nahme verlangt werden. Dagegen braucht derjenige, de

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Materielle ZulÌssigkeitsvoraussetzungen
nahme im gegebenen Zusammenhang zugute kommt, umso mehr kann an RÏcksichtnahme verlangt werden. Dagegen braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will,
umso weniger RÏcksicht zu nehmen, je verstÌndlicher und unabweisbarer die mit dem
Vorhaben verfolgten Interessen sind. Dabei muss demjenigen, der sein eigenes GrundstÏck
in sonst zulÌssiger Weise bebauen will, insofern ein Vorrang eingerÌumt werden, als er berechtigte Interessen nicht zurÏckstellen muss, um gleichwertige fremde zu schonen. Das
gilt bei privilegiertenVorhaben verstÌrkt, weil der Gesetzgeber durch die Zuerkennung der
Privilegierung seine Interessen hÎher bewertet hat als die Interessen derer, auf die RÏcksicht
zu nehmen ist.
BehÎrden und Rechtsprechung bedienen sich fÏr die ZumutbarkeitsprÏfung durchweg
technischer Regelwerke wie der TA LÌrm, der TA Luft, der VDI-Richtlinie 3471
Schweine), der VDI-Richtlinie 3472 HÏhner) und der Geruchsimmissionsrichtlinie
GIRL). Das ist grundsÌtzlich unbedenklich. Wesentlich ist jedoch, dass die technischen
Regelwerke stets nur ein Orientierungsrahmen sein kÎnnen, aber nicht schematisch und
rechtsnormartig angewandt werden dÏrfen BVerwG, Urt. v. 21. 1. 1983, ^ 4 C 59/79 ^,
NVwZ 1983, 609; OVG Greifswald, Beschl. v. 9. 2. 1999, ^ 3 M 133/98 ^, BRS 62 Nr. 106 zur
VDI-Richtlinie 3473 Rinder); OVG LÏneburg, Beschl. v. 19. 8. 1999, ^ 1 M 2711/99 ^, BRS
62 Nr. 107 zur VDI-Richtlinie 3472 HÏhner) und OVG LÏneburg, Urt. v. 25. 3. 1994, ^ 1 K
6147/92 ^, BRS 56 Nr. 15 zur VDI-Richtlinie 3471 Schweine)). Bedenklich ist deshalb die
hÌufig zu beobachtende Praxis der BauaufsichtsbehÎrden, im Rahmen der Baugenehmigungsverfahren BauantrÌge den FachbehÎrden zur immissionsschutzrechtlichen PrÏfung
zuzuleiten und die dort nach einer normartigen PrÏfung gewonnenen Ergebnisse ohne
baurechtlicheWertung fÏr die Entscheidung zu verwerten.
Bei der PrÏfung des RÏcksichtnahmegebots kommt der Vorbelastung des NachbargrundstÏcks erhebliche Bedeutung zu. Eine erhÎhte Vorbelastung fÏhrt zu einem geringeren Grad an SchutzwÏrdigkeit und SchutzbedÏrftigkeit des betroffenen Nachbarn. Was
von einem genehmigten Betrieb an Belastungen fÏr eine benachbarte Wohnbebauung verursacht wird, mindert die SchutzwÏrdigkeit der Nachbarschaft, es sei denn, die vorhandenen Immissionen Ïberschreiten bereits die Grenze dessen, was unter BerÏcksichtigung des
Gesundheitsschutzes ertrÌglich ist. Deshalb ist das Gebot der RÏcksichtnahme nicht verletzt, wenn im Zuge eines Neubaus ein genehmigter alter Schweinestall so geÌndert wird,
dass sich insgesamt die Immissionslage verbessert; das gilt selbst dann, wenn der nach der
VDI-Richtlinie 3471 ermittelte Mindestabstand nicht eingehalten wird OVG LÏneburg,
Beschl. v. 30. 7. 1999, ^ 1 M 2870/99 ^, BauR 2000, 362).
Zumutbarkeitsfragen stellen sich nicht nur bei AbwehransprÏchen von EigentÏmern
wohngenutzter GrundstÏcke gegenÏber emittierenden Betrieben, sondern auch umgekehrt. Allerdings muss die heranrÏckende Wohnbebauung auf das Interesse eines Landwirts, seinen Betrieb in der Zukunft in den AuÞenbereich hinein zu erweitern, dann keine
RÏcksicht nehmen, wenn das Erweiterungsinteresse vage und unrealistisch ist BVerwG,
Beschl. v. 5. 9. 2000, ^ 4 B 56/00 ^, BauR 2001, 83).
Das RÏcksichtnahmegebot hat durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine Fortentwicklung erfahren, die auch fÏr AuÞenbereichsvorhaben von Relevanz
sein dÏrfte. In seinem Urteil vom 23. September 1999 ^ 4 C 6.98 ^, BRS 62 Nr. 86) hat das
Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass bei dem Zusammentreffen einer vorhandenen
emittierenden Anlage Sportplatz) und heranrÏckender Wohnbebauung den Bauwilligen
des Wohnbauvorhabens eine Obliegenheit trifft, durch Platzierung seines GebÌudes auf
dem GrundstÏck, Grundrissgestaltung und andere ihm mÎgliche und zumutbare MaÞnahmen der ,,architektonischen Selbsthilfe`` seinerseits die gebotene RÏcksicht darauf zu
nehmen, dass die Wohnnutzung nicht unzumutbaren LÌrmbelÌstigungen von Seiten der
Sportplatznutzung ausgesetzt ist. Der Anlagenbetreiber seinerseits kann nicht darauf vertrauen, dass er nur deshalb von Auflagen zum Schutz heranrÏckender Wohnbebauung vor
LÌrm verschont bleibt, weil seine Anlage zuerst entstanden ist. Die zu § 15 I 2 BauNVO
entwickelten GrundsÌtze dÏrften auf § 35 III 1 Nr. 3 BauGB Ïbertragbar sein, etwa fÏr stark
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emittierende Betriebe im Sinne des § 35 I Nr. 4 BauGB und heranrÏckende Wohnbebauung. Das in der Entscheidung deutlich werdende VerstÌndnis des RÏcksichtnahmegebots
verfolgt das Ziel, die Nutzung beider GrundstÏcke fÏr den vorgesehenen Zweck zu ermÎglichen, indem es die Nachbarn im Rahmen der Zumutbarkeit gegenseitig zur Schaffung
der Voraussetzungen einer Koexistenz verpflichtet. Das Gebot der RÏcksichtnahme verschafft damit nicht nur einen vorhabenbezogenen Abwehranspruch, sondern nimmt zunÌchst den potentiellen Anspruchsinhaber in die nachbarliche) Pflicht.
d) Unwirtschaftliche Aufwendungen, § 35 III 1 Nr. 4 BauGB. Úffentliche Belange 196
werden beeintrÌchtigt, wenn das Vorhaben unwirtschaftliche Aufwendungen fÏr StraÞen
oder andere Verkehrseinrichtungen, fÏr Anlagen der Versorgung oder Entsorgung, fÏr die
Sicherheit oder Gesundheit oder fÏr sonstige Aufgaben erfordert. Unwirtschaftliche Aufwendungen werden durch ein Vorhaben ausgelÎst, wenn seine Genehmigung ErschlieÞungsanlagen oder neue Aufgaben zur Folge hÌtte, deren Herstellung oder Ûbernahme
zum Aufgabenkreis der Gemeinde oder anderer Îffentlicher TrÌger gehÎren wÏrde
BVerwG, Beschl. v. 5. 1. 1996, ^ 4 B 306/95 ^, BRS 58 Nr. 91 zur ErschlieÞung von Windenergieanlagen). Die Aufwendungen sind unwirtschaftlich, wenn sie in einem MissverhÌltnis zu dem erzielbaren Nutzen stehen oder wenn sie den Haushalt des ErschlieÞungstrÌgers in unzumutbarer Weise oder zu einem nach der Finanzplanung ungeeigneten
Zeitpunkt belasten. Hierbei sind nicht nur die Kosten fÏr die Fertigstellung, sondern auch
die Unterhaltungskosten zu berÏcksichtigen. In der Praxis wird hÌufig eine LÎsung Ïber
stÌdtebauliche VertrÌge gesucht, in denen sich der Bauherr verpflichtet, sich an den Herstellungs- und Unterhaltungskosten der ErschlieÞungsanlagen zu beteiligen.
e) Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege, des Bodenschutzes, des 197
Denkmalschutzes, natÏrliche Eigenart der Landschaft und ihr Erholungswert, Ortsund Landschaftsbild, § 35 III 1 Nr. 5 BauGB. Die Vorschrift hat eine eigenstÌndige Be-
deutung gegenÏber den bundes- und landesrechtlichen Spezialregelungen. Die im Einzelnen aufgefÏhrten Belange sind nicht stets sauber voneinander zu trennen und kÎnnen
sich teilweise Ïberlagern, etwa hinsichtlich der Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege sowie der natÏrlichen Eigenart der Landschaft.
Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege sind rechtlich) beeintrÌchtigt, 198
wenn das Vorhaben im Schutzbereich eines Landschafts- oder Landschaftsrahmenplanes
liegt und die Voraussetzungen einer Ausnahmegenehmigung nicht vorliegen. Sie sind ferner tatsÌchlich) beeintrÌchtigt, wenn eine fÎrmliche Unterschutzstellung zwar nicht oder
noch nicht stattgefunden hat, die Ziele und GrundsÌtze des Naturschutzes und der Landschaftspflege im Sinne der §§ 1 und 2 BNatSchG aber negativ getroffen werden BVerwG,
Urt. v. 13. 4. 1984, ^ 4 C 69/80 ^, NVwZ 1985, 340). Belange des Naturschutzes und der
Landschaftspflege zielen darauf, die LeistungsfÌhigkeit des Naturhaushalts, die NutzfÌhigkeit der NaturgÏter, die Tier- und Pflanzenwelt sowie die Vielfalt, Eigenart und SchÎnheit
von Natur und Landschaft als Lebensgrundlagen des Menschen nachhaltig zu sichern. FÏr
AuÞenbereichsvorhaben ist die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung des § 18 BNatSchG
anzuwenden. Die Entscheidungen nach § 35 I und IV BauGB dÏrfen nur im Benehmen
nicht EinverstÌndnis) mit den fÏr Naturschutz und Landschaftspflege zustÌndigen BehÎrden ergehen, § 21 III BNatSchG.
Eine Reihe neuer Probleme ergeben sich im Zusammenhang mit der Richtlinie 93/43 199
EWG des Rates der EuropÌischen Gemeinschaft zur Erhaltung der natÏrlichen LebensrÌume sowie der wild lebenden Tiere und Pflanzen Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie/
FFH-RL), die in ErgÌnzung der bereits 1979 erlassenen Richtlinie Ïber die Erhaltung der
wild lebenden Vogelarten Vogelschutz-Richtlinie/VRL) ergangen ist. Das Gemeinschaftsrecht hat es sich zum Ziel gesetzt, durch die Einrichtung eines Netzes besonderer
Schutzgebiete Natura 2000) und die BegrÏndung eines strengen Schutzregimes GewÌhr
fÏr eine wirksame Sicherung der LebensrÌume bedrohter Tier- und Pflanzenarten zu bieten. FÏr Vorhaben im AuÞenbereich kann daher eine habitatschutzrechtliche VertrÌglichEL 22
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keitsprÏfung gem. § 34 BNatSchG erforderlich sein. Danach sind Projekte vor ihrer Zulassung oder DurchfÏhrung auf ihre VertrÌglichkeit mit den Erhaltungszielen eines FFHoder Vogelschutzgebietes zu ÏberprÏfen.
Bis zu ihrer ordnungsgemÌÞen Unterschutzstellung gilt fÏr faktische Vogelschutzgebiete ein BeeintrÌchtigungs- und StÎrungsverbot OVG Weimar, Urt. v. 29. 5. 2007, ^ 1 KO
1054/03 ^, NUR 2007, 757; OVG Mainz, Urt. v. 16. 3. 2006, ^ 1 K 2012/04 ^, juris). Von
einem faktischen Vogelschutzgebiet ist auszugehen, wenn es aus ornithologischer Sicht fÏr
die Erhaltung der in der VRL aufgefÏhrten Vogelarten von so herausragender Bedeutung
ist, dass es in dem Mitgliedsstaat zu den zahlen- und flÌchenmÌÞig geeignetsten im Sinne
der VRL gehÎrt.
Ein vorgezogener Schutz gilt auch fÏr potenzielle FFH-Gebiete. Potenzielle FFHGebiete sind die FlÌchen, fÏr die die sachlichen Kriterien der FFH-RL erfÏllt sind, also die
vorhandenen Lebensraumtypen eindeutig den Merkmalen der FFH-RL entsprechen, so
dass sich die Gebietsmeldung aufdrÌngt. MaÞgeblich dafÏr sind nach der Rechtsprechung
allein naturschutzfachliche Kriterien. Kommunal-)Politische oder wirtschaftliche Gesichtspunkte haben ebenso auÞer Betracht zu bleiben wie sonstige ZweckmÌÞigkeitserwÌgungen.
Die MaÞstÌbe fÏr die VertrÌglichkeit eines Vorhabens ergeben sich aus den besonderen
Erhaltungszielen fÏr das jeweilige Gebiet von gemeinschaftlicher Bedeutung OVG BerlinBrandenburg, Beschl. v. 29. 11. 2005, ^ 2 S 115.05 ^, BauR 2006, 1100). Soweit bereits eine
Schutzgebietsausweisung vorliegt, ergeben sich die MaÞstÌbe fÏr die VertrÌglichkeit aus
dem besonderen Schutzzweck und den dazu erlassenen Geboten und Verboten sowie aus
den fÏr die EuropÌische Kommission erstellten Meldeunterlagen. Liegt noch keine Schutzgebietsausweisung vor, so sind auch andere fachliche Vorgaben des Naturschutzes und der
Landschaftspflege fÏr das betreffende Gebiet heranzuziehen. Gegebenenfalls ist eine spezielle Stellungnahme mit Gebietsbeschreibung von der LandschaftsbehÎrde einzuholen.
Stellt die jeweilige PrÏfung der VertrÌglichkeit des Vorhabens erhebliche BeeintrÌchtigungen des Gebietes fest, ist es grundsÌtzlich unzulÌssig. Bei einer regulÌren UnzulÌssigkeit kann nach einer habitatschutzrechtlichen SonderprÏfung das Vorhaben nur noch
ausnahmsweise zugelassen werden. Es ist dann zunÌchst das Bestehen einer zumutbaren
Alternative zu prÏfen. In Betracht kommt sowohl die Wahl eines anderen Standortes als
auch eine andere Art der AusfÏhrung. Bei der Zumutbarkeit einer Alternative ist der
Grundsatz der VerhÌltnismÌÞigkeit zu beachten; Kostengesichtspunkte sind angemessen zu
berÏcksichtigen. Gibt es keine zumutbare Alternative, muss das Projekt aus ,,zwingenden
GrÏnden des Ïberwiegenden Îffentlichen ^ nicht privaten ^ Interesses, einschlieÞlich
solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art, notwendig`` sein, um zugelassen werden zu
kÎnnen.
Nicht von minderer Bedeutung fÏr die ZulÌssigkeit ist das immer mehr in den Mittelpunkt der Beachtung rÏckende Arten- und Biotopschutzrecht. Die Verbote des besonderen und strengen Artenschutzrechtes § 42 Abs. 1 BNatSchG) gelten auch fÏr Vorhaben
nach § 35 BauGB. Eine Ausnahme oder eine Befreiung ist nur unter engen Voraussetzungen mÎglich. Ebenso findet der gesetzliche Biotopschutz z. B. § 62 LG NRW) auf Vorhaben nach § 35 BauGB unmittelbar Anwendung. Es ist regelmÌÞig verboten, die Biotope
zu zerstÎren oder erheblich oder nachhaltig zu beeintrÌchtigen. Ausnahmen kÎnnen nur
zugelassen werden bei Ïberwiegenden GrÏnden des Gemeinwohls und/oder wenn die BeeintrÌchtigungen ausgeglichen werden kÎnnen. Neben diesen engen Ausnahmen kÎnnen
im Einzelfall auch BefreiungsmÎglichkeiten bestehen vgl. zu § 69 LG NRW OVG MÏnster,
Urt. v. 5. 9. 2006, ^ 8 A 1971/04 ^, ZfBR 2006, 789).
Die Entscheidung, dass eine VertrÌglichkeitsprÏfung durchzufÏhren ist, kann durch den
Bauherrn nicht mit Widerspruch und Anfechtungsklage angefochten werden. Es handelt
sich dabei um eine Verfahrenshandlung im Sinne des § 44 a VwGO. Wird jedoch eine VertrÌglichkeitsprÏfung mit einem fÏr den Bauherrn negativen Ergebnis durchgefÏhrt und
deshalb die beantragte Baugenehmigung abgelehnt, hat der Bauherr die MÎglichkeit, nach
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erfolgloser DurchfÏhrung des Widerspruchsverfahrens Verpflichtungsklage zu erheben; in
diesem Rahmen hat das Gericht bei Vorliegen entsprechender Anhaltspunkte der Frage
nachzugehen, ob Ïberhaupt eine VertrÌglichkeitsprÏfung durchzufÏhren war. Allerdings
dÏrfte der Fall selten sein, dass nach DurchfÏhrung einer fÏr den Bauherrn negativen VertrÌglichkeitsprÏfung das Gericht zu der Annahme kommt, es hÌtte keine PrÏfungsveranlassung bestanden.
Belange des Bodenschutzes sind mit dem BauROG 1998 erstmals in den Katalog der
Îffentlichen Belange aufgenommen worden. Hier kann auf die Begriffsbestimmungen des
BBodSchG zurÏckgegriffen werden. Ziel ist die Vorbeugung vor schÌdlichen BodenverÌnderungen. Belange des Bodenschutzes sind die Erhaltung oder Wiederherstellung der in
§ 2 II BBodSchG aufgefÏhrten Bodenfunktionen.
Belange des Denkmalschutzes haben zwar eine eigenstÌndige bodenrechtliche Bedeutung, spielen aber in der Baugenehmigungspraxis neben den speziellen Vorschriften in den
Denkmalschutzgesetzen der LÌnder nur eine untergeordnete Rolle.
Der Begriff der natÏrlichen Eigenart der Landschaft umfasst den Schutz des AuÞenbereichs vor einer wesensfremden Nutzung WochenendhÌuser und Campinganlagen)
und den Schutz einer im Einzelfall schutzwÏrdigen Landschaft vor Ìsthetischer BeeintrÌchtigung BVerwG, Beschl. v. 22. 8. 1988, ^ 4 CB 28/88 ^, juris). Eine Ìhnliche Schutzfunktion
hat der Erholungswert der Landschaft fÏr die Allgemeinheit. Ist eine AuÞenbereichsflÌche,
die sich nicht weit ausdehnt, rundum von Bebauung umgeben und deshalb nicht fÏr die
land- oder forstwirtschaftliche Nutzung und auch nicht als Erholungslandschaft geeignet,
so beeintrÌchtigt ihre Bebauung nicht die Erholungsfunktion der Landschaft BVerwG,
Beschl. v. 8. 9. 1977, ^ 4 B 41.77 ^, BauR 1977, 403). Øhnliches gilt, wenn bereits eine erhebliche Zahl von Landschaftseingriffen vorliegt; es bedarf dann besonderer BegrÏndung, dass
durch ein neues Vorhaben die natÏrliche Eigenart der Landschaft beeintrÌchtigt wird
BVerwG, Urt. v. 24. 8. 1979, ^ 4 C 8.78 ^, BRS 35 Nr. 69). Die Berufung auf die Kunstfreiheit des Art. 5 III 1 GG hindert nicht daran, die Baugenehmigung fÏr das Aufstellen von
Monumentalfiguren im AuÞenbereich wegen einer BeeintrÌchtigung der natÏrlichen
Eigenart der Landschaft zu versagen; die Kunstfreiheit erfÌhrt ihrerseits durch Art. 2 II und
20 a GG Schranken, deren einfachgesetzliche Ausformung auch § 35 BauGB darstellt. § 35
III BauGB muss bei einem Konflikt verfassungsrechtlicher Ziele und Rechte im Sinne der
Wechselwirkungslehre ausgelegt werden BVerwG, Beschl. v. 13. 4. 1995, ^ 4 B 70/95 ^,
DVBl. 1995, 1008).
Das Ortsbild kann durch den Standort, die Art und die GrÎÞe des Vorhabens oder die
Verschandelung der Ortssilhouette verunstaltet werden OVG MÏnster, Urt. v. 16. 3. 1976, ^
7 A 556/75 ^, BRS 30 Nr. 70). Unerheblich ist dagegen die Ìsthetische Wirkung des Vorhabens selbst; eine harmonische Beziehung zur vorhandenen Bebauung ist nicht erforderlich
BVerwG, Urt. v. 22. 6. 1990, ^ 4 C 6/87 ^, NVwZ 1991, 64). Eine Verunstaltung des Landschaftsbildes ist anzunehmen, wenn die Bebauung der Umgebung grob unangemessen
ist. Die Errichtung von SchweinemaststÌllen in einer bisher von Bebauung freien Flussniederung an exponierter Stelle erfÏllt diese Voraussetzungen. Die Verunstaltung des Landschaftsbildes kann auch einem landwirtschaftlichen BetriebsgebÌude entgegenstehen,
wenn der Landwirt das Vorhaben an anderer Stelle, nÌmlich in unmittelbarer HofnÌhe, errichten kÎnnte OVG MÏnster, Beschl. v. 4. 7. 2000, ^ 10 A 3377/98 ^, BauR 2001, 223).
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f) Verbesserung der Agrarstruktur, Wasserwirtschaft, § 35 III 1 Nr. 6 BauGB. MaÞ- 210
nahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur sind insbesondere die Flurbereinigung, der
freiwillige Landtausch und die VergrÎÞerung und Aussiedlung land- und forstwirtschaftlicher Betriebe SÎfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, § 35, Rn. 101). WÏrde ein sonstiges Vorhaben die DurchfÏhrung der Flurbereinigung gefÌhrden, kÎnnte dies Îffentliche
Belange beeintrÌchtigen.
Dem Belang der Wasserwirtschaft kommt auch in Anbetracht des § 35 III 1 Nr. 2 BauGB 211
eigenstÌndige Bedeutung zu und zwar dann, wenn ein wasserwirtschaftlicher Plan nach
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Materielle ZulÌssigkeitsvoraussetzungen
§§ 36, 36 b WHG nicht vorliegt. Die Nr. 6 stellt sich im VerhÌltnis zu Nr. 2 als eine Art
Auffangtatbestand dar. Der Umstand, dass keine rechtsfÎrmlich abgeschlossene wasserrechtliche Planung vorliegt, hindert nicht die Annahme, einem AuÞenbereichsvorhaben
stehe der Îffentliche Belang der GefÌhrdung der Wasserwirtschaft entgegen VGH Mannheim, Beschl. v. 20. 1. 2000, ^ 8 S 137/00 ^, NVwZ-RR 2001, 369 fÏr ein Ûberschwemmungsgebiet). Ein Vorhaben kann unzulÌssig sein, wenn dadurch die Trinkwasserversorgung gefÌhrdet wird VG Freiburg, Urt. v. 20. 9. 1995, ^ 2 K 910/93 ^, ZfW 1997, 60) oder
wenn es sonst zu GewÌsserverunreinigungen kommen kann. Der Entwurf einer Wasserschutzgebietsverordnung kann sich unter der Voraussetzung, dass die geologischen und die
hydrologischen VerhÌltnisse entsprechende SchlÏsse rechtfertigen, als Indiz dafÏr werten
lassen, dass ein Bauvorhaben, das den kÏnftigen Schutzzielen zuwiderlÌuft, die Wasserwirtschaft gefÌhrdet BVerwG, Urt. v. 12. 4. 2001, ^ 4 C 5/00 ^, BauR 2001, 1701).
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g) Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung, § 35 III 1
Nr. 7 BauGB. Durch diesen Belang soll die Entwicklung unorganischer Siedlungsstrukturen und damit die Zersiedelung des AuÞenbereichs verhindert werden. Der gesetzlich
nicht definierte Begriff ist als GegenstÏck zu dem im Zusammenhang bebauten Ortsteil
im Sinne des § 34 BauGB zu sehen und von ihm abzugrenzen. WÌhrend der Ortsteil ein
Bebauungskomplex ist, der nach der Zahl der vorhandenen Bauten ein gewisses Gewicht
besitzt und Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur ist BVerwG, Urt. v. 6. 11. 1968,
^ 4 C 31.66 ^, BVerwGE 31, 22), besteht eine Splittersiedlung aus einer Ansammlung
von GebÌuden, wobei die Zahl der Bauwerke kein stÌdtebaulich beachtliches Gewicht hat
und die Bebauung auch nicht Ausdruck einer organischen herkÎmmlichen) Siedlungsstruktur ist. Die regellose Ansammlung von GebÌuden ist nicht notwendiges Merkmal
der Splittersiedlung; auch eine ÌuÞerlich geordnete Anordnung von GebÌuden, etwa eine
einseitige StraÞenrandbebauung, kann Splittersiedlung sein. Entscheidend ist vielmehr,
dass fÏr den GebÌudekomplex keine vernÏnftigen stÌdtebaulichen Ordnungsgesichtspunkte maÞgebend sind. Ob eine Bebauung eine Splittersiedlung und damit AuÞenbereich oder Ortsteil und damit bebauungsrechtlicher Innenbereich ist, beurteilt sich nach
der Siedlungsstruktur im Gebiet der jeweiligen Gemeinde BVerwG, Beschl. v. 19. 9. 2000,
^ 4 B 49/00 ^, BauR 2001, 79). Das Problem stellt sich u. a. bei BauwÏnschen in der NÌhe
einer Gemeindegrenze, wenn in der Gemeinde des Bauherrn lediglich Siedlungssplitter
vorhanden sind, wÌhrend in der benachbarten Gemeinde bereits verdichtete Bebauung
prÌgend ist. Da eine Gemeinde kaum eine MÎglichkeit hat, das HeranrÏcken eines bebauten Ortsteils einer Nachbargemeinde an ihren AuÞenbereich planerisch zu verhindern,
verbietet es sich, fÏr die siedlungsstrukturelle Bewertung vorhandener Bebauung einen
anderen rÌumlichen Bezugsrahmen zugrunde zu legen, als er fÏr die Planungshoheit maÞgebend ist BVerwG, Urt. v. 3. 12. 1998, ^ 4 C 7/98 ^, BRS 60 Nr. 81).
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Streubebauung vermittelt nicht den Eindruck von Geschlossenheit. In seltenen FÌllen
ist es gleichwohl gerechtfertigt, Streubebauung nicht als Vorgang der Zersiedelung zu werten. Das setzt voraus, dass sich die Siedlungsart im AuÞenbereich als herkÎmmliche Siedlungsform darstellt; die Rechtsprechung hat die Voraussetzungen in engen Grenzen fÏr den
Schwarzwald VGH Mannheim, Urt. v. 19. 3. 1970, ^ III 108/67 ^, BRS 23 Nr. 83) und fÏr
niedersÌchsische MoordÎrfer bejaht BVerwG, Beschl. v. 25. 3. 1986, ^ 4 B 41/86 ^, BRS 46
Nr. 66).
Unter Entstehung einer Splittersiedlung ist ein Vorgang zu verstehen, durch den die
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Zersiedelung eingeleitet wird. Das ist schon wegen der Vorbildwirkung regelmÌÞig bei der
ersten Errichtung eines Wohnhauses der Fall. ZersiedelungsansÌtze werden jedoch nicht
nur durch eine Wohnnutzung, sondern auch durch gewerblichen Zwecken dienende GebÌude eingeleitet BVerwG, Urt. v. 19. 6. 1976, ^ 4 C 42.74 ^, BauR 1976, 344). Die Entstehung einer Splittersiedlung kann ferner durch die ,,breiartige Ausuferung``eines Ortsteils in
den AuÞenbereich bewirkt werden, also durch eine Anschlussbebauung an den unbeplanten Innenbereich BVerwG, Urt. v. 25. 1. 1985, ^ 4 C 29/81 ^, NVwZ 1985, 747).
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Erweiterung einer Splittersiedlung ist die rÌumliche Ausdehnung in eine bisher nicht 215
in Anspruch genommene FlÌche, Verfestigung hingegen die AuffÏllung des bisher schon in
Anspruch genommenen rÌumlichen Bereichs durch eine VergrÎÞerung des Baubestandes.
Die Erweiterung kann auch durch den Bau einer Doppelgarage und nicht nur durch ein
zum Aufenthalt von Menschen bestimmtes GebÌude erfolgen BVerwG, Urt. v. 12. 3. 1998, ^
4 C 10/97 ^, NVwZ 1998, 842). Verfestigung tritt ein durch die Errichtung einer weiteren
Wohnung BVerwG, Urt. v. 27. 8. 1998, ^ 4 C 13/97 ^, NVwZ-RR 1999, 295), durch die Ersetzung aufgestellter Wohnwagen durch feste Bebauung BVerwG, Urt. v. 3. 4. 1987, ^ 4 C
43.84 ^, BRS 47 Nr. 76) oder wenn aus einer Ansammlung von GebÌuden, die kein im
Zusammenhang bebauter Ortsteil sind, durch Bebauung der ZwischenrÌume ein solcher
Ortsteil entsteht BVerwG, Beschl. v. 11. 10. 1999, ^ 4 B 77.99 ^, BRS 62 Nr. 118).
Das AuffÏllen einer BaulÏcke muss nicht notwendig zur Verfestigung einer Splitter- 216
siedlung fÏhren. Sie tut es dann nicht, wenn sich ein Wohnbauvorhaben der vorhandenen
Bebauung unterordnet, sich ^ ohne zusÌtzliche AnsprÏche oder Spannungen auszulÎsen ^
organisch in eine bestehende BaulÏcke einfÏgt und wenn es keine Vorbildwirkung hat
BVerwG, Beschl. v. 27. 10. 2004, ^ 4 B 74/04 ^, BauR 2005, 702; OVG MÏnster, Urt. v.
27. 2. 1996, ^ 11 A 1897/94 ^, BauR 1996, 688). Øhnliche Voraussetzungen gelten fÏr den zulÌssigen Ausbau eines Dachgeschosses.
FÏr die Frage, ob ein Vorhaben im AuÞenbereich Vorbild fÏr weitere Vorhaben ist, 217
kommt es nicht auf eine abschlieÞende bauplanungsrechtliche PrÏfung zu befÏrchtender
Folgevorhaben, insbesondere nicht auf die PrÏfung einer etwaigen BeeintrÌchtigung anderer Îffentlicher Belange durch ein Folgevorhaben an BVerwG, Beschl. v. 2. 9. 1999, ^ 4 B
27.99 ^, BRS 62 Nr. 117). BehÎrden und Gerichte mÏssen deshalb nicht im Rahmen eines
Baugenehmigungsverfahrens unter dem Aspekt der Vorbildwirkung eine VollprÏfung
anderer, zumal in ihrer konkreten Ausgestaltung noch gar nicht bekannter AuÞenbereichsvorhaben vornehmen. Es reicht vielmehr aus, dass AntrÌge fÏr Folgevorhaben nicht auszuschlieÞen und nicht abwegig sind. Folgevorhaben mÏssen allerdings in der besagten Splittersiedlung drohen und nicht irgendwo im Gemeindegebiet. BaugenehmigungsbehÎrde
und WiderspruchsbehÎrde sollten die negative Folgewirkung in ablehnenden Bescheiden
prÌzisieren und damit nachvollziehbar machen; der stereotype Hinweis auf mÎgliche Folgevorhaben reicht nicht aus.
h) FunktionsfÌhigkeit von Funkstellen und Radaranlagen, § 35 III 1 Nr. 8 BauGB. 218
Ziel des § 35 III 1 Nr. 8 BauGB ist es, den Schutz der FunktionsfÌhigkeit von Funkstellen
und Radaranlagen als eigenstÌndigen Îffentlichen Belang hervorzuheben, obwohl der
Bundesminister fÏr Verteidigung bereits nach dem Schutzbereichsgesetz Schutzbereichszonen festlegen kann. Im Schutzbereich einer militÌrischen Radaranlage darf z. B. eine
Windenergieanlage ohne besondere Genehmigung nicht errichtet werden. Problematisch
ist jedoch, dass die Anordnung des Schutzbereiches nur eingeschrÌnkt bekannt gegeben
wird. Die Anordnungen werden nicht in einem Amtsblatt verÎffentlicht. Der Schutz der
Funkstellen soll vor allem den Belangen der Flugsicherheit dienen. Zur FunktionsfÌhigkeit dieser Anlagen gehÎrt ein hohes MaÞ an VerlÌsslichkeit, so dass es genÏgt, wenn eine
StÎrung zu befÏrchten ist.
DarÏber hinaus soll die FunktionsfÌhigkeit von Radaranlagen geschÏtzt werden. Diese
dienen in aller Regel der groÞrÌumigen Ûberwachung des Luftraumes und haben vielfach
eine militÌrische Zielsetzung, sie dienen aber unter UmstÌnden auch der allgemeinen
Flugsicherheit.
8. Die begÏnstigten Vorhaben, § 35 IV BauGB
Die Vorschrift ist durch das BauROG 1998 zum Teil neu gefasst worden und integriert 219
die zuvor in § 4 III BauGB-MaÞnG enthaltenen BegÏnstigungstatbestÌnde. Sie ist vor allem im Lichte des Eigentumsgrundrechts zu sehen. § 35 IV BauGB stellt eine gesetzliche
EL 22
Tyczewski/Freund
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