frank cohen

Transcrição

frank cohen
Nr. 04/2014
ROBERT INDIANA
Zahlenspiele
PAOLO SCHEGGI
Pittura Oggetto
FRANS VERBEECK
S a t i r e a u f d i e To r h e i t
EXTRAVAGANT
J u w e l e n d e r Tw e n t i e s u n d T h i r t i e s
SAMMELLUST
Lassnig, Kippenberger und Co
my Dorotheum: Inter view
FRANK
C
O
H
E
N
Selfmademan und Sammler
Preview der Auktion Zeitgenössische Kunst
am 20. Mai 2014 mit Werken von Lucio Fontana
und Paolo Scheggi.
VIEW
E D I T OR I A L
D a s D o ro t h e u m – m i t s e i n e r ü b e r 3 0 0 - j ä h r i g e n G e s c h i c h te d a s ä l te s te K u n s t - Au k t i o n s h a u s
d e r W e l t – h a t s e i n e K e r n k o m p e t e n z i n d e n G e m ä l d e s p a r t e n A l t e M e i s t e r, 1 9. J a h r h u n d e r t
sowie Klassische Moderne und Zeitgenössische Kunst . Letzteres ist ein Bereich, der mit
großem internationalen Erfolg ausgebaut werden konnte.
In der vorliegenden Ausgabe des „Dorotheum myART MAGA ZINE“ sprechen der Brite
Frank Cohen u nd der in It alie n le b e n d e De utsch e Vo lke r W. Fe ie ra b e n d üb e r ih re Sa m m l u n ge n
von G egenwar tsku nst . Vorge ste llt w e rd e n w e ite rs a uch d ie „P ittura Og ge tto“ o d e r We rke e i n e r
ös terreichis chen S ammlu ng , d ie d ie se n He rb st im Doroth e um z ur Ve rste ige run g ko mm e n .
Ein besonderes Anliegen ist es mir, auf die vom Dorotheum initiierte VIENNA ART WEEK hinzuweisen, die heu er im Herbst z um ze h n te n M a l a usge tra ge n w ird . U n te r M itw irkun g s ä m t l i c h e r
Wiener Museen, Kunstakademien und Galerien fokussiert sie auf das spannende Spektrum
zeitgenös s is cher K u ns t , das d ie se St a d t a b se its h istorisch e r P fa d e z u b ie te n h a t .
Auf Wiedersehen im Dorotheum oder auf dorotheum.com!
MARTIN BÖHM
Geschäftsführender Gesellschafter
PA L A I S
DOROTHEUM
Nr. 04/2014
Coverfoto
Frank Cohen vor Skulpturen
von Ravinder Reddy
Foto Steve Double /
Camera Press /
picturedesk.com
Dorotheergasse 17, 1010 Wien, Österreich
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AUKTIONSKATALOGE & ABONNEMENTS
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ROBERT INDIANA
Zahlenspiele
PAOLO SCHEGGI
Pittura Oggetto
www.dorotheum.com
FRANS VERBEECK
S a t i r e a u f d i e To r h e i t
EXTRAVAGANT
J u w e l e n d e r Tw e n t i e s u n d T h i r t i e s
SAMMELLUST
Lassnig, Kippenberger und Co
IMPRESSUM
my Dorotheum: Inter view
FRANK
C
OHEN
Selfmademan und Sammler
Cover_U1_210x280_RZ.indd 84
Dorotheum myART MAGAZINE, September 2014. Vierte Ausgabe. Palais Dorotheum, Dorotheergasse 17, 1010 Wien
© Dorotheum GmbH & Co KG, DVR Nr. 0105104, FN 213974 v / Handelsgericht Wien, UID: AT U 52613505
Erscheinungsweise: 2x jährlich
Konzept, Redaktion: Michaela Strebl-Pühringer, Doris Krumpl, Eva Müller-Soyer, Theresa Pichler, Valerie Matheis,
Marie-Sophie Engel, Michael Wurm
Grafik: Studio Corsaro, Creative Director Miriam Wanzenböck, Art Direction Bernd Ganser-Lion
Lektorat: scriptophil. die textagentur
Fotografen: elwoods, Raimo Rudi Rumpler, Tibor Rauch, Steve Double, Maria Ziegelböck
Druck: Gutenberg Druck
Druckfehler und Irrtümer vorbehalten. Kurzfristige Änderungen vorbehalten. Bitte entnehmen Sie aktuellste Informationen
zu unseren Auktionen und Veranstaltungen unserer Webseite: www.dorotheum.com. Alle Angaben ohne Gewähr.
02.09.14 15:11
INHALT
AUCTION
CHOICE
06 S C H E G G I
Licht und Schatten
44 M Y C H O I C E
10 V E R B E E C K
S a t i r e a u f d i e To r h e i t
14 U N T E R B E R G E R
Salonfähig
Dorotheum-Experten
stellen vor
CITY
60 M A I L A N D
16 S I L B E R
64 V O L K E R W. F E I E R A B E N D
Schätze aus dem Zarenreich
20 I N D I A N A
Symbolkraft
24 P I T T U R A O G G E T T O
Von Font ana bis Dadamaino
27 W O L F E R S
Silberne Hochzeit
DOROTHEUM
28 F R A N K C O H E N
Selfmademan und Sammler
Der Deutsche, der Italien liebt
PASSION
68 M E S S E R S C H M I D T
Bizarre Köpfe
70 S T A D L E R
Back in Vienna
72 V I E N N A A R T W E E K
Die Woche der Kunst wird 10
74 M I R Ó
Von der Erde zum Himmel
AUCTION HOUSE
EVENTS
34 J U W E L E N & U H R E N
75 M E E T @ D O R O T H E U M
Expertenporträts
Ve ra n s t a l tu n ge n u n d C h a r i t y
38 D E S I G N
78 K L O S T E R S C H A T Z
Gerti Draxler im Fokus
Ausstellung St. Dorothea
FAVOURITE
STORY
40 F U N K E L N D E E X T R A VA G A N Z
80 H O H E N L O H E
J u w e l e n d e r Tw e n t i e s u n d T h i r t i e s
Geflügelter Käfer
CONTACTS
82 D O R O T H E U M
A d r e s s e n & Te r m i n e
Paolo Scheggi, Mailand/Milan, 1966 © Eredi Ugo Mulas
AUCTION
6
AUCTION
LICHT UND
SCHAT TEN
PAO LO SC H E G G I
AUCTION
8
Paolo Scheg gi gilt als einer der wichtig sten Ver treter der
sogenannten Pittura Oggetto – jener Künstlergeneration, die
z w i s c h e n d e n s p ä t e n 1 9 5 0 e r - u n d d e n f r ü h e n 1 9 7 0 e r - J a h r e n t ä t i g w a r.
Im Dorotheum erzielen seine Arbeiten Rekordergebnisse.
VON ALESSANDRO RIZZI
Dadamaino – entwickelte Scheggi eine tiefe freundschaftliche und berufliche Beziehung. Mit ihnen
teilte er die Überzeugung, dass die Kunst einem
bestimmten Forschungswillen entspringen, dass sie
höchster Strenge und einer klaren Intuition folgen
müsse. Den Irrationalismus und die Zufälligkeit
der im vorhergehenden Jahrzehnt vorherrschenden
informellen Kunst gelte es zu überwinden. Scheggi
selbst hatte sich dieser Richtung in jungen Jahren
angeschlossen, als er zwischen 1958 und 1960 seine
ersten Blecharbeiten schuf. 1960 wurden sie in der
Galerie Numero in Florenz ausgestellt; noch im selben Jahr distanzierte er sich allerdings von diesen
ersten künstlerischen Gehversuchen, um sich der
Leinwand als Material für sein Schaffen zu widmen,
das fortan im Zeichen der von Bonalumi erwähnten
unablässigen Forschung stehen sollte.
Von den frühen 1960er-Jahren an schuf Paolo Scheggi
die sogenannten Intersuperfici – monochrome Werke
aus drei hintereinander montierten Lein­wänden, die
von elliptischen bzw. kreisrunden Löchern gekennzeichnet sind. Zentrales Element des Kunstwerkes
bildet die Leere. Die ersten Intersuperfici wurden
1962 im Rahmen seiner zweiten, von Lucio Fontana
Weltrekord für Paolo Scheggi bei der Auktion
Zeitgenössische Kunst am 20. Mai 2014: Zone Riflesse, 1965
Acryl auf 3 übereinander gelegten Leinwänden, 120 x 80 x 5,5 cm
erzielter Preis € 573.300
präsentierten Einzelausstellung in der Galerie Il
cancello in Bologna gezeigt.
Seine plastisch-volumetrischen Forschungen führten
„Für Paolo Scheggi war Kunst stets auch eine Suche –
Scheggi in der Folge über das schlichte Kunstwerk
im Sinne der Erforschung der Wirklichkeit durch
hinaus; er untersuchte seine räumliche Beziehung zur
den Menschen selbst“, so 1976 sein Kollege und
gesamten Umgebung und entwarf architektonische
Freund Agostino Bonalumi. Paolo Scheggi wurde
Räume, die stets den seine künstlerische Tätigkeit
1940 in Florenz geboren, wo er auch seine Ausbil-
prägenden rigorosen formellen Kriterien folgten: 1964
dung erfuhr. Nach Aufenthalten in Rom und London
konzipierte er für Germana Marucellis Mailänder
wählte er schließlich Mailand zu seiner Heimat und
Schneiderei je nach Raumbedürfnissen austausch-
ließ sich 1961 dort nieder. In den frühen Sechziger-
bare Flächenmodule. Im selben Jahr begann er mit
jahren war die Stadt Zentrum neuer künstlerischer
den Architekten Alessandro Mendini und Giuseppe
Strömungen, die sich um die Person Lucio Fontanas
Mario Oliveri zusammenzuarbeiten und beteiligte
entwickelten. Insbesondere zu einer Gruppe junger
sich an vielen anderen Architekturprojekten. 1964
Künstler – unter ihnen Enrico Castellani, Agostino
fand schließlich auch seine erste Einzelausstellung
Bonalumi, Piero Manzoni, Getulio Alviani und
im Ausland, in der Brüsseler Galerie Smith, statt.
Paolo Scheggi, Zone Riflesse, 1964
Acryl auf übereinandergelegten
Leinwänden, 60 x 70 cm
Schätzwert € 200.000 – 300.000
Auktion Zeitgenössische Kunst,
26. November 2014
Scheggis Arbeiten bestechen durch Eleganz, Linearität und Anmut, durch ihre Mischung von Kunst und
Design, das rationale Gleichgewicht von vollen und
leeren Flächen, Licht und Schatten.
Der Kunstmarkt hat Paolo Scheggis Œuvre leider
erst spät entdeckt. Die lebhafte Nachfrage nach
seinen Werken führte zu einem exponenziellen
Ansteigen ihres Wertes. Manch einer meint, dies
sei vor allem auf Marktspekulationen zurückzufühScheggis Suche nach einem rigoros modulierten
ren. Andere hingegen schätzen Scheggis vorbildhafte
Raum, nach der „Serisierung als entscheidendes
Wirkung, den wesentlichen Beitrag, den er zur Erfor-
Formelement“ manifestierte sich in seinem Schaf-
schung von „Kunst und Raum“ leistete. Tatsache
fen vor allem ab Mitte der 1960er-Jahre: War in
ist: Der kurzen und intensiven Schaffensperiode des
der Asymmetrie der die ersten Intersuperfici kenn-
1971 frühzeitig verstorbenen Paolo Scheggi dürfte
zeichnenden leeren Stellen Scheggis ursprüngli-
eine neue, lange Blütezeit seines Œuvres folgen.
che Formfreiheit sichtbar geworden, schuf er nun
strenger strukturierte Leinwände mit rein geometrischen, auf der Malfläche symmetrisch angeord-
Alessandro Rizzi ist Experte für Klassische Moderne
und Zeitgenössische Kunst im Dorotheum.
neten Elementen, auf denen Kreise und gerade
Linien den Raum plastisch gestalten. In Weiterentwicklung dieser plastischen Forschung entstanden
Werke, die den Raum durch ihre physische Präsenz
dominieren: die sogenannten Strutture modulari
(„modulare Strukturen“). Diese Parallelepipede aus
Aluminium bzw. Plexiglas sind in sich durch kubische Elemente strukturiert, die so wie die hintereinander montierten Leinwände kreisförmige leere
Stellen aufweisen. Dass die Kuben untereinander
austauschbar sind, dass der Betrachter selbst Hand
anlegt, „verleiht ihm gleichermaßen Mitverantwortung für das plastische Leben des Werkes“, erklärte
der Künstler 1967. Mit der „Intercamera plastica“,
einem 1967 in der Galerie Naviglio ausgestellten
betretbaren Raum, der durch regelmäßige, kreisförmige leere Stellen moduliert wurde, erreichte
Scheggi eine uneingeschränkte aktive Beteiligung
des Betrachters am Kunstwerk.
In den ausgehenden 1960er-Jahren dehnte sich
Scheggis unaufhaltsames künstlerisches Experimentieren auch auf das Theater aus: Er konzipierte
Aufführungen und Performances mit künstlerischpolitischen Elementen.
Paolo Scheggi, Intersuperficie curva – Bianco, 1969
Aluminium bemalt, 50 x 50 x 12 cm
Schätzwert € 35.000 – 50.000
Auktion Zeitgenössische Kunst, 26. November 2014
AUCTION
10
S A T I R E AU F
DIE
TORHEIT
Frans Verbeeck (Mechelen ca. 1510 – 1570)
Der Narrenhandel
(Satire auf die menschliche Torheit)
Öl/Leinwand, 135 x 188 cm
Schätzwert € 900.000 – 1.200.000
Auktion Alte Meister, 21.Oktober 2014
AUCTION
12
Die Oktoberauktion „Alte Meister“
präsentiert ein seltenes Ölbild – ein Hauptwerk
vo n F ra n s Ve r b e e c k , d a s d i e N a r r e t e i d e r M e n s c h e n
humorvoll aufs Korn nimmt.
VON ALEXANDER WIED
Der Name Verbeeck dürfte bis jetzt nur Spezialisten
dort kurz an einem Altar, zu dem er den Auftrag
bekannt gewesen sein. Nun kommt ein imposantes
nicht erhalten sollte, und auch die Malerfamilie
Hauptwerk dieser Malerfamile zur Auktion – Ein
Verbeeck war in Mechelen tätig.
Anlass, sich näher mit dem Schaffen der Familie
Detail:
Ein Korb
voller Narren
Verbeeck auseinanderzusetzen. Die Verbeecks waren
Das außergewöhnliche Bild „Der Narrenhandel“
im 16. Jahrhundert in Mechelen tätig, nicht weit von
wurde bereits zwei Mal, 1980 und 2003, unter
Löwen und den großen Zentren Brabants, Brüssel
dem Namen Frans Verbeeck publiziert. Da meh-
und Antwerpen. In Mechelen war die Wasserfar-
rere Maler mit dem Namen Frans und auch Jan
benmalerei auf Leinwand zuhause; diese diente teils
Verbeeck in Mechelen gelebt haben, bedarf die-
als Ersatz für die teureren Tapisserien, zum Teil war
se Zuschreibung einer kurzen Erläuterung: Man
es billige Kunsthandelsware, von der aufgrund ihrer
muss sich eine vielköpfige Malerdynastie vorstel-
geringen Haltbarkeit wenig erhalten ist. Karel van
len, die in einem weit verzweigten Werkstattbe-
Mander schrieb in seinem „Schilder-Boeck“ (Haarlem
trieb Bilder produzierte. Diese könnten, so Paul
1604) in der Lebensbeschreibung des Hans Bol, dass
Vandenbroeck 1981, „aufgrund weitgehender kom-
in Mechelen 150 solcher Ateliers bestanden. Hans
positorischer, stilistischer und ikonografischer
Bol sowie Lucas und Marten van Valckenborch
Verwandtschaften […] der ,Gruppe Verbeeck‘
kamen aus Mechelen, Pieter Brueghel d. Ä arbeitete
zugeschrieben werden“. Daher „erscheint es vorläufig unsinnig, über ,Frans‘ oder ,Jan‘ Verbeeck zu
reden und die hier genannten Werke einem dieser
Künstler zuzuschreiben“.
Nichtsdestoweniger wurde das Bild zuletzt im Ausstellungskatalog „De Zotte Schilders“ (2003) neuerlich als Werk Frans Verbeecks publiziert, dieses Mal
mit dem Zusatz „de Oude“ – das heißt, dass man es
einem älteren Frans Verbeeck zuwies.1
Die Ikonografie des Bildes ist äußerst komplex: In
einer offenen, wiesenbegrünten Landschaft handeln
unter einem großen Baum Kaufleute mit zahlreichen kleinen Männchen. Diese sind zum Teil durch
ihre Kappen und Schellen als Narren zu erkennen.
Diese Handelsszene kann nur als Allegorie zu verstehen sein: Sie verbildlicht wohl, dass menschliche
Jan Op de Beeck, De Familie Verbeeck. Een raar schildersgeslacht
uit Mechelen, in: De Zotte Schilders, Mecheln 2003, S. 45–54;
S. 51–53. Im Katalog sind die Werke auf zwei Generationen
aufgeteilt; man kam inklusive der Werkstattarbeiten auf
insgesamt 33 Gemälde und 37 Zeichnungen.
2
102 x 158 cm, mit der Provenienz aus der Sammlung Hellberg,
Stockholm 1938
1
Detail:
Liebesnarretei
Die im Bild angebrachten Schrifttäfelchen beinhalten möglicherweise kurze Sentenzen aus solchen
Rederijker-Texten, sind aber kaum mehr lesbar.
Ein Beispiel: Über dem Reigentanz rechts im Hintergrund hängt ein Käfig mit einem Narren; er
sitzt auf einem großen Ei, aus dem ein kleiner Narr
schlüpft – ein Verweis auf das Sprichwort „men mag
geen zot eieren laten uitbroeden“ („Man lasse keinen
Narren Eier ausbrüten“), das heißt Narren brüten
nur wieder Narren aus.
Torheit immer im Umlauf und somit unausrottbar
ist – eine Satire auf die Narrheit der Menschen.
Von den übrigen „Tüchlein“ der Verbeecks weichen
auch das ungewöhnlich große Format des Gemäldes
Im Vordergrund sitzen Kaufleute an einem Tisch
und die Verwendung von Ölfarben im Unterschied
und wiegen kleine Narren, während ein Wander-
zu den sonst ausschließlich eingesetzten Tempera-
krämer und seine Frau aus Sack und Körben wei-
farben ab.
tere anbieten. Der Krämer ist wie mit einer Trense geschirrt und hat an der Stirn einen kleinen
Eine reduzierte und etwas verkleinerte Werkstatt-
Narren sitzen, der mit dem Hammer auf die
kopie2 kam am 16. Oktober 2007 (Kat. Nr. 38 mit
bekannte Steinoperation anspielt. Die operative
Farbabb.) im Dorotheum in Wien zur Auktion.
Entfernung eines Steins aus der Stirn war ein von
Sie reicht in der malerischen Qualität nicht an das
Hieronymus Bosch ausgehendes Bildthema, das
vorliegende Exemplar heran, das den Prototyp der
im 16. und 17. Jahrhundert in zahlreichen Varia-
Komposition darstellt und als ein Hauptwerk des
tionen verbreitet war. Die Botschaft ist einfach:
Hauptmeisters dieser Malerfamilie anzusehen ist.
Dummheit lässt sich operativ nicht entfernen, die
Operation ist nutzlos, also ebenfalls närrisch.
Die Kunst der Verbeecks kann in ihrer stilistischen
Eigenart und selbstständigen, reichen Ikonografie
Genauso närrisch ist ein links der Hauptszene zu
unabhängig neben das Werk der großen Meister
sehendes Pilgerpaar, das in Anbetung vor einem
Bosch und Brueghel gestellt werden. Im Gegensatz
alten Narrenpaar niederkniet. Die Närrin säugt und
zu jener der Bosch-Nachfolger Pieter Huys und Jan
füttert gleichzeitig einen kleinen Narren mit Brei.
Mandyn geht sie, wie Vandenbroeck betont, weder
direkt auf Bosch noch auf Brueghel zurück.
Kritisch in den Blick gerät auch der Klerus: Das
Liebespaar rechts am Bildrand ist als Mönch und
Die Verbeecks schufen eine Bildwelt sui generis, die
Nonne erkennbar. Sie sind dem Kloster entsprungen
in ihrer Seltsamkeit in der zeitgenössischen nieder-
und frönen der Liebesnarretei.
ländischen Malerei keine Parallele hat und uns mit
ihren bisweilen bis ins Skurrile und Karikaturhafte
Anregung oder Anleitung zu vielen anspielungsrei-
gesteigerten Menschentypen aus der flämischen
chen, rebusartigen Details findet der Betrachter in
Folklore überrascht und erstaunt.
den satirischen Reimtexten der Rhetorikergilden, der
„Rederijkers“ (vergleichbar etwa mit den heutigen
Das gut erhaltene Bild zeigt beispielhaft die hohe
Karneval- und Faschingsrednern), in denen Untu-
Qualität, die die meist ruinösen Wasserfarben-Bilder
genden und Torheiten aufs Korn genommen wurden.
der Verbeeck-Gruppe nur mehr erahnen lassen.
Alexander Wied ist Kunsthistoriker und war
von 1992 bis 2008 als Kustos an der Gemäldegalerie des
Kunsthistorischen Museums Wien tätig.
AUCTION
14
F r a n z R i c h a r d U n t e r b e r g e r, g e f e i e r t e r E x p o n e n t
der Düsseldorfer Malerschule, verlieh der
Italien-Sehnsucht des 19. Jahrhunder ts mit
Postkartenmotiven des Golfs von Neapel und der
Amalfi-Küste Ausdruck. Das Dorotheum scheint
ein bevorzug ter Verk aufsor t für frühe Unterbergers
zu sein, wie auch das im Herbst angebotene
Neapel-Gemälde beweist.
VON SYBILLE MOSER-ERNST
SALON
Das Glitzern des an den Sandstrand rollenden Meer-
mehrfach. Einige von Unterbergers spätesten Italien-
wassers wusste Franz Richard Unterberger ebenso
Bildern fanden ihren Weg bis ins ferne Buffalo und
gut zu malen wie Sonne, Glut und den aufsteigenden
New York, sogar bis Melbourne.
Wasserdampf, der an der fernen Horizontlinie die
Silhouette des Vesuvs und das um den Vulkan auf-
Franz Richard Unterberger hatte in der ganz gro-
steigende Gewölk mit dem im grellen Mittagslicht
ßen Gilde der europäischen Maler einen guten
gleißenden Meer vermählt. Franz Richard Unterber-
Namen; seine Bilder waren im Pariser „Salon“ und
ger war ein rechter Meister der bildhaften Darstel-
im Münchner „Glaspalast“ so gut bekannt wie in
lung von naturhaften atmosphärischen Qualitäten
Wien, Berlin und London. Oder in Brüssel, das er zu
im Gemälde und machte damit seine Italien-Ansich-
seiner zweiten Heimat erkoren hatte. Auch wenn die
ten, vor allem jene der Costiera Amalfitana und des
Moderne und die Abstrakte das Prospekthafte einer
Golfs von Neapel, unnachahmlich. Genau das reizte
virtuosen Landschaftsmalerei für einige Jahrzehn-
noch zu seinen Lebzeiten zum nacheifernden Kopie-
te mit Geringschätzung straften: Liebhaber und
ren – und so begegnen wir heute im Kunsthandel
Sammler garantierten das Überdauern der „Salon-
immer wieder Versuchen von fremder Hand. Das
malerei“ und somit auch eines Unterberger.
Unterscheidungsvermögen des Experten ist umso
mehr gefragt, als Unterberger selbst Motive, die in den
Anstelle des noch ungekannten Fernsehens lud
1870er-Jahren besonders gut angekommen waren,
im 19. Jahrhundert das Tableau mit dem opulen-
in seiner späten Schaffensperiode wiederholte –
ten Goldrahmen, der die Distanz zum innerbildli-
und das oft sogar, mit geringfügigen Änderungen,
chen Geschehen – hier des harten Fischerlebens –
AUCTION
15
FÄHIG
bewahrte, zum Einstieg in eine imaginierte Welt.
In München und Mailand war Franz Unterberger
Der Künstler hielt den „fruchtbaren Augenblick“
Akademieschüler gewesen, in Düsseldorf hatte er
einer Stimmung im ästhetischen Erinnerungsbild
die Freiheit eines Privatschülers der Akademie­
fest. Im „Déjà-vu“, welches das idealische genre­
lehrer Andreas und Oswald Achenbach genossen.
mäßige Arrangement hervorrief, befriedigte der
Neben der Pflege des gesellschaftlichen Lebens im
Bildungsbürger seine Italien-Sehnsucht. Als wäre es
noblen Verein „Malkasten“ zeichneten diese auch
der Bilder „Absicht, den Fremdenverkehr zu heben“
den künstlerischen Aufstieg ihrer prominenten
(Cornelius Gurlitt), konnte die „impressionistische“
Schüler mit Stolz auf. Schade, dass der heute bis-
Malweise, die nichts mit dem Programm der Fran-
weilen einäugigen kunsthistorischen Forschung
zosen zu tun hat, der neuen „Faszination Land-
manche durchaus auffindbare Karteikarten entge-
schaft“ Genüge tun. Angesichts der in scheinbarer
hen – wie eben jene Franz Richard Unterbergers
Fotorealität entwickelten, subjektiv in bravouröser
von der Düsseldorfer Malerschule, aufbewahrt in
Hellmalerei wiedergegebenen Natur sprechen wir
der Akademie. Damit wird ein wichtiges Segment
von perspektivischem „Illustrationsrealismus“ und
des Kunstschaffens des 19. Jahrhunderts vorerst
„Poesie der Wahrheit“. Unterberger erarbeitete sich
weiterhin in erster Linie von den größten Auktions-
vor Ort die Motive, hielt sie in kleinem Format auf
häusern gezeigt.
Holz fest, um dann in den Wintermonaten im Atelier im Pariser Vorort Neuilly szenisch inszenierte
Großgemälde zu fertigen.
Sybille Moser-Ernst ist Universitätsprofessorin für
Kunstgeschichte an der Universität Innsbruck.
Franz Richard Unterberger
Castellmare Golfo di Napoli
um 1876/77, Öl auf Leinwand
75,5 x 144,5 cm
Schätzwert
€ 40.000 – 60.000
Auktion Gemälde des
19. Jahrhunderts
23. Oktober 2014
SILBER
S C H Ä TZ E
AUS
Seit zehn Jahren steigt die Nachfrage
nach Gold- und Silberarbeiten vom Zarenhof
rasant . Vor allem wohlhabende Russen
wollen ihr nationales Kulturgut zurück
in die Heimat bringen.
V O N M A R I E -T H É R È S E H A R T I G
Kennen Sie „Serebro“? Wenn nicht, dann ist das auch
Mag Fabergé auch der berühmteste Name am
keine große Bildungslücke. Die russische Girlgroup,
russischen Hof gewesen sein, so war er doch bei
deren Name auf Deutsch „Silber“ bedeutet, vertrat
Weitem nicht der einzige Schmuckkünstler. Und
ihre Heimat 2007 beim Eurovision Song Contest in
schon gar nicht der erste: Bereits 1721 verzeichnete
Helsinki und errang dort immerhin Platz drei. Trotz-
das „Löbliche Amt der Gold- und Silberarbeiter in
dem: Wenn die Rede auf Silber und Russland kommt,
St. Petersburg“ vor allem deutsche Meister als Mit-
dürfte kaum jemand an die drei Mädels aus Moskau,
glieder, gefolgt von Schweden, Finnen, Dänen und
fast jeder vielmehr an Fabergé denken. Denn inzwi-
Franzosen sowie Österreichern, Briten, Armeniern
schen wissen – nicht zuletzt durch die große Aus-
und Italienern. Aus Russland stammten laut den
stellung im Wiener Kunsthistorischen Museum im
Aufzeichnungen bis 1768 nur 14 Meister. „Zar Peter
heurigen Frühjahr – auch weniger kunstaffine Zeit-
der Große befürwortete den Zuzug von Ausländern
genossen, dass der Hofjuwelier des Zaren nicht nur
aus dem westlichen Europa, um in seiner neuen
die berühmten imperialen Ostereier, sondern für das
Hauptstadt St. Petersburg Kunst, Kultur und Wis-
gehobene Bürgertum auch erschwingliche Pretiosen
senschaft zu fördern“, erklärt Georg Ludwigstorff,
und sogar Alltagsgegenstände schuf.
Silberexperte im Dorotheum, die lange Tradition
AUCTION
17
DEM ZAREN
REICH
Pawel Owtschinnikow
Monumentale Prunkschale („Ladija“), 1908 – 1917
Kristallglas mit Silbermontierung, 50 x 21 x 37,5 cm
Moskauer Kokoschnikkopfpunze
Erzielter Preis € 248.800
AUCTION
18
Zar Alexander I. – Vier seltene Flaschenkühler aus einem Service des Zaren
St. Petersburg, Silber, vergoldet, rund, godronnierter Rand, Höhe 19 cm, Gewicht 7158 g
Meisterzeichen Johann Dietrich Tideman (1775 – 1837)
Schätzwert € 18.000 – 28.000, Auktion Silber, 25. November 2014
russischer Juwelierskunst. „Anfangs prägte vor allem
holzhalter, Tischuhren und Fotorahmen wurden
der Einfluss der deutschen Silberschmiede, insbeson-
von den Fabergé-Werkmeistern, besonders Michail
dere jener aus Augsburg und Nürnberg, die Gold-
Perchin, Henrik Wigström und Erik Kollin, aus
und Silberarbeiten, im Empire dominierte dann der
Gold und Silber, Edelsteinen und Emaille gefertigt.
französische Geschmack, und erst im 19. Jahrhundert
Auch kunstvolle Pastillen- und Schnupftabaks­
entwickelte sich in Russland ein eigener Stil.“
döschen, Duftfläschchen und Zigarettenetuis, Manschettenknöpfe, Hutnadeln und Schirmgriffe waren
trotz kostbarster Materialien für den alltäglichen
Gebrauch bestimmt.
Ähnlich wie Tiffany produzierte Fabergé für jedes
Budget. Daher kann man einzelne Stücke – etwa
Zar Nikolaus II. –
Geschenkbrosche vom
Kabinett des Zaren
Gold, Diamanten,
Smaragde
St. Petersburger
Kokoschnikkopfpunze
1908 – 1917
Besonders gefragt war Niello-Dekor, hergestellt
Schätzwert € 8.000 – 9.000
nach einer alten Technik (abgeleitet von lateinisch
Auktion Silber,
25. November 2014
„nigellus“ = „schwarz“), bei der in einen Silbergegen-
aus einem Silberbesteckservice – heute schon für
zweistellige Euro-Beträge kaufen. Größere Silberobjekte werden laut Georg Ludwigstorff um 2.000
bis 3.000 Euro angeboten. Tendenz steigend, denn
viele wohlhabende Russen bemühen sich seit der
Öffnung des russischen Marktes intensiv darum,
ihr nationales Kulturgut in die Heimat zurückzubringen. Paradebeispiele dafür sind die Oligarchen
stand zuerst Muster eingeritzt, die Vertiefungen dann
Viktor Vekselberg und Alexander Iwanow: Der eine
mit Niellomasse, einer geschmolzenen Mischung
kaufte 2004 die legendäre Forbes-Fabergé-Collection
aus Silber, Kupfer, Blei und Schwefel, aufgefüllt und
(inklusive neun imperialer Ostereier) und stellt sei-
anschließend glatt poliert wurden. Zu den beliebtes-
ne Sammlung seit November 2013 in St. Petersburg
ten Dekoren zählten Schachbrettmuster, Blumen und
öffentlich aus. Der andere erwarb 2007 für
Blüten sowie typisch russische Sujets, zum Beispiel
8,9 Millionen Pfund (rund 12,5 Millionen Euro) das
der kaiserliche Adler, Schlittengespanne oder Dar-
„Rothschild-Ei“ und eröffnete 2009 das Fabergé-
stellungen berühmter Kirchen und Klöster. Beson-
Museum in Baden-Baden.
ders die in Tula hergestellten silbernen Tabaksdosen
gelten als herausragende Kunstwerke.
Dass neben der überwiegend russischsprachigen
Klientel zunehmend Käufer aus dem Mittleren
Erstaunlich, dass aus dem Haus Fabergé keine
Osten und Asien ins Auktionsgeschehen einstei-
niellierten Arbeiten bekannt sind. Dafür erlangte
gen, ist mit ein Grund für die Verdreifachung der
das Unternehmen mit seinen Emailledekors Welt-
Preise seit dem Jahr 2000. Auch die Öffnung der
ruhm, für die bis heute Spitzenpreise erzielt wer-
russischen Archive in den 1990er-Jahren dürfte
den. Gegenstände des alltäglichen Gebrauchs wie
zur Marktentwicklung beigetragen haben, da seit-
Brieföffner und Siegel, Aschenbecher und Zünd-
her viel mehr über Originalkommissionen bekannt
AUCTION
19
ist und Provenienz für Sammler immer wichtiger
wurde. Und schließlich ist das Angebot begrenzt:
Wird ein gutes Stück erst einmal einer russischen
Sammlung einverleibt, kommt es vermutlich nicht
wieder auf den Markt. „Im Regelfall stammen die
Objekte, die wir zur Versteigerung bekommen, aus
westlichen Sammlungen oder von Emigranten“,
KAISERLICHRUSSISCHE
HOFLIEFERANTEN
IWAN PETROWITSCH CHLEBNIKOW (St. Petersburg, bis 1867)
berichtet Georg Ludwigstorff, „und fast alles geht
PAWEL AKIMOW OWTSCHINNIKOW (Moskau, bis 1908)
nach Russland beziehungsweise an russische Käu-
GEBRÜDER GRATSCHEW (St. Petersburg, bis 1908)
fer.“ Die Verkaufserfolge sind so überzeugend, dass
das Dorotheum seit 2011 zweimal jährlich eigene Auktionen samt Katalog für russisches Silber
veranstaltet und dabei regelmäßig internationale
Spitzenpreise erzielt. So spielte beispielsweise ein
Set von vier Kerzenleuchtern aus dem Service der
Zarin Katharina II. (der Großen) statt der erwarteten 70.000 bis 90.000 Euro im Mai 2010 stolze 208.550 Euro ein, und Pawel Owtschinnikows
monumentale Prunkschale „Ladija“ fand 2008 gar
für 248.800 Euro einen neuen Besitzer.
Angesichts des hohen Preisniveaus ist beim Onlinehandel mit russischem Silber besondere Vorsicht
geboten. Vladimir Saemmler-Hindrichs, ein ameri­
kanischer Händler für russische Kunst, zeigt sich
davon überzeugt, dass so gut wie alles vermeintlich russische Silber, das bei Ebay angeboten wird,
gefälscht ist. „Wenn es dekorativ, emailliert, innen
goldbeschichtet, mit ‚84‘ punziert ist und weniger als
5.000 Dollar kostet, dann handelt es sich mit großer
Sicherheit um eine Fälschung.“ Daher rät SaemmlerHindrichs, unbedingt den Rat eines Experten einzuholen. Zum Beispiel im Dorotheum.
Marie-Thérèse Hartig ist Journalistin in Wien mit
Schwerpunkt Kunstmarkt und Wirtschaft. Sie schreibt
u. a. für „Der Standard“, „Gewinn“ und „Trend“.
W. A. BOLIN (St. Petersburg, bis 1917, von da an Hoflieferant
des schwedischen Königshauses)
PETER CARL FABERGÉ (St. Petersburg, bis 1917)
Fabergé beschäftigte mehr als 30 Gold- und Silberschmiede.
Die wichtigsten waren
Erik August Kollin (Finne, bis 1886 Werkstattleiter der Manufaktur, Markenzeichen E.K.)
Michail Jewlampjewitsch Perchin (Russe, ab 1886 bis zu seinem Tod
1903 Werkstattleiter, verantwortlich für die imperialen Ostereier,
Markenzeichen M.P., in kyrillischer Schrift: M.П.)
Henrik Wigström (Finne, übernahm 1903 die Werkstattleitung
und die Fertigung der Zaren-Ostereier, Markenzeichen H.W.)
August Wilhelm Holmström (Finne, ab 1857 Chefjuwelier,
Markenzeichen AH)
Alma Pihl (Russin, einzige weibliche Werkmeisterin bei Fabergé,
Schwester von Oskar Pihl und Großnichte von August Holmström,
Schöpferin des berühmten Winter-Eis und des Mosaik-Eis
sowie zahlreicher Schmuckstücke, u. a. einer Sammlung von
Schneeflocken-Juwelen)
Oskar W. Pihl (Russe, Chef-Werkmeister, Bruder von Alma Pihl,
geschätzt für seine kleinen Schmuckstücke, z. B. Krawattennadeln,
Markenzeichen OP)
Julius Rappoport (Russe, einer von wenigen jüdischen Handwerkern
bei Fabergé, wichtigster Hersteller von Silberobjekten in
St. Petersburg, Markenzeichen I.R., in kyrillischer Schrift: I.P.)
Wilhelm Reimer (Este, bekannt für seine kleinen Emaille- und
Goldobjekte, Markenzeichen W.R.)
Fedor Rückert (Russe, bekannt für seine Cloisonné-Emaille Objekte, Markenzeichen F.R., in kyrillischer Schrift: Ф.P.)
Zarin Katharina II.
(die Große) –
vier Kerzenleuchter mit
zweiflammigen
Girandoleinsätzen aus
dem Service der Zarin,
1768/69
Silber, Höhe 48 cm,
Gewicht 8534 g
Erzielter Preis € 208.550
SYM
B L
KRAF T
AUCTION
21
Im Herbst werden im Dorotheum Robert Indianas
Zahlenskulpturen „NUMBERS ONE through ZERO“
erstmals als komplette Serie in einer Auktion angeboten.
Sie sind eine poetische Kondensation der facettenreichen
Auseinandersetzung des Künstlers mit der symbolischen,
allegorischen und formalen Bedeutung der Zahlen.
VON PE T R A S C H ÄP E R S U N D S USAN N E Z I M M E R M AN N
Robert Indiana
NUMBERS ONE through ZERO, 1978 – 2003
Aluminium polychrom gefasst
45,7 x 45,7 x 25,4 cm (inkl. Sockel)
Schätzwert € 750.000 – 900.000
Auktion Zeitgenössische Kunst
26. November 2014
AUCTION
22
© Museum Kurhaus Kleve – Ewald Mataré-Sammlung, Kleve
„Meine intensive Beschäftigung mit Zahlen, das erste
Mal, dass ich sie bewusst wahrnahm, hat mit der Tatsache zu tun, dass ich in 21 verschiedenen Häusern
gelebt habe, bevor ich 17 Jahre alt war,
und als Kind war es ein toller Zeitvertreib, durch die Landschaft zu fahren
und diese unterschiedlichen Häuser zu
besuchen und zurückzugehen zu Haus
Nummer 1 und Nummer 2. Das ist die
erste wichtige Verbindung. Im Übrigen
sind Zahlen einfach deswegen so faszinierend, weil es Zahlen sind, jede einzelne aufgeladen mit einer Vielzahl von
Bezügen und Bedeutungen.“1
Die plakativen Zeichenbilder Robert
Indianas zählen zu den radikalsten
Äußerungen der Pop Art. Ihre prägnante Einfachheit hat diese Werke selbst zu
einer Art Logo werden lassen; sie führen
die revolutionären Prinzipien der amerikanischen Pop Art zu einer Apotheose.
Robert Indiana kombiniert und variiert
seine Zeichen auf überaus individuelle
Robert Indiana, Vinalhaven, 2006
Weise, er definiert beziehungsweise stilisiert mit ihrer Hilfe sich selbst und seinen Werdegang und reichert
sie mit Assoziationen an. Nach seinem Freund William Katz sind die auf den
ersten Blick „eingängigen Zeichen der geometrisch formalisierte Ausdruck eines
empfindlich detaillierten inneren Dialogs“2.
Die ersten reinen Zahlenbilder Robert Indianas entstanden parallel und in
Wechselwirkung mit den „American Dreams“ Anfang der 1960er-Jahre. Indiana
entwickelte seine Zahlensysteme aus einer Alltagssituation heraus, indem er den
Schrifttypus seiner Zahlen einem Bürokalender entnahm, der ihm in seinem
Atelier am New Yorker Coenties Slip in die Hände gefallen war. Von Beginn der
Zahlensequenzen als Gemälde oder Druckgrafik in den 1960er-Jahren bis zu den
monumentalen „NUMBERS“-Plastiken an der Park Avenue in New York 2003 veränderte er ihre aus der Schriftart Modern 20 entwickelte Form nicht wesentlich.
Der amerikanische Maler der Zeichen.
Robert Indiana / The American Painter of Signs.
Robert Indiana. Ausstellungskatalog Museum Kurhaus
Kleve, 26.8.2007 – 6.1.2008, Museum Wiesbaden,
20.1. – 18.5.2008. Kleve 2007, S. 24
2
Ebd., S. 30
1
Robert Indiana, „Skizze,
entnommen einem Statement zur Vollendung der
Nummer EINS, der ersten
Zahl in einer Serie von
Nummern, die von Melvin
Simon and Associates 1981
erworben wurden, 2003“
© Bildrecht, Wien 2014
Courtesy of Paul Kasmin Gallery
AUCTION
23
Die meisten der runden Zahlen weisen eine natürliche Spannung und Bewegung
auf, was ihnen eine besondere Leichtigkeit verleiht. Zahlen wie 2, 5 oder 7 besitzen keinen geraden Unter- oder Oberstrich; dieser wird durch seine Wellenbewegung zu besonderer Elastizität und Spannung entwickelt und
lagert dadurch nur punktuell auf der Standfläche.
Die im Herbst im Dorotheum angebotenen „NUMBERS ONE
through ZERO“ (1978 – 2003) repräsentieren eine charakteristische Mischung der Disziplinen Malerei und Skulptur. Die zweidimensionalen Zahlen werden von Robert Indiana zum dreidimensionalen Objekt verformt; dabei ist er darauf bedacht, dass
die Tiefe der Skulpturen etwa der Hälfte ihrer Höhe und Breite
entspricht, was ihnen eine monumentale Solidität verleiht. Die
Zahlenskulpturen sind eine poetische Kondensation der facettenreichen Auseinandersetzung Indianas mit der symbolischen,
allegorischen und formalen Bedeutung der Zahlen.
Nicht nur die Kardinalzahlen an sich sind mit Symbolik beladen, auch die von ihm für die einzelnen Ziffern gewählte Farbe
ist es. Indiana setzt bei den Zahlen jeweils starke Farbkontraste
zwischen der großen Front und den Konturen, die er bei den
einzelnen Serien der „NUMBERS“ variiert. Vor allem bei der
Bewegung des Betrachters vor der Skulptur ergibt sich das
von Indiana gewünschte farbliche Zusammenspiel. Blau und
Rot stehen in der EINS für die Geburt des Menschen, Grün
und Hellblau kennzeichnen in der ZWEI die Kindheit, Blau
und Orange symbolisieren in der DREI die Jugend, Rot und Gelb stehen bei der
VIER für den Übergang von der Jugend zum Erwachsenendasein. Die FÜNF ist
als Beginn der Blüte des Lebens in Hellblau und Weiß dargestellt, in der SECHS
verbildlichen Rot und Grün die Blüte des Lebens, Orange und Blau weisen auf
den Frühherbst des Lebens in der SIEBEN hin. Die Farben der ACHT, Rot und
Lila, signalisieren den Lebensherbst, Gelb und Schwarz vermitteln das Gefühl
der Warnung vor dem Ende in der NEUN, und die NULL steht für den Tod, das
Ende des Lebenszyklus, mit den beiden Nicht-Farben Grau und Weiß.
Die skulpturale Serie der „NUMBERS“ führt auf eingängige und plakative Weise
unser eigenes Sein vor Augen und verleiht dadurch den überall in unserem Alltag
vorkommenden Zahlen eine ganz besondere Bedeutung.
Petra Schäpers ist Expertin für Zeitgenössische Kunst sowie
Leiterin der Dorotheum-Repräsentanz Düsseldorf.
Susanne Zimmermann ist Kunsthistorikerin und Mitarbeiterin
der Dorotheum-Repräsentanz Düsseldorf.
AUCTION
24
PITTURA OGG
Fontana, Bonalumi, Castellani, Scheggi und Dadamaino
präg ten die Mailänder Kunstszene der 1960er-Jahre.
Ihre Objekt-Malereien, bek annt als Pittura Og getto,
zählen zu den Höhepunkten der Dorotheum-Auktion
Ze i t g e n ö s s i s c h e K u n s t i m N o v e m b e r.
VON ALESSANDRO RIZZI
AUCTION
25
Mit dem Wirtschaftsboom der ausgehenden 1950er-
Scheggi ließ sich 1961 in Mailand nieder; nach den
und beginnenden 1960er-Jahre etablierte sich Mailand
Anfängen, die im Zeichen der informellen Kunst
als Zentrum diverser künstlerischer Strömungen.
gestanden waren, hatte er in seinem künstlerischen
Sie machten die Stadt zu einem Bezugspunkt der
Ausdruck an Selbstbewusstsein gewonnen und
internationalen Kunstszene.
folgte nun einer programmatischen Absicht, die er
später mit Bonalumi und Castellani teilte. Die drei
Bereits in der Nachkriegszeit hatte Mailand die
Künstler fokussierten ihre Forschungen auf die Ver-
von Lucio Fontana eingeleitete plastisch-räumliche
wendung der Leinwand, die zwar ein traditionelles
Revolution erlebt, die in der Folge von Vertretern
Kunstmedium war, sich aber auch für neuartige
einer neuen Generation wie Agostino Bonalumi,
Experimente eignete, bei denen die Leinwand selbst
Enrico Castellani, Paolo Scheggi und Dadamaino
zum Mittelpunkt der expressiven Handlung wurde.
rezipiert und weiterentwickelt wurde. Dem Vorbild
Während der italo-argentinische Künstler Fontana
Fontanas folgend, strebten diese jungen Künst-
die Zweidimensionalität der Malfläche durch Bohren
ler danach, sowohl den Irrationalismus der in den
von Löchern überwunden hatte, die neue Möglichkei-
1950ern vorherrschenden informellen Kunst als
ten der Auffassungen des Raums eröffneten, schu-
auch die scheinbare Notwendigkeit zu überwinden,
fen die drei jungen Künstler auf die gleiche Weise
den künstlerischen Ausdrucksformen durch die
dreidimensionale Werke, die über die Einfärbigkeit
emotionale Einbeziehung des Betrachters Bedeu-
der Arbeiten Lucio Fontanas hinaus eine aus einem
tung zu verleihen.
rigoros strukturierten, beinahe architektonischen
Plan resultierende plastisch-volumetrische Gestal-
Ende der 1950er-Jahre arbeiteten Castellani und
tung aufweisen. Ergebnis dieser methodologischen
Bonalumi für die 1959 von Ersterem sowie Piero
Strenge waren einzigartige Kunstwerke, die der Seria-
Manzoni gegründete Zeitschrift „Azimuth“. Als
lität der damals boomenden industriellen Produktion
bedeutender Vertreter der jungen künstlerischen
entgegenwirkten: Werke mit rein ästhetischem Wert,
Strömung zielte Manzoni, der sich freilich anderer
deren einziges Merkmal in ihrer konstruktiven Wur-
künstlerischer Mittel als seine Freunde und Kolle-
zel liegt – Objekt-Malerei beziehungsweise Pittura
gen bediente, darauf ab, die bisherige künstlerische
Oggetto, wie es der Kritiker Gillo Dorfles 1966 erst-
Erfahrung zu überwinden. Auch der Florentiner
mals formulierte.
Lucio Fontana
Concetto Spaziale, Attese, 1965/66
Idropittura auf Leinwand, 46,3 x 55,5 cm
Schätzwert € 450.000 – 650.000
Auktion Zeitgenössische Kunst,
26. November 2014
E T TO
Dadamaino
Volume, 1958
Idropittura auf Leinwand, 132 x 98 cm
Schätzwert € 90.000 – 120.000
Auktion Zeitgenössische Kunst,
26. November 2014
AUCTION
26
Enrico Castellani
Superficie Blu, 2006
Acryl auf strukturierter
Leinwand, 120 x 150 cm
Schätzwert € 240.000 – 320.000
Auktion Zeitgenössische Kunst,
26. November 2014
Die Forschungen Bonalumis und Castellanis konzen-
beinahe. Auch im Falle Dadamainos handelte es sich
trierten sich darauf, wie man die Leinwand modu-
dabei jedoch niemals um eine instinktive Geste, son-
lieren konnte und welche Lichteffekte sich daraus
dern stets um eine durchdachte, geplante Handlung
ergaben; die Verwendung von Leergerüsten (Holz-
– ein Konzept, das den Forschungen der Objektma-
formen) bzw. Nägeln auf der Rückseite der Lein-
ler zugrunde liegt.
wand, die ihre Fläche rhythmisch gestalteten, führte
zu den sogenannten Extroflexionen. Demgegenüber
manifestierte sich Scheggis plastische Forschung in
leeren Stellen und hintereinander montierten Leinwänden, den Intersuperfici; darin schuf der Künstler elliptische bzw. kreisförmige Räume, die in einer
späteren Phase rigoros geometrisch wurden.
Auch wenn Dadamaino im Aufsatz Gillo Dorfles’
über die Objektmalerei keine Erwähnung fand:
Derselbe Ansatz – direkt auf die Leinwand zu wirken – hatte bereits Ende der 1950er-Jahre auch ihr
Schaffen gekennzeichnet, und das unabhängig von
den drei Objektmalern, deren Absichten und Ziele
die Künstlerin freilich teilte. Bei ihren Volumi griff
Dadamaino im Vergleich zu Scheggi und ihrem
Vorbild Fontana noch radikaler ein: Im Kern der
plastisch-räumlichen Gestaltung herrscht immer
noch die Leere vor, hier überschwemmt der leere Raum die Leinwand indes völlig, vernichtet sie
Agostino Bonalumi
Arancio, 1971
Strukturierte Leinwand, Tempera, Vinyl, 100 x 85 cm
Schätzwert € 100.000 – 150.000
Auktion Zeitgenössische Kunst, 26. November 2014
Alessandro Rizzi ist Experte für Klassische Moderne
und Zeitgenössische Kunst im Dorotheum.
AUCTION
27
Jardiniere
Hochzeitsgeschenk für das
Ehepaar Robert Wolfers, 1898
Silber, Elfenbein geschnitzt
31 x 56 x 42 cm
Schätzwert € 45.000 – 60.000
Auktion Jugendstil,
4. November 2014
SILBERNE HOCHZEIT
Der Name Wolfers war über Jahrhunderte Synonym für luxuriöse Silberwaren
und verweist auf eine Dynastie von Goldschmieden. Die einzigartige
Jardiniere, ein Hochzeitsgeschenk für Madame und Monsieur Wolfers,
stellt nicht nur aufgrund der besonderen persönlichen Bedeutung einen
H ö h e p u n k t d e r W o l f e r s ’s c h e n S c h m i e d e - u n d J u w e l i e r s k u n s t d a r.
VON HONORINE D’URSEL UND JULIA BLAHA
Die einzigartige Jardiniere, die demnächst im
höchste Qualität aus. Zunächst als Goldschmied
Dorotheum zur Auktion gelangt, ist ein Wolfers’sches
bekannt, etablierte sich Philippe Wolfers immer
Kunstwerk im doppelten Sinn: Sie wurde im Hause
mehr in der Juwelierkunst und schuf um 1900 ein-
Wolfers hergestellt – und sie war ein Geschenk zur
zigartige, fantasievolle Jugendstil-Schmuckstücke
Hochzeit von Madame und Monsieur Robert Wolfers
und -Objekte, für die er große Anerkennung bekam.
1898. Die Jardiniere befindet sich demnach seit fast
Wolfers wurde zu einem bedeutenden Namen des
120 Jahren im Besitz der Familie Wolfers.
Jugendstil und des kurz nach dem Ersten Weltkrieg
beginnenden Art déco. Er durfte sich gar „Hofliefe-
Gegründet wurde das Haus 1850 von Louis Wolfers
rant“ nennen, gaben doch die wichtigsten europäi-
(1820–1892). Ihm gelang es, seinen kleinen Kunstge-
schen Fürstenhäuser Arbeiten bei ihm in Auftrag.
werbebetrieb zu einem Unternehmen zu entwickeln,
das über Belgien hinaus in ganz Europa Bekanntheit
Welches Schicksal erwartet nun dieses symbolträchti-
erlangte. Diese Erfolgsgeschichte trug sich in einer Zeit
ge Kunstwerk, das im Hause Wolfers geschaffen wur-
zu, da Belgien selbst unter König Leopold II. zu einer
de und das Robert Wolfers und seine Gattin am 5. Juni
weltweit bedeutenden Wirtschaftsmacht aufstieg.
1898 als Hochzeitsgeschenk erhielten? Zahlreiche belgische ebenso wie internationale Sammler und Muse-
Louis’ Sohn Philippe (1858–1929), der schillernds-
en zählen Wolfers’sche Kreationen bereits zu ihren
te der Wolfers, zeichnete für die künstlerischen
Schätzen. Die Jardiniere wird sie zweifellos begeistern!
Belange verantwortlich. Er war ein wahrer Künstler; sowohl was die Entwürfe als auch die Ausführung der Kunstwerke und die Wahl der Materialien
betrifft, zeichnet sich sein persönliches Œuvre durch
Honorine d’Ursel ist Leiterin der DorotheumRepräsentanz in Brüssel. Julia Blaha ist
Expertin für Jugendstil und angewandte Kunst
des 20. Jahrhunderts im Dorotheum.
DOROTHEUM
28
DOROTHEUM
29
Foto Steve Double/Camera Press/picturedesk.com
FRANK
C OH E N
„IT’S
ALL
ABOUT
M O N E Y,
IT IS
NOT
ABOUT
THE
BLOODY
ART”
DOROTHEUM
30
„Früher gab es die
Aristokraten, die über
Generationen bei den
alteingesessenen
englischen Händlern
Kunst kauften. Uns
b l i e b n u r L o w r y, a b e r
den verstanden wir
w e n i g s t e n s .“
Ugo Rondinone Sunrise. East. November, 2007
Te m p e r a m e n t v o l l , s e l b s t i r o n i s c h , e i n
ansteckendes Lachen und keine Spur
von typisch britischer Zurückhaltung:
Selfmademan und Kunstsammler Frank
Cohen über Kunst, Geld, Nadelstreif­
a n z ü g e u n d „We n i g e r i s t m e h r “ a l s
Inbegriff von wahrem Luxus.
Wa s w a r I h r e r s t e s O r i g i n a l ?
Ein Gemälde mit dem Titel „Unsere Familie“,
das ich bei einem Kunsthändler in Manchester um
1.100 Pfund erwarb. Es hatte die Größe einer Postkarte und stammte vom englischen Industriemaler
L. S. Lowry. Von da an ging es weiter: Die Zigarettenbilder waren Schnee von gestern, die Münzen
VON DORIS KRUMPL
auch, ich war jetzt in der Kunstszene. Es war wie ein
Virus, den ich nie mehr loswurde. Seitdem lese ich
D o r i s K r u m p l : Wa r u m s a m m e l t d e r M e n s c h ?
Wa r u m s a m m e l t M r. C o h e n , u n d w i e i s t e s
d a z u ge ko m m e n ?
Frank Cohen: Die Leidenschaft für das Sammeln
wurzelt in meiner Kindheit. Ich habe als Kind Ziga-
ständig über Kunst. Ich habe ja keine höhere Schulbildung, kein Kunstgeschichtestudium oder Ähnliches absolviert. Mein Geld verdiente ich in der Heimwerkerbranche: Badezimmer, Küchen, Teppiche …
Damals nannte man das „DIY“ – „do it yourself“.
rettenbilder mit Fußballern oder Boxern gesam-
Das ist auch Ihr Lebensmotto.
melt, später Münzen mit seltener Prägung. In den
Anfangs habe ich hauptsächlich Kunst gekauft, die
1970er-Jahren lernte ich meine Frau Cheryl kennen;
das widerspiegelte, was ich in meinen Geschäften
bei ihrem Vater, der damals Kunsthändler in Man-
verkaufte – zum Beispiel von Arman. Ich hielt also
chester war, kaufte ich Kunstdrucke in limitierter
nach Haushaltsgegenständen Ausschau, die Kunst-
Auflage. Drucke sind Massenprodukte, reine Zeitver-
werken ähnelten, gemacht aus Materialien, die es in
schwendung, also bin ich auf Originale umgestiegen.
einem Baumarkt zu kaufen gibt.
DOROTHEUM
31
We n n Ku n s t w e r ke a l s A n l a g e f o r m g e s e h e n
w e r d e n , i s t d a n n Ku n s t d a s n e u e G e l d ?
Es geht heute nur noch ums Geld, nicht um die
Kunst, und genau das ist das Problem. Melanie Gerlis
hat ein Buch mit dem Titel „Art as an investment? A
survey of comparative assets“ (Kunst als Investment?
Anlageformen im Vergleich) geschrieben. Auch Don
Thompsons „The Supermodel and the Brillo Box“
(Das Supermodel und die Brillo-Schachtel) ist sehr
interessant. Wenn man das liest, wird einem klar: Es
geht ausschließlich ums Geld. Nicht dass den Menschen Kunst nicht gefallen würde, aber sie sehen sie
als Luxusgut, setzen sie mit barem Geld gleich. Früher haben sie an der Börse spekuliert, aber heute
erzielen sie nicht mehr die gleichen Gewinne. Und
alternative Anlageformen sind auch nicht mehr
das, was sie einmal waren.
Aber Sie zählen doch auch zu diesem
Sammlerkreis!
S i e s t a m m e n a u s d e r A r b e i te r s c h i c h t .
Natürlich, aber ich denke doch, dass sich die Kunst,
W i e ko m m e n S i e a l s S a m m l e r m i t d e m
die ich kaufe, von jener der spekulativen Sammler
b r i t i s c h e n K l a s s e n sy s te m z u r e c h t ?
unterscheidet: Sie kaufen Warhols, Stingels und
Früher gab es die Aristokraten, die über Genera-
Christopher Wools … Die Preise sind wie verrückt
tionen bei den alteingesessenen englischen Händ-
in die Höhe geschnellt. Ich habe 2004, also vor nicht
lern Kunst kauften. Uns blieb nur Lowry, aber den
allzu langer Zeit, einen Wool um 50.000 US-Dollar
verstanden wir wenigstens. Wenn du versucht hast,
erstanden. Heutzutage bekommt man für einen
diese Barrieren zu durchbrechen – ich zum Bei-
mittelmäßigen Christopher Wool 1,5 Millionen Dol-
spiel bin immer wieder nach London gefahren, um
lar! Mir ging es beim Kauf nicht ums Geld. Meine
mitzumischen –, wurdest du einfach ignoriert. Sie
moderne britische Kunst ist wertbeständig. Man
musterten dich von oben bis unten, und wenn du
will sie nicht verkaufen, sondern ansehen. Aber auch
mit Jeans und T-Shirt daherkamst, hielten sie dich
für einen Idioten: Pech gehabt! Nur im Nadelstreif­
anzug mit Krawatte wurde man ernst genommen.
Heute ist alles ganz anders: Bei denen mit T-Shirt
und Sneakers sitzt die Geldbörse locker; die mit
Nadelstreif und Krawatte drehen jeden Cent zweimal um. Es hat sich alles um 180 Grad gedreht, die
Welt steht Kopf.
We l c h e R o l l e s p i e l t Lo n d o n b e i a l l d e m ?
Heute ist mehr Geld im Spiel, besonders in London.
Russen, Chinesen, Südamerikaner, Leute aus Paris:
Sie alle wollen wegen der niedrigen Steuern in England leben. Die Immobilienpreise sind explodiert.
Der Kunstmarkt ist völlig aus den Fugen geraten, weil
alle großen Galerien in London vertreten sind – auch
solche, die ihren Stammsitz in Amerika oder Zürich
haben, wie Gagosian, Hauser & Wirth, Pace und Gladstone. Die Kunstszene hat sich komplett verändert.
Beginn von Cohens Kunstsammlung mit Arbeiten
des britischen Industriemalers L. S. Lowry:
Father & Two Sons, 1950
All images courtesy of The Frank Cohen Collection
Große Früchte aus Stahl
Tony Cragg , Fruit Bottles, 1989
DOROTHEUM
32
hier kommt Bewegung in den Markt, weil die Leute
immer mehr Interesse an Kunst aus verschiedenen
Ländern haben. Francis Bacon, Lucian Freud, David
Hockney – große britische Künstler, die alle hoch im
Kurs stehen.
Courtesy of The Frank Cohen Collection
A p r o p o s h o c h i m Ku r s : Wa r u m s o l l t e m a n ,
Porträt des Sammlers: Jake & Dinos
Chapman, Painting For Pleasure and
Profit, No.20 (Frank Cohen) 2006
w i e S i e j a a u c h , e i n e A r b e i t vo n J e f f Ko o n s
besitzen?
Er macht, was sonst keiner macht: Er produziert
Massenkitsch, Haushaltsprodukte für den Alltag, und
bläst sie auf. Die Arbeit daran dauert Jahre. Es ist keine Kunst für jedermann, weil nicht viele Menschen
bereit sind, sieben Jahre auf ein Kunstwerk zu warten.
Der Reiz daran liegt auf der Hand: Man braucht sich
nur „Popeye“ anzusehen. Ich stehe auf die Sachen, die
Frank Cohen
mich an etwas erinnern, was ich als Kind mochte. Er
g e h ö r t l a u t „ A R Tn e w s “ z u d e n 2 0 0 To p - K u n s t s a m m l e r n
spielt mit der Kindheit, spielt mit allem.
weltweit. Aus einer in Manchester ansässigen armen
russisch-jüdischen Einwandererfamilie stammend, verließ
er mit 15 Jahren die Schule, verkaufte Essen auf Märk­
t e n , d a n n Ta p e t e n u n d M a l f a r b e , u m s c h l u s s e n d l i c h d i e
D o - i t -Yo u r s e l f - B a u m a r k t k e t t e „ G l y n W e b b“ a u f z u b a u e n ,
die er 1999 für kolportierte 25 Mio. Pfund verkaufte.
Cohen, 70, lebt mit seiner Frau Cheryl in der Nähe von
M a n c h e s t e r. Vo n d e n 1 9 7 0 e r - J a h r e n a n s a m m e l t e e r v o r
allem moderne britische Kunst, seit den 1990ern verstärkt
internationale Gegenwartskunst. Heute umfasst seine
Um noch einmal auf Ihre Sammlung zurückz u ko m m e n : Wa s g e n a u c h a r a k t e r i s i e r t s i e ?
Humor scheint eine große Rolle zu spielen …
Um ehrlich zu sein, ich mag gegenständliche Kunst.
Ich mag Menschen. Dazu zählen zum Beispiel Arbeiten von Künstlern wie Thomas Schütte, Paula Rego
oder William Roberts – einem wunderbaren, aber
stark unterschätzten britischen Künstler, der jetzt
immer stärker nachgefragt wird.
Sammlung zeitgenössischer Kunst rund 2 .000 Werke. 2007
gründete Cohen den Ausstellungsraum Initial Access, in
d e m s e i n e S a m m l u n g i n Te i l e n z u s e h e n w a r. I m Vo r j a h r
eröffnete er gemeinsam mit Kodirektor und Kunstberater
Nicolai Frahm in einer ehemaligen Milchlagerhalle in
zentraler Londoner Lage das Dairy Art Centre mit freiem
Eintritt für Alle.
Foto Paul Raeside
Industrie-Touch:
Dairy Art Centre,
London
Kommende Ausstellung im Dairy Art Centre:
Yo s h i t o m o N a r a : „ G re e t i n g s f ro m a P l a c e i n m y H e a r t ”
3 . O k t o b e r – 7. D e z e m b e r 2 0 1 4
w w w. d a i r y a r t c e n t r e . o r g . u k
Yoshitomo Nara
Can‘t Wait ‘til the Night Comes, 2012
© Yoshitomo Nara, Courtesy of the artist
Photo: Keizo Kioku
DOROTHEUM
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Ve r g l i c h e n m i t d e r i n n ova t i ve n Ku n s t , d i e S i e
f ü r g e w ö h n l i c h k a u f e n , w i r k t d a s Vo r j a h r e s p r o g r a m m I h r e r Lo n d o n e r Ku n s t i n s t i t u t i o n
D a i r y A r t C e n t r e n a h ez u ko nve n t i o n e l l .
Mein Kompagnon Nicolai Frahm und ich wollten nicht zu viel von meiner Sammlung zeigen;
das wäre platt gewesen. Wir haben das schon
„Um ehrlich zu sein, ich
mag gegenständliche Kunst.
I c h m a g M e n s c h e n .“
einmal in der Galerie Initial Access in Wolverhampton so gemacht. Das Programm sollte stimmiger und leichter zu kuratieren sein. Wir haben
mit John Armleder begonnen, einem Schweizer
Künstler, der in den 1980ern groß rauskam. Wäre
er Amerikaner, würden seine Arbeiten zehnmal
so viel kosten. Unsere nächste große Ausstellung widmet sich Yoshitomo Nara. Unser Vorteil: Wir können alles spontan machen, während
große Museen Jahre im Voraus planen müssen.
In meinen Augen haben wir die beste Location
in London: Sie ist kein White Cube und nicht so
steril wie eine Galerie, sondern hat einen gewissen
Industrie-Touch. Wir haben ein Lehrprogramm,
das großen Anklang findet; und wir bringen Dinge nach London, die es dort – abgesehen von der
Tate Modern und der Royal Academy – nicht zu
sehen gibt. Auch von Charles Saatchis Galerie
unterscheiden wir uns.
I c h h ä t te s e i n e n N a m e n n i c h t e r wä h n t ,
weil ich gelesen habe, dass Sie es leid sind,
Laut Frank Cohen ein wunderbarer,
aber stark unterschätzter britischer Künstler:
William Roberts Primrose Hill, The Playground, c. 1930
Courtesy of The Frank Cohen Collection
al s „ S aatc h i des N ordens“ bezeichnet zu wer -
Wa s b e d e u t e t d a s f ü r S i e a l s S a m m l e r ? I c h
d e n … Gib t es zwischen Ihnen beiden R iva lit ät?
nehme an, Hamilton steht auf Ihrer Liste.
Ich habe ein kollegiales Verhältnis zu Charles, hatte
Je älter du wirst, desto weniger willst du haben. Wenn
ich immer. Er war stets ein Vordenker, aber heute
ich ein paar Hamiltons hätte und ein paar Schüttes –
wird nach anderen Regeln gespielt. Es kostet ein Ver-
ich stehe auf Thomas Schütte! – und dazu einen
mögen, seine Galerie zu betreiben. Er macht etwas
Picasso, einen Bacon, vielleicht einen Rothko und
völlig anderes als wir; wir sind wie Tag und Nacht.
einen Jackson Pollock, dann würde ich die behalten
G a b e s i n l e t z te r Ze i t e i n e Au s s te l l u n g , d i e
und auf den Rest verzichten.
I h r e S i c h t a u f d i e Ku n s t ve rä n d e r t h a t ?
Wird man mit den Jahren wählerischer?
Die Richard-Hamilton-Retrospektive. In meinen
Der Bestand soll möglichst schrumpfen, nicht grö-
Augen war dort das Beste zu sehen, das Groß­
ßer werden. Das Sammeln bringt Probleme mit sich:
britannien zu bieten hat. Man hatte den Eindruck,
Wenn du stirbst, geht alles an deine Kinder oder an
dass britische Kunst keineswegs weg vom Fenster
Museen … Weniger ist mehr! Ich für meinen Teil
ist. Es gibt heute keine Hamiltons zu kaufen, man
will nur noch Meisterwerke haben. Aber ich schaue
bekommt sie nicht einmal zu sehen. Ich war total
mir trotzdem noch junge Künstler an und kaufe sie
von den Socken. Ich habe schon hunderte gute Aus-
auch. Man will ja immer am Ball bleiben!
stellungen gesehen: Picasso, Basquiat … allesamt
hervorragende Techniker. Aber bei Hamilton steckt
mehr Herzblut dahinter.
Doris Krumpl studierte Germanistik und
Kunstgeschichte. Die vormalige Kunstjournalistin ist
Sprecherin des Dorotheum.
AUCTION HOUSE
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AUCTION HOUSE
GLANZ
PA R T I E
EXPERTEN JUWELEN & UHREN
v.l.n.r: Dorothee Ganter, Astrid Fialka-Herics, Günter Eichberger, Alessandra Thornton, Günther Fröhlich
AUCTION HOUSE
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AUCTION HOUSE
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ASTRID FIALKA-HERICS
LEITERIN DER ABTEILUNG
JUWELEN UND UHREN
Gelernte Gold- und Silberschmiedin mit internationaler Erfahrung,
Diamantfachfrau, Schätzmeisterin und Juristin: Astrid Fialka-Herics
stammt aus einer Juweliersfamilie und entwarf schon als Jugendliche viele – auch international ausgestellte – Schmuckkreationen.
Seit 2008 setzt sie sich als Leiterin der Juwelen- und Uhrenabteilung verstärkt für deren Etablierung am internationalen Markt ein
und zeichnet für die jüngsten Spitzenpreise und Erfolge der aufstrebenden Sparte verantwortlich. Ganz besonders in Erinnerung
geblieben ist ihr die Entdeckung der „Schratt-Brosche“: „Als ich
die Brosche sah und keine Punze zu finden war, dachte ich mir: Da
muss doch noch mehr dahinterstecken!“ Nach Kontaktaufnahme
mit dem vormaligen k. u. k. Hoflieferanten A. E. Köchert und ausgiebiger Recherche stellte sich heraus, dass die mit Diamanten und
Rubinen besetzte Brosche aus dem Besitz Katharina Schratts, Wiener Schauspielerin und engste Vertraute von Kaiser Franz Joseph I.,
stammte. Zur besonderen Freude des Einbringers wurde dafür der
außergewöhnliche Preis von über 202.000 Euro erzielt …
ALESSANDRA THORNTON
EXPERTIN FÜR JUWELEN
„Schmuck ist meine Leidenschaft“, so Alessandra Thornton. Und
der folgte sie, wie ihr Lebensweg – von der Goldschmiedemei­
sterin über die geprüfte Diamantgutachterin und Europäische
Gemmologin bis 2001 zur Dorotheum-Expertin für Juwelen –
eindrucksvoll erkennen lässt. Alessandra Thorntons besondere
Liebe gilt Schmuckstücken mit Geschichte. Große Freude konnte sie einer Kundin machen, die resigniert den ihr wenig attraktiv erscheinenden Nachlass der Großmutter begutachten ließ:
Darin fand sich eine Brosche von Cartier aus den 1940er-Jahren,
die mit Aquamarinen und Diamanten besetzt war. Sie erzielte
ein Meistbot von 11.000 Euro!
AUCTION HOUSE
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DOROTHEE GANTER
EXPERTIN FÜR JUWELEN
Die Dorotheum-Expertin stammt ursprünglich aus Deutschland,
wo sie die Ausbildung zur Goldschmiedin absolvierte. Ihre Lehrund Gesellenjahre verbrachte sie bis zur Meisterprüfung unter
anderem in einer Pariser Werkstatt. Die Schätzmeisterausbildung
führte Dorothee Ganter schließlich ins Dorotheum nach Wien. Ihr
Schwerpunkt liegt in der Betreuung der italienischen und deutschen
Kunden des Hauses. Als Expertin für Juwelen vertieft sie durch den
fachlichen Austausch mit Kollegen und gemmologische Fortbildungen ständig ihr Wissen. Was sie besonders an ihrem Job schätzt? „Die
Spannung, wenn die Kunden ihre Schätze ausbreiten …“
GÜNTHER FRÖHLICH
EXPERTE FÜR UHREN UND JUWELEN
Mitte der 1970er-Jahre legte Günther Fröhlich die Meisterprüfung zum
Uhrmacher ab, ehe er im Zuge seiner langjährigen Tätigkeit im Schmuckund Uhrengroßhandel vielfältige Erfahrungen sammelte. Fachspezifischen Weiterbildungen in der Gemmologie folgte 1989 der Eintritt in
den Dienst des Dorotheums und damit einhergehend die Schätzmeisterausbildung. Seitdem ist er als Experte für Schmuck und Uhren auf der
Suche nach außergewöhnlichen Stücken … und immer wieder fasziniert
davon, wie viele Überraschungen sein vertrautes Fachgebiet tagtäglich
für ihn bereithält!
GÜNTER EICHBERGER
EXPERTE FÜR UHREN UND JUWELEN
Schon in jungen Jahren verschrieb sich Günter Eichberger seiner Profession:
Der Ausbildung zum Uhrmacher und Goldschmied folgte ein Posten als Generalvertreter für renommierte Uhrenmarken. Nach einigen Jahren in der eigenen
Uhrmacherwerkstatt konnte ihn das Dorotheum 2004 als Experten für Uhren
und Schmuck gewinnen. Im Mai 2014 bestand Günter Eichberger die Prüfung
zum „Allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen für
Uhren“ – eine Seltenheit in Österreich! Spannend an der Arbeit im Dorotheum
findet er den persönlichen Kontakt und die für Kunden bisweilen überraschenze handeln kann: So geschehen etwa bei einer seltenen Rolex Submariner, die
letztlich ein Meistbot von 22.000 Euro erreichte!
Fotos Raimo Rudi Rumpler
de Erkenntnis, dass es sich bei unscheinbaren Erbstücken um ungeahnte Schät-
AUCTION HOUSE
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D E S
AUCTION HOUSE
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GERTI DRAXLER
D E S I G N - E X P E R T I N I M P O R T R ÄT
Die Liste ihrer prominenten Kunden aus der internationalen Architektur-, Mode- und
Medienszene ist lang. In bester Kenntnis der Designströmungen des 20. Jahrhunderts
ist Gerti Draxler, Kunsthistorikerin und Dorotheum Design-Expertin, bemüht, ihre
Sparte stets auch um aktuelle Tendenzen zu bereichern. Dafür hält sie engen Kontakt
zu zeitgenössischen Designern, in deren Arbeiten die Grenzen zur (Konzept-)Kunst
fließend sind. Auch in dieser Hinsicht ist Gerti Draxler, stets auf der Suche nach neuen Techniken oder Materialien, eine Pionierin. Ihre Design-Auktionen, die sie seit
1996 als eine der Ersten in Europa initiierte, spiegeln den stark kuratorischen Aspekt
ihrer Arbeit wider. Als „Galeristin auf Zeit“ versucht Gerti Draxler dabei, Werke aktueller Strömungen in Design und Konzeptkunst im Spannungsfeld mit historischen
Positionen zu präsentieren. Das macht ihre streng komponierten Auktionskataloge so
einzigartig. Mit der Auktion „Austrian Design“ fügte Gerti Draxler 2010 der internationalen Design-Landkarte erstmals österreichische Formgebung hinzu. Vertreten war
auch Carl Auböck, der besonders für seine ebenso kühne wie sehr eigenwillige FiftiesÄsthetik berühmt ist. Er verkörpert jenen Stil, den Gerti Draxler persönlich am meisten
Foto Maria Ziegelböck
schätzt: Minimalismus und Klarheit, gepaart mit hoher Funktionalität.
I G N
FAVOURITE
X
Altschliffdiamantohrringe
ca. 19,30 ct, 1. Drittel 20. Jh.
Gold 585, Platin
Schätzwert € 80.000 – 100.000
Auktion Juwelen, 23. Oktober 2014
E
©Bundesarchiv Bild 102-00140A, CC-BY-SA-3.0-de
FAVOURITE
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X
F U NK E LND E
TR A
VAGA N Z
Neue Materialien, Arbeitsmittel und
Produktionswege ermöglichten zu Beginn
des 20. Jahrhunderts modische Schmuckkreationen
für die selbstbewusste Dame. Die exklusiven
Stücke zählen heute zu den gefragtesten
Juwelen weltweit.
VON ASTRID FIALKA-HERICS
FAVOURITE
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Girlanden-Diamantcollier
zus. ca. 8,5 ct, Platin
franz. Importpunze ab 1912
Schätzwert € 9.000 – 12.000
Auktion Juwelen, 27. November 2014
War der Schmuck des 19. Jahrhunderts geprägt
von der Wiedergabe antiker und mythologischer
Motive, ergänzt durch naturalistische florale Darstellungen und Formen, so nützte man zu Beginn
Glanz und hebt ihre Leuchtkraft. Nachteilig wirkt
des 20. Jahrhunderts neue technische Erkenntnis-
sich die chemische Reaktion der Silberlegierung durch
se und Möglichkeiten verstärkt, um moderne Ver-
den Schwefelgehalt der Luft aus: Silber sulfidiert
arbeitungstechniken zu entwickeln und bis dahin
und läuft schwarz an. Für Liebhaber und Sammler
unbekannte Formen zu kreieren.
alter Schmuckstücke heute ein aparter Touch – von
der ursprünglichen Idee jedoch weit entfernt!
Der
europaweite
Ausbau
des
Verkehrsnetzes
ermöglichte die raschere Erreichbarkeit gerade
An der Wende zum 20. Jahrhundert überwogen
erschlossener Lagerstätten und begünstigte die
pflanzliche und figürliche Motive. In ihrer Eleganz
Ausdehnung des Handels mit den zutage geför-
und Zartheit scheinen sie fernen, fremden Märchen-
derten Edelsteinen. Neu entwickelte Maschinen
und Feenwelten zu entspringen. Verschiedene Formen
kamen zum Einsatz und führten zu einer Produk-
von Emaille, insbesondere Fensteremaille, verleihen
tionsumstellung in der Schmuckherstellung. Erst-
den Schmuckstücken Farbenvielfalt und Leichtigkeit.
mals konnten Schmuckstücke in großer Stückzahl
erzeugt und vertrieben werden. Individuell angefer-
Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges und die
tigte Juwelen standen nun im Spannungsverhältnis
Beendigung der zaristischen Herrschaft in Russ-
zur Massenproduktion. Große Juwelierhäuser wie
land hatten nicht nur politische und wirtschaft-
Cartier oder Fabergé beobachteten akribisch, was
liche Veränderungen, sondern auch maßgebliche
die Konkurrenz auf den Markt brachte. Nicht nur
Umwandlungen in der Gesellschaft zur Folge:
dieselbe Klientel wurde um-, sondern auch Hand-
unter anderem eine tendenzielle Neuausrichtung
werker wurden untereinander abgeworben.
der Stellung der Frau und – damit verbunden –
Neuerungen in der Mode.
Bei Schmuckstücken aus dieser Zeit sind die Fassun-
Diamant-SmaragdOhrgehänge
Gold 580, Silber,
Altschliffdiamanten
und Diamantrauten,
zus. ca. 2,50 ct
Smaragde im
Cabochonschliff,
zus. ca. 45 ct
österr. Amtspunze
1922 – 1925
Erzielter Preis € 19.820
gen von Steinen überwiegend in Silber gehalten, die
Der Schmuck passte sich dieser Entwicklung an.
darunterliegenden formgebenden Montierungen in
Akkurat geschnittene Kurzhaarfrisuren wurden zu
Gold gearbeitet. Die Goldmontierungen geben dem
festlichen Ereignissen mit vorwiegend diamant-
Schmuckstück die – vor allem bei beanspruchten
besetzten Bandeaus geschmückt, Kleider-Clipse
Elementen wie Nadel oder Ringschiene – notwendi-
in streng symmetrisch geordneten Formen fan-
ge Stabilität. Das aufpolierte Silber verleiht insbeson-
den sich auf fließenden Gewändern wieder, lang
dere Diamanten und Edelsteinen einen besonderen
gezogene Ohrgehänge umspielten das Gesicht und
Diamant-Smaragd-Diadem
1. Drittel 20. Jh.
Gold 580, Silber, Altschliffdiamanten, zus. ca. 20,80 ct
Smaragde im Cabochonschliff,
zus. ca. 140 ct
Erzielter Preis € 44.220
Diamantohrgehänge
zus.ca. 5,90 ct, Platin
franz. Punzierung ab 1838
Schätzwert € 18.000 – 24.000
Auktion Juwelen, 27. November 2014
Damenring mit unbehandeltem Saphir ca. 4,10 ct
Weißgold mit Brillanten
zus. ca. 2,50 ct
Schätzwert € 24.000 – 30.000
Auktion Juwelen, 21. Mai 2014
Art-déco-Diamantdiadem
1. Drittel 20. Jh
zus. ca. 29 ct, Platin 950
Erzielter Preis € 85.700
Franz Löwy (Wien), Damenbildnis, um 1930
Art-déco-Diamantarmband
zus. ca. 22 ct, Platin 950
Altschliff- und Achtkantdiamanten
franz. Amtspunze ab 1912
Schätzwert € 16.000 – 20.000
Auktion Juwelen, 23. Oktober 2014
breite Armbänder mit sich geometrisch wiederho-
die Voraussetzung, den für Platin erforderlichen
lenden Mustern die Handgelenke. Edelsteine in
Schmelzpunkt von 1.774 Grad Celsius zu erzielen.
verschiedenen Schliffformen wie Cabochon oder
Briolett wurden mit Diamanten im klassischen
So entstanden in den großen europäischen Werk-
Brillantschliff kombiniert.
stätten zwischen 1900 und 1925 Juwelen der besonderen Art: Geschmeidiges Material ermöglichte das
Ein schon in den Jahren zuvor verstärkt in den
Experimentieren mit neuen Formen und die Verar-
Mittelpunkt gelangendes Material war nun nicht
beitung unterschiedlicher Steine sowie Schliffformen.
mehr wegzudenken: Platin. Obwohl schon im
Die Extravaganz dieser Einzelanfertigungen zeigt
alten Ägypten zu einfachen Schmuckstücken ver-
Charakter und unterstreicht das neu entstandene
arbeitet, hatte Platin wegen seines hohen Schmelz-
Modebewusstsein der modernen Frau. Ausgewiesene
punktes und des Mangels an technischen Ein-
Stücke aus dem ersten Quartal des 20. Jahrhunderts
richtungen, diesen zu erreichen, lange Zeit als
zählen heute zu den gefragtesten Juwelen und erzie-
Besonderheit gegolten. Erst die Erfindung des
len bei internationalen Auktionen Spitzenpreise.
Knallgasgebläses durch John Frederic Daniell
in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts schuf
Astrid Fialka-Herics ist Leiterin der Abteilung
Uhren und Juwelen, Expertin für Juwelen,
Mag. iur. und gelernte Goldschmiedin.
CHOICE
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CHOICE
MY
CHOICE
Dorotheum-Experten über ihre Lieblingsobjekte
aus kommenden Auktionen
Maria Lassnig
Stillleben mit rotem Selbstportrait, 1970
Öl auf Leinwand, 101 x 127 cm
Aus einer österreichischen Sammlung
Schätzwert € 140.000 – 200.000
Auktion Zeitgenössische Kunst,
26. November 2014
N A T U R G E WA LT
Krebsangstfarben, Schmerzfarben, Druckfarben, Spannungsfarben, Dehnungsfarben, Kälte- und Wärmefarben: Im Kosmos der 1919 geborenen großen österreichischen Malerin Maria Lassnig finden auch Farben eine neuartige Definition. In
ihren seit 1949 entwickelten „Körperzustandsbildern“ steht die wohl bedeutendste
europäische Künstlerin des 20. Jahrhunderts stellvertretend mit ihrem eigenen
Körper als sichtbare Außenwelt vor diesen bildlichen Schilderungen menschlicher
Innenwelten. Kunstkritiker Kristian Sotriffer beschrieb dies in einem Gespräch
mit der Künstlerin wie folgt: „Sie sind sozusagen die Schale, die Welt auffängt, und
durch Sie wird sie wieder hinausprojiziert. Maria Lassnig als Durchlaufmittel, als
Körper, der das Fühlen und Denken in Malerei umsetzt und sich damit eigentlich
auch Welt aneignet, durch das Selbstbeobachten, Selbstempfinden.“
Heute international gefeiert, musste die Künstlerin 1943 die Wiener Akademie
verlassen, da ihre Kunst als „entartet“ galt. In der Nachkriegszeit gehörte Lassnig
dem Kreis um Monsignore Otto Mauer und dessen Avantgarde-Galerie nächst
St. Stephan in Wien an. Weitere Lebensstationen waren Paris, wo sie mit André
Breton und Paul Celan zusammentraf, sowie ab 1968 New York. 1980 bekam
Maria Lassnig
Der Wald, 1985
Öl auf Leinwand, 205 x 140 cm
Aus einer österreichischen
Sammlung
Schätzwert € 220.000 – 320.000
Auktion Zeitgenössische Kunst,
26. November 2014
Lassnig als erste Frau im deutschsprachigen Raum eine Professur für Malerei in
Wien. Bis zu ihrem Tod im Mai 2014 schuf sie ein gewaltiges Œuvre, ausgezeichnet
unter anderem mit dem Goldenen Löwen der Biennale von Venedig 2013 für ihr
künstlerisches Lebenswerk.
Elke Königseder, Expertin für Zeitgenössische Kunst und Klassische Moderne
CHOICE
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Maria Lassnig
Zweiteilig, 1951
Öl auf Jute,
44,5 x 57,5 cm
Aus einer österreichischen
Sammlung
Schätzwert € 60.000 – 80.000
Auktion
Zeitgenössische Kunst,
26. November 2014
SAMMEL
LUST
Zahlreiche Werke aus einer österreichischen Sammlung werden in der Auktion Zeitgenössische Kunst im
November angeboten. Sie umfasst bedeutsame
Werke von Maria Lassnig, Arnulf Rainer, Martin
Kippenberger, Jörg Immendorff, Daniel Spoerri,
Otto Muehl, Alfons Schilling, Josef Mikl, Wolfgang
Hollegha, Otto Zitko und vielen mehr. Die Gemälde
stammen aus den 1960er- bis 1990er-Jahren, der
Schwerpunkt der Sammlung liegt auf den 1980ern.
Elke Königseder und Patricia Pálffy, Expertinnen für
Zeitgenössische Kunst und Klassische Moderne
Maria Lassnig
Bischof, 1962
Öl auf Jute, 121 x 100 cm
Aus einer österreichischen Sammlung
Schätzwert € 130.000 – 220.000
Auktion Zeitgenössische Kunst, 26. November 2014
CHOICE
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Alfons Schilling, Ohne Titel, 1960/61, Dispersion auf Molino auf Leinwand über Holzrahmen, 223 x 253 cm
Aus einer österreichischen Sammlung, Schätzwert € 90.000 – 130.000, Auktion Zeitgenössische Kunst, 26. November 2014
Otto Muehl, interieur nr. 2, 1986, Acryl auf Leinwand, 150 x 130 cm
Aus einer österreichischen Sammlung, Schätzwert € 40.000 – 70.000
Auktion Zeitgenössische Kunst, 26. November 2014
Arnulf Rainer, Fetzenwischer, 1974
Öl z. T. gekratzt auf Sperrholz, 87 x 122 cm
Aus einer österreichischen Sammlung
Schätzwert € 50.000 – 60.000
Auktion Zeitgenössische Kunst, 26. November 2014
CHOICE
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Martin Kippenberger
Ohne Titel, 1989/90
Öl auf Leinwand,
240 x 200 cm
Aus einer österreichischen Sammlung
Schätzwert
€ 280.000 – 350.000
Auktion Zeitgenössische
Kunst, 26.November 2014
„Witz, Effekt, Gefühle, Bild, Anschauung“: In
ker, Trinker, Tänzer, reisender Charmeur, Enfant
expressiven Lettern greift Martin Kippenberger
terrible und Selbstinszenierer – gilt heute als
Schlagworte auf und nimmt dabei auf die Werbe-
einer der bedeutendsten Künstler seiner Genera-
und Plakatkunst Bezug. Er unterwandert damit
tion. Das vorliegende Werk entstand 1989/90 und
offensichtlich konventionelle Vorstellungen von
gehört zu den „Fred the Frog“-Bildern. Publiziert
gutem und schlechtem Geschmack, deckt Heu-
wurde diese Werkgruppe im Künstlerbuch „Martin
chelei und Manipulation auf, die gesellschaftliche
Kippenberger. Fred the frog rings the bell / once a
Interaktion zum Großteil kennzeichnen. Kippen-
penny / two a penny / hot cross burns“.
berger – Maler, Schauspieler, Schriftsteller, Musi-
Patricia Pálffy, Expertin für Zeitgenössische Kunst
CHOICE
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Jörg Immendorff
Staat/Formel, 1992/93
Öl auf Leinwand, 200 x 280 cm
Aus einer österreichischen
Sammlung
Schätzwert € 120.000 – 180.000
Auktion Zeitgenössische Kunst,
26. November 2014
Hans Makart, Portrait der Sängerin
Emilie Tagliana, um 1875
Öl auf Holz, 104,6 x 66,8 cm
Schätzwert € 60.000 – 80.000
Auktion Gemälde 19. Jahrhundert
8. April 2014
INNEN
LEBEN
Tieren kommt in Jörg Immendorffs Werk eine besondere Symbolik zu. Die Biene
oder „Imme“ war für ihn „ein sensibles und zum Nachdenken anregendes Tier“.
Im vorliegenden Werk findet sie sich unter anderem blau im Vordergrund. Das
wohl bedeutendste Tier in Immendorffs Bildwelt ist jedoch der Affe. Gleichermaßen albern wie weise und für Gegensätze stehend, galt er dem Künstler als zweites
Ich, als Symbol für die Ambivalenz der Künstlerexistenz zwischen Überzeugung
und Selbstzweifel. In zahlreichen Werken Immendorffs erscheinen Freunde und
Vorbilder des Malers, Galeristen und Förderer, Kunstautoren und Philosophen. So
auch hier: Von links nach rechts und von oben nach unten sind Jörg Immendorff,
Arthur Rimbaud, Georg Baselitz, André Breton, Joseph Beuys, Heiner Müller,
Henrik Ibsen, Curzio Malaparte, Giorgio de Chirico, Rudi Fuchs und Jean-Paul
Sartre dargestellt. Immendorff verwischt bewusst zeitliche Ebenen und unterschiedliche Weltanschauungen. Verbunden werden alle durch die Kunst. Patricia Pálffy, Expertin für Zeitgenössische Kunst
und Klassische Moderne
Mimmo Paladino für Meta Memphis
„Ficcanaso“-Möbelobjekt, Mailand 1989
Ahorn, Padouk-Holz, Einlegearbeiten,
Eisen, 181 x 180 x 45 cm
Schätzwert € 30.000 – 35.000
Auktion Design, 6. November 2014
CHOICE
50
In den 1960er-Jahren begründete Sigmar Polke gemeinsam mit Gerhard
Elaine Sturtevant
Peinture à Haute Tension, 1969
Acryl und Neon auf Leinwand, 162,1 x 96,5 cm
Schätzwert € 50.000 – 70.000
Auktion Zeitgenössische Kunst, 26. November 2014
Richter, Konrad Lueg und Manfred Kuttner eine neue Stilrichtung, die
sie „Kapitalistischer Realismus“ nannten. Polkes Strategien waren jedoch
heterogen und lassen sich keiner Stilrichtung eindeutig zuordnen. In diesem Werk werden erprobte Linienfigurationen wie riesige Versatzstücke
in die farbige Textur eines Gemäldes übersetzt. Gesättigte, deckende
Linien in der dominierenden Form eines Gitters bilden lineare, Raum
durchmessende Koordinaten. Das Thema des Gitters als eine der einfachsten zeichnerischen Grundformen wird gleichsam verwandelt und
ironisiert. In lavierender Manier und zeichnerischer Technik variiert
Polke Motive aus Werbung, Filmwelt oder Comics. Diese Technik erzeugt
ein oszillierendes Ineinander-Spielen von Positiv und Negativ, von
plastischem Skelett und immaterieller „Haut“.
Petra Schäpers, Expertin für Zeitgenössische Kunst
und Klassische Moderne
Sigmar Polke
Ohne Titel, 1986
Acryl, Gouache auf
Karton,
199 x 135,5 cm
Schätzwert
€ 450.000 – 550.000
Auktion Zeitgenössische
Kunst, 26. November 2014
MIXED MEDIA
Besondere Highlights der kommenden Auktionen
moderner und zeitgenössischer Kunst sind Werke
aus der exquisiten Gemäldesammlung eines europäischen Industriellenehepaares. Über 30 Jahre
wurden sie mit Geschmack und feinem Gespür für
Kunst von dauerhaftem Wert ausgesucht. Elaine
Sturtevant, Andy Warhol, Arman, Jörg Immendorff, Paul Delvaux, Alexander Calder, Anselm
Reyle: große Künstler, deren bedeutende Werke
jeweils eine Epoche repräsentieren.
Honorine d´Ursel, Leiterin der Repräsentanz in Brüssel
Patricia Pálffy, Expertin für Zeitgenössische Kunst
Georg Baselitz, Ohne Titel, 1960
Mischtechnik (Tusche, Dispersion),
Collage auf Leinwand, 60 x 50 cm
Schätzwert € 70.000 – 90.000
Auktion Zeitgenössische Kunst, 26. November 2014
CHOICE
51
Paris Bordone (1500 – 1571)
Allegorie der Vanitas
Öl auf Leinwand, 87,5 x 72 cm
Schätzwert € 100.000 – 150.000
Auktion Alte Meister, 21. Oktober 2014
GALLERY
OF
BEAUTIES
Pieter Brueghel II. (1564 – 1637/38)
Der Hochzeitstanz
Öl auf Holz, Durchmesser 20 cm
Schätzwert € 200.000 – 300.000
Auktion Alte Meister,
21. Oktober 2014
Maestro di San Jacopo a Mucciana
(aktiv 1390 – 1420)
Madonna mit Kind und Heiligen
Tempera auf Goldgrund,
Triptychon, 55 x 60 cm
Schätzwert € 80.000 – 120.000
Auktion Alte Meister, 21. Oktober 2014
Porträtsaal im Großen Palast von Peterhof,
St. Petersburg
Foto: The Peterhof State Museum-Reserve
CHOICE
53
Pietro Antonio Rotari
(1707 – 1762)
Bildnis einer jungen
Frau mit Haube
Öl auf Leinwand, 45 x 34,5 cm
Schätzwert € 80.000 – 120.000
Auktion Alte Meister,
21. Oktober 2014
Pietro Antonio Rotari
(1707 – 1762)
Bildnis einer jungen
Frau in bäuerlicher Tracht
Öl auf Leinwand, 45 x 34,5 cm
Schätzwert € 80.000 – 120.000
Auktion Alte Meister,
21. Oktober 2014
Solche Bildnisse junger Frauen erfreuten sich im
18. Jahrhundert großer Beliebtheit und machten auch den Künstler Pietro Rotari europaweit
bekannt. Als Porträtmaler reüssierte Rotari an den
Höfen in Dresden, Wien und St. Petersburg durch
seine subtile Farbgebung und die genaue Beobachtung menschlicher Gemütszustände.
Pietro Rotari, Sohn einer aristokratischen Familie, reiste um 1751 nach Wien, um die Arbeiten
Jean-Etiénne Liotards zu studieren. Dessen klare,
weiche Linienführung beeindruckte ihn, sie sollte nachhaltigen Einfluss auf sein späteres Werk
haben. Nach einem Aufenthalt in Dresden führte
ihn sein Weg nach Russland. Dort erhielt er den
Auftrag, für die Schönheitengalerie Porträts von
jungen Frauen anzufertigen, die die Vielfalt der
russischen Völker repräsentieren sollten. Rotari
fertigte 360 Bildnisse russischer Frauen für Zarin
Elisabeth an – und 50 weitere Porträts, die die
Zarin der Russischen Kunstakademie schenkte.
Die Gemälde der Zarin waren für Schloss Peterhof bestimmt. Der Charme dieser Porträts kommt
zweifellos jenen von Greuze oder Chardin nahe.
Mark MacDonnell, Experte für Alte Meister
Lavinia Fontana
(1552 – 1614)
Bildnis einer Edeldame
mit Hündchen und Magd
Öl auf Leinwand,
113 x 92 cm
Schätzwert
€ 120.000 – 180.000
Auktion Alte Meister,
21. Oktober 2014
CHOICE
54
Ivan Augustinowitsch Welz
Wintersonne, 1919
Öl auf Leinwand, 71 x 89 cm
Schätzwert € 40.000 – 60.000
Auktion Gemälde des 19. Jahrhunderts, 23. Oktober 2014
Olga Wisinger-Florian (1844 – 1926)
Fallendes Laub
Öl auf Leinwand, 96 x 128 cm
Schätzwert € 80.000 – 120.000
Auktion Gemälde des 19. Jahrhunderts,
23. Oktober 2014
Thomas Ender (1793 – 1875)
Große Landschaft in Tirol
Öl auf Leinwand, 89,5 x 118,5 cm
Schätzwert € 50.000 – 70.000
Auktion Gemälde des 19. Jahrhunderts, 23. Oktober 2014
CHOICE
55
HERRLICHE
AUSSICHTEN
Sein Leben lang widmete sich Thomas Ender der Studie von Landschaften. Wie an vielen seiner Werke werden auch bei „Große Landschaft in Tirol“ seine genaue Beobachtungsgabe und malerische
Auffassung der Natur offenkundig. Bereits 1817 stellte Ender
in einem Wettbewerb um den von Kaiser Franz II./I. gestifteten Hofpreis in der Landschaftmalerei seine Könnerschaft unter
Beweis. Fortan wurde er von Staatskanzler Metternich gefördert.
Sein Naheverhältnis zum Hof ermöglichte ihm zahlreiche Reisen,
unter anderem nach Brasilien und Italien, wo er sein Handwerk
perfektionierte. 1828 wurde Thomas Ender schließlich Kammermaler Erzherzog Johanns. Aus dieser Zeit stammt vermutlich die
„Große Landschaft in Tirol“, ein Kunstwerk, das einerseits die
Topografie und andererseits auch die Idylle dieser Landschaft
großartig wiederzugeben vermag.
Dimitra Reimüller, Expertin für Gemälde des 19. Jahrhunderts
Joseph Nigg, Stillleben mit Schmetterlingen,
Blumen und Früchten vor Landschaftshintergrund,
1834, Öl auf Leinwand, 68 x 54 cm
Schätzwert € 20.000 – 30.000
Auktion Gemälde des 19. Jahrhunderts, 23. Oktober 2014
CHOICE
56
WIENER
MODERNE
Bei dieser seltenen, von Kolo Moser entworfenen
Gürtelschließe aus dem Jahre 1905 handelt es sich
um eine frühe Arbeit der Wiener Werkstätte. Das
Motiv der Blumenranke ist hier streng symmetrisch
aufgebaut und geometrisiert – es entspricht solcherart ganz den Intentionen der Wiener Werkstätte.
Julia Blaha, Expertin für Jugendstil
Kolo Moser
Gürtelschließe, Entwurf 1905
Ausführung Wiener Werkstätte,
Silber getrieben, tlw. verkupfert,
Opale, 7,8 x 4 cm
Schätzwert € 50.000 – 70.000
Auktion Jugendstil und
angewandte Kunst des
20. Jahrhunderts,
4. November 2014
Egon Schiele
Sitzender Akt, 1917
Schwarze Kreide auf Papier,
29,5 x 46 cm, Kallir: D.2039
Schätzwert € 140.000 – 200.000
Auktion Klassische Moderne,
25. November 2014
CHOICE
57
IMPERIALES
KAFFEKRÄNZCHEN
Das elegante Tee- und Kaffeeservice auf Goldgrund mit Blumendekor und eigenem Reisekoffer stammt aus der 1784 bis 1805 währenden Ära des Direktors Conrad Sörgel von Sorgenthal, unter dem
die Wiener Manufaktur ihre Hochblüte erlebte. Zum Kundenstock
zählten damals neben dem Kaiserhaus mit den österreichischen
Erzherzögen auch die Fürsten Metternich, Kaunitz, Trauttmansdorff, Rasumofsky, Liechtenstein, Lobkowitz, Lichnowsky, Auersperg und Colloredo, die Grafen Tatischeff, Esterházy, Hardenberg,
Czernin, Batthyány, Chotek, Waldstein, Eltz, Festetics und viele
andere. Trotz der ständigen kriegerischen Auseinandersetzungen
stieg auch die Nachfrage aus dem Ausland. Verkauft wurde in die
Türkei, in die Schweiz, nach Italien, Russland, Deutschland und
Frankreich. Die Umsätze der Manufaktur waren beachtlich: In den
Jahren 1792 bis 1808 lag der Reingewinn bei 714.500 Gulden (ein
Gulden entspricht heute zehn Euro).
Ingrid Haslinger, Historikerin und Spezialistin für
Tafelkultur des Kaiserhauses, und Ursula Rohringer,
Dorotheum-Expertin für Glas und Porzellan
Wien, kaiserliche Manufaktur
Kaiserliches Kaffee- und
Teeservice, 1788 – 1799, Porzellan
Schätzwert € 100.000 – 150.000
Auktion Antiquitäten, 22. Oktober 2014
Tischdecke Venezia, Feinstes Reinleinen mit handgestickten Motiven,
freundlicherweise zur Verfügung gestellt von
Zur Schwäbischen Jungfrau, Am Graben 26, 1010 Wien
CHOICE
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Ein weniger bekannter Teil von Lucio Fontanas
Schaffen sind seine Skulpturen und Plastiken.
Am Beginn seiner künstlerischen Karriere – wie
sein Vater – als Bildhauer tätig, schuf Fontana
auch weiterhin, zeit seines Lebens, eindrucksvolle
Skulpturen. Ein Teil seines Werkes ist von religiösen Motiven geprägt. Zwei bedeutende Arbeiten, die
als Beispiele dafür stehen, werden demnächst im
Dorotheum versteigert werden.
Alessandro Rizzi, Experte für Klassische Moderne
und Zeitgenössische Kunst
SKULPTURAL
Lucio Fontana
Jungfrau mit Kind, um 1955
Bemalte Keramik, 40 x 17 x 20 cm
Schätzwert € 55.000 – 75.000
Auktion Zeitgenössische Kunst,
26. November 2014
Lucio Fontana
Kreuzigung, 1961
Bemalte Keramik, 40 x 19 x 6 cm
Schätzwert € 45.000 – 65.000
Auktion Zeitgenössische Kunst,
26. November 2014
Sido und François Thévenin
für Sawaya & Moroni
Crypto CRP 10, 1985,
Bronze
Schätzwert € 100.000 – 150.000
Auktion Design, 6. November 2014
CHOICE
SCH(N)ELL
Mercedes-Benz 450 SL, Schätzwert € 22.000 – 30.000, Auktion Klassische
Fahrzeuge und Automobilia, 18. Oktober 2014, Classic Expo Salzburg
59
Bei der Classic Expo in Salzburg versteigert das Dorotheum am
18. Oktober einen Mercedes-Benz 450 SL aus dem Nachlass von
Oscar-Preisträger Maximilian Schell. Das einstige Topmodell von
Mercedes in der Farbe Magnetitblau metallic hat den am 1. Februar
Rolex Cosmograph Daytona, Referenz 6239,
um 1965, Edelstahl, Ankerwerk, Kaliber 722,
Stoppfunktion über Schaltrad, Gehäusenummer
1475618, Durchmesser ca. 37 cm
Schätzwert € 20.000 – 30.000
Auktion Uhren, 28. November 2014
dieses Jahres verstorbenen Schauspieler, Regisseur und Produzenten über Jahrzehnte begleitet. Bei Schells 2013 gefeierter Hochzeit
mit der Opernsängerin Iva Mihanovic diente der Mercedes noch als
Hochzeitskutsche. Nun kommt er in Salzburg mit einem Schätzwert
von 22.000 bis 30.000 Euro zur Auktion.
Wolfgang Humer, Experte für Klassische Fahrzeuge und Automobilia
BMW 327/28 Cabriolet, 1939, Schätzwert € 140.000 – 180.000
Auktion Klassische Fahrzeuge und Automobilia, 18. Oktober 2014, Classic Expo Salzburg
CITY
Modestadt und Finanzmetropole … Mailand hat
aber noch weitaus mehr zu bieten als Haute
Couture und Haute Finance: Viele unbekannte
Kostbarkeiten und verborgene Plätze harren
ihrer Entdeckung. Eine Liebeserklärung von
Angelica Cicogna Mozzoni, Direttrice der Mailänder
Dorotheum-Repräsentanz, an ihre Stadt.
VON ANGELICA CICOGNA MOZZONI
MAILAND. WAS SOLL ICH ÜBER DIESE STADT SAGEN, DIE STETS NUR
ALS ITALIENS BRIEFTASCHE GEGOLTEN HAT?
Börse, Business, Handel, nicht zu vergessen natürlich Shopping – all
das wird gemeinhin mit Mailand assoziiert. Dabei steckt die Stadt
voller wunderbarer Geheimnisse, die sich meist hinter den hohen
Mauern der Palazzi verbergen und nur darauf warten, gelüftet zu
werden. Auch die Geschäftsräume der Mailänder DorotheumRepräsentanz sind an einem solchen Ort untergebracht: Der Palazzo
Amman ist ein kleines Juwel mit schmuckem Garten um einen
prachtvollen Magnolienbaum, dazu Kletterpflanzen, immergrüne
Gewächse und Kamelien in Rot und Weiß, den Farben Österreichs
und Mailands. Im Hintergrund erfreut die von Mario Botta gestaltete moderne Rückseite der MAILÄNDER SCALA (2) das Auge des
Betrachters; spätnachmittags hört man bisweilen den Chor und
das Orchester für die Abendvorstellung proben – ein zauberhaftes
Arbeitsumfeld! Wenn ich an meinem Schreibtisch sitze und in den
kleinen verwunschenen Garten hinunterblicke, fühle ich mich hier
jeden Tag aufs Neue angekommen.
Dadamaino, Panello Dinamico, Italien 1971 – 1977/78,
erzielter Preis € 51.540
CITY
MAI
LA
ND
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CITY
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Mailand ist unaufdringlich charmant … und diskret: Die mit Stuck
und Fresken verzierten Palazzi verstecken sich vielfach hinter unauffälligen Fassaden; von Besuchern der Stadt werden sie allzu oft gar
nicht wahrgenommen. Viele historische Gebäude wurden während
des Zweiten Weltkrieges zerstört, so manche Residenz hat den Bombenhagel freilich sprichwörtlich überstanden: etwa der Palazzo Clerici mit seinem atemberaubenden Deckenfresko von Tiepolo; der
PALAZZO SERBELLONI (1), ein wunderbares Exempel für Simone Cantonis Architektur des späten 18. Jahrhunderts; der Palazzo Reale, in
dem laufend Ausstellungen gezeigt werden; der zwischen 1782 und
1787 nach Plänen des berühmten Architekten Giuseppe Piermarini
1
entworfene Palazzo Belgioioso, wie die bereits erwähnte Scala ein
Paradebeispiel neoklassizistischer Architektur; der Palazzo Trivul-
Atemberaubend sind auch Mailands Kirchen. Etwa San Babila
zio, einer der schönsten Rokokobauten der Stadt; oder der auf das
und San Carlo. Oder San Satiro aus dem 15. Jahrhundert mit sei-
13. Jahrhundert zurückgehende spätgotische Palazzo Borromeo, der
ner gemalten illusionistischen Perspektive von Donato Bramante.
nach dem Bombardement im Zweiten Weltkrieg teils erneuert wer-
SANT’AMBROGIO (4), dem Schutzpatron Mailands gewidmet, ist
den musste.
eine der ältesten Kirchen Mailands. Dann wäre da auch noch das
wunderbare Dominikanerkloster Santa Marie delle Grazie, dessen
Schwärmen lässt sich auch von den vielen Museen – angefangen bei
Refektorium eines der großartigsten Werke Leonardo da Vincis, „Das
der Pinacoteca di Brera über den Pavillon zeitgenössischer Kunst
Abendmahl“, beherbergt. Von der zentralen Turmspitze des Mailän-
oder das WISSENSCHAFTS- UND TECHNIKMUSEUM (3) bis hin zum
der Doms blickt La Madonnina über die Innenstadt.
MUSEO DEL NOVECENTO (5) für Kunst des 20. Jahrhunderts, dessen Fenster sich zur Piazza del Duomo öffnen und eine Wohnzim-
Mailand, unaufhörlich in Bewegung und stets am Puls der Zeit.
mer-Atmosphäre schaffen. Das Museum in der Stadt … und die Stadt
Kaum etwas, was die Stadt nicht zu bieten hat: Mode, Design, Kul-
im Museum! Oder das Castello Sforzesco, dessen Räume beseelt sind
tur … Ihr modernes Gesicht zeigt sie in neuen Vierteln mit reger
von der Geschichte seiner Bewohner, ob es nun die Sforza oder die
Bautätigkeit – wie der Porta Garibaldi mit dem Unicredit-Hochhaus
Visconti waren. Ein Kulturjuwel ist auch das Poldi Pezzoli Museum
oder dem ehemaligen Messegelände, auf dem sich Wohnbauten von
mit all den kostbaren Gegenständen und Kunstwerken, die der Besit-
Zaha Hadid und Daniel Libeskind erstrecken. Daneben wird dort
zer Gian Giacomo Poldi Pezzoli zusammentragen hat. Die Meilen-
emsig an der Fertigstellung der drei – ebenfalls von Libeskind und
steine italienischen Designs sind indes in einer Dauerausstellung der
Hadid sowie von Arata Isozaki – geplanten CENTRAL TOWERS (6)
Triennale di Milano zu bestaunen.
gewerkt. Sie läuten eine neue Ära in Mailand ein und werden die
2
A. Cicogna Mozzoni © Roberto Gobbo
1 Palazzo Serbelloni, Sala Napoleonica © Francesco Arena
2 Scala, Foto Brescia/Amisano © Teatro alla Scala
3 Wissenschafts- und Technikmuseum © Alessandro Grassani
4 Sant’Ambrogio © Sant’Ambrogio
5 Museo del Novecento © Comune di Milano
6 Zaha Hadid, Render © Zaha Hadid Architects, Courtesy of Citylife
7 Corso Como © 10 Corso Como, Mailand
3
CITY
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MAI
LA
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4
5
Skyline der Stadt verändern. Nun gilt es die letzten Vorbereitungen
für die bevorstehende Expo 2015 abzuschließen.
Ich liebe das Mailänder Leben. Es ist perfekt … oder fast perfekt. Die
fünf Linien der Mailänder U-Bahn – sie tragen die Farben Rot, Grün,
Gelb, Violett und Blau – sind die Adern des öffentlichen Lebens.
Dazwischen ziehen Busse weite Kreise, um die Bewohner der Stadt
von A nach B zu bringen … ebenso wie die Straßenbahn, deren charakteristische Schienengeräusche heimischen Ohren so vertraut sind,
dass sie sie gar nicht mehr wahrnehmen. Eine der alten Garnituren
beherbergt heute übrigens ein stets ausgebuchtes Top-Restaurant, des-
6
sen Gäste sich beim Essen auf eine Spritztour durch die Stadt begeben.
Mailand strotzt vor Leben. Die Stadt ist berühmt für ihre Restaurants und für die Bars im Zentrum mit ihren Happy Hours, bei denen
es sich so satt essen lässt, dass man auf das Abendessen gut und gerne verzichten kann. Vor ein paar Monaten hat die Lebensmittelkette
Eataly ein riesiges Geschäft im Teatro Smeraldo eröffnet, wo man all
jene Produkte erhält, für die Italien berühmt ist. Gleich um die Ecke
findet sich der bekannte 10 CORSO COMO STORE (7) von Carla Sozzani, der ehemaligen Herausgeberin der italienischen „Vogue“.
DAS ALLES IST MEIN MAILAND, UND ICH LIEBE ES!
7
CITY
64
Ein Gespräch mit dem Sammler
Vo l k e r W. F e i e r a b e n d , d e r s e i n e L e i d e n s c h a f t f ü r
die italienische Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts
eher zufällig entdeckte, mittlerweile aber zu ihren
großen Förderern gehört. Befragt zu Kunst als
Investition und zum Mäzenatentum, bekennt der
p a s s i o n i e r t e S a m m l e r, s e i n e r I n t u i t i o n z u f o l g e n …
u n d n i c h t a k t u e l l e n Tr e n d s .
VON ANGELICA CICOGNA MOZZONI
UND ALESSANDRO RIZZI
1959 begann Volker W. Feierabend im Auftrag eines
„Mitte der 1980er-Jahren waren die Preise für
bedeutenden Berliner Unternehmens mit Italien
Kunst des 20. Jahrhunderts derart gestiegen, dass
zusammenzuarbeiten. „Als die Berliner Mauer im
es nicht mehr möglich war, Werke aus dieser Epo-
Jahr 1961 errichtet wurde, entschloss ich mich, nach
che zu erwerben“, schildert er. „Ein Sammler will
Frankfurt zu ziehen, wo ich mich selbstständig mach-
aber weiter, und daher traf ich die Entscheidung, ein
te und in der Folge mit einer Gruppe italienischer
Meisterwerk des 20. Jahrhunderts zu verkaufen. Mit
Unternehmen kooperierte“, erzählt Feierabend.
dem Gewinn begann ich eine neue Sammlung von
In den 1970er-Jahren heiratete er und begann zu
Kunstwerken seit 1945 anzulegen: Ich erwarb itali-
sammeln. Sein Haus wurde sukzessive mit anti-
enische Werke aus den 1950er- und 1960er-Jahren,
ken Möbeln und Gemälden aus dem 16./17. und
die damals noch wenig kosteten.“
18. Jahrhundert ausgestattet; schließlich entschied
er sich dazu, alles zu verkaufen und ausschließlich
„Zum Glück habe ich immer die rechten Künstler
Werke lebender Künstler zu sammeln. Volker W.
zur rechten Zeit gekauft“, sagt er. In diesen Jah-
Feierabend wandte sich der italienischen Kunst
ren erweiterte sich seine Sammlung um Werke von
zu – einem faszinierenden und damals von den gro-
Bonalumi, Dadamaino, Gruppo T Cinetica, die er
ßen internationalen Sammlern noch unbeachteten
direkt von den Künstlern erwarb.
Terrain. Er verkaufte alle nichtitalienischen Arbeiten seiner Sammlung, und damit begann Volker W.
„Wenn an den Wänden kein Platz mehr ist, muss
Feierabends Abenteuer als Sammler.
ein Sammler weiterdenken“, erklärt Volker W. Feierabend. Auch ihm erging es nicht anders, und so
Der ursprüngliche Kern seiner Sammlung umfasst
kontaktierte er deutsche Museen und bot ihnen sei-
italienische figürliche Malerei vom Beginn des
ne italienischen Kunstwerke als Dauerleihgaben an.
20. Jahrhunderts. „Viel mehr als eine Sammlung
Obwohl sich damals die Deutschen eher für franzö-
ist das eine Auswahl“, präzisiert Herr Feierabend,
sische Künstler des 20. Jahrhunderts interessierten,
der aus purem Vergnügen nach wie vor nur das
leistete er schließlich erfolgreich Überzeugungsar-
kauft, was ihm gefällt.
beit und konnte sein „Projekt“ starten.
65
DER
DEUTSCHE,
DER ITALIEN
LIEBT
Fotos © MART - Archivio fotografico
CITY
arramon
COLLECTION
CITY
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Zurzeit befinden sich Werke aus der Sammlung Feierabend im Wilhelm-Hack-Museum in Ludwigshafen,
im Sprengel Museum Hannover, in der Kunsthalle
MART, Museo di arte moderna e contemporanea
di Trento e Rovereto, Collezione VAF-Stiftung
©MART-Archivio fotografico
Mannheim, im Lehmbruck Museum in Duisburg
und im Skulpturenmuseum Glaskasten Marl. „Die
Museen äußerten den Wunsch nach Werken italienischer Künstler, die sie nicht hatten“, worauf
Volker Feierabend diese sowohl auf dem Kunstmarkt, in Galerien, als auch über Private und bei
den Künstlern selbst suchte. „Ich kaufte die Werke,
um sie den Museen nach dem üblichen System als
Dauerleihgabe zu überlassen.“ „In Deutschland“,
erklärt Volker Feierabend, „zahlt eine Privatperson
MART zu entlehnen. Insgesamt sollten es im Laufe der Zeit rund 1.000 Kunstwerke werden, die er
dem MART leihweise übergab. Die dort ausgestellten Werke der Stiftung umfassen Meisterwerke
des frühen 20. Jahrhunderts ebenso wie die Avantgarde der Nachkriegszeit bis hin zu Arbeiten weniger
bekannter zeitgenössischer Künstler.
keine Vermögenssteuern, wenn sie einem Museum ein Kunstwerk leiht; das Museum wiederum
kümmert sich um alles – von der eventuell notwendigen Restaurierung bis hin zur Versicherung. Das
ist heute noch so!“
Im Jahre 2000 gründete er die VAF-Stiftung mit
Sitz in Frankfurt, der er seine Sammlung von 1.500
Werken als Schenkung zuerkannte. Die Bezeichnung
„VAF“ beruht auf einer Kombination aus den Initialen seines Namens und jenes seiner Ehefrau Aurora.
Ziel der Stiftung ist es, italienische Kunst des 20.
und 21. Jahrhunderts zu sammeln, sie in Italien und
insbesondere im Ausland zugänglich und vor allem
bekannt zu machen, ihr Bedeutung zu verleihen.
Ebenfalls 2000 traf er Gabriella Belli vom MART
Eine Arbeit der ersten Preisträgerin des alle zwei Jahre verliehenen Kunstpreises der VAF-Stiftung zur Förderung junger
Talente. Chiara Dynys, Near and far, 2003
(Museo di arte moderna e contemporanea di Trento
Existiert Mäzenatentum heute noch? Volker W.
e Rovereto) und bot ihr an, dem damals noch im Bau
Feierabends Antwort auf die an ihn gerichtete Frage:
befindlichen Museum einige Kunstwerke zu leihen.
„Seit 2003 verleiht die VAF-Stiftung alle zwei Jahre
Ein Besuch des von Architekt Mario Botta geplan-
in Deutschland, Österreich und Italien an junge ita-
ten neuen Museums faszinierte Volker Feierabend.
lienische Künstler unter 40 Jahren den Kunstpreis
Am meisten beeindruckte ihn, wie man das Museum
VAF-Stiftung. Sie werden nicht ausgewählt, weil
konzipiert hatte: Es war um die Werke gebaut, die es
sie in Mode sind, sondern alleine aufgrund ihres
aufbewahrte, und nicht umgekehrt.
Talents; häufig unterstützt die Stiftung die ausgewählten Künstler beim Kauf von Materialien und
Der Sammler stellte eine erste Auswahl von 100
Sonstigem, was sie für die Ausführung ihrer Kunst-
Kunstwerken zusammen, die er – verständlicher­
werke benötigen. Die Begabung der ersten Preisträ-
weise nicht zu deren Freude – von verschiedenen
gerin, Chiara Dynys, ist mittlerweile in der Kunst-
deutschen Museen zurückforderte, um sie dem
welt allseits bekannt: Ihre Arbeiten waren bereits
CITY
67
in zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen,
Er selbst, so erzählt Volker Feierabend, habe vor Kur-
in bedeutenden Museen, öffentlichen und privaten
zem bei einer Auktion das Werk eines Künstlers des
Kulturinstitutionen zu sehen.
20. Jahrhunderts, dessen Schätzwert bei 5.000 bis
6.500 Euro lag, um den unteren Schätzwert erstei-
Auf das Thema Kunst als Investition angesprochen,
gern können. „Es war wirklich ein Schnäppchen,
stellt Volker Feierabend fest: „In den 1970er-Jahren
und das passiert mir nicht zum ersten Mal“, so der
waren es in Deutschland die Museen, die den Kri-
Sammler zufrieden. „Dieses Werk wird im MART im
tikern zeigten, in welche Richtung die Kunst geht.
Rahmen der nächsten Ausstellung ,Grande Guerra
Diese schrieben dann in den Zeitungen über die
1914–2014‘ über die Weltkriege ausgestellt werden.“
Künstler und die Arbeit der Museen, blieben aber
absolut neutral. Die Museen arbeiteten mit Gale-
Das Gespräch schließt Volker Feierabend mit folgen-
rien zusammen, um neue Künstler zu entdeckten, und
den Worten: „In den letzten 20 Jahren habe ich Wer-
Museumsdirektoren sprachen oft auch in den Gale-
ke junger Künstler erworben, die ich für talentiert
rien über die ausgestellten Künstler. Heute folgen
hielt. Im Laufe der Zeit, also in 30 bis 40 Jahren, wird
die Museen dem Trend und zielen mit ihren Ausstel-
sich herausstellen, ob ich Recht hatte damit, meiner
lungen einzig auf höhere Besucherzahlen ab, wäh-
Intuition zu folgen.“
rend der Markt unter dem Einfluss großer, international tätiger Galerien und bedeutender Sammler
steht – sie lancieren die Namen von Künstlern, die
Angelica Cicogna Mozzoni leitet das Dorotheum
Mailand. Alessandro Rizzi ist Experte für Klassische
Moderne und Zeitgenössische Kunst im Dorotheum.
„Kaufen mit
Herzblut
und Überzeugung“
Chiara Dynys, Near and far, 2003
©MART-Archivio fotografico
aus dem Nichts heraus sechsstellige Preise erzielen.“
Und weiter: „Es gibt in der Welt zu viel Geld, und
im Trend sind ungefähr 100 Künstler, die von einschlägigen Käufern präferiert werden. Sie glauben,
ein gutes Geschäft zu machen bzw. ihrer Sammlung
einen weiteren bedeutenden Namen hinzuzufügen, kaufen oftmals aber ohne Herzblut und ohne
Überzeugung. Diese Namen, die millionenschwere
Ergebnisse erzielen, herrschen in den Auktionen
vor, während die anderen Künstler unter ihrem
Wert verkauft werden. Meiner Meinung nach ergeben sich hier Möglichkeiten für wirkliche Sammler, Werke zu billigen Preisen zu erwerben und ihre
Sammlungen zu erweitern.“
PASSION
68
PASSION
BIZARRE
KÖPFE
Franz Xaver Messerschmidt und seinem
einzigartigen Œuvre ist der jüngste Band der Reihe
„Belvedere Werkverzeichnisse“ gewidmet, deren
Herausgabe das Dorotheum großzügig unterstützt.
VON CHRISTINA BACHL-HOFMANN
UND GEORG LECHNER
PASSION
Franz Xaver Messerschmidt
Ein Erzbösewicht, 1770 – 1783
Blei-Zinn-Legierung
Belvedere, Wien, Inv.-Nr. 2442
© Belvedere, Wien
69
Franz Xaver Messerschmidt
Ein absichtlicher Schalksnarr
1770 – 1783, Alabaster
Belvedere, Wien, Inv. Nr. 2284
Innerhalb der mitteleuropäischen Kunst des
Persönlichkeiten der damaligen Zeit, unter anderem
18. Jahr­hunderts kommt dem Werk von Franz Xaver
des Historikers Martin Georg Kovachich, des Schrift-
Messerschmidt ein herausragender Stellenwert zu.
stellers und Kunsttheoretikers Franz Christoph von
In der Regel sind es seine sogenannten Charakter-
Scheyb sowie des Arztes Gerard van Swieten.
köpfe, die man ob ihres mitunter bizarren Erscheinungsbildes am ehesten im Gedächtnis behält. Zu
Im Herbst 2014 erscheint nun ein Werkverzeichnis
Unrecht wird Messerschmidts Schaffen oftmals
zu Franz Xaver Messerschmidt als Band 4 der Rei-
auf diese Gruppe reduziert, deren Entstehungsge-
he „Belvedere Werkverzeichnisse“. Dessen Autorin
schichte mitunter haltlose Mythen umranken.
Maria Pötzl-Malikova, eine anerkannte Spezialistin
für die Plastik und Skulptur des Barock, hat bereits
Die „Köpfe“, die bis zum Tod des Künstlers in
ihre Dissertation Franz Xaver Messerschmidt
dessen Besitz blieben, stellen nur einen Teil eines
gewidmet und 1982 eine Monographie zu dem
bemerkenswerten Œuvres dar. Als dessen großar-
Künstler publiziert.
tiger Auftakt sind die beiden heute im Belvedere
befindlichen Büsten des Kaiserpaares Franz I.
Das Belvedere sieht die wissenschaftliche Dokumen-
Stephan und Maria Theresia zu bezeichnen. Über-
tation der Œuvres österreichischer Künstlerinnen
haupt nehmen die Darstellungen von Mitgliedern
und Künstler als eine der wesentlichsten Forschungs-
der kaiserlichen Familie eine wichtige Position in
aufgaben eines Museums an. Dank der großzügigen
der heimischen Kunstgeschichte ein.
finanziellen Unterstützung des Dorotheum wird am
Institut für die Erstellung von Werkverzeichnissen des
Wesentlich für Messerschmidt war auf jeden Fall
Belvedere in enger Zusammenarbeit mit Expertinnen
auch die Förderung durch die fürstliche Familie
und Experten an den Werkverzeichnissen zahlrei-
Liechtenstein; die spätere Herzogin Theresia Anna
cher bedeutender Kunstschaffender gearbeitet.
Felicitas von Savoyen gab bedeutende Kunstwerke
in Auftrag – ihrer Initiative verdanken wir etwa die
monumentale Maria Immaculata sowie den Elisäusbrunnen für das Savoy’sche Damenstift. Darüber
hinaus schuf der Künstler Bildnisse bedeutender
Christina Bachl-Hofmann ist Leiterin des Research
Centers in der Österreichischen Galerie Belvedere, Wien.
Georg Lechner ist Kurator für barocke Kunst in der
Österreichischen Galerie Belvedere, Wien.
Das neue Werkverzeichnis wird Ende 2014 im Verlag
Bibliothek der Provinz erscheinen.
PASSION
70
© Studio Robert Stadler
Für „Back in 5 min“ entwickelte Sitzmöbel:
Cora, Dora und Aymeric, 2014
In Kontrast zum bürgerlich-opulenten Stil des
Geymüllerschlössels reinterpretiert Stadler
simple Möbeltypen wie Hocker oder Bänke zu
Objektgruppen von „Arbeitsmöbeln“.
BACK
IN VIENNA
Ö s te r re i c h s g roß e Tö c h te r u n d S ö h n e s i n d
derzeit „hymnisch“ in aller Munde. Robert
S t a d l e r, e i n W e l t e n b u m m l e r z w i s c h e n
Design und Kunst, kehrt für kurze Zeit nach
Wien zurück und spricht über seine – mit
Unterstützung des Dorotheums realisierte –
I n t e r v e n t i o n „ B a c k i n 5 m i n“ i n d e r
MAK-Expositur Geymüllerschlössel.
VON THOMAS GEISLER
Th o mas Geisler : In Öster reich heißt es, um
berühmt zu werden, müsse man ins Ausland
gehen. Ist dem so? Oder was haben Mailand,
Paris und Rio de Janeiro – wichtige Stationen in
Ihrem Leben –, was Wien nicht bieten konnte?
Robert Stadler: Ich denke, es geht primär darum,
sich von seinem gewohnten Ambiente zu lösen und
die Perspektive zu wechseln. In Rio war diese Erfahrung für mich sicher am intensivsten. Konfrontiert
mit der Lebensweise der Brasilianer wurde mir klar,
dass wir oft nostalgisch in die Vergangenheit blicken
oder sehnsüchtig von der Zukunft träumen und
dabei das Hier und Jetzt vergessen.
e i n e s B i e d e r m e i e r j u w e l s i n P ö t z l e i n s d o r f, z u
befassen und Relevantes für die Gegenwart
herauszuarbeiten. Wie haben Sie sich dieser
Herausforderung gestellt?
Merkmal des Biedermeier-Interieurs waren die durch
die Bewohner transformierbare Einrichtung und
mögliche Mehrfachnutzung der Zimmer. Anders als
in den aristokratischen Villen des 18. Jahrhunderts
diente ein Raum mehreren Funktionen wie Essen,
Lesen, Musizieren etc. Dank der Leichtigkeit der Biedermeiermöbel konnten die typischen „Wohninseln“
geschaffen werden. „Back in 5 min“ ist eine Inszenierung, die mit vorhandenen Zitaten aus den Räumen
S i c h o h n e N o s t a l g i e m i t Ve r g a n ge n h e i t a u s e i -
arbeitet und neue Objektgruppen hervorbringt, wel-
n a n d e r z u s e t z e n i s t Au f g a b e d e s M A K D E S I G N
che die verschiedenartigen, komplexen Überlappun-
S A LO N . Ko n k r e t ge h t e s d a r u m , s i c h m i t d e m
gen von Vergangenheit und Zukunft materialisieren.
Ort und der Geschichte des Geymüllerschlössels,
Bereits in meinem Projekt „Traits d’union“ – einer
PASSION
71
permanenten Installation an einem historischen
Gebäude in Nancy – habe ich mich mit diesem
Robert Stadler
Brückenschlag beschäftigt. Ich habe die DNA dieser
wurde 1966 in Wien geboren und studierte
Architektur des 19. Jahrhunderts an der Fassade
Design am IED in Mailand und an der
und in der Stadtmöblierung neu interpretiert.
ENSCI in Paris. Er war Mitbegründer der
Gruppe RADI Designers (1992–2008) und
M i t „ B a c k i n 5 m i n“ e r z ä h l e n S i e e i n e
Assistent von Ron Arad an der Hoch-
G e s c h i c h te . M a c h t e s e i n e n U n te r s c h i e d , o b
schule für angewandte Kunst in Wien
d i e s e i n e i n e r W h i te - C u b e - G a l e r i e a b ge r u f e n
(1994–1997). Seit 2000 lebt und arbeitet
w i r d o d e r i n e i n e m h i s to r i s c h e n A m b i e n te ?
Stadler in Paris. Seine Arbeiten sind in
Es handelt sich hier um eine ortsspezifische Arbeit,
privaten und öffentlichen Sammlungen –
die jedoch auch in anderen Kontexten Sinn machen
u . a . F o n d a t i o n C a r t i e r, F o n d s n a t i o n a l
kann. Ich sehe da keinen Widerspruch. Ein solides
d ’a r t c o n t e m p o r a i n , M A K – M u s e u m f ü r
Grundkonzept kann in verschiedenen Umfeldern
L e s A r t s D é c o r a t i f s – v e r t r e t e n . D i o r,
Oft wird der Begriff der „Funktionalität“
Louis Vuitton, Hermès, Niss an, Ric ard
b e m ü h t , u m D e s i g n vo n a n d e r e n k ü n s t l e -
und Thonet zählen zu Stadlers Kunden.
r i s c h e n D i s z i p l i n e n a bz u g r e n z e n . I s t d i e s e
© Jacques Gavard
angewandte Kunst/Gegenwartskunst und
„funktionieren“.
Abgrenzung nicht schon obsolet?
Man muss korrekterweise „praktische Funktion“
sagen, wenn man jene Ebene ausloten will, auf der
versucht wird, Kunst und Design zu vermischen
oder zu trennen. Was aber ohnehin nicht möglich
ist, weil die praktische Funktion im Design einen
ganz anderen Stellenwert hat als in der Kunst.
Kunst kann sie beachten oder auch nicht. Im
Design ist sie jedoch zentral und unumgänglich.
I n I h r e n e i g e n e n A r b e i te n ü b e r s c h r e i te n S i e
ständig Grenzen zu anderen künstlerischen
I n d u s t r i e b e go n n e n – wo h e r ko m m t d i e s e
Undiszipliniertheit?
Von Beginn an – auch mit den Projekten meiner
© Hertha Hurnaus
D i s z i p l i n e n . S i e h a b e n m i t P r o d u k te n f ü r d i e
damaligen Gruppe RADI Designers – war es mir
wichtig, jegliche Hierarchie zwischen freien und
konkreten Designprojekten aufzuheben. Wir haben
damals unsere Objekte in Galerien zeitgenössischer
Kunst gezeigt und parallel dazu das millionenfach
produzierte Flugzeuggeschirr für Air France entworfen. Während bei RADI die Projekte noch klar
heitlichung, Austauschbarkeit und Identitätsverlust,
sei es nun im Auto- oder im Möbelbereich. Mein einziger Rat an die Produzenten und Designer ist, die
Kunden nicht zu unterschätzen. Ich glaube, wir sind
heute mehr denn je reif für Unerwartetes, Singuläres.
im Design verankert waren, überschritt ich in mei-
W i r d m a n vo n R o b e r t S t a d l e r i n n ä c h s t e r Z e i t
nen Soloprojekten die Definitionsgrenzen. Die In­­
w i e d e r m e h r i n W i e n z u s e h e n b e ko m m e n ?
stallation „Loosgelöst“ im Wien Museum oder die
Das hoffe ich! Auch wenn ich über viele Jahre hinweg
Performance „Tephra Formations Play“, die letztes
nicht nach Wien zurück wollte, freue ich mich über
Jahr im Centre Pompidou präsentiert wurde, sind
Projekte wie jenes im Geymüllerschlössel, dank derer
Beispiele dafür.
ich in meinem heimatlichen Kontext agieren kann!
M a n c h e m e i n e n , D e s i g n s te c ke i n d e r K r i s e …
Die Krise ist meiner Meinung nach eine von Verein-
Thomas Geisler ist Kustode der MAK-Sammlung
Design und Kurator der Reihe MAK DESIGN SALON.
Loosgelöst, 2008
Installation im
Loos-Wohnzimmer
im Wien Museum
72
Seven Days of Art.
Vienna, vibrant capital of art:
museums, galleries, artists,
art universities, alternative art spaces …
www.viennaartweek.at
Graphic: Perndl+Co, Photo: Deb Scott
EVENTS
PASSION
73
DIE WOCHE DER KUNST WIRD 10
Es gibt die Redensart, dass alles, was zum zweiten Mal stattfindet, bereits
Tr a d i t i o n i s t . I n d i e s e m S i n n e d a r f m a n d i e V I E N N A A R T W E E K , d i e 2 0 1 4
ihren zehnten Geburtstag begeht, getrost als solche bezeichnen.
D e n n o c h : N u r w e n i g e W i e n e r Tr a d i t i o n e n h a b e n e s g e s c h a f f t , z u m E r e i g n i s
mit vorzüglichem internationalen Ruf zu werden, wie die VIENNA ART WEEK –
d i e h e u e r v o n 1 7. b i s 2 3 . N o v e m b e r s t a t t f i n d e t .
V O N A N JA H A S E N L E C H N E R U N D R O B E R T P U N K E N H O F E R
Hinein in die Ateliers, in die großen Museen und
Fixer Programmpunkt der VIENNA ART WEEK ist
Ausstellungshäuser
ganze
längst das Öffnen von Künstlerateliers. Bereits zum
Woche lang, stets im Herbst, schafft die VIENNA
dieser
Stadt!
Eine
dritten Mal wird heuer zum Open Studio Day gela-
ART WEEK eine besondere Form der Vernetzungs-
den: Rund 70 Künstlerinnen und Künstler aus ganz
kultur. Wien wird zum Kulturpfad: Zwischen rund
Wien öffnen ihre Kreativräume.
200 Ausstellungsräumen ergehen 35.000 Besucherinnen und Besucher die Stadt. Ateliers öffnen ihre
Ein besonderes Highlight der Jubiläums-Auflage
Türen. Ganz Wien ist Kunstraum.
2014 wird die Podiumsdiskussion mit den Direktoren und Direktorinnen der wichtigsten Wiener
„Running Minds“ lautet das diesjährige Motto der
Museen und Kunstinstitutionen sein. Im Fokus:
VIENNA ART WEEK. Rastlosigkeit im künstle-
Visionen, Zukunftsbilder, Kreativwelten. Zudem
rischen Alltag, das Verorten von Ideen, das Ver-
lädt die VIENNA ART WEEK internationale Kura-
werfen und der lange Weg des Schaffens: Schier
toren aus Athen, Helsinki und New York nach
unermüdlich stellen sich die Kunstschaffenden
Wien, die sich öffentlich über das Thema „Curating
den Herausforderungen ihrer Kreativprozesse.
Contemporary Arts“ austauschen.
Die Künstler als Running Minds, unruhig, weil
suchend, fordernd und vor allem eines: zutiefst
Zu ihrem zehnten Geburtstag macht die VIENNA
lebendig. Die VIENNA ART WEEK 2014, die vom
ART WEEK damit neuerlich den Kunstschaffenden
17. bis zum 23. November stattfindet, versteht sich
das größte Geschenk: Sichtbarkeit, Öffentlichkeit
als Hommage an die unermüdlichen Leistungen
und Wahrnehmung. Mehr kann man der Kunstwelt
der Künstlerinnen und Künstler, der Galerien und
auch für die Zukunft nicht wünschen!
großen Kunstinstitutionen sowie der Kunstuniversitäten und der freien Szene in Wien.
Robert Punkenhofer ist künstlerischer Leiter der VIENNA
ART WEEK, Anja Hasenlechner deren Projektmanagerin.
20. 11.
PODIUMSDISKUSSION
„CURATORS’ VISION. FÜNF INTER­
NATIONALE KURATOREN IM DIALOG“
Donnerstag, 20. November 2014
18.00 – 19.30 Uhr
Akademie der bildenden Künste Wien
21. 11.
PODIUMSDISKUSSION
„VISION FÜR DEN KUNSTSTANDORT
WIEN. PERSPEKTIVEN UND CHANCEN“
Freitag, 21. November 2014
18.00 – 19.30 Uhr
Dorotheum
PASSION
74
VON
DER
ERDE
ZUM
HIMMEL
Stiege zur Albertina, sponsored by Dorotheum
Joan Miró, Das Gold des Azurs, 1967, Fundació Joan Miró, Barcelona
© Successió Mirò 2014/Bildrecht, Wien, 2014
Mit seiner unverwechselbaren Bildsprache zählt Joan Miró zu den bedeutendsten Künstlern seiner Zeit. In einer vom Dorotheum unterstützten
umfassenden Ausstellung in der Albertina sind nun rund 100 Gemälde, Papierarbeiten und Objekte des katalanischen Künstlers zu bestaunen. Deren Titel
„Von der Erde zum Himmel“ spiegelt Mirós Liebe zur Leichtigkeit und Spontaneität wider, die wie ein roter Faden seine Werke durchzieht. Mirós Bilder,
die eine farbenfrohe Mischung aus Monden, Sternen, Insekten und Vögeln
kennzeichnet, zeigen dem Betrachter auf einfache, fast kindliche Weise eine
andere, poetische Sicht der Dinge. Miró geht den Dingen auf den Grund,
lässt ihre physikalische Gesetzmäßigkeit außer Acht und schafft somit etwas
Neues, das Spielraum für Interpretationen schafft.
AUSSTELLUNGSDAUER
12. September 2014 – 11. Januar 2015
www.albertina.at
Joan Miró, Malerei (Vögel und Insekten), 1938
Öl auf Leinwand
Albertina, Wien – Sammlung Batliner Foto: © Fotostudio Heinz Preute,
Vaduz © Successió Mirò 2014/Bildrecht, Wien, 2014
MEET@
DOROTHEUM
EVENTS
Veranstaltungen und Charity
COOKING
MEMPHIS
Memphis Design zum Einverleiben: So etwas steht auf der Karte des Designer-Duos
chmara.rosinke. Mit intellektuellem Esprit und jugendlicher Nonchalance schufen
Maciej Chmara und Ania Rosinke in der von ihnen entworfenen flexiblen Nomadenküche inmitten des honorigen Hauptsaals des Palais Dorotheum am 3. Juni 2014 ihre
pastellfarbenen essbaren Mini-Architekturen à la Memphis Design. Sie machten Geschmack
auf die Dorotheum-Design-Auktion, bei der in der Folge Arbeiten des Duos erfolgreich
versteigert wurden.
Fotos Tibor Rauch
Die geometrischen Gussformen für Erdbeercreme oder auch
Holundergelee mit eingelegten Heidelbeeren spuckte der
3-D-Drucker live aus. Ein weiteres Gesamtkunstwerk des in
Arbeit und Leben vereinten polnischstämmigen, in Österreich
lebenden Paares, das sich bereits über renommierte Design-Preise und Projekte mit Firmen wie Hermès freuen kann: „Wir schätzen die Ideen der Moderne und entwickeln sie weiter.“
© Thomas Niedermueller/Life Ball 2014/ Getty Images
© Joanna Ida Jutkiewicz
LIFE BALL, AIDS SOLIDARITY GALA
31. Mai 2014
Auktionator Rafael Schwarz mit dem TransgenderModel Carmen Carrera bei der Auktion zugunsten
von Aids Life.
CHARITY
In den Dienst der guten Sache stellt sich das Dorotheum mehrmals im Jahr mit Benefizauktionen: für Hospizbewegungen
wie jene der Caritas, für Afrika- und Kinder-Krebs-Hilfe, für
verschiedene Rotarier-Projekte, für Menschenrechtsorganisationen wie SOS Mitmensch oder für Kunstinstitutionen. Mit
internationaler Prominenz hochkarätig besetzt ist das Publi© Projekt Familien Lotse
kum bei der alljährlich stattfindenden Auktion anlässlich des
BENEFIZABEND ZUGUNSTEN DES PROJEKTES FAMILIENLOTSE DER KINDER-KREBS-HILFE-ELTERNINITIATIVE
7. Oktober 2013
Donatella Ceccarelli, Vorstandsvorsitzende Flick Privat­
stiftung, und Richard Scarry Jr., prominenter Illustrator
und Schöpfer des Projektlogos, gemeinsam mit Initiator
Paul Mensdorff-Pouilly im Dorotheum.
Wiener Life Ball – der größten Benefizveranstaltung Europas
zugunsten HIV-infizierter und an Aids erkrankter Menschen.
© Luca Pajer
BENEFIZAUKTION ZUGUNSTEN DES MOBILEN
HOSPIZ DER CARITAS DER ERZDIÖZESE WIEN
6. November 2013
Schauspielstar Cornelius Obonya und Moderatorin
Barbara Stöckl – im Bild mit Caritas-Präsident Michael
Landau – engagieren sich für das Mobile Hospiz.
© Stefanie Steindl
CHARITY-AUKTION SOS MITMENSCH
15. Mai 2014
Die Charity-Auktion zeitgenössischer Kunst zugunsten der Menschenrechtsorganisation SOS Mitmensch
fand wie jedes Jahr im Kassensaal von Otto Wagners
Postsparkassengebäude in Wien statt.
EVENTS
77
P R Ä S I D E N T AU F S TA AT S B E S U C H
© Ouriel Morgensztern
Dezoni Dawaraschwili, Vizepräsident der Israelitischen
Kultusgemeinde in Wien, Oskar Deutsch, Präsident der
Israelitischen Kultusgemeinde in Wien, Shimon Peres,
Präsident des Staates Israel, Martin Böhm, geschäftsführender Gesellschafter des Dorotheums (v.l.n.r.)
Oskar Deutsch, Shimon Peres, Shmuel Barzilai,
Oberkantor der Israelitischen Kultusgemeinde
in Wien, Kinderchor des Wiener Stadttempels
(v.l.n.r.)
Ende März war der israelische Präsident Shimon Peres auf Staatsbesuch
in Österreich. Abseits des offiziellen
Programms nahm Peres noch einen
E U R O P E A N H E R I TA G E C O N G R E S S
weiteren wichtigen Termin wahr: Im
Palais Dorotheum stand auf Initiative
Der europäische Denkmalschutzverband Europa
der Israelitischen Kultusgemeinde ein
Nostra lud am 4. Mai 2014 im Rahmen des European
öffentliches Gespräch vor rund 400
Heritage Congress zur Diskussion „New Narrative
Zuhörern auf dem Programm.
for Europe“ ins Dorotheum. Auf dem Podium saßen
u. a. Androulla Vassiliou, EU-Kommissarin für Bildung, Kultur, Mehrsprachigkeit und Jugend, Denis
de Kergorlay, Präsident von Europa Nostra, und
Erhard Busek, Vorsitzender des Kuratoriums der
ERSTE Stiftung.
EXKLUSIVE
PREVIEW
Präsident Alain de Krassny und die
General­
direktorin der Französisch-­
Österreichischen Handelskammer
© Oreste Schaller
Céline Garaudy luden am 7. April
2014 zur exklusiven Vorbesichtigung
FA U X B E R G É
der Objekte der großen Frühjahrs­
auktionen ins Palais Dorotheum.
Erfolgreicher Auftakt der mit Unterstützung des Dorotheum verwirklichten Reihe
„Alte Meister im Gespräch“: Am 12. Mai
2014 sprach der Fabergé-Experte Géza von
Habsburg im Kunsthistorischen Museum Wien über Fälschungen und Nachahmungen der Kunstwerke des berühmten Juweliers. Im Anschluss fand eine
Podiumsdiskussion mit den DorotheumExperten Astrid Fialka-Herics und Georg
Ludwigstorff statt.
Foto breadedEscalope
© KHM
© www.ccfa.at
KLOSTER
SCHATZ
Engelssturz
Süditalien/Sizilien (Trapani?)
1. Drittel 18. Jh.
Elfenbein
Stiftsmuseum Klosterneuburg
EVENTS
79
Vo r g e n a u 6 0 0 J a h r e n w u r d e d a s A u g u s t i n e r - C h o r h e r r e n s t i f t z u r
hl. Dorothea gegründet. An seiner Stelle befindet sich heute das
Dorotheum, dem das Stift seinen Namen gab. Eine Ausstellung im Palais
D o r o t h e u m z e i g t e j ü n g s t Te i l e d e s k o s t b a r e n K i r c h e n s c h a t z e s .
Wo sich heute im größten Auktionshaus Mittel­
Vor allem die im Stift Klosterneuburg erhalte­
europas Liebhaber exquisiter Stücke ein Stelldichein
nen hochwertigen Elfenbeinschnitzereien lassen
geben, stand einst das Augustiner-Chorherrenstift
die Schönheit des einstigen Klosterschatzes heute
St. Dorothea. Es nannte eine wertvolle Kunst­
noch erahnen. Eine kunstvoll gearbeitete Engels­
sammlung, bedeutende Handschriften und wichtige
sturz-Gruppe sticht darunter besonders hervor.
Urkunden sein Eigen. 1786 verfügte Kaiser Joseph II.
Aus einem einzigen Stück eines der Länge nach
die Aufhebung des Klosters und setzte sich persön­
halbierten Stoßzahnes geschnitzt, ist die vielfigu­
lich für die Unterbringung des Auktionsbetriebes
rige, detailreiche und mit zahlreichen komplizier­
in den historischen Räumlichkeiten ein. Der Besitz
ten Über- und Unterschneidungen komponierte
des Klosters ging zu einem Teil an das Stift Klos­
Szene von großer Dynamik geprägt. Sie wurde mit
terneuburg. Eine Vorstellung von Bedeutung und
hoher Präzision so herausgearbeitet, dass Form
Wohlstand des Stiftes vermittelte von 27. Juni bis
und Zusammenhalt des gesamten Elfenbeinzah­
28. August 2014 die Ausstellung „St. Dorothea – 600
nes gewahrt blieben. Trotz einer Höhe von nur
Jahre Augustiner Chorherren in der Dorotheergas­
25,7 Zentimetern lassen sich insgesamt 103 Figuren
se. Vom Stift zum Dorotheum“ mit Leihgaben aus
unterscheiden. Im Zentrum zeigt die Gruppe den
Klosterneuburg, dem Kunsthistorischen Museum
geflügelten und gerüsteten Erzengel Michael, der
Wien, der Österreichischen Nationalbibliothek und
die himmlische Engelsschar anführt. Neben und
der Universitätsbibliothek Wien.
unter ihm stürzen die aus dem Himmel vertriebe­
nen Engel in die Tiefe. Ihre zu Fratzen verzerrten
Köpfe mit aufgerissenen Mäulern sind teilweise
sehr expressiv gestaltet. Ebenso detailliert ist der
Die Vernissage der Ausstellung „St. Dorothea –
600 Jahre Augustiner
Chorherren
in der Dorotheergasse.
Vom Stift zum
Dorotheum“ mit
Abtprimas Bernhard
Backovsky CanReg lockte
zahlreiche Besucher in
das Palais Dorotheum.
Höllenrachen gearbeitet, der die herabgefallenen
Teufel verschlingt. Beschirmt wird die Szene von
Gott Vater und Jesus Christus, die links und rechts
der Weltenkugel auf einer Wolkenbank thronen.
Entgegen früheren Zuschreibungen gilt es heute als
weitgehend gesichert, dass der Engelssturz im ersten
Drittel des 18. Jahrhunderts im süditalienischen
Raum, möglicherweise in einer Werkstatt in der
sizilianischen Stadt Trapani, entstand.
Neben der Engelssturz-Gruppe waren
in der Ausstellung auch ein Relief des
Bildhauers Dominikus Steinhart mit der
Darstellung des Jüngsten Gerichts, eine
große,
vielfigurige
Kalvarienberg-Dar­
stellung – ein sogenanntes „Theatrum
Sacrum“ – sowie ein Kruzifix mit Maria
als Schmerzensmutter und Szenen aus
dem Alten und Neuen Testament zu
sehen: prachtvolle Stücke, die an die
Schätze des einstigen Dorotheerstifts im
Palais Dorotheum erinnern.
STORY
80
G E F L Ü G E LT E R
KÄFER
Foto ORF
VON KARL HOHENLOHE
STORY
Er war ein Käfer. Unbedeutend,
lange, die anderen kritisierten den
Dann plötzlich wurde die Garage
unter­motorisiert und in den Augen
Sitzkomfort und das winzige ovale
gebraucht, der alte Volkswagen verla­
der Mercedes, BMW und Porsche
Rückfenster, das den Blick hinaus
den und zur Versteigerung gebracht.
ein Paria. Wenn die Ampel auf Grün
eher verstellte als ihn frei zu geben.
Die ersten Angebote kamen noch
schaltete, zwang er sich zu einem
Der junge Mann, der den damals
langsam, dann brach ein Sturm los.
Kraftakt, der keiner war. Lang­
jungen Volkswagen besaß, verkaufte
Schließlich erhielt ein junger Mann
sam, fast zögerlich fuhr er an und
ihn bald an einen alten Mann. Der
den Zuschlag, und bald bemerkte
war sich der Ungeduld, die sich da
Mann hatte wenig Geld, aber viel
der alte Volkswagen, dass der junge
hinter ihm aufstaute, schmerzlich
Zeit, er hatte schon genug vom Leben
Mann ihn liebte. Er verschloss sei­
bewusst. Das Schlimmste aber war
gesehen, der Blick durch das kleine
ne Wunden, streichelte ihn, bis er
das Abbiegen. Während die anderen
ovale Rückfenster war ihm genug,
glänzte, und wenn er nun blinkte,
Autos in wunderschönem Orange
und das Blinken schien dem alten
lachten die Leute auf der Straße. So
gehaltene blinkende Gläser besaßen,
Mann wie ein freundlicher Gruß an
stehen immer noch viele alte Autos
mit deren Hilfe sie einen Richtungs­
die anderen Autofahrer. So zogen die
in alten Garagen und harren besserer
wechsel ankündigten, hatte er zu
Jahre ins Land, der Volkswagen lief
Zeiten und besserer Menschen. Sie
diesem Zwecke zwei winzige Flügel­
und lief und lief, und irgendwann
sind nicht wirklich tot; irgendwann
chen, die im Bedarfsfalle ausgeklappt
war der alte Mann nicht mehr da. Der
kommt die Sonne und beendet ihren
wurden und seine Lächerlichkeit
ehemals junge Volkswagen war ohne
Winterschlaf.
noch deutlicher unterstrichen. Auch
deutliche Spuren gealtert, er stand in
die Menschen, die er zu transpor­
der Garage wie im Ausgedinge, die
tieren hatte, waren unzufrieden. Die
Erben des alten Mannes hatten ihn
einen monierten, es wäre ihnen die
vergessen. Die Zeit verging, erst kam
Zeit von Punkt A nach Punkt B zu
der Rost, und dann kamen die Mäuse.
VW Käfer „Última Edición“, 2003
Erzielter Preis € 32.480
Karl Hohenlohe ist Moderator,
TV-Gestalter, Kolumnist und
Herausgeber des Restaurantführers
„Gault Millau“. Für ORF III moderiert
Hohenlohe unter anderem die
Sendung „Was schätzen Sie?“
Meisterstück
und Hugh Jackman
Crafted for New Heights
Ninety years ago, Montblanc created a writing
instrument that became an icon far beyond
writing culture: the Montblanc Meisterstück,
a symbol for the everlasting quest of
achievement. To celebrate 90 years of
Meisterstück, the new Meisterstück
90 Years has red gold-plated fittings
and a nib specially engraved with
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and shop at Montblanc.com
Montblanc Boutique Wien · Graben 15 · Tel: 01 532 33 30
CONTACTS
DOROTHEUM
TERMINE
AUSGEWÄHLTE AUKTIONEN
Teppiche, Tapisserien und Textilien
Di, 16. September 2014
Silber
Di, 25. November 2014
Ölgemälde und Aquarelle des 19. Jahrhunderts
Do, 18. September 2014
Klassische Moderne
Di, 25. November 2014
Plakate, Reklame, Comics, Film- und Fotohistorika Mo, 22. September 2014
Zeitgenössiche Kunst Teil I
Mi, 26. November 2014
Jugendstil und angewandte Kunst des
Zeitgenössiche Kunst Teil II
Do, 27. November 2014
Juwelen
Do, 27. November 2014
Armband- und Taschenuhren
Fr, 28. November 2014
Autographen
Di, 2. Dezember 2014
Asiatische Kunst
Mi, 3. Dezember 2014
Ölgemälde und Aquarelle des 19. Jahrhunderts
Di, 9. Dezember 2014
Bauernmöbel
Mi, 10. Dezember 2014
Alte Meister
Mi, 10. Dezember 2014
20. Jahrhunderts, Modeschmuck
Möbel und dekorative Kunst
Meisterzeichnungen, Druckgraphik bis 1900,
Aquarelle und Miniaturen
Di, 23. September 2014
Mi, 1. Oktober 2014
Do, 2. Oktober 2014
Antiquitäten – Skulpturen, Uhren, Metallarbeiten,
Fayencen, Volkskunst, Varia, Historische wissenschaftliche Instrumente, Modelle und Globen,
Mo, 6. Oktober 2014
klassische Fotoapparate und Zubehör
Briefmarken
Klassische Fahrzeuge und Automobilia
(Classic Expo Salzburg)
Alte Meister
Mi – Do, 15. – 16.
Briefmarken
Sa, 18. Oktober 2014
Jagd-, Sport- und Sammlerwaffen
Sa, 13. Dezember 2014
Bücher
Di, 16. Dezember 2014
Moderne und Zeitgenössische Kunst
Mi, 17. Dezember 2014
Glas und Porzellan
Do, 18. Dezember 2014
Spielzeug
Mo, 22. Dezember 2014
Di, 21. Oktober 2014
Antiquitäten – Möbel, Skulpturen, Glas, Porzellan Mi, 22. Oktober 2014
Gemälde des 19. Jahrhunderts
Do, 23. Oktober 2014
Juwelen
Do, 23. Oktober 2014
Sport- und Sammlerwaffen
Mi, 29. Oktober 2014
Musikinstrumente (Favoriten)
Mi, 29. Oktober 2014
Jugendstil und angewandte Kunst des
20. Jahrhunderts
Mi, 5. November 2014
Stammeskunst
Mi, 5. November 2014
Design
Do, 6. November 2014
Briefmarken
Di, 11. November 2014
Historische Waffen, Uniformen, Militaria
Mi, 12. November 2014
Orden und Auszeichnungen
Dezember 2014
Di, 4. November 2014
Moderne und Zeitgenössische Druckgrafik
Münzen
Do – Fr, 11. – 12.
Oktober 2014
Mi – Do, 19. – 20.
November 2014
Fr, 21. November 2014
Tiziano Vecellio (Umkreis), Auktion Alte Meister, 21. Oktober 2014
Anish Kapoor, Auktion Zeitgenössische Kunst, 26. November 2014
3
Pietro Liberi, Auktion Alte Meister, 21. Oktober 2014
4
Tom Sachs, Auktion Zeitgenössische Kunst, 26. November 2014
1
2
1
CONTACTS
83
PALAIS
DOROTHEUM
Dorotheergasse 17, 1010 Wien, Österreich
Tel. +43-1-515 60-570, [email protected]
CLIENT ADVISORY SERVICES
P R I VA T E S A L E S
Mag. Constanze Werner
Tel. +43-1-515 60-366, [email protected]
Dr. Alexandra von Arnim
Tel. +49-89-244 434 73-0, [email protected]
2
KUNSTFINANZIERUNG
Mag. Andreas Wedenig
Tel. +43-1-515 60-261, [email protected]
3
AUKTIONSKATAL OGE & ABONNEMENTS
Tel. +43-1-515 60-200, [email protected]
www.dorotheum.com
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INTERNATIONAL
DÜSSELDORF
LONDON
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Tel. +49-211-210 77-47, [email protected]
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11 St. James’s Place, London SW1A 1NP, Großbritannien
Tel. +44 -0- 20 7009 1049
[email protected]
MÜNCHEN
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Tel. +49-89-244 434 73-0, [email protected]
MAILAND
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Palazzo Amman, via Boito, 8, 20121 Mailand, Italien
Tel. +39-02-303 52 41, [email protected]
ROM
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Palazzo Colonna, Piazza SS. Apostoli, 66, 00187 Rom, Italien
Tel. +39-06-699 23 671
[email protected]
NEAPEL
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Mobil +39-335-592 52 33,
[email protected]
BRÜSSEL
Comtesse Honorine d’Ursel
13, rue aux Laines, 1000 Brüssel, Belgien
Tel. +32-2-514 00 34, [email protected]
BUDAPEST
Réka Kovács
OREX Palais, Andrássy ùt 64, 1062 Budapest, Ungarn
Tel. +36-1-413 3742, Mobil +36-20-545 9856
[email protected]
PA R I S
Joëlle Thomas
Mobil (Frankreich) +33-665-17 69 37
Mobil (Österreich) +43-699-10 38 86 40
[email protected]
PRAG
Dr. Mária Gálová
Ovocný trh 580/2, 11000 Prag 1, Tschechien
Tel. +420-2-24 22 20-01
[email protected]
T E L AV I V
Mag. Rafael Schwarz
Mobil (Israel) +972-54-448 39 78
Tel. (Österreich) +43-1-515 60-405
[email protected]
ZAGREB
Dr. Venetia Eltz Vukovarski
[email protected]
ZÜRICH
Tel. +43-1-515 60-405
[email protected]
4
Robert Indiana
NUMBERS ONE through ZERO, 1978 – 2003
Aluminium, 45,7 x 45,7 x 25,4 cm
Schätzwert € 750.000 – 900.000
Auktion Zeitgenössische Kunst, November 2014

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