Betrachtungen zum All-inclusive-Urlaub
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Betrachtungen zum All-inclusive-Urlaub
Betrachtungen zum All-inclusive-Urlaub von Ludmilla Tüting Vielen VerbraucherInnen erscheint »alles inklusive« als die optimale Reiseform, können doch sämtliche Kosten im Vorfeld ziemlich genau kalkuliert werden. Sind im Ai-Angebot neben der Vollpension tatsächlich sämtliche Getränke, Snacks rund um die Uhr, Sport- und Unterhaltungsmöglichkeiten enthalten, entfallen die meisten Nebenkosten. Und die sind in Urlaubszielen oft besonders hoch. Lediglich für die berühmten Postkarten an die Lieben daheim, für Souvenirs und Ausflüge, sofern man den Strand verlassen will, braucht man Bares oder die Kreditkarte. Besonders vorteilhaft lassen sich so die Ausgaben für Familien im Vorfeld planen. Insbesondere in der Karibik stehen viele Ai-Anlagen allerdings nur heterogenen Paaren oder Paaren und Singles ohne Kinder offen. Nur mit »Reisen« habe der Ferienaufenthalt in einer Ai-Anlage wenig zu tun, glauben TourismuskritikerInnen und entwicklungspolitische Organisationen. Auch wenn ein bedeutender Ai-Betreiber - im Hinblick auf die eigenen Restaurants - suggeriert, »Sie können rund um die ganze Welt reisen - von Japan bis nach Jamaika und zurück - ohne die Anlage jemals zu verlassen«. Man könne sogar »erforschen« und »entdecken«, nämlich weitere Ressorts derselben Kette. Zutreffender sei da schon die Werbung, man könne »die ganze Welt hinter sich lassen«. Genau hier scheiden sich die Geister. Löste bereits der Club-Urlaub heftige Diskussionen wegen des Ghetto-Charakters aus, verstärkt sich beim All-inclusive-Konzept die Frage, wer von Ai-Ressorts profitiert und wer nicht. Skeptische Stimmen gegenüber der streng bewachten »Rundumversorgung hinterm Stacheldraht« wurden auch in der Reisebranche selbst laut, wenngleich sie nun nach den jüngsten Ai-Erfolgen leiser klingen. So wird befürchtet, dass Ai unter anderem dazu führen kann, »dass lokale Leistungsanbieter - Taxidienste, Restaurants, Incoming-Agenturen, Krämerläden - keine Chance haben, am Tourismus allgemein teilzuhaben«. Weiterhin umgingen All-inclusive-Angebote die zum Teil gut entwickelte Infrastruktur im Zielland, die ursprünglich auf BesucherInnen ausgerichtet und sehr vielseitig sei. All-inclusive-Gäste erhielten bei überwiegendem oder ausschließlichen Aufenthalt in der Anlage einen verfälschten oder gar keinen Eindruck vom Reiseziel. Die Destination werde austauschbar, was im Grunde genommen jede Zielgebietswerbung ad absurdum führe. Eine Studie der Caribbean Tourism Organization (CTO) kam vor einigen Jahren zu dem Schluss: »Das All-inclusive-Konzept enthält keine Erfolgsgarantie und kann sich im Zielland nachteilig auswirken, wenn es zu stark vorangetrieben wird.« Als besonders positiv hob die CTO die hohe Rentabilität der Anlagen, die Überschaubarkeit der Ausgaben aus Kundensicht sowie rasches Bekanntwerden des Zielgebietes hervor. Zu den Negativbeispielen zählte die CTO vor allem den Wegfall von Trinkgeldern, den kontrollierten Aufenthalt der Gäste und Beschränkungen für die einheimische Bevölkerung. Was sich in Reisebeschreibungen wie folgt liest: »Die schönsten Strände liegen außerhalb des Ortes, gehören zu Hotelanlagen und stehen nur deren Gästen offen. Die All-inclusive-Clubs sind nach außen stark abgeschirmt und werden durch Bodyguards streng bewacht.« Über Arbeitsplätze gibt es unterschiedliche Angaben. So erklärte ein Ai-Betreiber der Fachpresse, in den Ressorts seien im Schnitt - überdurchschnittlich - ein/e Mitarbeiter/in je Zimmer beschäftigt, während ein Tourismusexperte angab, man könne etwa ein Viertel des Personals einsparen. Die Reduzierung ergebe sich durch die Selbstbedienung am Buffet und an der Bar sowie durch die Vereinfachung verschiedener Arbeitsabläufe, zum Beispiel in der Verwaltung und bei der Abrechnung. KritikerInnen fiel das vermittelte Image auf. In einigen Hochglanzbroschüren seien Weiße ausschließlich in Bade-, Freizeit- und Abendkleidung abgebildet, Einheimische, insbesondere Schwarze, nur in dienender Funktion. Auch Deviseneinnahmen machen in der Bilanz des Ziellandes häufig nur einen bescheidenen Anteil aus, je nach Inhaberstatus, Vertragsabschlüssen und steuerlichen Konditionen. Außerhalb des Ressorts, insbesondere in Entwicklungsländern, geben Gäste praktisch nichts aus. Dem versuchen verschiedene Veranstalter mit kleinen Ansätzen entgegenzuwirken. In einigen Zielgebieten erhalten die Ressortgäste Gutscheine, die sie in bestimmten Restaurants und Bars außerhalb der Anlagen einlösen können. Oder man versucht, TaxifahrerInnen verstärkt einzubeziehen. In Europa werden Angebote zu Ausflügen, die einen vielfältigen Eindruck von Land und Leuten vermitteln sollen, offenbar gut genutzt. SkeptikerInnen übersähen bei der Frage der Ausgabenverteilung immer einen wichtigen Punkt, erläutern die Ai-Betreiber: »Während Hotels mit Halbpension versuchen, ihre Gäste im Haus zu halten, um den Umsatz zu steigern, freut es uns, wenn sich Gäste außer Haus in einem Restaurant oder in einer Bar vergnügen. Dadurch sparen wir Kosten und haben weniger Arbeit.« Auf der Karibik-Insel St. Lucia wollten die TouristInnen »ihre« Ressorts trotz Restaurantgutscheinen kaum verlassen. Weil dort aber von rund 3200 Betten 2000 in Allinclusive-Anlagen stehen, wollte der Tourismus-Minister eine Art Kurtaxe einführen, um das Einkommen besser zu verteilen. Pro Tag sollte den Gästen zehn US-Dollar berechnet werden. Nachdem Boykottaufrufe von Seiten der Ai-Betreiber ins Gespräch gebracht wurden, blieb es vorerst bei dem Vorschlag. »All-inclusive-Ressorts sind Fremdkörper für privilegierte Fremde, die fremd bleiben, und die inmitten der Armut Maßlosigkeit zelebrieren«, behaupten TourismuskritikerInnen. »Aber die abgeschotteten Paradiese schonen die natürlichen«, kontern viele TouristikerInnen, »und sie schützen die Bevölkerung vor den Touristen«. »Die Erlebniskonsumenten von heute wollen perfekte Illusionen. Und sie sind auch mit Scheinwelten zufrieden, wenn diese die Wirklichkeit übertreffen«, sagt der deutsche Freizeitforscher Horst Opaschowski. Dieser Trend bleibt nicht ohne Folgen. So wehrten sich UmweltschützerInnen 1999 in Thailand (erfolglos) gegen die Hollywood-gerechte Veränderung eines Strandes auf der Insel Phi Phi Leh, wo die 20th Century Fox den Traveller-Roman »Der Strand« von Alex Garland verfilmte. Der Produzent hatte befunden, dass die Romanvorlage exotischer als der Drehort war. Deshalb glich er den Strand, der unter den Schutz eines Nationalparks fällt, durch das Ausreißen von Vegetation und dem »Einbau« von zusätzlichen, ausgewachsenen Palmen dem Bestseller an. Und nach einem All-inclusive-Aufenthalt in Sri Lanka forderte 1998 ein deutsches Ehepaar aus dem Tourismusland Bayern über die Hälfte des Reisepreises vom Veranstalter zurück. Der Grund: Das Hotel habe sich unmittelbar neben einem kleinen Dorf mit 150 EinwohnerInnen befunden. Das Ehepaar fühlte sich durch das Dorfleben gestört und hatte sich über die »natürlichen Emissionen« der einheimischen Bevölkerung beschwert. Neben weiteren Mängeln klagten sie auch über eine Bahnlinie in der Nähe und über morsche Äste in Palmen. Das Ehepaar hatte für den zweiwöchigen Aufenthalt inklusive Flug pro Person nur 1600,- DM bezahlt. Der aufsehenerregende Fall wurde vom Amtsrichter in Nürnberg mit Nachdruck abgewiesen: »Lebensäußerungen von Einheimischen sind kein Reisemangel!« Ein aufgebrachter Journalist schlug im Berliner »Tagesspiegel« vor, im bayerischen Ruhpolding (6500 EinwohnerInnen) ebenfalls eine Traumwelt zu errichten, zum Beispiel eine All-inclusive- Anlage für AsiatInnen und SchwarzafrikanerInnen. Das könne vielleicht zu einem besseren Verständnis beitragen. Ludmilla Tüting ist Journalistin und freie Mitarbeiterin bei Tourism Watch. Quelle: Ludmilla Tüting: Auszüge aus: Betrachtungen zum All-inclusive-Urlaub. In: http://www.tourism-watch.de Mit Einverständnis der Autorin und Tourism Watch.