Fibel und/ oder Anlauttabelle. Gibt es noch einen Methodenstreit in

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Fibel und/ oder Anlauttabelle. Gibt es noch einen Methodenstreit in
Fibel und/ oder Anlauttabelle.
Gibt es noch einen Methodenstreit in der
Grundschule?
Schriftliche Hausarbeit im Rahmen der Ersten Staatsprüfung, dem
Landesprüfungsamt für Erste Staatsprüfungen für Lehrämter an Schulen
vorgelegt von:
Maike Störmer
Köln, 22.August 2008
Themenstellerin: Dr. Kirsten Schindler
Institut für Deutsche Sprache und Literatur II
Inhaltsverzeichnis______________________________________________________________
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung………………………………………………………… S. 4
2
Methoden des Schriftspracherwerbs - historische
Entwicklung……………………………………………………… S. 9
2.1 Die Fibel………………………………………………….. S. 9
2.1.1 Historische Leselehrverfahren – Von den
Anfängen der Fibel bis ins frühe
20. Jahrhundert….………………………………. S. 9
2.1.1.1 Die Buchstabiermethode……………. S. 10
2.1.1.2 Anlautmethoden……………………... S. 11
2.1.1.3 Synthetische Verfahren:
Ein Resümee……………………......... S. 13
2.1.1.4 Die Ganzheitsmethode………………. S. 14
2.1.2 Methodenstreit: synthetische Verfahren –
Analytische Verfahren……………………………S. 17
2.1.2.1 Der Methodenstreit……….................. S. 17
2.1.2.2 Methodenintegrierende Verfahren… S. 19
2.1.3 Kurzüberblick über die Entwicklung der
Schreiblehrgänge………………….……………... S. 22
2.2 Fibelunabhängige Ansätze zum Schriftspracherwerb … S. 23
2.2.1 Der Spracherfahrungsansatz……………………. S. 26
2.2.2 Lesen durch Schreiben ……………...................... S. 30
3
Aktuelle Situation in Wissenschaft und Didaktik –
Methodenstreit oder Methodenintegration?............................... S. 36
3.1 Die Situation in der wissenschaftlichen
Schriftspracherwerbsdiskussion………………………….. S. 36
3.2 Die Situation in der empirischen Forschung…………….. S. 40
Inhaltsverzeichnis______________________________________________________________
3.3 Methodenrepräsentation in aktuellen
Fibellehrgängen……………………………………………. S. 45
3.3.1 Fibellehrgang Bausteine………….................. S. 46
3.3.2 Fibellehrgang Duden…………....................... S. 49
3.4 Zwischenergebnis………………………………………….. S. 53
4 Empirische Untersuchung: LehrerInnenfragebogen
Schriftspracherwerb……………... S. 54
4.1 Die Fragebogenmethode……………………………….... S. 54
4.2 Die Stichprobe…………………………………………… S. 56
4.3 Die Fragen………………………………………............... S. 56
4.4 Auswertung und Diskussion der Ergebnisse…………... S. 59
4.4.1
Hypothese 1…………………………........... S. 59
4.4.2
Hypothese 2……………………………....... S. 65
4.4.3
Hypothese 3…………………………........... S. 69
5
Fazit und Ausblick…………………………………………….. S. 72
6
Literaturverzeichnis………………………………………........S. 75
7
Abbildungsnachweis………………………………………....... S. 86
8
Anhang: LehrerInnenfragebogen: Schriftspracherwerb........ S. 87
1 Einleitung__________________________________________________________________
1 Einleitung
Abb. 1: Schreibprobe 1, Luca
FÜA DI ZANFEE, PAS ÜNLICH
[Für die Zahnfee1, persönlich]
Abb. 2: Schreibprobe 2, Luca
LIEDE ZANFE, MEIN ZAN
[Liebe Zahnfee, mein Zahn
EST FASCHWODA.
ist verschwunden.
KREK ECH TROZDE MA
kriege ich trotzdem me-
IN GESCHEK? DEINE LUCA
in Geschenk? Deine Luca]2
1
Die Zahnfee „bringt“ den Kindern ein kleines Geschenk für jeden ausgefallenen Milchzahn.
4
1 Einleitung__________________________________________________________________
Lucas Brief an die „Zahnfee“ ist ein anschauliches Beispiel dafür, wie wichtig
die Schriftsprache schon im Vorschulalter sein kann,3 denn mit der „Zahnfee“
kann
man
nicht
sprechen,
nicht
telefonieren,
man
kann
sie
als
schriftunkundiges Kind demnach nicht ohne den Umweg über die Eltern
persönlich erreichen. Deshalb bedient sich Luca dem Medium der Schrift, um
möglichst unmittelbar mit ihr kommunizieren zu können.
Manch einer von uns schrifterfahrenen Erwachsenen erinnert sich sicherlich an
ähnliche Anlässe, die dem eigenen Schreiben- oder Lesenkönnen eine
wichtige Bedeutung gaben. Vielleicht war es der erste eigenständig
geschriebene Wunschzettel an den Weihnachtsmann, eine selbstgeschriebene
Postkarte an die Oma oder aber auch das Lieblingsbuch, welches man endlich
alleine Lesenkönnen wollte. In solchen Situationen zeigt sich Schriftanfängern
häufig zum ersten Mal der besondere Schatz der Schriftsprache. Sie markieren
zugleich das Erkennen der doppelten Funktion von Schrift. Denn Schrift
fungiert auf der einen Seite, wie in Lucas Beispiel deutlich gezeigt, als eine
verstärkte Möglichkeit sich eigenständig auszudrücken, auf der anderen Seite
dient sie jedoch auch als ein zusätzlicher Informationszugang.4
Um abschätzen zu können, was es für SchulanfängerInnen5 bedeutet Lesen
und Schreiben zu lernen, sollte man sich als schriftkundiger Erwachsener vor
Augen halten, welche abstrakten und komplexen sprachanalytischen
Leistungen zur Erfassung der Schriftsprache nötig sind Kinder haben zumeist
einen ganz anderen Zugang zu Sprache. Sie beziehen Wörter auf ihre
Bedeutung
und
deren
Handlungszusammenhang.
„Geburtstag
heißt
Geburtstag, weil man da Geschenke bekommt“; Kuh ist für sie ein längeres
Wort als z. B. Regenwurm, „weil sie größer ist“. Auf die Frage: „Hör genau
2
Luca: 5,7 (noch nicht eingeschult), sie findet ihren ausgefallenen Milchzahn nicht mehr und fragt die
„Zahnfee“ in einem persönlichen Brief, ob sie trotzdem ein Geschenk erhalten wird.
3
Zusätzlich zeigt es uns wie wichtig Motivationen und persönliche Nähe zum Geschriebenen beim
Schriftspracherwerb sind, vgl. Kapitel 2.2.
4
Vgl. zur doppelten Funktion der Schrift Göpel 2003, S. 15., Stöcki 1998, S. 23f.
5
Aus Gründen der leichteren Lesbarkeit verwendet die Verfasserin im Folgenden statt der maskulinen
Schreibweise von z. B. „Schüler” die feminine, pluralistische Form „SchülerInnen”.
5
1 Einleitung__________________________________________________________________
hin. Womit fängt Auto an?“, gibt es auch Kinderantworten wie: „mit einer
Stoßstange“.6
Lesen- und Schreibenlernen wird von vielen SchulanfängerInnen und deren
Eltern als die zentrale Aufgabe von Grundschule verstanden. Besonders
wichtig erscheinen hierbei die Methoden, die beim Schriftspracherwerb
eingesetzt werden, um diesen so gut und schnell wie möglich zu erlangen.7
Wie
wichtig
schriftsprachliche
Kompetenzen
in
unserer
heutigen
Leistungsgesellschaft geworden sind, haben auch die Ergebnisse der PISAStudien gezeigt. Führt man sich diese vor Augen, so zeigt sich, dass 15jährige
Jugendliche in Deutschland erhebliche Defizite in der Lesekompetenz
aufweisen.8 Auch in diesem Kontext rückt heute die Beschäftigung mit den
verschiedenen
Methoden
des
Schriftspracherwerbs
wieder
in
den
Vordergrund, denn Schriftspracherwerb bedeutet mehr als die bloße
Beherrschung der Techniken des Lesens und Schreibens. „Schriftspracherwerb
bedeutet
Denkentwicklung,
die
auf
den
Erwerb
umfassender
Handlungskompetenzen zielt.“9
Die Geschichte der Didaktik des Schriftspracherwerbs ist gekennzeichnet
durch die Suche nach der effektivsten Methode die Schriftsprache zu erlernen
oder wie Valentin Ickelsammer es schon im 16. Jahrhundert formulierte „die
rechte weis auffs kürtzist lesen zu lernen“.10 Gerade im letzten Jahrhundert ist
sie
geprägt
durch
zwei
inhaltlich
unterschiedliche
und
zeitlich
aufeinanderfolgende Methodenstreits.
6
Vgl. Valtin 2000, S. 17; Brügelmann/ Brinkmann 1998, Kapitel 2 mit weiteren Beispielen. „Der naive
Umgang von Kindern mit Schrift beschränkt sich nicht auf einzelne Buchstaben und Wörter. Sie
entwickeln Theorien über das Verständnis von Schrift und Sprache.“, ebd., S. 23.
7
Vgl. Von der Groeben 2001, S. 7, zu diesem Themenkomplex siehe auch Röber-Siekmeyer 1997, S. 25.
8
Vgl. Artel/Baumert/Klieme u. a. 2002, besonders, S. 77ff.; Artelt/ Stanat/ Schneider u. a. 2004, S.
139ff; Garbe 2005, S. 9ff. Lesekompetenz ist hierbei nach dem angelsächsischen Konzept „reading
literacy“ zu verstehen, welches im engeren Sinne die Fähigkeit lesen und schreiben zu können
bezeichnet und im weiteren Sinne, alles darüber hinaus, was den Menschen zur verständigen Teilhabe an
der Schriftkultur befähigt, vgl. z. B. Von der Groeben 2001, S. 6; Spinner 2006, S. 7f.
9
Schründer-Lenzen 2007, S. 14.
10
Bis in die Neuzeit hinein stand das Lesenlernen im Vordergrund beim Schriftspracherwerb, vgl. dazu
auch Kapitel 2.1.
6
1 Einleitung__________________________________________________________________
Zunächst stritt man in den 1960 und 70er Jahren um das vermeintlich richtige
Verfahren beim Lesenlernen auf der Grundlage von Fibellehrgängen. Hier
standen sich synthetische und analytische Methoden gegenüber.
Seit den 1980er Jahren steht die grundschulpädagogische Diskussion in Fragen
des Schriftspracherwerbs nun aber vielmehr zwischen zwei unterschiedlichen
methodischen Varianten den Anfangsunterricht zu gestalten. Auf der einen
Seite finden sich fibelorientierte Lehrgangskonzepte, auf der anderen Seite
„offene“ entwicklungsorientierte Lernwegskonzepte.11 Diese beiden Pole
sollen im Rahmen der vorliegenden Examensarbeit auf ihre Relevanz im
aktuellen Unterrichtsgeschehen untersucht werden. Es soll dabei im
Besonderen die Frage im Mittelpunkt stehen,
Grundschullandschaft
der
Streit
um
die
ob in der heutigen
„beste
Methode“
zum
Schriftspracherwerb immer noch ausgefochten wird, oder ob er vielleicht
bereits zugunsten einer Methode oder eines Zusammenschlusses verschiedener
Ansätze beigelegt und überwunden werden konnte.
Dabei werden zunächst in Kapitel zwei die historische Entwicklung der
Fibellehrgänge einerseits und der fibelunabhängigen Konzepte andererseits
vorgestellt. Im Anschluss werde ich in Kapitel drei und vier die aktuelle
Situation in Wissenschaft und Schulpraxis untersuchen, indem ich zunächst
den gegenwärtigen Stand der Schriftspracherwerbsdidaktik skizziere, daran
anschließend ausgewählte aktuelle Unterrichtswerke auf ihre Methoden zum
Schriftspracherwerb hin analysiere und in Kapitel vier mit Hilfe einer
empirischen Erhebung mittels eines Fragebogens die momentane Situation im
Schriftspracherwerbsunterricht
darstelle.
Der
Fragebogen
wurde
von
insgesamt 20 LehrerInnen bearbeitet, die alle im Anfangsunterricht des
Primarbereiches tätig sind. Unter den befragten Lehrpersonen sind sowohl
RegelschullehrerInnen als auch FörderschullehrerInnen.12
Der Konzeption des Fragebogens liegen drei Haupthypothesen zugrunde, die
überprüft werden sollen. Die erste Hypothese lautet, dass es heute in der
Grundschule beim Schriftspracherwerb keinen Methodenstreit mehr gibt, sich
11
Diese beiden Varianten finden sich im Titel der vorliegenden Arbeit unter den Schlagwörtern „Fibel“
für das fibelorientierte Lehrgangskonzept und „Anlauttabelle“ für das offene, entwicklungsorientierte
Lernwegskonzept wieder. Beide Verfahren werden in den nachfolgenden Kapiteln näher erläutert.
12
Der Fragebogen befindet sich im Anhang.
7
1 Einleitung__________________________________________________________________
vielmehr beide vorgestellten Ansätze ergänzen und häufig auch in
Kombination eingesetzt werden. Die zweite Hypothese geht davon aus, dass
LehrerInnen mit höherem Alter und längerer Tätigkeit im aktiven Schuldienst
häufiger mit „älteren“, lehrgangsorientierten Methoden und weniger mit offen,
lernwegsorientierten Konzepten, als ihre jüngeren KollegInnen. Die dritte zu
überprüfende Hypothese lautet, dass es Unterschiede bei der Methodenwahl
zwischen
RegelschullehrerInnen
Angenommen
wird
eine
Fibellehrgänge
und
der
und
Präferenz
FörderschullehrerInnen
der
RegelschullehrerInnen
FörderschullehrerInnen
für
gibt.
für
fibelunabhängige
Konzepte.
Aufgrund der Fülle an Veröffentlichungen, die das Thema Methoden des
Schriftspracherwerbs streifen, kann im Rahmen der vorliegenden Arbeit kein
vollständiger Überblick der gesamten wissenschaftlichen Diskussion zum
Schriftspracherwerb gegeben werden. Die wichtigsten Vertreter, die für die
vorliegenden Fragestellungen relevant sind, finden jedoch besondere
Beachtung bei der Bearbeitung. Hier sind insbesondere zu nennen: Horst
Barnitzky, Marion Bergk, Hans Brügelmann, Mechthild Dehn, Wolfgang
Menzel, Wilfried Metze, Jürgen Reichen, Christa Röber-Siekmeyer, Gerheid
Scheerer-Neumann, Agi Schründer-Lenzen, Gudrun Spitta, Wilhelm Topsch
und Renate Valtin.13
13
Die genauen Literaturangaben befinden sich im Literaturverzeichnis. Um die gesamte Diskussion zum
„doppelten“ Methodenstreit umfassend wiedergeben zu können, sind zusätzlich weitere Autoren in die
Forschungsdiskussion mit einzubeziehen, vgl. die Literaturangaben der entsprechenden Kapitel.
8
2 Methoden des Schriftspracherwerbs – historische Entwicklung____________________
2 Methoden des Schriftspracherwerbs – historische Entwicklung
2.1 Die Fibel
Eine Fibel ist „ein Leselernbuch oder Leselehrbuch im Anfangsunterricht mit
kindgerechter umfangreicher Bebilderung“.29 Das Wort Fibel stammt in
seinem Ursprung wahrscheinlich von „Bibel“.30 Für diese These spricht, dass
die ältesten Fibeln aus dem 15. Jahrhundert neben ABC-Silben vor allem
Bibelstellen
enthalten.31
Mittlerweile
kann
die
Fibel
auf
eine
fünfhundertjährige Geschichte zurückblicken, denn auch heute noch werden
zum Lesenlernen ähnliche Bücher verwendet, häufig sind die Wörter hier
jedoch nicht mehr nach den Anfangsbuchstaben, sondern nach Anlauten
differenziert und enthalten zusätzlich Einträge für Diphthonge und andere
Buchstabenverbindungen.32
2.1.1 Historische Leselehrverfahren - Von den Anfängen der Fibel bis ins
frühe 20. Jahrhundert
Die Didaktik des Schriftspracherwerbs konzentriert sich bis in die Neuzeit
hinein zumeist auf den Aspekt des Lesenlernens. Gerade in den niederen
Schulen gilt das Lesenkönnen der Bibel als wichtigstes Lernziel. Dem
Schreiben kommt bis dahin eine eher nachrangige Funktion zu. Dies ändert
sich erst durch die sogenannte „kommunikative Wende“ im letzten Drittel des
20. Jahrhunderts, in der die Textproduktion und die gestalterische Wirkung
von Schrift an Einfluss gewinnt.33
Die wissenschaftliche Didaktikgeschichte des Schriftspracherwerbs legt den
Beginn des Erstleseunterrichts nach modernen Maßstäben in das 15.
Jahrhundert. Vorher habe es zwar auch schon Unterricht im Lesenlernen
gegeben, jedoch setzt erst nach der Erfindung des Buchdrucks Mitte des 15.
Jahrhunderts und der Übersetzung des Neuen Testaments durch Martin Luther
(1522) ein breites Interesse für Volksbildung ein. Über Leselernmethoden, die
29
Grömminger 2002, S. 7, vgl. auch die Definition und Abgrenzung gegenüber anderen Buchgattungen
bei, Teistler 2003, S. 11f.
30
Vgl. Gabele 2002, S. 9ff. der nach ethmylogischen Untersuchungen vermutet, dass das Wort „soviel
wie kleine Bibel“ bedeutet.
31
Eine Fibel ist damit auch immer ein Spiegel der Sozialisationsweise ihrer Zeit, vgl. hierzu Menzel
1995, S. 13.
32
Zur Geschichte der Fibel vgl. Grömminger 2002 mit einer ausführlichen Bibliographie von Gisela
Teisler, S. 405-411.
33
Vgl. z. B. Peschel 2004, S. 24; Topsch 2005, S. 47. Zur „kommunikativen Wende“, vgl. z. B.
Bartnitzky 1998, S .31; Schorch 1992, S. 5f.
9
2 Methoden des Schriftspracherwerbs – historische Entwicklung____________________
vor der Erfindung und Verbreitung der Buchdruckerkunst, eingesetzt wurden,
ist nur sehr wenig bekannt.34 Ludwig Göbelbecker vermutet, dass es sich um
ein „Lesenlernen nach Gesamtbildern“ gehandelt habe.35 Christa Schenk geht
davon aus, dass schon in der Antike und später auch in den mittelalterlichen
Kloster- und Stiftsschulen Buchstabiermethoden eingesetzt wurden.36
Im Folgenden sollen die wichtigsten historischen Leselehrmethoden, die in
den Fibeln ihrer Zeit eingesetzt werden, vorgestellt werden.
2.1.1.1 Die Buchstabiermethode
Die Buchstabiermethode, wie sie uns aus dem 15. Jahrhundert überliefert ist,
gewinnt mit der Einführung beweglicher Lettern bei der Erfindung der
Buchdruckerkunst immer stärker an Bedeutung beim Erstleselernprozess.
Analog zum Vorgang des Zusammenfügens eines Druckstocks sieht man im
Lesen eine diesem technischen Vorgang parallele Vorgehensweise, da beim
Lesen einzelne Buchstaben zu Wörtern zusammengefügt werden.37 Zunächst
lernen die SchülerInnen jedoch die Buchstaben des Alphabets mit ihren
Buchstabennamen durch Vor- und Nachsprechen auswendig. Danach erfolgen
Übungen zum Silbenlesen auf der Grundlage einer Fibel oder einer
Silbentafel. Das Zusammenlesen der Buchstaben geschieht dabei durch
Buchstabenaddition, wobei erst die einzelnen Buchstabennamen gesprochen
werden und danach die aus diesen zusammengesetzte Silben (aus „a“ und
„bee“ ergibt sich demnach „ab“). Nicht nur Silben, auch ganze Wörter werden
auf diese Art und Weise erschlossen, durch ein syllabierendes Vorsprechen.38
Zumeist sind die hierbei eingesetzten Fibeln nach einer festen Systematik
gegliedert. Sie folgen der alphabetischen Reihenfolge von „A“ bis „Z“.39 Die
Buchstabiermethode wird über viele Jahrhunderte, trotz vielfältiger Kritik an
ihr, als verbindlicher Weg des Lesenlernens eingesetzt. Erst 1872 verbietet
man sie in Preußen per Erlass.40 Wie ungeeignet diese Methode beim
34
Vgl. z. B. Topsch 2005 , S. 49.
Göbelbecker 1933, S. 29.
36
Schenk 2004, S. 76, vgl. auch Füller 1997, S. 11ff.
37
Vgl. insbesondere Muth 1961, S. 6, Bartnitzky 1998, S. 15.
38
Vgl. Topsch 2005, S. 50; Gümbel 1993, S. 186-190.
39
Vgl. Menzel 2002, S. 55; ders. 1995, S. 16.
40
Vgl. sehr ausführlich hierzu Füller 1997, S. 15ff., aber auch Menzel 1995, S. 19; Schenk 2004, S. 77f.
In Bayern wird schon 1803 verbindlich die Lautiermethode durch Heinrich Stephani mit methodischen
Anweisungen eingeführt, vgl. ebd. Horst Bartnitzky vermutet, dass die Buchstabiermethode sich so lange
halten konnte, weil sie zum einen für die didaktisch nicht ausgebildeten Lehrer durch ihre einfache
Vermittlung ein gängiges Verfahren dargestellt habe und zum anderen den Charakter des Schulalltags
35
10
2 Methoden des Schriftspracherwerbs – historische Entwicklung____________________
Lesenlernen gerade für Kinder ist, die das Stadium des Buchstabierens schon
vor Eintritt in die Schule überwunden haben und zum Silben- und Wortlesen
übergegangen sind, zeigt eindrücklich ein Zitat aus den Lebenserinnerungen
Helene Langes, die ihre Schulzeit zu Beginn des 20. Jahrhunderts absolvierte:
„Es genügte nicht etwa, dass man die gedruckten Silben lesen konnte, man musste
erst buchstabieren und dann zusammenziehen. Als ich schüchtern bemerkte, ich hätte
immer Wörter gelesen, wurde ich gefragt, was denn be-u-ze-ha bedeute, worauf ich
nach scharfem Nachdenken erwiderte: buzeha. Die Verfänglichkeit der Frage, was
denn de-u-em-em heiße, verstand ich nicht; erst das Gelächter der anderen und die
Erklärung einer Mitschülerin brachten die unverständlichen Laute mit einer
Eigenschaft in Verbindung deren Zusammenhang mit meiner kleinen Person
41
allerdings richtig zu sein schien.“
2.1.1.2 Lautiermethoden
Schon im 16. Jahrhundert regt sich Kritik gegen die Buchstabiermethode. Als
Gegenentwurf gilt die so genannte Lautiermethode. Bei dieser steht das
Erlernen der Laute am Anfang des Leseprozesses. Das Lesen der
Wortschriftbilder wird durch „Zusammenschleifen“ der Laute zu Silben und
der Silben zu Wörtern erreicht. Es sollen demnach nicht mehr die
Buchstabennamen, sondern die den Buchstabenzeichnen zugeordneten Laute,
laut ausgesprochen und „lautierend“ zusammengezogen werden.42 Valentin
Ickelsamer stellt in seinem Werk „Die rechte weis auffs kürtzist lesen zu
lernen“ die neue Methode inhaltlich vor.43 Die Lautiermethode geht vom
genauen Abhören der gesprochenen Wörter aus, wobei Laute und Buchstaben
nicht aus dem ABC vorgegeben, sondern aus gesprochenen Wörtern und Rede
gewonnen werden sollen. Wer ein Wort richtig abhören und es selbst
aufschreiben könne, der sei auch in der Lage es zu lesen.44 In seiner Zeit kann
sich Ickelsamer mit dieser Methode jedoch nicht durchsetzen. In der
Geschichte des Schriftspracherwerbs ist sie hingegen von großer Bedeutung,
der aufgezeigten Jahrhunderte mit autoraktischem Lehren und assoziierendem Lernen ziemlich genau
widerspiegelte, vgl. Bartnitzky 1998, S. 16.
41
Schwartz 1964, S. 38. Dieses Zitat zeigt deutlich, dass Methode des Lesenlernens und individueller
Weg des Lesenlernens verschieden sein können. Nach dem System des Lehrers kommt die Schülerin
nicht weiter, denn sie ist längst schon viel weiter, als es der vorgeschriebene Weg vorsieht.
42
Vgl. z. B. Schenk 2004, S. 78; Bartnitzky 1998, S. 15f. Zu den Grundprinzipien der deutschen
gesprochenen und geschriebenen Sprache und deren Unterschieden vgl., z. B. Thome 2000a, S. 12ff.
43
Vgl. Topsch 2005, S. 50f. Valentin Ickelsammers „Die rechte weis auffs kürtzist lesen zu lernen“
erster Duck vermutlich 1527, 3. Druck 1534. Deutliche Ausführungen der Methode finden sich in: „Eine
Teütsche Grammatica. Daraß einer von jm selbs mag lesen lernen“, 1. Druck unklar, 2. oder 3. Druck
1537.
44
Vgl. Ickelsamer um 1534, Teststelle wiedergegeben in: Topsch 2005, S. 51, vgl. auch Bartnitzky 1998,
S. 16.
11
2 Methoden des Schriftspracherwerbs – historische Entwicklung____________________
denn ihr konsequenter Bezug auf die gesprochene Sprache findet sich in allen
aktuellen Ansätzen mehr oder weniger stark wieder.45
Die Lautiermethode entwickelt im Laufe der Jahrhunderte verschiedene
Varianten, so zum Beispiel die Anlautmethode, ebenfalls ein Ansatz aus dem
16. Jahrhundert, vorgestellt von dem Lesedidaktiker Peter Jordan. Während
Ickelsamer die vollständige Analyse des gesprochenen Wortes favorisiert,46
führt Jordan die Lautgewinnung durch die besondere Konzentration auf den
Anlaut ein. Die Aufmerksamkeit des Schülers wird dabei auf einige wenige
Wörter gelenkt, die zwei Bedingungen erfüllen müssen: zum einen den zu
erlernenden Laut als Anlaut aufweisen und zum anderen gut abbildbar zu sein,
zum Beispiel in einer Fibel. Gerade das zweite Kriterium wird in der Folge
besonders
wichtig.47
Aus
der
Anlautmethode
entwickelt
sich
im
gegenwärtigen Schriftspracherwerbsunterricht die Anlauttabelle.48
Eine weitere Variante der Anlautmethode ist die Naturlautmethode, auch
Interjektions- oder Sinnlautmethode genannt. Diese Methode geht auf Johann
Amos Comenius zurück, der seinem wohl bekanntestem Werk, dem „Orbis
sensualium pictus“ (1658), ein „lebendiges Alphabet“ voranstelle, um den
Kindern der Einstieg in die Schriftsprache zu erleichtern. Die Leseanfänger
sollen zunächst die Abbildung eines Tieres betrachten, dann dessen Stimme
nachahmen und auf diese Weise schließlich die entsprechenden Laute
artikulieren lernen. Neben dem Tierbild steht ein Buchstabenzeichen, das dem
Kind deutlich macht, welcher Buchstabe dem entsprechenden Laut zugeordnet
werden soll.49 Diese Methode operiert damit, dem für das Kind sinnlosen
Einzellaut eine Bedeutung zu geben. Neben dem Nachahmen von Tierlauten
arbeitet sie auch mit Interjektionen oder anderen Sinnzusammenhängen.50
45
Vgl. Kapitel 2.2 und 3.
Es gibt jedoch auch bei Ickelsamer einige Beispiele für die Anlautmethode, z. B. Feuer für <f>, Gänse
für <g>, vgl. Schenk 2004, S. 80.
47
Vgl. Topsch 2005, S. 51f., zur Anlautmethode vgl. auch Schenk 2004, S. 80 und Bartnitzky 1998, S.
17.
48
Vgl. Kapitel 2.2.
49
Vgl. Topsch 2005, S. 52f.; Bartnitzky 1998, S. 16f.; Schenk 2004, S, 79.
50
Z. B. werde die Laute und Silben aus kleinen Geschichten gewonnen, das Kind ruft „i“, weil es sich
schmutzig gemacht hat, der Fuhrmann ruft seinen Rössern „e“ zu usw., vgl. Schenk 2004, S. 79.
46
12
2 Methoden des Schriftspracherwerbs – historische Entwicklung____________________
Zwei weitere Methoden müssen in diesem Zusammenhang ebenfalls
Erwähnung finden. Dies ist zum einen die artikulatorische oder begriffliche
Methode Berthold Ottos von 1905, bei der die Beobachtung der
Sprechwerkzeuge und die artikulatorische Beschreibung der Laute im
Mittelpunkt steht, zum Beispiel durch Aufzeigen der Funktionen von
Atemweg, Zunge, Lippen. Zum anderen ist es die phonomimische Methode
des Taubstummenlehrers Grosslein von 1866, der diesen artikulatorischen
Ansatz durch den Einsatz unterstützender Lautgebärden ausbaut.51
Neben den bereits genannten Leselehrmethoden entwickeln sich im Laufe der
Jahrhunderte „unzählige“ weitere Varianten.52 Horst Bartnitsky spricht von
einer regelrechten „methodischen Erfindungskunst zur Lautgewinnung“,53 die
größtenteils aus der Kritik an der Buchstabiermethode hervorgeht.
2.1.1.3 Synthetische Verfahren: Ein Resümee
Alle bisher vorgestellten Leselehrmethoden sind synthetische Verfahren, das
heißt, sie gehen von Einzellauten oder Einzelbuchstaben aus, die zunächst in
ausreichender Zahl eingeführt werden müssen. Aus diesen werden im
Anschluss Silben und Wörter erarbeitet. Dabei gibt es drei aufeinander
folgende Verfahrenschritte. Im ersten Schritt, dem der Lautgewinnung, werden
mit Hilfe von Anlauten, Empfindungslauten, Naturlauten oder unmittelbarer
Lautvorgabe Einzellaute gewonnen und gefestigt.54 Als weitere Schritte folgen
zunächst die Lautverschmelzung und abschließend das zusammenfassende
Lesen. Gerade die Stufe der Lautverschmelzung bereitet in Fibellehrgängen
oft besondere Schwierigkeiten, da sie schwierig methodisch umzusetzen ist.
Sie erfolgt zum Beispiel durch eine Aufforderung zum schnellen
Zusammenlesen der hintereinandergeschalteten Laute oder aber durch eine
schrittweise Verringerung der Lücken zwischen den einzelnen Lauten oder
Silben. Manchmal werden auch Finger-, Hand- oder Körpergebärden
51
Vgl. Gümbel 1993, S. 193.
Ebd., S. 185. Zu den Methoden gehören z. B. die Lautbildungsmethode, die
Lautverschmelzungsmethode, die lautanalytische Methode, die Vokalisationsmethode, die eurythimsche
Gebärde, vgl. auch Bartnitzky 1998, S. 16ff.; Schenk 2004, S. 81.
53
Bartnitzky 1998, S. 16.
54
„Ich weiß es heute immer noch: Das E war ein Esel, N- die Nase, M – der Mond, R – die Rose“, zitiert
nach Topsch 2005, S. 53.
52
13
2 Methoden des Schriftspracherwerbs – historische Entwicklung____________________
eingesetzt.55
Hinzu kommt, dass
die
Lesetechnik
auf Kosten
des
Sinnverständnisses überbetont wird und somit die Gefahr besteht, das Lesen
auf die Technik des Lautverschmelzens zu reduzieren. Das größte Problem der
synthetischen Methoden ist jedoch der relativ lange Weg von Einzellauten zu
Wörtern und Sätzen, die Sinn ergeben.56
2.1.1.4 Die Ganzheitsmethode
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gibt es mit der Einführung der so genannten
Ganzheitsmethode als Erstleselehrverfahren eine ganz neue Richtung
innerhalb der Schriftspracherwerbsdidaktik. Wolfgang Menzel nennt sie einen
„Paradigmenwechsel in der Erstlesemethode“.57 Beeinflusst durch die
Reformpädagogik58 wird nun ein Verfahren eingesetzt, welches seine Wurzeln
im 18. und 19. Jahrhundert hat.59 Der erste und extremste Verfechter dieser
Methode ist der Taubstummenlehrer Carl Malisch, der 1909 die „Fibel für den
ersten Schreibleseunterricht am Sprachganzen“ herausbringt. Malischs
Verfahren wird zunächst nicht ernst genommen, macht jedoch, nachdem er
Erfolge gerade auch bei schwächeren Kindern nachweisen kann, in
abgewandelter Form in den 1920er und 30er Jahren in verschiedenen Teilen
Deutschlands Schule.60
Das ganzheitliche Verfahren geht im Unterschied zu den synthetischen
Verfahren vom „Sprachganzen“ beim Lesenlernen und nicht von isolierten
Elementen, wie Einzellauten oder –Buchstaben, aus. Es liegt hierbei die
Annahme
zugrunde,
dass
Kinder
ganzheitlich
und
inhaltsbezogen
wahrnehmen und lernen. In der ersten Phase, der des „naivganzheitlichen
Lesens“, wird mit den Kindern ein „Grundwortschatz“ erarbeitet und damit
regelrecht
auswendig
gelernt.
In
der
darauffolgenden
Phase,
der
Durchgliederung, werden die Buchstabenzeichen und ihre lautlichen
55
Vgl. ebd., S. 54ff.
Zur negativen und positiven Kritik mit ausführlichen Angaben, vgl. Stöcki 1998, S. 58f.; Schenk 2004,
S. 83.
57
Vgl. Menzel 1995, S. 19.
58
Hier vor allem Georg Kerschensteiner, der diese Methode in den USA kennenlernte und Brückel damit
vertraut machte, vgl. Schenk 2004, S. 87.
59
Friedrich Gedecke führt 1779 die Normaltextmethode ein. Bei dieser wird beim Lesenlernen von einem
zusammenhängenden Text ausgegangen. Die SchülerInnen bekommen ihn zunächst vorgelesen und
„erlesen“ ihn im direkten Anschluss selbstständig, vgl. Schenk 2004, S. 84f. Die Normalsatzmethode
arbeitet ähnlich, vgl. Gümbel 1993, S. 200. In der Normalwortmethode von 1843 werden die einzelnen
Laute aus einem „Grundwortschatz“, in dem nur „lautgetreue“ Wörter sein sollen, gewonnen, vgl.
Menzel 2002, S. 59; Schründer-Lenzen 2007, S. 135.
60
Vgl. Gümbel 1993, S. 200; Schenk 2004, S. 85f.; Stöcki 1998, S. 61f.
56
14
2 Methoden des Schriftspracherwerbs – historische Entwicklung____________________
Entsprechungen erlernt. Ziel dieser Phase ist es Einsicht in die LautBuchstaben-Beziehungen zu erlangen. In der abschließenden Phase des
selbstständigen Erlesens sollen diese Kenntnisse nun praktisch umgesetzt
werden. Die ganzheitlich eingeprägten Wörter dienen also in der zweiten
Phase zur Analyse der Grapheme und Phoneme.61
Es werden Übungsformen eingesetzt, die zum Teil auch heute in Gebrauch
sind,62 so beispielsweise das
Lesen durch Wortabbau und
Wortaufbau (Hase – Has –
H – Hu – Hun – Hund, vgl.
Abb. 3), die Ergänzung von
Wortanfängen zu sinnvollen
Wörtern
(W
–
Wanne,
Wind, Wolf; Wa – Wanne,
Wald, Wasser, Wal – Wald)
oder das „Verzaubern“ von
Worten
durch
den
sinnvollen Austausch von
Lauten
(Sand,
Wand,
Land).63 Man nimmt also
einen Lernweg vor, der vom
Abstrakten zum Konkreten
voranschreitet.
Abb. 3: „Meine Fibel“, Schreiber/ Velthaus 1966
61
Vgl. Topsch 2005, S. 56.
Vgl. Kapitel 3.3.2 Duden Fibel.
63
Zu den Beispielen vgl. Schenk 2004, S. 86, Bartmitzky 1998, S. 35.
62
15
2 Methoden des Schriftspracherwerbs – historische Entwicklung____________________
Einer der wichtigsten Vertreter der analytischen Methode ist Hans Brückel mit
der „Ganzwortmethode“ in seiner bayrischen Fibel „Mein Buch zum
Anschauen, Zeichen, Schreiben. Lesen Zählen“ von 1922 (vgl. Abb. 4).64
Interessant ist hier, dass Lese- und Schreiblehrgang sehr eng miteinander
verbunden sind.65
Abb. 4: „ Mein erstes Buch“, Brückel 1954 (6. Auflage)
Weitere wichtige Verfechter der Methode sind die Brüder Kern, die 1930 die
theoretische Grundlage ihrer Methode in dem Buch „Lesen und Lesenlernen“
darlegen und diese zum Beispiel in der Fibel „Wir lernen lesen“ anwenden
(vgl. Abb. 5). Sie führen die Schreibschrift als Grundlage für das Lesen- und
Schreibenlernen ein.66 Eine ebenfalls wichtige Rolle spielt Wittmann, der 1929
in Kiel mit „Theorie und Praxis eines ganzheitlichen, analytisch-synthetischen
Unterrichts“ seine „Ganzsatzmethode“ vorstellt.67
64
Ab 1923 „Mein erstes Buch“.
Vgl. auch Schenk 2004, S. 87; Menzel 1995, S. 19.
66
Vgl. Schenk 2004, S. 87; Gümbel 1993, S. 202-205. Zum Streit um das Schreibenlernen mit Schreiboder Druckschriften, vgl. Valtin 2000b, S. 111ff.
67
Vgl. Schenk 2004, S. 86f.; Gümbel 1993, S. 205; Menzel 1995, S. 20.
65
16
2 Methoden des Schriftspracherwerbs – historische Entwicklung____________________
Abb.5: „Wir lernen lesen“, Kern o. J.
In der Zeit zwischen den 50er und den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts kann
sich die ganzheitliche Methode als Hauptmethode beim Schriftspracherwerb
durchsetzten.68
2.1.2 Methodenstreit: synthetische Verfahren – analytische Verfahren
2.1.2.1 Der Methodenstreit
Mit der Einführung der Ganzheitsmethode steht nun der zuvor üblichen
synthetischen Methode ein vollkommen divergentes Verfahren gegenüber. Ein
erbittert geführter Methodenstreit um die vermeintlich beste Methode beim
Schriftspracherwerb zwischen Analytikern und Synthetikern bricht aus. Er
erreicht seinen Höhepunkt Ende der 1960er Jahre und wird schließlich Anfang
der 1970er ohne überzeugende Argumentation für eine Position überwunden.
Horst Bartnitzky nennt ihn einem „Streit ohne Sieger“.69 Beide Wege werden
zuvor in Unterrichtswerken realisiert. Zum Teil gibt es Verlage, die neben
einem analytischen Leselehrgang auch ein synthetisches Fibelwerk anbieten
(z. B. Meine liebe Fibel, Bochum: Kamp 1970 (analytisch) und Lustige
Leseschule, Bochum: Kamp 1970 (synthetisch)).70 Die Hauptargumente der
Verfechter der ganzheitlichen Methode sind, dass Schrift, folge man ihrer
68
Vgl. Menzel 2002, S. 61.
Bartnitzky 1998, S. 24.
70
Vgl. Menzel 1995, S. 20f.;ders. 2002, S. 62.
69
17
2 Methoden des Schriftspracherwerbs – historische Entwicklung____________________
Methode, für die SchülerInnen von Anfang an Bedeutungsträger und Lesen
von Anfang an Sinnerfassung sei. Außerdem werde die Lautzeichenschrift
zunächst als Begriffsschrift gelernt, was der Strategie eines geübten Lesers
entspreche. Zusätzlich lasse sie sinnvermutendes und überschauendes Lesen
schon frühzeitig zu und fördere eine selbstständige Lernhaltung. Die Gegner
der Methode führen hingegen an, dass die Lautschrift nur als Begriffsschrift
gelehrt werde und den SchülerInnen dadurch eine ökonomische Lesetechnik
zu
lange
vorenthalten
bliebe.
Außerdem
bestehe
gerade
bei
leistungsschwächeren Kindern die Gefahr der Gedächtnisüberforderung und
damit des ratenden Lesens, da die Buchstaben zunächst nicht gelehrt werden.
Ein selbstständiges Lesen sei anfangs unmöglich, die Kinder blieben zunächst
von dem Vorlesen der Lehrperson abhängig. Hinzu komme, dass die Texte oft
inhaltsarm blieben, gerade zu Beginn nur wenige Wörter zur Verfügung
stünden und neue Sätze deshalb oft nur durch Wortumstellungen gebildet
werden könnten.71
Die Überwindung des Methodenstreits kann letztendlich nur gelingen, indem
man Befunde empirischer Untersuchungen zu Grunde legt. Man erhofft sich
durch die Untersuchungen zunächst einen konkreten Effektivitätsbeweis der
einen oder anderen Methode. Die wichtigsten in diesem Zusammenhang zu
nennenden Studien sind die von Schmalohr (1961), Müller (1964) und
Ferdinand (1970). Es zeige sich in diesen jedoch, dass zwar unmittelbar nach
dem Abschluss des Lehrgangs, am Ende des ersten Schuljahrs, die synthetisch
unterrichteten Kinder überlegen sind, die ganzheitlich unterrichteten aber
schnell aufholen. So sind nach zwei Jahren Schulbesuch keine signifikanten
Effektivitätsunterschiede der beiden Methoden mehr zu spüren.72
Die jahrelangen Untersuchungen zur Methodeneffizienz und deren Ergebnisse
tragen schließlich dazu bei, den Methodenstreit Anfang der 1970er Jahre
beizulegen und einen erneuten Paradigmenwechsel einzuläuten. Beide Wege
werden nun als sich ergänzende und notwendig aufeinander zu beziehende
71
Zum Methodenstreit und den Argumenten der verschiedenen Positionen vgl. z. B., Schenk, S. 90ff.;
Gümbel, S. 209ff.; Bartnitzky, S. 23f.; Stöcki 1998, S. 65ff.
72
Eine genaue Analyse der angeführten Studien gibt Gümbel 1993, S. 211 und auch Stöcki 1998, S. 66ff.
Heutigen wissenschaftlichen Standards würden die Untersuchungen nicht entsprechen, zu dieser
Problematik vgl. Schründer-Lenzen 2007, S. 136f. Menzel hält Ferdinands Studie für am
aussagekräftigsten und wissenschaftlich am besten abgesichert, vgl. Menzel 1995, S. 20f. und ders. 2002,
S. 62.
18
2 Methoden des Schriftspracherwerbs – historische Entwicklung____________________
angesehen und ein neues Verfahren, das als „methodenintegrativ“ oder
„analytisch-synthetisch“ bezeichnet wird findet seitdem Eingang in nahezu
alle Leselehrgänge. 73
2.1.2.2 Methodenintegrierende Verfahren
Kennzeichnend für das analytisch-synthetische Verfahren ist, dass sowohl die
Analyse als auch die Synthese schon in der ersten Lehrgangseinheit erfolgen.
Man geht von ganzen sprachlichen Einheiten aus, von Wörtern oder zum Teil
auch kleinen Sätzen, analysiert die Laute und Buchstaben und verbindet diese
schließlich in der Synthese wieder. Das heißt, dass die Buchstaben aus der
Lautanalyse eines Wortes, zum Beispiel aus einem Kunstwort wie „Fu“, einer
Silbenfolge „la la la“ oder aber auch einem Eigennamen „Uli“ oder „Umi“
stammen. Jedes neueingeführte Wort wird hierbei entweder vollständig oder in
Teilen durchgliedert und daraus gehen die die jeweils neuen Buchstaben
hervor. So wird zum Beispiel aus „Umi“ in der nächsten Unterrichtseinheit
„Omi“ mit der Einführung des <o>. Die Anfangswörter sind dabei gezielt im
Hinblick auf Lauttreue und Analyseeignung ausgewählt. Mit eingestreuten
Bildwörtern kann der Wortbestand zu Beginn des Leselehrgangs zu Sätzen
und kleinen Geschichten erweitert werden.74
Innerhalb
der
analytisch-synthetischen
Verfahren
werden
von
der
wissenschaftlichen Didaktik noch zusätzliche Unterteilungen vorgenommen.
So unterscheidet Christa Schenk zwischen einem absolut analytischdidaktischen Verfahren, einem analytisch-synthetischen Verfahren mit
ganzheitlicher Ergänzung und einem methodenintegrierenden Leseverfahren.75
Im
erstgenannten
werden
nur
Wörter
angeboten,
die
zur
Buchstabengewinnung vollständig durchgliedert werden, so dass sie daran
anschließend
auch
wieder
vollständig
synthetisiert
werden
können
(Fibelbeispiele: „Der ABC-Fuchs“, „Fara und Fu“, „Tobi-Fibel“). Das
Verfahren mit ganzheitlicher Ergänzung analysiert aus den vorgegebenen
73
Weitere
Bezeichnungen
sind
„methodenangenähert“,
„methodenübergreifend“,
„methodenkombinierend“, „methodenoffen“, „methodenverbindend“, vgl. dazu, Schenk 2004, S. 92;
Menzel 1995, S. 22.
74
Vgl. z. B. Schenk 2004, S. 93ff. mit Beispielen von Fibelseiten, vgl. auch Buck 2002, S. 368f.
75
Vgl. ebd. Buck nimmt eine andere Einteilung vor. E zieht das analytisch-synthetische Verfahren mit
ganzheitlicher Ergänzung und das methodenintegrierende Verfahren zu einem Ansatz zusammen, zu der
integrierten Methode.
19
2 Methoden des Schriftspracherwerbs – historische Entwicklung____________________
Wörtern nur einzelne Buchstaben und verwendet auch solche Wörter, die
zunächst nicht zur Buchstabengewinnung herangezogen werden können.
Damit werden Wortauswahl und Wortmaterial insgesamt von Anfang an
größer und die Texte umfassender und inhaltlich reichhaltiger (Fibelbeispiele:
„Kleeblatt
Fibel“,
Leselehrverfahren
„Lesen
sieht
lesen
lesen“).
Methodenintegration
Das
methodenintegrierende
noch
umfassender,
der
Leselehrgang möchte nicht nur die Technik der Lesefertigkeit vermitteln,
sondern auch die Sprachkompetenz der SchülerInnen erweitern. Deshalb
dürften sowohl das Sprachangebot in den Texten als auch die begleitenden
Übungsformen, weder die Entwicklung eines natürlichen Sprechstils noch den
sprachlichen Gedankenreichtum einengen.76 Aus diesem Grund werden von
Anfang an nicht nur Wörter verwendet, die möglichst „lautgetreu“ sind, sich
also gut zur Analyse von Einzellauten eignen, sondern auch solche, die für
variationsreiche Texte benötigt werden (z. B. ich, wir, ein, groß, klein, und, ist,
spielt u. ä.). Außerdem werden von Anfang an verschiedene Textgattungen,
Textanordnungen, Schriftgrößen und auch Schriftarten verwendet, um die
Schriftsprache umfassend und an den aktiven kindlichen Sprachschatz
angeschlossen darzustellen.77
Abb. 6: „ Lesen heute“, Pregel 1971
76
Vgl. Pregel 1971, S. 64, der mit dem Lehrgang „Lesen heute“ als der Begründer der Methode gilt.
(Abb. 6), außerdem Gümbel 1993, S. 216; Blumenstock 1997, S. 91ff.
77
Vgl. Schenk 2004, S. 96ff.; Buck 2002, S. 369ff.; Topsch 2005, S. 60ff.
20
2 Methoden des Schriftspracherwerbs – historische Entwicklung____________________
Die
Vorteile
der
analytisch-synthetischen
Verfahrens
sehen
die
Schriftspracherwerbsdidaktiker zum einen darin, dass die beiden Hauptziele,
die Befähigung zur Sinnentnahme und die Einführung in die Technik des
Lautschriftenlesens, schon zu Beginn des Leselehrgangs zum tragen
kommen.78 Gerade der absolut analytisch-synthetischen Ansatz besteche
darüber hinaus durch die methodische Klarheit, da die Laute aus Wörtern
gewonnen und wieder zu solchen zusammengesetzt würden, außerdem durch
die Überschaubarkeit der Methode für alle Beteiligten (Lehrer, Schüler,
Eltern) und durch die besondere Eignung für Kinder, die sich dem Lesenlernen
nur langsam nähern können. Die Nachteile gerade dieses Ansatzes lägen
hingegen zum einen in der extremen Kleinschrittigkeit des Verfahrens, was
sich besonders bei heterogenen Lerngruppen negativ auswirke, da immer nur
eine Phase nach der anderen von der gesamten Klasse durchlaufen werden
könne, und zum anderen in der relativen Textarmut der zugrundeliegenden
Fibeltexte.79
Das methodenintegrierende Verfahren biete hingegen vielfältigere und damit
auch
motivierendere
Textangebote
und
ermögliche
den
Kindern
verschiedenste Anschlüsse zur Weiterentwicklung ihrer Sprachfähigkeit.
Wegen des höheren Anspruches, könne sie jedoch sowohl SchülerInnen und
Eltern als auch das Lehrpersonal schnell überfordern.80
Die Überwindung des Methodenstreits zwischen Analytikern und Synthetikern
im letzen Drittel des 20. Jahrhunderts und die daraus resultierenden
Kombination der beiden Ansätze müssen als Vorraussetzung gesehen werden,
damit sich die Schriftspracherwerbsdidaktik zwei Jahrzehnte später mit ganz
neuen methodischen didaktische Überlegungen zur Gestaltung des Erstleseund Schreibunterrichts beschäftigen kann. Insgesamt bleibt er jedoch eine sehr
begrenzte Kontroverse. Denn es steht zu keiner Zeit weder das zentrale
Unterrichtsmedium, die Fibel, noch die Organisationsform, der lehrerzentrierte
Frontalunterricht und auch nicht das Verständnis kindlicher Lernprozesse
(man nahm an, dass diese rezeptiv-additiv funktionieren) jemals zur
78
Vgl. Schenk 2004, S. 100f.
Vgl. ebd.; Buck 2002, S. 368f.
80
Vgl. hierzu ebd.
79
21
2 Methoden des Schriftspracherwerbs – historische Entwicklung____________________
Disposition. Zunächst beherrschen methodisch weiterhin Frontalunterricht und
Fibellehrgänge
den
Ablauf
Schriftspracherwerbsunterrichts.
So
und
die
sind
alle
Systematik
bisher
des
vorgestellten
Leselehrverfahren immer Bestandteil einer Fibel; eine Arbeit ohne diese
kommt im Anfangsunterricht nicht vor.81
2.1.3 Kurzüberblick über die Entwicklung der Schreiblehrgänge
Bisher war wenig vom Schreibenlernen die Rede; dies spiegelt treffend die
Rolle dieses Teils des Schriftspracherwerbsunterrichts im bisher vorgestellten
Zeitraum wider. Jahrhunderte lang spielt das Schreibenlernen nur eine
nachgeordnete Rolle, wobei das didaktische Interesse hierbei vor allem dem
schreibtechnischen Vorgang gilt. In einer Fibel wird ihm erstmals ab 1820 mit
der Schreib-Lese-Methode einen besonderen Stellenwert eingeräumt. Das
Motto dieser Methode ist „Lesen durch Schreiben“, jedoch in einem anderen
Verständnis, als dies heute für das Konzept Jürgen Reichens gilt.82 Albert
Haesters, einer der Autoren der weit verbreiteten Fibeln dieser Art, beschreibt
in seinem Vorwort das methodische Vorgehen. Es ist, wie in seiner Zeit
üblich, von einem imitativen Lernkonzept geprägt, die SchülerInnen werden
aber anders, als in allen bisher vorgestellten Modellen, dazu angehalten, die in
Vorübungen
aus
vorgegeben
Sätzen
isolierten
Laut-Buchstaben-
Kombinationen, auch selber zu verschriftlichen. Der Lehrer schreibt den
Kindern vor, diese sollen daraufhin nachschreiben; so können sie nicht nur
visuelle und auditive Eindrücke sammeln, sondern auch selber schreibend tätig
werden. „Was er [der Schüler] lernen soll, muss er vorher schreiben; was er
schreibt, muss er lesen – und verstehen.“83
Diese Methode bleibt jedoch nur eine kurze Episode in der Geschichte der
Schriftspracherwerbsdidaktik; schnell trennen sich lesen und schreiben wieder.
Auch noch im 20. Jahrhundert, bei den Ganzheitsdidaktikern, verlaufen die
Wege des Lesen- und Schreibenlernens monatelang getrennt. Der Schreibkurs,
der dem Ganzheitsgedanken folgend, nur verbundene Schriften zulässt,
beginnt hier mit dem sogenannten „Schreibturnen“, in dem zunächst
81
Vgl. Schründer-Lenzen, 2007, S. 144; Röber-Siekmeyer 1997, S. 26.
Vgl. dazu Kapitel 2.2.2.
83
Haesters 1861, zitiert nach: Bartnitzky 1998, S. 27, vgl. dazu insgesamt auch, Peschel 2004, S. 24.
82
22
2 Methoden des Schriftspracherwerbs – historische Entwicklung____________________
Vorformen der Buchstaben rhythmisiert und unter leichtem mitsummen
erschwungen werden. Im Anschluss erschwingen die SchülerInnen ganze
Wörter. Erst nach deren akustischer Analyse, in der Regel nach etwa einem
halben Jahr, üben sie die ersten Buchstaben ein.84
Eine andere Tradition, die sich schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts
entwickelt, ist die des Schreibdruckens. 1916 legt Fritz Kuhlmann das
Konzept einer Schreiberziehung vor, welches vom Nachschreiben der
Druckbuchstaben zur eigengeprägten verbundenen Schrift führen soll.85
Erst Mitte der 1980er Jahre mit der verstärkten Kritik an Fibellehrgängen setzt
sich schließlich die Tendenz durch, Lesen- und Schreibenlernen verstärkt zu
verbinden.
2.2 Fibelunabhängige Ansätze zum Schriftspracherwerb
Anfang der 1980er Jahre erfährt die Schriftsprachdidaktik hinsichtlich der
Frage, wie Kinder genau die Schriftsprache erlernen und wie ein darauf
abgestimmter Unterricht organisiert sein muss, gravierende Veränderungen.
Im
Rückblick
spricht
die
Forschung
von
einem
„didaktischen
Paradigmenwechsel“ oder auch einer „didaktischen Revolution“.86 Zwei
entscheidende Voraussetzungen für diesen Wandel sind: erstens die
Individualisierung des Lernens, (jedes Kind sollte mit seinen individuellen
Leistungen und Möglichkeiten wahrgenommen und gefördert werden), und
zweitens ein anderer Umgang mit Fehlern. Horst Bartnitzky führt in diesem
Zusammenhang die „Überwindung des Fehlervermeidungsprinzips“ an.87
Unterstütz vor allem durch die Theorien Piagets werden nun Lernprozesse
allgemein und damit auch das Lesen- und Schreibenlernen als eine
selbstgesteuerte Denkentwicklungen angesehen. Lernen sei demnach in der
Hauptsache nicht durch einen additiven Zuwachs an Kenntnissen und
Fertigkeiten gekennzeichnet, sondern das Kind sammle, ordne, systematisiere
und korrigiere seine ihm bedeutsamen Erfahrungen und die daraus gezogenen
84
Zu den verschiedenen Schreiblehrgängen der Ganzheitler vgl. Schorch 1992, S. 48ff.
Vgl. Bartnitzky 1998, S. 28f.
86
Brügelmann/ Brinkmann 1998, S. 92, zu diesem Themenkomplex vgl. auch. z. B. Röber-Siekmeyer
1997, S. 31f.; Barnitzky 1998, S. 31; Bartnitzky 2000, S. 50.
87
Bartnitzky 1998, S. 31. Langezeit nimmt man an, dass sich Kinder „Wortbilder“ dauerhaft einprägen,
die zugrundeliegenden Regel erkennen, auf die Schreibweisen anderer Wörter übertragen und jedes
falsch geschrieben Wort damit diesen Effekt stören würde, vgl. ebd., S. 29f. und auch Bartnitzky 2000,
S. 50.
85
23
2 Methoden des Schriftspracherwerbs – historische Entwicklung____________________
Schlussfolgerungen selbstständig, verallgemeinere sie anschließend und binde
sie in bereits bestehende Denkmuster und –strukturen ein.88 Ein Fehler könne
in diesem Zusammenhang nicht als wirklicher „Fehler“ betrachtet werden,
sondern müsse vielmehr als „fruchtbarer, großenteils notwendiger Schritt beim
Erkenntnisgewinn“ gelten.89 Die unterschiedlichen Fehler können also in die
derzeitig bestehenden Denk- und Handlungsstrukturen des Kindes Einblick
geben. Sie sollten nicht mehr als Abweichungen von der Norm betrachtet
werden, sondern vielmehr als „entwicklungsspezifische Notwendigkeit“ und
Möglichkeit, den Entwicklungsstand des Kindes näher zu bestimmen.90
Mechthild Dehn bezeichnet sie als „diagnostische Fenster“, anhand deren die
Lehrperson erkennen könne, was das Kind schon könne, was es noch lernen
müsse und was im Speziellen es als nächsten Schritt lernen sollte.91 Die
Didaktiker dieser neuen Auffassung von Schriftspracherwerb (Brügelmann,
Bergk, Dehn, Scheerer-Neumann, Spitta u. a.) gehen darüber hinaus davon
aus, dass falsche Schreibweisen unbedenklich seien, so lange dem Kind die
Abweichung von der Norm bewusst würde. Bei ausreichendem „Verschriften“
und häufiger Konfrontation mit Gedrucktem entwickle sich allmählich eine
orthografisch
korrekte
Schriftspracherwerb
Spracherwerb
Schreibweise.92
eine
darstelle
analoge
und
ebenso
Man
nimmt
Entwicklung
wie
dieser
zum
an,
dass
der
frühkindlichen
einem
natürlichen
Entwicklungsprozess folge.93
Die wohl entscheidende Voraussetzungen für diese neuen Erkenntnisse ist das
kognitionspsychologische und didaktische Interesse daran, wie Kinder jenseits
der üblichen Fibellehrgänge die Buchstabenschrift eigenaktiv für sich
erschließen und das Zusammenspiel von Lauten und Buchstaben selbstständig
erarbeiten können. In Untersuchungen zur Schreibentwicklungen von Kindern
aus dem englischen und deutschsprachigen Raum werden typische
verallgemeinerbare Entwicklungsstrukturen entdeckt, die die Grundlage von
88
Vgl. Schenk 2004, S. 120ff.
Vgl. Kirschhock/ Martschinke 1997, S. 11.
90
vgl. Dehn/ Hüttis-Graff 2000, S. 23. Der Begriff „entwicklungsspezifische Notwendigkeit“ ist dem
Spracherwerb entlehnt.
91
Vgl. Dehn 1994, S. 17ff.; Röber-Siekmeyer 1997, S. 30
92
Vgl. Schenk 2004, S. 122; Bartnitzky 1998, S. 31f.
93
Vgl. ebd.; Bartnitzky 2000, S. 50; Schründer-Lenzen 2007, S. 40.
89
24
2 Methoden des Schriftspracherwerbs – historische Entwicklung____________________
Stufen- und Entwicklungsmodellen zum Schriftspracherwerb bilden.94 Diese
gehen davon aus, dass Schriftanfänger bei der Ausbildung ihrer Schriftsprache
bestimmte typische Stadien der Annäherung an die normierte orthografische
Schreibweise der Wörter durchlaufen müssen. Bei allen mittlerweile
entwickelten Modellen ist die Abfolge der verschiedenen Stufen oder
Entwicklungsschritte ähnlich: auf eine logographische folgt eine alphabetische
und auf diese eine orthographische Phase.95 Eine detaillierte und konkretere
Einteilung dieser Entwicklungsschritte ist: von einer willkürlichen zu einer
lautorientierten Schrift, vom Lautskelett zur Umschrift der eigenen Mundart,
von dieser zu einer vollständigen Lautschrift und Übernahme von grafischen
Rechtschreibmustern, die jedoch noch häufig nicht an den orthografisch
korrekten Stellen eingesetzt werden, und schließlich von übergeneralisierten
Schreibmustern zu ihrer kodifizierten Verwendung und damit der spezifischen
Rechtschreibung des einzelnen Wortes. Wie lange die Kinder dabei auf den
jeweiligen Stufen verweilen und wie genau die Übergänge sich vollziehen, ist
in der Forschung jedoch umstritten.96
Ein
Hauptkriterium
für
guten
Unterricht
nach
diesen
didaktischen
Vorstellungen ist demnach seine Möglichkeit, individualisiertes Lernen zu
initiieren. Einige Didaktiker fordern: „starre Vorplanungen durch situative
Lernsituationen, wissenschaftlich analysierten standardisierten Wortschatz durch
individuelle Sprache und vorgefertigte Lehrgänge bzw. Fibeln durch Eigenfibeln oder
97
beweglich organisierte Lernangebote zu ersetzen.“
Aus diesem Grund
entwickeln sich nun neben den zum Teil straff gelenkten und systematisch
arbeitenden Fibellehrgängen freiere und offenere Lernformen. Die Hauptkritik
an der Fibel ist dabei, dass sie die Kinder auf einer rezeptiven Ebene
94
Vgl. z. B. Bartnizky 2000, S. 50ff.; Blumenstock 1997, S. 94ff.
Diese Einteilung der Stufen folgt Uta Frith, die 1985 eines der ersten Modelle vorschlägt. Diese
Grundstruktur haben alle weiteren Modelle gemeinsam, sie gehen auf Grund einer höheren Detailanalyse
aber von weiteren Teilstufen aus, vgl. z. B. Günther 1986, S. 33 (präliteral-symbolisch,
logographemisch, alphabetisch, orthographisch, integrativ-automatisiert) oder Valtin 2000, S. 18ff.
(Kritzelschrift, Phase des Malens und willkürlicher Buchstabenfolge, vorphonetisches Niveau,
halbphonetisches Niveau, phonetische bzw. alphabetische Strategie, phonetische Umschrift und erste
Verwendung orthografischer Muster, orthografische Verschriftung), aber auch: Brinkmann/ Bügelmann
1995, S. 44ff., Spitta 1994, S. 73f.
96
Auch der Begriff der Stufe ist gerade in der jüngeren Forschung häufig zugunsten eines
Phasenbegriffes aufgegeben worden, vgl. z. B. Schenk 2004, S. 122; Schründer-Lenzen 2007, S. 30ff.
97
Blumenstock 1997, S. 86. Zu erwähnen bleibt, dass in den 1970er Jahren als didaktische Neuerung ein
Grundwortschatz von 500 bis 1500 der vermeintlich am häufigsten gebrauchten Wörter festgelegt wird.
Die entsprechenden Wortlisten sind in den 80er Jahren von fast allen Kultusministerien den Erlassen und
Richtlinien beigefügt, vgl. Röber-Siekmeyer 1997, S. 28, speziell zum Grundwortschatz und der Kritik
daran vgl. auch. Bartnitzky 2000a, S. 53ff.; ders. 2000b, S. 57f. mit weiterführenden Literaturangaben.
95
25
2 Methoden des Schriftspracherwerbs – historische Entwicklung____________________
zurücklasse, sie ihre Lernprozesse nicht selbst steuern können und gerade im
Bereich des Schreibenlernens die Handlung zu kurz komme. Die Befürworter
der
lernwegsorientierten
„Lehrgangstrott“,
der
Konzepte
zugunsten
sprechen
einer
vom
individuellen
„Fibeltrott“
oder
Kindorientierung
aufgegeben werden solle.98
2.2.1 Der Spracherfahrungsansatz
Der
Spracherfahrungsansatz
stellt
eine
Verbindung
verschiedener
methodischer Ansätze nach den im vorhergegangenen Kapitel beschriebenen
Prinzipen in einem offen gestaltetem Unterrichtskonzept dar. Er wird
maßgeblich von Hans Brügelmann und dem Projekt „Kinder auf dem Weg zur
Schrift“ initiiert und möchte die theoretischen Entwicklungen der beteiligten
Didaktiker
in
die
Unterrichtspraxis
transportieren.99
Der
Spracherfahrungsansatz arbeitet mit einem Konzept, das den Kindern
individuelle Zugänge zur Schriftsprache ermöglichen und Anknüpfungspunkte
an die jeweiligen Lernvoraussetzungen eines jeden einzelnen Kindes, nach
dessen „Spracherfahrung“, bieten möchte. Deshalb verzichtet er auf starre
Methodenvorgaben, sondern stellt vielmehr eine Vielzahl von Lernmaterialien
(Anlauttabellen, Wortlisten, Lesehefte bzw. Kinderbücher, Eigenfibeln) und
Lernanlässen als Anregungen zu Auswahl.100 Dabei sollen reale Anlässe, die
schriftliche Kommunikation erforderlich machen, im Vordergrund stehen.
Außerdem ist weder ein Grundwortschatz noch die Reihenfolge der zu
erlernenden Buchstaben und Laute oder ein bestimmtes Lerntempo
vorgegeben. Jedes Kind kann darüber hinaus selbst entscheiden, ob es sich
zuerst dem Lesen oder dem Schreiben widmen möchte. Es erarbeitet sich die
benötigten Buchstaben dabei eigenaktiv. Der Spracherfahrungsansatz basiert
insgesamt auf der Annahme, dass Kinder sich den Weg in die Schriftsprache
selbstständig erarbeiten können und wollen und dass sie, wie in den
traditionellen Fibellehrgängen zunächst gedacht, nicht nur lesen, sondern auch
98
Zu den einzelnen Argumenten der Befürworter und Gegner der Fibel, vgl. die Aufstellung mit
Personennennung bei Schwander 1989, S. 188ff.; Röber-Siekmeyer 1997, S. 30; Stöcki 1998, S. 95f.,
den Begriff „Fibeltrott“ prägen besonders Bergk/ Meiers 1985.
99
Amerikanische Vorläufer: LEA (Language-Experience Approach) „1. What I think about, I can talk
about. 2. What I say, I can write (or someone can write form me). 3. What I can write, I can read (and
others can read, too). 4. I can read what I have written, and I can also read what other people have
written
for
me
to
read.”
Speck-Hamdan
Vorlesung
vom
6.06.07
unter:
www.speck_hamdan_06_06_07_Aktuelle%Methoden_01.pdf (26.06.08); vgl. auch Peschel 2004, S. 37.
100
Vgl. zu den Anregungen besonders Balhorn u. a. 1987; Brinkmann 1996; Brinkmann/ Brügelmann
1993; Brügelmann/ Brinkmann 1998, S. 108ff.; Dehn 1994; Spitta 1994.
26
2 Methoden des Schriftspracherwerbs – historische Entwicklung____________________
schreiben wollen.101 Ein wichtiger Grundsatz ist darüber hinaus, dass die
Lehrperson zunächst die private Schreibweise der Kinder beim „Verschriften“
akzeptiert. Es geht nicht darum, von Anfang an normgetreu zu schreiben;
Abweichungen
von
der
Normschreibung
werden
vielmehr
als
Diagnoseinstrumente des Lehrers genutzt.
Insgesamt wird beim Spracherfahrungsansatz die Arbeit mit einem
Fibellehrgang nicht ausgeschlossen, sie erhält jedoch einen völlig neuen
Stellenwert und wird als Orientierungshilfe für die Lehrperson eingesetzte,
zum Beispiel damit wichtige Aspekte des Schriftspracherwerbs nicht
vergessen werden.102 Der Spracherfahrungsansatz bietet jedoch auch, trotz
seiner
offenen
Gestaltung
des
Unterrichts,
eine
eigne
Form
der
Unterrichtsplanung. Brügelmann betont, dass auch, wer keinen linearen
Lehrgang beim Schriftspracherwerb wolle, ohne ein inhaltliches und
methodisches Gerüst in seinem Unterricht nicht auskomme.103 Als
Orientierung bietet er eine „Didaktische Landkarte zum Lesen- und
Schreibenlernen“ mit acht Lernfeldern, denen konkrete Aktivitäten zugeordnet
werden, an (vgl. Abb. 7).104
101
Vgl. Buck 2002, S. 371; Schenk 2004, S. 127f.; zum Eigenantrieb des Lernenden vgl. besonders,
Spitta 1994, S. 71f.
102
Vgl. Brügelmann/ Brinkmann 1998, S. 179ff. In dem Kapitel „Ein Lehrgangsöffner für Ihre Fibel“,
beschreiben sie Möglichkeiten wie die Fibel dementsprechend eingesetzt werden kann; vgl. auch Schenk
2004, S. 127.
103
Vgl. Brügelmann/ Brinkmann 1998, S. 104.
104
Vgl. Brügelmann 1983, S. 13ff.; zu den Aktivitäten Brügelmann/ Brinkmann 1998, S. 108ff.
27
2 Methoden des Schriftspracherwerbs – historische Entwicklung____________________
Abb.7: „ Didaktische Landkarte“, Brügelmann/ Brinkmann 1998, S. 107
Die acht Lernfelder sollen hierbei die wesentlichen Aspekte der Schrift bzw.
Schriftsprache beschreiben. Sie sind jedoch nicht hierarchisch geordnet,
sondern als gleichwertig zu verstehen und führen damit nicht vom Einfachen
zum Schweren. Die Idee des linearen Lehrgangs soll mit ihnen aufgegeben
und durch die Vorstellung eines Spiralbildes, das heißt einer Wiederholung
verschiedener Aspekte durch dieselben Lernfelder, aber auf unterschiedlichen
Niveaustufen, ersetzt werden.105
Den Grundgedanken der flexiblen
Organisation entwickeln Brügelmann und Brinkmann in der „Ideen-Kiste
Schriftspracherwerb“ weiter. Sie soll unter Zuhilfenahme eines „4-Säulen-
105
Vgl. Brügelmann/ Brinkmann 1998, S. 104ff.; zur Didaktischen Landkarte vgl. auch, Peschel 2004,
S. 37; Füssenich/ Löffler 2005, S. 71.
28
2 Methoden des Schriftspracherwerbs – historische Entwicklung____________________
Modells“ eine Systematisierung und Ergänzung des offenen Unterrichts
darstellen (vgl. Abb. 8).106
Abb. 8: „Vier-Säulen-Modell“, Brügelmann/ Brinkmann 1998, S. 27.
Wie bewertet nun die wissenschaftliche Schriftspracherwerbsdidaktik dieses
neue Unterrichtskonzept? Die Vorteile des Spracherfahrungsansatzes sieht sie
erstens in der Stärkung des selbstentdeckenden Lernens und der damit
einhergehenden
positiven
motivationalen
Gesichtspunkte.
Gerade
für
leistungsstärkere Kinder eigne sich die Methode damit sehr gut. Sie bewertet
zweitens die Individualisierung der Lernprozesse und drittens den Aspekt,
dass die Methode durch das von ihr erzeugte phonologische Schreiben auf das
Grundprinzip unserer Schriftsprache zurückführt, als vorteilhaft.107
Die Nachteile des Ansatzes machen die Didaktiker und die wissenschaftliche
Forschung vor allem in der Problematik der Anlauttabellen aus.108 Ein
weiteres Argument der Kritiker ist die schwache Systematik und zum Teil
106
Vgl. Brinkmann/ Brügelmann 1993; eine Weiterentwicklung findet sich in der folgenden Auflage,
vgl. Brinkmann/ Brügelmann 1999, S. 27.; vgl. zu diesem Themenkomplex auch, Füssenich/ Löffler
2005, S. 68f.
107
Zur Basis unseres Schrift- und Lautungssystemes, vgl. Schründer-Lenzen 2007, S. 49ff.; zu den
Argumenten der positiven Kritik vgl. zusammenfassend, z. B. Buck 2002, S. 372.
108
Vgl. dazu ausführlich, Kapitel 2.2.2, hier wird das Konzept Lesen durch Schreiben näher beschrieben,
welches im Wesentlichen auf der Arbeit mit der Anlauttabelle fußt.
29
2 Methoden des Schriftspracherwerbs – historische Entwicklung____________________
fehlende Übersichtlichkeit der Methode; dies könne schnell zur Überforderung
der Lehrkraft führen, denn es sei nötig, für jedes Kind eine eigene, sich oft
ändernde Lernkartei, zu führen. Ein hohes Maß an Eigenarbeit auf
LehrerInnenseite ist damit Voraussetzung, um dieses offene Lernkonzept
umsetzten zu können. Es kommt hinzu, dass es den Eltern bei diesem Konzept
schwerer fällt, den Lernstand ihres Kindes richtig einzuordnen und ihm somit
gegebenenfalls die richtige Hilfestellung leisten zu können.109
Insgesamt muss man festhalten, dass der Spracherfahrungsansatz die
Diskussion um den Schriftspracherwerb ab den 1980er Jahren deutlich
befruchtet
und
vorantreibt.
Im
Vordergrund
steht
eindeutig
ein
Perspektivenwechsel vom Schriftspracherwerb durch Instruktion hin zum
Schriftspracherwerb durch Sprachgebrauch. Damit wird der Lehrkraft die
Entscheidung überlassen, ob die die SchülerInnen mit oder ohne einen
Lehrgang an die Schriftsprache heranführen will.
2.2.2 Lesen durch Schreiben
Im Zuge der Diskussion über den Spracherfahrungsansatz etabliert sich als
Sonderform das Verfahren „Lesen durch Schreiben“110, das auf den Schweizer
Pädagogen Jürgen Reichen zurückgeht. Er hat sein Konzept nach sechs
verschiedenen anthropologischen Prämissen entwickelt, die davon ausgehen,
dass Kinder sich in ihrer grundsätzlichen Lernfähigkeit, die in besonderem
Zusammenhang mit unterschiedlichen biologischen Vorraussetzungen und
spezifischen Umweltbedingungen stehen, unterscheiden.111
Insgesamt handelt es sich bei Lesen durch Schreiben um ein Lernkonzept,
welches die Kinder vom Schreiben zum Lesen führen möchte. Dies geschieht
unter
Zuhilfenahme
vielfältiger,
speziell
didaktisch
aufbereiteter
Unterrichtsmaterialien, die selbstgesteuerte Lernprozesse ermöglichen sollen.
Auch bei dieser Methode können die SchülerInnen aus den angebotenen
Materialien frei wählen und im „Werkstattunterricht“ individuell, selbstständig
und fächerübergreifend arbeiten. Die SchulanfängerInnen lernen demnach
zunächst ausschließlich Schreiben. Als „automatisches Begleitprodukt“
109
Vgl. Buck, S. 373ff.
Blumenstock bezeichnet es als den „vorläufigen Höhepunkt in den didaktischen Bewegung“ im
Kontext von Schriftspracherwerb und offenen Unterrichtsformen, vgl. Blumenstock 1997, S. 98.
111
Zu den genauen Ausführungen vgl. Reichen 1988a, S. 6; Reichen 1991, S. 14ff.
110
30
2 Methoden des Schriftspracherwerbs – historische Entwicklung____________________
entwickle sich auf diesem Weg allmählich die Lesekompetenz.112 Reichen
geht also davon aus, dass sich das Lesenlernen ganz nebenbei entwickelt, zum
Beispiel durch das Lesen von bereits Geschriebenem. Er lehnt aus diesem
Grund gezielte Erstleseübungen, bei denen die Wörter buchstabenweise
auflautiert werden, vollkommen ab. Seiner Meinung nach behindere dies sogar
das Lesenlernen, da ein solches Vorgehen nicht der Lesestrategie eines
geübten Lesers entspreche.113 Trotzdem sollen den Kindern vielfältige
Leseanreize vor allem in Form von Überschriften auf Arbeitsblättern,
Bildergeschichten, Klassenzeitungen oder einer Leseecke in der Klasse
angeboten werden.114
Auch Lesen durch Schreiben folgt nicht dem Fehlervermeidungsprinzip. Es
wird zunächst ein lautgetreues Verschriften angestrebt; Abweichungen von der
normgetreuen
Orthographie
werden
auch
hier
als
diagnostische
Entwicklungsfenster betrachtet. Darüber hinaus versteht sich Lesen durch
Schreiben als ein „begabungsüberschießendes Lernangebot“, dass heißt, dass
Überforderungen bei einzelnen Kindern bewusst in Kauf genommen werden,
da sie aus einer Fülle von Materialien frei wählen können und somit das
Prinzip vom Einfachen zum Schwierigen bewusst außer Acht gelassen wird.115
Das zentrale Arbeitsmittel ist eine Anlauttabelle (Reichen nennt sie
Buchstabentabelle), mit deren Hilfe der Schüler gesprochene Wörter
schrittweise in eine schriftliche Form umsetzen kann, „… mit dieser Hilfe
kann er prinzipiell alles schreiben, was er will. Es wird also von Anfang an
mit dem gesamten Laut- und Buchstabenbestand gearbeitet, so dass der
verwendbare Wortschatz keinerlei Einschränkungen unterliegt.“116
In
einer
Anlauttabelle
werden
möglichst
alle
typischen
bedeutungsunterscheidenden Laute (Phoneme) einer Sprache schriftlich, also
mit Hilfe der den Lauten zugeordneten Buchstabenzeichen (Grapheme)
112
Reichen meint mit „Schreiben“ zunächst das Zerlegen eigenen gesprochenen Wortmaterials in eine
entsprechende Lautfolge und eine darauf basierende phonetische Verschriftung, vgl. Reichen 1994, S.
71; Peschel 2004, S. 42.
113
Vgl. Reichen 1998, S. 327ff.; vgl. auch Hanke 1998, S. 188. Zum Lesevorgang an sich, vgl. z. B.
auch Schenk 2004, S. 16ff.
114
Speziell zum Material für die Leseecke vgl., Reichen 1988b, S. 14.
115
Vgl. Reichen 1982, S. 8.
116
Reichen 1988a, S. 8.
31
2 Methoden des Schriftspracherwerbs – historische Entwicklung____________________
zusammen mit einem Anlaut-Bild aufgeführt. Neben jedem Laut ist ein Objekt
abgebildet, dessen Name mit diesem Laut beginnt, zum Beispiel ein „ApfelBild" neben dem Schriftzeichen <a>. Die SchülerInnen sollen sich mit Hilfe
einer
Anlaut-Tabelle
das
Schriftbild
eines
Wortes
Laut
für
Laut
zusammensetzen können; sie sollen im Umgang mit der Anlauttabelle
erfahren, wie gesprochene Sprache lauttreu verschriftet wird und in welchem
Zusammenhang Laute und Buchstaben zueinander stehen.117 Die meisten
Schwierigkeiten bereiten beim Verschriften des Gesprochenen das Abhören
der einzelnen Wörter nach ihren Einzellauten, denn die Phoneme treten
innerhalb des Wortes nicht als isolierte Elemente auf. Sie werden vielmehr
durch das vorangehende und das nachfolgende Phonem „gefärbt“.118 Das
entscheidende Lernziel und die Hauptaufgabe des Unterrichts mit der
Anlauttabelle in den ersten Wochen sind deshalb, die SchülerInnen zu
befähigen, ein Wort in seine Lautfolge zu zerlegen und es mit Hilfe der
Anlauttabelle phonemisch aufzuschreiben. Die Ausbildung und Schärfung der
phonologischen Bewusstheit muss daher eines der vorrangigen Aufgaben in
dieser Arbeitsphase sein.
Welche Vor- und Nachteile sieht die Schriftspracherwerbsforschung nun in
diesem Verfahren, verglichen mit den Fibellehrgängen? Die Vorteile werden,
ähnlich denen des Spracherfahrungsansatzes, zum Beispiel die Möglichkeit zu
selbstständigem und individuellem Lernen, die Förderung und der Aufbau der
phonologischen Bewusstheit119 und die erhöhten Motivation, gesprochene
Sprache zu Verschriften, genannt. Auch die angeführten Nachteile entsprechen
in weiten Teilen denen des Spracherfahrungsansatzes, wobei darüber hinaus
die
einseitige
Förderung
zunächst
nur
des
Schreibens,
die
dem
Spracherfahrungsansatz konträr ist, aufs Heftigste diskutiert wurde und zum
Teil noch wird. Das stärkste Argument der Kritiker ist, dass die Beschränkung
auf eine eindimensionale Ausrichtung phonographischen Schreibens auf das
Lesen die gerade in der jüngeren Schriftspracherwerbsdidaktik nachgewiesene
117
Vgl. zu den Problemen der fehlenden Phonem-Graphem-Korrespondenz, z. B. Topsch 2005, S. 23ff.
Zum Aspekt der Koartikulation vgl. Hanke 1998, S. 191.
119
Dies wird aber gleichzeitig auch als Problem gesehen,. Kinder, die noch kein differenziertes
phonologisches Bewusstsein aufgebaut haben, werden nicht entsprechend gefördert, denn diese haben oft
große Schwierigkeiten mit Anlauttabellen zu arbeiten. So auch empirische Untersuchungen, vgl. Walter
1995 mit weiterer Literatur.
118
32
2 Methoden des Schriftspracherwerbs – historische Entwicklung____________________
Interaktion zwischen Lese- und Schreibprozessen in der Entwicklung völlig
vernachlässige.120
Weitere Argumente der Kritiker des Konzeptes sind, dass methodischdidaktische Prinzipien wie die Vermittlung des Lehrstoffes in kleinen
Schritten oder das Fortschreiten vom Einfachen zum Schwierigen von Reichen
außer acht gelassen würden und damit zumindest leistungsschwächere Kinder
überfordert sein könnten. Hinzu komme außerdem, dass die Einschränkung
auf die eigenen Texte der Kinder neue Lernimpulse, die fremde Texte gegeben
könnten, verhindere. Fibelbefürworter führen darüber hinaus aus an, dass dem
Kind bei Lesen durch Schreiben „seine Fibel“ vorenthalten werde, welche die
Freude am Buch und den Spaß am Lesen anbahnen könne.121
Zusätzlich gerät die Problematik des Einsatzes der Anlauttabelle, als des
zentralen Arbeitsmittels des Anfangsunterrichts bei Lesen durch Schreiben,
besonders in den Fokus der Kritik. Ein wesentlicher Nachteil des
Anlautverfahrens ist der, dass es zwar ein wichtiger Zugriff auf geschriebene
Sprache darstelle, für den Schriftspracherwerb aber letztlich nicht ausreichend
sei, denn zum einen kommen einige Laute unserer Sprache gar nicht als
Anlaut vor122 und zum anderen können einige Laute vom Hören her nicht
eindeutig einem Buchstaben zugeordnet werden.123 Günther Thomé führt an,
dass sich das Hauptproblem der meisten Anlauttabellen, zu viel auf einmal
oder zu viele Aspekte der Orthografie in einer einzigen Tabelle abbilden zu
wollen, besonders deutlich in zwei Bereichen zeige. Den ersten Bereich
betitelt er als „grundlegende oder schwierige Schreibzeichen“. Als
grundlegende Schreibzeichen benennt er diejenigen, die mit „deutlichem
Abstand als häufigste Schreibungen für ein Phonem auftreten“. Damit meint er
120
Vgl. z. B. Hanke 1998, S. 190f.; Scheerer-Neumann 1995, S. 18f.; Schründer-Lemzen 2007, S. 42.
Sie weist auf verschiedene empirische Untersuchungen hin, in denen gezeigt werden konnte, dass sich
Lese- und Schreiblernprozess wechselseitig beeinflussen; vgl. aber auch Brügelmann/ Brinkmann 1998,
S. 92ff. Diese betonen, dass Lesen durch Schreiben nur drei der acht Felder ihrer „didaktischen
Landkarte“ abdecke. Sie grenzen sich darüber hinaus gerade von der einseitigen Betonung des
Schreibens ab: „Unserer Kurzformel, welche die Nähe zu und die Abgrenzung von „Lesen durch
Schreiben“ gleichermaßen betont: Lesen lernt man durch Lesen, Schreiben lernt man durch Schreiben.“,
ebd., S. 94.
121
Zu den Argumenten, vgl. Schenk 2004, S. 130.
122
Z. B. die Laute für <ng> und der Ach-Laut für <ch>.
123
Schwierigkeiten machen z. B. der /f/ Laut und das <v>, das vokalisierte <r> oder die
Auslautverhärtung der stimmhaften Explosiva, außerdem die Nichterfassung von morphologischen
Regeln, vgl. hierzu sehr ausführlich, Buck 2002, S. 372f.
33
2 Methoden des Schriftspracherwerbs – historische Entwicklung____________________
die
anhand
ihrer
Häufigkeiten
ermittelten
Basisgrapheme,
die
den
Orthographemen in der Tabelle vorgezogen werden müssten. Besonders
deutlich zeige sich dieses Problem in dem so genannten „Igel-Syndrom“. Der
Igel müsse nach Thomés Theorie, nach der nur die grundlegenden
Schreibzeichen darzustellen sind, aus der Anlauttabelle verschwinden, denn
für das lange /i:/ ist die Schreibung <ie> die weitaus häufigere (85% der
Fälle).124
Der zweite problematische Bereich sei der der Groß- oder Kleinbuchstaben. Er
plädiert für den ausschließlichen Einsatz von Großbuchstaben, denn beim
Verschriften125 befinde man sich in einer vororthografischen Phase, in die der
Bereich des Groß- und Kleinschreibens
noch nicht hineinfalle.126
Speziell zum „Reichen-Bogen“ äußert
Thomé über das „Igel- Syndrom“
hinaus noch weiterer Kritik. So zum
Beispiel an den Beispielwörtern „Ente“
und „Ärmel“, die für unterschiedliche
Basisgrapheme des gleichen Phonems
eingesetzt
werden,
und
an
den
Beispielwörtern „Ähre“ und „Uhr“, die
ebenfalls
keine
Basisgrapheme
abbilden.127
Abb. 9: „Reichenbogen“, Reichen 1982
Auf ein zusätzliches Problem der Anlauttabellen muss an dieser Stelle
ebenfalls
kurz
hingewiesen
werden.
SchülerInnen
nicht
deutscher
Muttersprache haben häufig große Schwierigkeiten mit einer solchen Tabelle.
Ihre „innere Lautsprache“ orientiert sich in den meisten Fällen an der
Semantik des Bildes, welches mit der Primärsprache belegt ist. So können sie
zwar das Prinzip des Anlautes verstanden haben, durch die Orientierung an der
124
Er löst damit aber nicht das Problem, dass es im Deutschen kein <ie> als Anlaut gibt, vgl. Thomé
2000b, S. 118, dort auch weitere Literatur zu Thema.
125
Verschriften definiert er als „Laute des eigenen Sprechens in Buchstaben zu übersetzten“, vgl. ebd.
126
Vgl. ebd.
127
In „Ente“ und „Ärmel“ repräsentieren die zwei unterschiedlichen Basisgrapheme <e> und <ä>, ein
Phonem. In „Ähre“ und „Uhr“ sind nicht die Basisgrapheme <ä> und <u> dargestellt, sondern die
weitaus selteneren Grapheme <äh> und <uh>, vgl. Thomé 1995, S. 303-305., weitere Kritik an dieser
Tabelle, die von Reichen in der Folge überarbeitet wurde, vgl. Topsch 2005, S. 69f.
34
2 Methoden des Schriftspracherwerbs – historische Entwicklung____________________
Primärsprache jedoch nicht erfolgreich mit ihm in der Zweitsprache
operieren128
Ein weiters Problem sieht Hanke in der uneinheitlichen Terminologie
Reichens. Zum einen in der Beschreibung seiner Methode: „Leselernwerk“,
„Leselehrgang“ „lesedidaktisches Prinzip“ „Selbstgesteuertes Lernen durch
Einsicht“,129 zum anderen bei der fehlenden begrifflichen Unterscheidung von
„Werkstattunterricht“,
„offenem
Unterricht“,
„Wochenplanarbeit“
und
„Freinet-Methode“.130 Problematisch erscheint darüber hinaus, dass das
Konzept insgesamt aus der Unterrichtspraxis heraus entwickelt wurde und
damit
eine
fundierte
lerntheoretische,
linguistische
und
didaktische
Überprüfung nur ansatzweise vorliegt.131 Trotz aller negativer Kritik belegen
neuere empirische Untersuchungen jedoch, dass sich die Methode Lesen durch
Schreiben in den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts zunehmend im
Unterrichtsalltag etabliert.132
Im Rückblick auf die Entwicklungen der Schriftspracherwerbsdidaktik kann
man zusammenfassend festhalten, das die wichtigsten Veränderungen seit den
1980er Jahren trotz der vielfältigen Diskussionen um die Öffnung des
Anfangsunterrichts beim Erlernen der Schriftsprache die stärkere Orientierung
an der gesprochenen Sprache und die Verbindung des Lesen- und
Schreibenlernens sind.
128
Diese Problematik ist durch empirische Untersuchungen belegt, vgl. z. B. Dyroff 1996, S. 66,
Schründer-Lenzen 2007, S. 72.
129
Blumenstock spricht in diesem Zusammenhang von einer „Materialsammlung als Antilehrgang“,
Blumenstock 1997, S. 98.
130
Vgl. Hanke 1998, S. 184f.
131
Hanke 1997, S. 236.
132
Vgl. Hanke 1998, S. 184. Im Regierungsbezirk Köln hat die Methode von 1988/98 bis 1994/95 einen
Zuwachs um 10,62% zu verzeichnen.
35
3 Aktuelle Situation in Wissenschaft/Didaktik–Methodenstreit oder Methodenintegration?
3 Aktuelle Situation in Wissenschaft und Didaktik – Methodenstreit oder
Methodenintegration?
3.1 Die Situation in der wissenschaftlichen Schriftspracherwerbsdiskussion
Die wissenschaftliche Kontroverse in der Schriftspracherwerbsdidaktik
zwischen
Befürwortern
von
Fibellehrgängen
und
Anhängern
von
lehrgangsunabhängigen Ansätzen hat in den letzten Jahren an Schärfe
verloren.237 Noch zu Beginn der 1990er Jahre gilt den Vertretern des
Spracherfahrungsansatzes ein Fibellehrgang geradezu als Paradebeispiel des
ablehnungswürdigen, lehrerzentrierten Unterrichts. Brügelmanns Ausspruch
„Lehrgänge sind Krücken“238 prägt diese Position. Nach Auffassung der
Anhänger
des
Spracherfahrungsansatzes
sollte
vielmehr
die
„Ingebrauchnahme von Schrift“ für eigene Bedürfnisse, Wünsche und Ziele
den Ausgangspunkt des Schriftspracherwerbs bilden. Der selbstbestimmende
Gebrauch von Schrift lasse sich dabei keinesfalls mit den vorgegebenen
Abläufen eines Lehrgangs vereinbaren.239 Die Befürworter der Fibellehrgänge
setzen dem entgegen, dass lernwegsorientierte Konzepte den SchülerInnen
nicht genügend und allem sprachwissenschaftlich abgesicherte Hilfestellungen
beim Schriftspracherwerb geben. Es komme im Gegenteil durch die
Vermittlungsstrategien dieser Konzepte, zu Unsicherheiten und Verwirrungen
auf SchülerInnenseite.240
Lernen durch Schriftsprachgebrauch und Lernen durch Instruktion bleiben in
den 1990er Jahren damit die zwei gegensätzlichen und festgefahrenen
Positionen innerhalb der Forschung.
Gegen Ende der 1990er Jahre kommt es jedoch zunehmend zu einer
Annäherung von Fibelgegnern und –befürwortern. Die Frage „mit oder ohne
Fibel“ rückt jetzt immer stärker in den Hintergrund. Ausschlaggebend für
diese Entwicklung sind vor allem die Ergebnisse verschiedener empirischer
Untersuchungen. Die Befunde der SCHOLASTIK-Studie, die allgemeine
Lehr-Lernprozesse
untersucht
und
sich
nicht
explizit
auf
den
237
Zwischenzeitlich wird sie in teilweise heftigsten Auseinandersetzungen zwischen den Fibelgegnern
und -befürwortern geführt (hier besonders: Brügelmann, Conrady, Blumstock, Metze), vgl. dazu auch
Schründer-Lenzen 2007, S. 146f.
238
Brügelmann 1989, S. 9f.
239
Vgl. z. B. Schneider u. a. 1995, S. 26ff.; Spitta 1994, S. 11ff.
240
Vgl. Metze 1995, S. 35ff.
36
3 Aktuelle Situation in Wissenschaft/Didaktik–Methodenstreit oder Methodenintegration?
Schriftspracherwerberwerbsprozess bezieht, zeigen, dass die Qualität des
Unterrichts und damit die Leistungserfolge der SchülerInnen nicht durch
bestimmte Unterrichtsmethoden, sondern vielmehr durch die Schaffung
lernförderlicher Bedingungen beeinflusst wird. Zu diesen gehören zum
Beispiel die Effektivität der Klassenführung,241 die Motivierungsqualitäten der
Lehrperson, die Klarheit der Instruktion in der Schülerwahrnehmung und die
fachliche Unterstützung der Lernenden. Es gehören aber auch die
Strukturiertheit der Instruktionen und die Variabilität der Unterrichtsformen
dazu.242 Von besonderer Relevanz für den Lernerfolg sind demnach nicht nur
die
verwendeten
Unterrichtsmethoden,
sondern
auch
konkrete
Unterrichtsprozesse und die allgemeine Qualität des Unterrichts. Da diese
sowohl von der Strukturiertheit der Instruktionen, wie sie Fibellehrgänge
vorgeben, als auch von der Variabilität der Unterrichtsformen, die in
besonderem Maße durch fibelunabhängige, lernwegsorientierte Konzepte
gegeben werden, abhängig ist, erscheint eine Annäherung der beiden Konzepte
unausweichlich.243
Dies zeigt sich in der Folge auf der einen Seite durch eine Öffnung der
Fibellehrwerke. So basieren moderne Fibellehrgänge in der Regel auf einem
Bausteinsystem von unterschiedlichen Materialien, die den Lehrer explizit zu
Binnendifferenzierung und Individualisierung des Unterrichts auffordern.
Damit muss die Definition der Fibel, wie sie Kurt Meiers 1987 zu Beginn der
Diskussion gegeben hat, als ein Werk, welches nur aus einem Buch
einschließlich
Übungen
bestehe,
in
der
heutigen
Schriftspracherwerbsforschung als überholt gelten.244 Auch die Anlauttabelle
gehört mittlerweile zum Standartprogramm des Fibelmaterials.245 In den
Rahmenrichtlinien des Faches Deutsch für die Grundschule wird die
Anlauttabelle bei der Einführung in die Schriftlichkeit ausdrücklich
241
Hier ist ein erstaunlicher Befund: je größer die Klasse ist, desto effizienter ist die Klassenführung,
desto strukturierter ist der Unterricht und desto aktiver unterstützt und kontrolliert der Lehrer einzelne
Schüler, vgl. Helmke/ Weinert 1997, S. 247.
242
Zu den Ergebnisse dieser Studie, vgl. ebd., S. 245ff.; dort finden sich auch Angaben zur Problematik
der Übertragung dieser auf andere Fächer (die Untersuchung hat im Mathematikunterricht
stattgefunden).
243
Vgl. Schründer-Lenzen 2007, S. 147 mit weiteren Literaturangaben zum Thema.
244
Vgl. Meiers 1987, S. 14f.
245
Vgl. auch Kapitel 3.3.
37
3 Aktuelle Situation in Wissenschaft/Didaktik–Methodenstreit oder Methodenintegration?
empfohlen.246 Ebenso enthalten neue Richtlinien für die Zulassung von
Schulbüchern die Forderung, dass auch Fibeln einen Anteil am offenen
Unterricht leisten müssen.247 Die Verlage kommen dem in der Regel dadurch
nach, dass sie eine Anlauttabelle entweder auf die Umschlagsseite der Fibel
oder aber in separat beiliegender Form abdrucken. Die Kombination von Fibel
und
Anlauttabelle
scheint
demnach
sowohl
in
der
Schriftspracherwerbsforschung als auch in der unterrichtlichen Praxis
Wirklichkeit und Selbstverständlichkeit geworden zu sein.
Günther Thomé führt speziell im Hinblick auf die Arbeit mit der Anlauttabelle
an,
dass
diese
nicht
als
alleiniges
Leitmedium
beim
Schriftspracherwerbsprozess, wie es in der Reichenmethode Lesen durch
Schreiben geschehe, eingesetzt werden solle und könne.248 Er betont aber
gleichzeitig, dass er damit keinen Gegensatz zwischen Fibel und Sprachbuch
auf der einen und Anlauttabellen auf der anderen Seite konstruieren möchte,
im Gegenteil:
„Auch mit Fibel ist eine Differenzierung und ggf. Individualisierung zu
erreichen. Fibeln sind heutzutage umfangreiche Lehrsysteme mit Arbeitsheft,
Kopiervorlagen, Schreiblehrgängen u .a. m. Eine Differenzierung ist auch
dadurch möglich, dass mit einem Zusatzmaterial oder Lese-Lehrgang
ergänzend
gearbeitet
wird.
Das
alles
bietet
zusammen
mit
dem
Lehrerkommentar die Möglichkeit für zumindest phasenweise offenen
Unterricht. Letzterer, der phasenweise offene Unterricht, ist ohnehin das
Credo erfahrener Lehrkräfte.“249
Zur Annäherung der beiden Lager trägt aber nicht nur bei, dass sich die
Fibelbefürworter in Richtung „Öffnung der Fibel“ bewegen, sondern auch,
dass sich auf der anderen Seite die Anhänger der fibelunabhängigen
Lernkonzepte immer mehr um eine Systematisierung und Strukturierung der
Abläufe und des Materials für die offenen Unterrichtsformen bemühen. Vor
dem Hintergrund dieser Strukturierungstendenzen sind zum Beispiel die
246
Vgl. Ministerium für Schule, Jugend und Kinder NRW 2003, S. 35.
Vgl. dazu auch Thomé 2000b, S. 116.
248
So auch Agi Schründer-Lenzen, die betont, dass gerade bei Kindern mit ungünstigeren
Lernausgangslagen die Anlauttabelle nicht als alleiniges und zentrales Unterrichtsmittel eingesetzt
werden dürfe, wie empirische Forschungsergebnisse zeigen, vgl. Schründer-Lenzen 2007, S. 72 und S.
133ff.
249
Thomé 2000b, S. 118.
247
38
3 Aktuelle Situation in Wissenschaft/Didaktik–Methodenstreit oder Methodenintegration?
vielfältigen Vorschläge aus Brinkmanns und Brügelmanns „Ideenkiste“, durch
die die acht Felder der „Didaktische Landkarte“ Struktur erfahren, zu
verstehen. Im gleichen Zusammenhang stehen auch Vorschläge, neben
Anlauttabellen und damit der Option sich alle Buchstaben nach individuellen
und selbstständigen Reihenfolgen und Zeitpunkten erschließen zu können,
immer
auch
einzelne
Buchstaben
als
„Buchstaben
der
Woche“
herauszuheben.250 Diese Strukturierungstendenzen zeichnen sich auch in
methodisch didaktischen Weiterentwicklungen des Reichenkonzeptes, wie
zum Beispiel der Rechtschreibwerkstatt von Sommer-Stumpenhorst und den
Konfetti-Materialien,
bei
denen
Fibeln
als
unterstützende
Werke
ausgeschlossen werden, ab. Diese sind an einigen Stellen durch zum Teil sehr
kleinschrittiges und
systematisch aufgebautes Material geprägt. Gerade
Sommer-Stumpenhorst bietet zu seiner Methode genaue didaktische
Anweisungen, wie die Lehrperson zum Beispiel den ersten Schultag gestalten
solle.251
Eine Kombination der beiden Ansätze erscheint der Forschung heute sinnvoll.
So können die Vorteile beider Methoden genutzt und die jeweiligen Nachteile
minimiert werden. Der Vorschlag der Fibelautoren geht in diesem Kontext zur
Integration des Spracherfahrungsansatzes in einen Fibellehrgang. Damit
blieben die traditionellen Vorteile der Fibel, ein methodisch abgesicherter
Weg, die Entlastung der Lehrkraft bei der Unterrichtsvorbereitung, die
Übersicht für Eltern, Kinder und Lehrkräfte über das Programm und die
positive Prägung für den Umgang mit dem Medium Buch erhalten. Buck
betont in diesem Zusammenhang, dass jedoch eine bloß additive Zugabe
einzelner Elemente des Spracherfahrungsansatzes noch keine Integration
ausmache. Das einfache Anfügen einer Anlauttabelle und eine knappe
Einführung
auf
ein
paar
Fibelseiten
werden
Spracherfahrungsansatzes demnach nicht gerecht.
252
den
Methoden
des
Er plädiert für den
Einsatz verschiedener Methoden innerhalb des Fibellehrganges. Die von ihm
mitentwickelte Bausteine Fibel
bietet
vor
diesem
Hintergrund
den
250
Vgl. Brinkmann/ Brügelmann 1998, S. 103ff., vgl. auch Kapitel 2.2.1.
Vgl. Sommer-Stumpenhorst/ Hötzel 2001, S. 9ff., vgl. auch das von ihm bereitgestellte Material auf
www. Rechtschreib-werkstatt.de. Eine genaue Beschreibung der Konzepte der Konfetti-Materialien
findet sich unter: www.diesterweg.de/grundschule/deutsch/konfetti_neu/
pdf/9323337_Konzeptionsbeschreibung_Basis.pdf (1.08.08)
252
Vgl. Buck 2002, S. 375.
251
39
3 Aktuelle Situation in Wissenschaft/Didaktik–Methodenstreit oder Methodenintegration?
SchülerInnen
eine
Spracherfahrungsansatzes
Methodenkombination
und
der
aus
Elementen
analytisch-synthetischen
sowie
des
der
integrierten Leselehrmethode an. Sie will möglichst viele verschiedene
Zugänge zur Schriftsprache ermöglichen.253 Geht es nach den Fibelautoren,
sind nicht die Fibeln als solche zu kritisieren, sondern lediglich „mangelhaft
ausgearbeitete und methodisch veraltete Fibeln“ und ein unsachgemäßer
Einsatz der „halboffen“ arbeitenden Fibellehrwerke.254
Doch
diese
Entwicklung
zur
Methodenintegration
innerhalb
der
Forschungsdiskussion hat auch Grenzen. Brügelmann formuliert 2006, dass
man Kinder nicht „abrichten“ müsse, damit sie lesen und schreiben lernen,
sondern dass sie sich die Schrift eigenständig „als Sprache aneignen können,
um selbstständig ihre Gedanken und Erfahrungen anderen mitzuteilen“.255 Er
hält nach wie vor an seiner negativen Bewertung des Lehrgangsunterrichts
fest. Auf der Seite der Fibelbefürworter macht sich aktuell der Fibelautor
Wilfried Metze (Tobi Fibel, LolliPop Fibel, Jo-Jo Fibel) in einem Vortrag vor
dem Dyslexieverband in Zürich am 31. Mai 2008 für den Einsatz von
Fibellehrgängen stark. Er verweist in diesem Zusammenhang auf die
Ergebnisse verschiedener empirischer Studien, die das schlechte Abschneiden
von mit Lesen durch Schreiben unterrichteten SchülerInnen im Vergleich zu
anderen Methoden gerade im Bereich der Rechtschreibleistungen belegen.256
3.2 Die Situation in der empirischen Forschung
Die Frage, ob eher instruktive oder eher entwicklungsorientierte Verfahren des
Schriftspracherwerbs eine höhere Lerneffektivität zeigen, wird in einer Reihe
empirischer Vergleichsstudien untersucht, die sich speziell mit dieser
Problematik auseinandersetzten. Allen diesen Untersuchungen sind dabei drei
verschiedene grundsätzliche Probleme gemeinsam. So treten im Kontext der
253
Vgl. ebd., S. 373, S. 376, vgl. auch Kapitel 3.3.1.
Vgl. u. a. Conrady/ Rademacher 1995, S. 35; Bergk 2002, S. 394f.
255
Brügelmann unter: www.grundschulverband.de/fileadmin/grundschhulverband/Download/aktuell/
Br_gelmann_D_rfen_Kinder...27.00.06_01.pdf. So z. B. aber auch schon 1998: „Kinder sind in der
Eigenverantwortung für ihr Leben und damit auch für ihr Lernen ernst zu nehmen“, Brügelmann/
Brinkmann 1998, S. 61.
256
Vgl. Metze 2008; Eine radikale ablehnende Meinung äußert Metze zu Lesen durch Schreiben und den
von ihm identifizierten Nachfolgern (Rechtschreibwerkstatt von Sommer-Stumpenhorst,
Konfettimaterialien), vgl. dazu auch Metzes Hompage: www.wilfriedmetze.de, auf der er auch einen
Briefwechsel mit Hans Brügelmann wiedergibt, der die festgefahrenen Positionen verdeutlicht, vgl.
darüber hinaus Schründer-Lenzen 2007, S. 148.
254
40
3 Aktuelle Situation in Wissenschaft/Didaktik–Methodenstreit oder Methodenintegration?
Unterrichtsforschungen
zu
offenen
Lehr-
und
Lernformen
immer
Schwierigkeiten mit der Variabilität und mit methodischen Uneindeutigkeiten
auf. Zum einen, da es insgesamt einen starken Trend dahin gibt, dass Lehrer
von sich behaupten „offen“ zu unterrichten, weil dies als pädagogisch
erwünscht gilt. Was sie im Einzelnen damit meinen, bleibt jedoch oft unklar
und
entspricht
häufig
nicht
dem,
was
die
Vertreter
des
Spracherfahrungsansatzes darunter verstehen.257 Schründer-Lenzen betont
zusätzlich, dass man nicht davon ausgehen dürfe, dass sich die in der
theoretischen Auseinandersetzung stattfindende Annäherung der Positionen
auch in der Praxis in ähnlicher Weise vollziehe. Gegen Ende der 1980er Jahre
gaben nach Ergebnissen der Herff-Studie von 1993 noch über 90% der Lehrer
an eine Fibel zu benutzen, diese Zahl ist zwar seitdem kontinuierlich
gesunken, bleibt aber nach wie vor bei mindesten 50%.258 Damit zeigt sich
zugleich die zweite Schwierigkeit im Hinblick auf empirisch vergleichbare
Ergebnisse. Es fehlt eine theoriegeleitete Rahmenkonzeption offener
Unterrichtskonzepte.259 Das dritte Problem stellt die Divergenz der
Testbedingungen dar. Standardisierte Leistungsmessungen verfolgen einerseits
nicht die Ziele offener Lernverfahren und berücksichtigen andererseits nicht,
dass durch diesen Typ der Leistungsmessung ein Instrument verwandt wird,
welches die SchülerInnen der offenen Lernformen benachteiligt, da sie
keinerlei Erfahrungen mit derartigen Leistungssituationen haben.260
Die Herff-Studie von 1993 ist eine Totalerhebung der im Regierungsbezirk
Köln durchgeführten Leselehrmethoden im Schuljahr 1988/89. Sie zielt
zusätzlich auf einen Vergleich der Leselehrerfolge der unterschiedlichen
Methoden. Insbesondere geht es jedoch um die Feststellung einer quantitativen
Veränderung des Einsatzes verschiedener Fibellehrgangsmethoden und damit
nicht
um
den
Vergleich
Unterrichtsorganisationsformen.
1303
zwischen
Klassen
werden
verschiedenen
anhand
einer
257
Vgl. Hanke 1997, S. 234f.; die Tendenz, dass eine „offene“ Unterrichtform bzw. eine Orientierung
weg von einem starren Lehrgangsprinzip als die in der Öffentlichkeit erwünschte Form des Unterrichts
wahrgenommen wird, lässt sich auch durch die Ergebnisse der Fragebogenerhebung dieser
Examensarbeit belegen, vgl. Kapitel 4.4.
258
Vgl. Schründer-Lenzen 2007, S. 152; zur Herff-Studie, vgl. Herff 1993; Hanke 1998, S. 192ff., zur
Hanke-Studie, Hanke 1997, S. 237ff., vgl. auch die Ergebnisse der Fragebogenerhebung dieser Arbeit,
Kapitel 4.4.
259
Innerhalb der Wissenschaft gibt es keinen einheitlichen Konsens zur Definition des „Offenen
Unterrichts“, vgl. Schründer-Lenzen, S. 149f.
260
Vgl. ebd.; Hanke 1998, S. 196.
41
3 Aktuelle Situation in Wissenschaft/Didaktik–Methodenstreit oder Methodenintegration?
LehrerInnenbefragung untersucht. Die Auswertung zeigt, dass 1988/89 die
analytisch-synthetische Methode beim Leselehrprozess am stärksten verbreitet
ist (73,83%), während offene Lernkonzeptionen so gut wie gar nicht
angewendet werden. Lesen durch Schreiben wird in 0,54% der Klassen
eingesetzt, der Spracherfahrungsansatz kommt in anderer Form nicht vor. In
keiner Klasse wird „ganz auf eine Steuerung des Leselernprozesses durch
einen Lehrgang verzichtet und den Schülern konsequent die Freiheit zu
individuellen Lernwegen eingeräumt“.261 Auf der Grundlage dieser Werte
kommt Herff nach der Auswertung der Fragebögen bezüglich der
Leseleistungen der SchülerInnen zu dem Ergebnis, dass sich bei den
unterschiedlichen Methoden nur sehr geringe Differenzen beim Leselernerfolg
ausmachen lassen.262
Die Hanke-Studie ist zweijährig angelegt und untersucht von 1994-96 Kölner
Grundschulanfangsklassen. Es sollen die Rechtschreib- und Leselehrprozesse
bei einem Einsatz verschiedener Methoden des Schriftspracherwerbs
(fibelgebunden, offen, Mischform) erfasst, aber keine Effektivitätsanalyse
durchgeführt werden. Hier erfolgt die Erhebung des Untersuchungsmaterials
sowohl durch Fragebögen an die Lehrpersonen als auch durch speziell
geschulte Beobachter. Im Ergebnis zeigt sich, dass die Lehrenden im
Anfangsunterricht mittlerweile zu einer Mischform von offenen und
geschlossenen Elementen tendieren. Und zwar ganz gleich, ob sie mit einer
eher offenen oder einer geschlossenen Form des Unterrichts beginnen. Nach
den Beobachtungen der Hanke-Studie gibt es keinen durchgehaltenen
Unterrichtsstil: „Lehrende passen ihren Stil an und verändern ihn
entsprechend den
rückläufige
klassenspezifischen Gegebenheiten, wobei
Tendenz
Materialien gibt“
hinsichtlich
des
Einsatzes
es
eine
lehrgangsgebundener
263
In der Poerschke-Studie von 1999 werden fünfzehn Hamburger erste
Grundschulklassen im Hinblick auf die individuelle Entwicklung der
261
Herff 1993, S. 215. Sie kritisiert den Spracherfahrungsansatz darüber hinaus scharf.
Vgl. ebd. Gerade für deutsche SchülerInnen hat der Einsatz von Arbeitsmitteln, die über die üblichen
Fibelmaterialien hinausgehen, keine Verbesserung des Lernerfolges zur Folge; bei nichtdeutschen
SchülerInnen kann dieser sogar den Lernerfolg gefährden.
263
Zum genauen Verfahren und deren Zielen und Ergebnissen, vgl. Hanke 1997, S. 237ff.; vgl. auch
Peschel 2004, S. 65.
262
42
3 Aktuelle Situation in Wissenschaft/Didaktik–Methodenstreit oder Methodenintegration?
Lesefähigkeit im Verlauf der ersten Klasse zwischen eher frontal
durchgeführtem Fibellehrgängen und offenen Unterrichtskonzepten nach der
Reichen
verglichen.264
Methode
Beobachtungsstunden
durch,
um
Poerschke
die
führt
verschiedenen
zunächst
Klassen
zwei
drei
Unterrichtstypen zuzuordnen.265 Die Fibelklassen bieten alle eine gute Qualität
des Unterrichts (fünf Klassen), von den „Reichenklassen“ haben sechs nur
mäßige und zwei sehr gute Unterrichtsqualität. Das Ergebnis zeigt, dass bei
„offenen“ Unterrichtsformen die Wahrscheinlichkeit für sehr unterschiedliche
Realisierungsformen in der Schulpraxis höher ist und damit auch die
Wahrscheinlichkeit
höher
liegt,
dass
sich
sehr
unterschiedliche
Qualitätsstandards feststellen lassen. Bei frontal unterrichteten Klassen gibt es
weniger Unterschiede in der Qualität des Unterrichts. Poerschke sieht dies
durch die klaren Zielvorgaben des Unterrichts begründet, die durch die
Orientierung an den Schulbüchern unterstütz werden. Die Unterrichtsqualität
sei damit besonders beim offenen Unterricht von der jeweils unterrichtenden
Lehrkraft abhängig.266
Die Ergebnisse der Poerschke-Studie lassen darüber hinaus Aussagen zu der
Frage zu, welche Methoden Leselehrerfolge bei leistungsstärkeren und welche
bei leistungsschwächeren SchülerInnen verstärken können.267 Es zeigt sich,
dass SchülerInnen mit schwächeren Lernvoraussetzungen insgesamt eher von
einer strukturierten, direkten Instruktion profitieren. Leistungsstärkere Kinder
hingegen werden besser von einem Unterrichtsmuster gefördert, das eine
Selbstorganisation von Lernprozessen ermöglicht.268 Für SchülerInnen mit
durchschnittlichen kognitiven Fähigkeiten, und diese stellen die größte Gruppe
innerhalb dieser Untersuchung und im Schulalltag insgesamt, macht es keinen
Unterschied
für
den
Lernerfolg,
ob
sie
im
Zusammenhang
mit
Leselernerfolgen eher frontal oder eher offen unterrichtet werden. Diese
Aussagen werden durch Ergebnisse aus der pädagogischen Psychologie und
264
Problematisch erscheint hier, dass Kinder nicht deutscher Muttersprache nicht berücksichtigt werden,
obwohl sie 14,5% der Gesamtstichprobe ausmachen, vgl. Poerschke 1999, S. 50ff.
265
Typ I (Offener Unterricht mit mäßiger Unterrichtsqualität), Typ II (Frontalunterricht mit guter
Unterrichtsqualität), Typ III (Offener Unterricht mit sehr guter Unterrichtsqualität); zwei Klassen fallen
bei diesen Beobachtungen wegen ihres sehr schlechten Abschneidens ganz raus, vgl. ebd.
266
Vgl. ebd., S. 148f.
267
Die Entwicklung der Lesefähigkeit wird in Einzeltestverfahren anhand von Lesebogen und
Lesestichproben vorgenommen.
268
Vgl. Poerschke 1999, S. 133ff.; vgl. Schründer-Lenzen 2007, S.155.
43
3 Aktuelle Situation in Wissenschaft/Didaktik–Methodenstreit oder Methodenintegration?
der Berliner Studie BeLesen, die von 2002-2006 die Rechtschreibleistungen
Ende der 3. Klasse untersuchte, unterstützt.269
Eine weitere Studien, die in diesem Zusammenhang genannt werden muss, ist
die Studie BRDDR von Brügelmann, Lange, Spitta u. a., die 1990 kurz nach
dem Fall der Mauer die Rechtschreibleistungen Hamburger Grundschulkinder
mit denen aus der ehemaligen DDR und aus der Schweiz vergleicht. Sie zielt
ebenfalls auf eine Effizienzaussage der unterschiedlichen Methoden, die in
den drei Untersuchungsgebieten eingesetzt werden, ab. Dabei beinhaltet die
Stichprobe für Deutschland „West“ sehr unterschiedliche und nicht im
Einzelnen kommentierte Unterrichtsansätzen. Es kommen sowohl offene als
auch geschlossene Formen vor, in der Mehrheit aber wohl Mischformen. Bei
der
Stichprobe
aus
dem
östlichen
Deutschland
wird
ein
eher
lehrgangsbezogenes Konzept angenommen. Die Schweizer Stichprobe wird
hauptsächlich nach der Reichenmethode unterrichtet.270 Ein Ergebnis ist unter
anderem, dass in der ersten Klasse die Stichprobe Lesen durch Schreiben
sowohl im Schreiben eins Diktates als auch im freien Schreiben besser
abschneidet, als die Stichprobe „West“. In der orthographischen Schreibung ist
hingegen die Stichprobe „Ost“ den anderen beiden überlegen. Die Studie und
ihre Ergebnisse sind jedoch insgesamt innerhalb der Forschung sehr
umstritten, sowohl was die Repräsentativität der Stichprobe angeht als auch
die Gütekriterien der Untersuchungsinstrumente.271 Ähnlich umstritten
diskutiert wird der BLK-Modellversuch „Elementare Schriftkultur als
Prävention von Lese-/ Rechtschreibschwierigkeiten und Analphabetismus bei
Grundschulkindern“ von 1996. Bei diesem lässt sich im Ganzen jedoch ein
269
Vgl. ebd.; zur pädagogischen Psychologie und deren empirischen Untersuchungen, vgl. Weinert
1996, S. 30f. Zu BeLesen, bei der ausschließlich Klassen aus sozialen Brennpunkten mit einem hohen
Anteil an Migrantenkindern untersucht werden und sich deutlich zeigt, dass ein besonders hoher Anteil
an Differenzierung und Individualisierung für Migrantenkinder negativ, ein lehrgangsorientierter
Schriftspracherwerb sich hingegen positiv auf die Rechtschreibleistung auswirkt, vgl. Merkens/
Schründer-Lenzen 2006, S. 15ff.; vgl. auch Metze 2008, S. 19. Ähnliche Ergebnisse liefern auch der
Hessische Modellversuch von Schulte-Körner und Deimel aus dem Jahren 2002-2004, vgl. ebd., S. 18.
270
Vgl. Brügelmann u. a. 1994, S. 129ff.
271
So hat die Untersuchungsgruppe „Ost“ doppelt so viele Unterrichtstunden im Deutschunterricht
absolviert, wie die anderen beiden Gruppen, vgl. z. B. Hanke 1998, S. 193ff. ; Peschel 2004, S.48ff.;
Schründer-Lenzen 2007, S. 162. Die Ergebnisse sollen aus diesen Gründen hier nicht näher besprochen
werden. Die Vertreter des Spracherfahrungsansatzes leiten aus ihnen in der Folge eine Akzeptanz des
Reichenkonzeptes ab.
44
3 Aktuelle Situation in Wissenschaft/Didaktik–Methodenstreit oder Methodenintegration?
hoher Zusammenhang zwischen der individuellen Unterrichtsqualität der
Lehrperson und den Erfolgen in der Rechtschreibleistung feststellen.272
Die bisher vorliegenden Ergebnisse der empirischen Unterrichtsforschung
machen eine Tendenz deutlich. Ein lernförderlicher Anfangsunterricht ist
scheinbar besonders auf systematische Instruktion angewiesen. Je früher,
strukturierter und intensiver auf den Gegenstand Schriftsprache bezogen
dieses Instruktionsverhalten einsetzt, umso besser fallen die individuellen
Lernergebnisse, insbesondere der leistungsschwachen SchülerInnen aus. Bei
den leistungsstarken SchülerInnen hingegen ist systematische Instruktion nicht
entscheidend für den Lernerfolg; sie zeigen gerade bei Unterrichtsformen, die
eine hohe Selbststrukturierung fordern, die besten Lernergebnisse.273
Insgesamt ist jedoch die empirische Befundlage zu den Methoden des
Schriftspracherwerbs
„keineswegs
zufriedenstellend“.274
So
fehlen
insbesondere Längsschnittstudien, die längerfristige Methodeneffekte sichtbar
machen, und Studien, in denen eine Verknüpfung quantitativer und
qualitativer Forschungsmethoden geleistet wird.
3.3 Methodenrepräsentation in aktuellen Fibellehrgänge
Im
Folgenden
sollen
einige
aktuell
in
der
Schule
eingesetzte
Unterrichtsmaterialien zum Schriftspracherwerb in kurzer Form vorgestellt
werden. Die Auswahl der Werke basiert auf der Grundlage der
Fragebogenerhebung dieser Examensarbeit. Alle vorgestellten Materialien
werden
zurzeit
von
einer
oder
mehreren
Lehrpersonen
im
Schriftspracherwerbsunterricht eingesetzt.275 Ein Fibellehrgang wurde zu
Beginn der Annäherungsphase der wissenschaftlichen Methodendiskussion
272
Deshalb wird dieser hier nur erwähnt, zu der besonderen Problematik, vgl. Hanke 1998, S. 195f. ,
Peschel 2004, S. 60ff.; Schründer-Lenzen 2007, S. 166. Weitere Studien in diesem Zusammenhang, die
sich zumeist mit einzelnen Aspekten der Methodeneffizienz befassen, sind: die PLUS-Studie von May,
Teile der LAU-Untersuchung von Lehmann, der Unterrichtsversuch des Kantons Bern, Teile der IGLUStudien, die Erlanger Untersuchung von Kirschhock, die Hamburger Fallstudie zu Lesen durch
Schreiben von Peschel. Einen guten Überblick über die einzelnen Untersuchungen und deren Ergebnisse
geben: Schründer-Lenzen 2007, Kapitel 7; Peschel 2004, Kapitel 3, Metze 2008, S. 6ff. , mit
ausführlichen Grafiken der einzelnen Studien.
273
Vgl. Schründer-Lenzen 2007, S. 173f.
274
Vgl. ebd.; Hanke 1997, S. 242.
275
Es soll an dieser Stelle keine vollständige Analyse der unterschiedlichen Lehrwerke geleistet werden,
sie sollen lediglich auf die Fragestellung: „Findet eine Methodenintegration der verschiedenen Ansätze
statt – ja oder nein?“ untersucht und die entsprechenden Materialien kurz vorgestellt werden.
45
3 Aktuelle Situation in Wissenschaft/Didaktik–Methodenstreit oder Methodenintegration?
veröffentlicht (Bausteine Fibel von 1999). Der andere Fibellehrgang ist
erstmals im Jahr 2005 erschienen (Duden Fibel).
3.3.1 Fibellehrgang Bausteine276
Der Lehrgang aus dem Jahr 1999 besteht aus einer Fibel mit zwei
verschiedenen Anlauttabellen, einem Schreiblehrgang, einer Sammlung von
Arbeitsblättern und einem Lehrerhandbuch.
Die Fibel beinhaltet eine Ansprache an die Eltern, in der diese auf mögliche
Probleme der zukünftigen SchülerInnen-Elterninteraktion zum Umgang mit
dem Schriftspracherwerb im Allgemeinen und der Benutzung der Fibel im
Besonderen hingewiesen werden (Unterschiede Buchstabennamen und Lauten,
laugetreues Verschriften mit Hilfe der Anlauttabelle, fehlende PhonemGraphem-Korrespondenz). Sie ist in 12 Buchstaben- und ein JahreszeitenKapitel untergliedert, die jeweils inhaltlich in sich abgeschlossene Komplexe
bilden. Die Einleitungsdoppelseiten der Buchstaben-Kapitel sind zur
Bildbetrachtung und zum Vorlesen gedacht. Es gibt Texte, die alle Kinder
selbstständig erlesen sollen und andere, mit besonderer Kennzeichnung, die als
Zusatztexte für stärkere Leser gedacht sind.
Die Fibel
arbeitet
mit
einer Methodenkombination
aus
analytisch-
synthetischen und methodenintegrierenden Leselehrverfahren und Elementen
aus dem Spracherfahrungsansatz. Sie versucht damit jedem Kind einen
individuellen Zugang zur Schriftsprache zu ermöglichen.277
276
Dieser Lehrgang wird von zwei Lehrerinnen der Fragebogenuntersuchung eingesetzt Eine von ihnen
ist an einer Förderschule Sprache tätig, die andere in einer Regelgrundschule (Klasse zwei).
Herausgegeben wurde der Fibellehrgang von Siegfried Buck, erarbeitet von Gisela Buck, Siegfried
Buck, Gabriele Hinze, Siegfried Müller, Luitgard Schell, Helge Weinrebe. Erschienen ist er im
Diesterwegverlag.
277
Vgl. auch die Ausführungen des Fibelautors Buck an anderer Stelle, Buck 2002, S. 376f.
46
3 Aktuelle Situation in Wissenschaft/Didaktik–Methodenstreit oder Methodenintegration?
Abb. 10: Bausteine Fibel 1999, S. 14/15
Die in Abbildung 10 vorgestellte Doppelseite dient der Einführung des
Buchstaben <s>. Bereits eingeführt sind zu diesem Lehrgangszeitpunkt die
Buchstaben <e>, <l> und <a>, jeweils mit dem Klein- und Großbuchstaben.
Hier trifft Ela mit ihrem Elefanten an einem See ihren Freund Lasse mit dem
Esel Stella. Auf der linken Seite finden sich Texte nach der analytischsynthetischen Methode. Die Wörter können alle mit den bisher eingeführten
Buchstaben analytisch-synthetisch gelesen werden. Auf der Mitte der rechten
Seite finden sich Wörter, die mit Hilfe der Anlauttabelle erschlossen werden
können, wobei diese nicht aufgeschlagen werden muss, da die entsprechenden
Anlautbilder als Buchstabenersatz abgebildet sind. Die schon eingeführten
Buchstaben erscheinen als Buchstabenzeichen, wobei im oberen Bereich der
Seite zusätzlich die entsprechenden Anlautbilder mit Buchstabenzuordnungen
platziert sind. In einem Kasten im unteren Drittel der rechten Seite befindet
sich ein entsprechend markierter Text,278 der zusätzlich noch nicht erarbeitete
Buchstaben erhält. Er kann nach der integrierenden Methode, in der auch ein
ganzheitliches Worterschließen erlaubt ist, gelesen werden.
278
Diese Texte sind durch eine Elefantenfigur gekennzeichnet.
47
3 Aktuelle Situation in Wissenschaft/Didaktik–Methodenstreit oder Methodenintegration?
Der Fibellehrgang bietet gleich zwei „Anlauttabellen“. Eine befindet sich
vorne im Fibelumschlag (Abb. 11), eine hinten (Abb.12). Sie sind
unterschiedlich gestaltet, die Anlautbilder an sich sind jedoch identisch. Die
„Tabelle“ vorne stellt eine Szene innerhalb einer Manege dar, hier sind alle
Anlautbilder und
und
zugehörigen
Buchstaben
in
Luftballons „verpackt“,
sie
„fliegen“
in
fast
alphabetischer
Reihenfolge durch die
Manege.279
Abb. 11: Bausteine Fibel 1999, Umschlagseite (innen)vorne
Die Anlauttabelle am Ende der Fibel ist die eigentlich für den
Schriftspracherwerbsunterricht ausschlaggebende (Abb. 12). Sie ist als ein
großes Zirkuszelt gestaltet. Zu einem Anlautbild wird jeweils der
entsprechende Klein- und Großbuchstabe angeboten. Auch bei den Vokalen
wird dabei nur je ein Anlautbild angegeben, um Übersichtlichkeit zu
gewährleisten und eine Reduzierung auf den „Sprachlaut“ zu geben.280 Die
Vokale bilden das Dach des Zeltes, die Konsonanten die Zeltwand. Zusätzlich
finden sich die Grapheme <sch> und <ch> auf einer Tafel neben dem Zelt, das
<ch> dabei als einziges nicht als Anlaut. Die Grapheme <st>, <sp>, <pf>,
<ng> kommen jedoch nicht vor. Damit werden zwar alle Buchstaben des
Alphabets angeboten, im Gegensatz zu der Reichentabelle (Abb. 9), auf
weitere, vielleicht wichtige Grapheme wird jedoch auf Grund der
Übersichtlichkeit verzichtet.
279
Hierbei handelt es sich nicht um eine klassische Anlauttabelle; sie wird in den Lehrermaterialien auch
nicht als solche erwähnt. Trotzdem arbeitet diese Fibelseite mit den Elementen der Anlauttabelle und
könnte von den SchülerInnen auch als eine solche wahrgenommen werden. Vgl. zur Problematik
unterschiedlicher Anlauttabellen z. B. Topsch 2005, S. 69f.; Schründer-Lenzen 2007, S. 67ff.
280
Vgl. hierzu ausführlich, Buck 2002, S. 379f.
48
3 Aktuelle Situation in Wissenschaft/Didaktik–Methodenstreit oder Methodenintegration?
Abb. 12: Bausteine Fibel 1999, Umschlagseite (innen) hinten
Die Arbeit mit den Fibelseiten kann durch eine Anzahl an unterschiedlichen
und individuell durch die Lehrkraft einsetzbaren Arbeitsblättern erweitert
werden. So werden beispielsweise zu jedem Buchstabenzeichen sechs bis acht
Seiten zur Auswahl gestellt. Dabei gibt es Schreib- und Nachspurübungen der
einzelnen Buchstaben, Laut-Buchstaben-Zuordnungsübungen (zum Beispiel
lautet der Arbeitsauftrag auf Seite 1: „Jedes Kind hat zwei Ballons, die mit
dem selben Laut anfangen. Schnüre einzeichnen.“), es gibt Ausmalbilder,
Lauteinkreisungsübungen,
Sprachspiele
und
Anregungen
für
freie
Schreibanlässe.
Der zum Fibellehrgang gehörige „Schreiblehrgang“ wird ab Klasse zwei
eingesetzt. Er soll in die Vereinfachte Ausgangsschrift einführen und bietet
aber zusätzlich noch eine Tabelle mit einem Rechtschreibgrundwortschatz.
3.3.2 Fibellehrgang Duden281
Der Fibellehrgang des Dudenverlages besteht aus einer Fibel, einem
Arbeitsheft mit Druckschriftlehrgang, welcher explizit auf die Fibelseiten
ausgerichtet ist, einem Lehrerhandbuch und einem speziellen Arbeitsheft
„Spitze in Deutsch“, das Diagnoseaufgaben zur Lernstandserhebung bereithält.
281
Dieser Fibellehrgang wird von einer Lehrerin in einer ersten Klasse in der Grundschule eingesetzt.
Herausgeber sind Catrin Brinkmann, Birgit Carstens, Thomas Hanselmann, Elisabeth Hein, Anke
Herold, Kerstin Luther, Inga Matthießen, Hans Peters, Simone Straub. Erschienen ist er im
PATECDudenverlag in Berlin.
49
3 Aktuelle Situation in Wissenschaft/Didaktik–Methodenstreit oder Methodenintegration?
Das Lehrerhandbuch bietet genaue Anweisungen und Hilfestellungen dazu, an
welchen Stellen im Lehrgang man die Lernstanderhebungen durchführen und
wie man sie auswerten kann.282
Die Fibel selbst ist in elf Kapitel, in denen die Buchstaben eingeführt werden
und die jeweils in sich abgeschlossene Themen behandeln, eingeteilt. Den
inhaltlichen Rahmen bilden dabei die Hauptfiguren Lexi, Lola und Toto. Zwei
Lektüre Kapitel bieten weiterführende jahreszeitliche Texte zum Lesen.
Zusätzlich gibt es am Ende des Werkes eine Wörterliste („Gelbe Seiten“).
Auch
diese
Fibel
beinhaltet
eine
Ansprache
an
die
Eltern
der
SchulanfängerInnen, in der das „Fibelteam“ kurze Erklärungen zum Thema
Schriftspracherwerb und der Möglichkeiten der Unterstützung durch die Eltern
gibt.
Der Fibellehrgang arbeitet ähnlich wie Lehrgang
der
Bausteine
Fibel
Methodenkombination
synthetischen
und
Leselehrverfahren
und
aus
dabei,
einer
analytisch-
methodenintegrierenden
Elementen
Spracherfahrungsansatz.
beabsichtigen
mit
Die
die
aus
dem
Fibelautoren
Sicherheit
eines
Lehrgangs mit der Offenheit und Individualität
lernwegsorientierter Konzepte zu verbinden.283 So
bieten sie regelmäßig Möglichkeiten für freie
Schreib- und Erzählanlässe mit Fibelseiten, die
fast ganz ohne Text auskommen (Abb. 13).
Abb. 13: Duden Fibel 2006, S .8
Anregungen für eine weitere Arbeit mit diesen Seiten finden sich im
Arbeitsheft.
In Kapitel eins „Hör mal!“ des Fibellehrgangs sollen die SchülerInnen
zunächst mit dem Anlautprinzip und dem Arbeiten mit der Anlauttabelle
vertraut gemacht werden. Es werden noch keine speziellen Buchstabenzeichen
282
Darüber hinaus bietet der Dudenverlag vielfältige weitere Materialien, die auch für den
Schriftspracherwerbsunterricht genutzt werden können, z. B. Lesepässe, Hörtexte, Fibel-Lieder auf CD.
283
Vgl. Lehrerhandbuch Duden Fibel 2006, S. 12f.
50
3 Aktuelle Situation in Wissenschaft/Didaktik–Methodenstreit oder Methodenintegration?
eingeführt. Das gesamte Kapitel (Seite vier bis zehn) ist mit dem Symbol einer
kleinen Anlauttabelle am oberen äußeren Seitenrand versehen.284
Eine reale Schreibsituation
wird
nachempfunden.
Lola möchte einen
Brief an ihre Oma
schreiben
und
benutzt dafür ihre
Anlauttabelle (Abb.
14).
Abb. 14: Duden Fibel 2006, S. 8/9
Den SchülerInnen wird auf diesem Weg die Anlautmethode anschaulich
erklärt. Sie können sich selber in den Figuren
wiederfinden und werden zum Nachahmen der
Situation angeregt. Der fertige Brief an die Oma
findet sich auf der nächsten Fibelseite (Abb.15).
Er ist sowohl in Buchstabenzeichen als auch in
Anlautbildern formuliert. So wird den SchülerInnen direkt zu Beginn der Fibel über die
Anlautmethode und die Anlauttabelle in den
Fibelumschlagseiten (Abb. 16) die Möglichkeit
gegeben, sich unabhängig vom Lehrgang LautBuchstaben-Beziehungen
eigenständig
zu
erschließen. Dies wird an vielen Stellen des
Abb. 15: Duden Fibel 2006, S. 10
Lehrgangs und zusätzlich durch Übungsmaterialien unterstützt.
284
Diese Symbolsystematik zieht sich durch den ganzen Fibellehrgang und findet sich auch in den
anderen Arbeitsmaterialien wieder.
51
3 Aktuelle Situation in Wissenschaft/Didaktik–Methodenstreit oder Methodenintegration?
Die Duden Fibel bietet dabei zwei unterschiedliche Anlauttabellen an. Diese
sind vom Design her identisch. Die Tabelle im hinteren Umschlag (Abb. 16)
ist lediglich umfangreicher. Sie gibt
auch
die
weniger
verwendeten
Grapheme <c>, <qu>, <v>, <x>, <y>,
<st>, <sp>, <äu>, <ie>, <ng> und
<ß> an, die alle erst im zweiten Teil
der Fibel eingeführt werden und für
die
lautgetreue
Beginn
nicht
des
Verschriftung
zu
Schriftspracherwerbs
benötigt
werden.
Bei
den
Vokalen bietet sie im Unterschied zu
der Anlauttabelle der Bausteine Fibel
zwei verschiedene Anlautbilder, um
möglichst
alle
Phoneme
zu
repräsentieren.285
Abb. 16: Duden Fibel 2006, Anlauttabelle:
hinterer Einband
Das Fibellehrwerk enthält darüber hinaus
zu jedem Kapitel unter der Überschrift
„Gewusst wie…“ eine Seite, in der Leseund Schreibstrategien aufgezeigt werden.
In
den
können
dazugehörigen
diese
vertieft
Arbeitsheften
und
eingeübt
werden.
Abb. 17: Duden Fibel 2006, S. 14
285
Auf eine ausführliche Analyse der Anlauttabelle muss an dieser Stelle verzichtet werden,
Analysekriterien finden sich z. B. bei Thomé 2005, S. 69f.; Schründer-Lenzen 2007, S. 67ff.
52
3 Aktuelle Situation in Wissenschaft/Didaktik–Methodenstreit oder Methodenintegration?
3.4 Zwischenergebnis
Die beiden knapp vorgestellten Fibelwerke demonstrieren eindrücklich, dass
es möglich ist, Fibel und Anlauttabelle (und damit Elemente aus klassischen
Fibellehrgängen und aus lernwegsorientierten Konzepten) zusammen zu
bringen. Hier findet Methodenintegration statt. Eine Fibel muss also nicht den
Einsatz einer Anlauttabelle und darüber hinausgehender didaktischer
Überlegungen des Spracherfahrungsansatzes ausschließen. Im Gegenteil, die
Fibelautoren und auch die allgemeine Schriftspracherwerbsdidaktik haben sich
mittlerweile weitestgehend auf eine Kombination der beiden Ansätze und ihrer
Methoden für den Anfangsunterricht im Lesen- und Schreibenlernen geeinigt.
Die Ergebnisse der empirischen Forschung zum Thema Methodeneffizienz
beim Schriftspracherwerb zeigen, dass es gerade für leistungsschwächere
Kinder, häufig solche aus eher bildungsfernen Familien und/ oder auch
SchülerInnen mit Migrationshintergrund, sinnvoll sein kann, auch weiterhin
Fibellehrgänge beim Schriftspracherwerb einzusetzen. Sie weisen aber auch
darauf hin, dass es letztendlich nicht nur auf die eingesetzte Methode
ankommt, sondern im Besonderen auf die speziellen Fähigkeiten der
LehrerInnen, einen lernförderlichen Unterricht zu gestalten.
53
4 Empirische Untersuchung: LehrerInnenfragebogen zum Schriftspracherwerb________
4
Empirische Untersuchung: LehrerInnenfragebogen zum Schriftspracherwerb
Um
die
aktuelle
Unterrichtssituation
im
schulischen
Alltag
des
Schriftspracherwerbsunterrichts erfassen zu können, habe ich eine empirische
Fragebogenuntersuchung unter LehrerInnen der Primarstufe durchgeführt.
Hierbei stehen drei Hypothesen im Fokus der Untersuchung, die anhand der
Ergebnisse der Fragebogenauswertung überprüft werden sollen.
1. Es gibt heute in der Grundschule im Schriftspracherwerbsunterricht
keinen Methodenstreit mehr. Fibellehrgänge werden häufig durch
fibelunabhängige Lernwege erweitert und umgekehrt. Die beiden
Ansätze lassen sich nach Meinung des Lehrpersonals sinnvoll
miteinander kombinieren.
2. LehrerInnen mit höherem Alter und längerer Tätigkeit im aktiven
Schuldienst arbeiten häufiger mit „älteren“ lehrgangsorientierten
Methoden und seltener mit offenen, lernwegsorientierten Konzepten,
als ihre jüngeren KollegInnen.
3. Zwischen RegelschullehrerInnen und FörderschullehrerInnen gibt es
Unterschiede bei der Methodenwahl. RegelschullehrerInnen setzten
häufiger Fibellehrgänge ein, als FörderschullehrerInnen.
4. 1
Die Fragebogenmethode
„Ein
Fragebogen
ist
eine
mehr
oder
weniger
standardisierte
Zusammenstellung von Fragen, die Personen zur Beantwortung vorgelegt
werden mit dem Ziel, deren Antworten zur Überprüfung der Fragen
zugrundeliegenden
theoretischen
Konzepte
und
Zusammenhänge
zu
verwenden. Somit stellt ein Fragebogen das zentrale Verbindungsstück
zwischen Theorie und Analyse dar.“335
Der Fragebogen als empirisches Untersuchungsinstrument möchte demnach
theoretische Konzepte und Hypothesen über Zusammenhänge von Variablen
335
Porst 1996, S. 738, des Weiteren vgl. auch Porst 2008 für den Rest des Abschnitts S.14ff.
54
4 Empirische Untersuchung: LehrerInnenfragebogen zum Schriftspracherwerb________
überprüfen und damit gleichzeitig die Verbindung zwischen Theorie und
Praxis herstellen. Er stellt keine schlichte empirische Aneinanderreihung,
sondern eine theoretisch begründete und systematisch präsentierte Auswahl
von Fragen dar, mit denen empirische Daten zur Analyse gewonnen werden
können.
Die schriftliche Befragung mit Hilfe eines Fragebogens ist die klassische
Methode der quantitativen Befragung.336 Hierbei bezieht der Befragte anhand
einer Vorlage zu ausformulierten Fragen aus einem bestimmten Themengebiet
schriftlich Stellung. Von einer schriftlichen Befragung spricht man dann, wenn
eine Gruppe von gleichzeitig anwesenden Befragten, in Anwesenheit eines
Interviewers oder einer anderen instruierten Person, den vorgelegten
ausformulierten Fragebogen ausfüllt. Häufig werden solche schriftlichen
Befragungen auch per Post vorgenommen und dann als postalische
Befragungen bezeichnet. In der vorliegenden Untersuchung wurde der
Fragebogen entweder per Post zugesandt, per E-Mail zugeschickt oder aber
persönlich übergeben und auch auf diesen Wegen wieder zurückgesendet.
Im Unterschied zur Forschungsmethode des Interviews stehen sich gerade bei
der schriftlichen Fragebogenmethode Interviewer und Befragter nicht direkt
gegenüber. Der Fragebogen wird anonym ausgefüllt und zurückgegeben. Der
Fragende kann den Befragten dabei nicht bewusst oder unbewusst hinsichtlich
der Antworten manipulieren. Der Befragte kann jedoch auch kein Rückfragen
zum Verständnis stellen, was aber gerade bei vielleicht unbekannten
Ausdrücken oder Definitionen zu Unsicherheiten bei den Befragten und damit
zu Schwierigkeiten bei der Auswertung der Ergebnisse führen kann. Ein
Vorteil dieser Methode ist hingegen, dass der Befragte nicht sofort auf eine
Frage reagieren muss und so die Möglichkeit hat, diese gegebenenfalls
mehrere Male durchzulesen und unter Umständen auch andere Personen zu
Rate zu ziehen.337
336
Zu den Unterschieden zwischen quantitativen und qualitativen Forschungsmethoden und deren
zunehmende Kombination, vgl. z. B. Mayer, S. 25ff.
337
Wellenreuther 2000, S. 310f.
55
4 Empirische Untersuchung: LehrerInnenfragebogen zum Schriftspracherwerb________
4.2
Die Stichprobe
Der Fragebogen zum Schriftspracherwerb wurde an insgesamt über 100 im
Primarbereich arbeitende LehrerInnen338 entweder postalisch verschickt, per
E-Mail zugesandt oder aber persönlich ausgehändigt. Die befragten Personen
wurden zufällig ausgewählt, einzige Vorraussetzung war, dass sie im
Schriftspracherwerbsunterricht
tätig
sein
mussten.
Die
ausgefüllten
Fragebogen konnten anonym, entweder per Post oder per E-Mail,339
zurückgesandt werden.
Es wurden sowohl GrundschullehrerInnen als auch FörderschullehrerInnen in
die Untersuchung mit einbezogen, da diese im Fach Deutsch an den
Universitäten dieselbe Ausbildung durchlaufen und erst mit dem Referendariat
die Differenzierungen der Schulformen beginnt. Ein Vergleich ist aus diesem
Grund und wegen der unterschiedlichen unterrichtlichen Voraussetzungen
(unterschiedliche
Klassengrößen,
unterschiedliche
Schülerzusammen-
setzungen usw.) interessant. Eine der zu untersuchenden Ausgangshypothesen
lautet deshalb, dass es Unterschiede bei der Methodenwahl zwischen
RegelschullehrerInnen
Präferenz
der
und
FörderschullehrerInnen
RegelschullehrerInnen
für
hinsichtlich
Fibellehrgänge
und
einer
der
FörderschullehrerInnen für fibelunabhängige Lernkonzepte gibt.
4.3 Die Fragen
Der LehrerInnenfragebogen zum Schriftspracherwerb (siehe Anlage) besteht
aus elf verschieden Fragen. Sechs der Fragen sind geschlossen, drei halboffen
und zwei offen. Drei Fragen sind Entscheidungsfragen.340 Zunächst sollen die
Befragten die elf Fragen zum Themenkomplex des Schriftspracherwerbs
beantworten im Anschluss daran einen Abschnitt mit persönlichen Angaben
bearbeiten.
338
Eine genaue Zahl, wie vielen LehrerInnen der Fragebogen zum Ausfüllen vorgelegen hat, kann ich
leider nicht nennen. 100 Fragebögen wurden von mir persönlich verschickt und verteilt, diese enthielten
jedoch zusätzlich die Aufforderung, den Bogen an andere interessierte KollegInnen weiterzureichen.
339
Damit die Anonymität der Absender auch bei E-Mailsendungen gewahrt blieb, wurden die E-Mails an
einer speziellen Adresse gesammelt, von einer zweiten Person anonymisiert und erst danach an mich
weitergeleitet.
340
Von diesen sind zwei geschlossen und eine halboffen, zu den Arten von Fragen vgl. z. B. Porst 2008,
S. 51ff.
56
4 Empirische Untersuchung: LehrerInnenfragebogen zum Schriftspracherwerb________
Die Fragen lassen sich in vier Themenkomplexe einteilen: eingesetzte
Schriftspracherwerbsmethoden, Informationen zu den unterrichteten Klassen,
Meinungsbilder
zur
lernwegsorientierten
Kombinationsmöglichkeiten
Konzepten
beim
von
Fibeln
Schriftspracherwerb,
und
persönliche
Angaben.
Der Themenbereich ‚eingesetzte Methoden’ umfasst die meisten Fragen (1, 5,
6, 7, 9, 10). In Frage eins werden die Konzepte erfragt, welche die Probanden
in Bezug auf den Schriftspracherwerb im Studium, im Referendariat und
danach kennengelernt haben. Sie zielt darauf ab zu erfahren, welche Konzepte
zum Schriftspracherwerb den Befragten bekannt sind. Darüber hinaus ist es
interessant zu ermitteln, zu welchem Zeitpunkt in der Ausbildung und im
Berufsleben die einzelnen Methoden erarbeitet wurden. In Frage fünf soll
angegeben werden, welche Methoden die befragten LehrerInnen zurzeit im
Schriftspracherwerbsunterricht anwenden. Sie ist halboffen gestellt und
möchte zusätzlich den Zeitpunkt ermitteln, seit wann die genannten Methoden
eingesetzt werden und welche Werke genau (Fibelnamen usw.) verwendet
werden.341 Die sechste Frage, eine offene Frage, möchte die individuelle
Motivation für den Einsatz der verwendeten Methoden ermitteln, Frage sieben,
die möglichen Methodenwechsel und deren Richtung innerhalb der
Laufbahnen der LehrerInnen. In der Frage neun geht es um freie
Schreibanlässe und die Fragen, ab welcher Klassenstufe diese eingesetzt
werden und welchen zeitlichen Rahmen im Unterricht sie dann einnehmen.
Frage zehn bezieht sich analog auf das Stellen von Diktaten beim
Schriftspracherwerbsprozess.
Der zweite Themenkreis befasst sich mit Fragen zu den jeweils zurzeit
unterrichteten Klassen. So soll zunächst die Klassenstufe angegeben werden
(Frage zwei). Beabsichtigt ist hier festzustellen, an welcher Stelle im
Schriftspracherwerbsprozess
sich
die
SchülerInnen
der
betreffenden
Lehrerinnen gerade befinden und wie aktuell das Thema Schreiben- und
Lesenlernen im Anfangsunterricht für die Lehrkräfte augenblicklich also ist.
Außerdem
interessiert
die
Klassenstärke
(Frage
drei)
und
die
341
Die genannten Lehrmethoden finden sich zum großen Teil in Kapitel zwei und drei wieder, wo sie
näher beschrieben und auf methodenintegrierende Elemente hin untersucht werden.
57
4 Empirische Untersuchung: LehrerInnenfragebogen zum Schriftspracherwerb________
Zusammensetzung der Schülerschaft (Frage vier), vor dem Hintergrund, dass
unterschiedliche
Klassenstärken
möglicherweise
unterschiedliche
Lehrmethoden beim Schriftspracherwerb erfordern bzw. ein Zusammenhang
besteht zwischen der sprachlichen Herkunft der Kinder und der gewählten
Methode der Lehrerinnen.
Im dritten Themenkomplex sollen die Probanden anhand einer numerischen
Skala342 Meinungen zur Kombinationsmöglichkeit verschiedener Methoden
abgeben. Es wird die Zustimmung abgefragt zur sinnvollen Kombination von
Fibel und Anlauttabelle sowie der Kombination von Fibel und freien
Schreibanlässen (Frage acht).343 Die Frage dient der Überprüfung, ob nach
Meinung des Lehrpersonals heute eine Fibel bzw. eine Anlauttabelle344
grundsätzlich noch als alleinige Methode angewandt werden kann. Diesem
Themenbereich gehört zusätzlich Frage elf, eine offene Frage, an. Mit dieser
soll in einem Schlussstatement ermittelt werden, wie man nach Meinung der
befragten LehrerInnen insgesamt am besten Lesen und Schreiben erlernt.
Die Fragen nach den persönlichen Angaben befinden sich, um einen
dramaturgisch angemessenen Ablauf zu erhalten, am Schluss des Fragebogens
in einem dafür optisch besonders hervorgehobenem Feld.345 Hier sollen
Angaben
gemacht
Fächerkombination;
werden
Zeitdauer
zu:
im
Alter;
aktiven
Geschlecht;
Schuldienst;
Schulform;
Anzahl
der
Anfangsklassen; Studienort, –zeit, und –Fächer; Schule und Zeitpunkt des
Referendariats.
342
Zu den Vor- und Nachteilen von verbalisierten bzw. numerischen oder auch endpunktbenannten
Skalen vgl. z. B. Porst 2008, S. 77f.
343
Drei der zwei Meinungsbilder sind hier in negativer Formulierung abgegeben, sie müssen dann
entsprechend in umgekehrter Rangfolge ausgewertet werden.
344
Wobei hier unter Anlauttabelle darüber hinaus das Gesamtkonzept fibelunabhängiger Lernkonzepte
angesprochen wird.
345
Zur Dramaturgie in der Fragebogenerstellung, vgl. z. B., Porst 2008, S. 142f.
58
4 Empirische Untersuchung: LehrerInnenfragebogen zum Schriftspracherwerb________
4.4 Auswertung und Diskussion der Ergebnisse
Der
Fragebogen
wurde
von
insgesamt
20
LehrerInnen
ausgefüllt
zurückgeschickt. Davon sind 19 Personen weiblich und eine männlich,346 was
keine
Auswertung
und
Interpretation
nach
einer
geschlechtlichen
Kategorisierung zulässt, aber im Wesentlichen die augenblickliche personelle
Situation in den Grundschulen widerspiegelt. Nach Angaben des Statistischen
Bundesamtes sind im Schuljahr 2006/2007 nur 13% der Lehrkräfte an
Grundschulen im gesamten Bundesgebiet Männer. In Nordrhein Westfalen
liegt die Rate der männlichen Grundschullehrer mit etwas über 10% sogar
noch
darunter.347
Vier
der
befragten
Lehrerinnen
unterrichten
im
Primarbereich von Förderschulen (aus den Bereichen: Lernen, Geistige und
Emotionale
Entwicklung,
Sprache
und
Hören)
und
16
an
Regelgrundschulen.348 Zwei der Grundschullehrerinnen befinden sich zurzeit
noch im Referendariat.349
4.4.1 Hypothese 1
Von
den
20
befragten
Personen
setzen
zehn
Fibeln
im
Schriftspracherwerbsunterricht ein. Die genannten Fibellehrgänge sind:
Bausteine (dreimal), Leseschule (zweimal), Löwenzahn und Pusteblume
(zweimal), Duden (einmal).350 Alle 20 Lehrerinnen verwenden Anlauttabellen.
Diejenigen, die einen Fibellehrgang einsetzen, arbeiten bis auf einen Fall alle
mit den zugehörigen Anlauttabellen, ansonsten werden genannt: SommerStumpenhorst-Anlauttabelle
(fünfmal),
Konfetti-Anlauttabelle
(dreimal),
Tinto-Anlauttabelle (einmal).351 Von den Benutzerinnen der Fibellehrwerke
setzen
60%
zusätzlich
zu
diesen
noch
Elemente
aus
dem
Spracherfahrungsansatz oder aus Lesen durch Schreiben ein.
346
Im Folgenden werde ich die befragten Lehrkräfte aus diesem Grund mit der weiblichen Form der
Lehrkraft als „Lehrerinnen“ benennen und möchte damit den männlichen Lehrer einschließen.
347
In NRW waren von 43.984 Lehrkräften im Schuljahr 2006/2007 4.571 männlich, vgl. WDR
Internetredaktion Oktober 2007. Mit einer Zunahme ist in den nächsten Jahren nicht zu rechen, denn
auch die Studienzahlen männlicher Studierender im Fach Grundschul- und Primarpädagogik nehmen in
den letzten Jahren kontinuierlich ab, vgl. dazu z. B. Rohrmann 2007, S. 6.
348
Unter den Grundschullehrerinnen ist eine ausgebildete Sonderpädagogin, die an einer
Regelgrundschule unterrichtet, sie wird im Folgenden als Grundschullehrerin in der Analyse geführt.
349
Beide befinden sich im zweiten Jahr ihres Referendariats.
350
Zwei Lehrerinnen machen keine Angaben über den Namen des verwendeten Werkes.
351
Fünf Lehrerinnen nennen den Namen der verwendeten Anlauttabelle nicht.
59
4 Empirische Untersuchung: LehrerInnenfragebogen zum Schriftspracherwerb________
Zurzeit verwendete Methoden im
Schriftspracherwerbsunterricht (Mehrfachnennungen möglich)
120%
Prozente
100%
80%
60%
40%
20%
0%
Reihe1
Fibel
Anlauttabelle
50%
100%
Spracherfahr- Lesen durch
ungsansatz
Schreiben
25%
25%
Sonstiges
SommerStumpenhorst
20%
25%
Abb. 18: Zurzeit verwendete Schriftspracherwerbsmethoden
Von
den
50%
der
Stichprobe,
Schriftspracherwerbsunterricht
einsetzen,
die
keine
verwenden
Fibel
im
50%
die
Rechtschreibwerkstatt von Norbert Sommer-Stumpenhorst, 20% geben an mit
dem Spracherfahrungsansatz zu arbeiten und 30% setzen „sonstige“
Materialien
ein
(Konfetti-Materialien,
individuell
erstellte
Freiarbeitsmaterialien usw.).
Alle befragten Lehrerinnen verwenden darüber hinaus einen Großteil ihres
Schriftsprachunterrichts
bereits
in
den
Anfangsklassen
für
freie
Schreibanlässe. Im Durchschnitt machen diese 36,35% der Unterrichtszeit aus.
Wenn eine Fibel eingesetzt wird, beträgt die Unterrichtszeit für freie
Schreibanlässe dabei im Durchschnitt 33,5%, wird keine Fibel eingesetzt
39,2%.352 In der Gruppe der Lehrerinnen, die mit Fibeln arbeiten, lassen alle
zehn regelmäßig Diktate beim Schriftspracherwerb schreiben, 70% davon ab
der ersten Klasse (durchschnittlich 1,7 mal im Monat), 30% ab der zweiten
Klasse (durchschnittlich zweimal im Monat). In der Gruppe der Lehrerinnen,
die ohne Fibel arbeiten setzen 20% Diktate im Schriftspracherwerbsunterricht
ein, diese dann ab der zweiten Klasse (durchschnittlich 1,5 mal im Monat).
Die anderen 80% lassen entweder gar keine Diktate schreiben, oder spezielle
Diagnosediktate.353
352
Insgesamt ist hierbei jedoch die Bewertung der Angabe der Unterrichtszeiten, die für freie
Schreibanlässe angegeben werden, schwierig, denn die Antworten unterliegen der subjektiven
Einschätzung der befragten Lehrpersonen.
353
Dies sind gerade die Lehrerinnen, die angeben mit der Rechtschreibwerkstatt von SommerStumpenhorst zu arbeiten.
60
4 Empirische Untersuchung: LehrerInnenfragebogen zum Schriftspracherwerb________
Auf die Frage, ob sich Fibel und Anlauttabelle sinnvoll in Kombination
miteinander einsetzen lassen, und ob sich Fibellehrgänge darüber hinaus gut
mit freien Schreibanlässen und Elementen der lernwegsorientierten Konzepte
verbinden lassen, antwortet die Gesamtstichprobe mit einer relativ hohen
Zustimmung. Der Wert der Lehrerinnen, die Fibel und Anlauttabelle
einsetzten, ist dabei jedoch deutlich höher ausgeprägt. Bei den Lehrerinnen,
die keine Fibellehrgänge einsetzen, gibt es dagegen nur eine sehr geringe
positive Zustimmung. Wobei innerhalb dieser Gruppe unter den Lehrerinnen,
die mit den Sommer-Stumpenhorst-Materialien arbeiten, eine sinnvolle
Kombination der beiden Ansätze negativ und nicht positiv bewertet wird. Die
anderen 50% dieser Gruppe, stimmen der Kombinierbarkeit zu, jedoch mit
einem geringeren Wert als dies die Gesamtstichprobe tut.
Lassen sich die beiden Ansätze (Fibel - Anlauttabelle) sinnvoll
miteinander kombinieren?
6
Zustimmung
5
4
3
2
1
0
-1
Gesamt
Fibellehrgang
keine Fibel
Keine
Fibel/nicht
SommerStumpenhorst
-2
SommerStumpenhorst
Abb. 19: Meinungsbild zur Kombinierbarkeit der Methoden
Diese Ergebnisse zeigen deutlich, dass sich für die Lehrerinnen in der
Primarstufe
die
Frage
Schriftspracherwerbsunterricht
„Fibel
so
und/
nicht
oder
mehr
Anlauttabelle“
stellt.
Alle
im
befragten
Lehrerinnen, die eine Fibel verwenden arbeiten zusätzlich auch mit einer
Anlauttabelle. Die meisten verwenden dabei die in den Fibellehrgängen
integrierten Tabellen. Aus Sicht der wissenschaftlichen Forschung ist von
einem Einsatz unterschiedlichen Anlautmaterials dringend abzuraten, da die
möglicherweise
unterschiedlichen
Anlautbilder
gerade
bei
61
4 Empirische Untersuchung: LehrerInnenfragebogen zum Schriftspracherwerb________
leistungsschwächern SchülerInnen zu Unsicherheiten führen und für
Verwirrungen sorgen könnten.354
Der Umgang mit einem Fibellehrgang ist darüber hinaus für 60% der
Lehrerinnen, die ihn einsetzten, kein Hindernis, zusätzlich noch Elemente aus
dem Spracherfahrungsansatz und aus Lesen durch Schreiben in ihren
Schriftspracherwerbsunterricht zu integrieren.355 Man muss sogar davon
ausgehen, dass mehr als diese 60% solche Elemente in ihren Unterricht
einbauen, denn der Anteil der Unterrichtszeit für freie Schreibanlässe liegt bei
den 40%, die angeben, neben dem Fibellehrgang keine weiteren Materialien
einzusetzen, mit 28,1% höher, als dass er nur durch die Arbeit mit dem
Fibellehrgangsmaterial zu erklären ist.356 Insgesamt liegt der Anteil der
Unterrichtszeit in den ersten Klassen, der für freie Schreibanlässe genutzt
wird, bei den Fibelnutzerinnen mit 33,5% nur 2,85% unter dem der
Gesamtstichprobe und damit sehr hoch.
Ein interessantes Ergebnis ist, dass sich die Antworten der Nutzerinnen von
Fibellehrgängen bei der Frage nach dem Einsatz von Diktaten im
Schriftspracherwerbsunterricht stark von denen unterscheiden, die keine
Fibeln einsetzen. Alle Fibelnutzerinnen lassen Diktate schreiben. Der Anteil
der Gruppe der Nichtnutzerinnen von Fibeln liegt nur bei 20%. Dies spiegelt
deutlich die inhaltliche Konzeption der fibelunabhängigen Lernwegsansätze
wieder, insbesondere die Aufgabe des Fehlervermeidungsprinzips und den
Gedanken des eigenständigen Durchlaufens von Schriftspracherwerbsstufen
bzw. –phasen durch die SchülerInnen. Lauttreue Verschriftung steht zunächst
im Mittelpunkt des Schriftspracherwerbsprozesses; Diktate werden gerade bei
der von Sommer-Stumpenhorst entwickelten Methode, die in unserer
Stichprobe mit insgesamt 25% (bzw. 50% der ohne Fibellehrgang arbeitenden
Lehrerinnen) besonders hoch liegt, nur zur Diagnose des individuellen
Lernstandes der einzelnen SchülerInnen eingesetzt.
354
Vgl. z. B. Topsch 2005, S. 69f.; Schründer-Lenzen 2007, S. 67ff.
Unter Lesen durch Schreiben können die Lehrkräfte hier nicht ausschließlich die Reichenmethode
verstehen (so wie auf dem Fragebogen angegeben), denn diese schließt eine zusätzlich Arbeit mit einem
Fibellehrgang kategorisch aus, vgl. Kapitel 2.2.
356
Ich beziehe mich hierbei auf die Analyse der beiden Fibellehrgänge Bausteine und Duden (vgl.
Kapitel 3.4), eine systematische Untersuchung moderner Fibelwerke in diesem Kontext existiert bisher
noch nicht.
355
62
4 Empirische Untersuchung: LehrerInnenfragebogen zum Schriftspracherwerb________
Die Antworten auf die Frage nach der Motivation zur Auswahl der
angegebenen
Schriftspracherwerbsmethoden
bieten
vielfältige
Interpretationsansätze.357 Zum einen lässt sich deutlich erkennen, dass sowohl
bei den Lehrkräften, die mit einer Fibel arbeiten als auch bei denen, die keine
Fibel einsetzten, einstimmig Stichworte fallen wie „individuelle Lernwege“,
„individuelle Förderung“, „Differenzierung im Unterricht“. Der Einsatz von
Fibellehrgängen und individuelle Zugänge zum Schriftspracherwerb müssen
sich also nach Meinung der Lehrerinnen nicht ausschließen. Dieses Ergebnis
stützt
die
Aussagen
der
aktuellen
wissenschaftlichen
Schriftspracherwerbsdidaktik. Auf der einen Seite versuchen moderne
Fibellehrgänge möglichst vielfältige Zugänge zur Schriftsprache und damit
Raum für Individualisierung und Differenzierung zu bieten, so dass sie heute
in der Forschung häufig als „halboffene“ Konzepte bezeichnet werden.358 Auf
der anderen Seite schließen mittlerweile weder die ehemaligen Fibelgegner
noch die Fibelbefürworter die Kombination von Fibellehrgängen mit
Angeboten aus den lernwegsorientierten Konzepten aus. Hinzu kommt, dass
gerade die vermeintlich „offenen“ Lernangebote heute häufig sehr starken
Lehrgangscharakter
haben.
Dies
trifft
zum
Beispiel
auf
die
Rechtschreibwerkstatt Sommer-Stumpenhorsts zu, die in unserer Stichprobe
besonders häufig als alleinige Methode im Schriftspracherwerbsunterricht
vertreten ist.359
Vier der Lehrerinnen, die ihren SchülerInnen sowohl einen Fibellehrgang als
auch zusätzlich individuelle Lernangebote aus dem Spracherfahrungsansatz
zur Verfügung stellen, betonen, dass sie auf der einen Seite die Strukturierung
des Unterrichts durch die Fibel schätzen, auf der anderen Seite aber auch die
frühen Schreib- und Leseerfolge bei der Arbeit mit der Anlauttabelle und dem
Spracherfahrungsansatz. „Frühe“ oder „schnelle“ Schreib- und Leserfolge und
das „selbstständige Erarbeiten“ von Buchstaben und Lauten wird gerade von
den zehn Lehrerinnen, die keine Fibel verwenden häufig (zu 62,5%) als ein
Kriterium für die Auswahl ihrer Methode genannt. Die Lehrkräfte, die mit der
Sommer-Stumpenhorst Methode arbeiten, weisen darüber hinaus auf die guten
357
Sie können jedoch an dieser Stelle nicht alle angegeben und diskutiert werden, da sie aus einer
offenen Frage hervorgegangen sind.
358
Vgl. z. B. Bergk 2002, S. 396.
359
Vgl. Sommer-Stumpenhorst/ Hötzel 1991, S. 9f.
63
4 Empirische Untersuchung: LehrerInnenfragebogen zum Schriftspracherwerb________
Möglichkeiten der Diagnose des Leistungsstandes der einzelnen SchülerInnen
und die Vermittlung von Methodenkompetenzen hin.360
Diese Ergebnisse werden bestätigt von den Antworten auf die Frage: „Lesen
und Schreiben lernt man am besten …….?“. Fast die Hälfte aller Antworten
(42,86%) ist „durch Lesen und Schreiben“ bzw. „indem man es selber tut“. Sie
finden sich zu gleichen Teilen, sowohl bei den Nutzerinnen von
Fibellehrgängen als auch bei den Lehrerinnen, die ohne eine Fibel arbeiten.
Wobei eine Lehrerin, die mit der Sommer-Stumpenhorst-Methode arbeitet und
eine Lehrerin, die einen Fibellehrgang und zusätzlich Lesen durch Schreiben
nutzt, betonen, dass lernschwächere SchülerInnen zusätzlich zur freien
Methodenwahl strukturierte Elemente benötigen, um nicht überfordert zu
werden: „Es kommt aber auf das Kind an. Schwache Kinder brauchen ein
Gerüst, an dem die sich orientieren können.“ Auch dieses Problem ist, wie in
Kapitel drei beschrieben, sowohl von der empirischen Forschung zum
Schriftspracherwerb als auch durch allgemeine Leistungseffizienzstudien aus
der pädagogischen Psychologie bestätigt worden.361
Ein weiteres Ergebnis der Analyse der Gesamtstichprobe ist, dass alle
befragten Lehrerinnen angeben, sowohl Fibeln als auch Anlauttabellen zu
kennen. Die Konzepte des Spracherfahrungsansatzes und die Reichenmethode
haben jedoch, nach eigenen Angaben, 40% bzw. 15% bisher nicht kennen
gelernt. Wobei davon auszugehen ist, dass diese Prozentzahlen zu hoch
ausfallen, denn einige der Lehrerinnen geben im weiteren Verlauf der
Befragung an, zwischen den zuvor als nicht bekannt markierten Methoden
gewechselt zu haben. Das Problem ist hier möglicherweise ein definitorisches.
So kann es sein, dass die Lehrerinnen mit einzelnen Elementen der
lernwegsorientierten Konzepte arbeiten ohne dass ihnen der Oberbegriff des
Spracherfahrungsansatzes genau bekannt ist.
Trotz dieser Analyseergebnisse kann Hypothese eins, dass sich der
Methodenstreit zwischen Anhängern der Fibellehrgänge und solchen der
360
Ein wichtiger Bestandteil der Arbeit mit der Rechtschreibwerkstatt von Sommer-Stumpenhorst ist die
frühe Einführung der SchülerInnen in Methoden, mit denen sie sich die Schriftsprache möglichst
selbstständig erschließen können, vgl. Sommerst-Stumpenhorst/ Hötzel 2001, S. 31ff., S. 39f., S, 69ff.,
S. 87ff.
361
Vgl. Weinert 1996, S. 30f
64
4 Empirische Untersuchung: LehrerInnenfragebogen zum Schriftspracherwerb________
lernwegsorientierten Konzepte zum Schriftspracherwerb zu Gunsten einer
Entscheidung für eine Methodenkombination bzw. –integration aufgelöst hat,
nicht vollkommen bestätigt werden. Gerade unter den Lehrerinnen, die die
Rechtschreibwerkstatt
von
Sommer-Stumpenhorst
und
damit
ein
lernwegorientiertes, individuell ausgerichtetes Konzept im Anfangsunterricht
zum Schriftspracherwerb einsetzten, herrscht insgesamt die Tendenz vor, dass
sich die beiden Ansätze nicht sinnvoll miteinander kombinieren lassen (Abb.
19). Damit muss auch die Frage nach „Fibel und/ oder Anlauttabelle“ für diese
25% der insgesamt befragten Lehrpersonen mit „oder“ und nicht mit „und“
beantwortet werden. Bei 50% der Stichprobe fällt die Antwort hingegen mit
einem klaren „und“ aus, da diese aktuell sowohl eine Fibel als auch eine
Anlauttabelle im Sprachunterricht einsetzen. So auch das Abschlussstatement
einer Fibelnutzerin: „Lesen und Schreiben lern man am besten durch:
Anlauttabelle, Fibel, freies Schreiben“
4.4.2 Hypothese 2
Die 20 Lehrerinnen lassen sich in drei Kategorien bezüglich ihrer absolvierten
Jahre im Schuldienst unterteilen. Die Unterteilung nach Berufsjahren erscheint
bei der Überprüfung von Hypothese zwei hier sinnvoller als eine Einteilung
nach Lebensalter. Die erste und zahlenmäßig größte Gruppe bildet dabei die
der Lehrerinnen mit eineinhalb bis neun Jahren
Berufserfahrung. Hierin befinden sich 12 Personen.
bis 20 Jahren Berufserfahrung dar; in dieser
befinden sind vier Personen. Gruppe drei besteht
aus den Lehrerinnen, die über 20 Jahre im
Schuldienst vorweisen können; hier sind ebenfalls
vier Personen einzuordnen.362
Anzahl der Lehrerinnen
Die zweite Gruppe stellt die Lehrpersonen mit zehn
Jahre im Schuldienst
14
12
10
8
6
4
2
0
1 1/2 bis 9
10 bis 20
über 20
Jahre
Abb. 20: Jahre im Schuldienst
362
Es wäre auch eine Unterteilung nach der Anzahl der Anfangsklassen möglich gewesen. In Gruppe
eins wären die Lehrerinnen mit einer oder zwei Anfangsklassen einzuordnen (ebenfalls 12), in Gruppe
zwei diejenigen mit drei Anfangsklassen (fünf an Stelle von vier) und in Gruppe drei die Lehrpersonen
mit mehr als drei Anfangsklassen (drei anstelle von vier). Es würde sich demnach eine Verschiebung der
Gruppen zwei und drei ergeben. Die Unterteilung nach Berufsjahren erscheint jedoch sinnvoller, da
gerade die ersten Berufsjahre durch einen häufigen Schulwechsel und damit keinem komplettem Turnus
von vier Jahren Klassenbegleitung geprägt sind.
65
4 Empirische Untersuchung: LehrerInnenfragebogen zum Schriftspracherwerb________
Diese drei Gruppen bilden die Grundlage für die Überprüfung von Hypothese
zwei, dass länger im Lehrberuf tätige Lehrerinnen eher „ältere“ Methoden
beim Schriftspracherwerb einsetzten, als ihre jüngeren KollegInnen (Abb.
20).363
In der Gruppe, hohes Berufsalter, findet sich nur eine Fibelnutzerin
(Bausteine), alle anderen Lehrerinnen verwenden die Materialien SommerStumpenhorsts im Schriftspracherwerbsunterricht. In der Gruppe mit
mittlerem Berufsalter benutzen zwei Lehrerinnen Fibellehrgänge (Leseschule,
ohne
Angabe)
und
zwei
lernwegsorientierte
Konzepte
(Sommer-
Stumpenhorst, Lesen durch Schreiben). Eine der Fibelnutzerinnen gibt an,
zusätzlich das Konzept Lesen durch Schreiben einzusetzen. Bei den
Lehrerinnen
mit
niedrigem
Berufsalter
arbeiten
58,3%
mit
einem
Fibellehrgang (Duden, Bausteine, Leseschule, Löwenzahn und Pusteblume),
von diesen jedoch 71,4% zusätzlich noch mit weiteren Methoden. 41,7%
verwenden
keine
Fibel
(Sommer-Stumpenhorst,
Konfetti,
Spracherfahrungsansatz, sonstiges).
Prozente
Mit welcher Methode/ welchen Methoden
arbeiten Sie zurzeit im
Schriftspracherwerbsunterricht?
80
70
60
50
40
30
20
10
0
niedriges Berufsalter
mittleres Berufsalter
hohes Berufsalter
Fibel
keine Fibel
Abb. 21: Berufsalter und Methodennutzung im Schriftspracherwerbsunterricht
363
Die unterschiedlichen Gruppenstärken machen die Vergleichbarkeit der Gruppen problematisch. In
einer größer angelegten Studie wird es daher für die Zukunft nötig sein, die Untersuchungsergebnisse
anhand einer größeren Gesamtstichprobe, die nach zahlenmäßig gleichwertigen Teilgruppen
untergliedert werden kann, zu überprüfen.
66
4 Empirische Untersuchung: LehrerInnenfragebogen zum Schriftspracherwerb________
Bei den Möglichkeiten für freie Schreibanlässe zeichnet sich eine ähnliche
Tendenz ab. In der Gruppe hohes Berufsalter geben die Lehrerinnen an, im
Durchschnitt 53,75% der Unterrichtszeit im Schriftspracherwerb für diese zu
verwenden. Die Gruppe mittleres Berufsalter nutzt durchschnittlich 31,25%
der Unterrichtszeit für freie Schreibanlässe und die Gruppe jüngeres
Berufsalter im Durchschnitt 31,59%.364
Hypothese zwei lässt sich mit diesen Ergebnissen nicht bestätigen. Es scheint
im Gegenteil der Fall zu sein, dass die Lehrerinnen mit höherem Berufsalter
wesentlich häufiger fibelunabhängige Lernkonzepte einsetzen, als ihre
jüngeren KollegInnen. Auffällig ist jedoch, dass in der Gruppe hohes
Berufsalter 75% der Lehrerinnen mit den Materialien Sommer-Stumpenhorsts
arbeiten. In der Gruppe mittleres Berufsalter sind es 25% und in der Gruppe
jüngeres Berufsalter 8,3%. Dies spiegelt sich auch in den Antworten zur Frage
der möglichen sinnvollen Kombinierbarkeit von Fibellehrgängen und
lernwegsorientierten Konzepten wider. Die Lehrerinnen mit hohem und
mittlerem Berufsalter geben hier eine geringe positive Zustimmung, die
Lehrerinnen mit niedrigem Berufsalter eine hohe positive Zustimmung, die
über dem Wert der Gesamtstichprobe liegt (Abb. 22, vgl. auch Abb. 19).
Zustimmung
Lassen sich die beiden Ansätze (Fibel - Anlauttabelle) sinnvoll
miteinander kombinieren?
4,5
4
3,5
3
2,5
2
1,5
1
0,5
0
Gesamt
junges
Berufsalter
mittleres
Berufsalter
hohes Berufsalter
Abb.22: Meinungsbild zur Kombinierbarkeit der Methoden in Abhängigkeit vom Berufsalter
364
Wenn man die Förderschullehrerinnen nicht berücksichtigt, sind es 33,13%. Alle
Förderschullehrerinnen befinden sich in dieser Gruppe, vgl. auch Kapitel 4.4.3.
67
4 Empirische Untersuchung: LehrerInnenfragebogen zum Schriftspracherwerb________
Ein Erklärungsansatz für diese Ergebnisse findet sich in den Antworten zur
Motivation für den Einsatz der genannten Methode. Gerade bei den jüngeren
Lehrerinnen besteht scheinbar eine gewisse Unsicherheit, wie sie ihren
Unterricht strukturieren sollen. Ein Fibellehrgang kann in diesem Fall eine
gute und sinnvolle Strukturierungshilfe sein. So erklärt eine Fibelnutzerin der
Gruppe junges Berufsalter den Einsatz ihres Fibellehrgangs mit den folgenden
Worten: „Wir haben das Lehrwerk auf unserer Stufe eingeführt. Ich habe mein
1. Schuljahr damit unterrichtet, weil ich als ,Neuling’ auf eine etwas enger
gesteckte Methode zurückgreifen wollte – Lesen durch Schreiben bot mir zu
wenig Haltepunkte…Bei Löwenzahn und Pusteblume wird sowohl der
klassische
Fibellehrgang
als
auch
Arbeiten
mit
der
Anlauttabelle
ermöglicht.“365
Darüber hinaus scheint es gerade bei den jüngeren Lehrerinnen verstärkt der
Fall zu sein, dass sie sich in ihrer Methodenwahl an älteren KollegInnen oder
an den Vorgaben der Schule orientieren. 33% der Lehrerinnen diese Gruppe
machen Angaben wie, „weil es an der Schule so gemacht wird“ oder „wurde
mir in der Ausbildung so beigebracht und empfohlen“. Dabei macht es jedoch
keinen Unterschied, ob diese mit einem Fibellehrgang arbeiten oder eine
andere Methode verwenden.
Interessant ist in diesem Kontext auch die Frage nach Methodenwechseln
innerhalb der Berufslaufbahn. In der Gruppe junges Berufsalter hat es bisher
kaum Methodenwechsel gegeben, lediglich eine Lehrerin hat schon einmal
ihre
Methode
gewechselt
(von
einem
Fibellehrgang
zu
der
Rechtschreibwerkstatt Sommer-Stumpenhorsts).366 In der Gruppe mittleres
Berufsalter haben 75% schon ein oder mehrmals die Methode gewechselt. Der
am stärksten vertretene Wechsel (50%), war der, von der Fibel als alleinige
Unterrichtsmethode zu einer Kombination von Fibel und Anlauttabelle. Bei
der Gruppe hohes Berufsalter hat jede Lehrperson mindestens zweimal die
Methode geändert. 100% wechselten von der Fibel zur Anlauttabelle, 50% von
der Fibel zu Lesen durch Schreiben aber auch 50% von Lesen durch Schreiben
365
Bei zwei weiteren Lehrerinnen dieser Gruppe werden ähnliche Erklärungen für die Methodenwahl
gemacht.
366
Hier kann es sein, dass der Methodenwechsel mit der Schule zu tun hat, denn sie gibt unter Frage
sechs (Motivation für den Methodeneinsatz) an: „weil es an der Schule so gemacht wird“.
68
4 Empirische Untersuchung: LehrerInnenfragebogen zum Schriftspracherwerb________
zurück zur Fibel.367 Die Methodenwechsel finden gerade in dieser Gruppe
nicht nur einseitig in eine Richtung statt. Letztendlich arbeiten jedoch, wie
zuvor gezeigt, zurzeit nur 25% mit einem Fibellehrwerk. Es wäre in diesem
Zusammenhang interessant zu erfahren, aus welchen Gründen und zu welchen
Zeiten die Methodenwechsel der einzelnen Lehrerinnen stattgefunden
haben.368
4.4.3 Hypothese 3
In der befragten Stichprobe sind vier Förderschullehrerinnen (Bereiche:
Lernen, Geistige und Emotionale Entwicklung, Sprache und Hören). Von
diesen
setzten
50%
einen
Fibellehrgang
(Bausteine)
im
Schriftspracherwerbsunterricht ein. Neben diesem verwenden sie jedoch
vielfältige zusätzliche Materialien, so zum Beispiel Elemente aus dem
Spracherfahrungsansatz, aus Lesen durch Schreiben und individuell auf die
jeweiligen SchülerInnen ausgerichtete Materialien.369 In der Gruppe der
Regelschullehrerinnen arbeiten ebenfalls 50% mit einem Fibellehrgang. Hier
setzen aber nur 50% darüber hinaus noch Elemente aus lernwegsorientierten
Ansätzen ein.
Mit welcher Methode/ welchen Methoden arbeiten
Sie zurzeit im Schriftspracherwerbsunterricht?
100%
80%
60%
keine Fibel
40%
Fibel
20%
0%
Förderschullehrerinnen
Grundschullehrerinnen
Abb. 23: Verwendete Schriftspracherwerbsmethoden in Abhängigkeit von der Schulform
367
An dieser Stelle können aus Gründen der Übersichtlichkeit nur die am häufigsten genannten und
damit nicht alle Methodenwechsel aufgezählt werden. In der Frage selbst waren Mehrfachnennungen
zugelassen.
368
Eine solche Analyse ist im Rahmen einer Fragebogenerhebung nicht möglich. Hier würde sich die
Interviewmethode anbieten.
369
Unter den Förderschullehrerinnen wurden am häufigsten innerhalb der Gesamtstichprobezur Frage
fünf (zurzeit verwendete Methode) die zwei Felder zu sonstigen eingesetzten Methoden komplett
ausgefüllt.
69
4 Empirische Untersuchung: LehrerInnenfragebogen zum Schriftspracherwerb________
Hypothese drei lässt sich demnach nicht ohne weiteres bestätigen.
Förderschullehrerinnen verwenden genauso häufig Fibellehrgänge wie ihre
KollegInnen aus den Regelgrundschulen. Sie setzten jedoch niemals nur die
Methode Fibellehrgang im Schriftspracherwerbsunterricht ein, sondern bieten
ihren SchülerInnen darüber hinaus vielfältige weitere Materialien an. Dies
erklärt sich unter anderem durch die zum Teil sehr heterogenen Lerngruppen
in den Förderschulen. So können die SchülerInnen dort individuell und mit
größtmöglicher Differenzierung gefördert werden.
Lassen sich die beiden Ansätze (Fibel Anlauttabelle) sinnvoll miteinander kombinieren
7
Zustimmung
6
5
4
3
2
1
0
Gesamt
Förderschullehrerinnen
Regelschullehrerinnen
Abb.24: Meinungsbild zur Kombinierbarkeit der Methoden in Abhängigkeit
von der Schulform
Diese Ergebnisse spiegeln sich auch in den Meinungen zur Möglichkeit der
Kombinierbarkeit der lehrgangs- und lernwegsorientierten Ansätze wider. Die
Zustimmung zu einer solchen Kombination fällt bei den
Förderschullehrerinnen wesentlich höher aus als bei der Gesamtstichprobe.
Die Zustimmung der Regelschullehrer ist hingegen weniger hoch als die der
gesamten Stichprobe.
Es zeigt sich demnach insgesamt, dass Förderschullehrerinnen zwar nicht
weniger häufig zu Fibellehrgängen als Unterrichtsmethoden im
Schriftspracherwerb greifen als die Lehrerinnen an der Regelschule, dass die
Fibellehrgänge dann jedoch als nur ein Methodenangebot unter vielen anderen
angesehen werden.
Abschließend muss jedoch erwähnt werden, dass die Gesamtstichprobe sich
insgesamt als viel zu gering erweist, als das die hier vorgestellten Ergebnisse
verallgemeinert werden könnten; dies widerspräche dem wissenschaftlichen
70
4 Empirische Untersuchung: LehrerInnenfragebogen zum Schriftspracherwerb________
Anspruch empirisch orientierter Forschung. Demnach kann die vorliegende
Untersuchung nur eine Anregung sein, dieses Thema einer gründlichen
Analyse zu unterziehen. In einem solchen Rahmen wären dann sowohl eine
großangelegte
quantitative
Studie
als
auch
gezielt
ausgewählte
Experteninterviews denkbar.
71
5 Fazit und Ausblick_______________________________________________________
5 Fazit und Ausblick
Die Diskussion darüber, wie viel oder wie wenig Unterricht im Sinne
lehrgangsmäßiger Unterweisung für den Erwerb des Lesens und Schreibens
eigentlich nötig ist und ob der Einsatz eines Fibellehrgangs oder eines
Konzeptes mit offener und freier gestalteten Methoden in diesem
Zusammenhang sinnvoller ist, hat sich nach heftigen Kontroversen unter den
Schriftspracherwerbsdidaktikern in den 1980er und 1990er Jahren heute
deutlich entschärft. Nach der Auswertung verschiedener empirischer
Untersuchungen wird heute insgesamt nicht mehr die Methode als
entscheidende Variable für den Lernerfolg gesehen, sondern die Lehrperson
selbst. Ihre Handlungskompetenz im Hinblick auf die Initiierung und
Organisation von Lernprozessen, ihre Fähigkeit, Schwierigkeiten zu erkennen,
strukturell angemessen zu interpretieren, geeignete Hilfen für den nächsten
Lernschritt anzubieten und den Lernerfolg fortlaufend zu beobachten und zu
kontrollieren, muss als wichtiger eingestuft werden als die von ihr eingesetzte
Methode. So kann man Agi Schründer-Lenzen nur zustimmen, wenn sie
konstatiert: „Nicht die Entscheidung für eine bestimmte Theorieschule des
Schriftspracherwerbs ist entscheidend, sondern die Fähigkeit, möglichst
umfassende, fachdidaktische und pädagogisch-psychologische Kenntnisse,
situativ angemessen und der je individuellen Lernausgangslage entsprechend,
umzusetzen.“ 405
Zusätzlich sollte man nicht aus den Augen verlieren, dass gerade auch aus der
Perspektive der pädagogischen Psychologie die Notwendigkeit des aktiven
und konstruktiven Lernens nicht bestritten, aber deren geringere Effektivität
im Gegensatz zu lehrergeleiteter, direkter Instruktion empirisch immer wieder
unter Beweis gestellt wurde. Und dies im Besonderen bei den insgesamt
leistungsschwächeren Kindern.205
Trotzdem lässt sich die Frage, ob es heute noch einen Methodenstreit in der
Grundschule gibt, nicht ohne weiteres mit einem nein beantworten. Sowohl in
der wissenschaftlichen Diskussion als auch im aktuellen Unterrichtsgeschehen
405
205
Schründer-Lenzen 2007, S. 43.
Vgl. z. B. Weinert 1996, S. 30.
72
5 Fazit und Ausblick_______________________________________________________
gibt es weiterhin einzelne Stimmen, gerade auf der Seite der Anhänger
lernwegsorientierter
Konzepte,
die
sich
gegen
den
Einsatz
von
Fibellehrgängen richten. Betrachtet man hingegen diese Fibelwerke, dann
muss zumindest die Frage „Fibel und/oder Anlauttabelle?“ mit einer klaren
Entscheidung für ein „und“ ausfallen. Moderne Fibellehrgänge beinhalten
immer auch eine Anlauttabelle und lassen ein Arbeiten nach dem
Anlautverfahren zu. Darüber hinaus verfolgen sie zumeist ein Konzept,
welches den Lehrgangsgedanken mit dem der Öffnung des Unterrichts
kombinieren möchte. So werden sie heute in der Forschung mittlerweile
berechtigterweise als „halboffene“ Lehrwerke bezeichnet.
Diese Tendenzen werden durch die Ergebnisse der Fragebogenanalyse
bestätigt. Der Methodenstreit ist unter den befragten Grundschullehrerinnen
nicht vollständig beigelegt. Eine in der Stichprobe mit 25% sehr stark
vertretende Gruppe von Nutzerinnen der Rechtschreibwerkstatt SommerStumpenhorsts ist nicht davon überzeugt, dass sich lehrgangs- und
lernwegsorientierte Ansätze zum Schriftspracherwerb sinnvoll miteinander
kombinieren lassen. Die anderen 75% der Stichprobe hingegen stimmen einer
solchen
sinnvollen
Kombinationsmöglichkeit
zu.
Besonders
hohe
Zustimmungswerte finden sich bei den Lehrerinnen, die Fibellehrgänge
einsetzten. Von diesen praktizieren 60% diese Kombination bereits in ihrem
Schriftspracherwerbsunterricht.
Abschließend bleibt jedoch zu erwähnen, dass sich die im Rahmen dieser
Examensarbeit entwickelte und durchgeführte Fragebogenerhebung mit ihrer
kleinen Stichprobe von 20 Lehrerinnen als viel zu gering erweist, als dass die
Ergebnisse sich verallgemeinern ließen. Die vorliegende Untersuchung kann
demnach nur eine Anregung sein, sich mit dem Thema Methodenstreit im
Schriftspracherwerbsunterricht
weiter
zu
beschäftigen.
Um
empirisch
abgesicherte und repräsentative wissenschaftliche Ergebnisse zu erhalten, wird
es in der Zukunft nötig sein, den Fragenkomplex in einer größer angelegten
Studie zu untersuchen und die in dieser Arbeit gewonnen Ergebnisse zu
überprüfen. Dies kann zum Beispiel im Rahmen einer umfassenden
quantitativen
Analyse
geschehen,
die
durch
qualitative
73
5 Fazit und Ausblick_______________________________________________________
Untersuchungsverfahren wie beispielsweise Experteninterviews ergänzt
werden sollte. Gerade Fragen nach der Motivation für den Einsatz bestimmter
Unterrichtsmethoden oder den Wechsel derselben können nur im Rahmen von
Interviews ausschöpfend und umfassend beantwortet und analysiert werden.
74
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SCHRÜNDER-LENZEN, AGI: Schriftspracherwerb und Unterricht. Bausteine
professionellen Handlungswissens, 2. Auflage, Wiesbaden 2007.
Schorch 1992
SCHORCH, GÜNTHER (Hg.): Schreibenlernen und Schriftspracherwerb, 2.
überarbeitet und ergänzte Auflage, Bad Heilbronn 1992.
Sommer-Stumpenhorst/ Hötzel 2001
SOMMER-STUMPENHORST, NORBERT/ HÖTZEL, MARTINA: Richtig Schreiben
lernen von Anfang an. Methodenkompetenz. Differenzierte Förderung. Lesen
lernen Schritt für Schritt, Berlin 2001.
Schwander 1989
SCHWANDER, MICHAEL W.: Schriftspracherwerb aus schulpädagogischer
Sicht.
Grundschuldidaktische
Tendenzen,
Versäumnisse,
Perspektiven,
Heinsberg 1989.
Schwartz 1964
Schwartz, Erwin: Der Leseunterricht, Braunschweig 1964.
Spinner 2006
SPINNER, KASPAR H.:
Lesekompetenz
erwerben,
Literatur
erfahren:
Grundlagen. Unterrichtsmodelle für die 1. – 4. Klassen, Berlin 2006.
83
6 Literaturverzeichnis______________________________________________________
Spitta 1994
SPITTA, GUDRUN: Kinder schreiben eigene Texte: Klasse 1 und 2. Lesen und
Schreiben im Zusammenhang, Frankfurt am Main 1994.
Teistler 2002
TEISTLER,
GISELA:
Ausgewählte
Sekundärliteratur
zur
Fibel-
und
Leselerngeschichte, in: Grömminger, Arnold (Hg.): Geschichte der Fibel,
Frankfurt am Main 2002, S. 405-411.
Teistler 2003
TEISTLER, GISELA: Fibel – Findbuch <FI-FI>. Deutschsprachige Fibeln von
den Anfängen bis 1944. Eine Bibliographie, Osnabrück 2003.
Thomé 1995
THOMÉ, GÜNTHER: Über die Konzeption von Anlauttabellen. Oder: Schreiben
wir mit Buchstaben?, in: Brügelmann, Hans/ Balhorn, Heiko/ Füssenich, Iris
(Hg.): Am Rande der Schrift, Lengwil 1995.
Thomé 2000a
THOMÉ, GÜNTHER: Linguistische und psycholinguistische Grundlagen der
Orthografie: Die Schrift und das Schreibenlernen, in: Valtin, Renate (Hg.):
Rechtschreiben lernen in den Klassen 1-6. Grundlagen und didaktische Hilfen,
Frankfurt am Main 2000, S. 12-16.
Thomé 2000b
THOMÉ, GÜNTHER: Möglichkeiten und Grenzen der Arbeit mit Anlauttabellen,
in: Valtin, Renate (Hg.): Rechtschreiben lernen in den Klassen 1-6.
Grundlagen und didaktische Hilfen, Frankfurt am Main, S. 116-119.
Topsch 2005
TOPSCH, WILHELM: Grundkompetenz Schriftspracherwerb. Methoden und
handlungsorientierte Praxisanregungen, 2. Auflage, Weinheim und Basel
2005.
84
6 Literaturverzeichnis______________________________________________________
Valtin 2000a
VALTIN, RENATE: Ein Entwicklungsmodell des Rechtschreibenlernen, in:
Valtin, Renate (Hg.): Rechtschreiben lernen in den Klassen 1-6. Grundlagen
und didaktische Hilfen, Frankfurt am Main 2000, S. 17-22.
Valtin 2000b
VALTIN, RENATE: Schreibenlernen mit der Druckschrift, in: Valtin, Renate
(Hg.): Rechtschreiben lernen in den Klassen 1-6. Grundlagen und didaktische
Hilfen, Frankfurt am Main 2000, S. 111-115
Von der Groeben 2001
VON
DER
GROEBEN, ANNEMARIE: Literalität: Modewort, alter Hut oder neue
Aufgabe?, in: Pädagogik 6 (2001), S. 6-9.
Walter 1995
WALTER, JÜRGEN: Der Spracherfahrungsansatz für den Anfangsunterricht:
Empirisch-experimentiell abgesicherte Effekte und didaktisch-methodische
Konsequenzen aus den USA, in Sonderpädagogik 3/1996.
Weinert 1996
WEINERT, FRANZ E.: Lerntheorien und Instruktionsmodelle; in: Weinert, Franz
E. (Hg.): Psychologie des Lernens und der Instruktion, Bd. 2, Göttingen/ Bern/
Toronto/ Seattle 1996, S. 1-118.
Wellenreuther 2000
WELLENREUTHER, MARTIN: Quantitative Forschungsmethoden in der
Erziehungswissenschaft. Eine Einführung. Weinheim 2000.
85
7 Abbildungsnachweis____________________________________________________
7 Abbildungsnachweis
Bartnitzky 1998: Abb. 3
Bausteine Fibel 1999: Abb. 10, Abb. 11, Abb. 12
Brinkmann/ Brügelmann 1998: Abb. 7, Abb. 8
Duden Fibel 2006: Abb. 13, Abb. 14, Abb. 15, Abb. 16, Abb. 17
Privat: Abb. 1, Abb. 2
Reichen 1982: Abb. 9
Schenk 2004: Abb. 4, Abb. 5, Abb. 6
86
8 Anhang___________________________________________________________________
8 Anhang
LehrerInnenfragebogen:
Schriftspracherwerb
87
LehrerInnenfragebogen - Schriftspracherwerb
Bitte lesen Sie den Fragebogen aufmerksam durch und beantworten Sie die Fragen so
ehrlich wie möglich. Die Angaben im Fragebogen werden anonymisiert.
Vielen Dank für Ihre Teilnahme!
1. Welche Konzepte zum Schriftspracherwerb haben Sie im Studium/ im Referendariat und danach
kennen gelernt? Mehrfachnennungen sind möglich.
im Studium
im Referendariat
nach dem Referendariat
Fibel
Anlauttabelle
Spracherfahrungsansatz
Lesen durch Schreiben (Reichen)
Sonstiges:
________________________
Sonstiges:
________________________
2. Welche Klassenstufe unterrichten Sie im Augenblick im Sprachunterricht?
Klasse 1
Klasse 1/2
Klasse 2
Klasse 3
Klasse 3/4
Klasse 4
3. Wie viele Schüler sind in dieser Klasse?
weniger als 15 Schüler
15-20 Schüler
20-25 Schüler
25-30 Schüler
mehr als 30 Schüler
Maike Störmer
Universität zu Köln
Examensarbeit zum 1. Staatsexamen
88
LehrerInnenfragebogen - Schriftspracherwerb
4. Wie setzt sich die Schülerschaft zusammen?
Schüler deutscher Muttersprache
100% - 80%
80% - 60%
60% - 40%
40% - 20%
20% - 0%
5. Mit welcher Methode/ welchen Methoden arbeiten Sie zurzeit im Schriftspracherwerbsunterricht? Mehrfachnennungen sind möglich. Geben Sie bitte in der dritten Spalte den
Zeitpunkt, seit dem Sie die genannte Methode verwenden und in der vierten Spalte den
Namen des verwendeten Werkes an.
diese Methode
verwende ich
Zeitpunkt seit
dem ich diese
Methode
verwende
Name der
Fibel/Anlauttabelle usw.
Fibel
Anlauttabelle
Spracherfahrungsansatz
Lesen durch Schreiben (Reichen)
Sonstiges:
________________________
Sonstiges:
________________________
6. Warum setzen Sie die unter 5. genannte Methode/ Methodenkombination ein?
__________________________________________________________________________________
__________________________________________________________________________________
__________________________________________________________________________________
Maike Störmer
Universität zu Köln
Examensarbeit zum 1. Staatsexamen
89
LehrerInnenfragebogen - Schriftspracherwerb
7. Haben Sie schon einmal ihre Methode geändert?
Ja
Nein
Wenn ja, zwischen welchen Methoden fand der Wechsel statt? Mehrfachnennungen sind
möglich.
von der Fibel zur Anlauttabelle
von der Fibel als alleinige Methode zu Fibel und
Anlauttabelle
von der Fibel zum Spracherfahrungsansatz
vom Spracherfahrungsansatz zur Fibel
von der Fibel zu Lesen durch Schreiben
von Lesen durch Schreiben zur Fibel
vom Spracherfahrungsansatz zu Lesen durch
Schreiben
von Lesen durch Schreiben zum
Spracherfahrungsansatz
von Sonstiges
______________________________________
zu Sonstiges
______________________________________
Maike Störmer
Universität zu Köln
Examensarbeit zum 1. Staatsexamen
90
LehrerInnenfragebogen - Schriftspracherwerb
8. Welche der folgenden Aussagen trifft Ihrer Meinung nach zu? Bitte bewerten Sie die Aussagen
auf einer Skala von 1 = trifft voll und ganz zu bis 5 = trifft überhaupt nicht zu.
1
2
3
4
5
Fibel und Anlauttabelle lassen
sich sinnvoll miteinander
kombinieren.
Die Anlauttabelle kann gut als
alleinige Methode zum
Schriftspracherwerb eingesetzt
werden.
Fibellehrgänge sollten mit
freien Schreibanlässen
kombiniert werden.
Anlauttabelle und Fibel können
nicht beide zusammen im
Anfangsunterricht zum
Schriftspracherwerb eingesetzt
werden.
Fibellehrgänge brauchen keine
weiteren Methoden zur
Unterstützung.
9. Bieten Sie Ihren Schülern beim Schriftspracherwerb auch freie Schreibanlässe an?
Ja
Nein
Wenn ja, ab welcher Klassenstufe?
Klasse 1
Klasse 1/2
Klasse 2
Klasse 3
Klasse 3/4
Klasse 4
Maike Störmer
Universität zu Köln
Examensarbeit zum 1. Staatsexamen
91
LehrerInnenfragebogen - Schriftspracherwerb
Wie viel Prozent der Unterrichtszeit nehmen die freien Schreibanlässe beim
Schriftspracherwerbsunterricht ein?
unter 5%
5% - 20%
20% - 35%
35% - 50%
50% - 65%
65% - 80%
über 80%
10. Stellen Sie Ihren Schülern Diktate beim Schriftspracherwerb?
Ja
Nein
Wenn ja, ab welcher Klassenstufe?
Klasse 1
Klasse 1/2
Klasse 2
Klasse 3
Klasse 3/4
Klasse 4
Wie oft im Monat lassen Sie dann Diktate schreiben?
1 mal
2 mal
3 mal
4 mal
5 mal
mehr als 5 mal
11. Lesen und Schreiben lernt man am besten………………………………………………………….?
_______________________________________________________________________________
________________________________________________________________________________
Maike Störmer
Universität zu Köln
Examensarbeit zum 1. Staatsexamen
92
LehrerInnenfragebogen - Schriftspracherwerb
Persönliche Angaben
Alter:
Geschlecht:
w
m
Schulform: _________________________________________________________________________
Fächer: ___________________________________________________________________________
Wie lange sind Sie schon im Schuldienst? ________________________________________________
Wie viele Anfangsklassen haben sie schon begleitet? _______________________________________
Wann und an welcher Hochschule haben Sie studiert?
__________________________________________________________________________________
Was haben Sie studiert? ______________________________________________________________
An welcher Schule und zu welcher Zeit haben Sie ihr Referendariat durchgeführt?
___________________________________________________________________________________
Vielen Dank!☺
Maike Störmer
Universität zu Köln
Examensarbeit zum 1. Staatsexamen
93
„Ich versichere, dass ich die schriftliche Hausarbeit – einschließlich
beigefügter Zeichnung, Kartenskizzen und Darstellungen – selbstständig
verfasst und keine anderen als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel
benutzt habe. Alle Stellen der Arbeit, die dem Wortlaut oder dem Sinne nach
anderen Werken entnommen sind, habe ich in jedem Fall unter Angabe der
Quelle deutlich als Entlehnung kenntlich gemacht.“
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