Positionspapier - pro Urlauber als Nachbarn

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Positionspapier - pro Urlauber als Nachbarn
Bürgerinitiative
„pro Urlauber als Nachbarn“
Position der BI zu den Urteilen des VG Schwerin über Ferienwohnungen in Boltenhagen
Mit zwei Urteilen des Verwaltungsgerichtes Schwerin vom 20.12.20121,2 hat der Streit um die Ferienwohnungen im Wohngebiet „Am Reek“ in Boltenhagen nach vier Jahren ein vorläufiges Ende
gefunden. Die streitbefangenen Ferienwohnungen liegen in einem Reinen Wohngebiet (WR) bzw.
Allgemeinem Wohngebiet (WA). Ganze Häuser mit mehreren Wohnungen (4 FW in einem Doppelhaus) wurden zu Ferienzwecken vermietet. Dagegen ist der Landkreis bauaufsichtlich vorgegangen, auch weil die im Gebiet wohnenden Dauerbewohner das verlangt haben. Ausschlaggebend
für die beabsichtigte Nutzungsuntersagung durch den Landkreis war letztendlich die Tatsache,
dass ein beabsichtigtes Planänderungsverfahren durch die Gemeinde Boltenhagen als Plangeber
nicht zustande gekommen ist.
So wollte die Gemeinde durch eine B-Planänderung Ferienwohnungen erlauben, in keinem Fall
jedoch eine komplette Ferienhausnutzung. Dieses Vorhaben scheiterte an den von der CDUFraktion in der Gemeindevertretung aufgestellten Hürden. Man machte für eine B-Planänderung
zur Bedingung, dass Dauerbewohner und Ferienwohnungsvermieter sich einigen sollten, die Kosten für die B-Planänderungen von den Ferienwohnungsvermietern getragen werden sollten und
Schadensersatzansprüche von Seiten der Dauermieter ausgeschlossen werden sollten. 3
Darauf konnte man sich nicht einigen. So blieb dem Verwaltungsgericht Schwerin scheinbar keine
andere Option, als die Klagen der Ferienwohnungsvermieter gegen die Widerspruchsbescheide
des Landkreises abzuweisen. In der Urteilsbegründung stützt sich das Gericht dabei maßgeblich
auf den Beschluss des OVG MV vom 28.12.20074, der auch die Grundlage für die Anhörungsverfahren zu Ferienwohnungen in Kühlungsborn bildet.
Wie es in Boltenhagen weitergeht, ergibt sich aus den Urteilen. Noch sind die Urteile nicht rechtskräftig, da das Gericht die Möglichkeit der Berufung eingeräumt hat. Unabhängig davon sind die
Urteile erst der Anfang einer Welle von Nutzungsuntersagungen. Denn zunächst ist der Landkreis
nur gegen solche Ferienwohnungsnutzung eingeschritten, wo es Beschwerden von Dauerbewohnern gab bzw. hat der Landkreis zunächst den Fortgang der Planänderungsinitiative abgewartet,
wie es in den Urteilen heißt. Nunmehr ist der Landkreis verpflichtet, alle Ferienwohnungen in
Wohngebieten in Boltenhagen zu untersagen. Diese Verpflichtung resultiert aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz, wozu das Gericht umfangreiche Ausführungen
gemacht hat. Für Urlauber in Boltenhagen bedeutet der Wegfall von Ferienwohnungen in Wohngebieten weniger Angebotsvielfalt.
Mit den Urteilen schließt sich das Verwaltungsgericht Schwerin der Rechtsauffassung des OVG MV
vom 28.12.2007 an. Die Rechtsprechung füllt damit scheinbar eine Lücke im Gesetz, denn in der
Baunutzungsverordnung (BauNVO) gibt es den Begriff der Ferienwohnung nicht. Entsprechende
Initiativen Ferienwohnungen und die Ferienwohnnutzung zum Bestandteil der Baunutzungsverordnung zu machen5, hatten bisher keinen Erfolg. Und was nicht im Gesetz steht, regelt die Rechtsprechung. So auch bezogen auf Ferienwohnungen in Wohngebieten.
Eine Urteilsschelte ist nicht beabsichtigt. Dennoch drängt sich die Frage auf, ob die gegenwärtige
Rechtsprechung zu Ferienwohnungen in Wohngebieten dieses komplizierte Thema ausreichend
erfasst. Das VG Schwerin bezieht sich auf das OVG MV und dieses wiederum begründet seine Beschlussfassung unter anderem mit einem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes aus dem Jahre 19896, bei dem die Ferienvermietung nicht gegenständlich ist. Keiner dieser Beschlüsse und
auch nicht die beiden Urteile des VG Schwerin reflektieren die Rolle von Ferienwohnungen bei der
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Entwicklung des Tourismus sowie den Wandel in der Auffassung zu Ferienwohnungen. Bevor die
ersten Hotels an der Ostseeküste eröffnet worden sind, gab es schon Ferienzimmer und später
Ferienwohnungen. Noch lange nach der Wiedervereinigung hat man die Errichtung von Ferienwohnungen in Kühlungsborn und anderenorts mit Fördermitteln subventioniert. Bis vor Kurzem
war es in den Ferienorten an der Küste Normalität Urlauber als zeitweilige Nachbarn in Wohngebieten willkommen zu heißen. Auch im Bauplanungsrecht ist man davon ausgegangen, dass Ferienwohnungen untergeordnete Nutzungen zur Wohnnutzung und in Wohngebieten zulässig sind.
In Begründungen zu B-Plänen in Kühlungsborn von 2006 kann man das nachlesen, die Bundesarchitektenkammer vertritt bis heute diese Auffassung5 und so steht es unter anderem auch in den
aktuellen Leitlinien für die Bebauungsplanung des Bundeslandes Brandenburg7.
In Kühlungsborn gibt es einschließlich der Änderungen gegenwärtig rund 50 B-Pläne. Liest man
diese Pläne, so wird deutlich, dass ab einem bestimmten Zeitpunkt das weitere Entstehen neuer
Ferienwohnungen in Wohngebieten gestoppt werden sollte. Heute herrscht die Meinung vor, dass
Kühlungsborn mittlerweile genug Ferienwohnungen hat und keine neuen mehr dazu kommen sollen. Deshalb sind in etlichen neuen Wohngebieten auf der grünen Wiese Ferienwohnungen von
Anfang an verboten worden. Nicht jedoch in den Wohngebieten, wo die B Pläne im Zeitraum 1996
- 2005 in Kraft getreten sind. Damals bestand nicht die Auffassung, dass Dauerwohnen und gleichzeitig Ferienwohnen in einem Wohngebiet unzulässig wären. Vielmehr waren die Stadtvertreter
und die Verwaltung der Meinung, dass beides nebeneinander erlaubt sei.
Diese Wahrheit heute zu bestreiten wäre unredlich und unverantwortlich. Ebenso, wenn man den
OVG-Beschluss oder die Urteile des VG Schwerin zu Ferienwohnungen in Boltenhagen als Begründung verstehen würde, nichts zu entscheiden. Sogar die in Sachen Ferienwohnungen nicht mehr
zeitgemäße Baunutzungsverordnung bietet Regelungsmöglichkeiten. Das OVG hat darauf ausdrücklich hingewiesen und die Urteile zu Ferienwohnungen in Boltenhagen mussten nur gefällt
werden weil die Beteiligten in Boltenhagen nicht in der Lage waren, die Dinge selbst zu regeln. Ob
die Urteile für das Zusammenleben der Boltenhagener Bürger und den Tourismus gut sind, darf
bezweifelt werden. Handlungsbedarf in Kühlungsborn entsteht außerdem, weil die in einigen Gebieten beschlossene Bestandskraft für Ferienwohnungen durch die Urteile infrage gestellt wird.
Als BI begrüßen wir deshalb das Herangehen in Kühlungsborn und hoffen auf bessere Ergebnisse
als in Boltenhagen. Die Beispiele Zingst, Boiensdorf und Warnemünde sind Masterpläne für Kühlungsborn. Das Beispiel Boltenhagen leider nicht.
Ostseebad Kühlungsborn, 14.05.2013
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Urteil des VG Schwerin vom 20.12.2012, 2 A 863/11, zugestellt am 29.04.2013
Urteil des VG Schwerin vom 20.12.2012, 2 A 857/11, zugestellt am 29.04.2013
OZ 23.07.2012: Kein neuer B-Plan - Das Aus für Ferienwohnungen Am Reek
Beschluss des OVG MV vom 28.12.2007, 3 M 190/07
BAK-Stellungnahme zur Novellierung BauGB/BauNVO v. 27.03.2012 u. 25.01.2013, www.bak.de
Beschluss des BVerwG vom 08.05.1989, 4 B 78.89
MIL Brandenburg: Arbeitshilfe Bebauungsplanung, 4. Ergänzung, November 2009
BI Report „Was rund 50 B-Pläne über Ferienwohnungen im Ostseebad Kühlungsborn
erkennen lassen“, www.prouan.de
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Bürgerinitiative „pro Urlauber als Nachbarn“ | Sprecher der BI: Irmhild Fehlandt, Udo Farchmin, Dr. Hans Volkmann
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