der Tiefe 20–30 cm (n = 5) 6 Jahre nach der Bepflanzung mit Schwarzerlen. Quelle: Meyer et al. 2011b). Parameter in den verdichteten Fahrspuren ist allerdings wenig bekannt. Ausgehend von diesen ersten Erfahrungen wurden Sanierungsmassnahmen in den Fahrspuren der Versuchsfläche Ermatingen (TG) durch Pflanzung von Alnus glutinosa (Schwarzerle) im Jahre 2008 gestartet, um die durch schwere Forstmaschinen verdichteten Böden mittels Wurzelwachstum zu regenerieren. Der Erfolg der Bepflanzung auf das Regenerationsvermögen der mikrobiellen Gemeinschaften wird gegenwärtig in Proben von 2011 (drei Jahre nach Bepflanzung) und 2013 untersucht. Die 2008 genommenen Bodenproben dienen als Basisdaten. Referenzflächen sowie verdichtete, aber nicht bepflanzte Fahrspuren dienen als Kontrolle. Die Anlage dieses Versuchsfeldes erlaubt, etwaiger regenerativer Strukturentwicklungen über zweijährliche Wiederholungsaufnahmen zu verfolgen. Bei diesen Untersuchungen steht das Regenerationsvermögen mikrobieller Gemeinschaften im Vordergrund, welche in den Fahrversuchen darauf hindeuten, dass die Böden verdichtet und ihre Struktur gestört sind. Mikrobielle Gemeinschaften regenerieren sich im Allgemeinen gut. Vermutlich werden Arten, die durch abnehmende Sauerstoffverfügbarkeit zurückgehen (sensible Indikatoren) oder zunehmen (resistente Indikatoren), in den Zustand vor der Störung zurückkehren, sobald der mechanische Stress durch Sanierungsmassnahmen gemindert oder behoben wird. Wir vermu- Diese Studien zeigen, dass eine mechanische Bodenbelastung mit schweren Erntemaschinen die ökologische Funktionalität des Bodens stark beeinträchtigen kann. Durch Veränderung des Luft- und des Wasserhaushaltes im Boden werden die Lebensbedingungen der Mikroorganismen in Bezug auf O2- beziehungsweise CO2-Gehalt der Bodenluft verändert. Folge ist eine erhebliche Veränderung der Diversität und Gemeinschaftsstruktur von Bakterien und Pilzen. Gewisse mikrobielle Schlüsselgruppen (z. B. Methan-Produzierer oder Sulfat-reduzierende Bakterien) dienen als Zeiger, um derartige Störungen anzuzeigen. Sie sind der zweifelsfreie Hinweis für einen «Bodenschaden» (Abb. 9). Eine Zeitreihe erlaubt uns zudem das Potenzial und den Erfolg der Regeneration in verdichteten Böden mittels den mikrobiellen Zeiger abzuschätzen. Es wird sich herausstellen, ob die mikrobiellen Schlüsselgruppen fähig sind, sich in einem verdichteten Boden nach Bepflanzung wieder zu erholen (und nach wieviel Jahren). Diese Erkenntnis wird aufzeigen, wie wahrscheinlich es ist, dass sich ein durch schwere Forstmaschinen verdichteter Boden durch Bepflanzung erholen kann. Bei einer Verdichtung oberhalb eines zu definierenden Schwellenwertes wird keine natürliche Regeneration stattfinden. Aufgrund der Bedeutung dieses Themas im Hinblick auf den Bodenschutz und die Emission klimarelevanter Gase aus Waldböden erscheint eine vertiefte Forschung zu den Zusammenhängen zwischen physikalischen Beeinträchtigungen und den Folgen für die Boden- 68 Forum für Wissen 2013 Spurtyp 1 Spurtyp 2 Spurtyp 3 + +/– – CO2 voll aerob N2O aerob – anaerob nicht beeinträchtigt beeinträchtigt Spurbild Bodenphysik Mikrobiologie Boden- und Wurzelfunktion ? CH4 anaerob geschädigt Abb. 9. Vorrangiges Ziel muss die Abgrenzung von beeinträchtigten zu geschädigten Bodenfunktionen sein. Sie ist dann auf die operative Ebene der visuellen Spurausprägung zu übertragen. mikroorganismen angebracht. Nachdem ein hinreichend gutes, jedoch nur generelles Prozessverständnis besteht, müssen im nächsten Schritt die Schlüsselorganismen im Stickstoff- und Kohlenstoffkreislauf für die verschiedenen Intensitäten verformter Böden zur Ableitung von Schwellenwerten untersucht werden (Abb. 9). Wir vermuten, dass stickstoffabbauende und -fixierende sowie methanbildende Organismen von sauerstoffarmen Bedingungen profitieren, während stickstoffbildende, methan- abbauende und pflanzensymbiotische (z. B. Mykorrhizapilze) Arten negativ beeinflusst werden. Diese Störungen können weitreichende Konsequenzen bezüglich des Stickstoff- und Kohlenstoffhaushalts nach sich ziehen und können die Emission von Treibhaus gasen signifikant erhöhen sowie die Nährstoffstoffverfügbarkeit in Waldböden negativ beeinflussen. Diese Untersuchungen werden zu einem stark verbesserten Verständnis führen, wie diese funktionellen Schlüsselgruppen durch Forstwirtschaft beeinflusst werden und auch helfen, Richtlinien aufzustellen, unter welchen Umständen Bodenschäden problematisch sind. 4Danksagung Unsere Forschungsarbeiten w urden durch ein WSL-internes Projekt (5233.00029.001.01) unterstützt. Unser Dank gilt speziell Peter Lüscher, der uns unterstützte all die experimentellen Flächen zur mechanischen Bodenbelastung in den Waldstandorten zu Nutzen. Ebenfalls danken wir Johann Kremer, Stephan Zimmermann und Pascal Niklaus, welche die umfangreichen Daten zu Bodenphysik und Klimagasen erhoben. 5Literaturverzeichnis Block, R.; Van Rees, K.C.J.; Pennock, D.J., 2002: Quantifying harvesting impact using soil compaction and disturbance regimes at a landscape scale. Soil Sci. Soc. Am. J. 66: 1669–1676. Borchert, H.; Kremer, J., 2007: Unternehmer bevorzugen grosse Maschinen. LWF aktuell 59: 27–29. Brändli, U.B., 2010: The Swiss National Forest Inventory. Results of the third survey 2004–2006. Swiss Federal Research Institute WSL. Federal Office for the Environment, FOEN 1–321. Frey, B., 2010: Bewertung von befahrungsbedingten Bodenveränderungen mittels Bakterienpopulationen. Schweiz. Z. Forstwes. 161: 498–503. Frey, B.; Lüscher, P., 2008: Mikrobiologische Untersuchungen in Rückegassen. LFW aktuell 67: 5–7. Frey, B.; Kremer, J.; Rudt, A.; Sciacca, S.; Matthies, D.; Luscher, P., 2009: Compaction of forest soils with heavy logging machinery affects soil bacterial community structure. Eur. J. Soil Biol. 45: 312–320. Frey, B.; Kremer, J.; Sciacca, S.; Matthies, D.; Lüscher, P., 2010: Soil bacterial community structure reacts to compaction of forest soils with logging machinery. BGS Swiss Soil Society 30: 109–112. Frey, B.; Niklaus, P.A.; Kremer, J.; Luscher, P.; Zimmermann, S., 2011: Heavy-machinery traffic impacts methane emissions as well as methanogen abundance and community structure in oxic forest soils. Appl. Environ. Microbiol. (in press, doi:10.1128/ AEM.05206-11). Gaertig, T.H.; Schack-Kirchner, H.; Hildebrand, E.E., 2001: Steuert Gasdurchlässigkeit im Boden Feinstwurzeldichte und Vitalität der Eiche? AFZ/Der Wald, 25: 1344–1347. Hartmann, M.; Howes, C.G.; Van Insberghe, D.; Yu, H.; Bachar, D.; Christen, R. et al. 2012: Significant and persistent impact of timber harvesting on soil microbial communities in Northern coniferous forests. ISME J. 6: 2199–2218. Hartmann, M.; Niklaus, P.A.; Zimmermann, S.; Schmutz, S.; Kremer, J.; Abarenkov, K.; Lüscher, P.; Widmer, F.; Frey, B., 2013:. Resistance and resilience of the forest soil microbiome to logging-associated compaction. ISME J. (im Druck; doi:10.1038/ismej.2013.141) Jordan, D.; Ponder, F.J.; Hubbard, V.C., 2003: Effects of soil compaction, forest leaf litter and nitrogen fertilizer on two oak species and microbial activity, Appl. Soil Ecol. 23: 33–41. Kremer, J.; Frey, B.; Lüscher, P., 2009: Bodenstrukturveränderung oder Bodenschaden – wo liegt die Grenze? Ber. Freibg. Forstl. Forsch. 79: 39–45. Lüscher, P.; Thees, O.; Frutig, F.; Sciacca, S., 2005: Physikalischer Bodenschutz im Wald als Teil der Arbeitsqualität. Bull. Bodenkd. Ges. Schweiz 28:11– 14. Lüscher, P.; Sciacca, S.; Thees, O., 2008a: Bestrebungen zur Verbesserung des Bodenschutzes in der Schweiz. LFW aktuell 67: 19–21. Lüscher, P.; Sciacca, S.; Halter, M., 2008b: Regeneration von Wurzelraumfunktionen nach mechanischer Belastung. LFW aktuell 67: 11–12. Forum für Wissen 2013 Lüscher, P.; Borer, F.; Blaser, P., 2009a: Langfristige Beeinträchtigung der Frucht barkeit des Waldbodens durch mechanische Belastung. Vdf-Verlag 261–270. Lüscher; P.; Frutig, F.; Sciacca, S.; Spjevak, S.; Thees, O., 2009b: Physikalischer Bodenschutz im Wald. Merkbl. Prax. 45: 12 S. Lüscher, P., 2010: Bodenveränderungen und Typisierung von Fahrspuren nach mechanischer Belastung. Schweiz. Z. Forstwes. 161: 504–509. Margulies, M.; Egholm, M.; Altman, W.E.; Attiya, S.; Bader, J.S.; et al. 2005: Genome sequencing in microfabricated highdensity picolitre reactors. Nature 437: 376–380. Marshall, V.G., 2000: Impacts of forest harvesting on biological processes in northern forest soils. For. Ecol. Manage. 133: 43–60. Meyer, C.; Lüscher, P.; Schulin, R., 2010: Regeneration von mechanisch verdichtetem Boden unter Fahrspuren durch Sanierungsmassnahmen. Bull. Bodenkd. Ges. Schweiz 31: 12–16. Meyer, C.; Lüscher, P.; Schulin, R., 2011a: Bodenverdichtung unter Fahrspuren – Strukturregeneration durch Bepflanzung mit Alnus glutinosa. Bull. Bodenkd. Ges. Schweiz 32: 15–19. Meyer, C.; Lüscher, P.; Schulin, R., 2011b: Bodenverdichtung unter Fahrspuren – Strukturregeneration durch Bepflanzung mit Alnus glutinosa. In: Böden verstehen – Böden nutzen – Böden fit machen. DBG Jahrestagung, Berlin 1–4. 69 Meyer, C.; Lüscher, P.; Schulin, R., 2011c: Verdichteten Boden mit Schwarzerlen regenerieren? Wald Holz 10: 40 –43 Oberholzer, H-R.; Scheid, S., 2007: Bodenmikrobiologische Kennwerte. Erfassung des Zustands land-wirtschaftlicher Böden im NABO-Referenzmessnetz anhand biologischer Parameter (NABObio). Bundesamt für Umwelt, Bern. UmweltWissen Nr. 0723. Pace, N.R., 2009: Mapping the tree of life: progress and prospects. Microbiol. Mol. Biol. Rev. 73: 565–576. Ponder, F.; Tadros, M., 2002: Phospholipid fatty acids in forest soil four years after organic matter removal and soil compaction, Appl. Soil Ecol. 19: 173–182. Rappe, M.S.; Giovannoni, S.J., 2003: The uncultured microbial majority. Annu. Rev. Microbiol. 57: 369–394. Roesch, L.F.; Fulthorpe, R.R.; Riva, A.; Casella, G.; Hadwin, A.K.M.; Kent, A.D.; Daroub, S.H.; Camargo, F.A.O.; Farmerie, W.G.; Triplett, E.W., 2007: Pyrosequencing enumerates and contrasts soil microbial diversity. ISME J. 1: 283–290. Schack-Kirchner, H.; Fenner, P.T.; Hildebrand, E.E., 2007: Different responses in bulk density and saturated hydraulic conductivity to soil deformation by logging machinery on a Ferrasol under native forest. Soil Use Manag. 23: 286–293. Abstract Biodiversity of forest soil – impact of logging machinery on microbial communities The use of heavy logging machinery in Swiss forests often leads to the formation of ruts in which the soil suffers profound and long-lasting damage. The central question is: what degree of structural change in the soil should be regarded as soil damage? In two separate trafficking experiments, wheel tracks of different severities were created to explore the functional relationships between the physical properties of the soil (compaction), and the way these influence vital soil functions, greenhouse gas production and microbial diversity. Compaction was found to alter soil porosity and thus strongly limit air and water conductivity, leading to increased trace gas emissions (methane, nitrous oxide) from the compacted forest soils. Compaction persistently altered the structure of the microbiome and organisms capable of anaerobic respiration, such as methanogens and sulphate reducers, were significantly associated with compacted soils. Soil compaction also detrimentally affected ectomycorrhizas, whereas saprobic and parasitic fungi increased proportionally with compaction. These fungi can therefore be used as indicators in evaluating the degree of structural damage to the forest soil after heavy machines have moved over it. Keywords: forest soil compaction, soil physical characteristics, microbial diversity, pyrosequencing, greenhouse gas fluxes, soil functions Schnurr-Pütz, S.; Baath, E.; Guggenberger, G.; Drake, H.L.; Kusel, K., 2006: Compaction of forest soil by logging machinery favours occurrence of prokaryotes. FEMS Microbiol. Ecol. 58: 503– 516. Shestak, C.J.; Busse, M.D., 2005: Compaction alters physical but not biological indices of soil health. Soil Sci. Soc. Am. J. 69: 236–246. VBBo, 1998: Verordnung über Belastungen des Bodens vom 1. Juli 1998, SR 814.12. AS 1998 1854 EDMZ, Bern. von Wilpert, K.; Schäffer, J., 2006:. Ecological effects of soil compaction and initial recovery dynamics: a preliminary study. Eur. J. Forest Res. 125: 129–138. Wilke, BM.; Beylich, A.; Oberholzer, H.R., 2009: Beurteilung von Bodenverdichtungen aus Sicht der Bodenbiologie. Bodenschutz 2: 52–58. Forum für Wissen 2013: 71–81 71 Bodenbiologie im Referenzmessnetz der Nationalen Bodenbeobachtung NABO Anna-Sofia Hug1, Andreas Gubler1, Franco Widmer2, Beat Frey3, Hansruedi Oberholzer4, Peter Schwab1 und Reto Meuli1 Agroscope Reckenholz-Tänikon ART, Nationale Bodenbeobachtung, Reckenholzstrasse 191, CH-8046 Zürich, [email protected] 2 Agroscope Reckenholz-Tänikon ART, Molekulare Ökologie, Reckenholzstrasse 191, CH-8046 Zürich 3 WSL Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft, Rhizosphären Prozesse, Zürcherstrasse 111, CH-8903 Birmensdorf 4 Agroscope Reckenholz-Tänikon ART, Bodenfruchtbarkeit /Bodenschutz 1 Viele für den Menschen wichtige Bodenfunktionen, wie der Abbau von organischem Material, die Stickstofffixierung oder die Grundwasserfilterung sind unter anderem abhängig von den im Boden lebenden Organismen. Bodenlebewesen reagieren sehr sensibel auf Veränderungen ihres Lebensraumes. Um frühzeitig Hinweise auf schädliche Veränderungen im System Boden zu erhalten ist es für die Nationale Bodenbeobachtung NABO von grossem Interesse, bodenbiologische Parameter routinemässig in ihr Messprogramm aufzunehmen. Basierend auf den Erkenntnissen von bereits durchgeführten bodenbiologischen Untersuchungen der NABO und internationalen Richtlinien, wurde im Frühjahr 2012 damit begonnen, an 30 Standorten des NABO-Referenzmessnetzes die bodenmikro biologischen Parameter mikrobielle Biomasse (bestimmt mit den Methoden Fumigation-Extraktion und Substratinduzierte Respiration), Basalatmung und DNS-Menge zu messen. Diese klassischen mikrobiologischen Bestimmungsmethoden werden dabei von der sich rasch entwickelnden molekulargenetischen Analytik ergänzt. Diese auf der DNS basierenden Methoden eröffnen neue Möglichkeiten in der Erforschung der Diversität von Bodenorganismen und deren Funktionen und weisen für die Bodendauerbeobachtung grosses Potential auf. Dieser Beitrag stellt das Messkonzept sowie erste Resultate der Beprobung vom Frühjahr 2012 vor. 1Einleitung Seit 1984 betreiben die Bundesämter für Umwelt (BAFU) und Landwirtschaft (BLW) gemeinsam das Nationale Bodenbeobachtungsprogramm (NABO). Dieses basiert auf dem Umweltschutzgesetz (USG 1983) und der damals noch geltenden Verordnung über Schadstoffe im Boden (VSBo 1986). Zurzeit wird im landesweiten NABO-Referenzmessnetz die Belastung des Bodens mit anorganischen und organischen Schadstoffen an über 100 Standorten in fünfjährigen Beprobungszyklen überwacht. Mit der Ablösung der VSBo (1986) durch die Verordnung über Belastungen des Bodens (VBBo 1998), die neu neben chemischen auch physikalische und biologische Bodenbelastungen berücksichtigt, wurde der gesetzliche Auftrag für das Bodenmonitoring ausgeweitet. Neben den gesetzlichen Vorgaben haben sich in den vergangenen 25 Jahren auch der ökologische, wirtschaftliche und politische Rahmen der Umweltbeobachtung geändert. So wird auch die Bodenbeobachtung mit neuen Fragestellungen konfrontiert und neue Themenfelder wie Biodiversität, Klimawandel oder Landnutzungsänderungen sind in den Vordergrund getreten. Um das Messnetz den neuen Rahmenbedingungen anzupassen, hat sich die NABO zum Ziel gesetzt, bodenbiologische Messgrössen als Routineparameter in ihr Messprogramm aufzunehmen. 1.1 Bedeutung der Boden lebewesen Oberstes Ziel der VBBo ist der langfristige Erhalt der Bodenfruchtbarkeit (VBBo 1998). Die Bodenfruchtbarkeit kann mit der Fähigkeit des Bodens umschrieben werden, mit der er durch seine physikalischen, chemischen und biologischen Eigenschaften in der Lage ist, verschiedenste Funktionen wie etwa die Produktions-, Regulierungs- oder Lebensraumfunktion («ecosystem services») zu erfüllen. Das Ökosystem Boden liefert somit in verschiedensten Bereichen die Grundlage für das Fortbestehen der Menschheit, wobei die Bodenorganismen mit ihren vielfältigen Funktionen (Abbau von organischen Material, Stickstofffixierung, Grundwasserfilterung, Bioremediation usw.) einen entscheidenden Beitrag dazu leisten. Der Wert der «ecosystem services», der weltweit durch Bodenlebewesen bereitgestellt wird, wird auf rund 1,542 Milliarden US$ pro Jahr geschätzt (FAO 2012). Das Bundes-Bodenschutzgesetz Deutschlands etwa verlangt explizit die nachhaltige Sicherung der natürlichen Funktionen des Bodens (BBodSchG 1998). Auch die Schweizer Bodenpolitik des BAFU basiert auf den lebenswichtigen Bodenfunktionen (BAFU 2011). 1.2 Bodenbiologische Parameter in der NABO Wie zahlreiche Studien belegen, rea gieren Bodenlebewesen sensibel auf Veränderungen ihres Lebensraumes (Hartmann et al. 2006; Frey et al. 2006; Frey et al. 2009; Dequiedt et al. 2011; Frey et al. 2011; Thomsen et al. 2012). Aus diesem Grund können bodenbiologische Parameter als Indikatoren genutzt werden, um Veränderungen des Systems Boden frühzeitig zu erkennen. Um die Messergebnisse an NABO-Standorten umfassend zu interpretieren, sind Kenntnisse über 72 biologische Bodeneigenschaften für die NABO unabdingbar. Für die Stand orte des NABO-Referenzmessnetzes sind Standorteigenschaften (Textur, Gehalt organischer Kohlenstoff, pH oder Landnutzung) sowie die stoffliche Belastung mit Schwermetallen und organischen Schadstoffen (PAK und PCB) bekannt. Darüber hinaus werden im Rahmen des indirekten Monitorings (NABO-Flux) an ausgewählten NABO-Standorten die Stoffflüsse (P und N) anhand der Bewirtschaftungsangaben der Landwirte erfasst (Keller et al. 2005; Della Peruta et al. 2013). Diese Daten können wiederum für die Interpretation der Messergebnisse von bodenbiologischen Untersuchungen verwendet werden – und umgekehrt. Bisherige Untersuchungen Im Rahmen des Projektes «Langzeitbeobachtung von physikalischen und biologischen Bodeneigenschaften» (LAZBO) wurde während sechs Jahren die Eignung ausgewählter Parameter für die Langzeitbeobachtung physikalischer und biologischer Eigenschaften von Böden beurteilt (Schwab et al. 2006). Zudem wurde in den Jahren 2004/2005 von Oberholzer et al. (2007) an 59 NABO-Standorten eine einmalige Zustandserhebung bodenmikrobiologischer Kennwerte vorgenommen. Im Rahmen dieser Projekte wurden bodenmikrobiologische Parameter wie die mikrobielle Biomasse, bestimmt mit den Methoden «Substratinduzierte Respiration» (SIR) und «ChloroformFumigations-Extraktion» (FE), die Basalatmung sowie N-Mineralisierung im aeroben Brutversuch gemessen. Diese Parameterauswahl basierte auf den Empfehlungen der Arbeitsgruppe «Vollzug Bodenbiologie» (VBB) der Schweiz (VBB, BSA 2009). In der Zustandserhebung von 2004/2005 wurden zudem bestehende Referenzwertmodelle zur Beurteilung der mikrobiellen Biomasse (SIR) für Acker- und Graslandstandorte überprüft (Oberholzer et al. 2007). Environmental Assessment of Soil for Monitoring 2 Ecological Function and Biodiversity Indicators in European Soils 1 Forum für Wissen 2013 Neue Messmethoden für die Bodenbiologie Neben diesen klassischen Bestimmungsmethoden für bodenmikrobiologische Eigenschaften eröffnet der Fortschritt in der molekulargenetischen Analytik neue Möglichkeiten in der Erforschung der Diversität von Bodenorganismen und deren Funktionen. Anhand von DNS-Extrakten aus Bodenproben kann einerseits die Erbsubstanz der Organismen im Boden quantifiziert werden. Die DNS-Menge wird in der Literatur auch als Biomassenindikator diskutiert (Hartmann et al. 2005; Dequiedt et al. 2011). Andererseits ermöglicht die molekulargenetische Analytik auch qualita tive Aussagen über die Zusammen setzung bzw. die Diversität von mikrobiellen Lebensgemeinschaften. Dazu werden bestimmte mikrobielle Markergene aus den DNS-Extrakten isoliert und eine grosse Anzahl von DNSSequenzen (bis zu Millionen mittels «massive parallel sequencing») dieser Markergene ermittelt und miteinander verglichen. Von der Diversität dieser Markergene lassen sich dann Rückschlüsse auf die Diversität der Mikroorganismen ziehen. Dies im Gegensatz zur mikrobiellen Biomasse, bestimmt mit den Methoden FE oder SIR, die Aussagen über die Quantität der Biomasse, nicht jedoch über deren Zusammensetzung zulassen. Einige Länder wenden molekularbiologische Methoden bereits in der Bodendauerbeobachtung an. Frankreich hat im Rahmen seines Dauerbeobachtungsprogrammes (Réseau de Mesures de la Qualité des Sols) die DNS aus Bodenproben von allen 2150 Standorten des Messnetzes extrahiert, quantifiziert und das Resultat kartographisch dargestellt (Dequiedt et al. 2011). Im Rahmen des «Countryside Survey» wurde in England an 1000 Standorten die Zusammensetzung der Bodenbakterien mit molekularbiologischen Methoden bestimmt (Fingerprint Methode mittels t-RFLP) und deren biogeographische Verteilung kartographisch erfasst (Griffiths et al. 2011). Die Niederlande untersuchen im Rahmen ihres Dutch Soil Quality Network (DSQN) die mikrobielle Diversität und wenden im Rahmen des Projekts BISQ (Biological Indicator of Soil Quality) Methoden der gene- tischen Diagnostik an (Rutgers et al. 2009). Auch die europäische ENVASSO1-Initiative empfiehlt mikrobielle Parameter in ein Bodendauerbeobachtungsprogramm zu implementieren, die Aussagen über die genetische und funktionelle Diversität von Bakterien und Pilzen zulassen (Kibblewhite et al. 2008). Im EU-Projekt EcoFINDERS2 wird der molekularen Technik bei der Untersuchung von Organismen in der Bodendauerbeobachtung ebenfalls grosse Bedeutung beigemessen (Faber et al. 2013). Im Ausblick wird das Potential der molekulargenetischen Analytik für die Bodendauerbeobachtung noch ausführlicher diskutiert (Kap. 4.4). 1.3 Das Projekt NABObio12_13 Im Rahmen des Projektes NABObio12_13 sollen in den Jahren 2012 und 2013 an 30 NABO-Referenzmessstandorten Aussagen über den Zustand bodenbiologischer Eigenschaften gemacht und die erforderlichen methodischen Kriterien für eine Dauerbeobachtung festgelegt werden. Aufgrund der Resultate der Erhebungen 2012 und 2013 werden (1) Zusammenhänge zwischen biologischen Eigenschaften und weiteren Bodeneigenschaften, Standorteigenschaften (z.B. Klima, Niederschlag) sowie Bewirtschaftungstypen (Düngungsregime) ausgewertet, (2) die Qualitätskriterien für eine Dauerbeobachtung (Standortpräzision, Standortwiederholpräzision, Referenzierung) quantifiziert und (3) Zusammenhänge zwischen den klassischen (FE, SIR) und molekularbiologischen Methoden (DNS-Extraktion und -Quantifizierung) zur Bestimmung der mikrobiellen Biomasse untersucht. Mit NABObio12_13 soll die Basis für den Start einer Zeitreihe von bodenbiologischen Parametern in der NABO gelegt werden (vgl. auch Kap. 4.4). Das Projekt wird in Zusammenarbeit mit Franco Widmer (Gruppe Molekulare Ökologie) und H.R. Oberholzer (Gruppe Bodenfruchtbarkeit / Bodenschutz) der Agroscope ReckenholzTänikon ART und B. Frey (Gruppe Rhizosphären Prozesse) der Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL durchgeführt. Forum für Wissen 2013 2Methoden 2.1Standortauswahl Die Untersuchungen erfolgen an zehn Ackerbau-, zehn Grasland- und zehn Waldstandorten des NABO-Referenzmessnetzes (vgl. Abb. 1). Die Ackerbau- und Graslandstandorte lassen sich in intensiv und extensiv genutzte Standorte unterteilen. Bei der Auswahl der Waldstandorte werden die Waldtypen Laub-, Misch- und Nadelwald unterschieden (vgl. Tab. 1). Um für die Interpretation der Ergebnisse eine möglichst gute Datenlage zu haben, wurde bei der Auswahl der Ackerbau- und Graslandstandorte darauf geachtet, dass diese wenn möglich auch Bestandteil des NABO-Flux-Programms sind. Alle ausgewählten Waldstandorte sind auch Teil des NitrateLeaching-Projekts3. 2.2Probenahme Die Probenahme, -aufbereitung und -lagerung erfolgt gemäss den Refe- 73 renzmethoden der Eidg. Landw. Forschungsanstalten (FAL, FAW, RAC, 1998). Um die Bedingungen den Anforderungen des Projektes NABObio12_13 anzupassen, wurden dabei folgende Punkte modifiziert: –Um die Dauerbeobachtungsflächen der NABO-Referenzmessstandorte vor zu intensiver Störung zu schützen, werden die Proben für bodenbiologische Untersuchungen auf einer Fläche entnommen, die direkt angrenzend an der regulären NABO-Referenzmessfläche liegt. Die Fläche beträgt ebenfalls 10 × 10 m (vgl. Abb. 2). – Stichprobenzahl: 3 Mischproben aus 25 Einstichen pro Standort (mit Hohlmeisselbohrer, 2,5 cm ø). Dieses Vorgehen lehnt sich an internationale Untersuchungen an, die mindestens 15 Einstiche für eine Mischprobe empfehlen (Lischer et al. 2001, Wagner et al. 2001). Bei der Ersterhebung im Frühjahr 2012 (und jedes dritte darauffolgende Jahr) wird pro Standort eine vierte Mischprobe jeweils aus dem 4. Qua-dranten als Referenzprobenmaterial genommen (in Abb. 2 rot markiert). –Beprobungstiefen: 0 bis 20 cm für Grasland-, Ackerland- und Waldstandorte –Wenn möglich sollen die Proben zu folgendem Zeitpunkt entnommen werden (vgl. Schwab et al. 2006): –im Frühjahr nachdem die Böden aufgetaut und nicht mehr wassergesättigt sind –vor Beginn der Bodenerwärmung (je nach Höhenlage unterschiedlich) –vor Vegetationsbeginn und der ersten N-Düngung –vor einer Bodenbearbeitung oder Weidegang –Zur Bestimmung des Raumgewichts der Feinerde sowie des Wassergehaltes wird mit der Humax-Schlagsonde (4,8 cm ø) in den Ecken der Fläche jeweils im 4. Quadranten eine Volumenprobe (Zylinderproben, 0 bis 20 cm) entnommen. Abb. 1. Ausgewählte NABO-Referenzmessstandorte für das Projekt NABObio12_13 (als Rhomben dargestellt). Im Rahmen des Projektes «Nitrate Leaching under changed climate conditions and forest management» interessiert die Frage, wie sich der Stickstoffsättigungsgrad der LWF-Flächen (Langfristige Waldökosystemforschung) aufgrund der erhöhten Stickstoffeinträge verändert hat (Waldner et al. 2010). 3 74 Forum für Wissen 2013 Tab. 1. Bodeneigenschaften und Nutzung der beprobten NABO-Referenzmessstandorte. aCaCO3 = Kalk; bCorg = Organischer Kohlenstoff; c RG FE = Raumgewicht Feinerde, zusammen mit dem Skelettgehalt in der NABO-Fünfterhebung bestimmt (Gubler et al. in Vorbereitung); n.b. = nicht bestimmt. Bodenkenngrössen 0–20 cm Nutzung NABO-Standort Nadelwald Mischwald Laubwald Grasland Ackerbau 25 m ü. M. Nutzung: Intensiv / Extensiv Bodentyp (gemäss FAL) pH CaCO3a % (CaCl2) Corgb % Ton % Schluff RG FEc Skelett % g/cm3 Vol.% Schleitheim / Milten SH 545 I Braunerde 6,8 2,8 2,4 59 30 0,9 1.0 Vallon Zuzwil Coldrerio Vouvry Leuggern / Etzwil Oensingen Etoy Paspels Klarsreuti FR BE TI VS AG SO VD GR TG 439 557 336 379 465 450 435 830 559 I I I I E E E E E Braunerde-Gley Braunerde Braunerde Fluvisol Braunerde-Pseudogley Braunerde-Pseudogley Braunerde Phäozem Braunerde 6,8 6,0 5,8 6,5 5,3 5,4 5,3 6,1 5,2 10,2 0,0 0,0 8,5 0,1 0,0 0,0 0,0 0,0 2,8 1,3 1,7 1,3 1,8 2,0 1,4 2,6 1,7 43 12 21 6 14 36 19 18 24 46 35 38 60 34 45 45 51 44 1,1 1,4 1,2 1,1 1,2 1,1 1,3 1,0 1,1 0,0 3,4 4,9 0,6 3,1 0,0 2,0 4,8 3,7 1 30 33 35 69 6 37 41 49 Aadorf / Tänikon Ebikon / Dottenberg Mollis Le Cerneux-Péquignot Attalens / Rombuet Grindelwald / Itramen Ependes Kyburg-Buchegg Unterschächen TG 537 LU 635 GL 431 NE 1093 FR 818 BE 1915 FR 735 SO 464 UR 1100 I I I I I E E E E Braunerde Saure Braunerde Fahlgley Braunerde Braunerde Braunpodsol Braunerde Braunerde-Gley Braunerde 6,2 5,0 5,9 5,6 5,8 3,9 5,9 4,9 4,6 0,9 0,1 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 3,9 2,8 3,8 3,5 3,3 6,5 2,7 2,4 5,7 35 20 33 28 26 25 19 24 33 34 33 55 49 37 50 35 34 27 1,0 1,0 0,8 1,0 0,9 0,7 1,1 1,1 0,8 2,6 2,3 0,2 0,0 5,9 0,0 1,7 0,0 4,1 70 Disentis GR 1105 E Braunerde 5,5 0,0 3,6 13 37 0,9 11,3 Rendzina Pseudogley 6,6 4,4 2,0 0,0 4,9 2,7 14 24 72 51 0,6 1,0 5,1 1,0 5,4 3,9 0,2 0,0 3,7 11,7 31 n.b. 52 n.b. 0,8 0,4 0,0 8,7 46 54 95 102 28 63 68 77 87 8 Rothenfluh BL 27 Jussy / Les Grands Bois GE 695 505 62 Bettlach / Bettlachstock SO 92 Novaggio / Cima Pianca TI 1065 1080 7 18 Braunerde Humus-Eisenpodsol Oberstammheim ZH 581 Braunderde 5,1 0,0 2,9 28 35 0,9 4,0 Langenthal / Riedhof BE 525 Parabraunerde 3,7 0,0 4,1 19 52 0,9 0,0 Fahlgley Humus-Eisenpodsol Regosol Braunerde 5,8 3,3 4,9 5,5 0,0 0,0 0,0 0,0 13,1 18,6 5,0 5,1 n.b. n.b. 21 12 n.b. n.b. 22 45 0,2 0,3 0,7 0,6 0,0 5,0 11,2 3,7 45 Alpthal / Erlentobel 47 Davos / Seehornwald 73 Alvaneu 99 Visp / Albulawald SZ 1180 GR 1655 GR 1560 VS 830 2.3Messgrössen Abb. 2. Schema für Probenahme der Flächenmischproben für NABObio12_13. Die Proben aus den Quadranten 1 bis 3 ergeben die Mischproben. Das Probenmaterial aus den 4. Quadranten wird als Referenzprobenmaterial verwendet. Basierend auf den Erkenntnissen des LAZBO-Projekts (Schwab et al. 2006) und der Zustandsuntersuchung 2004/2005 (Oberholzer et al. 2007) werden klassische mikrobielle Parameter wie die mikrobielle Biomasse (SIR und FE) und die Basalatmung bestimmt (vgl. Tab. 2). Ergänzt werden diese mit Methoden der molekulargenetischen Analytik (DNS-Menge). Weiter werden wichtige Parameter wie der pH-Wert, das CN-Verhältnis usw. gemessen (vgl. Tab. 2). Raumgewicht Feinerde Das Raumgewicht Feinerde entspricht der Masse der Feinerde (Fraktion ≤ 2 mm) bezogen auf das Bodenvolumen (kg TS dm–3). Das Raumgewicht Feinerde ist einerseits abhängig von den Standorteigenschaften (Anteil organische Substanz, Körnung, Textur, Verdichtung, usw.), andererseits variiert es über die Zeit in Abhängigkeit der Bodenfeuchtigkeit (Quellungs- und Schrumpfungsprozesse). Zudem können die gemessenen (gewichtsbezogenen) Werte der mikrobiellen Biomasse (SIR und FE), der Basalatmung und der DNS-Menge durch Multiplikation mit dem Raumgewicht Feinerde auf das Bodenvolumen (dm3) bezogen werden. Die Bestimmung des Raumgewichts Feinerde verbessert die Vergleichbarkeit zwischen den verschiedenen Erhebungen und Standorten. Zum Beispiel weisen insbesondere Böden Forum für Wissen 2013 3 Erste Ergebnisse und Diskussion Die folgenden Ergebnisse stammen von Messungen der Proben aus dem Frühjahr 2012. Aussagen über eine mögliche Entwicklung der Messgrössen über die Zeit werden erst möglich, wenn die Resultate der Erhebung vom Frühjahr 2013 vorhanden sind. Über die beschriebene Referenzierungsmethode können zu diesem Zeit- 3.1 Raumgewicht Feinerde Von den 30 untersuchten Standorten weisen Ackerbaustandorte mit einem Mittelwert von 1,16 g cm–3 tendenziell höhere Werte für das Raumge- Tab. 2. Im Projekt NABObio12_13 aufgenommene Parameter. Parameter Bezeichnung Einheit Methode Mikrobielle Biomasse Biomasse (SIR) Substratinduzierte Respiration mg Cmik kg TS mg Cmik dm–3 B-BM-HM Mikrobielle Biomasse1,3 Chloroform-FumigationsExtraktionsmethode Biomasse (FE) mg Cmik kg–1 TS mg Cmik dm–3 B-BM-FE Basalatmung1,3 mg CCO2 kg–1 TS h–1 B-BA-IS mg CCO2 l–1 h–1 DNS-Menge2,3 DNS-Menge mg DNS kg–1 TS mg DNS dm–3 PicoGreen pH pH pH CaCl2 C/N Raumgewicht Feinerde RG FE g cm Wassergehalt Feinerde4 WG FE g g–1 gravimetrisch Bodentemperatur (–5 cm/ –15cm)4 B.temp. °C Lufttemperatur4 L.temp °C 1 C/N-Verhältnis4 4 –1 Trockenveraschung –3 Messungen durch H.R. Oberholzer, Agroscope (Ackerbau- und Graslandstandorte) Messungen durch F. Widmer, Agroscope (Ackerbau- und Graslandstandorte) 3 Messungen durch B. Frey, WSL (Waldstandorte) 4 Messungen durch NABO, Agroscope (Ackerbau-, Grasland-, Waldstandorte) 1 2 2,0 Ackerbau, intensiv Ackerbau, extensiv Grasland, intensiv Grasland, extensiv Laubwald Mischwald Nadelwald ) Für die Dauerbeobachtung ist die bestmögliche Eliminierung von methodischen Fehlern zwischen den Bestimmungen von Bodeneigenschaften verschiedener zeitlicher Erhebungen eine zentrale Voraussetzung. Dies wird mit einer Referenzierung der gemessenen Werte durch zeitgleich gemessene Bodenproben aus früheren Erhebungen (=Referenzmaterial) angestrebt. In diesem Projekt wird eine standortbezogene Referenzierung der Biomasse(SIR und FE)- und Basalatmungs-Werte vorgenommen. Die Korrektur der Messwerte erfolgt für jeden Standort aufgrund der mittleren Messabweichung zur Ersterhebung der tiefgekühlt gelagerten Referenzproben (–20 °C). Pro Standort und Jahr ergibt dies einen spezifischen Korrekturwert. Die Messwerte werden absolut referenziert, das heisst der Korrekturwert wird dem gemessenen Wert addiert bzw. subtrahiert (Ammann 2010; Oberholzer und Weisskopf 2010). wicht Feinerde auf als Grasland- und Waldstandorte (Mittelwert 0,94 bzw. 0,69 g cm–3, Abb. 3). Dies entspricht den Erwartungen, da Ackerbaustandorte weniger organische Substanz enthalten (Mittelwert Corg: Ackerbau: 1,9 %, Grasland: 3,8 %, Wald: 7,2 %, vgl. Tab.1) und mechanisch bearbeitet werden. Sehr geringe Werte zeigen die Standorte 45, 47 und 92. Diese drei Standor- −3 2.4 Referenzierung der Messwerte punkt ebenfalls noch keine Aussagen gemacht werden. Raumgewicht Feinerde (g cm mit viel organischer Substanz durch ihr tiefes Raumgewicht Feinerde oft sehr hohe gewichtsbezogene Werte auf. Bezogen auf das Bodenvolumen relativieren sich die hohen Werte jedoch (vgl. auch das Beispiel im Kap. 3.3). Zusammen mit der Information des Skelettgehalts ermöglicht das Raumgewicht Feinerde zudem eine ökologische Betrachtungsweise der Messergebnisse (vgl. Tab. 1). So kann beispielsweise ein hohes Raumgewicht Feinerde Hinweise auf anaerobe Verhältnisse geben. Das Raumgewicht Feinerde wird im Referenzmessnetz der NABO seit 2003 routinemässig bestimmt. 75 1,5 54 25 46 1,0 68 95 87 63 102 28 77 1 30 27 37 35 41 69 62 49 33 7 70 18 8 99 6 73 0,5 92 45 47 0,0 Abb. 3. Raumgewicht Feinerde (Mittelwert und Standardabweichung von jeweils vier Zylinderproben, 4,8 cm ø, 0–20 cm) der 30 beprobten Standorte. Horizontale Linien: Gruppenmittelwerte mit Standardabweichung (gestrichelt). mg Cmilk kg–1 TS (Fumigation−Extraktion) 76 Forum für Wissen 2013 te enthalten mehr als 10 Prozent Corg. Waldstandorte sind innerhalb ihrer Nutzungsgruppe heterogener als die übrigen Standorte und weisen Werte zwischen 0,24 g cm–3 (Standort 45) und 1,11 g cm–3 (Standort 27) auf (vgl. auch Abb. 6). 4000 47 92 27 3000 6 33 8 1 2000 77 25 1000 46 54 49 30 35 73 62 7 69 70 37 41 87 63 95 102 28 68 99 18 0 Ackerbau, intensiv Ackerbau, extensiv Grasland, intensiv Grasland, extensiv Laubwald Mischwald Nadelwald Abb. 4. Gewichtsbezogene Cmik-Gehalte pro Standort (Mittelwert und Standardabweichung der 3 Mischproben, Messwerte bestehen aus zwei Messwiederholungen). Ausserhalb des gezeigten Wertebereichs: Standort 45: 7727 mg Cmik kg–1 TS (Standardabweichung: 600 mg Cmik kg–1 TS). Horizontale Linien: Gruppenmittelwerte mit Standardabweichung (gestrichelt). mg Cmilk dm–3 (Fumigation−Extraktion) 4000 27 3000 1 2000 8 33 25 1000 30 77 46 54 95102 35 69 87 63 68 28 49 6 37 41 62 92 45 7 70 73 47 99 18 0 Ackerbau, intensiv Ackerbau, extensiv Grasland, intensiv Grasland, extensiv Laubwald Mischwald Nadelwald Abb. 5. Volumenbezogene Cmik-Gehalte pro Standort (Mittelwert und Standardabweichung der 3 Mischproben, Messwerte bestehen aus zwei Messwiederholungen). Horizontale Linien: Gruppenmittelwerte mit Standardabweichung (gestrichelt). Var. Koeff. innerhalb Standort Raumgew. Feinerde 50 % 50 % 40 % 40 % 30 % 30 % 20 % 20 % 10 % 10 % 0% Cmik (FE) volumenbezogen 0% Acker Grasland Wald Acker Grasland Wald Abb. 6. Box-Plots der Variationskoeffizienten (Standardabweichung der Proben eines Standortes dividiert durch deren Mittelwert) für das Raumgewicht Feinerde und CmikGehalte bestimmt mit Fumigation-Extraktion (FE) nach Landnutzung. 3.2 Mikrobielle Biomasse (Fumigation-Extraktion) Exemplarisch für die untersuchten bodenbiologischen Messgrössen werden hier die Gehalte für den mikrobiellen Kohlenstoff (Cmik-Gehalte) gezeigt und besprochen. Diese wurden mit der Fumigation-Extraktionsmethode bestimmt. In Abbildung 4 sind die Gehalte auf die Trockensubstanz der Feinderde bezogen dargestellt (mg Cmik kg–1 TS). In Abbildung 5 werden diese auf das Bodenvolumen beziehungsweise Raumgewicht Feinerde bezogen (mg Cmik dm–3). Ackerbaustandorte weisen mit einem Mittelwert von 790 mg Cmik dm–3 tiefere Cmik-Gehalte auf als Grasland- und Waldstandorte (1500 bzw. 1520 mg Cmik dm–3, Abb. 5). Die Wertebereiche überlappen sich jedoch und die Streuung innerhalb der Gruppen (insbesondere bei Waldstandorten, vgl. auch Abb. 6) ist gross. Auch in anderen Bodendauerbeobachtungsprogrammen, die bereits bodenbiologische Parameter aufnehmen, konnte ein Einfluss der Nutzungsgruppe (Ackerbau, Grasland oder Wald) auf die mikrobielle Biomasse nachgewiesen werden (Rutgers et al. 2009; Griffiths et al. 2011; Dequiedt et al. 2011). Die Nutzungsintensität der Grasland- und Ackerbaustandorte (intensiv oder extensiv) hat keinen Einfluss auf die Cmik-Gehalte. Beispielsweise werden die Graslandstandorte 1 und 33 intensiv genutzt und weisen bezogen auf ihr Volumen die grössten CmikGehalte auf. Die Graslandstandorte 49 und 6 wiederum werden extensiv genutzt und weisen dennoch sowohl innerhalb der Grasland- als auch verglichen mit den Ackerbaustandorten die zweithöchsten Gehalte auf. Bei den Ackerbaustandorten wird der Standort 25 intensiv genutzt, im Gegensatz zum Standort 77, der extensiv genutzt wird. Beide Standorte weisen ähnlich hohe Cmik-Gehalte auf (Abb. 5). Dies Forum für Wissen 2013 deckt sich nicht mit Ergebnissen des DOK4-Versuchs in Therwil oder anderer Studien, wo eine eindeutige Abhängigkeit der Biomasseparameter vom Bewirtschaftungssystem festgestellt wurde (Widmer et al. 2006; Peacock et al. 2001). Laubwaldstandorte zeigen mit einem Mittelwert von 2166 mg Cmik dm–3 tendenziell höhere Cmik-Gehalte als Misch- (Mittelwert: 951 mg Cmik dm–3) und Nadelwälder (Mittelwert: 1154 mg Cmik dm–3). Geringere mikrobielle Biomassen in Nadelwäldern haben auch Dequiedt et al. (2011) in Untersuchungen innerhalb des französischen Bodendauerbeobachtungsprogrammes gefunden. 3.3 Heterogenität der Waldstandorte Der Vergleich der Variationskoeffizienten pro Standort (Standardabweichung des Standortes / Mittelwert des Standortes) zeigt, dass Waldstandorte heterogener als die übrigen Standorte sind (vgl. Abb. 6). Die Variationskoeffizienten der Ackerbau- und Graslandstandorte liegen für das Raumgewicht Feinerde mehrheitlich unter 10 Prozent, während die Waldstandorte einen Variationskoeffizient zwischen 10 und 20 Prozent zeigen. Waldstandorte weisen auch heterogenere Cmik-Gehalte als die übrigen Standorte auf. Es scheint deshalb plausibel, dass die grösseren Streuungen bei den Waldstandorten durch die kleinräumigere Variabilität der Standorte (vgl. Variationskoeffizienten Raumgewicht Feinerde, Abb. 6) oder aber durch die Probenahme (bei Waldstandorten Probenahme über verschiedene Horizonte) bedingt sind. Beide Faktoren können zu heterogenem Probenmaterial führen. 3.4 Vergleich gewichts- vs. volumenbezogene Werte Die gemessenen Cmik-Gehalte wurden sowohl auf das Gewicht (Menge pro kg TS) als auch auf das Volumen (Menge pro dm–3) bezogen (vgl. Kap. 3.2). In Vergleich von biologisch-dynamisch (D), organisch-biologisch (O) und konventionell (K) angebauten Ackerkulturen. 4 77 diesem Kapitel sollen die zwei Herangehensweisen verglichen werden. Bezogen auf das Gewicht weist der Waldstandort 45 im Vergleich zu den übrigen Standorten einen sehr hohen Cmik-Gehalt von 7727 g Cmik kg–1 TS auf (Abb. 4). Gleichzeitig hat dieser ein geringes Raumgewicht Feinerde von 0,24 g cm–3. Wird der Cmik-Gehalt nun auf das Bodenvolumen bezogen, liegt dieser im Bereich der übrigen Waldstandorte (1855 mg Cmik dm–3). Beim Waldstandort 27 befindet sich der gewichtsbezogene Cmik-Gehalt innerhalb des Wertebereichs aller Waldstandorte. Der Standort hat ein hohes Raumgewicht Feinerde von 1,11 g cm–3. Bezogen auf das Volumen weist der Standort 27 im Vergleich zu den anderen Standorten dann einen auffällig hohen Cmik-Gehalt von 3477 mg Cmik dm–3 auf. Diese Gegenüberstellung (mg Cmik kg–1 TS vs. mg Cmik dm–3) verdeutlicht den Einfluss der Bezugseinheit auf die Interpretation der Ergebnisse. So sind beispielsweise die Unterschiede zwischen den Nutzungsgruppen Ackerbau, Grasland und Wald bei den gewichtsbezogenen Werten ausgeprägter als bei den volumenbezogenen. Werden die Cmik-Gehalte auf das Volumen bezogen, unterscheiden sich die Mittelwerte der Grasland- und Waldstandorte um 20 mg Cmik dm–3. Dies im Gegensatz zu den gewichtsbezogenen Gehalten, wo sich die Mittelwerte um 530 mg Cmik kg–1 TS unterscheiden (Abb. 4 und 5). 3.5 Vergleichbarkeit der verschiedenen Messmethoden Die für das Projekt NABObio12_13 erhobenen Messgrössen (Biomasse (FE und SIR), Basalatmung und DNSMenge) zeigen in der Verteilung der Messwerte alle ein ähnliches Muster. So weisen Ackerbaustandorte tendenziell tiefere Werte auf als Graslandund Waldstandorte. Grasland- und Waldstandorte lassen sich anhand der hier aufgenommenen Parameter nicht voneinander unterscheiden. Die Resultate der vier verwendeten Methoden zeigen relativ hohe Korrelationen (vgl. Abb. 7). Die geringste Korrelation besteht mit 0,67 zwischen der Basalatmung und der DNS-Menge, ansonsten werden Korrelationen von 0,7 oder höher gefunden. Ähnlich hohe Korrelationskoeffizienten wurden auch in der Zustandserhebung 04/05 von Oberholzer et al. (2007) beobachtet. Die festgestellten Korrelationen der Messwerte lassen den Schluss zu, dass die Messgrössen eine gewisse Redundanz aufweisen und deren Anzahl für das Messprogramm der NABO reduziert werden könnte (vgl. auch Kap. 4.4). 4Ausblick 4.1 Weitere Auswertungen Nach Abschluss der zweiten Erhebung im Frühjahr 2013 sind weitere Auswertungen geplant, etwa um den Einfluss der Bodeneigenschaften oder der Bewirtschaftungsintensität auf die mikrobiellen Parameter genauer zu untersuchen. Vorhandene Nährstoffangaben (P und N) der Standorte aus dem NABO-Flux-Programm sollten dabei weitere aufschlussreiche Informationen liefern. Weiter können mit den von Oberholzer et al. (2007) entwickelten Referenzwertmodellen die zu erwartenden Werte für die Biomasse (SIR) der Ackerbaustandorte überprüft werden. 4.2 Methodische Abklärungen Im Projekt NABObio12_13 weisen die DNS-Werte verglichen mit den CmikWerten (FE und SIR) und Basalatmung eine grössere Streuung auf. Dies gilt vor allem für die Graslandstandorte 1, 33 und 41 und die Laubwaldstandorte 7, 27 und 42 (vgl. Abb. 8). Die DNS-Extraktion und -Quantifizierung wurde unmittelbar nach den Probenahmen durchgeführt, wobei die Zeit zwischen Probenahme und Fixierung im DNS-Extraktionspuffer auf 48 Stunden festgelegt wurde. Die Messungen mittels Fumigation-Extraktion sowie substratinduzierte Respiration wurden während mehrerer Wochen durchgeführt (gekühlte Lagerung der Proben bei 4°C). Ein Vergleich von zeitgleich gemessenen Werten (d. h. keine unterschiedliche Lagerungsdauer für verschiedene Methoden) der mikrobiellen Biomasse (bestimmt mit den Metho- 78 Forum für Wissen 2013 49 70 50 0,7 Basalatmung 0,67 1200 0,76 400 Cmik FE 25 3330 77 7035 69 25 102 68 37 41 6 87 9563 54 28 46 1 10 30 0,7 25 33 6 8746 35 4977 30 69 41 37 9563 70 102 68 54 28 800 0,71 8 7 62 87 35 33 30 645 46 77 41 3769 49 70 95 63 102 47 73 18 99 68 54 28 92 49 62 8 33 3069 77 70 3525 7 102 68 41 37 6 87 95 45 63 54 28 73 18 46 92 47 99 1200 1,6 69 25 3777 3530 1 400 0,75 70 1 33 70 8746 63 1029568 28 54 50 1 1,2 41 30 0,8 6 49 10 0,4 500 1000 2000 Cmik SIR 2000 800 500 1000 49 1 62 1 8 33 77 6930 70 25 102 35 7 68 37 41 687 95 45 63 54 73 28 18 46 92 47 99 0,4 0,8 1,2 DNS−Menge 1,6 Abb. 7. Streudiagramme und Korrelationskoeffizienten nach Spearman der mikrobiellen Biomasse (Cmik-SIR und Cmik-FE), Basalatmung und DNS-Menge. (Alle Werte sind volumenbezogene Gehalte. Nummer: Standortnummer; rot: Ackerbau, grün: Grasland, schwarz: Wald. Cmik-SIR wurde für Waldstandorte nicht bestimmt.) DNS−Menge (mg dm–3) 150 100 49 1 50 25 102 46 95 54 28 77 68 63 87 3033 69 35 70 6 8 2762 7 3741 92 18 45 47 73 99 0 Ackerbau, intensiv Ackerbau, extensiv Grasland, intensiv Grasland, extensiv Laubwald Mischwald Nadelwald Abb. 8. Volumenbezogene DNS-Gehalte pro Standort (Mittelwert und Standardabweichung der 3 Mischproben. Horizontale Linien: Gruppenmittelwerte mit Standardabweichung (gestrichelt). den FE und SIR), der Basalatmung und DNS-Menge könnte Hinweise geben, ob die Streuung analytisch bedingt ist oder ob diese durch die unterschiedliche Lagerungsdauer der Proben vor der Analyse hervorgerufen wird. Waldstandorte weisen eine grössere Streuung der Cmik-Gehalte pro Standort auf als Ackerbau- und Graslandstandorte (vgl. Abb. 6). Von Interesse wäre, ob die Beprobung über verschiedene Horizonte (Auflage, AhHorizont, B-Horizont) verantwortlich für die Streuung der Messwerte pro Standort ist. Entscheidend könnte auch sein, dass das Material von Waldböden grundsätzlich (d. h. auch innerhalb der Horizonte) heterogener und deshalb für die Analytik messtechnisch schwieriger ist. Die kleinräumige Variabilität der Standorte könnte ebenfalls eine Rolle spielen, dürfte im Vergleich zu den vorherigen Punkten aber weniger wichtig sein. Die Variabilität sollte durch die Flächenmischproben grösstenteils ausgeglichen werden. 4.3 Standardisierung der Methoden Neben der regelmässigen Beobachtung von Bodeneigenschaften ist es eine weitere Aufgabe der NABO, Methoden zu erarbeiten, die standardisiert im Vollzug eingesetzt werden können. Für die klassischen mikrobiellen Messgrössen wie die mikrobielle Biomasse (bestimmt mit den Methoden FE oder SIR) oder Basalatmung bestehen bereits Referenz- beziehungsweise ISO-standardisierte Methoden, die auch auf internationaler Ebene angewendet werden (FAL, FAW, RAC 1998; Philippot et al. 2012). Die molekulargenetische Analytik stellt ein relativ junges und sich rasch entwickelndes Feld in der Bodendauerbeobachtung dar. Anstrengungen im Hinblick auf eine Standardisierung der Verfahren sind deshalb noch notwendig. Insbesondere bei den neuesten molekularbiologischen Methoden des »massive parallel sequencing («next generation sequencing»), welche die Erfassung der mikrobiellen Diversität im Boden zulassen, sollte durch die Verwendung von standardisierten Methoden auch die projekt- und grenzüberschreitende Vergleichbarkeit der Resultate angestrebt werden (Philippot et al. 2012). Das im Forum für Wissen 2013 Projekt NABObio12_13 angewendete DNS-Extraktionsprotokoll GnS-GII deckt sich weitgehend mit jenem, das zum Beispiel im Rahmen des französischen Dauerbeobachtungsprogrammes angewendet wird (Terrat et al. 2012; Dequiedt et al. 2011). Das jeweils verwendete Protokoll beeinflusst die extrahierbare DNS-Menge und damit auch allfällig bestimmte Diversitätsparameter (Terrat et al. 2012). So ist für die Vergleichbarkeit der Resultate verschiedener Projekte die Verwendung desselben Protokolls von grosser Bedeutung. Ein Extraktionsprotokoll ist zurzeit in der finalen Evaluation, um dann als ISO-standardisierte Methode «ISO 11063» publiziert zu werden (Martin-Laurent et al. 2001; Petric et al. 2011; Bru et al. 2011). 4.4 Auswahl der Parameter – Potential der Molekularbiologie Für eine fundierte Entscheidung, mit welchen bodenbiologischen Messgrössen im Rahmen der NABO fortgefahren wird, müssen die Ergebnisse der 2. Erhebung vom Frühjahr 2013 und weitere Auswertungen abgewartet werden. Kriterien für die Auswahl von Messgrössen für ein Monitoring werden beispielsweise von Ritz et al. (2009), Turbé et al. (2010) oder auch der OECD (2002) gegeben – ausschlaggebend sind die Messbarkeit, die Kosteneffektivität, die Sensitivität der Messgrösse und der Standardisierungsgrad. Für die NABO würde dies bedeuten, dass man sich den limitierten finanziellen Rahmenbedingung entsprechend für einen Summenparameter (mikrobielle Biomasse (Cmik-SIR oder Cmik-FE) oder DNS-Menge) und für einen prozessorientierten Parameter (Basalatmung) entscheiden sollte. Eine Metadatenanalyse über bestehende bodenbiologische Monitoringprogramme in der EU ergab, dass die mikrobielle Biomasse (SIR oder FE) und die Basalatmung die zwei am häufigsten verwendeten bodenbiologischen Messgrössen sind (Faber et al. 2013). Ein grosses Potential bei der Verwendung der DNS-Menge als Biomassenindikator wird in der Möglichkeit der weiteren Verwendung der Extrakte gesehen. Die Möglichkeit der mehrfachen Verwendung der Extrakte (Aus- 79 sagen über Quantität und Qualität der Biomasse) entspricht auch dem Kriterium der Kosteneffektivität. Mit der Anwendung eines international verwendeten Protokolls für die DNSExtraktion wird das Kriterium der Standardisierung ebenfalls berücksichtigt (Philippot et al. 2012). Ein weiterer Vorteil der DNS-Extrakte wird in deren langen Lagerungsdauer gesehen. Fixiert und eingefroren im Extraktionspuffer, können die Extrakte über Jahre hinweg wiederverwendet werden. So können die sich wandelnden Fragenstellungen seitens der Umweltpolitik einerseits flexibler, andererseits auch rückblickend beantwortet werden. Zudem besteht die Möglichkeit, die DNS-Extrakte mit allenfalls neuen Methoden erneut zu messen. In Bezug auf die «ecosystem services» können mit Hilfe molekularbiologischer Methoden beispielsweise Aussagen über Bakterien gemacht werden, die für den Stickstoffkreislauf relevant sind. Bru et al. (2011) etwa fanden mit molekularbiologischen Methoden Zusammenhänge zwischen Bewirtschaftungssystemen und dem Vorkommen von Nitrifizierbakterien AOB (Ammonium-oxidierende Bakterien). AOB stellen für Ritz et al. (2004) den Topkandidaten für die Verwendung als bodenbiologische Messgrösse in einem Monitoring dar. Weiter kann gezielt nach Organismen gesucht werden, die eher in aeroben oder anaeroben Verhältnissen vorkommen und Hinweise auf verdichtete Bodenverhältnisse geben können (Frey et al. 2011). Faber et al. (2013) halten fest, dass die Verwendung von Indikatoren, die möglichst eindeutig mit einer Ökosystemleistung in Verbindung gebracht werden können, für die Umweltpolitik aussagekräftiger sind als andere. Wissenschaftliche Erkenntnisse, die auf solchen Indikatoren basieren finden zudem eine breitere Akzeptanz. Aussagen über die allgemeine mikrobielle Diversität der Extrakte sind anhand molekularbiologischer Methoden ebenfalls möglich. Philippot et al. (2012) stellten mit molekularbiologischen Methoden fest, dass der Verlust von mikrobieller Diversität den Stickstoffkreislauf beeinflussen kann. Sie konnten so mit ihrer Arbeit Argumente gegen die These der funktionellen Redundanz mikrobieller Gemeinschaf- ten liefern. Solche auf die Bodenbiodiversität hin ausgerichtete Untersuchungen sind auch im Hinblick auf die Strategie Biodiversität Schweiz (SBS) notwendig und gefordert. Ist doch ein in der SBS formuliertes strategisches Ziel, dass «Die Überwachung der Veränderungen von Ökosystemen, Arten und der genetischen Vielfalt bis 2020 sichergestellt ist» (BAFU 2012). Um Veränderungen der Bodenbiodiversität feststellen zu können, braucht es heute Messungen, die in der Zukunft als sogenannte baseline-Werte dienen können (Gardi et al. 2013). 5Literaturverzeichnis Ammann, S., 2010: Bodenbiologische Dauerbeobachtung: Anforderungen an die Messqualität. Bull. Bodenkd. Ges. Schweiz 30: 57–62. Arbeitsgruppe Vollzug Bodenbiologie VBB/ BSA, 2009: Arbeitshilfe zur Anwendung und Interpretation bodenbiologischer Parameter. Frick. BAFU, 2011: Magazin «umwelt» 4/2011 – Bodenwelten. BAFU, 2012: Strategie Biodiversität Schweiz. In Erfüllung der Massnahme 69 (Ziel 13, Art. 14, Abschnitt 5) der Legislaturplanung 2007–2011: Ausarbeitung einer Strategie zur Erhaltung und Förderung der Biodiversität. BBodSchG, 1998: Gesetz zum Schutz vor schädlichen Bodenveränderungen und zur Sanierung von Altlasten (BundesBodenschutzgesetz – BBodSchG) vom 17.3.98. Bru, D.; Ramette, A.; Saby, N.P.A.; Dequiedt, S.; Ranjard, L.; Jolivet, C.; Arrouays, D.; Philippot, L., 2011: Determinants of the distribution of nitrogencycling microbial communities at the landscape scale. ISME J. 5: 532–542. Della Peruta, R.; Keller, A.; Schwab, P.; Schulin, R., 2013: Repeated soil sampling combined with biophysical modelling to assess long-term changes of phosphorus in Swiss grassland soils. Eur. J. Soil Sci. (submitted). 80 Dequiedt, S.; Saby, N.P.A.; Lelievre, M.; Jolivet, C.; Thioulouse, J.; Toutain, B.; Arrouays, D.; Bispo, A.; Lemanceau, R. und Ranjard, L., 2011: Biogeographical patterns of soil molecular microbial biomass as influenced by soil characteristics and management. Glob. Ecol. Biogeogr. 20: 641–652. Faber, J.H.; Creamer, R.E.; Mulder, Ch.; Römbke, J.; Rutgers, M.; Sousa, J.P.; Stone, D. und Griffiths, B.S., 2013: The practicalities and pitfalls of establishing a policy-relevant and cost-effective soil biological monitoring scheme. Integr. Environ. Assess. Manag. 9, 2: 276–284. FAL, FAW, RAC, 1998: Schweizerische Referenzmethoden der Eidgenössischen landwirtschaftlichen Forschungsanstalten, Band 2, Bodenuntersuchung zur Standortcharakterisierung. FAO, 2012: Food and Agriculture Organization of the United Nations. http:// www.fao.org/ag/agl/agll/soilbiod/soilbtxt. stm#agr; 8.2.2012 Frey, B.; Stemmer, M.; Widmer, F.; Luster, J.; Sperisen, C., 2006: Microbial characterization of a heavy metal-contaminated soil in a model forest ecosystem. Soil Biol. Biochem. 38: 1745–1756. Frey, B.; Kremer, J.; Rüdt, A.; Sciacca, S.; Matthies, D.; Lüscher, P., 2009: Compaction of forest soil with heavy logging machinery affects soil bacterial community structure. Eur. J. Soil Biol. 45: 312– 320. Frey, B.; Niklaus, P.A.; Kremer, J.; Lüscher, P.; Zimmermann, S., 2011: Heavy-machinery traffic impacts methane emissions as well as methanogen abundance and community structure in oxic forest soils. Appl. Environ. Microbiol. 77: 6060–6068. Gardi, C.; Jeffery, S.; Saltelli, A., 2013: An estimate of potential threats levels to soil biodiversity in EU. Glob. Chang. Biol. 19: 1538–1548. Griffiths, R.I.; Thomson, B.C.; James, Ph.; Bell, Th.; Bailey, M.; Whiteley, A.S., 2011: The bacterial biogeography of British soils. Environ. Microbiol. 13, 6: 1642– 1654. Gubler, A.; Schwab, P.; Wächter, D.; Keller, A.; Meuli, R.G., in Vorbereitung: Ergebnisse der Nationalen Bodenbeobachtung (NABO) 1985–2009. Hartmann, M.; Frey, B.; Kölliker, R.; Widmer, F., 2005: Semi-automated genetic analyses of soil microbial communities: comparison of T-RFLP and RISA based on descriptive and discriminative statisti- Forum für Wissen 2013 cal approaches. J. Microbiol. Methods 61: 349–360. Hartmann, M.; Fliessbach, A.; Oberholzer, H.R.; Widmer, F., 2006: Ranking the magnitude of crop and farming system effects on soil microbial biomass and genetic structure of bacterial communities. FEMS Microbiol. Ecol. 57: 378–388. Keller, A.; Rossier, N.; Desaules, A., 2005: Schwermetallbilanzen von Landwirtschaftsparzellen der Nationalen Bodenbeobachtung. Zürich, Agroscope FAL Reckenholz, Eidg. Forschungsanstalt für Agrarökologie und Landbau. Schr.reihe der FAL 54: 56 pp. Kibblewhite, M.G.; Jones, R.J.A.; Baritz, R.; Huber, S.; Arrouays, D.; Micheli, E.; Stephens, M., 2008: ENVASSO Final Report Part I: Scientific and Technical Activities. ENVASSO Project (Contract 022713) coordinated by Cranfield University, UK, for Scientific Support to Policy European Commission 6th Framewortk Research Programme. Lischer, P.; Dahinden, R.; Desaules, A., 2001: Quantifying uncertainty of the reference sampling procedure used at Dornach under different soil conditions. Sci. Total Environ. 264: 119–126. Martin-Laurent, F.; Philippot, L.; Hallet, S.; Chaussod, R.; Germon, J.C.; Soulas, G.; Catroux, G., 2001: DNA extraction from soils: old bias for new microbial diversity analysis methods. Appl. Environ. Microbiol. 67: 2354–2359. Oberholzer, H.R.; Weisskopf, P., 2010: Anforderungen an die Langzeitbeobach-tung biologischer Bodeneigenschaften mit mikrobiologischen Parametern. Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART. Bull. Bodenkd. Ges. Schweiz 30: 69–74. Oberholzer, H.R.; Scheid, S.; Bonvicini, A.; Müller, S.; Brunner, H.; Schwab, P., 2007: Bodenmikrobiologische Kennwerte im NABO-Referenzmessnetz. Zürich, Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART. OECD, 2002: Organization for Economic Co-Operation and Development. Report on the OECD expert meeting on agribiodiversity indicators. November 2001: Summary and recommendations. OECD Joint Working Party on Agriculture and Environment COM/AGR/CA/ENV/ EPOC (2002) 35. Paris: OECD. Peacock, A.D.; Mullen, M.D.; Ringelberg, D.B.; Tyler, D.D.; Hedrick, D.B.; Gale, P.M.; White, D.C., 2001: Soil microbial community responses to dairy manure or ammonium nitrate applications. Soil Biol. Biochem. 33: 1011–1019. Petric, I.; Philippot, L.; Abbate, C., Bispo, A.; Chesnot, T.; Hallin, S.; Laval, K.; Lebeau, T.; Lemanceau, P.; Leyval, C.; Lindström, K.; Pandard, P.; Romero, E.; Sarr, A.; Schloter, M.; Simonet, P.; Smalla, K.; Wilke, B.M.; Martin-Laurent, F., 2011: Inter-laboratory evaluation of the ISO standard 11063 “Soil quality – Method to directly extract DNA from soil samples”. J. Microbiol. Methods 84: 454–460. Philippot, L.; Ritz, K.; Pandard, P.; Hallin, S.; Martin-Laurent, F., 2012: Standardisation of methods in soil microbiology: Progress and challenges. FEMS Microbiol. Ecol. 82: 1–10. Ritz, K.; McNicol, J.W.; Nunan, N.; Grayston, S.; Millard, P.; Atkinson, D.; Gollotte, A.; Habeshaw, D.; Boag, B.; Clegg, C.D.; Griffiths, B.S.; Wheatley, R.E.; Glover, L.A.; McCaig, A.E., Prosser, J.I., 2004: Spatial structure in soil chemical and microbiological properties in an upland grassland. FEMS Microbiol. Ecol. 49: 191–205. Ritz, K.; Black, H.I.J.; Campbell, C.D.; Harris, J.A.; Wood, C., 2009: Selecting biological indicators for monitoring soils: A framework for balancing scientific and technical opinion to assist policy development. Ecol. Indic. 9: 1212–1221. Rutgers, M.; Schouten, A.J.; Bloem, J.; van Eerkeren, N.; de Goede, R.G.M.; Jagers, G.A.J.M.; Akkerhuis, O.P.; van derWal, A.; Mulder, C.; Brussaard, L.; Breure, M., 2009: Biological measurements in a nationwide soil monitoring network. Eur. J. Soil Sci. 60: 820–832. Schwab, P.; Weisskopf, P.; Oberholzer, H.R.; Scheid, S.; Berli, M., 2006: Langzeitbeobachtung von physikalischen und biologischen Bodeneigenschaften. Pilotprojekt LAZBO. Teil 4: Folgerungen, Empfehlungen und Ausblick für die Langzeitbeobachtung. Zürich, Agroscope FAL Reckenholz. Terrat, S.; Christen, R.; Dequiedt, S.; Lelievre, M.; Nowak, V.; Regnier, T.; Bachar, D.; Plassart, P.; Wincker, P.; Jolivet, C.; Bispo, A.; Lemanceau, P.; Maron, P.A.; Mougel, C.; Ranjard, L., 2012: Molecular biomass and MetaTaxogenomic assessment of soil microbial communities as influenced by soil DNA extraction procedure. Microb. Biotechnol. 5, 1: 135–141. Forum für Wissen 2013 Thomsen, M.; Faber, J.H.; Sorensen, P.B., 2012: Soil ecosystem health and services – Evaluation of ecological indicators susceptible to chemical stressors. Ecol. Indic. 16: 67–75. Turbé, A.; De Toni, A.; Benito, P.; Lavelle, P.; Lavelle, P.; Ruiz, N.; Van der Putten, W.H.; Labouze, E.; Mudgal, S., 2010: Soil biodiversity: Functions, threats and tools for policy makers. Bio Intelligence Service, IRD, and NIOO, Report for European Commission (DG Environment). USG, 1983: Bundesgesetz über den Umweltschutz vom 7. Oktober 1983. SR 814.01. VBB, BSA, 2009: Arbeitsgruppe Vollzug Bodenbiologie VBB. Arbeitshilfe zur Anwendung und Interpretation bodenbiologischer Parameter. Frick. VBBo, 1998: Verordnung über Belastungen des Bodens (VBBo) vom 1. Juli 1998. SR 814.12. Wagner, G.; Desaules, A.; Muntau, H.; Theocharopoulos, S.; Quevauviller, Ph., 2001: Harmonization and quality assurance in pre-analytical steps of soil contamination studies – conclusions and recommendations of the CEEM Soil project. Sci. Total Environ. 264: 103–117. Waldner, P.; Meuli, R.; Walthert, L.; Thimonier, A.; Graf Pannatier, E.; Hagedorn, F., 2010: Veränderung des C/N-, des 15N/14N- und des 13C/12C-Verhältnisses auf NABO Flächen nahe der LWFStandorte. Birmensdorf und Zürich, Eidg. Forschungsanstalt WSL und Agroscope ART Reckenholz. Widmer, F.; Rasche, F.; Hartmann, M.; Fliessbach, A., 2006: Community structures and substrate utilization of bacteria in soils from organic and conventional farming systems of the DOK long-term field experiment. Appl. Soil Ecol. 33: 294–307. 81 Abstract Soil biology in the reference measurement network of the Swiss Soil Monitoring Network NABO The Swiss Soil Monitoring Network NABO was set up in 1984 to monitor primarily heavy metal contamination in soils. Since then, environmental and political issues have considerably changed and new aspects have become the focus of interest, e.g. climate change or loss of biodiversity. Microorganisms in soils are essential for many soil functions – such as nutrient cycling and storage as well as water filtering. Thus, if soil functions and changes in biodiversity are to be assessed, information on soil biological properties is crucial for soil monitoring networks. In this context, NABO has started monitoring soil biological parameters on a sub-set of its long-term observation sites. Since 2012, every spring soil samples (0–20 cm) are collected at 30 NABO-sites and analysed for soil microbial biomass with substrateinduced respiration (BM-SIR) and fumigation-extraction (BM-FE) method, basal respiration and DNA-quantity. Initial results indicate that, in general, arable soils contain less biomass than grassland and forest soils. Furthermore, the different biomass measurements (BM-SIR, BM-FE and DNA-quantity) tend to correlate (0.6–0.7, Spearman). New methodologies make it possible to use the extracted soil DNA to assess the diversity of soil microorganisms and their functions in ecosystems. In the medium term, NABO plans to explore these issues further. Keywords: soil biological monitoring, microbial biomass, molecular methods, soil biodiversity, DNA extraction Forum für Wissen 2012: 83–90 83 Baumwurzeln und Infiltration Benjamin Lange1,2,3,4, Peter Lüscher2, Peter Germann3 und Axel Bronstert4 Bundesamt für Umwelt BAFU, CH-3003 Bern, [email protected] WSL Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft, Zürcherstrasse 111, CH-8903 Birmensdorf, [email protected] 3 Geographisches Institut der Universität Bern, Hallerstrasse 12, CH-3012 Bern, [email protected] 4 Institut für Erd- und Umweltwissenschaften, Universität Potsdam, Karl-Liebknecht-Straße 24-25, D-14476 Potsdam, [email protected] 1 2 Die Erforschung der Hochwasserschutzwirkung von Wäldern hat in der Schweiz eine lange Tradition die bis Anfang des 20. Jahrhundert zurück reicht. Lange Zeit galt die Prämisse, dass Wald a priori hochwasserschutzwirksam sei bis dieses Paradigma in den 1980er vermehrt angezweifelt wurde und sich ein differenzierteres, waldstandortsspezifisches Bild der Waldwirkung auf den Hochwasserschutz durchsetzte. Hier stellen wir die Resultate verschiedener Forschungsprojekte über den Einfluss von Wurzeln auf den Wasserrückhalt vor, die in den letzten Jahren in Hochwasserschutzwäldern im Gantrischgebiet (Kanton Bern) durchgeführt wurden. Es konnte gezeigt werden, dass Wurzeln in gewissen Waldstandortstypen das Wasserspeichervermögen massgeblich beeinflussen und waldbauliche Massnahmen die Hochwasserschutzwirkung verbessern können. 1Einleitung In der Schweiz häuften sich im Zeitraum vom 1825 bis 1875 Hochwasserereignisse mit katastrophalen Auswirkungen (Röthlisberger 1991). Trotz fehlenden wissenschaftlichen Untersuchungen ging man bereits damals davon aus, dass grossflächige Rodungen und die starke Übernutzung der Wälder zur hohen Hochwasserfrequenz beigetragen hatten. Als Folge davon wurde 1876 das erste eidgenössische Forstpolizeigesetz erlassen, welches unter anderem ein Rodungsverbot beinhaltete. Zudem wurden grosse Flächen aufgeforstet um den Wasserrückhalt in den Einzugsgebieten grosser Flüsse zu erhöhen. Zu Beginn des 20. Jahrhundert initiierte die Zentralanstalt für forstliches Versuchswesen (heute die Eidg. Forschungsanstalt WSL) unter der Leitung von Prof. A. Engler eine Studie zur Untersuchung der Waldwirkung auf das Abflussgeschehen. Die Forscher verglichen dabei Abflussdaten des bewaldeten Einzugsgebietes «Sperbelgraben» (Emmental) mit denjenigen des in unmittelbarer Nachbarschaft liegenden, schwach bewaldeten «Rappengraben». Engler (1919) konnte zeigen, dass der Spitzenabfluss bei kurzzeitigen Starknie- derschlägen im stärker bewaldeten Einzugsgebiet um 30 bis 50 Prozent geringer war. Diese Untersuchung erhärtete das forsthydrologische Paradigma in der Schweiz das besagte, dass Wald a priori eine abflusshemmende Wirkung aufweist. Diese Meinung blieb lange Zeit unangetastet, erst ab den 1980er Jahren wurde die Untersuchung der Hochwasserschutzwirkung von Wäldern wieder intensiviert und führte zum Teil zu kontroversen Ergebnissen. Auch wenn ein breiter Konsens darüber herrscht, dass Wälder im Vergleich zu offener Vegetation den durchschnittlichen Jahresabfluss von Gewässern aufgrund der höheren Transpirations- und Interzeptionsraten vermindern, ist die Wirkung auf Spitzenabflüsse weniger eindeutig. Gerber (1989) zeigte, dass eine Erhöhung der Waldfläche um 20 Prozent im Einzugsgebiet der Emme zwischen 1860 und 1980 keinen signifikanten Einfluss auf Abflussvolumina hatte und Burch et al. (1996) wiesen nach, dass es keinen statistisch nachweisbaren Zusammenhang zwischen dem prozentualen Waldanteil von kleinen Einzugsgebieten (1 bis 5 km2 im voralpinen Flyschgebieten mit Wald, eher extensiv bewirtschafteter Streuwiesen und Weiden) und dem flächenbezogenen Abfluss eines mittleren jährlichen Hochwassers gab. Die einfache Formel «Wald = Hochwasserschutz» greift damit zu wenig weit. Unter anderem ist die Waldwirkung auf Spitzenabflüsse abhängig von der Intensität des Niederschlagsereignisses (Beschta et al. 2000), der alternativen Landnutzungsform, und der Waldbewirtschaftung. So zeigte Moeschke (1998), dass eine Entwaldung um 40 Prozent bei Femelschlag den Spitzenabfluss um 30 Prozent erhöhte während die einzelbaumweise Entnahme von 40 Prozent der Bäume zu keiner Änderung des Abflussgeschehens führte. Nach heutigem Kenntnisstand muss die Hochwasserschutzwirkung standortspezifisch beurteilt werden indem sowohl der Baumbestand (Arten-, Alters- und räumliche Struktur) wie auch Bodeneigenschaften und Niederschlagscharakteristiken integrativ beurteilt werden. Generell geht man davon aus, dass die positive Wirkung des Waldes auf die Wasserretention auf gehemmt durchlässigen, mittel- bis tiefgründigen Böden maximal ist während Wälder auf sehr durchlässigen oder stark vernässten Böden den Wasserrückhalt kaum beeinflussen (Lüscher und Zürcher 2003). 2005 wurde die Wegleitung «Nachhaltigkeit und Erfolgskontrolle im Schutzwald» (NaiS, Frehner et al. 2005) publiziert. Die Autoren definierten für alle relevanten Waldstandorts typen einen die Schutzwirkung maximierenden Idealzustand bezüglich der Baumartenmischung, des Waldgefüges und der Verjüngung. Diese Bestandesparameter wirken sich vor allem auf die Durchwurzelungssituation und damit auf die durch Wurzeln gebildeten Poren aus, die ein massgeblicher Faktor bei Infiltrationsvorgängen sein können (Li und Ghodrati 1994; Lange et al. 2009). Hier präsentieren wir 84 die Ergebnisse und Schlussfolgerungen langjähriger Untersuchungen über den Zusammenhang zwischen der Durchwurzelung und Wasserhaushaltsgrös sen bei kurzen Starkniederschlägen in voralpinen Schutzwäldern auf gehemmt durchlässigen, mittel bis tiefgründigen Böden im Flyschgürtel wo eine grosse Wirkung des Waldes auf das Abflussgeschehen erwartet werden kann. 2Methoden 2.1 Untersuchungsgebiet und Experimente Die Untersuchungen wurden in voralpinen Hochwasserschutzwäldern im Gantrischgebiet (Kt. Bern) in Höhenlagen zwischen rund 880 und 1000 m ü. M. in Waldstandortstypen (WST) 46 (Typischer Heidelbeer-Tannen-Fich tenwald), 49 (Schachtelhalm-TannenFich tenwald) und 19f (WaldsimsenTannen-Buchenwald auf Pseudogley) durchgeführt. Die Böden wurden als Pseudogleye, Gleye beziehungsweise vergleyte und pseudovergleyte Braunerden klassiert (vgl. Zimmerman et al. 2006). Zur Erfassung der bodenhydrologischen Parameter wurden intensive (70 mm h–1), kurzzeitige (1 Std.), kleinflächige Beregnungen (1 m2) durchgeführt. Oberflächenabfluss konnte nicht beobachtet werden. Eine dreimalige Wiederholung der Beregnung pro Standort diente dazu, unterschiedliche Ausgangswassergehalte im Boden zu simulieren. Der Abstand zwischen den Beregnungen betrug rund 23 Stunden. Während den Beregnungsexperimenten wurden mittels TDR- beziehungsweise FDR-Sonden die volumetrischen Wassergehalte in einer zeitlichen Auf lösung von 60 s aufgezeichnet. Pro Standort wurden fünf Sonden in unterschiedlichen Tiefen eingesetzt. Nach diesen Experimenten wurden an denselben Positionen, an welchen die Wassergehaltssonden platziert waren, Bohrproben entnommen (0,1 m Durchmesser) aus welchen die Wurzeln separiert und anschliessend mittels der Software «whinRHIZO» digital vermessen wurden. In den Waldstandortstypen 46 und 49 wurden insgesamt 16 Standorte beregnet, im Waldstandortstyp 19f deren zehn. Die Abstände zur Forum für Wissen 2013 Stammbasis der Bäume betrug ungefähr 1 m mit Ausnahme von drei Plots im WST 46 und 49 wo der Abstand maximal 3,5 m war. Die Bodeneigenschaften der Untersuchungsflächen waren relativ homogen, es konnten keine signifikanten Unterschiede in der Bodenart, der Lagerungsdichte und dem pH-Wert festgestellt werden: Der Sandanteil der Horizonte lag zwischen 17,5 und 73,1 Prozent, der Schluffanteil 16,4 bis 48,6 Prozent und der Tonanteil betrug 8,6 bis 34,6 Prozent. Die Lagerungsdichten im Oberboden waren zwischen 0,65 und 1,0 g cm–3, im Unterboden zwischen 0,79 und 1,6 g cm–3. Details zu den Bodeneigenschaften sind in Lange et al. (2013) zu finden. Ein Vergleich zwischen den WST ist damit zulässig. 2.2Theorie Die Zeitreihen der volumetrischen Wassergehalte wurden nach einem Ansatz von Germann et al. (2007) ausgewertet. Es wird davon ausgegangen, dass Wasser in Form von Wasserfilmen laminar entlang von Porenwänden fliesst. Dabei muss die Pore nicht in ihrem ganzen Durchmesser Wasser führen. In diesem Stokes-Fluss Ansatz beschleunigt die Gravitation den Wasserfluss, während die Viskosität des Wassers den gravitativen Kräften entgegenwirkt. Damit ist die Interpretation der Ergebnisse auf einen bestimmten Bodenwassergehalt limitiert, bei dem kleinere Poren bereits gesättigt sind und grössere Poren als Fliesswege dienen. Diese Verhältnisse sind typisch für Wasserfluss in präferenziellen Fliesspfaden wie zum Beispiel in Makroporen. Ein Wasserfilm ist definiert durch seine Mächtigkeit (Filmdicke F) sowie seine Kontaktlänge L mit den festen Bodenbestandteilen in der horizontalen Ebene. Dabei ist L ein Mass für die Porosität, welche am Wasserfluss beteiligt ist. Die Kontaktlänge kann mit der Wurzeldichte verglichen werden, um zu untersuchen inwieweit Wurzeln den hydrologisch aktiven Porenraum bilden. Ausgangspunkt der Analysen sind aufgezeichnete Wassergehaltsmessungen. Aus dem Zeitpunkt des ersten Anstieges des Wassergehaltes bei der Beregnung (Ankunftszeit der Feuchtefront) lässt sich die Filmdi- cke F berechnen. Unter Einbezug des volumetrischen Wassergehaltes kann die Kontaktlänge L bestimmt werden. Ein detaillierter Beschrieb der theoretischen Hintergründe ist in Germann et al. (2007) zu finden. 3Resultate 3.1 Vergleich der Wurzeldichten Die WST 46 und 49 waren im Untersuchungsgebiet räumlich eng verzahnt, weshalb diese Waldstandortstypen hier, trotz unterschiedlichem Mikrorelief, zusammenfassend als Tannen-Fichtenwälder dem WST 19f mit höherem Buchenanteil gegenüber gestellt werden. Als vergleichbares Mass für die Wurzeldichte diente die Wurzellänge pro Bodenvolumen RL in cm cm–3. Rund 90 Prozent der Gesamtwurzellänge wurden durch Feinwurzeln mit einem Durchmesser von unter 2 mm gebildet. Erwartungsgemäss nahm die Wurzeldichte mit zunehmender Bodentiefe infolge der Zunahme der Vernässungsgrade der Horizonte ab. Im Tannen-Buchenwald (WST 19f) war die Durchwurzelung generell ausgeprägter als in Tannen-Fichtenwäldern (WST 46, 49), auch wenn sich die durchschnittlichen Durchwurzelungsdichten zwischen den Standorten infolge einiger sehr hohen Wurzeldichten im Oberboden der WST 46, 49 nur geringfügig unterschieden. Insbesondere im Tiefenbereich von 0,2 bis 0,8 m, d. h. in nicht und schwach vernässten Unterbodenhorizonten war der WST 19f intensiver durchwurzelt, was mit dem höheren Deckungsgrad der Buchen erklärt werden kann die über Herzwurzelsysteme verfügen die mittlere Bodentiefen intensiver durchwurzelt (Abb. 1). Werden nicht die Tiefenbereiche zum Vergleich der Wurzeldichten herangezogen sondern morphologische Bodenhorizonten, ergibt sich ein leicht anderes Bild. Bei dieser Betrachtungsweise waren nicht hydromorphe Oberbodenhorizonte in den WST 46, 49 intensiver durchwurzelt als der WST 19f, was mit der stärkeren Verbreitung der bekanntermassen flachwurzelnden Fichte zusammenhängen dürfte. Forum für Wissen 2013 85 3.2Infiltration 0,4−0,2 0,6−0,4 1,0−0,8 Abb. 1. Durchschnittliche Wurzeldichten der WST 46, 49 im Vergleich zum WST 19f in unterschiedlichen Bodentiefen. Die Fehlerbalken zeigen ± ein Standardfehler. 0,8−0,6 Tiefenbereich, m 0,2−0,0 Wurzeldichte WST 19f 0,0 0,2 0,4 0,6 0,8 1,0 1,2 0,0 0,2 0,4 0,6 0,8 1,0 1,2 Wurzeldichte, cm cm −3 Wurzeldichte, cm cm −3 Amplitude Infiltration WST 19f Abb. 2. Durchschnittliche Amplituden der Infiltration vI der WST 46, 49 und des WST 19f in unterschiedlichen Bodentiefen. Die Fehlerbalken zeigen ± ein Standardfehler. 0,4−0,2 0,6−0,4 0,8−0,6 Tiefenbereich, m 0,2−0,0 Amplitude Infiltration WST 46 und 49 1,0−0,8 Der Unterschied zwischen dem Wassergehalt unmittelbar vor der Beregnung und dem maximalen Wassergehalt während der Beregnung, die Amplitude der Infiltration vI, ist ein Mass für das Infiltrationsvermögen. Die hier präsentierten Ergebnisse stammen ausschliesslich von der dritten Beregnung. Der Grund liegt darin, dass während der dritten Beregnung ein vergleichbares Porengrössenspektrum hydrologisch aktiv war. Während den ersten zwei Beregnungen wurden kleinere Poren kapillar gesättigt und das Wasser darin immobilisiert. Der Wasserfluss der dritten Beregnung fand primär in grösseren Poren statt in denen Gravitation als massgebende Kraft angenommen werden kann und der angewandte theoretische Ansatz gültig ist. Die Amplitude der Infiltration war bis in 0,2 m Tiefe in den WST 46, 49 höher als im WST 19f. Zwischen 0,2 und 0,8 m verfügte dagegen der WST 19f über eine deutlich höhere vI die sich erst zwischen 0,8 und 1,0 m wieder anglich (Abb. 2). Das bedeutet, dass die Wasseraufnahme in den WST 46, 49 bei einem kurzzeitigen Starkniederschlagsereignis vor allem auf die obersten Bodenhorizonte, in der Regel der Ah-Horizont, beschränkt war und kaum Tiefensickerung stattfand während im WST 19f auch der Unterboden als Speicherraum zur Verfügung stand. Der erwähnte Stokes-Fluss Ansatz erlaubte nun eine genauere Analyse der Geometrie des Wasserflusses: Eine Veränderung der Amplitude der Infiltration kann entweder durch Veränderungen der Wasserfilmdicke F oder durch eine Variation der wasserführenden Porosität (Kontaktlänge L) erfolgen. Zur Berechnung von L und F ist eine Zunahme des Wassergehaltes infolge der Beregnung nötig. Aufgrund des geringen Umfanges der Stichproben welche diese Bedingung in Bodentiefen unterhalb von 0,8 m erfüllten, wurde in diesem Tiefenbereich auf die Berechnung der Wasserflussgeometrie verzichtet. Wie Abbildung 3 zeigt, war die Filmdicke bei vertikaler Infiltration im WST 46, 49 über die ganze Bodentiefe relativ konstant. Das bedeutet aufgrund der Theorie, dass auch die Geschwindigkeit der sich vertikal nach unten bewegenden Feuchte- Wurzeldichte WST 46 und 49 0,00 0,02 0,04 0,06 0,08 0,10 Amplitude Infiltration, m3 m−3 front relativ stabil war und Änderungen der Amplitude der Infiltration primär durch verändertes wasserführendes Porenvolumen bedingt waren. Demgegenüber nahm die Filmdicke im WST 19f mit zunehmender Bodentiefe zu. Eine mögliche Erklärung dazu sind zusammenfliessende Wasserfilme aufgrund einer mit der Tiefe abnehmenden (Makro-)Porosität analog eines Trichters. Die Kontaktlänge nahm in den WST 46, 49 mit zunehmender Bodentiefe deutlich ab. Dieser 0,00 0,02 0,04 0,06 0,08 0,10 Amplitude Infiltration, m3 m−3 Trend war auch im WST 19f ersichtlich, allerdings weniger deutlich ausgeprägt (Abb. 4). Veränderungen in der Infiltrationskapazität über die Bodentiefe waren damit in den WST 46, 49 in einer Abnahme der wasserführenden Porosität begründet während im WST 19f sowohl die Kontaktlänge L wie auch die Filmdicke F variierten und damit zu einem weniger einheitlichen Bild führten. 86 Forum für Wissen 2013 Filmdicke F WST 19f 0 0 Kontaktlänge L WST 46 und 49 0,4−0,2 Tiefenbereich, m 0,8−0,6 0,6−0,4 0,2−0,0 0,4−0,2 0,6−0,4 0,8−0,6 0,00001 8000 Damit konnte nachgewiesen werden, dass in gewissen Hochwasserschutzwäldern mit vernässten Horizonten ein Zusammenhang zwischen der Wurzeldichte und der wasserführende Porosität besteht. Die Ergebnisse von zahlreichen anderen Studien lassen den Schluss zu, dass Wurzeln die Infiltration tatsächlich massgeblich erhöhen kann und nicht nur eine Folge der örtlich höheren Porosität sind. So wiesen 2000 4000 6000 8000 −2 Kontaktlänge L, m m zum Beispiel Meek et al. (1989) nach, dass sich die Infiltrationsrate eines gepflügten und mit Luzerne bewachsenen Standortes aufgrund des durch Wurzeln gebildeten Porenraumes innerhalb von vier Jahren etwa verdoppelte. Detaillierte Ergebnisse zum Zusammenhang zwischen der Infiltration und der Durchwurzelung in Waldböden sind in Lange et al. (2010) zu finden. RL vs. L WST 19f 0,0 0,5 1,0 1,5 2,0 RL vs. L WST 46 und 49 Abb. 5. Horizontspezifische Wurzeldichte vs. Kontaktlänge der WST 46, 49 und des WST 19f. R2 WST 46, 49: 0,43; R2 WST 19f: 0,26. 0 Abb. 4. Durchschnittliche Kontaktlängen L der WST 46, 49 und 19f verschiedener Tiefenbereiche. Die Fehlerbalken zeigen ± ein Standardfehler. 2,0 Um den Einfluss der Wurzeln auf die Infiltration zu eruieren, wurde eine multiple Regressionsanalyse durchgeführt. Als Inputvariablen dienten die Lagerungsdichten, die Wurzeldichten und die Bodenart (prozentuale Anteile von Sand, Schluff und Ton). Im WST 19f konnte damit die Amplitude der Infiltration nicht zufriedenstellend erklärt werden. Es scheint, als ob an diesem Standort weitere, nicht erfasste Faktoren den Wasserfluss im Boden beeinflussten. Mögliche makroporenbildende Prozesse sind zum Beispiel Gefrier- und Tauzyklen, Quellen und Schrumpfen tonhaltiger Bodenbestandteilen (Romkens und Prasad 2006) oder die Wühltätigkeit von Bodentieren (Lamande et al. 2003). Dagegen zeigte sich im WST 46, 49 klar, dass die Amplitude der Infiltration bei hohem Bodenwassergehalt primär durch Wurzeln bestimmt w urde (R2 zwischen RL und vI 0,43). Der Einbezug der weiteren Variablen verbesserte das Modell nur marginal. Da die Fimdicke F in diesem WST über die Bodentiefe relativ konstant war, be einflussten die Wurzeln vor allem die Kontaktlänge L und damit den an der Infiltration beteiligte Porenraum (Abb. 5). 6000 Kontaktlänge L, m m Wurzeldichte RL, cm cm −3 3.3 Wurzeln und vertikale Infiltration 4000 −2 Filmdicke F, m Abb. 3. Durchschnittliche Filmdicken F der WST 46, 49 und 19f verschiedener Tiefenbereiche. Die Fehlerbalken zeigen ± ein Standardfehler. 2000 1,5 Filmdicke F, m 0 0,00003 1,0 0,00003 0,5 0,00001 0,0 Tiefenbereich, m Kontaktlänge L WST 19f 0,2−0,0 Filmdicke F WST 46 und 49 0 5000 15000 Kontaktlänge L, m m−2 0 5000 15000 Kontaktlänge L, m m −2 Forum für Wissen 2013 87 3.4 Wurzeln und lateraler Fluss 0,00020 m −1 0,00015 WST 46 und 49 WST 19f 0,00000 0,00005 0,00010 −1 3 Ausfluss , m s Lateraler Fluss im Boden ist ein wichtiger abflussbildender Prozess in Einzugsgebieten mit geringer Bodenmächtigkeit oder dichten Bodenhorizonten oberhalb derer Wasser lateral hangabwärts fliessen kann. Wurzeln können lateralen Abfluss im Boden begünstigen indem sie durch die hangparallele Ausbildung von Poren ein laterales präferenzielles Fliessnetz generieren können (z. B. Noguchi et al. 1999). Dadurch können Wurzeln auch dazu beitragen, dass die Volumenflussdichte des lateralen Abflusses bei konstanter Niederschlagsintensität zunimmt. Dieser Prozess kann die Hochwasserschutzfunktion von Wäldern zumindest teilweise mindern. Als Beispiel sei hier das Ergebnis eines hydrologischen Modells gezeigt, dass den vertikalen Stokes-Fluss Ansatz von Germann et al. (2007) um lateralen Fluss erweitert. In diesem Ansatz wird gravitativer Fluss angenommen, kapillare Kräfte und Oberflächenabfluss werden nicht berücksichtigt. Die Aussagekraft beschränkt sich damit auf einen Wassergehalt zwischen Sättigung und der Feldkapazität. Ziel der Untersuchung war es, den Ausfluss am unteren Ende eines Hanges für verschiedene laterale Porositäten, und damit unterschiedliche lateralen Wurzeldichten, zu modellieren. Als Modell diente ein virtueller Hang mit einer Neigung von 30 °, beliebiger Breite der während 1 h mit 70 mm h–1 beregnet wird. Zudem wurde in 0,5 m Tiefe eine Stauschicht oder anstehender Fels angenommen. Entlang diesem Infiltrationshindernis floss das Wasser lateral hangabwärts. Es wurde weiter davon ausgegangen, dass die Wurzeldichte nur die wasserführende Porosität (Kontaktlänge L) beeinflusste während die Filmdicke F konstant blieb da Hincapié und Germann (2009b) nachwiesen, dass F primär von der Niederschlagsintensität abhängt und kaum von lokalen Bodeneigenschaften beeinflusst ist. Im Modell wurde daher der Mittelwert der Filmdicken aller WST in einer Bodentiefe von 0,4 bis 0,6 m verwendet (F = 1,755 × 10–5 m) während die Kontaktlängen WST-spezifisch über dieselbe Bodentiefen gemittelt wurden. Daraus resultierte L = 1669 m m–2 im WST 46, 49 und L = 4022 m m–2 im WST 19f. Damit Theoretischer Ausfluss pro m Hangbreite 0 5000 10000 15000 20000 Zeit, s Abb. 6. Modellierter Ausfluss aus einem Hang bei einer Niederschlagsdauer von 3600 s und einer Intensität von 70 mm h-1. Tiefe der Stauschicht: 0,5 m; Hangneigung: 30 °; Filmdicke F: 1,755 × 10–5 m; Kontaktlänge L: 1669 m m–2 (WST 46, 49) bzw. 4022 m m–2 (WST 19f). Kein Oberflächenabfluss, rein gravitativer Fluss in grösseren Poren. wurde angenommen, dass die durch Wurzeln gebildete vertikale Porosität auch der lateralen Porosität entspricht. Abbildung 6 zeigt den erwarteten Ausfluss pro m Hangbreite. Eine höhere Wurzeldichte führte zu höherem Ausfluss am Hangende. Im hier gezeigten Beispiel resultierte eine Erhöhung der Wurzeldichte um einen Faktor von 2,4 zu einer Erhöhung des Spitzenausflusses um denselben Faktor. Unter der Annahme, dass die Filmdicke konstant war, war der Spitzenausfluss aus dem Hangsegment also linear abhängig von der lateralen Porosität die auch durch Wurzeln erhöht werden kann. Die Begründung liegt darin, dass die Volumenflussdichte gemäss Theorie eine Funktion von F in der dritten Potenz und L (linear) ist. Da F nur von der Niederschlagsintensität abhängig ist, hängt die Volumenflussdichte bei gleichbleibender Intensität des Niederschlages linear von L ab. Damit kann davon ausgegangen werden, dass lateral verlaufende Wurzeln den hangparallelen Fluss erhöhen und damit die Schutzwirkung der Wälder vermindern können. Diese Schlussfolgerung muss allerdings relativiert werden wenn die Fliessdistanz des Wassers zwischen dem Beginn des Niederschlags und dem Spitzenabfluss berücksichtigt wird. Wenn angenommen wurde, dass das Wasser vertikal bis zur Stauschicht floss und sich anschliessend lateral daran entlang bewegte, resultierte eine laterale Fliessdistanz bis zum Zeitpunkt des Spitzenabflusses (3828 s nach Niederschlagsbeginn) von gerade einmal 2,7 m bei einem Niederschlagereignis von 1 Stunden Dauer und einer Intensität von 70 mm h–1. Die abflussbeitragende Fläche beim Spitzenabfluss erstreckte sich damit maximal 2,7 m seitlich vom Gewässer hangaufwärts. Weiter entfernte Flächen wurden erst zu einem späteren Zeitpunkt abflusswirksam wenn die Volumenflussdichte der gerinnenahen Flächen bereits wieder abnimmt und sich damit der Ausfluss aus dem Hang verringert. Damit kann auch die Wirkung von durch Wurzeln gebildeten lateralen Poren auf den Spitzenabfluss 88 Die globale Erwärmung wird die Baumartenzusammensetzung in gewissen Höhenstufen verändern. Frostemp findliche Arten können höhere Lagen bestocken und aufgrund ihrer Konkur- im WST 19f. Dagegen wird in mittleren Bodentiefen zwischen rund 0,1 und 0,8 m eine Zunahme der Wasseraufnahmekapazität erwartet (Abb. 7). Der zusätzliche Wasserspeicherraum summiert sich über eine Bodentiefe von einem Meter auf rund 9 mm, was im Untersuchungsgebiet rund 15 Prozent eines einstündigen Extremniederschlagereignisses mit einer Wiederkehrperiode von 100 Jahren entspricht. Auch wenn dieses Ergebnis zeigt, dass der Wasserspeicherraum im heutigen WST 46 mit einem höheren Buchenanteil vergrössert wird, kann trotzdem nicht von einer generellen Verbesserung der Hochwasserschutzfunktion ausgegangen werden, da die Klimaerwärmung auch intensivere Niederschlagsereignisse mit sich bringen könnte (OcCC/ProClim 2007). Zudem wurde nur ein WST untersucht und die Folgen potentieller, klimatisch bedingter Artenwechseln auf das Wasserspeichervermögen von Böden anderer WST sind weitgehend unbekannt. Die Ergebnisse sind repräsentativ für kurzzeitige Starkniederschlagsereignisse bei hoher Bodenfeuchte im nordalpinen Flyschgürtel mit Tannen-Fichtenwäldern und in Höhenlagen wo die Buche die Fichte voraussichtlich stark konkurrieren wird. 0,8−0,6 0,6−0,4 0,4−0,2 0,2−0,0 Zusätzlicher Wasserspeicher WST 19f 1,0−0,8 3.5 Klimaänderung und Schutzwirkung renzkraft heute verbreitete Arten teilweise verdrängen. Damit geht auch eine Veränderung der Durchwurzelungssituation und der Schutzwirkung einher. Um die daraus resultierenden Konsequenzen abzuschätzen wurde ein Szenario verwendet, bei dem Buchen infolge der Klimaänderung vermehrt in heutige Hochwasserschutzwälder des WST 46 einwandern und vor allem Fichten verdrängen werden (Brzeziecki et al. 1995). Es wurde angenommen, dass sich die Wurzeldichte im heutigen WST 46 mit dem Einwachsen der Buche zukünftig zu derjenigen verändern wird, wie sie heute im WST 19f typisch ist. Aufgrund der Korrelation zwischen der Wurzeldichte und der Amplitude der Infiltration liess sich anschliessend abschätzen, wie sich die Wasserspeicherkapazität mit einem höheren Anteil der Buchen voraussichtlich ändern würde. Details der Berechnungsgrundlage sind in Lange et al. (2013) zu finden. Aufgrund der tendenziell höheren Wurzeldichte im WST 19f kann von einer höheren Wasserspeicherkapazität ausgegangen werden. In den obersten 10 cm des Bodens ist eine leichte Abnahme des Wasserspeichervermögens zu erwartet, da hier die Wurzeldichte in den WST 46, 49 durchschnittliche höher war als Tiefenbereich, m relativiert werden, da unsere Modellierung zeigte, dass diese nur sehr gerinnenah oder bei sehr lang anhaltenden Niederschlägen von hydrologischer Bedeutung waren. Wurde dagegen ein längerer Zeitrahmen betrachtet, erhöhte sich die Grösse der abflussbeitragenden Fläche. So war nach 10 Stunden eine Distanz von etwa 11,3 m hangaufwärts am Ausfluss beteiligt wobei dann der Ausfluss nur noch etwa 28 Prozent des Spitzenabflusses betrug. Hinzu kommt, dass in realen Böden Wasser von präferenziellen Fliesspfaden in kleinere Poren abstrahiert wird und kurz bis mittelfristig durch Kapillarkräfte gebunden werden kann (Hincapie und Germann 2009a) was den lateralen Abfluss weiter vermindern wird. Auch wenn eine hohe Wurzeldichte den lateralen Fluss im Boden erhöhen kann, sei an dieser Stelle ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Verminderung oder Verhinderung des Oberflächenabflusses ein zentrales Ziel der Hochwasserschutzfunktion des Waldes sein sollte. Damit kann einerseits eine schnelle Abflussantwort der Gewässer verzögert, andererseits der Boden als potentieller Zwischenspeicher erst zur Verfügung gestellt werden. Oberflächenabfluss erreicht Geschwindigkeiten von bis zu 10 cm s–1 (Wohlrab et al. 1992), während sich Fliessgeschwindigkeiten in präferenziellen Fliesspfaden im Boden meist zwischen 0,01 bis 0,5 cm s–1 (Germann und Hänsel 2006) bewegen. Dies führt bereits zu einer deutlichen Verzögerung des Abflusses. Eine durch Wurzeln erwirkte höhere Infiltration vergrössert auch den Speicherraum im Boden, die Wasseraufnahmekapazität kann gesteigert werden. Die positiven Auswirkungen erhöhter Durchwurzelungsdichten auf die vertikale Infiltration überwiegen damit bei weitem und überkompensieren die negativen Effekte bezüglich des Hochwasserschutzes aufgrund potentiell höherer lateraler Fliessgeschwindigkeiten. Forum für Wissen 2013 0,0 0,5 1,0 1,5 2,0 2,5 3,0 3,5 Zusätzlicher Wasserspeicher, mm Abb. 7. Zusätzlicher Wasserspeicher (Amplitude der Infiltration) in mm wenn die Buche im WST 46 infolge der Klimaerwärmung dominanter wird. Forum für Wissen 2013 4 Der ideale Hochwasser schutzwald Hochwasserschutzwälder stocken vielerorts auf vernässten Böden die bei stärkeren Niederschlagereignissen und höheren Bodenwassergehalten zur Bildung von Oberflächenabfluss neigen. Ein wichtiges Schutzziel dieser Wälder ist die Erhöhung der Infiltrationskapazität und des Wasserspeichervermögens des Bodens. Unsere Studien weisen klar daraufhin, dass Wurzeln das Infiltrationsvermögen und die Wasserspeicherkapazität von Böden massgeblich verbessern können. Das Ziel im Hochwasserschutzwald sollte deshalb eine in allen Dimensionen möglichst hohe Wurzeldichte sein, die auch vernässte Horizonte einbezieht und grössere Lücken in der Durchwurzelung des Bodens ausschliesst. Damit kann auch eine vorhandene Stauschicht erschlossen werden und potentielle laterale Fliesspfade entlang der Stauschicht können unterbrochen werden. Verschiedene Studien haben gezeigt, dass bei einzelbaumweiser Baumartenmischung, bei gleichzeitigem Vorhandensein unterschiedlicher Altersstufen und bei einer Mischung von eher flach- und tiefwurzelnder Arten eine maximale Durchwurzelungsintensität über den gesamten potentiellen Wurzelraum erreicht wird (Fölster et al. 1991; Schmid und Kazda 2002). Daraus können folgende Anforderungen an Hochwasserschutzwäldern auf vernässten Böden abgeleitet werden: 1. Der Bestand soll über eine einzelbaumweise Artenmischung verfügen. 2. Die Baumarten sollen über unterschiedliche Wurzelsysteme verfügen (Flach-, Herz- und Pfahlwurzeln) um den gesamten potentiellen Wurzelraum optimal zu erschliessen. 3. Mindestens eine Baumart, idealerweise die am tiefsten wurzelnde, sollte auch in teilweise anaeroben Bodenhorizonten wurzeln können. 4. Unterschiedliche Altersstufen sollten gleichzeitig vorhanden sein. Nebst einer Erhöhung der Wurzeldichte kann damit auch eine ausreichende Verjüngung und die nötige Bestandesstabilität sichergestellt werden. Diese Erkenntnisse decken sich mit denen von Frehner et al. (2005), die in der Wegleitung «Nachhaltigkeit 89 und Erfolgskontrolle im Schutzwald» (NaiS) Zielgrössen bezüglich der Artenmischung, Bestandesstruktur und Verjüngung für schutzrelevante Waldstandortstypen definiert haben. Die Autoren fordern generell eine naturnahe, stufige Bestockung mit hohem Deckungsgrad um den Wurzelraum optimal zu erschliessen und damit die Schutzwirkung zu optimieren. Frehner et al. (2005) stellen zudem Unterlagen zur Verfügung, um den aktuellen Zustand der Schutzwälder zu erfassen und daraus waldbauliche Massnahmen zur Optimierung der Schutzfunktion abzuleiten. Die Wirkung der Hochwasserschutzwälder beruht einerseits auf der Porosität des Bodens welche massgeblich durch Wurzeln gebildet wird, andererseits aber auch auf erhöhten Interzeptions- und Transpirationraten von Wäldern gegenüber offener Vegetation. Das führt dazu, dass der Boden vor einem Niederschlagereignis trockener sein kann und damit ein höheres Speichervermögen aufweist. Die hier präsentierten Studien befassten sich vor allem mit der Wirkung von Wurzeln auf die Infiltration. Um die Waldwirkung auf den Hochwasserschutz umfassend zu untersuchen, müssten auch die Interzeption und Transpiration berücksichtig werden. Bei der Transpiration von Bäumen wird, je nach Durchwurzelungstiefe, Wasser aus unterschiedlichen Bodentiefen entnommen. Auch bei diesem Prozess sind damit Wurzeln von zentraler Bedeutung und eine Abschätzung der Auswirkungen der Transpiration auf den Bodenwassergehalt und potentiellen Wasserspeicher bedingt Kenntnisse über die standortstypische Durchwurzelungssituation. Generell existieren bislang nur wenige Daten zur vertikalen und lateralen Durchwurzelung verschiedener WST. Dies ist primär darin begründet, dass die Erfassung der Durchwurzelungssituation zeitraubend ist und die Ergebnisse aufgrund der Inhomogenität der Böden und Bestände nur unter Vorbehalten auf andere Standorte übertragen werden können. Möglicherweise bieten sich hier Wurzelmodellierungen an, wie sie zum Beispiel von Schwarz et al. (2010) durchgeführt wurden. Ein besserer Kenntnisstand über Dichten und räumliche Verteilungen von Wurzeln liesse eine Verbesserung hydro- logischer Modelle zu und würde auch in anderen Gebieten, wie zum Beispiel der Modellierung von Trockenstressrisiken aufgrund der Klimaerwärmung, entscheidend zur Verbesserung von Vorhersagemodellen beitragen. Einige offenen Fragen, in welcher Weise und unter welchen Umständen der Wald einen Beitrag zum Hochwasserschutz leisten kann, wurden in den letzten Jahren beantwortet. Allerdings bereitet es nach wie vor Schwierigkeiten, daraus allgemeine Zusammenhänge abzuleiten da sowohl die Vorfeuchte des Bodens, die Bodeneigenschaften, Niederschlagscharakteristiken und Bestandesparameter hochvariabel sind. Für die Praxis hat die Wegleitung von Frehner et al. (2005) auch nach neusten Erkenntnissen ihre Gültigkeit und bietet einen dem Stand des Wissens angepassten Rahmen, um die Hochwasserschutzwirkung von Wäldern abzuschätzen, zu erhalten und gegebenfalls mittels forstlicher Massnahmen zu verbessern. 5Danksagung Die Autoren bedanken sich bei Roger Köchli und Marco Walser von der Eidg. Forschungsanstalt WSL (Schweiz) und bei Andreas Bauer, Thomas Gräff und Irene Hahn von der Universität Potsdam (Deutschland) für die Hilfe bei der Feldarbeit. Philipp Mösch von der Waldabteilung 5 (Kt. Bern) hat uns bei der Suche nach Untersuchungsgebieten unterstützt und uns erlaubt, die Feldarbeiten durchzuführen. Die hier vorgestellten Forschungsarbeiten wurden durch die COST-Aktion E38 (Woody Root Processes), das Forschungsprogramm «Wald und Klimawandel» der Eidg. Forschungsanstalt WSL und des Bundesamtes für Umwelt BAFU sowie durch den Schweizerischen Nationalfonds finanziell unterstützt und ermöglicht. 90 6Literatur Beschta, R.L.; Pyles, M.R.; Skaugset, A.E.; Surfleet, C.G., 2000: Peakflow responses to forest practices in the western cascades of Oregon, USA. J. Hydrol. 233: 102–120. Brzeziecki, B.; Kienast, F.; Wildi, O., 1995: Modeling potential impacts of climate-change on the spatial-distribution of zonal forest communities in Switzerland. J. Veg. Sci. 6, 2: 257–268. Burch, H.; Forster, F.; Schleppi, P., 1996: Zum Einfluss des Waldes auf die Hydrologie der Flysch-Einzugsgebiete des Alptals. Schweiz. Z. Forstwes. 147, 12: 925–937. Engler, A., 1919: Untersuchungen über den Einfluss des Waldes auf den Stand der Gewässer. Mitt. Schweiz. Zent.anst. forstl. Vers.wes. XII Band. Fölster, H.; Degenhardt, M.; Flor, T.; Lux, M., 1991: Untersuchungen zur Tiefendurchwurzelung und Durchwurzelungsintesität auf Braunerden-Pseudogleyen im Vorderen Hunsrück in Abhängigkeit von Baumart und Bestandesstrukturparametern. Mitt. Forstl. Vers.anst. Rheinland-Pfalz. 19: 91–106. Frehner, M.; B. Wasser, B.; Schwitter, R., 2005: Nachhaltigkeit und Erfolgskontrolle im Schutzwald. Bern, BUWAL. Gerber, B., 1989: Waldflächenveränderungen und Hochwasserbedrohung im Einzugsgebiet der Emme. Geogr. Bern. G33. Germann, P.F.; Hensel, D., 2006: Poiseuille flow geometry inferred from velocities of wetting fronts in soils. Vadose Zone J. 5: 867–876. Forum für Wissen 2013 Germann, P.; Helbling, A.; Vadilonga, T., 2007: Rivulet approach to rates of preferential infiltration. Vadose Zone J. 6: 207–220. Hincapié, I.; Germann, P., 2009a: Length scale of abstraction from water content waves during gravity-driven viscous infiltration. Vadose Zone J. 8: 996–1003. Hincapié, I.; Germann, P., 2009b: Impact of initial and boundary conditions on preferential flow. J. Contam. Hydrol. 104: 63–73. Lamande, M.; Hallaire, V.; Curmi, P.; Peres, G.; Cluzeau, D., 2003: Changes of pore morphology, infiltration and earthworm community in a loamy soil under different agricultural managements. Catena. 54, 3: 637–649. Lange, B.; Germann, P.; Lüscher, P., 2009: Significance of tree roots for preferential infiltration in stagnic soils. Hydrol. Earth Syst. Sci. 13: 1809–1821. Lange, B.; Germann, P.F.; Lüscher, P., 2010: Einfluss der Wurzeln auf das Wasserspeichervermögen hydromorpher Waldböden. Schweiz. Z. Forstwes. 161: 510–516. Lange, B.; Germann, P.F.; Lüscher, P., 2013: Greater abundance of Fagus sylvatica in coniferous flood protection forests due to climate change: impact of modified root densities on infiltration. Eur. J. For. Res. 132: 151–163. Li, Y. M.; Ghodrati, M., 1994: Preferential transport of nitrate through soil columns containing root channels. Soil Sci. Soc. Am. J. 58: 653–659. Abstract Tree roots and infiltration Since the 19th century, it has been widely assumed that forests mitigate runoff because forest soils are thought to be more porous than soils outside the forest. Not until the 1980s, however, did the scientific community begin to discuss this forest hydrological paradigm seriously. Today it is no longer assumed that the mere existence of a forest is sufficient to mitigate runoff. A forest’s capacity for water retention depends on the characteristics of both its soil and forest stands. Several studies have shown that tree roots are relevant pore-generators in forest soils. Here we present the results of three research projects on the influence of roots on vertical and lateral water flow in forests soils of pre-alpine forests in Switzerland. The presence of tree roots in the soil was found to increase the soil’s infiltration and water storage capacity in the forest communities we investigated. Thus, water retention can be optimized through silvicultural interventions. A comparison of the root densities and water storage capacities in different forest stands indicated that the tree species shift from spruce- to beech-dominated mixed forests expected under climate change will probably increase slightly the water storage capacity in the soils of stands where this shift takes place. Keywords: infiltration, soil water flow, flood protection forests, tree roots, lateral subsurface flow, climate change Lüscher, P.; Zürcher, K., 2003: Waldwirkung und Hochwasserschutz: Eine differenzierte Betrachtungsweise ist angebracht. Ber. Bayer. Landesanst. Wald Forstwirtsch. 40: 30–33. Meek, B.D.; Rechel, E.A.; Carter, L.M.; Detar, W.R., 1989: Changes in infiltration under Alfalfa as influenced by time and wheel traffic. Soil Sci. Soc. Am. J. 53: 238–241. Möschke, H., 1998: Abflussgeschehen im Bergwald – Untersuchungen in drei bewaldeten Kleineinzugsgebieten im Flysch der Tegernseer Berge. Forstl. Forsch.ber. Münch. 169. Noguchi, S.; Tsuboyama, Y.; Sidle R.C.; Hosoda, I., 1999: Morphological characteristics of macropores and the distribution of preferential flow pathways in a forested slope segment. Soil Sci. Soc. Am. J. 63: 1413–1423. OcCC/ProClim (Hrsg.) 2007: Klimaänderung und die Schweiz 2050. Erwartete Auswirkungen auf Umwelt, Gesellschaft und Wirtschaft. Bern. Romkens, M.J.M.; Prasad, S.N., 2006: Rain Infiltration into swelling/shrinking/cracking soils. Agric. Water Manage. 86, 1–2: 196–205. Röthlisberger, G., 1991: Chronik der Unwetterschäden in der Schweiz. Ber. Eidgenöss. Forsch.anst. Wald Schnee Landsch. 330 S. Schmid, I.; Kazda, M., 2001: Vertical distribution and radial growth of coarse roots in pure and mixed stands of Fagus sylvatica and Picea abies. Can. J. For. Res. – Rev. Can. Rech. For. 31: 539–548. Schwarz, M; Lehmann, P.; Or, D., 2010: Quantifying lateral root reinforcement in steep slopes – from a bundle of roots to tree stands. Earth Surf. Process. Landf. 35: 354–367. Wohlrab, B.; Ernstberger, H.; Meuser, A.; Sokollel, V., 1992: Landschaftswasser haushalt: Wasserkreislauf und Gewässer im ländlichen Raum; Veränderungen durch Bodennutzung, Wasserbau und Kulturtechnik. Hamburg / Berlin, Paul Parey. 335 S. Zimmermann, S.; Luster, J.; Blaser, P.; Walthert, L.; Lüscher, P., 2006: Waldböden der Schweiz. Band 3. Region Mittelland und Voralpen. Birmensdorf, Eidgenössische Forschungsanstalt WSL, Bern, Hep Verlag, 768 S. Forum für Wissen 2013: 91–98 91 Die Bedeutung der Waldböden für Wassermenge und -qualität in Einzugsgebieten Karl-Heinz Feger1, Raphael Benning1 und Andreas Wahren1,2 Institut für Bodenkunde und Standortslehre, Technische Universität Dresden, Pienner Str. 19, D-01737 Tharandt, [email protected], [email protected] 2 Dr. Dittrich & Partner Hydro-Consult GmbH, Gerlinger Strasse 4, D-01728 Bannewitz, [email protected] 1 Am Beispiel längerfristiger hydrologischer und biogeochemischer Messungen und darauf gestützter Modellierung des Gebietswasserhaushalts wird für das Erzgebirge (Sachsen, Deutschland) der Einfluss der Waldböden auf wasserbezogene Ökosystemdienstleistungen verdeutlicht. Die Wasserqualität wird durch Überlagerung natürlicher Bodenprozesse (v.a. Podsolierung) und Nachwirkung der früher extrem hohen Schwefel-Belastung bestimmt. Problematisch aus Sicht der Wasserversorgung sind gelöste Huminstoffe, allerdings mit boden-/standortsabhängiger Differenzierung. Im Vergleich zur Agrarnutzung sind Stickstoff- und PhosphorAusträge sehr gering. Simulationen mit Landnutzungsszenarien unterschiedlich grosser Waldanteile lassen erkennen, dass der Abfluss zurückgeht, die Hoch wasserretention aber ansteigt. Künftige Herausforderungen für Wissenschaft und Planung liegen in einer stärkeren Verknüpfung von Wasserqualität und -menge. 1Hintergrund Wälder spielen im Wasserhaushalt von Landschaften eine bedeutende Rolle. Ein hoher Waldanteil im Einzugsgebiet gilt als Garant für eine gute Rohwasserqualität für die Trinkwasserversorgung. Waldbestockung wirkt sich günstig auf den Wasserrückhalt aus. Wasserschutz ist daher integraler Bestandteil einer am Prinzip der Nachhaltigkeit orientierten Waldbewirtschaftung. So formulierte bereits 1993 die Europäische Forstministerkonferenz in Helsinki (MCPFE 1993): «Die Methoden der Waldbewirtschaftung sollten angemessene Rücksicht auf den … Schutz der Qualität und Quantität des Wassers … und den Schutz gegen Hochwasser … nehmen.» Die Warschau-Konferenz (MCPFE 2007) widmete dem Thema «Wald und Wasser» sogar eine eigene Resolution. Darin wird gefordert, die Leistungen von Wäldern in Bezug auf Wassermenge und -qualität und den Hochwasserschutz zu bewerten und in ein System von Zahlungen von Ökosystemdienstleistungen zu integrieren, um die allgemeinen Schutzleistungen von Wäldern zu gewährleisten. Die Anforderungen an eine dem Management der Ressource Wasser angepasste Waldbewirtschaftung variieren regional und standörtlich. Im einen Fall steht das Wasserangebot, im anderen die Wasserqualität oder die Steuerung des Oberflächenabflusses im Vordergrund. Dabei geht es nicht allein um etablierte Waldflächen, sondern auch um solche, wo eine Waldbestockung geschaffen werden sollte, damit bestimmte Leistungen künftig besser erfüllt werden. Da Wasserwirtschaft jedoch auf wesentlich grösseren räumlichen Skalenebenen, meist für Fluss einzugsgebiete, abläuft als die forstliche (und selbstverständlich auch die landwirtschaftliche) Nutzung, ist häufig unklar, welche Effekte die Landnutzung beziehungsweise deren Änderung hat. Unklar ist meist auch, an welchem Ort im Einzugsgebiet wasserbezogene Ökosystemdienstleistungen entstehen und in welcher Menge, Intensität und zeitlicher Dauer sie einem Nutzer, das ist meist die Allgemeinheit, zur Verfügung gestellt werden und wie sich diese Leistungen durch verschiedenste Einflüsse verändern (Brauman et al. 2007). Die Gewinnung relevanter Informationen und der Skalentransfer sind daher wesentliche Aufgabe der (forst-) hydrologischen Forschung (vgl. Pilaš et al. 2010). Darüber hinaus gewinnen solche Informationen eine zunehmende Bedeutung für die Umsetzung von Regelungen auf EU-Ebene (Wasserrahmenrichtlinie, Hochwasserrichtlinie). Den Böden kommt bei den komplexen Wechselwirkungen des Wassers auf seinem Weg durch das Einzugsgebiet eine zentrale Bedeutung zu. Daher sind deren Funktionen als Filter, Puffer, Speicher und Transformatoren entsprechend zu erfassen und zu bewerten. Zu berücksichtigen sind dabei die Vielfalt der Böden als Ergebnis der Pedogenese aber auch die meist sehr jungen Veränderungen in Folge menschlicher Aktivitäten (vgl. Leitgeb et al. 2013). Im Beitrag wird an ausgewählten Beispielen aus dem östlichen und mittleren Erzgebirge in Sachsen gezeigt, wie Waldböden sich im Hinblick auf wasserwirtschaftlich relevante Leistungen verhalten und wie sich diese Erkenntnisse künftig auf die Skala grösserer Einzugsgebiete transferieren lassen. Das Erzgebirge besitzt die grösste Waldfläche in Sachsen und hat eine entsprechend grosse forstwirtschaftliche Bedeutung. Gleichzeitig gibt es zahlreiche Talsperren, welche der Trinkwasserversorgung (etwa der Ballungsräume Chemnitz und Dresden) aber auch dem technischen Hochwasserschutz dienen. Aus der historischen Entwicklung heraus (Versorgung der Bergbausiedlungen) ist der Landwirtschaftsanteil an der Flächennutzung auch heute noch bedeutsam. Dort wo es die Bodenverhältnisse zulassen, ist selbst in den Kammlagen noch Ackerbau anzutreffen. Eine optimierte Steuerung der Talsperren im Hinblick auf Mengen- und Qualitätsziele benötigt daher umfangreiche Informationen, nicht zuletzt als Ergebnis interdisziplinärer Forschung zum Landnutzungseinfluss (Feger und Wahren 2008). 92 Forum für Wissen 2013 2Wasserqualität 2.1 Langfristiger Einfluss von Schad stoffeinträgen über die Luft Die extrem hohen SO2-Emissionen aus der ungefilterten Verbrennung von Braunkohle führten seit Ende der 1970er Jahren im Erzgebirge nicht nur zu den bekannten Waldschäden, sondern hatten auch beträchtliche Veränderungen der boden- und gewässerchemischen Bedingungen zur Folge (vgl. Armbruster et al. 2003, 2004, 2005). Die Gewässer waren durch einen starken Versauerungseinfluss geprägt, der sich in den pufferschwachen Böden aus Gneisen und Graniten durch pHWerte < 5 sowie stark erhöhte Konzentrationen von Al-Ionen äusserte. Als Ursache ist die hohe S-Belastung anzusehen, welche sich in der Dominanz der Ionenbilanz durch Sulfat zeigte (Abb. 1a). In Mittelgebirgen mit geringerer atmogener Belastung war der Depositionseinfluss auf den Gewässerchemismus bei vergleichbaren Puffereigenschaften der Gesteine und Böden weit geringer (z. B. Südschwarzwald: Abb. 1b). Anfang/Mitte der 1990er Jahre ging nach Einführung und Umsetzung umfangreicher Luftreinhaltungsmassnahmen die S-Depositionsbelastung stark zurück. Dies bewirkte eine deutliche Erholung der Gewässerqualität (Tab. 1). Der pH-Wert stieg deutlich an. Die besonders deutliche Abnahme der Sulfat-Konzentrationen auf der Anionenseite wurde durch eine Abnahme der Al-Konzentrationen begleitet. Auch Mn und weitere Schwermetalle (nicht gezeigt) nahmen deutlich ab. Standortsökologisch bedeutsam ist Tab. 1. Übersicht über die langfristige Entwicklung ausgewählter Wasserqualitätsparameter im Rotherdbach-Einzugsgebiet für drei Zeitscheiben. Angegeben sind die Mittelwerte der jeweiligen Zeitperiode (aus Benning und Feger 2013). Zeitraum 1994–1999 2000–2005 2006–2011 pH-Wert 4,3 4,3 4,6 Leitfähigkeit (µS) 148 121 103 NO3– (µmolc L–1) 132 73 51 –1 SO4 (µmolc L ) 715 431 338 Al (µmolc L ) 279 121 96 – 29 142 609 498 407 – 3,3 4,4 2– 3+ –1 Phosphat-P (µg L–1) ∑ basische Kationen (ohne Na+) DOC (mg L–1) Abb. 1. Ionenbilanzen von zwei Experimental-Wassereinzugsgebieten mit Fichtenbe stockung aus Granitpodsolen im östlichen Erzgebirge (links) und Südschwarzwald (rechts); Mittelwerte aus den Beobachtungzeiträumen 1994–1999 beziehungsweise 1988–1998 (beachte die unterschiedliche Skalierung der x-Achsen; Organische Anionen [aus Anionendefizit] aus Armbruster et al. 2003). auch, dass die Austräge der basischen Kationen Ca2+ und Mg2+ (beides sind wichtige Pflanzennährstoffe) durch den Sulfat-Rückgang und entsprechend geringere Pufferbeanspruchung ebenfalls deutlich zurückgingen. Wasserwirtschaftlich relevant sind die heute deutlich höheren Konzentrationen an gelöster organischer Substanz (DOC). Die Wasserversorger müssen einen höheren Aufbereitungsaufwand betreiben, um diese braungefärbten Huminstoffe aus dem Rohwasser zu entfernen. Der in vielen Mittelgebirgsgewässern in Mittel- / Nordeuropa und Nordamerika seit etwa 20 Jahren festgestellte langsame Anstieg der DOC-Konzentrationen (z. B. Evans et al. 2006) ist auf eine verändere chemische Zusammensetzung des Sickerwassers infolge einer verringerten atmogenen Depositionsbelastung zurückzuführen (vgl. Sucker und Krause 2010). Interessant ist auch, dass die relativ niedrigen P-Austräge in jüngerer Zeit etwas angestiegen sind. Dies beeinflusst den Trophiezustand der Talsperren, wo die Einträge aus der Landwirtschaft und dem Siedlungsbereich seit Anfang / Mitte der 1990er Jahre stark zurückgingen (Reichelt 2012). Betrachtet man die zeitliche Variabilität von Oberflächenwässern aus Waldgebieten mit multivariaten Statistikmethoden, so kommt neben der mehr oder weniger deutlichen Überprägung durch den S-Eintrag und die Sulfat-Dominanz auch der Einfluss des Gestein- / Bodenfaktors deutlich zum Vorschein. In den basenarmen Mittelgebirgen ist als prägender (natürlicher) Bodenprozess vorrangig die Podsolierung erkennbar. Hier ist nicht nur der Podsolierungsgrad entscheidend, sondern auch der Anteil des oberflächennahen Abflusses (Interflow). Dieser führt vor allem bei Schneeschmelze und Starkregen dazu, dass die Filterund Pufferkapazität der Unterböden besonders bei vernässten und sickerschwachen Böden weniger zur Geltung kommt (vgl. Feger und Brahmer 1986; Menzer und Feger 2005). Insofern ist also der Oberbodenzustand und damit auch die Podsolierung, die waldbaulich beeinflusst werden kann, wichtig für die Wasserqualität. Die Erholung der Gewässerqualität, die bislang stark durch die atmogene Versauerung geprägt war, zeigt Forum für Wissen 2013 93 Abb. 2. Vorräte der Schwefel-Bindungsformen in den Waldböden der 8 Level-II-Standorte in Sachsen (Stot = Gesamt-S, Sorg = organisch gebundender S; weitere Fraktionen sind austauschbarer und wasserlöslicher Sulfat-S); aus: Wunderlich et al. (2006). eine deutliche Verzögerung. Betrachtet man S-Eintrag- /Austrag-Bilanzen, so wird deutlich, dass die Waldökosysteme im Erzgebirge (wie auch an anderen Waldstandorten Mitteleuropas, aber in einem viel stärkeren Masse) den Schwefel aus der S-Deposition früherer Jahre im Boden akkumuliert haben (Abb. 2). Vor diesem Hintergrund fungieren die Böden daher als S-Quelle. Für den Bodenschutz bedeutsam ist dabei, dass ein beträchtlicher Teil dieser S-Vorräte in den Böden organisch gebunden ist und damit in ähnlicher Weise wie N mikrobiellen Umsetzungen unterworfen ist. Störungen des Humuskörpers (z. B. durch starke Bestandesauflichtung etwa nach Windwürfen, Schneebruch, Insektenkalamitäten) können daher analog zu Nitrat zu Versauerungsschüben mit entsprechenden Austrägen von Kationen führen (vgl. Feger 1998). 2.2 Wirkung von Bodenschutzkalkungen Grossflächige Kalkungen haben in der forstlichen Praxis einiger deutscher Bundesländer seit den 1990er Jahren weite Verbreitung gefunden. Dabei überlagern sich häufig ganz unterschiedliche Ziele: Bodenmelioration, Säurekompensation, Düngung, Bodenbzw. Grundwasserschutz (vgl. Feger 1996). Ein häufig genanntes Ziel von Kalkungsmassnahmen besteht auch darin, das Quell- und Grundwasser vor Schwermetall-, Aluminium- und Säureeinträgen zu schützen. Diesen Motiven stehen allerdings eine Reihe möglicher Risiken gegenüber: vorrangig eine erhöhte Auswaschung von Nitrat als Folge einer angekurbelten mikrobiellen Humusumsetzung und ÜberschussNitrifikation sowie eine Mobilisierung von DOC (Feger 1996). Auch die Mobilisierung von organisch gebundenem Boden-Schwefel wird hier diskutiert (s. o.; Feger 1998). Ein Anstieg beider Parameter hätte Konsequenzen für die Trinkwassergewinnung. Die aus Untersuchungen der Zusammensetzung des Bodensickerwassers auf Standortsebene abgeleitete kritische Bewertung von Waldkalkungen im Hinblick auf die Wasserqualität (z. B. Beese und Meiwes 1995; Kreutzer 1995) relativiert sich allerdings, wenn man Kalkungsexperimente auf der Skala kleiner Einzugsgebiete betrachtet. So zeigte die einmalige Ausbringung von 4 t ha–1 dolomitischem Kalk im Südschwarzwald (Gebiet Schluchsee) und Osterzgebirge (Rotherdbach) insgesamt nur geringe Auswirkungen auf die chemische Zusammensetzung des Gebietsabflusses (Armbruster et al. 2004). Die Lösung des oberflächlich ausgebrachten Dolomitkalkes schreitet nur sehr langsam voran. Wie wiederholte Bodeninventuren in den ARINUS-Experimental-Einzugsgebie- ten im Südschwarzwald zeigten, hatte die Kalkung nur eine geringe bodenchemische Tiefenwirkung (das heisst höhere Basensättigung und höhere pHWerte) (Raspe und Feger 1998). Somit waren die Austauschgleichgewichte im Mineralboden kaum verändert, die chemische Zusammensetzung des tieferen Sickerwassers variierte kaum. Bei erhöhten Abflüssen war nach Kalkung allerdings eine leicht verbesserte Säurepufferung zu beobachten. In beiden gekalkten Einzugsgebieten zeigte sich im Bachwasser keine Reaktion bei Nitrat. Ein erhöhter Nitrat-Austrag nach Waldkalkung dürfte wohl am ehesten dort auftreten, wo sich klare Indikatoren einer N-Sättigung des Waldökosystems zeigen (Beispiel: stadtnahe Wälder im Ballungsraum Rhein-Neckar: Feger 2007). Bei DOC ist zu beachten, dass in den letzten Jahren ein genereller Trend in Richtung höherer Austräge aus Waldböden feststellbar ist, wofür Bodenschutzkalkungen als Hauptursache aber ausscheiden (vgl. Evans et al. 2006; Sucker und Krause 2010). 2.3 Einfluss der Landnutzung im Einzugsgebiet Das Trinkwasser für die Region Dresden stammt zu einem grossen Teil aus dem im Erzgebirge gelegenen Talsperrensystem Klingenberg / Lehnmühle (Abb. 3). Beim Hauptzufluss der Talsperre Lehnmühle hat das Gebiet eine Flächengrösse von etwa 51 km² (am Pegel Ammelsdorf); die Höhenlage variiert von 520 m ü. M. im nördlichen Teil bis zu 800 m ü. M. im südlichen Teil. Die Landnutzung entspricht der für Mittelgebirgsregionen charakteristischen Verteilung: ~ 52 Prozent Wald, ~ 34 Prozent Grünland und ~ 9 Prozent ackerbauliche Nutzung. Der mittlere jährliche Niederschlag beträgt ~1080 mm, die mittlere Jahrestemperatur liegt bei 4,9 °C. Im Einzugsgebiet sind hauptsächlich basenarme Braunerden und Podsole zu finden, die sich aus den silikatischen Grundgesteinen entwickelt haben. Um die Stoffausträge einzelner Landnutzungen erfassen zu können, wurden für die drei Hauptlandnutzungen Acker, Grünland und Wald jeweils Kleinsteinzugsgebiete ausgesucht, in denen je eine dieser Nutzungen dominiert (vgl. Benning 94 Forum für Wissen 2013 und Feger 2013). Deren standörtliche Ausstattung ist für das mesoskalige Einzugsgebiet repräsentativ. Die beiden näher untersuchten Waldgebiete Kohlgrundbach (20,4 ha, Muskovit- Gneis, tiefgründige Braunerden) und Rotherdbach (9,4 ha, Granitporphyr, flach- bis mittelgründige Podsole) sind mit Fichte bestockt. Die in den beiden Messjahren 2010 Tab. 2 Austräge der Stoffe Nitrat-Stickstoff (NO3-N), Gesamt-Phosphor (GP) und gelöster organischer Kohlenstoff (DOC) aus den definierten Landnutzungen Acker, Grünland und Wald im Einzugsgebiet der Talsperre Lehnmühle für die Jahre 2010 und 2011. NO3-N 2010 GP DOC Acker 49,3 0,22 Grünland 38,5 0,18 5,0 0,05 kg ha–1 a–1 Wald NO3-N 2011 GP DOC 4,2 52,1 0,28 3,9 16,77 20,5 0,11 7,6 9,56 3,6 0,02 5,3 Kohlgrundbach mg/l Rotherdbach mg/l Abb. 3. Darstellung der Lage der Einzugsgebiete: In blau ist das Einzugsgebiet des Zuflusses zur Talsperre Lehnmühle (Pegel Ammelsdorf, Wilde Weisseritz) dargestellt, innerhalb dessen die Kleinsteinzugsgebiete Grünland (hellgrün) und Wald (dunkelgrün, Kohlgrundbach) liegen. In braun ist das Kleinsteinzugsgebiet Acker dargestellt. Rot gekennzeichnet ist das Kleinsteinzugsgebiet des Rotherdbachs (Level-II Messfläche). Abb. 4. Zeitreihen der Konzentration an gelöstem organischen Kohlenstoff (DOC) in den Bachwässern des Kohlgrund- und Rotherdbachgebietes für die hydrologischen Jahre 2010 und 2011. und 2011 ermittelten Stoffausträge für Nitrat-N, Gesamt-P und DOC sind in Tabelle 2 zusammengestellt. Die Stoffausträge aus Acker und Grünland sind deutlich höher als aus dem mit Wald bestockten Einzugsgebiet (Kohlgrundbach). Der höchste Nitrat-Austrag wurde mit durchschnittlich 51 kg ha–1 a–1 bei Acker gemessen. Der Nitrat-N-Austrag bei Grünland betrug im Mittel 30 kg ha–1 a–1. Demgegenüber war der Nitrat-N Austrag aus Wald mit durchschnittlich 4 kg ha–1 a–1 sehr gering. Die hohen Austräge aus den landwirtschaftlich genutzten Flächen sind auf die regelmässige N-Zufuhr über Mineraldüngung und Gülleausbringung zurückzuführen. Die gemessenen Gesamt-PhosphorAusträge zeigen ähnliche Unterschiede zwischen den einzelnen Landnutzungen. Die höchsten durchschnittlichen P-Austräge wurden bei Acker (0,25 kg ha–1 a–1) gemessen, gefolgt vom Grünland (0,15 kg ha–1 a–1) und wesentlich geringerem Austrag unter Wald (0,04 kg ha–1 a–1). Sowohl die Austräge aus Wald als auch aus den landwirtschaftlichen Flächen sind als gering einzuschätzen. Auf den beiden landwirtschaftlichen Flächen erfolgt seit mehr als zehn Jahren allerdings keine P-Düngung mehr und die Bewirtschaftung wurde auf konservierende Bodenbearbeitung umgestellt. Der Austrag von gelöstem organischem Kohlenstoff (DOC) war bei Acker am geringsten. Die höchsten DOC-Austräge wurden überraschenderweise aus dem Grünland gemessen; die Austräge aus Wald lagen dazwischen. Die partielle Drainage und der Anteil hydromorpher Böden (Gleye) im Grünlandgebiet dürfte eine wesentliche Ursache für die hohen Austräge sein, da der DOC-Austrag sehr stark an den Durchfluss und vor allem an Abflussspitzen gekoppelt ist. Hinsichtlich der DOC-Austräge aus dem Wald wirken die Bodenverhältnisse stark differenzierend (Abb. 4). Im Rotherdbach (Granit-Podsol) ist die mittlere Konzentration um ca. Faktor 5 höher als im Kohlgrundbach (GneisBraunerde). Betrachtet man die zeitliche Dynamik, so schwanken die DOC-Konzentrationen im Kohlgrundbach weniger als im Rotherdbach, wo deutliche Peaks erkennbar sind, die mit Abflussspitzen korrelieren. Diese 95 mg/l Forum für Wissen 2013 Abb. 5. Vergleichende Darstellung der Zeitreihen der Nitrat-N-Konzentrationen in den drei Kleinsteinzugsgebieten Acker, Grünland und Wald (Kohlgrundbach) sowie im Gesamteinzugsgebiet (Zufluss Talsperre Lehnmühle, Pegel Ammelsdorf). Dargestellt für die beiden hydrologischen Jahre 2010 und 2011. Unterschiede sind durch Zusammenwirken von unterschiedlicher Bodenchemie und Art der Abflussbildung (Interflow-Anteil) bedingt. Am Zufluss zur Talsperre Lehnmühle ist die Wirkung des Waldes im mesoskaligen Gesamteinzugsgebiet gut erkennbar (Abb. 5). Die mittlere Nitrat-N-Konzentration am Pegel Ammelsdorf betrug 1,8 mg L–1. Sie ist damit höher als die im Kleineinzugsgebiet im Wald gemessene Konzentration, aber deutlich niedriger als die Konzentration im Bachwasser der landwirtschaftlichen Flächen. Der relativ hohe Waldanteil im Gesamteinzugsgebiet (Pegel Ammelsdorf) führt offenbar dazu, dass die Nitrat-Belastung aus landwirtschaftlichen Flächen nahezu kompensiert werden. 3 Veränderte Waldanteile – Auswirkungen auf die Gebietsabflüsse Inwieweit eine Erhöhung der Waldbestockung zu einer Verbesserung der Wasserqualität führt, lässt sich im Hinblick auf eine wasserwirtschaftliche Gesamtbewertung nicht vom Aspekt veränderter Wassermengen (Gebietswasserspenden) trennen. Um abzuschätzen, wie sich Art und Intensität der Landnutzung im Einzugsgebiet auf den Wasserhaushalt auswirken, hat sich die Anwendung von räumlich-verteilten Prozessmodellen gut bewährt. Für das Einzugsgebiet des Schlettenbach (6,8 km2) bei Marienberg im mittleren Erzgebir- ge modellierten wir den Gebietswasserhaushalt mit dem GIS-basierten Wasserhaushaltsmodell AKWA-M. Details zum Modell und zur Modellierung sind bei Münch et al. (2007) sowie Wahren et al. (2008a, 2012) erläutert. Ein besonderer Schwerpunkt bei der Modell-Implementierung wurde auf die Anpassung der Bodenparameter bei Landnutzungswechsel von Acker zu Wald gelegt. Der Ansatz basiert auf der Ermittlung bodenhydraulischer Kenngrössen an Bodenprofilen in einer unechten Zeitreihe, die unterschiedliche Zeiträume nach Aufforstung eines Ackerstandortes repräsentieren (Wahren et al. 2009). Modellläufe erfolgten für den Zeitraum der hydrologischen Jahre 1985 bis 2001. Neben der aktuellen Landnutzung erfolgte die Simulation von fünf verschiedenen Landnutzungsszenarien mit unterschiedlich grossen Waldanteilen (Abb. 6, Tab. 3). Dabei siegeln SZ1 bis SZ4 vier sozioökonomische begründete Szenarien wider (Wahren et al. 2008b). Ein weiteres (selbstverständlich vollkommen hypothetisches) Szenario ist die vollständige Bewaldung mit einem natürlichen Bergmischwald. Der unterschiedlich grosse Waldanteil und die unterschiedliche räumliche Verteilung bedingen deutliche Verschiebungen in den Wasserhaushaltskomponenten (Tab. 4). Besonders die bei Waldbestockung höhere Interzeptionsverdunstung bewirkt eine Reduktion des Gebietswasserabflusses zwischen 1 Prozent und 24 Prozent (vollständige Bewaldung) im Vergleich zur aktuellen Landnutzung. Diese Zah- len beziehen sich auf das langjährige Mittel. In Einzeljahren ist eine noch höhere Minderung des Gebietsabflusses möglich. Aus Sicht der Wassermengenwirtschaft (Talsperrennutzung) ist dies als relevantes Defizit zu werten. Die Minderung des jährlichen Gebietsabflusses dürfte unter den Bedingungen des Klimawandels noch höher ausfallen (Feger und Wahren 2008). Bei höheren Waldanteilen ergibt sich eine deutlich verbesserte Hochwasserretentionsleistung (Quantifizierung für einzelne Hochwasserereignisse bei Wahren et al. 2012). 4 Konsequenzen für den Bodenschutz und Perspektiven Die mit Waldvegetation bestockten Teile der Wassereinzugsgebiete üben eine insgesamt sehr positive, aber standörtlich differenzierte Wirkung auf die Wasserqualität aus. Deren Erfassung und Bewertung stellt daher eine wesentliche Grundlage der forstlichen Bewirtschaftung und ggf. auch für eine mögliche Steuerung und Honorierung wasserbezogener Ökosystemdienstleistungen auf Gesamteinzugsgebietsebene dar. Betrachtet man die Waldböden, so zeigt sich eine Überlagerung natürlicher Prozesse (v. a. Podsolierung) und der Nachwirkung der früher extrem hohen Schwefel-Belastung. Dies ist bei der Waldbewirtschaftung zu berücksichtigen. Besonderes Augenmerk verdient hier der Humuskörper. Denn Störungen (z. B. durch starke Bestandesauflichtung etwa nach Windwürfen, Schneebruch, Insektenkalamitäten, möglicherweise auch durch mechanische Schäden) können hier zu verstärkten Austrägen von Nitrat, Sulfat und entsprechenden Begleitkationen führen. Dies gilt besonders auch für gelöste Huminstoffe (messbar als DOC), die aufgrund veränderter bodenchemischer Bedingungen seit Rückgang der starken Depositionsbelastung zudem einen allgemein ansteigenden Trend zeigen. Erhöhte DOC-Befrachtung bei gleichzeitig zurückgehenden Gesamtelektrolyt-Konzentrationen erfordern bei der Aufbereitung des Rohwassers verstärkte technische Aufwendungen. 96 Forum für Wissen 2013 Der DOC-Austrag aus dem Wald zeigt aber eine boden-/standortsabhängige Differenzierung. Auf Gesamteinzugsgebietsebene können ausserdem auch DOC-Austräge aus Grünland und Moorflächen relevant sein. Im Vergleich zur Agrarnutzung sind N- und P-Austräge sehr gering. Daher empfehlen sich hohe Waldanteile im Einzugsgebiet gerade von Trinkwassertalsperren. Simulationen mit Landnutzungsszenarien unterschiedlich gros- Tab. 3. Flächenanteile (%) der für die Simulation des Schlettenbach-Gebietswasserhaushalts verwendeten Landnutzungsszenarien (IST – aktuelle Landnutzung, nach Color-IR-Aufnahme 1992/93), SZ 1 (WM) – Szenario 1 «World Markets»; SZ 2 (NE) – Szenario 2 «National Enterprise»; SZ 3 (GS) – Szenario 3 «Global Sustainability»; SZ 4 (LS) – Szenario 4 «Local Stewardship» – vgl. Karten in Abb. 6; PNV – vollständige Bewaldung entsprechend der potenziell natürlichen Vegetation); Details in Wahren et al. (2008b). SZ1 (WM) 81 0 SZ2 (NE) 44 0 11 11 19 38 34 7 6 6 SZ3 (GS) 53 43 10 SZ4 (LS) 63 54 9 PNV 99 87 12 4 12 15 2 4 41 versiegelt 11 Hecken und Obstgehölze 41 Siedlungen Konventioneller Ackerbau 2 Konservierender Ackerbau Extensives Grünland 29 Intensives Grünland Naturferner Fichtenreinbestand (Alter 70 a) Naturferner Fichtenreinbestand (Alter 30 a) 4 Feuchtwald IST Naturferner Fichtenreinbestand (Alter 10 a) Naturnaher Mischwald 35 Szenario Kahlschlagflächen Wald gesamt Wald 3 4 9 2 42 3 1 1 18 2 1 1 1 Abb. 6. Vier sozio-ökonomisch begründete Landnutzungsszenarien für das Schlettenbach-Einzugsgebiet (6,8 km2) bei Marienberg im mittleren Erzgebirge (aus Wahren et al. 2008b) Forum für Wissen 2013 97 Tab. 4. Ergebnis der Simulation des Gebietswasserhaushalts für das Schlettenbach- Einzugsgebiet (6,8 km2) bei Marienberg im mittleren Erzgebirge (aus Wahren et al. 2008b). «Differenz» bezieht sich auf die relative Veränderung des Gebietsabflusses aus dem Vergleich zwischen dem aktuellen Zustand (IST) und fünf verschiedenen Landnutzungsszenarien (vgl. Abb. 6 und Tab. 3). WHH = Wasserhaushaltsjahr. WHH 1985–2001 IST SZ 1 SZ2 SZ3 SZ4 PNV Niederschlag 972 972 972 972 972 972 reale Verdunstung 472 480 505 509 534 593 Transpiration 193 178 212 212 222 244 Interzeption 190 238 227 221 252 296 Abfluss 507 501 476 473 448 386 Differenz – –1% –6% –7% –12% –24% ser Waldanteile machen deutlich, dass dann aber die Gebietsabflüsse zurückgehen. Hingegen steigen die Hochwasserretention und die damit verbundene Stoffretention im Einzugsgebiet an. Die Minderung der Abflüsse dürfte unter den Bedingungen des Klimawandels noch höher ausfallen. Diese komplexen Effekte sind bei längerfristigen Planungen zu berücksichtigen. Vor diesem Hintergrund sollte eine Waldmehrung nicht unspezifisch auf der gesamten Fläche erfolgen, sondern dort wo die Retention gesteigert und der Stoffaustrag minimiert werden kann. Bei der Baumartenwahl sind Laubbäume (vorrangig Buche) der heute noch dominierenden Fichte vorzuziehen. Denn bei Fichte wirkt sich die höhere Interzeptionsverdunstung erniedrigend auf den Gesamtabfluss und damit die nutzbare Wassermenge aus. Gleichzeitig fördern hohe Fichtenanteile die Podsolierung und damit unter Umständen den Huminstoffaustrag. Die Tanne als Baumart der natürlichen Waldgesellschaft, die nutzungsbedingt und aufgrund der hohen Luftverschmutzung im Erzgebirge stark zurückgegangen ist, in jüngerer Zeit waldbaulich aber wieder stark gefördert wird, ist hier positiv zu bewerten. Zum einen ist die Tannenstreu besser zersetzbar, zum anderen fördert die starke Tiefendurchwurzelung der Tanne die Tiefensickerung, sodass dadurch der oberflächennahe Wasser- und Stofftransport reduziert wird. Allerdings fehlen hierfür experimentelle Daten. Eine differenzierte Bewertung der Veränderungen in den Wasserflüssen im Hinblick auf die Wasserqualität fehlt bislang. Ein einfacher Ansatz wäre hierfür eine «Verschneidung» von gemessenen Konzentrationen aus dem Monitoring und den Wasserflüssen aus der Modellierung der Wasserflüsse. Gerade aber die Effekte bei Landnutzungswandel (z. B. durch Aufforstung) sind aufgrund zahlreicher Wechselwirkungen nur schwer abschätzbar. Künftige Herausforderungen für die interdisziplinäre Waldforschung und die Einzugsgebietshydrologie liegen in einer stärkeren Verknüpfung von Wasserqualität und -menge sowohl hinsichtlich Monitoring als auch Modellierung. Danksagung Das Analysenprogramm im Einzugsgebiet der Talsperre Lehnmühle war Teil des BMBF-geförderten Verbundvorhabens REGKLAM (Entwicklung und Erprobung eines integrierten Regionalen Klimaanpassungsprogramms für die Modellregion Dresden). Ebenso danken wir dem Staatsbetrieb Sachsenforst (Dr. H. Andreae) für die freundliche Bereitstellung der Rohdaten der Level-II Messfläche Altenberg (Rotherdbach) und S. Wunderlich für die aus verschiedenen Forschungsprojekten zusammengestellten Daten für dieses Gebiet. Die Arbeiten im Schlettenbach-Einzugsgebiet erfolgten im Rahmen des im 6. EU-Forschungsrahmenprogramm geförderten Verbundvorhabens FLOODsite. 5Literatur Armbruster, M.; Abiy, M.; Feger, K.H., 2003: The biogeochemistry of two forested catchments in the Black Forest and the eastern Ore Mountains (Germany) Effects of changing atmospheric inputs on soil solution and streamwater chemistry. Biogeochemistry 65: 341–368. Armbruster, M.; Abiy, M.; Feger, K.H., 2004: Wasserqualität in zwei bewaldeten Einzugsgebieten mit unterschiedlicher Depositionsbelastung – Langfristige Veränderungen und Reaktion auf Kalkung. Forstl. Schriftenreihe Univ. Bodenkultur Wien 18, 118-142. Armbruster, M.; Abiy, M.; Feger, K.H., 2005: Vergleichende Stoffbilanzierung von zwei bewaldeten Einzugsgebieten im Osterz gebirge und Südschwarzwald – Langfristige Tendenzen und Reaktion auf Kalkung. In: Nebe, W.; Feger, K.H. (Hrsg.) Atmosphärische Deposition, ökosystemare Stoffbilanzen und Ernährung der Fichte bei differenzierter Immissionsbelastung. Langjährige Zeitreihen für das Osterzgebirge und den Südschwarzwald. Ulmer-Verlag. Forstwiss. Beiträge Tharandt 22: 33–58. Beese, F.; Meiwes, K.J., 1995: 10 Jahre Waldkalkung: Stand und Perspektiven. AFZ/ Wald 50: 946–949. Benning, R.; Feger, K.H., 2013: Der Beitrag von Waldflächen zur Sicherung der Rohwasserqualität in einem mesoskaligen Talsperren-Einzugsgebiet. Freiburger Forstl. Forschungen 96: 1–10. Brauman, K.A.; Daily, G.C.; Duarte, TK; Mooney, H.R., 2007: The nature and value of ecosystem services: A focus on hydrology. Annual Review of Environment and Resources 32: 67–98. Evans, C.D.; Chapman, P.J.; Clark, J.M.; Monteith, D.T.; Cresser, M.S., 2006: Alternative explanations for rising dissolved organic carbon export from organic soils. Glob. Chang. Biol. 12; 2044–2053. Feger, K.H., 1996: Schutz vor Säuren. In: Blume, H.P.; Fischer, W.; Frede, H.G.; Horn, R.; Felix-Henningsen, P.; Stahr, K. (Hrsg.) Handbuch der Bodenkunde, Landsberg/Lech, Ecomed-Verlag, Kap. 7.6.2, 24 S. Feger, K.H., 1998: Bedeutung natürlicher und anthropogener Komponenten im Stoffkreislauf terrestrischer Ökosysteme für die Zusammensetzung von Grundund Oberflächenwasser (am Beispiel des Schwefelkreislaufes). Rat von Sachverständigen für Umweltfragen, Materialien 98 zur Umweltforschung 30. Stuttgart, Verlag Metzler & Poeschel, 118 S. Feger, K.H., 2007: Bodenveränderungen auf Waldstandorten in der Nördlichen Oberrheinischen Tiefebene. Mitt. Österr. Bodenkdl. Ges. 74: 16–27. Feger, K.H.; Brahmer, G., 1986: Factors affecting snowmelt streamwater chemistry in the Black Forest (West Germany) Water Air Soil Pollut. 31: 257–265. Feger, K.H., Wahren, A., 2008: Auswirkungen verschiedener Bewaldungsszenarien auf den (künftigen) Gebietswasserhaushalt im Erzgebirge. 4. Kolloquium des Nationalen Komitees für Global Change Forschung «Umgang mit dem Klimawandel – Landnutzung im Spannungsfeld von Ressourcenschutz, Nahrungs- und Energienachfrage», Bad Honnef, 3./.4. April 2008. Feger, K.H.; Hawtree, D., 2013: Soil Carbon and Water Security. In: Lal, R.; Lorenz, K.; Hüttl, R,F.; Schneider, B.U.; von Braun, J. (eds) Ecosystem Services and Carbon Sequestration in the Biosphere. Springer. 79–99. Kreutzer, K., 1995: Effects of forest liming on soil processes. Plant Soil 168, 69: 447– 470. Leitgeb, E.; Reiter, R.; Englisch, M.; Lüscher, P.; Schad, P.; Feger, K.H., 2013: Waldböden. Ein Bildatlas der wichtigsten Bodentypen aus Österreich, Deutschland und der Schweiz. ISBN 978-3-527-32713-3. Weinheim, Wiley-VCH. 330 S. MCPFE – Ministerial Conference on the Protection of Forests in Europe, 1993: 2. Konferenz in Helsinki, Resolution H1: Nachhaltiges Forstmanagement in Europa. Forum für Wissen 2013 MCPFE – Ministerial Conference on the Protection of Forests in Europe, 2007: 5. Konferenz in Warschau, Resolution W2: Wälder und Wasser. Menzer, A.; Feger, K.H., 2005: Räumliche Variabilität der chemischen Zusammensetzung von Quellbächen im Erzgebirge in Abhängigkeit von Geologie, Boden und Bestockung. Mitt. Dtsch. Bodenkdl. Ges. 107: 503–504. Münch, A.; Dittrich, I.; Wahren, A., 2007: The Effects of Changes in Tree Species Composition and of Afforestation on Water Budget and Flood Dynamics Calculated wit AKWA-M®, Ore Mountains. In: Feger, K.H.; Wang, Y.; Bernhofer, C.; Seegert, J. (Eds.) Progress in Hydro Science and Engineering. Dresden, Dresden Water Center 3: 331–337. ISBN: 978-386780-074-7. Pilaš, I.; Feger, K.H.; Vilhar, U.; Wahren, A., 2010: Multidimensionality of Scales and Approaches for Forest–Water Interactions. In: Bredemeier, M.; Cohen, S.; Godbold, D.L.; Lode, E.; Pichler, V.; Schleppi, P. (Eds.) Forest Management and the Water Cycle. An EcosystemBased Approach. Springer, Ecol. Stud. 212: 351–380. Raspe, S.; Feger, K.H., 1998: Bodenfestphase und behandlungsbedingte Veränderungen. In: Raspe S.; Feger, K.H.; Zöttl, H.W. (Hrsg.) Ökosystemforschung im Schwarzwald – Auswirkungen von atmogenen Einträgen und Restabilisierungsmassnahmen in Fichtenwäldern (Verbundprojekt ARINUS). Umweltforschung in Baden-Württemberg. Landsberg/Lech, ecomed-Verlag. 203–222. Abstract The importance of forest soils for water yield and quality In the Ore Mts. (Erzgebirge, Saxony, Germany), long-term hydrological and biogeochemical monitoring has been performed and related models of watershed budgets developed. These illustrate how forest soils affect water-related ecosystem services. Water quality is still influenced by the distinct after-effects of sulphur deposition, which was very high in the region until the mid 1990s, and by natural soil processes i.e. podsolization. Humic compounds (analyzed as DOC) appear to be a problem for drinking water, but they vary with soil/site conditions. Much less nitrogen and phosphorus are exported from forests than from agricultural land. Hydrological simulations using distributed watershed models indicate the water yield is less for land-use scenarios with more forest in the watershed. On the other hand, higher percentages of forest cover are beneficial in terms of flood retention and overall water quality. Challenges for future research will be to combine good water quality and water yield/fluxes. Keywords: forest soil, water quality, water yield, hydrologic ecosystem service, land use, acid deposition, Erzgebirge/Ore Mts. Reichelt, C.P., 2012: Umsetzung von Massnahmen zur Stoffeintragsminderung in Einzugsgebieten von Trinkwassertalsperren. 9. Gewässerforum Mulden, Chemnitz, 10. Okt. 2012, http://www.umwelt. sachsen.de/umwelt/wasser/download/10_ Forum_M_TOP10_REICHELT.pdf Sucker, C.; Krause, K., 2010: Increasing dissolved organic carbon concentrations in freshwaters: what is the actual driver? iForest – Biogeosciences and Forestry 3: 106–108. doi: 10.3832/ifor0546-003 Wahren, A.; Schwärzel, K.; Feger, K.H., 2008a: Uncertainties in the parameterisation of rainfall-runoff-models to quantify land-use effects in flood risk assessment. In: Samuels, P.; Huntington, S., Allsop, W.; Harrop, J. (eds) Flood Risk Management: Research and Practice. CRC Press. London, Taylor & Francis Group. Balkema Proceedings and Monographs in Engineering, Water and Earth Science. 1479–1483. ISBN: 978-0-415-48507-4. Wahren, A.; Feger K.H.; Schwärzel, K.; Römer, G.; Münch, A.; Dittrich I., 2008b: Landnutzungsabhängiger Gebietsrückhalt bei Hochwasser auf der Grundlage sozioökonomisch begründeter Zukunftsszenarien. In: Haberlandt, U.; Riemeier, B.; Billib, M.; Verworn, H.R.; Kleeberg, H.B. (Hrsg.) Hochwasser, Wassermangel, Gewässerverschmutzung – Problemlösung mit modernen hydrologischen Methoden, Beiträge zum Tag der Hydrologie 2008, 27./28. März 2008 an der Leibnitz Universität Hannover. Hennef, Fachgemeinschaft für Hydrologische Wissenschaften in der DWA. Forum für Hydrologie und Wasserbewirtschaftung 23, 8: 73-81. ISBN: 978-3-940173-96-6. Wahren, A.; Schwärzel, K.; Feger, K.H.; Münch, A., 2009: Land-use effects on flood generation – Considering soil hydraulic measurements in modeling. Adv. Geosci. 21: 99–107. Wahren, A.; Schwärzel, K.; Feger, K.H., 2012: Potentials and limitations of natural flood retention by forested land in headwater catchments: evidence from experimental and model studies. J. Flood Risk Manage. 5: 321–335. Wunderlich, S.; Raben, G.; Andreae, H.; Feger, K.H., 2006: Schwefel-Vorräte und Sulfat-Remobilisierungspotenzial in Böden der Level-II-Standorte Sachsens. AFZ/Der Wald 60: 762–765. Forum für Wissen 2013: 99–102 99 Umsetzung des Bodenschutzes im Aargauer Wald Andreas Freuler Departement Bau, Verkehr und Umwelt, Abteilung Wald, Entfelderstrasse 22, CH-5001 Aarau, [email protected] Physikalischer Bodenschutz im Aargauer Wald beruht auf drei Stossrichtungen: der Ausbildung und Sensibilisierung aller Akteure, dem Bereitstellen von Grundlagen sowie einem Angebot für Beratung und Unterstützung. Für die Umsetzung wurden ein Idealzustand aus Sicht des Bodenschutzes skizziert und anhand einer Soll-Ist-Analyse die dringendsten Handlungsfelder definiert. Momentan wichtigstes Ziel des Bodenschutzes im Aargauer Wald ist die Dokumentation und Optimierung der Feinerschliessung. Beratung / Unterstützung Umsetzung Bodenschutz im Wald Grundlagen bereitstellen Physikalischer Bodenschutz im Wald ist ein komplexes Thema. Der Waldbesitzer möchte die Fruchtbarkeit des Waldbodens langfristig erhalten und muss dies mit kurzfristigen Anforderungen an die Wirtschaftlichkeit des Betriebes und mit den sich stetig wandelnden Ansprüchen der Waldbesucher in Einklang bringen. Mit dem Projekt Bodenschutz im Wald (2008–2011) wurde dieses Thema im Kanton Aargau angegangen. Unter der Leitung von Peter Ammann (Abteilung Wald) und in enger Zusammenarbeit mit der Forschungseinheit Waldböden und Biogeochemie sowie der Forschungsgruppe Forstliche Produktionssysteme der Eidg. Forschungsanstalt WSL wurden die Grundlagen für eine erfolgreiche Umsetzung des Bodenschutzes im Aargauer Wald geschaffen. Produkte dieser Zusammenarbeit sind u.a. eine Verdichtungsrisikokarte als Grundlage der Feinerschliessungsplanung und der Holzernteplanung für den ganzen Waldboden im Aargau (Freuler 2011) sowie Empfehlungen für den Bodenschutz im Wald, welche die Abteilung Wald gemeinsam mit dem Aargauischen Försterverband, dem Aargauischen Waldwirtschaftsverband und den Forstunternehmern Schweiz, Region Aargau herausgegeben hat (Anonymus 2011). Ebenfalls im Rahmen dieses Projektes wurden eine Pilotstudie zur Aufnahme, Opti- mierung und Dokumentation der Feinerschliessung unter Einsatz von GPS und GIS durchgeführt sowie Überlegungen zum Kosten-Nutzen-Verhältnis des Bodenschutzes angestellt und das gesamte Aargauer Forstpersonal an eintägigen Kursen für dieses Thema sensibilisiert und ausgebildet. Zudem wurde eine Stelle für Beratung und Unterstützung der Waldbewirtschafter geschaffen. Die Umsetzung des Bodenschutzes im Wald stützt sich auf die drei Schwerpunkte Ausbildung / Sensibilisierung, Bereitstellen von Grundlagen sowie ein Beratungsangebot. Sie baut auf den Ergebnissen des Projektes auf (Abb. 1). Ausbildung / Sensibilisierung 1Ausgangslage Projekt Bodenschutz im Wald Abb. 1. Umsetzung des Bodenschutzes im Wald im Kanton Aargau. 2Soll-Zustand Die eigentliche Umsetzungsarbeit startete mit der Definition des Soll-Zustandes. Ausgehend von den Empfehlungen für den Bodenschutz im Wald wurde der aus Sicht des Bodenschutzes op timal vorbereitete Forstbetrieb skizziert: – Alle Akteure (Waldbesitzer, Betriebsleiter, Förster, Maschinisten, Forstwarte, Unternehmer, Behörden und Holzabnehmer) sind sich der Bedeutung des Bodenschutzes bewusst und wissen, mit welchen Massnahmen sie zu einem guten Ergebnis beitragen können. – Im bewirtschafteten Wald ist die Feinerschliessung für jede Feinerschliessungseinheit unter Berücksichtigung des Verdichtungsrisikos und der kleinräumigen Situation optimiert und vollständig vorhanden. Die Fahrlinien sind zusammen mit dem Verdichtungsrisiko in der Bestandeskarte eingetragen und im Wald so versichert, dass sie innert nützlicher Frist aufgefunden werden können. – Der Betriebsleiter organisiert die Arbeiten gemäss der Witterung und dem Verdichtungsrisiko in den einzelnen Holzschlägen. Bei Holzschlägen auf sehr befahrungsempfindlichen Böden wird auf günstige Verhältnisse gewartet (allenfalls auch über Jahre). Er kennt die Eigenschaften und Einsatzbereiche der eigenen Maschinen und derjenigen des Unternehmers und stimmt das Verfahren und die Maschinen auf den Bestand und den Boden ab. Beim Maschinenkauf ist die Bodenpfleglichkeit ein wichtiges Auswahlkriterium. – Bodenschutz als Kriterium der Arbeitsqualität ist Teil der Anweisungen an das eigene Personal und / oder der Ausschreibung und des Vertrages zwischen Forstbetrieb und Unternehmer und wird entsprechend kontrolliert. 100 – Die Kompetenzen und Verantwortlichkeiten zur Einhaltung des Bodenschutzes bei der Planung und Durchführung der Holzerntearbeiten sind klar geregelt. Diese Punkte wurden mit dem IstZustand verglichen. Aus dieser SollIst-Analyse ergab sich der Handlungsbedarf für den physikalischen Bodenschutz im Aargauer Wald. 3Handlungsfelder Mit den erwähnten Ausbildungskursen wurde bereits eine hohe Sensibilisierung erreicht. Das Thema Bodenschutz wird seither vermehrt diskutiert und gehört zur Holzernte dazu. Die Diskussion hat sich dabei vom «Ob» zum «Wie» gewandelt und da an den Kursen auch die Aargauer Forstunternehmer freiwillig teilgenommen haben, findet die Lösungsfindung gemeinsam statt. Mit der Definition der Spurtypen (Lüscher et al. 2010) verfügen die beteiligten Akteure zudem über einen einfach zu handhabenden Indikator für die Arbeitsqualität. Im Rahmen von Beratungen bei der Feinerschliessung und Betriebsbesuchen der Behörden (Waldarbeitstage der Kreisförster, Evaluationen der Jungwaldpflege, usw.) werden Bodenschutzthemen anhand konkreter Holzschläge und unter den örtlichen Rahmenbedingungen besprochen, so dass das Thema auch nach den Ausbildungskursen aktuell bleibt. Der Ist-Zustand nähert sich somit dem Soll-Zustand an. Bei der Feinerschliessung wurde allerdings noch erheblicher Handlungsbedarf festgestellt. Da die Anlage und Nutzung der Feinerschliessung den grössten Einfluss auf den Boden haben, lohnt sich ein Engagement in diesem Bereich – nebst der Sensibilisierung – zudem am meisten. Die Anlage der Feinerschliessung soll nach einem ersten Befahren nicht mehr geändert werden. Eine sorgfältige Planung und Optimierung ist daher besonders wichtig und rechtfertigt auch einen gewissen Aufwand. Damit wertvolles Wissen über die Anlage der Feinerschliessung nach Stellenwechseln oder Pensionierungen nicht verloren geht und um das Auffinden bei Zwangsnutzungen oder Forum für Wissen 2013 nach Räumungen zu erleichtern, empfiehlt die Abteilung Wald des Kantons Aargau die Feinerschliessungslinien zu digitalisieren und bietet dazu Unterstützung an. 4Umsetzungsbeispiel Feinerschliessung In einem grossen Teil des Aargauer Waldes ist die Feinerschliessung bereits vorhanden. In vielen Fällen wurde diese Feinerschliessung aber für einen bestimmten Holzschlag angelegt und es fehlt ein bestandesübergreifendes Feinerschliessungssystem. Bisherige Feinerschliessungsaufnahmen zeigen zudem, dass in unerschlossenen, erstmalig maschinell zu bearbeitenden Beständen die Feinerschliessung teilweise ohne Anzeichnung zu Beginn oder während der Holzernte direkt mit dem Vollernter definiert wird. Dies geschieht unter Zeitdruck und ohne Verwendung von Messinstrumenten. Die Folge können unnötige Kurven, nicht parallele Rückegassen und ungeeignete Rückegassenabstände sowie eine schlechte Anbindung an die übrige Feinerschliessung sein. Der Waldbewirtschafter vergibt damit die einmalige Gelegenheit, die Feinerschliessung sorgfältig und präzise sowie vorausschauend und bestandesübergreifend zu planen. Er vergibt somit auch die Chance, seinen Wald mit einem optimalen System nach dem Grundsatz so viel Waldfläche wie möglich mit so wenig Befahrung wie nötig zu erschliessen. Die Abteilung Wald des Kantons Aargau verfügt für Waldausscheidungen und Versicherungen von Vertragsflächen über ein hochpräzises GPSGerät der Firma Leica Geosystems AG. Die Verwendung des Referenzsignals von Swisstopo und der Software Leica MobileMatriX ermöglichen die Korrektur des GPS-Signals in Echtzeit. Der Einsatz eines leistungsfähigen Feldcomputers erlaubt den Betrieb eines vollwertigen Geographischen Informationssystems (ESRI ArcGIS 9.3.1 mit ArcView-Lizenz) und das Arbeiten mit grossen Rasterdaten (Orthofotos, Pixelkarten). In einer Pilotstudie wurde im Staatswald Habsburg untersucht, ob dieses GPS-Gerät auch für die Feinerschliessungsdigitalisierung und -pla- nung verwendet werden kann. Dafür wurde auf der ganzen Fläche (157 ha) die vorhandenen Fahrspuren aufgenommen, das Feinerschliessungssystem analysiert, unter Berücksichtigung des Verdichtungsrisikos optimiert und draussen im Wald markiert. Die geforderte Genauigkeit (Abweichung von unter einem Meter) wird mit der Verwendung der GIS-Daten in einem Sturmschadensfall oder bei der erstmaligen maschinellen Nutzung nach Räumungen begründet. In solchen Fällen wird davon ausgegangen, dass die bestehende Feinerschliessung zu grossen Teilen nicht mehr sichtbar ist und sie daher mit Hilfe genauer GPS-Daten wiedergefunden werden muss. Es zeigte sich, dass diese hohe Genauigkeit praktisch immer erreicht werden kann. Der Aufwand für Aufnahme und Planung kann dabei von in der Regel einer halben Stunde bis zu fünf Stunden in Ausnahmefällen pro Hektare variieren (Ammann und Freuler 2012, unveröffentlicht). Der Zeitbedarf hängt stark von der vorhandenen Feinerschliessung ab: bei systematischer Anlage, wenig Bewuchs und nur wenig Fläche mit noch fehlender und daher zu planender Feinerschliessung reduziert sich der Aufwand beträchtlich. Unkenntnis des Gebietes, unsystematische Befahrung (Lotharflächen), starker Brombeerwuchs und viele Hindernisse (z. B. Windwurfstöcke) erhöhen den Aufwand. Aufgrund der geringeren Bedeckung im laublosen Abb. 2. Aufnahme einer Rückegasse mittels GPS. Forum für Wissen 2013 Zustand eignet sich das Winterhalbjahr besonders gut für die Arbeit mit dem GPS. Der negative Einfluss des Laubes ist allerdings geringer als erwartet, so dass auch in der Vegetationszeit gearbeitet werden kann. Durch die Verwendung des GIS und des in Echtzeit korrigierten GPS-Signals bietet das Gerät insbesondere bei der Neuerschliessung grosse Vorteile gegenüber herkömmlichen Arbeitsmethoden mit Kompass und Jalon. So kann die Planung direkt im Wald dem Gelän- 101 de und allfälligen Hindernissen angepasst werden und am Schluss der Arbeit ist die Feinerschliessung bereits digital dokumentiert. Interessierte Förster werden in der Handhabung des Gerätes instruiert und dokumentieren und planen danach ihre Feinerschliessung selbständig (Abb. 2). Auf diese Weise sind im Aargau zur Zeit gut 3400 ha fertig geplant, dokumentiert und im Gelände entsprechend der Praxis des jeweiligen Waldbewirtschafters markiert. Dies sind sie- ben Prozent der gesamten Waldfläche im Aargau (49 100 ha). Der Kanton Aargau verfügt über elf flächendeckende Orthofotos seit 1994, zwei davon (2011 und 2013) in laublosem Zustand. Hinzu kommen diverse regionale Orthofotos. Auf diesen Aufnahmen sind immer wieder Fahrspuren sichtbar, welche direkt digitalisiert werden können (Abb. 3). Zusätzlich existiert ein digitales Höhenmodell mit einer Auflösung von einem Meter. Darauf sind ebenfalls ein- Abb. 3. Orthofoto 2011 mit sichtbaren Fahrspuren (links) und deren Darstellung auf dem Übersichtsplan (rechts) zur Integration in die Feinerschliessungsaufnahme durch den Waldbewirtschafter. Kartendaten: AGIS. Abb. 4. Digitales Höhenmodell 1m mit sichtbaren Maschinenwegen (links) und deren Darstellung auf dem Übersichtsplan (rechts) zur Integration in die Feinerschliessungsaufnahme durch den Waldbewirtschafter. Kartendaten: AGIS 102 zelne Rückegassen sichtbar. Insbesondere Maschinenwege in Hanglagen sind sehr deutlich zu erkennen und können direkt digitalisiert werden (Abb. 4). Diese «Fernerkundung» wird als Vorarbeit geleistet und die gefundenen Spuren werden auf den Feldcomputer des GPS-Geräts geladen. Der Waldbewirtschafter überprüft dann im Zuge der restlichen Aufnahmen, ob diese Spuren Teil des Feinerschliessungssystems sind. Vor allem bei den Maschinenwegen im ansonsten wenig erschlossenen Gelände kann er dies mit seiner Lokalkenntnis oftmals auch vom Büro aus erledigen. Mit Hilfe dieser Vorarbeit kann der Aufnahmeaufwand nochmals reduziert werden und liegt bei Aufnahmen durch den Waldbewirtschafter mittlerweile bei einer halben Stunde pro ha. Zusätzlich zur Digitalisierung per GPS werden bereits vorhandene, qualitativ hochwertige Feinerschliessungspläne auf Papier eingescannt, georeferenziert und die Rückegassen unter Berücksichtigung der Orthofotos und des digitalen Höhenmodells vektorisiert. Auf diese Weise konnte bisher auf weiteren gut 1500 ha Wald die Feinerschliessung digitalisiert werden. Ins Forum für Wissen 2013 gesamt ist die Feinerschliessung im Aargau somit auf knapp 5000 Hektaren oder zehn Prozent der Waldfläche digitalisiert. Die Aargauer Förster unterhalten ihre Bestandeskarten digital auf einer vom Kanton zur Verfügung gestellten Online-GIS-Applikation (BKOnline). An der Abteilung Wald des Kantons Aargau werden die digitalisierten Feinerschliessungsdaten bereinigt und ebenfalls auf diese Plattform geladen. Damit verfügt der Förster für die Planung und Steuerung der Holzernte aber auch für andere Arbeiten im Wald über eine gute Grundlage, die er beispielsweise zur Anfertigung von Plänen bei Arbeitsaufträgen nutzen kann. Nach den momentan laufenden Erweiterungsarbeiten an der BKOnline wird das Erstellen von Holzschlagsskizzen automatisiert, so dass – falls die Fein erschliessung digital dokumentiert ist – mit wenigen Klicks eine Holzschlagsskizze inklusive Notfallorganisation gemäss Anforderungen der SUVA ausgedruckt werden kann. Der Waldbewirtschafter hat so nebst dem langfristigen Nutzen des Bodenschutzes auch kurzfristig einen direkten Nutzen der digitalen Feinerschlies- Abstract Implementation of soil protection in the forest in Canton Aargau Soil protection in the forest in Canton Aargau focuses on training and sensitising the forestry personnel, developing and providing background information and making available expert advice and support. For implementation purposes, an ideal forest management regarding soil protection was designed, and corresponding fields of action defined. At the moment, the main goal for soil protection in the forest in Canton Aargau is the documentation and optimisation of the skid-road system. Forest managers use a GPS-GIS-System that is accurate down to less than one metre to digitalise and optimise the skid-road system with the support of Canton Aargau’s Forest Division. Up to now the skid roads have been digitalised in an area of 3400 ha with GPS. Together with an additional 1500 ha of digitalised maps of existing skid roads recorded in paper maps, this information is made available for forest managers in Canton Aargau. The information is thus digitally stored for long term soil protection reasons but also readily accessible for everyday use. Keywords: soil protection in forests, implementation, digitalising skid roads, GPS sung im Alltag. Dies ist eine zusätzliche Motivation, den Aufwand der Digitalisierung zu betreiben. 5Literatur Anonymus, 2011: Empfehlungen für den Bodenschutz im Wald, Stand 29. 6. 2011. Departement Bau, Verkehr und Umwelt, Abteilung Wald, Aarau; Aargauischer Försterverband; Forstunternehmer Schweiz – Region Aargau; Aargauischer Waldwirtschaftsverband. 11 S. Ammann, P.; Freuler, A., 2012 unveröffentlicht: Projekt Bodenschutz im Wald, Schlussbericht. Aarau, Departement Bau, Verkehr und Umwelt, Abteilung Wald, 38 S. Freuler, A., 2011: Verdichtungsrisikokarte der Aargauer Wälder. Erläuterungen bei Abgabe der Verdichtungsrisikokarte. Aarau, Departement Bau, Verkehr und Umwelt, Abteilung Wald, 1 S. Lüscher, P.; Frutig, F.; Sciacca, S.; Spjevak, S.; Thees, O., 2010: Physikalischer Bodenschutz im Wald. Birmensdorf, Eidg. Forschungsanstalt WSL. 2. Auflage. Merkbl. Prax. 45: 12 S. Forum für Wissen 2013: 103–106 103 Bodeninformationen für die Waldwirtschaft im Kanton Solothurn Gaby von Rohr, Stephan Margreth und Christine Hauert Amt für Umwelt, Fachstelle Bodenschutz, Werkhofstrasse 5, CH-4509 Solothurn, [email protected] Chemische und physikalische Belastungen von Böden sind kaum oder nur aufwändig und über lange Zeiträume regenerierbar. Der vorsorgliche Bodenschutz ist daher von zentraler Bedeutung. Durch immer grössere Maschinengewichte hat sich das Verdichtungsrisiko für Waldböden stark erhöht. Als Grundlage für eine bodenschonende Waldwirtschaft hat die Fachstelle Bodenschutz unter anderem Karten zum Verdichtungsrisiko von Waldböden erstellt und im Internet veröffentlicht. Karten zu weiteren Bodeninformationen, zum Beispiel Wasserhaushalt/ Durchwurzelung oder Säuregrad sollen für waldbauliche Entscheidungen dienen. Basis für diese Anwendungskarten bilden die Polygondaten der Bodenkartierung Kanton Solothurn. Das Bodenmessnetz Nordwestschweiz, betrieben durch die Kantone Solothurn, Aargau und Basel-Landschaft, informiert über die aktuelle Bodenfeuchte. Als Referenzgrösse für den bodenschonenden Maschineneinsatz wird die Saugspannung gemessen; die laufend aktualisierten Messwerte zur Bodenfeuchte sind on-line abrufbar. 1Einleitung Für den Vollzug der eidgenössischen Verordnung über Belastungen des Bodens (VBBo; 814.12) ist im Kanton Solothurn die Fachstelle Bodenschutz im Amt für Umwelt zuständig. Der Vollzugsauftrag erstreckt sich auf alle Böden im Sinne der VBBo, also auch auf die Waldböden. Ein grundlegendes Prinzip im Boden schutz ist die Vorsorge. Sie hat zum Ziel, chemische und physikalische Beeinträchtigungen der Böden zu verhindern, da Bodenschäden kaum oder nur sehr aufwändig und über lange Zeiträume regeneriert werden können. Ein Arbeitsschwerpunkt der Fachstelle Bodenschutz ist daher, Grundlagen für den vorsorglichen Bodenschutz zu erarbeiten und den Bodennutzern zur Verfügung zu stellen. Der zielgerichtete Schutz von Böden vor chemischen und physikalischen Belastungen, eine dem Boden angepasste Nutzung oder auch Optimierungen im Gewässer- und Hochwasserschutz setzen detaillierte Kenntnisse der Bodeneigenschaften und des aktuellen Bodenfeuchtezustandes voraus. Aus diesem Grund führt der Kanton Solothurn seit längerem eine sys- tematische, grossmassstäbliche Kartierung der forst- und landwirtschaftlich genutzten Böden durch. Die dabei gewonnenen flächendeckenden Boden informationen ermöglichen die Herleitung von anwendungsorientierten Bodenkarten, unter anderem als Hilfsmittel für eine bodenschonende und bodenangepasste Waldnutzung. Um den Bodennutzern Informationen über den aktuellen Bodenfeuchtezustand anbieten zu können, betreibt der Kanton Solothurn, gemeinsam mit den Kantonen Aargau und BaselLandschaft, das Bodenmessnetz Nordwestschweiz. 2Bodenkarten 2.1 Bodenkartierung Kanton Solothurn Im Jahr 1996 wurde das Projekt «Boden- kartierung Kanton Solothurn» (AfU SO 1995) gestartet, mit dem langfristig alle Landwirtschafts- und Waldböden des Kantons erfasst sein sollen. Aktuell sind mit 5800 ha gut 20 Prozent der Waldböden und mit 11 570 ha knapp 30 Prozent der Landwirtschaftsböden kartiert. Die Kartierung erfolgt gemäss der Klassifikation der Böden der Schweiz (BGS 2008), anhand der Kartieranleitungen der FAL (1997) respektive des BUWAL (1996). An repräsentativen Standorten werden Bodenprofile ausgehoben und detailliert beschrieben. Diese sogenannten Leitprofile bilden die Basis für die flächendeckende Kartierung der Bodeneinheiten im Massstab 1: 2500, bei der mittels Handbohrstock engmaschige Aufnahmen im Gelände zur Abgrenzung von Polygonen mit gleichen Bodeneigenschaften durchgeführt werden. Für jedes Polygon wird ein individueller Datensatz mit den geforderten Bodeninformationen für Ober- und Unterboden (29 Attribute) erfasst. Die Abgrenzung der Polygone erfolgt im Hinblick auf den Darstellungsmassstab 1 : 5000. Die Daten der Bodenprofile und Bodeneinheiten werden digital verwaltet und sind in die GIS-Umgebung des Kantons Solothurn integriert. Sie bilden die Basis für vielfältige Auswertungen und die Erstellung entsprechender funktionaler Bodenkarten. 2.2 Anwendungskarten für die Waldwirtschaft Um die erhobenen Bodendaten (Rohdaten) lesen und interpretieren zu können, braucht es bodenkundliches Spezialwissen. Die Fachstelle Bodenschutz des Kantons Solothurn veröffentlicht daher bewusst nicht die Rohdaten, da diese für die grosse Mehrheit der Bevölkerung nicht verständlich und somit für ihr Handeln nicht nutzbar sind. Unser Ziel ist es, den verschiedenen Kreisen von Bodennutzern spezifische Anwendungskarten zur Verfü- 104 gung zu stellen. Diese bieten umsetzbare Informationen, unter anderem für eine bodenschonende Nutzung. Nachdem im Frühling 2011 anwendungsorientierte Bodenkarten für die Landwirtschaft veröffentlicht wurden, stehen seit Frühling 2013 auch entsprechende Bodeninformationen für die Waldwirtschaft zur Verfügung (Geoportal des Kantons Solothurn www.sogis.ch: Link «Interaktive Karten», rechte Spalte, oder www.afu.so.ch: Link «Karte Bodeninformationen», rechte Spalte). Die Karten thematisieren die Verdichtungsgefährdung, den Bodentyp, den Charakter des Wasserhaushaltes kombiniert mit der potentiellen Durchwurzelungstiefe, Humusgehalt und Humusform, Säuregrad, Körnung und Skelettgehalt. Eine Karte zum pflanzennutzbaren Wasservorrat und dem Trockenstressrisiko ist in Erarbeitung. Karten zur Verdichtungsgefährdung der Waldböden Als Planungsgrundlage für den vorsorglichen physikalischen Bodenschutz im Wald stehen neu zwei Karten zur Verdichtungsgefährdung der Waldböden zur Verfügung. Für Wälder, in denen die detaillierten Bodeneigenschaften dank der Kartierung bekannt sind, liegt die Verdichtungsempfindlichkeitskarte vor, hergeleitet aus Wasserhaushalt, Bodentyp, Bodenart und Skelettgehalt (Abb. 1). Die Karte zeigt die Verdichtungsempfindlichkeit der Unterböden, da insbesondere die folgenschweren Unterbodenverdichtungen vermieden werden müssen. Diese Karte ermöglicht parzellengenaue Aussagen und ist damit ein Instrument sowohl für die betriebliche Planung wie auch für die detaillierte Schlag- und Feinerschliessungsplanung. Für die übrigen Waldgebiete gibt die Hinweiskarte Bodenverdichtung (Abb. 2) eine allgemeine Information zum Verdichtungsrisiko. Sie wurde im Kanton Aargau entwickelt (basierend auf der Pflanzensoziologischen Karte, der Geologischen Karte 1: 25 000 und Bodenkarten 1: 25 000) und auf die vergleichbaren Verhältnisse im Kanton Solothurn übertragen. Ihre Aussagekraft ist begrenzt, da das Verdichtungsrisiko nur indirekt aus den genannten Forum für Wissen 2013 Grundlagen abgeschätzt werden kann. Die grössten Einschränkungen bestehen bei den «mittleren», weit verbreiteten Waldstandortstypen, da diese ein breites Spektrum von Bodeneigenschaften abdecken. Die Hinweiskarte ist ein Instrument für die betriebliche Planung; für die detaillierte Schlagund Feinerschliessungsplanung ist sie nicht geeignet. 3 Bodenmessnetz Nordwest schweiz Neben den standörtlichen Bodeneigenschaften und der Verdichtungsempfindlichkeit ist für einen effektiven physikalischen Bodenschutz die aktuelle Bodenfeuchte entscheidend. In der Bauwirtschaft hat sich die Saugspannung als Referenzgrösse für den bodenschonenden Maschineneinsatz etabliert und bewährt. Die Saugspannung ist daher die zentrale Messgrösse im Bodenmessnetz Nordwestschweiz. Automatisierte Messstationen erfassen die Saugspannung im Ober- und Unterboden, den Niederschlag sowie Boden- und Lufttemperatur. Derzeit sind 22 Stationen in Betrieb, davon zehn im Kanton Solothurn. Drei der solothurner Stationen stehen im Wald. Die Messdaten sind on-line verfügbar (www.bodenmessnetz.ch) und werden laufend aktualisiert (Abb. 3). Neben den aktuellen Werten können Messreihen über beliebige Zeitintervalle abgefragt werden. Die Messwerte sind mit einer Beurteilung des Bodenfeuchtezustandes und mit Empfehlungen hinsichtlich der Befahrbarkeit des Bodens versehen. Diese stützen sich derzeit auf Erfahrungen mit Raupenfahrzeugen in der Bauwirtschaft und auf erste Erkenntnisse beim Maschineneinsatz in der landwirtschaftlichen Bewirtschaftung ab. Mit der Anwendung dieses neuen Instrumentes in der Forst- und Landwirtschaft können nun entsprechende Erfahrungen unter den spezifischen Gegebenheiten der forst- und landwirtschaftlichen Bewirtschaftung gesammelt und die Empfehlungen entsprechend ergänzt werden. 4Umsetzung Mit den bestehenden und geplanten Anwendungskarten und dem Bodenmessnetz stehen den Forstbetrieben Grundlagen für die betriebliche Planung zur Verfügung. In Wäldern mit bestehender Bodenkarte kann die Verdichtungsempfindlichkeit direkt in die Schlagplanung integriert werden. Die Informationen zu Wasserhaushalt / Durchwurzelungstiefe, zu pflanzennutzbarem Wasservorrat / Trockenstressrisiko, zur Humusform oder zum Säuregrad können für die waldbauliche Entscheidungsfindung beigezogen werden. Sie sind unter anderem von grosser Wichtigkeit für die Baumartenwahl unter den sich verändernden Klimabedingungen. Die neuen Instrumente wurden im Frühsommer 2013 anlässlich eines eintägigen Kurses «Physikalischer Bodenschutz im Wald» dem gesamten Forstpersonal des Kantons Solothurn und einer Vielzahl der im Kanton tätigen Forstunternehmer vorgestellt und die Einsatzmöglichkeiten mit grossem In- teresse an praktischen Beispielen disku tiert. Diese neuen Mittel stehen für die Planung und Umsetzung einer bodenangepassten und -schonenden Wald bewirtschaftung bereit. Erste Forstbe triebe haben die Anwendungskarten hierzu bereits in ihr Betriebs-GIS integriert. 5Literatur AfU So Amt für Umweltschutz Kanton Solothurn (Hrsg.) 1995: Bodenkartierung Kanton Solothurn. Konzept. Berichte, 23. BGS Bodenkundliche Gesellschaft der Schweiz (Hrsg.) 2008: Klassifikation der Böden der Schweiz. Dritte und korrigierte Auflage. BUWAL Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (Hrsg.) 1996: Handbuch Waldbodenkartierung. Schriftenreihe Vollzug Umwelt. FAL Eidg. Forschungsanstalt für Agrarökologie und Landbau (Hrsg.) 1997: Kartieranleitung, Kartieren und Beurteilen von Landwirtschaftsböden. Zürich-Reckenholz. FAL-Schriftenreihe, 24. Forum für Wissen 2013 105 Abb. 1. Auszug aus der Verdichtungsempfindlichkeitskarte des Kantons Solothurn. Die im Internet zugängliche Karte weist grossmassstäblich die Verdichtungsempfindlichkeit der Unterböden aus, hergeleitet aus Wasserhaushalt, Bodentyp, Bodenart und Skelettgehalt. Die Beurteilung ist mit Empfehlungen zur bodenschonenden Befahrung ergänzt. Abb. 2. Auszug aus der Hinweiskarte Bodenverdichtung (Massstab 1: 10 000) des Kantons Solothurn. Die im Internet zugängliche Karte gibt eine allgemeine Information zum Verdichtungsrisiko von Waldböden. Die Abschätzung basiert auf der Pflanzensoziologischen Karte, der Geologischen Karte 1: 25 000 und Bodenkarten 1: 25 000. Die Beurteilung ist mit Empfehlungen zur bodenschonenden Befahrung ergänzt. 106 Forum für Wissen 2013 Abb. 3. Startseite des Bodenmessnetzes Nordwestschweiz (www.bodenmessnetz.ch) mit dem Überblick über die die Mess-Standorte und die aktuellen Saugspannungsmesswerte in der Region. An jeder Station werden die Saugspannung und die Bodentemperatur in 20 cm und 35 cm Bodentiefe sowie der Niederschlag und die Lufttemperatur gemessen. Alle Daten sind on-line abrufbar. Abstract Soil data for forestry in the Canton of Solothurn Repairing chemical and physical damage to soil is costly and time-consuming and in some cases virtually impossible. Precautionary soil protection is therefore extremely important. The compaction risk for forest soil has increased substantially due to the use of ever heavier machinery. With a view to promoting soil-friendly forestry practices, the Soil Protection Unit (Fachstelle Bodenschutz) has, among other things, compiled maps charting the compaction risk for forest soil and published them on the Internet. Maps of other soil data, such as soil water regime / root penetration and acidity, are intended to support silvicultural decision-making. These functional soil maps are based on the polygon data of Canton Solothurn’s soil mapping project. Information about current soil moisture levels is provided by North-west Switzerland’s Soil Moisture Monitoring Network (Bodenmessnetz Nordwestschweiz), which is operated by the Cantons of Solothurn, Aargau and Basel-Land. The soil moisture tension is measured to provide a reference value for the soil-friendly use of machinery. The measurement values are continually updated and can be consulted online. Keywords: soil protection, soil compaction, soil mapping, functional soil map, soil moisture monitoring Forum für Wissen 2013: 107–116 107 Hochwasserschutzwald Gantrisch: der Weg zur quantitativen Methode für die Praxis Massimiliano Schwarz1, Lukas Dämpfle1, Peter Lüscher1, Philipp Mösch2 und Jean-Jacques Thormann3 WSL Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft, Zürcherstrasse 111, CH-8903 Birmensdorf, [email protected] 2 Waldabteilung 5 Bern – Gantrisch, Amt für Wald des Kantons Bern, Hintere Gasse 5, CH-3132 Riggisberg 3 Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaft, Berner Fachhochschule, Länggasse 85, CH-3052 Zollikofen 1 Seit mehr als 150 Jahren ist die Bevölkerung in der Gantrischregion mit Hochwasserrisiken konfrontiert. Durch diesen Umstand wurde die Schutzfunktion des Waldes schon vor langer Zeit anerkannt und gepflegt, bereits 1840 erfolgten die ersten Aufforstungen im Gurnigelgebiet. Obwohl weltweit zahlreiche Studien die Wirkung des Waldes auf das Hochwassergeschehen untersucht haben, bleibt die Entwicklung quantitativer Methoden zur Abschätzung der Waldwirkung für das Risikomanagement in der Praxis eine Herausforderung. In diesem Artikel wird ein Überblick über die im Gantrischgebiet durchgeführten Projekte gegeben und diskutiert, wie die Resultate von Feldversuchen und Modellsimulationen den Weg zu einem quantitativen Ansatz für die Praxis ebnen können. Um derartige Ansätze in Kostenwirksamkeitsanalysen im Rahmen des Risikomanagements systematisch anwenden zu können, bleiben aber noch viele Wissenslücken, die zukünftige Studien ausfüllen sollten. 1 Einführung: Geschichte der Waldnutzung und Hochwassergefahr im Gantrischgebiet Qualität, gliedert die Landschaft und dient der Bevölkerung als wichtiger Erlebnis- und Erholungsraum. 1.2 Hochwassergefahren 1.1 Übersicht Die Region Gantrisch (Kt. Bern) ist durch Wald und Wasser stark geprägt. In der ganzen Region graben wilde Bäche tiefe Einschnitte in den weichen Untergrund. Zum Schutze der Talbewohner mussten bereits in der Vergangenheit Bäche verbaut und viele Alpweiden aufgeforstet werden. Die Waldpflege und damit die Waldentwicklung wurden stark beeinflusst durch den Willen, die Hochwassergefahr im Tal zu verringern. Der Wald lieferte aber auch den wertvollen, nachwachsenden Rohstoff Holz. Dieser brachte viel Arbeit und Wertschöpfung in die ländliche Region. Auch heute ist der ökologisch wertvolle Baustoff und Energielieferant Holz ein wichtiges Produkt aus den Gantrischwäldern. Der Wald als naturnaher Raum beherbergt ausserdem zahlreiche seltene Pflanzen und Tiere und wird so für die Erhaltung der Artenvielfalt immer wichtiger. Zudem liefert der Wald Trinkwasser von hoher Starke Gewitterregen mit Hagel führen oft zu gefährlichen Wasserabflussspitzen. Der leicht erodierbare und rutschanfällige Untergrund aus Flysch Abb. 1. Waldlandschaft Gantrisch oder subalpiner Molasse liefert grosse Mengen an Erdmaterial, welches sich – transportiert durch die grossen Wassermassen – murgangartig in die Täler bewegen kann und dort Leid bei der Bevölkerung und die Zerstörung der Infrastruktur mit sich bringt. Die Bevölkerung der Region Gantrisch begann deshalb bereits früh mit einfachsten Verbauungsmassnahmen an den gefährlichen Bächen. An der Gürbe beispielsweise wurden ab 1858 mit Unterstützung des Kantons Bern die ersten Holzsperren gebaut. Ab 1895 bis zum Ersten Weltkrieg kamen Bergamasker-Arbeitsgruppen aus Norditalien in den Gantrisch und bauten erste Steinblockmauern und Trockenmauerwerke. Erst ab der Mitte des 20. Jahrhunderts wurde mit grossen Betonsperren der Gürbelauf systematisch verbaut. Die Verbauungen wurden im Laufe der Zeit mehrmals durch heftige Unwetter geprüft, teilweise beschädigt und sogar zerstört. Das letzte Grossereignis fand Ende Juli 1990 statt. Im 108 Forum für Wissen 2013 Einzugsgebiet fielen innerhalb von vier Stunden 270 mm Niederschlag, wodurch viele der alten Sperren zerstört wurden und die Gürbe am Kegelhals, im «Hohli», über die Dämme trat und das Dorf Wattenwil sowie Teile des tiefer gelegenen Gürbetals überflutete. 1.3 Aufforstungen und Waldpflege Bereits ab 1840 erfolgten erste Aufforstungen im Gantrischgebiet, vor allem im Staatswald der Einzugsgebiete Sense und Schwarzwasser. Mit der damals neuen Bundesgesetzgebung von 1876 konnten dann Bundessubventionen für die Aufforstung von Hochwasserschutzwaldungen ausgelöst werden. Der damalige Oberförster Friedrich Nigst (im Amt: 1878 bis 1927) trieb die Aufforstungstätigkeit in der Region Gantrisch hartnäckig voran. In seiner Zeit wurden rund 1000 ha Weideland aufgeforstet. Diese Alpweiden mussten oft vorgängig durch aufwändige Verfahren erworben werden. Bis in die Mitte des letzten Jahrhunderts wurden über 2000 ha Wald im Gantrischgebiet neu aufgeforstet. In der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts begann sich der Holztransport mit Lastkraftwagen durchzusetzen. Die Waldbesitzer mussten mit dem Forstdienst die Walderschliessung neu planen und einrichten. Mit Holzprügellagen oder speziellen Kalkstabilisierungsmassnahmen – in Zusammenarbeit mit der ETH Zürich – wurde versucht, die schweren Lehmböden in einen tragfähigen Untergrund zu verwandeln. Die Holzerei und Wald- Abb. 2. Alte (links) und neue Sperren (rechts). Abb. 3. Hochmontaner Waldbestand mit stufigem Aufbau. pflege konzentrierte sich meist entlang der neugebauten Waldwege und die ausgedehnten Aufforstungsbestände wuchsen vielerorts zu dichten, finsteren Fichtenforsten heran. Meist fehlte in diesen Beständen die Bodenvegetation und eine natürliche Verjüngung war kaum auszumachen. Die ersten grossen Löcher riss 1982 ein Föhnsturm in die labilen Baumholzbestände. Nach dem Orkan Vivian 1990, wurden auf den geräumten Sturmflächen erste Rottenpflanzungen durchgeführt. Der Orkan Lothar zerstörte Ende 1999 grosse Flächen in den Aufforstungsbeständen. In der Süftenen (Staatswald) fällte der Orkan den zehnfachen Hiebsatz, näm- lich 30 000 m3, innerhalb eines Tages. Erst nach dieser Katastrophe setzte sich die Meinung durch, dass in den aufgerissenen Aufforstungsbeständen eine vitale, ungleichaltrige Verjüngung die grösste Priorität erhalten muss. In den ursprünglichen Waldbeständen wurde bereits früh mit der stufigen Ausformung begonnen. Mit den neuen Erkenntnissen und auch mit den Vorgaben durch NaiS (Frehner et al. 2005), wird nun insbesondere die Weisstanne stark gefördert. Dies ist aber für den Waldbesitzer oft mit Zusatzaufwendungen oder Einbussen verbunden (Wildverbiss, gefährliche Tannentrieblaus, tieferer Holzertrag, etc.). Forum für Wissen 2013 1.4 Ausblick Auf den gehemmt durchlässigen Böden hilft das Einbringen und Begünstigen von tiefwurzelnden Baumarten wie der Weisstanne und das Fördern von stufigen, eher jüngeren Waldbeständen, die Hochwasserabflussspitze zu vermindern. Der Revierförster kann heute im Rahmen seiner Beratungstätigkeit den Waldbesitzer mit Schutzwaldprojekten in diese Richtung lenken und mit Beiträgen unterstützen. Auf den verdichtungsanfälligen Böden muss das Befahren mit schweren Forstmaschinen eine Ausnahme bleiben und darf nur auf eingeplanten Rückegassen erfolgen, nach Möglichkeit ist der Seilkranbringung den Vorrang zu geben. Das Ziel, stufige Bestände mit verschiedenen tiefwurzelnden Baumarten durchzusetzen, kann aber langfristig nur erreicht werden, wenn die Waldeigentümer von deren Wirkung überzeugt sind, sie für die Umtriebe zumindest teilweise entschädigt werden und für das Holz einen angemessenen Erlös erhalten. Um die finanzielle und politische Bedeutung der Schutzwaldpflege zu bewerten, braucht es neben langjähriger Erfahrung auch quantitative Methoden, die eine systematische Analyse der Schutzwaldwirkung erlauben und damit einen nachvollziehbaren Einsatz der Ressourcen ermöglichen. Die Forschung ist in diesem Sinn gefragt, neue quantitative Methoden zu entwickeln. 2 Wald und Hochwasserge schehen: Stand des Wissens 2.1 Waldwirkung gegen Hochwasser Zahlreiche Studien weltweit haben die Wirkung des Waldes auf das Hochwassergeschehen mit verschiedensten Kombinationen von Einflussgrössen und auf unterschiedlichen Skalen analysiert und diskutiert (z. B. Badoux et al. 2006). Diese Untersuchungen haben geholfen, verschiedene forsthydrologische Prozesse besser zu quantifizieren und deren Wirkung auf die Hochwasserintensität abzuschätzen. Dennoch sind die vom Wald beeinflussten Faktoren und Prozesse, wel- 109 che theoretisch zur Hochwasserminderung beitragen können, sehr schwierig zu charakterisieren und quantifizieren. Allgemein wird die hydrologische Wirkung des Waldes in direkte und indirekte Aspekte unterteilt. Zu den direkten Wirkungen zählen Prozesse wie die Interzeption, der Stammabfluss, die Evapotranspiration, der präferenzielle Abfluss entlang von Wurzeln/Wurzelkanälen, usw. Zu den indirekten Wirkungen zählen Prozesse wie der Einfluss der Streueinträge auf die biologische Aktivität im Boden sowie auf die physikalische und chemische Eigenschaften, zum Beispiel die Gefügebildung im Oberboden. Die wichtigsten, durch den Wald beeinflussten Prozesse für die Minderung der Abflussspitze sind die Evapotranspiration und Interzeption (Regen und Schnee), welche die Vorfeuchte des Bodens über längere Zeit reduzieren können (je nach Standort und Jahreszeit) sowie die durch die Waldbehandlung beeinflusste Bodenstruktur, welche die Speicherkapazität und das Abflussgeschehen bestimmt. Interzeption (Regen) und Evapotranspiration spielen kurzfristig bei starken Niederschlägen, welche nur wenige Stunden dauern, selten eine bedeutende Rolle. des Waldzustandes (Baumartenzusammensetzung und Bestandesstruktur) beurteilt werden muss. Dabei ist auch der Bodenaufbau zu berücksichtigen. Abbildung 4 zeigt beispielhaft den Übergang von einer Kuppe zu einer Mulde, welche durch eine starke Änderung der Vegetation verdeutlich wird (Vaccinium mirtillis dominierte Krautschicht auf der Kuppe, Caltha palustris charakterisierte Gesellschaft in der Mulde). Die Änderung der Vegetation weist ebenfalls auf eine Änderung des Bodenaufbaus und des Bodentyps, sowie auf unterschiedliche hydrologische Eigenschaften des Standorts hin. Je nach Situation können verschiedene Baumarten je nach Bodeneigenschaften unterschiedlich wurzeln und entsprechend unterschiedlich gegen Hochwasser wirken. Abbildung 5 zeigt das umgeworfene Wurzelsystem einer Weisstanne (Abies alba) mit Pfahlwurzeln, welche zum Teil auch in vernässte Horizonte wachsen können. Aus diesem Grund wird diese Baumart an staunassen Standorten gegenüber flachwurzelnden Baumarten wie der Fichte (Picea abies) bevorzugt. Obwohl sich die Anwendung von NaiS in der Praxis bewährt hat, bleiben dennoch viele Fragen offen, um praxistaugliche Methoden nachvollziehbarer und fundierter zu formulieren. 2.2 Beurteilung der Waldwirkung In der Richtlinien von NaiS («Nachhaltigkeit im Schutzwald» [Frehner et al. 2005]) wird angenommen, dass die Hochwasserschutzwirkung des Waldes in erster Linie durch eine Erhöhung der Wasserspeicherkapazität im durchwurzelten Boden erreicht wird. Diese Annahme basiert auf Feldbeobachtungen und berücksichtigt, wie die indirekte Wirkung des Waldbestandes die Bodeneigenschaften und deren Zustand in Kombination mit anderen Bodenbildungsfaktoren, wie Ausgangsgestein, Klima und Relief, beeinflussen kann. In den NaiS Richtlinien wird ein weiterer, wichtiger Grundsatz berücksichtigt: Nicht alle Wälder haben dieselbe Schutzwirkung. Dieses Konzept wurde von Lüscher und Zürcher (2003) entwickelt und stützt sich auf die Idee, dass die Hochwasserschutzwirkung, insbesondere die Wasserspeicherkapazität, standortspezifisch, d.h. unter Berücksichtigung Abb. 4. Übergang von Kuppe zu Mulde mit deutlicher Änderung der Zusammensetzung der Krautschicht, welche auf eine Änderung des Bodenaufbaus beziehungsweise des Bodentyps hinweist. (Waldstandortstyp 46, Übergang zu 49). 110 Abb. 5. Umgeworfenes Wurzelsystem einer Weisstanne (Abies alba) mit 0.6 m langen Pfahlwurzeln unterhalb des Baumstamms. 3 Forschungsaktivitäten im Gantrischgebiet Seit 2006 wurden verschiedene Forschungsprojekte der WSL in Zusammenarbeit mit der Uni Bern und der HAFL über die Hochwasserschutzwälder im Gantrischgebiet durchgeführt. Die Staffelung der verschiedenen Arbeiten während der letzten Jahre zeigt den generell verwendeten «bottom-up» Ansatz. In diesem Kapitel wird ein Überblick über die durchgeführten Projekte und die dadurch gewonnenen Erkenntnisse vermittelt. 3.1 Einfluss der Wurzeln auf die Infiltration/Speicherkapazität auf der Bodenprofilskala Die erste Studie befasste sich mit dem Einfluss von Baumwurzeln auf die Infiltration (COST Aktion E38 «woody root processes», 2006–2010). Anhand von Beregnungsexeprimenten in einem Heidelbeer Tannen-Fichtenwald (E&K 46, jeweils auf 1 m2) wurde gezeigt, dass die Wurzeldichte die Infiltrationskapazität nicht vernässter Oberbodenhorizonte sowie vernässter Horizonte erhöhen kann (Lange et al. 2009). Es wurde auch gezeigt, dass in diesem Gebiet die Entwässerung des gesamten Bodens immer lateral erfolgt und dass der Abfluss zum Teil von der Forum für Wissen 2013 Druckhöhe (wassergesättigter Profilbereich) bestimmt wird. Als Schlussfolgerung dieser Untersuchung lässt sich vermuten, dass es «mittels forstlicher Massnahmen möglich sein wird, die Wurzelverteilungen in Wäldern zu beeinflussen und damit Infiltrationsund Speicherkapazitäten durch Artenzusammensetzung und Bestandesstruktur zu modifizieren» (Lange et al. 2011). Hartmann (2008) konnte in demselben Gebiet zeigen, dass die Durchwurzelung der Vogelbeere stark durch vernässte Horizonte limitiert ist, wie es auch schon für die Fichte und die Buche (Fagus sylvatica) aus der Literatur bekannt ist. Es bleibt unklar, wie langfristig die Bodenstruktur des Oberbodens aufgrund der geänderten Zusammensetzung des Streumaterials und einer erhöhten biologischen Aktivität verbessert werden kann. Feldbeobachtungen haben bestätigt, dass die Tanne, in diesem Gebiet die am meisten verbreitete Baumart ist, da sie zum Teil gesättigte Bodenhorizonte ohne Limitierung durchwurzelt. In einer Arbeit von Grunauer (2009) wurden hydrologische Reaktionen in sechs Bodenprofilen und der Einfluss unterschiedlich alter Wurzelstöcke auf die Infiltration untersucht. Diese Arbeit zeigte trotz eines begrenzten Stichprobenumfangs, dass sich der Abbau der Wurzelmasse unter teilweise anaeroben Bedingungen in hydromorphen Horizonten so langsam vollzieht, dass über 30 Jahre nach dem Absterben der Bäume noch annähernd alle Wurzeln vorhanden waren. Der Trend, dass sich eine höhere Wurzeldichte günstig auf die Infiltrationsgeschwindigkeit auswirkt, wurde bestätigt. In einem weiteren Projekt (Wald und Klimawandel, 2010–2012) untersuchten Lange et al. (2013) die potentiellen Auswirkungen der Klimaänderung auf die Hochwasserschutzwirkung. In der Annahme, dass die Durchwurzelung in Buchenbeständen tieferer Lagen für zukünftige Klimaszenarien in höheren Lagen repräsentativ sein wird (in denen heute Tannen-Fichtenbestände dominieren), schätzen die Autoren, dass die Hochwasserschutzwirkung auf Grund einer intensiveren Durchwurzelung und erhöhter Verzögerung des Wasserabflusses zukünftig in höheren Lagen verstärkt wird. 3.2 Einfluss der Wurzelverteilung auf die räumliche Heterogenität von Vernässungsmerkmalen auf der Transektskala Das Projekt COST FORMAN (Forest Management and Water Cycle, 2009– 2012) strebte das Ziel an, den Wassergehalt und die Durchwurzelung in Abhängigkeit des Bestandesaufbaus zu charakterisieren. Das zentrale Thema dieser Arbeit war die Aufskalierung hydrologischer Prozesse vom Punkt zur Fläche unter Berücksichtigung der einzelnen Waldstandorte und deren Bewirtschaftung. In der erste Phase des Projektes, wurde die Bodenhydrologie und die Durchwurzelungsintensität durch Transekte (etwa 6–8 m lange Bodenprofile zwischen zwei Bäumen) und ein flächendeckendes Raster von Messpunkten (Raster Netz 10 × 10 m) analysiert. Eine detaillierte Studie über die Aufnahmemethoden (Hebeisen 2011) hat gezeigt, dass die erhobenen Daten und Werte für Horizontmerkmale (Go,r) und Wurzelverteilung vergleichbar sind, egal ob sie mit Rahmenbohrer, Humaxproben oder durch eine Profilansprache gewonnen werden. Allerdings ist die Variabilität je nach Aufnahmemethode im Fehlerbereich sehr unterschiedlich. Die ersten Resultate dieser Studien wiesen darauf hin, dass die Reliefkomponente (Kuppe/Mulde) sowie der Baumabstand keine grosse Rolle bei Betrachtung der vertikalen Infiltration spielten (Stimm et al. 2009; Allenspach et al. 2011). Weiter gab es Hinweise darauf, dass die Durchwurzelungsintensität der Feinwurzeln in einem gut strukturierten, geschlossenen Bestand keine Funktion des Baumabstandes ist (Abb. 6). Spätere Untersuchungen in der zweite Phase des Projektes hingegen zeigten, dass der laterale Abfluss durch das Relief beeinflusst ist und die Wurzelverteilung (Fein- und Grobwurzeln) von der Waldstruktur abhängig ist (Schwarz et al. 2013). Forum für Wissen 2013 111 Abb. 6. Wurzelverteilung zwischen zwei Baumstämmen entlang eines Transekts aufgenommen durch Zählungen im 10 × 10 cm Raster 3.3 Zusammenhang zwischen Durchwurzelung, Bodenstruktur und lateralem Zwischenabfluss auf der Ebene der Bodenprofilskala In einer späteren Phase des COST FORMAN Projekts wurden neue Beregnungsversuche mit regelmässigen Abständen zu Baumstämmen durchgeführt (1,5 , 3,5 und 5,5 m), um den Zusammenhang zwischen Relief, Durchwurzelung, Wassergehalt und lateralem Abfluss zu untersuchen (Schwarz et al. 2013). Jedes Profil wurde mit drei verschiedenen Intensitäten (70, 40, 100 mm/ Std) beregnet, wobei jede Beregnung durch eine zweistündige Pause unterbrochen wurde (Sequenz Beregnung: erste Stunde 70 mm/Std, zwei Stunden ohne Beregnung, eine Stunde 40 Abb. 7. Einrichtung der Feldexperimente für die Messung des lateralen Abflusses auf Bodenprofilskala. mm/Std, und anschliessend eine Stunde 100 mm/Std). In jedem beregneten Profil wurden Wurzelverteilung, Wassergehalt und lateraler Abfluss gemessen. Die Wurzelverteilung wurde bis 0,5 m Bodentiefe auf eine Breite von 0,5 m kartiert. Der Wassergehalt wurde an zehn verschiedenen Stellen (Messintervall 1 Min.) gemessen (Abb. 7), in den Tiefen von 0,075, 0,225 und 0,375 m. Der laterale Abfluss wurde in drei Tiefenbereichen (0–0,15 , 0,16–0,3 , 0,31–0,45 m) in 0,5 m breiten Metallrillen gesammelt und mit Kippwaagen (RainWiseInc) gemessen. Aus den ersten qualitativen Beobachtungen im Feld hat sich bestätigt, dass am untersuchten Standort (E&K Nr. 49) das Kuppen-Mulden-Relief einen deutlichen Zusammenhang mit der räumlichen Verteilung des Bodenaufbaus beziehungsweise -typs zeigte (z. B. Lage reduzierter oder oxidierter bzw. wechselfeuchter Horizonte) und dadurch auch einen starken Einfluss auf den lateralen Abfluss hatte (Abb. 8). Weiter haben die Ansprachen der Bodenprofile ergeben, dass die Bodenverdichtung in der Nähe von Abb. 8. Serie von Bodenprofilen entlang eines Kuppen-Mulden Gradienten in verschiedenen Abständen zu einem Baumstamm (1,5 , 3,5 , und 5,5 m). Innerhalb weniger Meter ist der Gr-Horizont zwischen 0,7 und 0,2 m Tiefe zu finden. 112 Baumstämmen und die Präsenz von Grobwurzeln den lateralen Abfluss innerhalb von nicht und wenig hydromorphen Horizonten (z. B. B oder SB) während extremer Niederschlagereignisse fördern. In steileren Hangpartien erreichten gut durchwurzelte Horizonte eine Tiefe von 1 bis 1,5 m und wiesen eine subpolyedrische bis polyedrische Struktur auf. Solche mächtige und gut strukturierte Horizonte sind Voraussetzung für eine hohe Speicherkapazität und für eine bedeutende Verzögerung des lateralen Abflusses. In nicht bestockten Mulden oder flachen Hangpartien waren die Bodenprofile stark von Reduktionsmerkmalen geprägt und die Tiefe der rasch drainierenden Horizonte war auf die obersten 0,1 bis 0,2 m des Bodenprofiles limitiert. Von dreizehn durchgeführten Beregnungsversuchen wiesen acht einen lateralen Abfluss höher als 0,0017 Lt./ sec (= 0,1 Lt./min) innerhalb der ersten 0,45 m auf. Die resultierenden Abflusskoeffizienten schwankten zwischen 0 und 0,9 , wobei nur bei zwei Experimenten der Abflusskoeffizient über 0,8 lag. Neun Beregnungen wurden bei Fichten und vier bei Tannen durchgeführt. Die untersuchten Bäume hatten einen BHD zwischen 0,3 und 0,4 m. Abbildung 10 zeigt ein Beispiel für den gemessenen lateralen Abfluss für ein Profil (Abb. 9) in 1,5 m Abstand zu einer Tanne (BHD = 0,38 m). Die Forum für Wissen 2013 Resultate zeigen auf, dass der Grossteil des lateralen Abflusses zwischen 0,16 und 0,3 m Bodentiefe stattgefunden hat und der maximale Abfluss proportional zur Niederschlagsintensität war. Eine quasi-konstante Wasserbilanz (input = output) wurde etwa 15 bis 20 Minuten nach Beregnungsbeginn erreicht. Die Messungen zeigen auch, dass der Abfluss typischerweise erst ab einem bestimmten Wassergehalt beginnt (durchschnittlich 0,36 [m3/ m3]) und auch ungesättigte Horizonte zu lateralem Abfluss beitragen können. Des Weiteren kann vermutet werden, dass die Steigung des Abflusses stark durch die Dimensionen und Form der Makroporen beeinflusst wird und die Durchwurzelungssituation, sowie die biologische Aktivität eine wichtige Voraussetzung für eine Erhöhung der Wasserspeicherung (Einfluss auf Porosität und Bodenvorfeuchte) und damit auf die Abflussverzögerung hat. 3.4 Modellierungsansatz für die Charakterisierung des lateralen Zwischenabflusses und der präferenziellen Fliesswege In diesem Teilprojekt wurde ein neuer Modellierungsansatz entwickelt, um den präferenziellen Abfluss in durchwurzelten Böden zu quantifizieren. Die Grundkonzepte der Modellierung Abb. 9. Detail des Bodenprofils (T13_1.5) in 1,5 m Abstand zu einem Tannenstamm mit klarem Übergang von Ah Horizont mit Wurzeln und Rissen zu einem Go/r Horizont mit einer kompakten kohärenten Struktur (und deshalb weniger durchlässig) in 0,2 m Tiefe. basieren auf dem Ansatz von Beven und Germann (2013) für den präferentiellen lateralen Abfluss und wurden erweitert, um den Zusammenhang zwischen Wurzelverteilung, Abfluss und Wassergehalt besser abzubilden (Schwarz et al. 2013). Das Modell löst die Wasserbilanzgleichung unter Anwendung der Stokes Gleichung für die Berechnung der Wasserflüsse. Die sensibelsten Modellparameter, welche mit den Resultaten aus den Beregnungsexperimenten kalibriert wurden, sind: – Tiefe der rasch drainierten Bodenhorizonte (T [m]), – Kontaktfläche der Makroporen (L [m2/m3]), – Koeffizient der vertikalen Sickerung (cv [–]) und – der sogenannte Faktor der Makroporen (gF [–]). Eine detaillierte Beschreibung des Modells ist in Schwarz et al. (2013) zu finden. Abbildung 11 zeigt den Vergleich zwischen dem gemessenen und simulierten Zeitverlauf des Wassergehaltes und des Abflusses von zwei Beregnungen bei sehr unterschiedlichen Verhältnissen. Das Bodenprofil der ersten Beregnung (Abb. 11A und 11C) wies einen stark vernässten Boden mit einem reduzierten Horizont schon ab 0,2 m Bodentiefe auf. Dadurch änderte sich der gesamte Wassergehalt im Profil während der Beregnung nicht, wobei aber der laterale Abfluss in kurzer Zeit stattfand. Das zweite Profil (Abb. 11B und 11D) zeigte eine grössere Schwankung des Wassergehaltes proportional zur Beregnungsintensität und praktisch keinen lateralen Abfluss innerhalb der ersten 0,45 m Bodentiefe, da in diesem Fall der reduzierte Horizont tiefer unten lag. Mit diesen Informationen und Daten konnten die Modellparameter kalibriert werden. Die Tiefe der rasch drainierten Bodenhorizonte (T [m]) im untersuchten Gebiet lag zwischen 0,15 und 1 m, die kalibrierte Kontaktfläche der Makroporen (L [m2/ m3]) lag zwischen 50 und 2500 m2/m3. Der Koeffizient der vertikalen Versickerung (cv [–]) lag zwischen 0 und 1 und der sogenannte geometrische Faktor der Makroporen (gF [–]) wurde konstant bei 0,25 festgelegt. Forum für Wissen 2013 113 Abbildung 12 zeigt die Sensibilität des Modells relativ zum Parameter L (Kontaktfläche der Makroporen) und gibt einen Hinweis zur Bedeutung dieses Parameters auf den Ausschlag der Abflussspitze. Die Berechnungen wurden mit einer Vorfeuchte von 0,3 [m3/ m3], T = 0,5 m, c = 0 und gF = 0,25 durchgeführt. Die drei Regenintensitäten entsprachen 70-40-100 mm/Std wie bei den Feldexperimenten. Die Resultate zeigten, dass bei gleicher Speicherkapazität die unterschiedlichen Dimensionen der Makroporen, welche durch den Parameter L charakterisiert werden, eine grosse Bedeutung für die Minderung der Abflusssptitze haben. Abb. 10. Resultate des gemessenen lateralen Abflusses bei Profil T13_1.5. A B Englische Übersetzung des Titels Since more than 150 years the population of the Gantrisch region is faced with floodrisks. For this reason, the role of protection forests has been considered important since long time, and big reforestations took place already in the 1840’s. Notwithstanding the numerous studies on the flood-mitigating effects of C D forests, the development of quantitative methods for the practice is still challenging. In this work we present an overview of the research projects carried out in the Gantrisch region aimed to quantify the protection function of the forest. We discuss how the results of field experiments and numerical modeling could lead to the formulation of new quantitative approaches for the practice. However, for the systematical implementation of such approaches in cost-benefit analysis for risk management, several lags of knowledge still need to be adressed by future research works. Keywords: flood risk, protection forests, Gantrisch region, lateral sub-surface flow, root distribution, numerical modeling. Abb. 11. Resultate der gemessenen und modellierten Änderung des Wassergehalts (A und B) und des lateralen Abflusses (C und D) bei zwei sehr unterschiedlichen Profilen (F10_5.5 [A und C] und F10_3.5 [B und D]). 114 Forum für Wissen 2013 Vegetationsbedeckungen (Wiese = gelb, «schlechter» Wald = dunkelgrün, «minimaler» Wald = grün, «optimaler» Wald = hell grün) bei einem kurzen (1 Std. → 45 mm) und einem langen (24 Std. → 120 mm) hundertjährlichen Niederschlagsereignis. Der Niederschlag wurde über die Zeit als normal verteilt angenommen und das Speichervermögen war für alle Kombinationen konstant. Die Resultate zeigten, dass bei einem kurzen Niederschlagsereignis, ein «optimaler» Waldbestand die Abflussspitze bis zu 30 Prozent reduzieren konnte, dank einer starken Verzögerung des Wasserabflusses. Bei einem langandauernden Regenereignis hingegen, schien der Wald keinen Einfluss bei solch kleinen Hängen (10 × 15 m) zu haben. Die simulierten Abflüsse begannen erst, als der Hang hydrologisch vernetzt war. Je mehr Wasser benötigt wurde, um den lateralen Abfluss zu initialisieren, desto stärker wurde die Abflussspitze reduziert. Abb. 12. Resultate der Sensibilitätsanalyse des Abflussmodells auf der Bodenprofilskala mit unterschiedlichen Werten des Parameters L (Kontaktfläche [m2/m3]). 4 Diskussion und Schluss folgerungen 3.5 Aufskalierung der Abfluss- prozesse und Einfluss der Durchwurzelung Das kalibrierte Abflussmodell der Profilskala wurde dann in einem Abflussmodell für die Hangskala angewandt, um die Verhältnisse von unterschiedlich hydrologisch beitragenden Flächen während eines Niederschlags zu simulieren und zu analysieren. Eine «random generating function» definiert in dem Modell die zufällige Normalverteilung der initialen Vorfeuchte (0,3 +– 0,03) in jeder Simulation (2 bis 5 pro Vegetationsbedeckung). Abbildung 13 zeigt die zeitliche Entwicklung der hydrologischen Benetzung des Hanges in Zusammenhang mit der Zunahme des Wassergehalts in jeder Zelle bis zu den Werten, bei welchen der laterale Abfluss beginnt (blaue Punkte). Unter der Annahme, dass unterschiedliche Werte von T (hydrologische aktive Bodentiefe) und L (Kontaktfläche) charakteristisch für unter- schiedliche Bedingungen bezüglich Vegetationsbedeckung (Wiese bis gut strukturierte Waldbestände) sind, ist es möglich, die Abflussverhältnisse eines Hanges für unterschiedliche Niederschlagsereignisse zu simulieren. Abbildung 14 zeigt den simulierten Abfluss eines Hanges mit vier verschiedenen Für ein bestimmtes Niederschlagsereignis und ein bestimmtes Einzugsgebiet kann die Abflussspitze durch eine erhöhte Speicherkapazität des Bodens oder durch eine grössere Verzögerung des Wasserabflusses reduziert werden. In der Regel wirkt der Wald positiv auf diese beiden Prozesse (Speicherung und Verzögerung), aber in unterschied- Abb. 13. Zeitliche Entwicklung der hydrologischen Benetzung des Hanges in Zusammenhang mit der Zunahme des Wassergehalts (a = 60 Sek., b = 600 Sek., c = 1200 Sek.) während eines intensiven Niederschlages. Die roten Zellen weisen einen Wassergehalt kleiner als θmin auf und produzieren keinen lateralen Abfluss, während die blauen Zellen einen Wassergehalt grösser als θmin aufweisen und einen lateralen Abfluss proportional zu ihrem Sättigungsgrad produzieren. Forum für Wissen 2013 lichem Ausmass je nach Situation. Die von der WSL durchgeführten Studien im Gantrischgebiet haben die Basis für eine quantitative Analyse der Waldwirkung in staunassen, vernässten Böden geschaffen und erlauben eine systematische Diskussion der komplexen Interaktionen und Prozesse, welche zu Hochwasserbildung führen. Gemäss unserer Resultate und der Modellierung ist die Speicherkapazität des Bodens (definiert als die Kapazität des Bodens durch Kapillarkraft das Wasser festzuhalten und nicht fliessen zu lassen) die wichtigste Einflussgrösse um die Abflussspitze zu reduzieren. Die Speicherkapazität hängt von der Art der Porosität des Bodens (z. B. Porengrösseverteilung, Konnektivität, Geometrie der Poren) und seiner Mächtigkeit ab (je tiefgründiger der Boden, desto mehr Wasser kann gespeichert werden). Tiefwurzelnde Baumarten, welche durch vernässte Bodenhorizonte nicht stark limitiert werden, sind waldbaulich zu bevorzugen, da diese Baumarten auch den tieferen Horizonten Wasser entziehen und so indirekt die Bodenstruktur dieser Horizonte verbessern. Aus diesem Grund erhöht die Präsenz von Wurzeln die Infiltration und die Speicherkapazität des Bodens. Im vorgeschlagenen Modellierungsansatz wird die Speicherkapazität durch die Parameter T, θBeginn (Vorfeuchte) und θmin (Wassergehalt, bei welchem der laterale Abfluss beginnt) bestimmt. In ungünstigen Situationen kann die Speicherkapazität gleich Null sein, wenn beispielsweise während der Schneeschmelze die Bodenfeuchte sehr hoch ist. Aber auch wenn das Wasser in den Boden infiltriert, kann es, je nach Abflussbildungsprozess, rasch durch präferenzielle Fliesswege zum Abfluss beitragen. In bewaldeten Hängen ist der laterale Zwischenabfluss oft dominierend und die Geschwindigkeit des Abflusses hängt von der Dimension und Vernetzung der Makroporen ab. Die Resultate haben gezeigt, dass die Intensität des Zwischenabflusses durch die Kontaktflächenlänge charakterisiert werden kann. Dieser Parameter hat sich im Modell als zweitwichtigster für die Minderung der Abflussspitze herausgestellt. Auf der Bodenprofilskala kann der Einfluss des Waldes über die indi- 115 Abb. 14. Simulierter Abfluss eines Hanges mit vier verschiedenen Vegetationsbedeckungen (Wiese = gelb, «schlechter» Wald = dunkel grün, «minimaler» Wald = grün, «optimaler» Wald = hell grün) bei einem kurzen (1 Std. → 45 mm) und einem langen (24 Std. → 120 mm) hundertjährlichen Niederschlagsereignis. rekte Wirkung der Wurzelverteilung, durch die Parameter T, θBeginn , θmin und L gut charakterisiert werden. Auf der Hangskala wirkt der Einfluss des Waldes durch die räumliche Heterogenität der oben genannten Parameter und dadurch auf die hydrologische Vernetzung des Hanges. Die bis heute gewonnenen Resultate bilden eine solide Basis für die Analyse der Prozesse auf der Profilskala (Infiltration und lateraler Abfluss), aber auf der Hangskala bleiben die Ergebnisse nur eine numerische Extrapolation, welche mit weiteren Felddaten und Studien validiert werden muss. Die Analyse der Wurzelverteilung auf der Hangskala (Stimm et al. 2009; Allenspach et al. 2011; Hebeisen 2011; Schwarz et al. 2013) hat zwar ein besseres Bild des Zusammenhangs zwischen Waldstruktur und Wurzelverteilung ergeben, aber die hydrologischen Prozesse auf dieser Skala wurden noch nicht ausreichend charakterisiert. Zudem sind diesbezüglich nur wenige Studien in der Literatur vorhanden (z. B. Kohl et al. 2002). Dennoch lassen die numerischen Simulationen eine erste Schätzung der Waldwirkung zu. Zu den wichtigsten Rahmenbedingungen zählen die Intensität und Dauer eines Niederschlagsereignisses, das Relief, die Hanglänge und die Hangneigung. Die ersten Resultate haben gezeigt, dass bei einem gleichen Ereignis (z. B. 1 Std. Dauer mit einem Gesamtniederschlag von 45 mm), je nach Verteilung der Niederschläge über die Zeit (konstant, normalverteilt, oder unregelmäs- sig), die Waldwirkung unterschiedlich sein kann. Die Resultate und Ansätze, welche in diesem Artikel präsentiert werden, dienen als wichtige Grundlagen für die Quantifizierung der Waldwirkung gegen Hochwasserrisiken. Als Beispiel können derartige Ansätze in Kostenwirksamkeitsanlysen im Rahmen des Risikomanagements angewendet werden, wobei die Waldwirkung je nach Wiederkehrdauer und Intensität der Niederschlagsereignisse, sowie je nach Waldzustand quantifiziert werden kann. In ähnlicher Weise hat Sandri (2006) die Waldwirkung gegen Wildbach- und Hochwassergefahren in einem Intensitäts-Wahrscheinlichkeits-Diagramm qualitativ dargestellt. Abbildung 15 zeigt eine KonzeptDarstellung der möglichen Resultate aus numerischen Simulationen für die Quantifizierung der Waldwirkung je nach Wiederkehrdauer und Dauer eines Niederschlagsereignisses für ein bestimmtes Einzugsgebiet und einen bestimmten Waldzustand. Die Wirkung des Waldes hängt vom Waldstandortstyp und vom Waldzustand ab, welcher wiederum oft von der Waldbewirtschaftung abhängig ist. Die sorgfältige Auswahl der Baumartenmischung und die Bildung einer heterogenen mehrstufigen Struktur sind in den in NaiS enthaltenen Vorgaben für eine optimale Schutzwirkung des Waldes Voraussetzungen. Diese Richtlinie basiert auf qualitativen Schätzungen. Eine Verbesserung ist im Moment nicht systematisch möglich, vor allem 116 Forum für Wissen 2013 Abb. 15. Konzeptuelle Darstellung der möglichen Resultate für die Quantifizierung der Waldwirkung je nach Wiederkehrdauer und Dauer eines Niederschlagsereignisses. auf Grund fehlender Felddaten. Die mittel- bis langfristigen Wirkungen von verschiedenen Baumarten und Waldstrukturen unter verschiedenen Bedingungen (Klima, Boden, etc.) sind nur für wenige Situationen schätzbar (Lange et al. 2009; Hartmann 2008). Weitere Projekte sollten diese Kenntnisse mithilfe neuer Felddaten erweitern. Für ein besseres Gesamtbild der Waldwirkungen gegen Hochwasser ist die langfristige Berücksichtigung der Walddynamik (Absterben und Wachstum der Bäume) ein sehr wichtiges Element, welches zusätzlich noch besser untersucht werden muss. 5Literatur Allenspach, A.; Pecoroni, D.; Stimm E.-M; Lange, B.; Zürcher, K.; Lüscher, P.; Weingartner, R., 2011: Infiltrationsverhalten gehemmt durchlässiger Waldböden in Abhängigkeit der Durchwurzelungs. In: Böden verstehen, Böden nutzen, Böden fit machen. Jahrestagung der DBG, Berlin, September 2011; (Berichte online). Badoux, A.; Witzig, J.; Germann, P.F.; Kienholz, H.; Lüscher P.; Weingartner, R.; Hegg, C., 2006: Investigations on the runoff generation at the profile and plot scales, Swiss Emmental. Hydrol. Process. 20: 377–394. Beven, K.; Germann, P.F., 2013: Macropores and Water Flow in Soils Revisited. doi: 10.1002/wrcr.20156 Frehner, M.; Wasser B.; Schwitter, R., 2005: Nachhaltigkeit und Erfolgskontrolle im Schutzwald: Wegleitung für Pflegemassnahmen in Wäldern mit Schutzfunktion. Bern, Bundesamt für Umwelt, BAFU. Grunauer, C., 2009: Bodenhydrologische Auswirkungen von Wurzeln abgestorbener Bäume nach 1, 6, 18, 36 und über 40Jahren, Masterarbeit, Geogr. Institut der Universität Bern – GIUB, Bern. Hartmann, O., 2008: Durchwurzelungssituation der Vogelbeere (Sorbus aucuparia) auf hydromorphen Böden und deren Einfluss auf hydrologische Bodeneigenschaften. Bachelor Thesis, Zurcher Hochschule fur Angewandte Wissenschaften – ZHAW, Wädenswil. Hebeisen, K., 2011: Untersuchung zum Einfluss der Waldbestandesstruktur auf die Durchwurzelung temporär vernässter Flyschböden im Under Scheidwald (BE). Bachelor Thesis, Hochschule für Agrar-, Forst-, und Lebensmittelwissenschaften, Zollikofen. Kohl, B.; Markart, G.; Bauer, W., 2002: Abflussmenge und Sedimentfracht unterschiedlich genutzter Boden-/Vegetationskomplexe bei Starkregen im Sölktal/Steiermark. BFW-Ber. 127: 5–15. Lange, B.; Lüscher, P.; Germann, P.F., 2009: Significance of tree roots for preferential infiltration in stagnic soils. Hydrol. Earth Syst. Sci. 13: 1809–1821. Lange, B.; Germann, P.F.; Lüscher, P., 2011: Runoff-generating processes in hydromorphic soils on a plot scale: free gravity-driven versus pressure-controlled flow. Hydrol. Process. 25: 873–885. Lange, B.; Germann P.F.; Lüscher P., 2013: Greater abundance of Fagus sylvatica in coniferous flood protection forests due to climate change: impact of modified root densities on infiltration. Eur. J. For. Res. 132: 151–163. Lüscher, P.; Zürcher, K., 2003: Waldwirkung und Hochwasserschutz: Eine differenzierte Betrachtungsweise ist angebracht. LWF-Ber. 40: 30–33. Sandri, A., 2006: Vom Nutzen des Waldes. Bull. angew. Geol. 11, 2: 109–115. Stimm, E.-M.; Lange, B.; Zürcher, K.; Lüscher, P.; Weingartner, R., 2009: Infiltrationsverhalten gehemmt durchlässiger Waldböden in Abhängigkeit der Durchwurzelungs-tiefe. In: Böden – eine endliche Ressource. Jahrestagung der DBG, Bonn, September 2009. Schwarz, M.; Dämpfle, L.; Lüscher P., 2013 (in Vorbereitung): A new framework for the quantification of the hydrological connectivity of vegetated slopes. Ecohydrology. Abstract Gantrisch’s flood-protection forest: developing quantitative methods for practical use The population in the Gantrisch region has had to cope with the risk of floods for more than 150 years. The role of protection forests has therefore long been considered important, and extensive reforestation was already undertaken in the 1840s. Notwithstanding the numerous studies on the flood-mitigating effects of forests, quantitative methods for use in practice are still underdeveloped. In this work we present an overview of the research projects carried out in the Gantrisch region to quantify the protection function of the forest. We discuss how the results of field experiments and numerical modeling has led to the formulation of new quantitative approaches for use in practice. However, to implement such approaches systematically in cost-benefit analyses for risk management, several gaps in knowledge still need to be addressed in future research. Keywords: flood risk, protection forests, Gantrisch region, lateral sub-surface flow, root distribution, numerical modeling. Verzeichnis der Schriftenreihe «Forum für Wissen» Forum für Wissen 2012 Alpine Schnee- und Wasserressourcen gestern, heute, morgen. 68 S. Forum für Wissen 2011 Der multifunktionale Wald – Konflikte und Lösungen. 58 S. Forum für Wissen 2010 Landschaftsqualität. Konzepte, Indikatoren und Datengrundlagen. 67 S. Forum für Wissen 2009 Langzeitforschung für eine nachhaltige Waldnutzung. 129 S. Forum für Wissen 2008 Ballungsräume für Mensch und Natur. 82 S. Forum für Wissen 2007 Warnung bei aussergewöhnlichen Naturereignissen. 96 S. Forum für Wissen 2006 Wald und Klimawandel. 71 S. Forum für Wissen 2005 Wald und Huftiere – eine Lebensgemeinschaft im Wandel. 74 S. Forum für Wissen 2004 Schutzwald und Naturgefahren. 103 S. Forum für Wissen 2000 Naturwerte in Ost und West. Forschen für eine nachhaltige Entwicklung vom Alpenbogen bis zum Ural. 87 S. Forum für Wissen 1999, 2 Nachhaltige Nutzung im Gebirgsraum. 70 S. Forum für Wissen 1999, 1 Biosphärenpark Ballungsraum. 56 S. Forum für Wissen 1998 Optimierung der Produktionskette «Holz». 87 S. Forum für Wissen 1997 Säure- und Stickstoffbelastungen – ein Risiko für den Schweizer Wald? 100 S. Forum für Wissen 1996 Wild im Wald – Landschaftsgestalter oder Waldzerstörer? 71 S. Forum für Wissen 1995 Erhaltung der Biodiversität – eine Aufgabe für Wissenschaft, Praxis und Politik. 59 S. Forum für Wissen 1994 Waldwirtschaft im Gebirge – eine ökologische und ökonomische Herausforderung. 54 S Forum für Wissen 1993 Naturgefahren. 63 S. Forum für Wissen 1992 Waldschadenforschung in der Schweiz: Stand der Kenntnisse. 162 S. Forum für Wissen 1991 Wald und Landschaft: Lebensräume schützen und nutzen. 63 S. ISSN 2296-3448