ableau - Blauer Salon • Portal

Transcrição

ableau - Blauer Salon • Portal
a b l e a u
die zeitschrift des literaturforums blauer salon
S ä u m e r
Gastbeiträge:
• Mira Berkenblit • Eva Bourke
• Hiromi Itō / I. Hijiya - Kirschnereit
• P.J. Blumenthal • Masayo Odahashi
2. Ausgabe / April 2011
D e r
I n h a lt
Th e m e n b l ä t t e r
Peter Felber > Irgendeines sagt • 4
Matthias Löwe > Von Innen und Außen • 5
Annett Friebel > monokeros • 7
Leonie > im schnee ; Matthias Löwe > Dieses Irdene • 8
Annett Friebel > Somnambul • 9
Annette Kolbe > Lange schon ; Gabriella > [o.T.] • 11
Patrick Braun > klitzekleen ; Gabriella > [o.T.] ; Victoria Faraj Mummelthei > [o.T.] • 12
Anna Rinn-Schad > Computertomographie • 14
Carl Reiner Holdt > zwieschatten ; Marlies Blauth > [o.T.] ; Matthias Löwe > [o.T.] • 15
Arne > Erinnerung ; Jair Meschullam > Sepia nenne ich sie • 16
Isabella Vogel > Eine neue Stunde • 18
Andreas Ferdinand Fecke > Der Eremit von Sede • 19
Flora Winter > die versäumte - bis in den stein • 20
Estragon > Die Villa am Rande der Zeit • 22
Elsa Rieger > als du dann • 23
Franz Hofner > Getönt ; Estragon > herzschlag • 32
Xanthippe > [o.T.] ; Jürgen Riering > Ansichten • 39
Renée Lomris > Immer das Sanfte ; Lisa Glauche > bäume erklimmen, bis dort, wo sie wehen • 40
Last > Haut • 40
Merlin Carl > Die Entfernung der Sonne • 42
Jutta Over > fellstudie • 57
Annett Friebel > das lied vom sichnichterinnernkönnen • 58
Carl Reiner Holdt > Vom Säumen • 59
Andreas Ferdinand Fecke > [o.T.] • 61
A m Te l l e r h o r i z o n t I
Masayo Odahashi
> artist statement • 10
> stillness • 13
> filled deeply III • 17
> white rope • 21
> if it‘s compared • 25
> Ausstellung Galerie B • 28
> face to face IV • 33
> at twilight • 63
2
< < Vo l l b i l d m o d u s an / au s
Rubriken
Buchvorstellung: Ann Catrin Apstein-Müller > „Jeder fliegt, wie er kann“ • 24
Dialoge: Elfchen
Gabriella ; Hans-Detlef Fröhlich ; Jair Meschullam ; Eva ; Aram Peter Tunkel; Lisa Glauche • 30
Marlies Blauth ; Eva ; Elsa Rieger ; Hans-Detlef Fröhlich ; Nikolaus Josef Kahlen ; Xanthippe • 31
Projekte: Thomas Milser und Henkki Zakkinen • 34
Cartoon: Andreas Ferdinand Fecke > Stones • 36
Tiertexte: Anna Rinn-Schad > Die See ist eine blaue Kathedrale • 41
Video: Lisa Glauche > Der Säumer • 53
Kommentar: noel > takt-los • 54 – Kommentar von Peter Felber • 55
Polyphon: Marlies Blauth > Steine / 2008 - Landschaft - Steine II • 56
Lesungen:
Eine neue Stunde – gelesen von Isabella Vogel • 18
als du dann – gelesen von Elsa Rieger • 23
Henkki Zakkinen liest Texte von Thomas Milser • 35
fellstudie – gelesen von Jutta Over • 57
Das Märchen von der verschleierten Frau – Hugo von Hofmannsthal – gelesen von Gabriella • 61
Netzlos: Blauer Salon [unplugged] / Lesungen des Blauen Salons • 62
A m Te l l e r h o r i z o n t I I
Übersetzungen:
Eva Bourke > Snow Story • 26
Eva Bourke > Schnee-Erzählung • 27
Hiromi Itō / I. Hijiya-Kirschnereit > Schnee • 29
Glosse: P.J. Blumenthal > Ich träumte, dass mir träumte • 37
Siegertext Blaues Blatt 2010:
Mira Berkenblit > Besuchsregeln – Du erzählst mir Kirschen bis in den Stein • 38
3
< < Sp r u n g z u m In hal ts ve r ze i c hn i s
Peter Felber
Irgendeines sagt, du seist aus Gegenden,
wo die Worte schweben,
die Äste die Himmel öffnen,
und das Umschreibende weitet.
Irgendeines sagt, dass ich aus Gebirgen komme
zur anderen Seite.
Moränen, Gletscherzungen, Höhlen in die Tiefe
seien mein Zuhaus.
Trotzdem kenne ich dich.
Von dir: eine kleine Geste
verrücken sich in mir
Steine.
Irgendeines sagt, dass es das Leichte gibt,
unter dem Staub, unter den Steinen
wären Papiere, die einstmals von Händen geschöpft
der Ursprung auch meiner Täler waren.
Irgendeines sagt: Die Nacht begann aus Blumen;
es wären Strände ihrer viele gewesen; und dass,
bevor sich jedes verschob und faltete
und nochmal faltete,
ein Meer auf unseren Gründen lag.
Das eine verspricht, dass noch Seen seien
auf deiner Seite.
Wir wären ein Buch,
das nur
der verrückte Wind, aus Eis,
zu meiner Seite
auffror.
4
Matthias Löwe
Von Innen und Außen
Sein Vater hatte ihn immer zur Bescheidenheit gemahnt, die Mutter stets gesagt: Aus nichts wird nichts.
So dachte er denn einen Punkt zu machen. Ein Punkt ist nicht nichts und doch nicht unbescheiden.
Ein Punkt ist ein Punkt. Ist ein Punkt. Punkt.
Punkt
Vielleicht bin ich
nur die Frucht
zweier Linien
die sich kreuzen
Aber ich bin nicht
nichts
Man sagt ja auch:
Einen Punkt machen
Zum Punkt kommen
Nur ich weiß davon nichts
Wer würde mich
löschen
Gefragt, wann er zum ersten Mal von der Mathematik überrascht wurde, müsste er von einem Irrtum
berichten. Sein Großvater hatte ihm erklärt wie man ein Halb mit einem Drittel multipliziert und er
hatte das Ergebnis nicht glauben wollen. Erstmals war etwas kleiner geworden, wenn man es malnahm.
Dann die Faszination der großen Zahlen. Unendlich die größte von ihnen. Was wohl geschah, wenn
man unendlich zu unendlich addierte. Oder unendlich mit unendlich multiplizierte und das unendlich
oft. Konnte unendlich größer werden? Die Mathematik würde die Antwort wissen – und auch das ein
Irrtum.
Beweis
Auf unbekannten Pfaden
gehst du zum Ziel
Ein Ahnen
ein Hoffen
ein winziges Bild
weisen dir den Weg
5
Das war neu. Es genügte nicht zu wissen, man musste die anderen überzeugen, dass man weiß. Ein
Gebäude, das nur steht, wenn jeder daran glaubt.
Gewohnt hingegen: der Irrtum. Auf eine richtige Idee kommen hundert falsche. Mühsam die Nuggets
aus Kies zu sieben (oder das, was er für Nuggets hielt). Der Lohn dafür: ein wenig Licht, vielleicht ein
Fortschritt.
Gerade
Du glaubst
du gebierst dich
aus dir selbst
in jedem deiner Punkte
Auch auf die Gefahr
zu vergessen
was man dir antat
(vermutlich im selben Punkt)
Du weißt nicht
dass du alles, was du querst
auch zerteilst
So läufst du weiter
Ohne je zu lernen
Ohne je zu geben
Und wieder zurück.
Euklides: Stoicheia
Buch I
Erklärungen
1.
2.
3.
4.
Ein Punkt hat keine Teile.
Eine Linie hat eine Länge aber keine Breite.
Eine Strecke auf einer Linie reicht von einem Punkt zu einem anderen Punkt.
Eine Gerade ist eine Linie, auf der die Punkte in gleicher Lage liegen
Etc.
Hinschauen ist verstehen.
Hilberts Axiomensystem der Euklidischen Geometrie
Axiome der Inzidenz
Mit diesen Axiomen wird der Begriff liegen definiert.
1. Zwei voneinander verschiedene Punkte P und Q bestimmen stets eine Gerade g.
2. Irgend zwei voneinander verschiedene Punkte einer Geraden bestimmen diese Gerade.
3. Auf einer Geraden gibt es stets wenigstens zwei Punkte, in einer Ebene gibt es stets wenigstens drei
nicht auf einer Geraden gelegene Punkte.
Etc.
6
Und er denkt an das Goldene Kalb. Wie leicht es ist den Nutzen zu opfern, wenn man an die Schönheit
glaubt.
Und doch bleibt ein Geheimnis.
Der Grund der Anwendbarkeit der Mathematik auf reale Verhältnisse stelle ein äußerst tief liegendes
Problem dar, dessen Schwierigkeiten auf allgemein erkenntnistheoretischem Boden liegen.
Felix Klein.
Kreis
Du bist ein Bruder
Ich
verstehe dich
Mach mich gleich
Umschließe mich
Wir könnten einander wärmen
zusammen leben
gemeinsam unsere Mitte suchen
So dachte er denn einen Punkt zu machen. Gleichsam einen Mittelpunkt. Um den wollte er sich drehen.
Annett Friebel
monokeros
es löst sich aus mir
nebelfahl
ein tier
das es nicht gibt
wenn ich`s entdecke
jedes mal
schnaubt`s leise
und entflieht
zurück
in meine dämmerung
7
Leonie
im schnee
gestern
sollt ich dir
liebesworte sagen
als du dich
nach blühen und welken
zurückzogst
ins dunkle
schale um schale
dich umhüllte
stillsanfter schutz
vor dem frost
mein säumiges wort
ich flüstere es
unter die eishaut
wartend
auf dein echo
im schnee
Matthias Löwe
Dieses Irdene
das Versprechen
Es wächst, wenn du nur säst
Der verlässliche Bruder
des leuchtenden Worts
Wohin hätte der Wind uns getragen
das Licht uns verführt
ohne sein Gewicht
ohne seine Schwere
8
Annett Friebel
Somnambul
Nur hinter den Lidern wird die Erinnerung kühl. Glatt und klar.
Du kannst sie dort berühren. Sie fühlt sich an wie ein Kiesel. Eine Münze.
Bricht das Licht wie eine Scherbe Seeglas.
Seggen wispern. Wenn du die Wiesenbuckel streichelst, wird aus den Gräsern Gold.
Der König hat nicht zu viel versprochen. Er muss uns nicht suchen lassen, weil er die
Namen kennt.
Schleichen gleiten in sandige Verstecke. Lautlos.
Dann erst siehst du die Frau von den Hügeln steigen, gehüllt in einen wollenen
Umhang.
Mit weißen Händen treibt sie den Duft von Heckenrosen vor sich her. Wie ein Hirte
sein Vieh. Bis in die Schonungen zwingt sie den Geruch des Sommers.
Sie weiß ihn dort sicher, für wenige Stunden. Zwischen flüsternden Kiefern. Auf
violetten Sandbänken.
Die Spinnen knüpfen ihn in ihre Netze. Und manchmal trägt ihn ein Wind zu den
Schlafenden, damit ihre Träume Labsal sind, nach der Hitze des Tages.
Motorenlärm lichtert. Stimmgewirr funkelt. Lautes Lachen kräuselt die Wasser.
Es dämmert rostig. Als die Blüten sich wieder öffnen und der Sonne zuwenden, gibt
die Hüterin ihnen den Atem zurück. Sie geht heim auf die Hügel. Wartet geduldig.
Auf das Seggenwispern. Die Kühle, hinter den Lidern.
9
Masayo Odahashi
Artist statement
– Communication with Myself –
I often find many matter of interest
in daily life and collect them in my
mind.
They are various, for example colors,
forms, something old and experiences or memories that we all share but
don’t show up so clearly, and give me
a beginning to express my worldview.
I pick some of them up and compose, and finally create a form.
To create works means selfunderstanding for me.
I also see my creations as a way to
share my worldview and they are a
way to communicate without and
beyond the words.
I hope my works talk to you ...
Mehr Informationen
zu Masayo Odahashi
auf ihrer Seite
Link zur Galerie B
Herzlichen Dank an Frau Koppelstätter
für die Zurverfügungstellung
der Fotografien!
10
Annette Kolbe
Lange schon
Nachbarn
hören nachts dieselben Äste
ihre Rücken aneinander reiben
unter einem Dach
Dasselbe kleine Tier,
das an beider Gleichmut nagt
sehnt sie einander zu
Er legt sein Ohr an ihre Wand
und im Vorübergehn im Flur entwischt etwas von ihr
durchs Schlüsselloch zu ihm
Denkt sie an ihn, fühlt sie sich Küste
so sehr, dass man das Meer riecht
und wenn sie reden,
schleichen sich die Worte hin
wo der Winter übersommert
Zeit, unter den Stein zu sehen
Gabriella
schwingungen kehren
sich aus in leere
resonanzkörper bleibt
nur das zittern ohne
dein echo
11
Patrick Braun
klitzekleen
hab
still jesessen
`s selbst vajessen
ne klitzekleene
ewichkeit
Victoria Faraj Mummelthei
Was man sich dächte
als wär es Regen,
der hinab perlt vom Gezweig
ein Märchen
etwas Zerstreubares
und dann ist es wieder
verloren
Gabriella
taucht der tag hinab
gehe ich auf
in meinen händen
12
Masayo Odahashi
13
stillness
Anna Rinn-Schad
Computertomographie
"So schwammen sie vor den Schiffen her und sangen so wundersam, wie schön es auf dem Meeresgrunde sei …"
H.C.Andersen, Die kleine Seejungfrau
Erste Messung, zehn Sekunden.
In der Röhre. Sie hat die Augen geschlossen, weil
gleich über den Augen eine weiße Wand hängt.
Rundum weiße Wand. Unter den Kniekehlen
klemmt ein Kissen, die Lendenwirbelsäule liegt
platt auf dem harten Bett. Die Lider zucken.
Hohles Dröhnen bum bum bum bum.
Nur die Augen nicht öffnen. Nicht bewegen.
Der Nacken ist locker, die Stirn entspannt, die
Lippen liegen weich aufeinander, die Zunge
rutscht zurück gegen den Gaumen. Tief atmen.
Tief in den Bauch.
Ein unsichtbares Strahlenfeuerwerk schneidet
die Wirbelsäule in Scheiben. Zweite Messung,
dreißig Sekunden. Bulum bulum bulum bulum
bulum. Tief im Rücken vibriert ein ungehorsamer Nervenstrang. Etwas in ihr sperrt sich
gegen dieses Tasten von indiskreten Strahlenfingern. Da, wo die Wirbelsäule einen letzten Knick
nach außen macht, vom Bauch weg, und in den
verkümmerten, wieder nach vorne weisenden
Schwanz übergeht. Dort vibriert es in ihrem
Innern wie eine straff gespannte Saite.
Dritte Messung: acht Minuten. Dröhnen und
Hämmern. Nicht die Augen öffnen. Die Luft
wird drückend in dem engen weißen Rohr. In den
Bauch atmen. An etwas Schönes denken. Weiße
Strände. Das Schwappen kleiner grüner Wellen.
Perlmuttblaue und rosafarbene Schneckenhäuser,
die unter den nackten Füßen knistern. Die
Zehen graben sich in die feinen Muschelsplitter.
Manchmal fährt ein stechender Schmerz in die
Beine - von oben her, vom Becken her. Stehen
bleiben, die Beine reiben, was ist denn auf einmal
los, warum tut das so weh. Im linken großen Zeh
steckt eine halbe Muschelschale; beim Herausziehen fließt Blut. Doch der Schmerz in der
Leiste ist schlimmer, es sticht bei jedem Schritt.
Seit Monaten geht das schon so. Die Ärzte haben
Lauftraining empfohlen. Dadurch ist es noch
schlimmer geworden.
Jetzt runzeln die Ärzte ihre Stirnen, mannhaft
und sorgenvoll. Die neue Diagnose kommt
behutsamer: Spinalkanalverengung. Bald werden
die Beine lahm sein.
Vierte Messung, eine Minute. Dröhnen. Wum
bum wum bum wum bum.
Im Wasser ist sie schwerelos. Die Beine strudeln
ganz natürlich durch die Wellen, der Schmerz
ist vergessen, die straff gespannte Saite nahe des
Steißbeins beruhigt sich und schwingt im gleichen Rhythmus wie die Füße, die das Wasser
treten. Noch brennt die Wunde, die die Muschelschale geschnitten hat, aber bald wird das vorbei
sein. Nur ganz ruhig atmen, in den Bauch atmen,
mit dem Kopf unter Wasser, die Augen mit Grün
gefüllt.
Die Messung ist zu Ende. Sie wird aus dem
engen weißen Rohr gezogen, blinzelt ins Licht.
Setzt sich auf. Der Rücken rollt über das kleine
harte Schwanzende in ihrem Innern. Sie schiebt
die Füße in die Plüschpantoffeln. Warm und
weich. Im Aufstehen fährt ein Stich durch die
Oberschenkel; sie veratmet den Schmerz, kippt
die Füße zum Außenrist hin. Ein feiner Blutfleck
färbt den weißen Plüsch. Bald wird auch das
vorbei sein, wenn sich das Meer in ihr beruhigt
hat.
14
Marlies Blauth
Engelvogel überm Schnee
bringt Seidengedanken
ins Honigweiß
schreibt Federspuren
aufs Wintervlies
und verfliegt
Carl Reiner Holdt
zwieschatten
von unsern schatten warf
das licht einen nach osten
– als jets umsonst
ihren kurs bestimmten
auf blauem löschblatt abend –
umsonst. denn von dort wuchs
im roten spiegel der andere.
da hatten wir zwei
den ganzen grat entlang
zwischen abend und morgen.
Matthias Löwe
Verquast
ein Gedanke
das ganze Universum
Struktur kommt von innen
selbstbestimmt
15
Jair Meschullam
Sepia nenne ich sie (me rio de Janeiro)
beklebe den Strohhut mit Herbst (weil wir im
Sommer nur fidelten)
Rooibos ohne Zucker bitte
und ausleben die Vorortgedanken
will auch kein Heimgesuch mehr (vielleicht ein
Gartentor / verrostet)
für dieses Ja-Jahr
Kühles an die Schläfen pressen
das ist Winter in den Jahreszeiten
(ich wünschte er hätte braune Augen)
Ach Liebste
ziehe mir die letzen Worte aus
dass ich endlich erfriere
und wir uns neu erfinden
in the spring
Arne
Erinnerung
Stark sah ich Dich Zweimal durch
Alle Wälder
Die Perspektiven mit
Mustern - links und rechts gemalt
Hingen
Dunkel funkelnd
Dazwischen für jede
Tageszeit bereit.
16
Masayo Odahashi
17
filled deeply III
Isabella Vogel
Eine neue Stunde
Nur Dich, nur Dich
fassten meine Hände heute nicht.
Aber:
Gestern Nacht schlief ich
mich heimlich hin zu Dir
und hob Sandperlen auf
vom roten Abendstrand.
Unter unseren Berührungen verschwand
der geschwungene und wilde Lebensgang.
Plötzlich war ich unter Wasser
meine Füße glitten leicht über
zitternde und lichte Armreifen
über breite Sonnenmalerei`n -
Eine neue Stunde
gelesen von Isabella Vogel
über mir die nackten Beine
schöner, schwereloser Frau´n.
Nur Dich, nur Dich
fand ich unter Wasser nicht.
Seit Du nicht mehr bei mir bist
zähle ich die Monate an meinen Fingerknöcheln ab
und bald wechsle ich zur nächsten, freien Hand Meine hoffnungsvollen Atemzüge werden knapp
in diesem schalen Qualm aus alter, fahler Angst
Dich nie mehr zu sehen
aber jede Nacht schlafe ich mich hin zu Dir
wir treffen uns an einem steilen Bergeshang
dort pflücke ich das allerletzte Licht für Dich
und küsse alle Ängste fort von Deinem Mund.
Siehst Du, eine neue Stunde schleicht an uns heran
und tippt ganz still und heimlich Deine Schulter an!
18
Andreas Ferdinand Fecke
Der Eremit von Sede
In des Reiches größter und wichtigster Stadt,
Die mehr Bürger als der Himmel Sterne hat,
Inmitten gewaltiger Menschenmassen,
Die sich auf Plätzen, in Straßen und Gassen
Drängeln, dass man den Boden nicht sieht,
Lebt seit Jahrzehnten ein Eremit.
Ich kenn ihn seit langem, sein graues Gewand,
Seinen grauen Bart, in der nervigen Hand
Den knorrigen Stab, so schritt er schon oft
Grußlos vorbei, wenn wir unverhofft
Auf der Straße uns trafen. Heute nun wage
Ich endlich, ihn anzureden und frage:
Ist’s nicht Sinn Eures Lebens, einsam zu sein,
Der Menschen Gesellschaft zu meiden? Allein:
Ihr weicht nicht zurück vor der riesigen Menge
Und schreitet arglos durch‘s größte Gedränge!
Er schweigt und wedelt mit seinen Fingern
Seltsam Zeichen: Meine Sinne schlingern,
Dann kann ich plötzlich – wie ist mir geschehen?
Die Stadt mit des anderen Augen sehen,
Und sehe sie leer! Wo Kinder liefen,
Wo Händler laut ihre Preise ausriefen,
Edle Frauen gemächlich wandelten
Und Mägde lautstark feilschten und handelten,
Bemerke ich nichts als einen Fliegenschwarm
Und höre nichts als ein Summen. Der Arm
Ruft neue Gesten, und wunderlich
Kreiselt erneut die Welt um mich:
Ich bin wieder ich, meine Augen sehen
Vor mir den Eremiten stehen;
Noch einmal wedelt er die Insekten fort,
Dreht sich und geht ohne ein Wort.
19
Flora Winter
die versäumte – bis in den stein
der winter hauste so lange im schnee
wie seit kindertagen nicht mehr
diese weiße weite
wie schauten wir ihr nach
bis du sagtest: ich kann sie nicht mehr sehen
nun erscheint sie im kleinen, im zitternden blatt
der kirschbaum – dahinter mildert sich der wald
und wenn wir dort wären, im schwingen der kronen (knospenahnung)
wie lauschten wir uns schwindlig am gesang
wir sind verwöhnte der jahreszeiten
und lieben
ja, das wäre ein grund
querfeldein zu stehen
ein lasso zu werfen
die zeit zu zähmen (ihr in die dunklen augen zu sehen
das leben darin) im nüsternatem
mit ihr den saumpfad zu gehen
so schmiege ich mich ins wandelnde weiß
und du erzählst mir kirschen – bis in den stein
20
Masayo Odahashi
21
white rope
Estragon
Die Villa am Rande der Zeit
ein Gedicht über einen Roman von Goran Petrović
wenn ich schreibe lese ich das was ich noch nicht geschrieben habe
es steht schon unmittelbar vor dem eigenen text in einem absatz
den man später wieder löschen wird
mit viel geduld wird er gelöscht und gegen einen anderen moment ausgetauscht
während das geschieht erkennt man
man sieht in die falsche richtung
der nächste moment ist das vergangene
spuren verschwinden indem sie auftauchen
du siehst in ein buch und fällst hinein
du bist
wie die anderen leser schwer erkennen können mit halbem auge wach
mit dem anderen auge lehnst du es ab der wirklichkeit zu trauen
während du und die anderen leser teil der handlung werden
versinkt irgendwo am rand die welt
zittert
schweigt
neigt sich zu sich selbst
pflanzt sich weiter fort
wort für wort
das ergebnis ist ein traum
da beginnt der morgen
schnee oder ähnliches verschwindet
während ich das schreibe
könnte es schon wieder sommer sein und unter den linden irgendwo in einer straße in einem park
sitzen zwei menschen; lesen dasselbe buch
gibt es stunden
tage
wochen
22
gibt es augen
die diese stunden
diese tage und wochen sehen und verstehen können
gibt es den traum noch den alten
den immer wieder neu entdeckten
man trägt die worte fort
wort für wort
die entfernungstaste schweigt
der morgen der die reste nicht mehr erkennt dreht sich um
irgendwo in belgrad sitzen zwei; begegnen sich außerhalb des romanes indem sie denselben
roman zur selben stunde lesen
sie schreiben ihn damit neu
wenn man genau hinsieht erkennt man es doch
es sind die alten sätze die man verschwiegen und neu entdeckt hat
es sind die worte eines schriftstellers
es klingt wie die nacht die keinen morgen erkennt und einzig das letzte wort
das man auch übersehen darf
aber nicht kann
fällt in das schweigen; löst die augen von diesem traum der erwacht und in das bücherregal
gestellt wird
von dem aus er die welt betrachten kann
ohne ein wort zu verlieren
Goran Petrović, Die Villa am Rande der Zeit, dtv, ISBN: 978-3-423-24824-2
Elsa Rieger
als du dann
gelesen von Elsa Rieger
als du dann
silbrig umschimmert
über die dunkelwiese
auf mich zuliefst (auch dein lachen glänzte)
glaubte ich wieder
und schlief ruhig
bis die weißen tauben gurrten
23
Ann Catrin Apstein-Müller
"Jeder fliegt, wie er kann"
Wer es wagt, sich längere Zeit in der natürlichen Ordnung der Dinge zu verlieren, ist
verwirrt, wenn er den Ausgang findet (wenn
er ihn überhaupt findet …). Der Duft von
Kastanienbäumen, der Geruch von Schafen
und Ziegen, der Chrysanthemen- und Dahlienduft der Diabetes, die Stimmen der Toten
und das alles zerstörenden Brüllen der Züge
sind durchsetzt von Krieg, Revolution, Verrat,
Folter, Armut und Krankheit ebenso wie von
Schönheit, Wohlstand und Träumen – die ganze
Palette, die Portugal, die Heimat von Antonio
Lobo Antunes, im Laufe seiner Geschichte
aufgefahren hat – ein intensiver, lebendiger
Alptraum. Die natürliche Ordnung der Dinge ist
jene des Unbewussten, das Erinnerungen verarbeitet und diese traumartig wiedergibt. Die
Menschen, deren Erinnerungssplitter sich hier
zu einem Gesamtbild fügen – der ältere Mann,
der bei seiner minderjährigen Angebeteten leben
darf, weil er deren Familie das Leben finanziert;
deren Vater, der in Gedanken noch immer in
den Bergwerksstollen Südafrikas fliegt (und in
seinem Wahn mit der Spitzhacke die Kanalisation Lissabons aufhackt und sein Stadtviertel
mit Scheiße überschwemmt); ihre Tante mit den
rekordverdächtigen Nierensteinen, ein ehemaliger Geheimpolizist und jetziger Fernlehrer
für Hypnose, der den Verehrer des Mädchens
im Auftrag eines Schriftstellers ausspionieren
soll; ein verratener Revolutionär und ein Totalversager, die Onkel des alternden Liebhabers –
insgesamt zehn Personen, die alle auf irgendeine
Art miteinander in Verbindung stehen, erzählen
jeweils paarweise ihre Version der – vergangenen
– Wirklichkeit. Keiner von ihnen handelt, sie
reden nur, traumartig assoziativ, mehr mit sich
selbst als mit anderen, ohne jegliche Chronologie oder Alltagslogik, in einer hypnotischpoetischen Sprache – die deutsche Übersetzung transportiert übrigens ganz wunderbar das
weiche Raunen des Originals – in lebendigen,
sehr sinnlichen Bildern. Das Erzählen ist für sie
eine letzte Möglichkeit der Selbstvergewisserung, sie alle haben Verlust erlitten, sind selbst
Verlust, ihre Welt entgleitet ihnen und sie sind
schon im Verschwinden begriffen. Die innere
Ordnung kontrastiert die äußere, die althergebrachte militärische, patriarchalische, von der
die Protagonisten allesamt tief geprägt sind,
und gerade diese ist es, die sie alle in ihre jeweils
eigenen Formen des Wahns treibt. Dennoch
verwirrt diese Erzählweise nicht, im Gegenteil,
sie macht das Erzählte umso klarer und begreifbarer, als es, in realistischer Abfolge erzählt,
vermutlich wäre. Und der Fuchs bricht aus dem
Vogelkäfig aus und streift als roter Faden durch
das Monumentalgemälde …
Alle Romane von Antonio Lobo Antunes
beschäftigen sich auf die eine oder andere Weise
mit der wechselvollen und nicht immer ruhmreichen Geschichte dieses Landes; sie bilden
zusammen ein großes Mosaik, und zugleich hat
jeder von ihnen sein ganz eigenes Gesicht, ist
jeder von ihnen eigenwillig und dabei unwiderstehlich. Und wer nach der Lektüre nach
Portugal reist, kann nicht umhin festzustellen,
dass es genau das ist, was er gelesen hat.
António Lobo Antunes, Die natürliche Ordnung der Dinge, btb 2006, ISBN 978-3-442-73389-7
24
Masayo Odahashi
25
if it‘s compared
Eva Bourke
Snow Story
If I had one wish it would be
to have been born two or three
hundred years earlier in Japan.
I’d adopt a new name:
Banana Tree or Blue Ink Pot,
or even Cup of Tea
and talk to crickets and swallows
knowing that the Milky Way
was reflected in their eyes, too.
I might take to the road,
the one to the Deep North
or live in seclusion complaining of too many visitors.
I would study how a tree
stands for itself and nothing else
and try to learn from it.
I’d teach important things
like ideograms, meaning “polite frog”
or “snail climbing Mount Fuji”
and on my wanderings fix my broken sandal thongs
or tears in my knapsack,
listening to the small songs of the insects.
At the end of my life I might find myself alone
living in a grain store with snow
falling through holes in the roof.
26
Eva Bourke
Schnee-Erzählung
Wenn ich einen Wunsch frei hätte
möchte ich vor zwei- oder dreihundert Jahren in Japan geboren sein.
Ich nähme einen neuen Namen an:
Bananenbaum oder Blaues Tintenfass
oder gar Tasse Tee
und spräche mit Grillen und Schwalben
denn ich wüßte dass die Milchstraße
sich auch in ihren Augen widerspiegelt.
Ich ginge vielleicht auf Wanderschaft
auf der Straße in den tiefen Norden
oder lebte einsam und beklagte mich über zu viele Besucher.
Ich würde studieren wie ein Baum
für sich steht und nichts sonst
und versuchen von ihm zu lernen.
Ich lehrte wichtige Dinge wie
Ideogramme für "höflicher Frosch"
oder "auf den Fujiyama kletternde Schnecke"
und auf meinen Wanderungen würde ich gerissene Sandalenriemen
oder Löcher im Rucksack reparieren während ich
den kleinen Gesängen der Insekten lausche.
Am Ende meines Lebens fände ich mich vielleicht
allein in einem Getreidespeicher wieder
wo Schnee durch die Löcher im Dach fällt.
27
Masayo Odahashi Ausstellung Galerie B
Hiromi Itō (* 1955 in Japan) feierte ihr
fulminantes literarisches Debüt Ende der
siebziger Jahre in japanischen Lyrikkreisen.
Seither veröffentlichte sie Gedichtbände
sowie Prosa, Übersetzungen und Essays.
Sie arbeitete als Illustratorin, Lehrerin und
als Herausgeberin für verschiedene Lyrikzeitschriften.
Hiromi Itō erhielt zahlreiche Preise und
gilt heute als eine der herausragenden und
wegbereitenden Autorinnen der japanischen Gegenwartslyrik.
Seit 1997 lebt sie mit ihrer Familie in Kalifornien.
Link zur Seite von Hiromi Itō
und ihrer Lesung
bei Lyrikline
Link zur Seite von Eva Bourke
und ihrer Lesung
bei Lyrikline
28
Hiromi Itō
(eine Übersetzung von I. Hijiya-Kirschnereit)
Schnee
Als ich den Fußspuren mit den Augen in die Ferne folgte
begriff ich, es hatte einen Hasen erwischt
Die schnurgerade Spur war der Fuchs, sagte man
hoppelpop, hoppelpop, die Spur der Hase
Schnurgerad und Hoppelpop vermischten sich
und gingen in ein Schnurgerad über
Blut fand sich keins
Hoppelpop wehrte sich nicht einmal
Ich bin barfuß
Schuhe und Strümpfe zog ich aus
bin dort ganz entblößt
Du siehst es
Als ich Schuhe und Strümpfe auszog
kamen auf meinen Zehen Haare zum Vorschein
Blut trat zwischen den Zehen hervor
Du siehst auch das
Ich schreibe
Du siehst auch das
Ich will es zeigen
denke ich
Auch du schreibst
Ich sehe es
Wie wunderschön dieser Mann schreibt
Wie wunderschön
der Mann, die Männer, die Frauen
Du hörst zu schreiben auf und steckst es ein
Mir willst du es wohl nicht zeigen
Du ziehst deine Schuhe an
und gehst hinaus über das schneebedeckte Feld
Ich bleibe hier zurück
Wenn Hoppelpop über das Schneefeld geht
ereilt es das Schicksal Schnurgerad
das geschieht gewiß, wenn die Dämmerung einsetzt
am Morgen
29
Jair Meschullam
Angstspiel
Dunkles Mobile
Schatten werden langgezogen
Verstecken sich ungreifbar hoch
Innenseitig
Gabriella
Rückfall
ins Zündeln
auffachen die Glut
bis nichts mehr bleibt
wider sprüche:
wenn du mich liebst
werden schatten für immer
kürzer
Eva
Ascheblätter
wehen davon
zerfallend im Herbstwind
Ich bin der Baum
bleibend
Aram Peter Tunkel
q
Hans-Detlef Fröhlich
bissgerändert
lege ich
mich schlafen, gefärbt
mit tintenfischtinte, träumer einfacher
welten
einfacher träume
tintenfischtinte mit schlaf gefärbt
ichgerändert
Lisa Glauche
30
Marlies Blauth
Geheimes
schlingert dumpf
durch meine Stunde
ich gebe es an
dich
nicht näher
nicht weiter da
friedet sich mir doch
erinnerung
Nikolaus Josef Kahlen
herbstzeitlos
die stunden
klammern den sommer
der nicht haltbar ist
Eva
kahlwärts
Elsa Rieger
hungrig
(natürlich warten)
auf den scheißfrühling
vermisse das knospende aufplatzen
regenguss
durchsickert langsam
den schützenden mantel
vom äußersten ins innerste
nachfrösteln
Hans-Detlef Fröhlich
31
der berg
am hang vertrieben
die wolken die zeit
geröll
Xanthippe
Franz Hofner
Getönt
Ob da ein Rand ist, ein Unterschied
So wie zwischen Eisengabel
Und hölzernem Jonglierbesteck
Ob, meine ich, wenn das Sichtfeld
Ins Unscharfe ausläuft
Oder die chinesische Mauer
Als nasengetragener Horizont
Womöglich sind sowas Scheuklappen,
Zarte Beschränkungen,
Zäpfchenschützer und Stützen
Estragon
Der aufrechten Stäbchen.
Ich meine, das fließt ins
Langnasenbild und ob, z.B.
Alle Begriffe gelb sind oder blau.
herzschlag
manchmal betrachte ich die welt
als könnte nur ich sie sehen
und will gar nicht und schaue weg
schaue lieber einer notiz hinterher
die ich nicht lesen kann
die mich aber höher schlagen lässt
so hoch dass es keine wörter mehr gibt
nur noch brände und lichter
und höhen und tiefen
und gesten die man mag
und bewegungen die etwas zu tun haben damit
dass es niemals ausgeht
das verlassen
das heimkommen
diesen einen satz aus sich selbst hinaustragen
münder
beschlagene scheiben
lichtfetzen in den jacken
in den taschen geduld
die beine verlassen den boden
und fallen in die tiefe
32
Masayo Odahashi
33
face to face IV
Thomas Milser
rausgehn
sanddorntage. der grund
zu karg, als dass die süße
bliebe
am ende bittre kerne, gespien
in sonnensand von
trocknen
lippen
die nicht mehr
flüstern kocham
cię
muss rausgehn
in den
regen
Es war ein gute Idee, die Flagge von Juist hier zu hissen. Wenn du die Augen schließt und dem
Wind zuhörst, ist es wie am Meer. Man kann überall am Meer sein.
---
Immer wenn ich diese Sanddorn-Marmelade esse, kann ich wieder die wettergegerbten
Holzplanken unter unseren nackten Füßen spüren.
Den letzten Rest lasse ich im Glas, als Andenken, und stelle ihn in den Kühlschrank zurück. Zum
Verschimmeln.
---
Nachtschweiß mindert das Wohlbehagen nicht. Erst, wenn er kalt geworden ist. Und uns der
Mutterleib wieder ausspuckt, in die fröstelnde Dämmerung.
---
Zeit, den Schmerz ins Haus zu bitten. Er hockt schon so lange reglos unter dem Rhododendron.
---
Ich würde so gerne noch einmal unter deiner Brust sterben.
34
--Ich habe mir eine Bürste mit einem langen Stiel gekauft, für den Rücken. Damit ich deine Hände
nicht mehr vermisse.
---
Weißt du noch, wie ich nachts mitten im See aus dem Schlauchboot steigen musste und dich zur
Insel schieben, weil wir ein Leck hatten?
Als das Gewitter kam, haben wir uns unter die Malerfolie gelegt, und dein Unterleib hat uns beide
gewärmt.
Wie heiß es in dir war.
---
Diese Wohnung ist ein Museum.
Spürst du auch, wie es kühler wird?
---
Die Tage fühlen sich jetzt an, als vertrockneten sie unter mir.
---
Ich habe diese Türe schon so lange nicht mehr geöffnet.
treibholz
Lesung von
Henkki Zakkinen
in den salzwellen sind wir
nackt
werden gezogen richtung
kalfamer im
unterstrom
Der Audiobeitrag ist im Rahmen eines
gemeinsamen Lesungs-Projektes von
Thomas Milser (Texte, Geräusche,
Abmischung) und Henkki Zakkinen
(Lesung) entstanden.
und beginnen
die quallen zu lieben
an den waden
weil sie das meer atmen können
und wir nicht
Eine CD-Produktion unter dem Titel
'endlich kalt' mit diesen und weiteren
szenarischen Lesungen befindet sich in
Arbeit.
im untertauchen werden wir
strömung
35
zoom in
Andreas Ferdinand Fecke
Stones
zoom out
P.J. Blumenthal
www.sprachbloggeur.de
Ich träumte, dass mir träumte
Leider habe ich alles schon vergessen. Ich hatte in
der Nacht den Inhalt einer neuen Glosse geträumt,
aber dann summte der Wecker, und zack! wurde ich
mit leerem Kopf jäh aus dem Schlaf gerissen. So was
kennen Sie bestimmt auch.
sönliche" Verben – und ihre Bedeutung hängt mit der
geistigen Wahrnehmung zusammen. Doch nun wird es
kompliziert: Warum hat man früher das Denken und
das Träumen durch unpersönliche Verben ausdrücken
wollen?
Doch nun begann ich über das Wort "Traum" nachzudenken, was allerdings nicht das Thema meiner Traumglosse war. Ich erinnerte mich plötzlich, dass ich wegen
dieser Vokabel einst fest damit gerechnet hatte, dass
ich die deutsche Sprache nie würde lernen können.
Nein, ich formuliere es ganz anders: Dank dieser altertümlichen Vokabeln bekommen wir Einblick in die
letzten Reste einer längst untergegangenen Weise die
Welt zu verstehen.
Wer früher (und ich denke hier in Jahrtausenden)
"mir träumte" sagte, meinte dies wortwörtlich. Er
wollte damit sagen: Nicht ich habe geträumt, sondern
es hat in mir geträumt. Wer war dieses "es"? Wer
sonst? Die Bewohner einer anderen Wirklichkeit, die
die Menschen in ihren Träumen heimsuchten bzw.
besuchten! Noch heute glauben die Ureinwohner
Australiens an eine "Traumzeit", so heißt die Welt, die
parallel zu der uns bekannten existiert.
Nicht das Hauptwort "Traum", sondern das Verb
"träumen" bereitete mir damals große Schwierigkeiten.
Ein Scherzkeks aus meinem Bekanntschaftskreis hatte
mir erklärt, dass man das Verb "träumen" folgendermaßen konjugiere: "Mir träumte, dir träumte, ihm/
ihr träumte. Nein, warte", überlegte er, "du träumtest,
müsste das heißen."
"Wie kann das so kompliziert sein?" fragte ich.
Mit den Gedankengängen war es nicht anders. Man
nahm auch sie ähnlich unpersönlich wahr. Gedanken
schwärmten einem durch den Kopf, als führten sie ein
eigenes Leben. Und manchmal scheint es auch uns
– noch heute – so zu sein. Noch immer behaupten
Leute, "Ich hab’s nicht getan. Etwas in mir hat mich
dazu getrieben." Das klingt, als würden im Kopf
verschiedene "Ichs" das Wort ergreifen, ohne dass man
selbst beteiligt wäre.
"Tja, willkommen in der deutschen Sprache."
"Kann man nicht einfach 'ich träumte, du träumtest,
er / sie träumte’ sagen?" fragte ich sehr verunsichert.
"Ja, so reden viele", antwortete er, "Wenn du mich
fragst, ist das aber bestenfalls eine Verlegenheitslösung.
Die meisten Menschen kennen sich in der eigenen
Sprache nicht mehr aus."
Naja, ich möchte niemandem mit diesen arkanen
Gedanken den Kopf verdrehen. Ich versuche lediglich
zu erklären, warum man früher "mir träumte" und
"mich dünkt" sagte.
Ich jedenfalls war nach dieser Unterredung schlichtweg
überfordert. Heute hingegen habe ich mit diesen Wortformen keine Probleme mehr. Denn ich habe längst
verstanden, dass diese grammatische Konstruktion
auch im Englischen nicht unbekannt ist. Als Shakespeare lebte, sagten alle "methinks", was natürlich mit
dem deutschen "mich dünkt“ verwandt ist.
Nächste Frage: Warum sagen wir heute lieber, "ich
denke" und "ich träumte" anstelle der alten unpersönlichen Formen? Auch das hat etwas zu bedeuten.
Und zwar: Endlich haben wir die Verantwortung für
die eigenen Träume und Gedanken übernommen.
Meinen Sie auch?
Worauf will ich hinaus? "Mich dünkt", "methinks",
"mir träumte": Das sind allesamt sogenannte "unper37
Mira Berkenblit
Besuchsregeln – Du erzählst mir Kirschen bis in den Stein
Kirschen
Sprichwörter über das Wetter zu erfinden, da
dir keine echten mehr einfallen, dann brauchen wir nachher auch keine Zeit zu verlieren,
über die Aufzugsdemütigungen zu sprechen,
die immer nur du spürst, dann können wir
dein Erschrecktsein über ihre Nachlässigkeit,
darüber, dass sie ihre Etage drücken, als würden
sie dort nicht wohnen, und ihre Angewohnheit
immer mal kurz mit den Halswirbeln knackend
einen Blick nach oben, zu den in der Lampensonne verbrannten Fliegen und dann zu dir zu
werfen, überspringen, dann könnten wir, dann
könnte ich, dir danken.
Ich erzähle dir mal, wie du dann morgen zu
mir kommst. Da gibt es drei Wege. Nachdem
du reingegangen bist, die Treppe nach oben,
nach unten und den Aufzug. Aber die Treppen
nimmt nie einer und wenn du glaubst, nicht mit
den anderen fahren zu können, dann nimm die
Treppe nach unten. Und wenn du nach einer
Etage, die du gelaufen bist, nicht mehr kannst,
vielleicht fallen dir ja gerade die Flaschen aus
der Hand, dann fahr von dort nach oben. Warte
nur, bis die, mit denen du zusammen reingegangen bist, irgendwo oben bei sich die Tür
aufschließen. Du denkst, das Geräusch sei zu
leise, aber du brauchst dich nicht anzustrengen,
meist fallen denen die Schlüssel herunter, bevor
sie es schaffen reinzugehen und der Boden ist
feuerfest und klirrend, dass du es hören kannst.
Es gibt eine goldene Regel, dass man von unten
nicht fahren sollte, denn man würde sowieso im
Erdgeschoss halten, und die Leute erschrecken
sich über einen. Es ginge, hättest du ein Möbelstück in den Händen, am besten aber irgendein
Kunstwerk, wie dein Abschlussprojekt, das ich
immer noch nicht gesehen habe. Dann würden
sie sich um dich stellen und dich anschauen,
und du müsstest aufpassen, dass du aus diesem
Kreis wieder raus kommst. Die Leute wissen nur
von dir, was du ihnen im Aufzug zeigst. Je höher
man wohnt, desto mehr wissen sie.
Mir
Die zu weit- weg - zum-Reinschauen Fenster sind
ja jetzt meine. Ich kann solange hinausgucken,
bis mir schummerig wird und bis genug Vögel
vorbeigeflogen sind, um mich wachzurütteln.
Und wenn es dunkel wird, kann ich ins nachtige Fenster winken, aber keine Sorge, um mein
Spiegelbild nicht zu verwischen, höre ich bald
wieder auf.
Kirschen
Weißt du, wenn ich doch nicht fürchten müsste,
dass du diesen zum Brechen der goldenen Regel
goldenen Moment verpassen könntest. Denn,
was wenn du dich festlauschst, das Klirren
hörst, aber noch wartest, ob es nicht noch
einmal stärker kommt, ob es das richtige war.
Dann würdest du mit allen anderen nach oben
fahren müssen.
Stein
Aber wenn du auf das Klirren wartest, und dann
sofort auf den Knopf drückst, hast du gute
Chancen mit der Selbstdarstellung zu warten,
bis du bei mir bist, dann brauchst du auch keine
Blaues Blatt 2010
Stein
Komm morgen nicht. Könnte dir, glaub ich,
nicht mehr den Weg nach unten erklären.
38
Xanthippe
Du musst die Träume von den Bäumen pflücken, sagte ihr Vater. Aber du darfst sie nicht
anschauen. Lege sie in einen gläsernen Sarg und begrabe sie unter dem Laub des Lebens.
Dann musst du warten, sagte er. Ein ganzes Leben lang haben wir dir beigebracht, wie Warten
geht. Das Warten ist der einzige Weg, den jeder betreten kann.
Deine Mutter, sagte ihr Vater, die glaubt an Flügel, an Engel, an den Wind. Aber das sind nur
andere Namen für das Warten, glaub mir.
Es ist wichtig, dass eine glaubt, wenn sie wartet. Dann verlieren die Träume die Farbe und ergeben
ein Bild.
Jürgen Riering
Ansichten
Während Du
den mächtigen Baum
betrachtest,
seine majestätische Krone
bewunderst,
dich aufrichtest,
beuge ich mich
und streiche
über das Moos,
lasse meine Hände
atmen.
Was kriechst Du auf der Erde,
höre ich dich fragen.
Ich lächle.
39
Renée Lomris
Immer das Sanfte
Es ist verloren, in Dir.
Ich komme nicht daher,
Wie hohe Frauen der Minne.
Mein Stamm lehrte mich enthäuten,
Beute zerlegen,
Mageninhalte lesen.
Mäuler zerreißen sich über mich.
Das Sanfte
Immer, kam es von dir.
Last
Haut
Spreche ich nur noch von Regeln, doch
breche sie heimlich mit meinen Krallen.
Schert mein Fell nicht zu Wolle und
schnürt es nicht ein,
schaut nicht darunter und
geht nicht fort, ich versuche es
mit eurer Haut.
Lisa Glauche
bäume erklimmen, bis dort, wo sie wehen
pelz. schnauze. pfote, die über ohren reibt. im dickicht schnecken entdecken, auf
steinen wärme spüren, bäume erklimmen, bis dort, wo sie wehen. An rispen nagen.
auf pfaden keinen vermissen. den morgen erkennen, die nacht nicht fürchten.
mir kam die empfindung, menschen seien kleine tiere,
als ich die meinen vor die gebisse der füchse stieß;
auch kleine tiere, bekanntlich.
40
Anna Rinn-Schad
Die See ist eine blaue Kathedrale
Die See ist eine große blaue Kathedrale. In der
Krypta wohnt die Tiefseefischin. Hier ist das
Wasser nicht durchsichtig und strahlend wie der
nächtliche Himmel, sondern dick und körperhaft, eine nachgiebige Wand aus Schwärze. Die
Tiefseefischin hat lange, gekrümmte Zähne wie
ein urweltlicher Tiger, der in die ewige Dunkelheit hinabgestiegen ist. Um ihren Weg zu finden,
trägt sie ein Licht mit sich herum. An einem
feinen, fühlerartigen Auswuchs aus ihrer Stirn
hängt ein winziger Leuchtkörper und erhellt
den Raum vor ihr wie ein Stablämpchen.
Viel sieht sie nicht damit. Nur ein kurzes Stück
weit. Manchmal taucht in ihrem Lichtkreis
ein Beutefisch auf, taumelt geblendet von der
plötzlichen Helligkeit, und sie verschlingt ihn
mit einem Haps. Manchmal streift ein zweiter
Lichtkreis den ihren, und ein anderer Tiefseefisch schwimmt heran und beglotzt die Fischin
mit einem misstrauischen Auge. Doch er ist
nicht von ihrer Art und zieht gelangweilt vorbei.
Die beiden Lichtkreise berühren einander wie
Luftballons, die mit hohlem Blubb zusammenstoßen und sofort wieder auseinander streben.
Die Tiefseefischin durchschwimmt steinige
Höhlen, liest die Runenschrift an den Felswänden und leuchtet mit ihrem Lämpchen in
schwarze Löcher, die sich dazwischen auftun.
Manchmal öffnen sich Schlünde, die so tief
sind, dass selbst sie sich nicht hineintraut. Doch
instinktiv weiß sie, dass dort nichts lebt außer
Bakterien und Würmern. Die zählen nicht.
Vielleicht gibt es jemanden von ihrer Art
irgendwo in der schwarzen Wand. Doch wie soll
sie ihn finden, wo sie nur ein kurzes Stück weit
sehen kann?
Alle paar Wochen wagt sie kurzzeitig den Weg
hinauf. Sie wartet den Neumond ab. Trotz des
Nachtdunkels fühlt sich das Wasser auf dem
Weg nach oben zunehmend heller und luftiger
an. Die Tiefseefischin fürchtet sich und strebt
in die Tiefe zurück, doch ehe sie sich wieder auf
dem Heimweg macht, schlingt und schluckt sie
hastig noch mancherlei in sich hinein, denn hier
oben ist die Beute dicht gesät.
Aber nie sieht sie einen Fisch ihrer Art.
Eines Nachts versäumt sie die Zeit und sieht
zum ersten Mal das Anbrechen des Morgens
durch die Wasseroberfläche. Über ihr strahlt
alles wie Kristall und vor der leuchtenden Bläue
verblasst ihr eigenes Laternchen. Die Tiefseefischin möchte aufsteigen, traut sich aber nicht;
ein dumpfer Druck in ihren Eingeweiden warnt
sie, sich diesem fernen Strahlen anzuvertrauen.
Doch über sich sieht sie das silbrige Funkeln und
Zappeln von Hunderten fremdartiger Fische.
Ein einzelner schlanker Fisch zickzackt über
ihr umher. Die Tiefsee­fischin sieht ihn gerade
deutlich genug, um zu erkennen, dass er weder
zum Fressen ist noch ein Fisch wie sie. Zur
Freude geboren scheint er und schlägt übermütige, funkelnde Schleifen. Sekunden später
verschwindet er nach oben, wo sich das Gleißen
des Morgens immer greller entfaltet. Die Tiefseefischin schwimmt ihm nach. Doch der schmerzhafte Druck in ihr nimmt zu. Ein fremdes Etwas
in ihrem Inneren bläst sich auf und droht sie zu
sprengen. Sie jammert lautlos. Endlich kehrt sie
um.
In zweitausend Metern Tiefe ruht sie am Boden
aus. Ihr Lämpchen entzündet sich wieder und
bildet eine kleine Insel in der Dunkelheit.
41
Merlin Carl
Die Entfernung der Sonne
überrascht, mit der man allgemein darauf beharrte,
dieses Wetter, das einem in die entlegensten Winkel
unentrinnbar nachkroch und dort selbst einfachste
Verrichtungen zu großen Anstrengungen machte,
ja hie und da selbst jemanden zu Boden gehen ließ,
schön zu nennen: Martin wollte es nicht gelingen, es
als angenehmer zu empfinden als die Launischkeit
des vergangenen Sommers, der bei weit niedrigeren
Temperaturen mal mit Wolkenlosigkeit, öfter aber
mit Winden aus wechselnden Richtungen, Regen und
selbst Gewittern von beängstigender Stärke aufgewartet hatte.
Die Straßen waren mit einer dicken Schicht von
weißem Sand bedeckt, der sich wie gewöhnlich schon
stark genug erwärmt hatte, nahezu jedem Spaziergänger
trotz des bizarren Bildes, den dies bot, abzunötigen,
seine Füße durch gefütterte Schuhe mit dicken Sohlen
zu schützen; es damit anders zu halten, war nicht
gerne gesehen, war aber ohnedies nur erträglich, wenn
man sich über kurze Distanzen einer Art humpelnden
Hüpfens befleißigte. Martin fand nichts davon bemerkenswert – er pflegte zu diesen Umständen die gleiche
distanzierte Betrachtungsweise wie zu all den anderen
Dingen, die sich angeblich selbst verstanden.
Die meisten Leute verbrachten ihre Zeit damit, auf
Handtücher und Liegestühle gefläzt, regungslos bis auf
ein gelegentliches Blinzeln, aber stets lächelnd, auszuharren, und verwandelten in ihrer Masse die breite,
schnurgerade und unabsehbar lange Straße (tatsächlich hatte Martin ihr Ende nie gesehen, wenn er auch
glaubte, auf einem längeren Marsch ihrem Anfang
zumindest nahe gekommen zu sein) in einen bis zum
Fluchtpunkt ausgedehnten bunten Flickenteppich.
Ab und an sah Martin zurück und versuchte das Haus
auszumachen, aus dem er gekommen war, was eine
durchaus schwere Aufgabe war, denn eines war hier
vom anderen nicht zu unterscheiden; er war sich nicht
einmal sicher, ob er jemals zum zweiten Mal im selben
Haus gewesen war, obschon es ganz gewiß immer das
gleiche war.
Ein Hund und eine Katze kreuzten seinen Weg, die sich
in formaler Pflichterfüllung ihren Instinkten gegen-
Als eindringliche Sonnenstrahlen Martin aus einem
langen, tiefen Schlummer weckten, war ihm die Zimmerdecke alles andere als selbstverständlich. Nicht, daß
etwas sagbar Ungewöhnliches daran gewesen wäre, ein
seltenes Muster etwa, oder ein zuvor nicht wahrgenommener Riß, das es ihm, wenn jemand zugegen gewesen
wäre, erlaubt hätte, diesem seine Irritation mitzuteilen; er fand sich in jener eigentümlichen Schwebe
zwischen Ferne und Nähe zur Welt, die den Einbruch
des Faktischen ins Erdachte begleitet. Daß er keinerlei
Anstalten machte, sich auf eine der beiden Seiten festzulegen, sondern noch eine ganze Weile reglos dalag
und mit offenem Mund zweifelnd nach oben starrte,
machte einen Teil seiner Eigentümlichkeit aus, den er,
weil er unablöslich an ihm klebte und gemeinhin als
Verfinsterung betrachtet wurde, bisweilen augenzwinkernd als sein „Pech“ bezeichnete, welches nämlich
eben darin bestand, jene Entscheidung, der er sich
gerade so standhaft widersetzte, so ganz niemals treffen
zu wollen, mithin zuweilen unter gänzlicher Mißachtung besorgt kopfschüttelnder Umstehender die alltäglichsten Dinge mit einer Hingabe betrachtete, als gelte
es, ihnen die tiefsten Geheimnisse des Universums zu
entlocken. Tatsächlich kam das seiner Ansicht ziemlich nahe, und auch wenn er hierfür weder Grund
noch Ursprung anzugeben wußte – hätte plötzlich
jemand die Welt wie einen Vorhang vor seinen Augen
weggezogen und ihm erklärt, bis dato habe er einem
Meisterwerk surrealistischer Theaterkunst beigewohnt, hätte ihn das wohl auch nicht deutlich mehr
befremdet, als es gerade nun die Zimmerdecke tat.
Nachdem er sich zu der Erkenntnis durchgerungen
hatte, daß, welche Mysterien auch immer dort verdeckt
sein mochten, sie sich jedenfalls so rasch nicht lüften
würden, ein wenig Lüftung ihm aber nicht schaden
würde, erhob er sich mit einem Ruck, zog sich an und
trat wenig später aus dem Haus.
Draußen war es für einen Tag im nominellen Herbst
frappierend warm, und schon nach wenigen Schritten
standen ihm die ersten Schweißtropfen auf der Stirn.
Obwohl mit diesem Phänomen längst wohlvertraut,
war Martin aufs immer Neue von der Standhaftigkeit
42
länger ertrug, in den Schatten floh und mich in die
Stürme früherer Tage wünschte. Damals konnte ich
nahezu jedes Wetter schätzen – auch die Sonne, gerade
sie, ja sehnte sie, wo Dunkel war, sogar herbei. Doch
seit sie nicht mehr untergehen will, ekelt sie mich wie
eine Süßigkeit im Überfluß.“
Wie auf ein Zeichen hin hoben die Umstehenden, die für die Dauer seiner Rede kurz innegehalten hatten und verstummt waren, wieder
zu johlen an und drängten zum Aufbruch.
„Du siehst – ich muß nun weiter“, seufzte er da. „Doch
soll das einer Unterredung nicht im Weg stehen. Folge
mir nur – oder halte Schritt.“
Martin entschied sich für letzteres und ging, anfangs
noch in der Hoffnung, die noch immer etwas rätselhaften Umstände sich begreiflicher machen zu können,
neben dem Verhüllten her. Anfangs sagte er ab und an
noch etwas zu ihm, als aber der Lärm des Schwarms,
welcher sich eines beständigen Zulaufs von der Straße
erfreuen konnte, so groß wurde, daß er alles Reden
schluckte, wurde er still. Sie passierten den Steinengel,
ein Denkmal, dessen Pflege inzwischen derart nachlässig versehen wurde, daß es durch Sand und Sonne
so stark erodiert war, daß ihm schon der Schwertarm
und ein Flügel fehlten, und erreichten eine Kreuzung,
an der eine letzte Querstraße die Grenze des Waldes
markierte.
Zu Martins Erstaunen bogen sie hier jedoch nicht ab,
sondern überquerten sie stattdessen, gingen ein Stück
durch den Wald, bis sich dieser überraschend lichtete und den Blick auf ein recht eigenartiges Gebäude
freigab. Der Waldpfad, den sie gekommen waren, ging
hier in eine gepflasterte, von weißen Marmorsäulen
gesäumte Allee über, an deren Ende ein gewaltiges Tor
den Zugang zu etwas hinderte, dessen Erbauer sich
allem Anschein nach nicht hatte entscheiden können,
ob er eine Schule, einen Tempel oder eine Trutzburg
hatte bauen wollen: Über einem wohl granitenen
Fundament erhob sich ein Dschungel von Erkern,
Kuppeln, verschieden hohen Türmen und Plattformen,
die durch ein sogar aus dieser Entfernung unübersichtliches Geflecht aus Treppen, Gängen, ja selbst für einen
solch massiven Bau ganz unpassenden Hängebrücken,
Strickleitern und einzelnen Seilen verbunden waren.
Dahinter war undeutlich noch etwas anderes sichtbar,
das für sich genommen eine bedeutende Größe haben
über eine lustlose Verfolgung lieferten. Sie trotteten
ein paar Minuten lang hintereinander her, dann legten
sie sich hin, rollten sich zusammen und schliefen ein.
Die Hitze schien ihre Einwohner in Lethargie und
damit die Stadt selbst in einen Zustand derart gleichförmiger Ereignislosigkeit zu stürzen, daß Martin sich
schon fragte, ob er sich durch sein Schlendern nicht
bereits den Unmut der Herumliegenden zuzog, als er
um eine Ecke bog und sich unversehens einer ganzen
Schar Menschen gegenübersah, die in seine Richtung zogen. Über der Menge lag ein Lachen, Johlen
und Grölen von einer Gewalt, daß selbst Martin sich
wunderte, wie dieser Lärm ihm zuvor hatte entgehen
können.
Als er näher heran war, erkannte er den Grund des
Aufruhrs: Inmitten der Traube stolperte ein Mann
vorwärts, der war von Kopf bis Fuß in ein schwarzes
Tuch gehüllt, taumelte von einem Häuserschatten
in den nächsten, und wo sich keiner bot, da duckte
er sich unter dem Licht wie unter einer Peitsche.
Da Martin sich keinen rechten Reim auf das Geschehen
machen konnte, trat er mit einigen raschen, entschlossenen Schritten durch die Menge, die sich bereitwillig
teilte und rasch wieder schloß, auf den Eingehüllten zu
und fragte ihn, was mit ihm sei.
„Ja sieht man es denn nicht? Es ist die Sonne – ich
kann sie nicht mehr ertragen.“ Und als sei damit alles
zureichend erklärt, wandte er sich zum Gehen um, als
Martin ihn am Arm faßte und zurückhielt.
„Die Sonne?“ fragte Martin verwundert. „Aber wie
haben Sie dann bisher gelebt – und wohin gehen Sie
jetzt?“
„Ich habe mein Heim verdunkelt und bin darin
geblieben“, sagte er, „allein – kostet es mehr Kraft,
einen Nachbarn wie mich längere Zeit zu erdulden,
als ich diesen braven Menschen abverlangen möchte.
Nun bleibt mir nur das Irrenhaus. Kein schöner Ort –
aber was soll ich tun, ich kann sowenig aus diesen Kleidern wie aus meiner Haut, habe es durchaus versucht,
sie abgelegt und bin mit meinem bloßen Leib vor die
Sonne getreten, hoffend, der Segnungen würdig zu
sein, die sie so reich unter den Glücklichen verteilt,
wie jenen, die mich jetzt umgeben. Doch schon nach
wenigen Minuten packte mich solche Übelkeit, daß
ich Brechen mochte, so sehr ging mir ihr Scheinen
wider das Gemüt, daß ich es trotz großer Mühe nicht
43
Blick auf die Bilder zu erhaschen; weil dies aber
einigen, sonderlich aus der Mitte, nicht gut gelingen
wollte, reckten manche die Hälse und setzten sich
auf, was wiederum die hinter ihnen Sitzenden nötigte,
in kniende oder hockende Positionen zu wechseln
– worauf die Vordersten, die bisher sitzengeblieben
waren, ihnen an zur Schau getragenem Interesse
nicht nachstehen wollten und sich erhoben, worin
ihnen nun freilich alle anderen folgen mußten, und
so begann ein wüstes Gedränge und ein großer Lärm
wie von einer Wolke Fliegen, weil jeder wünschte,
das Gesicht des Mannes auf dem Turm zu sehen.
Dieser seinerseits schien sich nicht weiter um sein
Publikum zu scheren; weder warf er auch nur einen
flüchtigen Blick in Richtung der Umstehenden, noch
wartete er ab, bis die Gespräche verebbten, um seiner
Rede vermehrte Wirkung zu verschaffen. Mit einem
schnellen Schritt trat er an die Mauer, und obwohl
Martin nach den Leinwänden damit gerechnet hatte,
seine Rede durch eine Verstärkeranlage vervielfacht zu
hören, schrak er doch selbst aus seinem Zustand wachsamer Aufmerksamkeit noch weiter auf, als die Stimme
des Mannes über die Lichtung donnerte wie eine Welle
aus stürmischer See. Dabei war die Stimme selbst eine
leise, ein Raunen, Wispern, Murmeln, ein brisenzarter
Zuspruch, der mit der Übertreibung der Lautstärke,
mit der er jetzt verbreitet wurde, nicht wohl zusammenging, weshalb es Martin ein wenig Anstrengung
kostete, dem so beständig dem Spott seiner Form
preisgegebenen Inhalt der Ansprache zu folgen.
„Wenn ihr von einem hohen Berg aus um euch schaut
und euch an Tal und Wald nicht sattzusehen wißt,
und niemand eure Betrachtung stört, merkt ihr mit
Recht, daß an euch etwas Seltsames geschieht: Sind
denn nicht beide euch schon wohlbekannt, habt ihr sie
nicht schon dutzendmal durchquert? Nun aber, in der
entrückten Aussicht, begegnet Altbekanntes mit einer
gemütserschütternden Erhabenheit, heißt euch auf
schmalem Grat zwischen Versunkenheit und schöpferischem Übermut bald nach dieser, bald nach jener
Richtung neigen, und wer, was er da fühlt, zu deuten
weiß, wird merken, daß er sehnt.
Steht der Berg noch nah bei einer Stadt und wird
des öfteren begangen, dürft ihr mit gutem Grund
erwarten, daß ihr dort ein Instrument vorfindet, das
ein geschäftstüchtiger Krämer dort aufgestellt hat
mußte, von dieser Seite der Lichtung aber durch die
atonale architektonische Symphonie davor beinahe
verdeckt wurde.
„Nun sind wir also da – gerade zur Mittagszeit, meine
ich, wenn ich auch nicht sagen kann, warum. Früher
war ich häufig hier um diese Zeit, es ist die Stunde
des Alten, mit meinen Freunden machte ich mir oft
den Spaß, ihm zuzuhören, wie so mancher – sieh nur,
wieviele schon gekommen sind; doch heute ist mein
Weg ein anderer.“ Martin ließ seinen Blick der Geste
folgen und bemerkte jetzt erst, daß sich nur wenige
hundert Meter von ihm entfernt eine große Gruppe
von Menschen versammelt hatte, die erwartungsvoll
nach oben, und, wie es ihm schien, zur Spitze eines
weißen Turmes schauten, der so hoch war, daß sein
Schatten die Wartenden fast berührte. Einen Moment
lang stellte er sich die Frage, was dort wohl zu sehen
sein würde, doch als er sich umdrehte, um sie einem
Kundigeren zu stellen, hatten sich die Schwärme
schon zu einem vereinigt und der Verhüllte war nur
noch eine dunkle Silhouette auf halbem Weg zum
Tor. Nicht lange, dann hatte er es erreicht, es öffnete
sich langsam, ein kurzes Zögern, er tat – man konnte
es auf die Entfernung nicht gut sehen – vielleicht
sogar noch einige Schritte rückwärts, dann trat er
mit wenigen raschen Schritten ein und verschwand
unter wenig freundlich klingenden Beifallsrufen
der Menge hinter den sich schließenden Flügeln.
Da Martin sich für keine dieser Richtungen erwärmen
konnte, setzte er sich in den Schatten auf das angenehm kühle Pflaster und blickte nach dem Turm hin,
der allerdings aus dieser Position das Sonnenlicht so
stark auf ihn zurückwarf, daß er geblendet die Arme
vor das Gesicht hob. Er erwog, sich zu den anderen
zu stellen, die allem Anschein nach ohne Schwierigkeiten hinaufsehen konnten, fand aber, daß er sich
nach ihrem Benehmen von zuvor ihrer Gesellschaft
schämen müsse und versuchte lieber, das Geschehen
vorsichtig zu erblinzeln.
In diesem Moment entrollten sich ein gutes Dutzend
Leinwände an der Außenmauer, auf welche – woher,
wußte Martin nicht auszumachen – ein Gesicht projiziert wurde, das, soweit die Entfernung ein Urteil hierüber erlaubte, das eines bärtigen alten Mannes war.
Da ging ein Ruck durch die Wartenden, mit raschen
Bewegungen wandten sie sich um und suchten, einen
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errafft er immer Neues, und wenn er ausreichend
geschickt ist und nicht müde wird, verfliegt sein Leben
in der Hoffnung, das immer Nächste werde ihn erlösen.
So lauft ihr unentwegt dem Scheinen nach, welches
dem Mond auf Reisen gleich so rasch entweichen
muß, als ihr euch nahen wollt.
Wie ihr auch nun, da ihr mir zuzuhören glaubt, weiter
nichts als diese Flimmerflächen angafft, weil sie euch
etwas Fernes nahe scheinen lassen – und fern bin
ich euch in der Tat, wovon die Höhe meines Turms
nur einen schwachen Eindruck gibt. Törichtes Volk
– wolltet ihr mit den Augen hören? Euer Gesicht ist
blind für meine Worte – oder ist einer unter euch, der
weise genug war und seine Augen schloß, weil er mich
hören wollte?“
Danach brach er in ein abruptes Schweigen aus und war
auch durch zahlreiche „Zugabe“- und „da capo“-Rufe
aus dem Schwarm zu keinem Wort mehr zu bewegen;
als dieser die Vergeblichkeit seines Bemühens einsah,
applaudierte er demonstrativ laut und anhaltend und
zog davon. Als sie verschwunden waren, wurden die
Leinwände eingezogen. Dann, nachdem das erloschene
Knistern verriet, daß auch die Verstärker abgeschaltet
waren, wurde die Stimme des Alten erneut vernehmlich, leiser nun, unverstärkt, aber dabei kraftvoller und
klarer.
„Ja, geht nur alle – besser jetzt als gleich zurück in die
Höhle, aus der ihr kamt“, trug ein leichter Wind seine
Stimme herüber, dann aber, in einer Farbe, die nichts
mehr von der Resignation des letzten Satzes hatte:
„Wer bist du?“ Als Martin auffiel, daß hier außer ihm
niemand war, der gemeint sein konnte, fürchtete er
den Unmut des Alten erregt zu haben und wollte sich
davonschleichen.
„Bleib! Wer dort sich hinsetzt, begehrt Einlaß, er mag
es wissen oder nicht. Nun, im ersten Fall will ich
ihn dir nicht wehren – im zweiten jedoch geradezu
gebieten. Komm herein!“ Auf dieses Wort hin öffneten
sich die Tore.
Die Stadt konnte warten – tatsächlich war es das, was
sie in Staub und heißer Luft unentwegt zu tun schien,
wenn auch auf ein unkenntliches Worauf – und was
des Alten Rede an den Schwarm über das verhieß, was
er geladenen Ohren mitzuteilen hatte, reichte Martin
als Grund vollkommen aus. Ohne Zaudern schritt
Martin den Säulengang ab und hielt erst direkt vor der
und das euch gegen einen kleinen Obulus erlaubt, die
Dinge, die ihr aus der Ferne anstaunt, so nah zu sehen,
als stündet ihr davor. Möglicherweise seid ihr auch von
sparsamerem Schlag und trugt etwas der Art mit euch
hinauf? Da geht nun euer Blick hindurch, voll Hoffnung, daß sich euch Grund und Ursprung dessen, was
euch die Ferne fühlen ließ, nun offenbaren – doch was
seht ihr?
Etwa den Ursprung eures Staunens, nur gründlicher,
als es das Auge zeigen kann?
Etwa das Erhabene, nur größer als zuvor?
Etwa die Antwort auf die Frage nach dem Wovon eurer
Sehnsucht?
Nein – Bäume seht ihr, Häuser, Steine, Menschen wie
gehabt und Straßen, deren Staub noch auf euch liegt,
und alles, was vom Rausch der Ferne bleibt, ist jene
leise Scham, mit der ihr euch allmählich als Voyeur
entlarvt.
Und was konntet ihr wohl sonst zu sehen hoffen –
denn aus der Nähe sind dort nichts als Bäume, Häuser,
Steine, Menschen und Straßen, deren Staub noch auf
euch liegt. Was ihr bestauntet, was euch taumeln,
grübeln, sehnen machte, war – die Ferne selbst.
Das Unverfügbare, das eben und nur darum die Gelegenheit hat, euch als das Schöne zu erscheinen, weil
es eurem Interesse Schranken setzt; das Unbesitzbare,
das mitreißt, indem es sich entzieht. In der Betrachtung, die den Willen still hält und kein Interesse bei
sich führt, offenbart ein Ding alleine Schönheit – sein
zu lassen ist zuletzt ihr Grund.
Solange ihr lebt, ist euer Schicksal, warm zu sein – die
Ferne aber ist wie Eis.
Ent - fernung – habt ihr die tiefe Prophetie, die dieses
Wort birgt, je bedacht?
Daß ihr das Ding aufhebt, indem ihr ihm die Ferne
nehmt?
Einer fängt an, einen anderen Menschen anzusehnen
– und um sich von dieser Zumutung zu lösen, erstickt
er jeden Glanz mit seiner Nähe. Kaum einer hat
noch soviel Geist wie jene Ritter der alten Minne, die
wußten, wann es innezuhalten galt.
Einem anderen ist ein Tier das Ferne – dann zähmt er
es und klagt in eins über das Feuer, das in ihm erloschen ist, und über den Rest von Glühen.
Ein Dritter sucht das Heil in angenehmen Dingen – und
wenn sie ihm auch alle fade werden, wie er sie erlangt,
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Bisweilen treffe ich einen von jenen Unglücklichen –
solche sehen dann ihr Lebtag nur noch gleißend bunte
Lichter vor ihren Augen, ein trügerisches Schauspiel
der Zerstörung und Vernebelung, doch von offenbar
so atemberaubender Schönheit, daß sie zumeist nicht
davon abzubringen sind, sie sähen da den tiefsten
Grund der Welt vor ihren Augen. Also versuchen sie
über das beliebige Blinken und Flackern etwas zu
erkennen, bisweilen selbst die Blitze zu ergreifen, die
sie doch so nahe vor sich sehen – ein fürchterliches
Schauspiel. Sie torkeln wie rasend ziellos durch die
vielen Gänge voller Stimmen, folgen, da sie des eigenen
Sinnes beraubt sind, bald dieser, bald jener, verlieren
sich in den Tiefen, oder, was nicht selten vorkommt,
brechen sich an einer der steilen Stiegen den Hals oder
stürzen eine Mauer herab; vor allem aber muß man
darauf achten, daß solche Verwirrten nur ja nie mehr
hinausgelangen, denn wo ihr verzückter Wahn der
ungeübten Urteilskraft der Äußeren begegnet, bringt
er leicht ein ganzes Volk dazu, den Täuschungen zu
folgen, die er für Schicksalsboten hält, und führt sie
in irgendeinen Abgrund. Kurz:“, setzte er hinzu, als
er aus der Befangenheit seines Monologs aufsah und
dem Gesicht seines Gegenübers entnahm, daß die
erste Hälfte seiner Rede zu Martins Überzeugung vollständig genügt hätte „Lasse Vorsicht walten. Neugier
ist ein tiefer Antrieb und ein guter, doch wie alles Tiefe
und Gute ist er in diesen Mauern nicht ohne Gefahr.
Sieh einstweilen lieber einmal durch das Fenster dort.“
Martin gehorchte. Er sah die Stadt, und aus dieser
Sicht zeigte sie sich als durch eine solch erdrückende
Übermacht von Wald eingeringt, daß sie kaum mehr
als ein Farbfleck zu sein schien. Doch es blieb ihm
wenig Zeit, bei dieser Entdeckung zu verharren, da
schob sich ein dichter werdender Dunst vor die Scheibe
und erschwerte die Sicht bis zur Unmöglichkeit.
„Beeindruckend – doch leider wird es nebelig“, erklärte
er dem Alten.
„Nebel? Das Wort kennst du wohl nur aus alten
Märchen. Dieser Magier schleiert nichts mehr ein,
das Zeitalter gehört den Blendern – sieh durch jenes
Fenster.“
Erneut folgte Martin der Weisung des Alten. Und
wieder sah er den Wald, überdeckt von Rauch, denn
er stand an unzähligen Stellen zugleich lichterloh in
Flammen.
Toröffnung inne.
Hinter der Schwelle lag spärlich durchfackelte
Düsternis, in der er eine Weile vergebens etwas
Genaueres auszumachen sich bemühte. Einmal drehte
er sogar noch kurz seinen Kopf, doch schon die kurze
Zeit, da seine Augen in der Schwärze ruhten, hatte
dazu geführt, daß er vom grellen Licht geblendet
zurückzuckte und durch das Tor stolperte, welches,
indem es sich umgehend wieder schloß, ihm jede
weitere Entscheidung abnahm.
Was eine Vielzahl von neuen erforderlich machte, denn
der Bau war in seinem Inneren das perfekte Abbild
dessen, was sein Äußeres ahnen ließ: Von der Vorhalle,
in der er nun stand, zweigte eine kaum überschaubare
Zahl von Gängen, Korridoren und Treppen ab. Da,
wenn sonst nichts Genaues auszumachen war, sein
Weg zwar sicherlich nach oben führen mußte, darüber
hinaus alle Möglichkeiten gleich gut waren, eilte er
der nächsten Treppe zu, vorbei an pechschwarzen,
niedrigen Felslöchern, aus denen feine Stimmen mit
geheimnisvollem Wispern lockend riefen. Jene war
eine glückliche Wahl: nach kurzem, atemraubendem
Aufstieg stand er in einem kreisrunden Raum, in
dessen Wand einige Fenster eingelassen waren; eine
Leiter führte zu einem rechteckigen Loch in der Decke,
das von weißem Licht erfüllt war – und davor stand
lächelnd der Alte.
„Ein solcher Anblick lohnt manche verschenkte Rede“,
sagte er, während er Martin mit Blicken musterte,
denen ihre Freundlichkeit nichts von ihrer Schärfe
nahm.
„Da du nun den Weg bis hier herauf gefunden hast“,
fuhr er fort, und es fiel Martin nur einen Moment lang
auf, daß er ihn wie selbstverständlich duzte, „sollst du
auch sehen, was ich sehe.“ Martin wandte sich der
Leiter zu, die zur Plattform führen mußte, von der aus
der Alte gesprochen hatte, doch dieser faßte ihn am
Handgelenk. „Noch nicht! Wie die meisten hast du
vermutlich schon am Tor bemerkt, wie deine Augen der
ihnen viel gemäßeren Dämmerung in diesen Mauern
den Vorzug geben wider diesen Sonnen-schein“ – dies
sprach er so, als seien es getrennte Wörter – „dort
draußen. Mancher hoffnungsvolle Neuling stürmte
schon voll Ungestüm und Tatendrang heraus auf jene
Turmspitze, von wo aus man in einem Sinn, den du
nun kennen wirst, den Dingen ferner ist als je zuvor.
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für jene, denen die Liebe zum Geheimnis tiefer Nacht
nicht auszubrennen war. ´Geistig Umnachtete´ nennt
man uns.“
„Aber – wie ist das möglich? Sie ist doch weit, ich weiß
es, selbst das Licht braucht seine Zeit, von dort hierher
zu finden. Wie konnte sie so nahe kommen, daß sie
beinahe den Boden berührt?“
Der Alte winkte mit müder Geste ab.
„Man hat dafür schon allerlei ursächlich gefunden. Die
wahre Ursache aber kann kein Zeigen dir enthüllen – das
ist ein Weg, den du selbst gehen mußt. Ich kann dir nur
den Hinweis geben, dich drüben im Neubau umzusehen.
Gehe nun – wenn du zu sehen gelernt hast, wirst du
mich hier wiederfinden.“
Mit diesen Worten verschwand er behende über die
Leiter auf die Plattform, wohin ihm Martin nicht
folgen konnte.
Also stieg er die Treppe wieder hinab, zurück in die
Vorhalle, wo alle Wege ihren Anfang nahmen. Sein
neues Vorhaben ließ sich erfreulich leichter als sein
voriges an: Schon durch flüchtiges Umsehen machte er
einen Wegweiser ausfindig, der einen breiten, geraden,
gut beleuchteten Korridor als Richtung Neubau
führend auswies. Selbiger war so zuvorkommend, seine
Passierbarkeit beizubehalten, bis er vor einer Glastür
endete, hinter der ein Mann in einem weißen Kittel
hektisch umherwieselte.
Martin blieb stehen und beobachtete, wie der Weißkittel an den Stellschrauben einer einfachen Apparatur
justierte, die im wesentlichen aus einer Verstärkerbox
und einem Mikrophon, welches auf jene gerichtet
war, bestand. Dabei ging er zwar keiner aus der Sache
unmittelbar erkennbaren Vorgabe gemäß, aber doch
sehr gewissenhaft zu Werke, und erst nach einer
guten halben Stunde zumindest beinahe unmerklicher
Modifikationen schien er zufrieden, legte sein Werkzeug zur Seite und trat vor ein reglerreiches Steuerpult,
an dem er wiederum einige Einstellungen vornahm
und dann mit großer Vorsicht einen großen roten
Schalter umlegte. Danach verfiel er in vollkommene
Regungslosigkeit; nicht einmal die Hand nahm er vom
Schalter, sondern schaute angespannt auf das Mikrophon, während selbst die Hebungen und Senkungen
seines Brustkorbs seltener und flacher wurden, als
unterdrücke er das Atmen. Die nun entstandene
Stille war derart aufdringlich, daß Martin sich ihrer
Hunderte gefräßiger Feuersbrünste wälzten sich durch
das Grün, mal spaltete eine sich auf in Teile, die ihr
Werk in verschiedene Richtungen fortsetzten, bisweilen
trafen zweie aufeinander, vereinigten sich und fielen
gestärkt über die umstehenden Bäume her. Andere
schlossen sich zu Kreisen, die nach innen wuchsen
und verloschen, als sie kein Futter mehr fanden. Was
sie hinterließen, hatte wenig Ähnlichkeit mit dem, was
Martin aus Bildern von verbrannten Wäldern kannte
– was hinter ihnen blieb, waren Hänge und Dünen
weißer Asche. Als Martin den Blick ein wenig hob,
erkannte er, daß der von hier aus sichtbare Teil des
Waldes von einer weißen Fläche eingeschlossen war,
die sich bis an den Horizont erstreckte. Er schauderte
zurück.
„Wie furchtbar! Warum kommt denn niemand, sie zu
löschen?“
„Löschen?“ Der Alte lachte traurig. „Löschen stoppt
Vernichtung, nicht Verwüstung. Indes würde auch all
meine Redekunst nicht ausreichen, um irgendwen, der
solch eine Aktion befehlen könnte, davon zu überzeugen, daß es diese Brände überhaupt gibt. Und was
würde das auch nützen? Es brechen ständig neue aus.
Sieh durch das dritte Fenster, dann wirst du wissen,
wie fruchtlos alle Brandwehrkunst hier wäre.“
Und abermals willfahrte Martin dem Alten und trat
an das dritte Fenster, dessen Scheibe nicht klar und
durchsichtig, sondern dunkel war wie das Glas einer
Sonnenbrille.
Wo blauer Himmel hätte sein sollen, tobte ein Flammenmeer. Von Horizont zu Horizont lag ein gelbes
Feuer über dem Wald, so nahe, daß es die obersten
Baumspitzen fast zu berühren schien. Darunter begann
Baum um Baum zu brennen.
„Was ist, kann dir hier oben keiner sagen – du müßtest
jedes Wort, um ihm zu trauen, so eingehend prüfen,
daß du es mit gleichem Aufwand selber hättest finden
können. Soviel muß genügen: Was du siehst, ist die
Folge der größten Ent-fernung, die der Mensch je in
die Welt gebracht hat. Du siehst die Sonne.“
Und als Martin herumfuhr und ihn anstarrte wie ein
Geisteskranker einen anderen, fügte er ruhig hinzu:
„Darum herrscht andauernder Tag – sie blinzeln sich
zu, das sei ihr Glück. Wer anders denkt, findet früher
oder später hierher. Dies ist das Haus, das man für
Menschen unseres Schlages errichtet hat – ein Haus
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fragiles Gebilde, das sich, führt man Strom zu, in ein
Sinnbild schwebenden Unheils verwandelt. Es bleibt
in Ruhe, solange es um es herum nur still ist – die
harmonische Unschuld eines Wesens, das von der Welt
noch nichts kennt als sich selbst. Doch tritt auch nur
der kleinste Ton hinzu, beginnt es zu schreien, wird
mit seinem Schrei des Schmerzes gewärtig, den es
ausdrückt, und schreit auch diesen lauter hinaus, als
er hineinging, welche Verstärkung wiederum auf ihn
zurückgelenkt wird – und es ist nur die Unvollkommenheit der Apparate, daß sie ihren Dienst nur eingeschränkt versehen wie gedacht, die ihn hindert, sich
bis zur Unbegreiflichkeit hinauf zu steigern und den
ganzen Weltenbau als Quellgrund seines Unglücks
zu zerschlagen. Und wer wollte ihm diese Reaktion
vergelten – handeln wir denn anders, wenn wir zum
ersten Mal die Welt erblicken, als daß wir sie aus Leibeskräften und bis zur Erschöpfung fortzubrüllen suchen?
Sich und die Welt zu sehen – das reicht zum Leiden.
Aber zurück zu Ihnen – was hat Sie hierher geführt?“
Und Martin, dessen Zweifel, am rechten Platz zu
sein, aus diesen Ausführungen gestärkt hervorgegangen waren, erklärte im entschuldigenden Ton eines
Ortsunkundigen, er wünsche etwas über den Neubau
zu erfahren.
„Da sind Sie hier goldrichtig. Tatsächlich hat man von
nirgends sonst eine so gute Sicht auf den Neubau, den
zu untersuchen ich die Ehre habe. Sehen und staunen
Sie: der Neubau in seiner ganzen Scheußlichkeit.“
Er zog einen Vorhang beiseite; und wo Martin eine
Wand vermutet hatte, war eine Scheibe aus dickem
Glas.
Was dahinter lag, hätte Martin auch nach mehrmaligem Hinsehen noch als ein besonders abschreckendes
Beispiel für die Launen der modernen Kunst gelten
lassen. Die Grundsubstanz bildete ein offenbar uraltes
eingefallenes Mauerwerk, das ein wenig an die Fundamente eines Turms erinnerte, welche Vorstellung aber
durch die schiere Größe des Gebildes ad absurdum
geführt wurde: Die Ruine bildete einen Kreis von
sicher mehreren hundert Metern Radius, und obwohl
die Mauerreste stellenweise frappierend weit aufragten,
was schwindelerregende Rückschlüsse auf ihre frühere
Gestalt nahelegte, konnten sie unmöglich je in eine
entsprechende Höhe gereicht haben. Es hätte schon
der Arbeit vieler Völker bedurft, so etwas aufzurichten,
stummen Weisung nicht zu entziehen wußte, sich
weder vor- noch rückwärts zu regen wagte und so die
angespannte Starre des Kittelträgers unfreiwillig teilte.
Als ihm nach einer weiteren halben Stunde das Warten
zuviel wurde, zumal es noch immer nicht den kleinsten Hinweis auf etwas gab, worauf es sich zu warten
lohnen mochte, entschied er sich, da er wenig Aussicht
auf ein unbemerktes Entkommen hatte, die Flucht
nach vorne anzutreten; er heftete seinen Blickauf das
Gesicht des Mannes und räusperte sich leise.
Die Apparatur begann in einem scheußlich hohen Ton
zu kreischen; Martin versuchte, zugleich seine Ohren
mit den Händen und sein Gesicht mit den Armen
zu schützen, während eine Reihe gläsernen Chemikerzubehörs unter der hohen Frequenz barst und als
Scherbenregen auf ihn niederging, wodurch der Lärm
sich noch verstärkte. Er spürte ein Vibrieren in seinem
Kopf und fragte sich mit bemerkenswerter Nüchternheit, ob diesem wohl ein ähnliches Schicksal bevorstehe, da drückte der Weißkittel erneut den Knopf und
es wurde still.
Wenigstens insofern man es nach einem solchen
Laut für paradiesische Ruhe nimmt, nach Leibeskräften angebrüllt zu werden, wer man sei, wie und zu
welchem Behuf man herkäme und was einem einfiele,
die Frucht langer Bemühungen so achtlos zu zertrampeln.
Martin, der wenig zu seiner Verteidigung vorzubringen
wußte, was nicht so offensichtlich war, daß es zu
erwähnen ihm vergebens schien, weil sein Gegenüber
es bei seinem Ausbruch schon bedacht haben mußte,
beschloß, die Aufmerksamkeit von sich abzulenken,
und erkundigte sich in einem Moment, da der Mann
in seinem Wüten innehielt, um Luft zu holen, was für
ein Ding es denn sei, das er so in Aufregung versetzt
habe.
Tatsächlich zeitigte dieses Manöver, das Martin ob
seiner Fadenscheinigkeit fast zu versuchen unterlassen
hätte, rasche Wirkung. Der Weißkittel warf ihm noch
einen bösen Blick zu, dann unterlag sein Zorn seinem
Verlangen, sich mitzuteilen, und er erklärte:
„Dies ´Ding´ dort stellt jene groteske Laune der
Natur vor, Wesen entstehen zu lassen, die sich selbst
erkennen. Was immer aus jenem Verstärker, und es ist
ein gewaltiger Verstärker, klingt, erreicht auf geradem
Weg das Mikrophon, eines der feinsten seiner Art. Ein
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eine Briefmarke utopisch erschienen wäre, manch
wackerer Forscher ruinierte sich durch längere Beobachtungen seine Augen – nun aber gewährt sie jedermann einen ganz mühelosen Durchblick, nur Narren
könnten hier noch Grund zur Klage finden. Was sich
durch sie nicht zeigt, ist schlicht nicht da – erhofft,
erfunden und hinzugedichtet, und nicht mehr.“
Noch einmal setzte Martin an, zu erklären, daß er
keineswegs die optische Lauterkeit der Scheibe in
Zweifel ziehen wolle, die sicherlich ein mit großer
Meisterschaft gefertigtes Ding sei, sie ihn aber eben
die Gestalt des Gebäudes nicht erkennen lasse, doch
als sein Gegenüber abermals begann, ihm die Vorzüge
seines Fensters aufzuzählen, gar zur Veranschaulichung und Bestärkung seiner Rede die Konstruktionszeichungen heranzuziehen androhte und sich zu
diesem Zweck in den Inhalt eines Regals vertiefte,
das der Glastür zu nahe stand, um ein unbemerktes
Entkommen zu ermöglichen – da öffnete Martin rasch
die kleine, aus irgendeinem Grund mit „Silberbesteck“
beschriftete Tür neben ihm und schob sich hinein.
Seinem Vorhaben hatte es entsprochen, von hier aus
einen günstigen Zeitpunkt abzupassen und den Raum
zu verlassen, doch statt einer Abstellkammer mit
Regalwänden war hier ein kurzer Flur, an dessen Ende
es bläulich leuchtete.
Als Quelle des Lichtes entpuppte sich schließlich ein
kreisrunder, fensterloser Raum, dessen Wände von
Computerterminals gesäumt waren, vor denen Männer
mit Kugelschreibern in den Taschen ihrer karierten
Hemden eifrig umherliefen, dann und wann zu zweit
oder dritt zu kurzen Unterredungen zusammenkamen,
ansonsten Eingaben über eine der zahlreichen Tastaturen machten und mit gewichtigen Mienen auf einen
der Bildschirme schauten, die es hier überall zu geben
schien und die zugleich die einzige erkennbare Lichtquelle darstellten. Einer der Schirme war durch seine
Größe und Position – er hing dem einzigen Zugang
direkt gegenüber und höher als die anderen – deutlich
ausgezeichnet. Er zeigte zwei in der solchen Darstellungen eigenen Weise auf ein netzartiges Skelett reduzierte Kugeln, eine blaue und eine gelbe, deren Oberflächen durch eine rote Linie verbunden waren. Dieses
Bild schwamm in einer Pfütze von Ziffernkolonnen,
die in raschem Wechsel umherwimmelten wie eine
Horde geschäftiger Mikroorganismen. Eine der Zahlen
schoß es Martin von irgendwoher in den Kopf, doch
ehe er Ursprung oder Sinn dieses Gedankens auszumachen hätte beginnen können, war er hindurch und
wieder hinaus; in und über diesen Resten vergangener
Gigantomanie wucherte ein Gestrüpp von Stahlträgern, das den Eindruck machte, als habe eine Spinne
von unvorstellbaren Ausmaßen es in einem Anfall
titanischer Raserei hineingewebt. In dieses metallische Exoskelett war eine Anzahl verspiegelter Scheiben
verbaut, die unter dem starken Sonneneinfall unaufhörlich gleißendes weißes Licht nach allen Seiten hin
aussandten und es beinahe unmöglich machten, sich
von Form und Gestalt des Bauwerks ein klares Bild zu
machen.
„Was ist das?“ fragte Martin, der nie etwas Vergleichbares gesehen hatte.
„Was das ist? Was soll es schon groß sein – es ist ein
Gebäude wie jedes andere auch, irgendwann von
irgendwem errichtet – die Einzelheiten sind nicht
völlig klar, doch ein Menschenwerk, und Menschen
lenken es. Derzeit und seit einer Weile sehr zu unser
aller Schaden. Durch ihre Unvernunft erwärmen sie
die Stadt in ungesunder Weise, möglicherweise stecken
sie an schwerer einsehbaren Stellen selbst den Wald
in Brand, was die Qualität der Luft sehr ungünstig
beeinflußt. Ein Wunderwerk, geschaffen und gelenkt
von Wunder - Kindern – man kann nur hoffen, daß
sie rechtzeitig erwachsen werden, ehe durch ihre Tollheit alles zum Teufel geht. Einstweilen“, seufzte er
„verhallen meine Warnungen noch ungehört.“
Martins Frage, ob es wohl möglich wäre, etwas mehr
als diese Wirrnis von Blitzen zu sehen, quittierte der
Gelehrte mit einer abfälligen Geste.
„Mehr? Kaum ist er hier, wünscht er schon mehr zu
sehen – als es gibt! Dieses Ding dort, in seinem Blitzen
und Blinken, ist der Neubau, da ist kein Mangel und
keine Täuschung bei, dafür haben wir gesorgt – sehen
Sie sich nur die Scheibe an, unsere prächtige, klare
Scheibe, kein Stäubchen trübt die Sicht, entspiegelt, daß nur ja der eigene Anblick sich nicht in die
Betrachtung mischt, glatt geschliffen und poliert, kein
Lichtstrahl geht auch nur im mindesten anders hinaus
als hinein – richtiger kann kein Hinblick sein.“
„Aber ich sehe nichts“, erwiderte Martin.
„Glatt poliert, entspiegelt, und inzwischen von enormer
Größe – wir begannen mit einem Fenster, neben dem
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dahinter verberge, antwortete er:
„Dort? Nichts Besonderes – wie Sie sich leicht denken
können, hat auch eine moderne Einrichtung wie die
unsere Bedarf an den Segnungen einfacher Mechanik
– Generatoren für unseren Strom, Heizung, Lüftung
– nichts von Bedeutung, da bin ich mir so sicher, daß
ich mir in all meiner Zeit hier nie die Mühe gemacht
habe, hineinzusehen.“
Obwohl Martin keinen Grund sah, an diesen Worten
zu zweifeln, stimmte ihn dieser letzte Zusatz doch
immerhin so nachdenklich, daß er, um sich nicht
später eine nachlässige Vorgehensweise vorwerfen
lassen zu müssen, erbat, den Raum selbst begehen zu
dürfen. Der Mann gestattete es ihm, ohne zu zögern.
„Wenn Sie mit Ihrer Zeit nichts Sinnvolleres anzufangen wissen – bitte sehr. Nur seien Sie so vorsichtig,
nichts anzufassen – ein fein durchdachter Mechanismus wird von unkundigen Händen eher beschädigt, als Sie glauben werden. Und falls Sie zu Selbstgesprächen neigen, achten Sie genau auf Ihre Worte
– die Akustik dieser Räume ist nämlich, wie ich hörte,
in der Tat bemerkenswert: Dort Gesagtes verfliegt
nicht, wie man es sonst gewohnt ist, sondern hallt für
Jahre, einige behaupten gar Jahrhunderte, von Wand
zu Wand.“
„Man kann also alles hören, was dort unten je gesprochen wurde?“
„Vieles, doch nicht alles. Ein Ton etwa, welcher vom
Ohr gefangen wird, setzt seinen Weg in den Gedanken
fort, statt fortzuhallen. Es können nicht zwei Personen
denselben Zuspruch empfangen, wenn Sie so wollen.
Wer viele erreichen will, tut gut daran, sich ab und an
zu wiederholen. Also, wenn Sie wollen ...“
Damit öffnete er ihm die Klappe und machte eine
einladende Handbewegung.
Martin neigte den Kopf zum Dank, trat hindurch
und – prallte vor eine Mauer von Maschinenlärm mit
einer Härte, die ihm beinahe die Sinne schwinden
ließ; von allen Seiten her dröhnte, tuckerte, stampfte,
hämmerte, polterte, pfiff, zischte, quietschte, brummte
und rumorte es derartig intensiv, daß ihm erst, als er
sich zur Flucht entschlossen und die Hände auf die
Ohren gepreßt nach der Tür umsah, durch die er
gekommen war, die zweite Zumutung des Raumes
gegenwärtig wurde, die ihm kaum weniger unlieb
als die erste war: Er war nämlich beinahe zur Gänze
war rot und strebte tröpfchenweise gegen 0.
„Ist es nicht herrlich? Bald ist es soweit.“ Einer der
Männer hatte seine Arbeit niedergelegt und war auf
ihn zugetreten. Offenbar schien er selbstverständlich
davon auszugehen, daß Martin über die Vorgänge im
Bilde war und nach Einzelheiten gierte, denn ohne ihm
Zeit zur Erwiderung zu geben, fuhr er fort. „Dann ist
Schluß mit beschwerlichen Wintern und trübsinnigen
Regentagen. Das Energieproblem wird ein für allemal
gelöst sein, und die Menschheit ihre Tage in Wärme
und Licht verbringen. Und wem, was mir nebenbei
gesagt ganz unverständlich ist, der helle Gast nicht stets
willkommen ist, dem stehen Mittel noch und nöcher
zu Gebote – ein Vorhang reicht hierfür vollkommen
aus –, ihn aus seiner Stube zu verbannen, wie und
wann es ihm beliebt. So hilft uns die moderne Technik,
uralte Menschheitsträume wahrzumachen – ich neige
nicht zur Schwärmerei, doch in diesem Fall möchte ich
behaupten, daß unser Werk im Grunde alle weiteren
Anstrengungen unserer Art überflüssig macht, ja diese
Maschine gewissermaßen dem ganzen beschwerlichen
Gang der Menschheitsgeschichte im Nachhinein seine
Rechtfertigung verleiht. Vergangenen Zeiten gebührt
Lob dafür, den Speer, die Dampfmaschine und das
Flugzeug konstruiert zu haben – wir aber haben getan,
was uns die Jahrhunderte zu tun übrigließen: Wir
haben das Glück erfunden!“
An dieser Stelle fiel ein fehlgelenkter Lichtstrahl von
einer der Deckenleuchten in seine Augen, so daß er
genötigt war, sie kurz zu schließen; dann fuhr er fort,
begann von den technischen Wundern in den Stockwerken über ihnen zu erzählen, eine bis ins letzte
durchdachte Komposition von allerneuesten und
erst seit kurzer Zeit überhaupt möglichen Errungenschaften, die das eine Wunder fertigbrachte, welches
seine Epoche noch ungetan gefunden hatte: Die
Sonne zur Erde zu ziehen. Er verströmte eine Begeisterung und Zuversicht angesichts der Segnungen
des Kommenden, in die Martin, je länger er zuhörte,
allmählich, fast unmerklich hineingezogen wurde, und
bald war er ganz in die Ausführungen des Mannes
verstrickt, fragte weiter und weiter, bis ihm, was er hier
sah, vertraut erschien wie eine Heimat. Nur einen Ring
am Boden, der offenbar beim Öffnen einer Falltür
behilflich sein sollte, hatte er in seinen Ausführungen
nicht erwähnt, und auf Martins Nachfrage, was sich
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Er hatte erwartet, in eine finstere Bodenlosigkeit zu
fallen, zeitlos, haltlos durch das Nichts zu stürzen mit
dem Luftzug als einzigem Anzeichen seiner Bewegung.
Um so mehr verblüffte es ihn, als er, da die Füße kaum
den Rand verlassen hatten, hart aufschlug, und zwar
infolge der dramatischen Pose, die er beim Absprung
für angebracht gehalten hatte, der Länge nach und
ungedämpft. Er drehte sich auf den Rücken; über ihm
war nichts als Schwärze und der Takt der Maschinen,
der nun wie von weit entfernt zu ihm hinunterhallte.
Als der Schmerz nachließ, setzten die Stimmen wieder
ein. „Selbst Schuld du Narr – du hättest ja die Treppe
nehmen können“, hörte er, und tatsächlich begann eine
steinerne Wendeltreppe nicht weit von ihm entfernt
und wand sich nach oben in etwas, was wie ein in den
Fels gehauener Tunnel aussah, außer Sicht. Ehe er sich
recht darüber ärgern konnte, kamen weitere.
„Dies ist ein Krug. Dies eine Tasse, ein Teller, ein
Messer“, wisperte es, und kurz darauf tönte es wie
von tausend Kehlen: „DIES IST EIN KRUG. DIES
EINE TASSE, EIN TELLER, EIN MESSER. DIES
IST EIN KRUG. DIES EINE TASSE, EIN TELLER,
EIN MESSER. DIES ...“ Die Stimme gewann rasch
an Lautstärke und an Geschwindigkeit und glich
bald mehr dem rhythmischen Singsang aus einem
archaischen Beschwörungsritual als einem menschlichen Sprechen. Martin stand auf und fand sich
zwischen einer Mauer und einem Steinring, in dem
ein imposantes Feuer brannte. Um ihn herum lag ein
Haufen von uraltem Gerümpel, darunter viel tönerne
Scherben, aber auch Gegenstände aus Metall. Auf der
anderen Seite der Mauer stand eine hölzerne Bank, die
lang genug war, um vielen Dutzend Menschen Platz zu
bieten; und vor der Bank war eine glatte Felswand, auf
der der Widerschein des Feuers seltsame Spiele trieb.
Wie er der Bank näher kam, wurden die Stimmen
lauter. „DIES IST EIN KRUG. DIES EINE TASSE,
EIN MESSER, EIN TELLER. DIES ...“ exklamierten
sie und schienen dessen nicht müde zu werden; und
zugleich war da noch ein weiteres Geräusch, das klang
wie das Klirren von Metall. Er tastete sich an der Bank
entlang (diese wurde kaum vom Feuerschein erreicht),
und wirklich fühlte er nach kurzer Zeit etwas, was eine
metallische Kette gewesen sein mochte – beziehungsweise es, soweit ein Finger reichten, noch war, doch das
war angesichts der Tatsache, daß alles in dieser Höhle
dunkel, was insbesondere bedeutete, daß der Rückweg
ihm nicht länger offen stand. Er tastete noch ein
Weile verzagt an kalten, glatten Wänden nach Anzeichen einer Tür, was ihn freilich zwang, wenigstens
ein Ohr schutzlos dem Getöse auszusetzen, sah aber
seine anfängliche Hoffnungslosigkeit schon bald bestätigt und beschloß, einen anderen Ausweg zu suchen.
Immerhin gewöhnten seine Augen sich allmählich an
die Dunkelheit – oder lernte er dem wenigen diffusen
Licht, das es selbst hier noch irgendwoher gab, das
letzte an Erkenntnis abzuringen? – und als er sich
der steten Zusetzung des Lärms bis zu jenem Maß
entwunden hatte, da ihn nicht jeder neue Schlag zusammenfahren ließ, begann er, die Stimmen zu hören.
Anfänglich waren sie mit Gewißheit nicht von nichts
zu scheiden, und als einziger Zeuge ihrer Gegenwart
trat eine schüchterne Spur im Gedächtnis auf, die
gerade laut genug verlosch, um Martin innehalten
zu lassen und einen Zweifel zu wecken, der sich, in
Ermangelung eines anderen sichtbaren Kontrahenten,
über den Verstand hermachte und Martin eine Weile
befürchten machte, er werde über seiner Lage wahnsinnig. Doch als sie allmählich zwar nicht lauter, aber
vernehmlicher, deutlicher, klarer wurden, ja bald
den einzig erträglichen und verständlichen äußeren
Reiz ausmachten, den Martin empfing, hieß er den
Zweifel sich schlafen zu legen und begann zu lauschen.
„Nicht dorthin. Kehre um!“
Unergründlich dünn und fein, und Martin schien
jedes Wort, das er vernahm, kaum weniger als ein
Wunder zu sein.
„Spring! Kein Schreiten führt dich weiter! Spring!“
„Vorwärts! Abwärts!“ „Hinab jetzt – in die Höhe!“
kam es flüsternd aus dem Dunkel, viele feine Stimmchen schwirrten um ihn wie ein Insektenschwarm,
zärtlich, lockend, lauernd sprachen sie wie zu ihm,
treue Gefährten des Einsamen in der Finsternis, deren
Trost und Zuspruch nur für einen Preis zu haben war,
an dessen Höhe sie keinen Zweifel ließen, sie wurden
bittend, fordernd, dünner und leiser auch, als wollten
sie vergehen und ihn in ewiger Stille allein zurücklassen,
was Martin derart erschreckte, daß er sich schließlich
wider jede Vernunft an den Rand stellte, wo er, noch
immer den Stimmen lauschend, eine Weile zögernd
verharrte, und dann mit ausgebreiteten Armen vornüber kippte. Die Stimmen verstummten.
51
Schattentanz ist alles, was du siehst.“
„Eine Stimme gegen alle – und ausgerechnet dieser soll
ich folgen?“ Dann ein Lachen, doch es war nicht so
voll und stark, wie man es ob solcher Anmaßung sonst
zugemessen hätte.
„Ich bin nicht gekommen, um zu streiten, sondern um
dich sehen zu lassen.“ Ein Stimmengewirr, ein Klopfen
wie von Stein auf Metall, etwas barst.
„Packt ihn. Schleppt ihn zum Feuer.“ Schreie.
„Siehst du nun, wie es zugeht, Tor?“
„Nichts sehe ich. Es blendet. Es brennt. Laßt mich!“
Geräusche wie von einem Kampf. Dann, lauter,
zugleich auf seltsame Art zerhackt, ein Patchwork von Rufen, und es waren nicht mehr nur
zwei, die man hörte, es mischten sich weitere
hinein, Dutzende, Hunderte riefen durcheinander:
Beschwörend: „Nicht wirklich.“ Weinerlich: „Nein,
laßt mich!“ „Es ist zu hell! Zu hell!“ Ohnmächtig
wütend: „Zeigt mir das Höllenfeuer und nennt es
Wahrheit!“ Im Chor: „Stellt sie an! Stellt sie an!“ „Sie
kommt!“ Väterlich: „Nur Schatten. Du wirst sehen.“
Trotzig, unsicher: „Ich sehe nichts mehr. Du machst
mich blind.“ Unerbittlich, hart: „Empor, empor“.
Dann ein Schrei, laut wie keiner vorher: „Zeigt sie uns!
Holt sie doch her!“
Das war die Spitze des Crescendos.
Die Rufe verebbten und es wurde still. Martin hatte
verstanden.
Er sah die Kette, die er noch immer in seinen Händen
hielt, mit einer Mischung aus Furcht und Ekel an; dann
legte er sie ab, las einen scharfkantigen Stein vom Boden
auf und prügelte damit wie ein Wahnsinniger auf das kalte
Metall ein, bis es barst. Etwas klirrte, und augenblicklich war der Schmerz an seinem Fuß wie weggeblasen.
Da ließ er den Stein zu Boden gleiten und begann,
die Treppe zu ersteigen. Diesmal fand er seinen Weg
mit der Sicherheit nicht eines Traumwandlers, sondern
eines aus langem Traum Erwachten, nahm bald diesen,
bald jenen Abzweig, und wunderte sich nicht im
mindesten darüber, wo er nach nicht allzu langer Zeit
wieder anlangte, denn nichts anderes hatte er erwartet:
nämlich wieder dort, von wo ihn der Alte losgeschickt
hatte. Dort war die Leiter, und darüber ein kreisförmiger
Ausschnitt voller Licht. Das Licht war grell und häßlich,
doch nicht mehr unerträglich, denn es mischte sich
noch etwas anderes hinein, ein sanftes, aber doch kraft-
sicher seine tausend Jahre hier gelegen hatte, natürlich
lächerlich, das Stück in seinen Händen war frappierend
gut erhalten, ja, doch würde es bald an einem von Rost
zerfressenen Glied enden, wenn man nur eine Weile
danach suchte ... Doch es fand sich nicht. Glied reihte
sich an Glied über viele Meter zur ersten Stufe der
Wendeltreppe hin, und diese weiter empor, als Martin
ihr zu folgen willens war. Frustriert verweilte er kurz
in Gedanken an eine andere Möglichkeit, des widerborstigen Endgliedes habhaft zu werden; dann atmete
er tief durch, packte die Kette mit beiden Armen, tat
einen kräftigen Ruck – und ging zu Boden. Offenbar
war die Kette irgendwo dort oben an der Treppe festgerostet und der Boden glatter, als es den Anschein hatte.
Verärgert rappelte er sich hoch und wiederholte seine
Bemühungen mit doppelter Wucht. Diesmal folgte
der Sturz noch rascher als beim ersten Mal; außerdem
mußte er wohl ungeschickt aufgetreten sein, denn an
seinem rechten Fußgelenk nagte ein grimmiges Weh.
Er stand erneut auf, mühsamer diesmal, doch mit
gemehrtem Zorn, preßte er seine Fäuste um die Kette,
biß die Zähne zusammen und zog mit aller Kraft, die er
im Leibe hatte. Das darauffolgende häßliche Knirschen
brachte er gerade noch mit dem stechenden Schmerz
in seinem Fuß zusammen, ehe sein Kopf auf den Stein
aufschlug und er für eine Weile besinnungslos wurde.
„DIES IST EIN KRUG. DIES EINE TASSE, EIN
MESSER, EIN TELLER. DIES ...“ Diesmal war
es anders; als hielte man sein Ohr speziell auf sie
gerichtet, war der vielkehlige Choral in den Hintergrund getreten und damit der Dominanz einer
einzigen Stimme gewichen, die sich von den übrigen
kaum sagbar unterschied – doch wieviel ist über
Stimmen mehr zu wissen, als sich sagen läßt! Sie
war ein wenig heller als die meisten anderen, dabei
nicht leiser, aber schwächer, zögerlicher, und wenn
der Sprecher auch kein Wort, noch gar einen ganzen
Durchlauf, ausließ, so waren seine Atempausen doch
länger, als man zum Atemholen eigentlich gebraucht
hätte, und sicherlich die längsten, die zu hören waren.
„Unfug. Du arme Kreatur – ich will dir wahre Krüge,
Tassen, Messer, Teller zeigen – und noch vieles mehr.
Komm mit.“
„Ein ´wahrer Krug´ – was soll das sein? Was könnte
wahrer sein, als das, was ich direkt vor mir sehe?“
„Jener, der den Schatten wirft, den du siehst. Nichts als
52
Betrug dabei – jene aus dem Neubau sind der festen
Überzeugung, sie hätten über sich die Sonne und um
sich die Welt. Erst dem Sehenden ist diese Spiegelei
ein Nichts.“
„Und dieses – Ding?“
„Es ist gewiß das Scheußlichste, was je ersonnen
wurde. Doch es birgt auch Hoffnung: Gerade indem
es verstellt, betont es das Verstellte. Und sie, die
Verstellte? Sie ist stark genug, dies ganze Blendwerk im
Handumdrehen zu entlarven – dazu bedarf es nur, es
in das rechte Licht zu stellen. Sie vermag die plötzliche Lichtung – den Blitz. Vielleicht läßt sie es eines
Tages blitzen – wer weiß? Es ist nicht an uns, darüber
zu befinden oder diesen Zeitpunkt zu bestimmen.
Wir können uns nur ihrem Zuspruch öffnen, von ihr
künden und, uns offenhaltend – warten. Komm.“
Martin entsprach dem Willen des Alten, stellte sich an
seine Seite, und so standen die beiden Weisen, der alte
und der junge, auf ihrem Turm und blickten ernst und
sinnend in die Ferne. Und da sie nicht gestorben sind,
warten sie noch heute.
volles Scheinen. Er wartete keine Sekunde, um Atem
zu holen oder die Erfolgsaussichten zu überschlagen,
sondern er schloß die Hände fest um das alte Holz der
Leiter, stieg hinauf zur Plattform und blickte sich um.
Über dem Land erstreckte sich, so weit sein Auge
reichte, ein gläsernes Gestell, ein Ungeheuer aus Lupen
und Spiegeln, die sich von unsichtbarer Hand gesteuert
bald nach dieser, bald nach jener Richtung wandten,
Licht von überallher fingen und es über eine unbegreifliche Zickzacklinie schließlich zum Boden sandten.
Darüber aber stand die Sonne. Sie hatte den Zenit
längst hinter sich gelassen, rotglühend schwand sie am
Horizont, und während das Spiegelmeer ihr Licht aus
der Ferne herüber in Stadt und Wald lenkte, sah Martin
zum ersten Mal in seinem Leben einen Sonnenuntergang. Die erste Welle ehrfurchtsvollen Staunens war
noch nicht ganz über ihn hinweg, da sprach der Alte
hinter ihm.
„Versuche gar nicht erst, dich an ihr sattzusehen –
es widerspricht dem Wesen jenes Hungers, welchen
du nun spürst, ihn zu stillen. Es ist im übrigen kein
Der Säumer
Lisa Glauche
53
noel
takt-los
sinnlos das lEben,
doch solange lichter
hinter meinen augen blühen,
wenn sie deine seele sehen,
ist es
wenigstens von wert.
brauen biegen
stumme statements stirnwärts;
lider müden noch,
da grau das licht
durch kahles bricht.
der atem erfriert
– an der atmosphäre.
ist nichts zu ändern.
man verkneift sich
lippen lallen zu lassen,
nichts anderes wäre es,
da der metronom
taktlos scheint.
sinnlos das lEben,
doch solange lichter
hinter meinen augen blühen,
wenn sie deine seele sehen,
ist es
wenigstens von wert.
54
Kommentar von Peter Felber zu „takt-los“
Hallo noel,
das wird für mich immer ein Rätsel bleiben,
was sicher gut so ist, warum Wörter, oder Worte
(was Höheres meint), aufhören können, "sachgemäß" zu sein. Unversehens hört ihr ganzes
Gliederwerk auf, damit meine ich eine Art
rasselndes Geräusch wie von Ketten, als würde
alle Sklaverei, und das ganz ohne Aufhebens oder
Umsturz, enden. Die Worte geben sich ganz
anders die Hand, ja, sie haben erst jetzt Hände.
Da ruht irgendwas Größeres in den Worten,
so ihre Wörter (was ihre Schatten meint) sich
unversehens anders verhalten. Die Wörter sind
die Schatten der Worte, und da, wie es scheint,
begreifen sie es selbst. Sie sind nicht dazu da,
ewig und immerfort an irgendetwas entlangzulaufen, für das sie im Grunde gar nicht ausreichen, was sie auch so atemlos macht. Nein, sie
sind eigentlich nur da für sich selbst, oder für
die Worte, die sie sind.
Ich finde, das Gedicht lässt das begreifen. Ich
wollte mich dann noch mal vorlehnen, um die
Wörter aus den Worten zu sehn. Aber wozu
eigentlich. Da ist eine Art Heimkehr. Ich frag
mich, warum ich dieses Sich-Senken sehe, vielleicht, als blickte man an einem alten Vorhang
hinab, und unten ruht er ganz still, als seltsam
geschwung'ne Welle.
Außer dem: Was ich interessant finde, ist diese
Haltung mancher deiner neueren Gedichte,
soweit ich sie verfolgen konnte. Es steckt für
mich ein Wagnis darin, vielleicht auch soetwas
wie ein Wunder. Die Haltung, die mir früher in
deinen Gedichten begegnet war, schien mir eine,
die sich an Rändern aufhielt (weit vorgelehnt
oder ab- oder hinausgebrochen): Gedichte, wie
Wind-Mitschnitte, Wind-Aufzeichnungen, da,
wo das Gewohnte hinabstürzt, wo es dünn wird
und fraglich. Nun scheint es in deinen Gedichten
aber ein Sich-Zurückwenden zu geben, was aber
dann das, was ich vorhin als "Wunder" bezeichnen
wollte, auslöst. Diese seltsame Mischung, dass
man spürt, und man spürt es ja, dass hier etwas
Fernes zurückkehrt, mit noch den zerbrochnen
Dingen, mit noch dem Wind-Geruch des
Abgrunds, schafft irgendwie dieses Licht, dieses
Licht um doch eigentlich verbrauchte Dinge.
Ich meine im obigen Gedicht geht dasselbe um
– es spricht von etwas, von dem es eigentlich
nicht sprechen könnte, wenn es nicht aus der
Ferne käme. Jedenfalls hätte es dann kaum diese
Kraft zu solcher Verdichtung. Wahrscheinlich
der Fremde, der in eine Wohnung kommt ganz
aus der Nacht, und der als einziger begreift, was
es heißt, zu wohnen (aber der hier nicht angekommen sein wird).
Jedenfalls, das Spannende, das an sich Spannende, weil es eben so Verschiedenes aufzeigt,
scheint mir diese Bekleidung des Nahen durch
das Ferne – als zögest du, um es salopp zu sagen,
wenn ich sagen darf: einem alten Topf, aus dem
man immer isst und aus dem jeder isst und aus
dem alles so gewöhnlich schmeckt, ein hauchdünnes Kleid an, und da leuchtet er, absurd,
und auch das, was unser täglicher Eintopf ist,
leuchtet, er schmeckt zum Weinen fein. Und
das kann nur die Ferne.
(Eine Eintopf-Zeile wäre halt: „sinnlos das
lEben“, das findet sich in jedem Mund; aber wie
es hier gesagt ist, macht es erst zu Worten.)
Mit lieben Grüßen,
Peter
55
Marlies Blauth
56
Steine / 2008 - Landschaft - Steine II
Jutta Over
fellstudie
je länger der winter anhält
desto höher wächst das fell
sparrige borsten sprießen aus der türschwelle
die zerbirst sobald man hinaustritt
wiesen und felder
morgens noch silbergläsern
sind mittags bereits von nassfaulen bälgen bedeckt
schorf überzieht straßen und plätze
erst nur ein schmaler reif ums fußgelenk
rollt es sich langsam die waden empor
umgeht die knie
queckengleich ausläufer treibend
wabert unsichtbar
auf der unterseite der oberschenkel
aus mauerspalten wachsen schüttere bärte
durchtränkt vom atem der vorübergehenden
und oben aus dem kirchturm
baumelt ein alter zopf
bald wird es die wirbelsäule hinauf ziehen
ein aalstrich wie auf dem rücken der waldpferde
niemand schert sich mehr
je länger der winter anhält
desto räudiger wird das fell
auf der innenseite der häuser
darum
ausgetretene pfade verbinden
bett und heizung
herd und sofa
unter tischen vor fenstern
breiten sich lichtungen aus
dazwischen verfilzt das fell
ballt sich zu festen knäueln und wülsten
stolperfallen für den seltenen gast
von möbeln und zimmerdecke
hängt das fell in langen flusen
wie vom bauch eines wollschafes
je länger der winter anhält
desto enger zieht sich das fell
um die häuser
fellstudie
gelesen von Jutta Over
57
Annett Friebel
das lied vom sichnichterinnernkönnen
(als hätte ich nie gelernt, dass tage namen tragen.)
ich bedeute dem morgen: werde hell.
aber ich kann den abend nicht halten, wenn er vergeht.
ich kann das wort nicht sagen.
ein wort, das an den rändern steht.
auf der klippe hocken wir, schauen hinab auf das meer.
und manchmal tut sich die erde auf.
dann schieben wir das sommergras zur seite,
scharren im sandigen boden und haben feuersteingeschmack im mund.
(als hätte ich nie gelernt, dass tage namen tragen.)
ich bedeute dem morgen: werde hell.
aber ich kann den abend nicht halten, wenn er vergeht.
ich kann das wort nicht sagen,
ein wort, das an den rändern steht.
du glaubst, dass eine strömung die menschen davonträgt.
sie sind dann nie gewesen.
du magst den gedanken – du willst keine tränen und keine trauer.
kein grab im sandigen boden und auch keinen stein.
(als hätte ich nie gelernt, dass tage namen tragen.)
ich bedeute dem morgen: werde hell.
aber ich kann den abend nicht halten, wenn er vergeht.
ich kann das wort nicht sagen,
ein wort, das an den rändern steht.
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Carl Reiner Holdt
Vom Säumen
Das Thema gibt nicht so viel her. Ich könnte
Cimi * bitten ...
Statt dessen schaue ich aus dem Fenster. Es
ist Winter. Das ethymologische Wörterbuch
schreibt dazu: siuwen (ahd.) sumen (mhd.) 2.
zögern, sich verweilen, trödeln. Der Morgen steigt
gerade ins Tal. Bis an den schwarzen Saum der
Fichten liegt eine weiße Ebene, die jetzt langsam
rosa wird ... mit was soll ich diese weiße Fläche
vor mir bloß beschreiben?
Cimi ist Geschichtenerzähler. Und er ist der
weiße Wind aus dem Norden, der weht wo er
will. Du hörst sein Sausen, aber du weißt nicht,
wann er kommt und wann er geht. Vielleicht
würde er erzählen, dass bei ihm zu hause die
Priester in der längsten Nacht im Winter ein
Korn zum Wachsen bringen. Sie ziehen sich
in die unterste Kammer des Tempels zurück
und meditieren über dem Korn. Beobachter
der Zeremonie schwören, sie hätten die ganze
zwei Meter hohe Mais-Staude gesehen, wie sie
millionenfach im Sommer geerntet wird! Aber
nur, wenn sie jemand im Winter vorher zum
wachsen bringt ... vielleicht so wie das sitzende
Mädchen, das in seine Händen schaut? ° Was
auch immer sie da so konzentriert geschehen
lässt: es ist ja nicht nichts, oder?
Ein vermuteter Zusammenhang mit gr. ean
(seFan) zulassen, gestatten, in Ruhe lassen ist
ungewiss.
alle Kräfte konzentrieren sich in einer dicken
Schale aus Kleidung. Der Blick schärft sich am
Kontrast der kahlen Bäume gegen den bleichen
Himmel. Wie soll man da das Einhorn sehen? °
Vielleicht würde Cimi ja auch die Geschichte
vom Weißen Hasen von Inaba erzählen. Die
stammt zwar aus dem Osten, aber das macht
nichts. Der weiße Wind kommt auch schon mal
aus dem Osten. Außerdem zeigt Cimis Kin den
Fluss, der das Land in zwei Hälften teilt. Und
er mit einem Bein hüben und mit dem andern
drüben. Der Hase also sitzt Tag für Tag am Ufer
seiner Insel, on the border, falls jemand den Song
aus year of the cat noch kennt, * und will rüber
aufs Festland: mhd. Siuwan, der Pfriem, mit
dem man die Löcher für die Naht macht, denn
siuwen heißt 1. nähen. Und außerdem vermutet
man einen Zusammenhang mit Schwelle. Saum
bzw. Soum heißt ja auch Land, Grenze.
Natürlich ist das ein Kommunikationsproblem.
Ich meine jetzt nicht den Hasen, der hat auch
eins. Er sitzt mit dem Mädchen in einem Boot,
aber es ist ein ziemlich langes Boot, aus Glas,
mit viel Zwischenraum in der Mitte. Ganz
schön weit bis zum jeweils andern Ufer. ° Und
die größte Herausforderung überhaupt ist das
Gespräch mit sich selbst ... die Sache mit den
Krokodilen brauchen wir an dieser Stelle nicht
weiter zu verfolgen.
Ich meine jetzt diesen Text hier, der hat ja keinen
roten Faden!
Doch wenn man eine Geschichte inszeniert,
also mit Absicht, und Absicht ist immer hinterlistig, dann kriegt man prompt Ärger mit den
Krokodilen. Lest es selber. * Auf die Idee, ich
bin hier die res cogitans und der Rest der Welt
Mir wäre es lieber, es wäre Sommer!
Dann könnte ich an den Wiesen-Rändern
durchs Sonnenlicht mäandern wie der Bach
durchs Starzeltal. Alle Sinne fließen lassen
und schauen, wo sie sich verfangen. Bei dieser
Kälte wird sofort ein Überlebenskampf draus,
59
bleibt draußen, kann man nur im tiefsten
Kriegs-Winter anno 1619 kommen, in einer
Hütte hinter dem Ofen, während draußen alles
unter einer weißen Decke erstarrt. * Deshalb
erzählt Cimi ja lauter Geschichten, wo man
nichts Greifbares in den Händen hat, keine res
extensa. Einen roten Faden findet ihr da nur im
Analogie-Schluss so ... wie ... nicht, dass sich
noch jemand für Krokodile interessiert, die sind
längst gegessen. Aber Feen seht ihr eben auch
nur aus den Augenwinkeln.
und das Außerordentliche träumen. Nicht dass
es viel gebracht hätte ... sie trafen die Ungeheuer
der Vernunft.
Ich meine nicht die Schriftsteller vor der letzten
Jahrhundertwende. Die hatten eine andere
Erklärung für die Entstehung von Texten.
Bei denen war es ja verpönt, sich Dichter zu
nennen. Schriftsteller war ein solider Beruf wie
... wie Holzfäller! Arbeiteten sogar in der gleichen Branche: die einen am Anfang, die andern
am Ende der Produktions-Kette. Und da der
Markt für leere Blätter rapide abnahm, mussten
möglichst viele Blätter bedruckt werden, z.B. als
dicke Bücher, oder als hohe Auflagen. Da versteht
es sich von selbst, welche politischen Gesinnungs-Zu-Taten man für welches Publikum
braucht, und wie man passende Artikel konstruiert. Oder auch wieder de-konstruiert. Wie man
Gedichte macht und wozu.
Hauptsächlich läuft's bis heute darauf hinaus,
dass das Sensibelchen Individuum an den
äußeren Umständen zerbricht, am liebsten an
der Gesellschaft.
Seit klar ist, dass ich immer ein anderer bin,
nicht die Mitte der Welt, sondern ihr ausgefranster Rand, lebe ich da nicht ständig auf dem
schmalen Grat? °
Bin ich nicht eine hauchdünne Membran,
die gestern und morgen trennt, drinnen und
draußen, dich und mich, leben und sterben?
Bin ich nicht immer keins von beiden, nur das
löchrige Netz, das manches aus dem Strom filtert,
das meiste aber unbemerkt durchrauschen lässt?
Karriere ist Illusion, Beziehungen ein Krieg, den
das Ich unaufhaltsam verliert, der zivile Alltag
Sklaverei.
Nicht, dass Ich es vermeiden könnte. Ich braucht
es sogar dringend ... denn es weiß ja, wie gefährlich das Säumen ist.
Da ist zuerst die Angst, etwas zu versäumen. Sie
Was mich wieder auf das Einhorn bringt:
Absichtslosigkeit. Tun im Nichttun ... könnte
man ja auch als Unberührtheit ... im übertragenen Sinne meine ich, obwohl ... Syuman
(aind.) Band, Riemen, Naht und Hymen (gr.)
Membran, Sehne leiten sich durch Suffixbildung
mit men auch von sivyati (aind.) annähen her.
Oder eben siuwen (ahd.) was uns wieder zu
sumen (mhd.) säumen bringt. Jedenfalls wäre
Jungfräulichkeit bekanntlich die Voraussetzung
ein Einhorn zu fangen.
Letztlich ist es wohl gleich, wie man sich die
Entstehung eines Textes erklärt. Der Kuss der
Muse ist nicht schlechter als Cimis Hauch. Die
Begegnung mit dem Einhorn in der Dämmerung, oder mit dem Zeit-Pferd am Saumpfad °...
meinetwegen auch tiefenpsychologisch. Dann
hätten wir mit dem einen Horn als PhallusSymbol in Kombination mit Jungfrau, die es
sich einfängt, auch unsere Referenz an Sigmund
Freud.
So war es wohl, bevor das vernünftigste und fortschrittlichste Jahrhundert, das wir je hatten, in
seine Götterdämmerung ging. Als dem Bürger
der Hut vom spitzen Kopfe zu fliegen drohte.
Da konnten Dichter in ihrer Verzweiflung gegen
die hermetische Abschottung aller Himmel
wenigstens ans Unbewusste anknüpfen, wenigstens mit Drogen der Maschinerie entkommen
60
bewirkt genau das, was sie zu vermeiden sucht,
wie im Märchen. Die Präfixbildung mit ver- ist
übrigens früher belegt (9. Jh.) als das Simplex
säumen. Ist wohl ein altes Problem.
Dann ist da die Angst, dass es nicht so wird,
wie Ich es braucht. Doch ja, tatsächlich, die
Geschichte geht nicht zwangsläufig gut aus. Am
Waldrand lauert der Wolf, der Leviathan unter
der spiegelglatten Oberfläche. Jeder Held hat
seine Ferse oder sein Linden-Blatt.
Ich muss die Begegnung mit dem Tod aushalten
um zu säumen. Fragt mich mal wie ...
eindrückt – vielleicht ein Tier, das es nicht gibt,
oder ein weißer Hase – es wird eingeschmolzen
in eine Figur aus Glas, dieses Erlebnis, eingeschrieben in einen Kirschkern, in ein Gedicht
oder eine Geschichte ... wie eine Libelle in Bernstein.
Sie ist dann tot.
Ein kleines, harmloses Schmuckstück.
Aber jeder der Augen und Ohren hat zu sehen
und zu hören – absichtslos – kann sie wieder
zum Leben erwecken, diese Begegnung. Und
mit ihr die ganze Welt.
Um zu lernen, wie man so viel Magie ausübt,
genügt Säumen natürlich nicht.
Es ist ein Anfang.
Wenn ich säume, komme ich dem Strom der
Wirklichkeit näher.
Was an Wunde(r)n sich bei diesem Tauchgang
Andreas Ferdinand Fecke
Kurz nur durchsteift sein Geist die Pfade zwischen den Sternen –
Scheinbar; denn kommt er nach Haus, lebt dort kein Mensch, der ihn kennt.
Das Märchen von der verschleierten Frau
Hugo von Hofmannsthal
gelesen von Gabriella
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Blauer Salon [ unplugged ]
offene Lesebühne
jeden 1. Freitag des Monats
in Berlin
www.blauersalon-unplugged.net
Berlin
20. August 2010
>> Als hättest du gelauscht <<
anthologie blauer salon eins
Paris
17. Oktober 2010
>> recontres <<
Bochum
30. Oktober 2010
>> Ménage à trois
Von Liebe und anderen
Ungereimtheiten <<
Freiberg
29. Januar 2011
>> Wir sind Brieftaubenangler
man sieht uns an den Horizonten <<
Vorschau:
Samstag, 28. Mai 2011, 20 Uhr im Café Arte in Münster
>> unterwegs im unterwuchs <<
Lyrik und Prosa, querfeldein gelesen von Autoren des Blauen Salons
Weitere Lesungen in Heidelberg und Berlin sind in Planung.
Aktuelle Informationen unter www.blauersalon.net
62
Masayo Odahashi
63
at twilight
a b l e a u
Mit Beiträgen von:
Ann Catrin Apstein-Müller; Arne; Mira Berkenblit; Marlies Blauth; P.J. Blumenthal;
Eva Bourke; Patrick Braun; Merlin Carl; Estragon; Eva; Andreas Ferdinand Fecke;
Peter Felber; Annett Friebel; Hans-Detlef Fröhlich; Gabriella; Lisa Glauche; Franz
Hofner; Carl Reiner Holdt; Hiromi Itō / I. Hijiya-Kirschnereit; Nikolaus Josef Kahlen;
Annette Kolbe; Last; Leonie; Matthias Löwe; Renée Lomris; Jair Meschullam; Thomas
Milser; Victoria Faraj Mummelthei; noel; Masayo Odahashi; Jutta Over; Elsa Rieger;
Jürgen Riering; Anna Rinn-Schad; Aram Peter Tunkel; Isabella Vogel; Flora Winter;
Xanthippe; Henkki Zakkinen
Wir danken allen Mitwirkenden für ihre Unterstützung!
Impressum:
Herausgeberin: Lisa Glauche
www.blauersalon.net
Redaktion: Flora Winter
Seitengestaltung: Flora Winter, Peter Felber
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