Öffentliches Baurecht_Übersicht_01
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Öffentliches Baurecht_Übersicht_01
Konversatorium für Fortgeschrittene im Öffentlichen Recht - Baurecht Überblick über wichtige Begriffe und Definitionen − Bauplanungsrecht: Bauplanungsrechtliche Normen (Städtebaurecht od. Stadtplanungsrecht), regeln die Vorbereitung und Leitung der baulichen und sonstigen Nutzungen der Grundstücke, insbesondere durch Pläne, welche die Rechtsqualität des Bodens festlegen. Rechtsquellen: insbesondere §§ 29-36 BauGB, Festsetzungen im Bebauungsplan, sowie ergänzend die BauNVO Kurz: Bauplanungsrecht ist flächenbezogenes Recht der angemessenen Bodennutzung − Bauordnungsrecht: Das Bauordnungsrecht befasst sich mit den baulich technischen Anforderungen an ein konkretes Bauvorhaben und regelt in erster Linie die Abwehr von Gefahren, die typischerweise von der Errichtung, dem Bestand und der Nutzung baulicher Anlagen ausgehen. Rechtsquellen: BayBO Kurz: Bauordnungsrecht ist objektbezogenes Sonderordnungsrecht − Bauleitplan: Die Bauleitplanung regelt die allgemeine Nutzung der Grundstücke in der Gemeinde. Bauleitpläne sind gem. § 1 II BauGB der Flächennutzungsplan und der Bebauungsplan. a) Kennzeichen des Flächennutzungsplans: vorbereitende Bauleitplanung, d.h. Darstellung der beabsichtigten Art der Bodennutzung in den Grundzügen (§ 5 I 1 BauGB), Rechtsnatur = Maßnahme bzw. Willensäußerung sui generis → Bauherr oder Nachbar können die Rechtmäßigkeit bzw. die Wirksamkeit des Flächennutzungsplans nur im Wege der Inzidentkontrolle überprüfen lassen. [Anmerkung: Eine Ausnahme besteht nach BVerwG, NVwZ 2007, 1081 wenn die Darstellungen im Flächennutzungsplan Konzentrationsflächen für Windenenergieanlagen i.S.d. § 35 III 3 BauGB ausweisen. Dann ist § 47 I Nr. 1 VwGO analog heranzuziehen, da der FN-Plan in diesen Fällen Rechtsnormwirkung vergleichbar einem Bebauungsplan entfaltet.] 2 b) Kennzeichen des Bebauungsplans: verbindliche Bauleitplanung, d.h. rechtsverbindliche Festsetzungen für die städtebauliche Ordnung, die aus dem Flächennutzungsplan zu entwickeln sind, Rechtsnatur = Satzung, § 10 I BauGB → Bauherr und Nachbar können die Rechtmäßigkeit sowohl inzident, als auch prinzipal über § 47 VwGO überprüfen lassen. − Die Baugenehmigung: Die Baugenehmigung in Art. 68 BayBO dient der präventiven Kontrolle von Bauvorhaben. Der Bauherr hat nach Art. 68 I BayBO einen gebundenen Anspruch auf Erteilung des VA, wenn dem Bauvorhaben keine Vorschriften entgegenstehen, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind. Beachte: Die Baugenehmigung ist nur eine beschränkte Unbedenklichkeitsbescheinigung, da im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren nur die in Art. 59 bzw. 60 BayBO genannten Vorschriften zu prüfen sind. → Liegt ein Verstoß bspw. gegen andere bauordnungsrechtliche Vorschriften vor, besteht trotz Baugenehmigung ggf. kein Recht zum Bauen. Voraussetzungen für die Erteilung der Baugenehmigung, Art. 68 BayBO: A. Formelle Genehmigungsvoraussetzungen 1. Zuständigkeit a) sachlich, Art. 53 I S. 2 BayBO b) örtlich, Art. 3 I Nr. 1 BayVwVfG 2. Bauantrag, Art. 64 BayBO 3. Nachbarbeteiligung, Art. 66 BayBO B. Genehmigungspflicht 1. Ausgangspunkt: Art. 55 BayBO 2. Verfahrensfreiheit, Art 57 BayBO 3. Genehmigungsfreistellung, Art. 58 BayBO C. Genehmigungsfähigkeit 1. ggf. Bindung der Verwaltung (Bsp. öff.-rechtl. Verträge) 2. Prüfungsmaßstab Art. 59 oder 60 BayBO → Abgrenzungskriterium: Liegt Sonderbau gem. Art 2 IV BayBO vor. a) Vereinfachtes Verfahren, Art. 59 BayBO → Prüfung der in Art. 59 BayBO genannten Vorschriften, d.h. insbesondere Bauplanungsrecht (§§ 29-38 BauGB) b) Baugenehmigungsverfahren, Art. 60 BayBO→ Prüfung der in Art. 60 BayBO genannten Vorschriften, d.h. zusätzlich auch Bauordnungsrecht 3 − Bauliche Anlage: Der Begriff der (baulichen) Anlage nach Art. 2 I BayBO und der der baulichen Anlage nach § 29 I BauGB sind zwingend zu unterscheiden. (Grund: unterschiedliche Zielverfolgung von Bauordnungsrecht und Bauplanungsrecht) Die Definition der baulichen Anlage aus den Landesbauordnungen darf daher nicht im Rahmen des BauGB verwendet werden. a) bauliche Anlage i.S.v. Art 2 I BayBO: siehe Legaldefinition b) bauliche Anlage i.S.v. § 29 I BauGB: Bauliche Anlagen, sind alle Anlagen, die in einer auf Dauer gedachten Weise künstlich mit dem Erdboden verbunden sind und bodenrechtliche Relevanz aufweisen. Diese ist gegeben, wenn das Vorhaben die in § 1 Abs. 5 und 6 BauGB genannten Belange in einer Weise berührt oder berühren kann, „die geeignet ist, das Bedürfnis nach einer ihre Zulässigkeit regelnden verbindlichen Bauleitplanung hervorzurufen“ (BVerwGE 44, 59, 62); Kurz: nicht bei sog. Bagatellanlagen wie kleinen Werbetafeln oder Litfaßsäulen. − Planungsrechtliche Lagemöglichkeiten eines Grundstücks: Bebauungsplangebiet, § 30 BauGB Unbeplanter Unbeplanter (ggf. in Aufstellung, § 33 BauGB) Innenbereich, Außenbereich, § 34 BauGB § 35 BauGB Qualifizierter Vorhabenbezogener Einfacher B- B-Plan, B-Plan, Plan, § 30 I BauGB § 30 II BauGB § 30 III BauGB a) Bereich eines qualifizierten Bebauungsplans, § 30 I BauGB: Er liegt vor, wenn mindestens Festsetzungen über die Art und das Maß der baulichen Nutzung, die überbaubaren Grundstücksflächen und die örtlichen Verkehrsflächen i.S.d. BauNVO enthalten sind. Voraussetzungen für die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit von Vorhaben: 1. kein Widerspruch zu den Festsetzungen des Bebauungsplans a) Festsetzungen über die Art der baulichen Nutzung, §§ 1-15 BauNVO b) Festsetzungen über das Maß der baulichen Nutzung, §§ 16-21a BauNVO c) Festsetzungen über die überbaubaren Grundstücksflächen § 23 BauNVO 4 d) Festsetzungen über die örtlichen Verkehrsflächen, § 9 I Nr. 11 BauGB 2. Erschließung gesichert → Erschließung verlangt die Gewährleistung eines Anschlusses an das öffentliche Straßennetz, der Versorgung mit Energie und Wasser und der Abwasserversorgung. „Gesichert“ ist sie, soweit nach objektiven Kriterien nach aller Erfahrung damit gerechnet werden kann, dass die Erschließungsanlagen spätestens bis zur Fertigstellung des anschließenden Vorhabens benutzbar sein werden (BVerwG, DVBl. 1986, 685). b) Bereich eines einfachen Bebauungsplans, § 30 III BauGB: Er liegt vor, wenn mindestens eine der Voraussetzungen des § 30 I BauGB nicht enthalten ist. Voraussetzungen für die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit von Vorhaben: 1. kein Widerspruch zu den Festsetzungen des Bebauungsplans 2. Erschließung gesichert 3. § 34 bzw. § 35 BauGB, soweit der einfache B-Plan keine Festsetzungen enthält. c) Unbeplanter Innenbereich, § 34 BauGB: Er liegt vor, wenn: a) kein (qualifizierter) Bebauungsplan besteht, b) und ein im Zusammenhang bebauter Ortsteil vorliegt. → „Ortsteil“: Ein Ortsteil liegt vor, wenn ein Bebauungskomplex im Gebiet einer Gemeinde nach der Zahl der vorhandenen Bauten ein gewisses Gewicht besitzt und Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur ist. Nicht ausreichend ist eine bloße Splittersiedlung, die nur aus wenigen Gebäuden besteht, deren räumlich Zuordnung eher zufällig erscheint, also keine gewachsenen baulichen Strukturen aufweist (BVerwGE 31, 22). → „Im Zusammenhang bebaut“ ist ein Ortsteil soweit eine tatsächlich aufeinanderfolgende Bebauung vorhanden ist. Baulücken sind so lange unerheblich, wie der Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit erhalten bleibt. 5 Voraussetzungen für die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit von Vorhaben: 1. Einfügen in die Eigenart der näheren Umgebung a) Bzgl. der Art der baulichen Nutzung aa) § 34 II BauGB: Entspricht der zu beurteilende Bereich nach der Eigenart der näheren Umgebung einem der in der BauNVO beschriebenen Baugebiete, so ist bzgl. der Art der baulichen Nutzung allein die entsprechende Anwendung der BauNVO maßgebend (sog. faktisches Baugebiet). bb) § 34 I 1 BauGB: Wenn sich aus den unterschiedlichen Nutzungen im zu beurteilenden Bereich eine Gemengelage ergibt, die in keinem der Baugebiete der BauNVO geplant werden könnte, muss sich das Vorhaben in die Eigenart der näheren Umgebung einfügen. Dies ist grds. nur dann der Fall, wenn es sich in dem für die nähere Umgebung prägenden Rahmen bewegt. b) Bzgl. Maß der baulichen Nutzung, Bauweise, überbaute Fläche 2. Erschließung gesichert 3. § 34 I 2 BauGB (Gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse, keine Beeinträchtigung des Ortsbildes) 4. § 34 III BauGB (Keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche) d) Außenbereich, § 35 BauGB: Er liegt vor, wenn: a) kein (qualifizierter) Bebauungsplan besteht, b) und kein Innenbereich i.S.d. § 34 BauGB vorliegt. Voraussetzungen für die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit von Vorhaben: 1. Privilegierte Vorhaben, § 35 I BauGB a) Vorhaben i.S.d. § 35 I Nr. 1-6 BauGB b) Öffentliche Belange stehen nicht entgegen, § 35 III 1, II BauGB c) Ausreichende Erschließung gesichert, § 35 I BauGB d) [ggf. sind §§ 35 III 3, 35 V 1, 35 V 2 und 36 I 1 BauGB zu beachten.] 2. Sonstige Vorhaben, § 35 II BauGB a) kein privilegiertes Vorhaben gem. § 35 I BauGB 6 b) Öffentliche Belange nicht beeinträchtigt, § 35 III 1, 2 BauGB − Wenn ja: (erweiterter) Bestandsschutz, § 35 IV BauGB − Wenn nein: ggf. Ausnahme durch Außenbereichssatzung, § 35 VI 1-3 BauGB c) Erschließung gesichert, § 35 II BauGB d) [ggf. sind §§ 35 V 1, 36 I 1 oder 36 I 4 BauGB zu beachten.] − Bauordnungsverfügungen: Auch während und nach der Realisierung des baulichen Vorhabens hat die Bauaufsichtsbehörde darüber zu wachen, dass die öffentlich-rechtlichen Vorschriften eingehalten werden. Werden Baurechtsverstöße festgestellt, so können die zuständigen Behörden die zur Wiederherstellung baurechtskonformer Zustände erforderlichen Bauordnungsverfügungen erlassen (sog. repressive Kontrolle durch die Bauüberwachung). Die BayBO sieht folgende Bauordnungsverfügungen vor: − Baubeseitigungsanordnung gem. Art. 76 S. 1 BayBO; Voraussetzung: formelle u. materielle Baurechtswidrigkeit − Nutzungsuntersagung gem. Art. 76 S. 2 BayBO; Voraussetzung: formelle Baurechtswidrigkeit ausreichend (str.) − Baueinstellungsanordnung gem. Art. 75 BayBO; Voraussetzung: formelle Baurechtswidrigkeit − für sonstige Maßnahmen: Generalklausel gem. Art. 54 II 2 BayBO Formelle Baurechtswidrigkeit (formelle Illegalität) bedeutet, dass ein bauliches Vorhaben im Widerspruch zu formellem Bauordnungsrecht verwirklicht wird bzw. verwirklicht wurde (Bsp. fehlende Baugenehmigung) Materielle Baurechtswidrigkeit (materielle Illegalität) liegt dann vor, wenn eine bauliche Anlage bzw. ein bauliches Vorhaben im Widerspruch zu materiellen öffentlich-rechtlichen Vorschriften, insbes. des Bauplanungsrechts und des Bauordnungsrechts steht. [Beachte aber möglichen passiven Bestandsschutz.]