Überschuldung privater Haushalte in Friedrichshain

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Überschuldung privater Haushalte in Friedrichshain
Projektgruppe Schuldnerberatung im Sozialwissenschaftlichen
Forschungszentrum Berlin-Brandenburg
Überschuldung privater Haushalte
in
Friedrichshain/Kreuzberg
Mitarbeit
Dr. Thomas Hanf (Gesamtleitung)
Sandra Furmanek (Leitung der Gruppe)
Kerstin Kretzschmar
Iris Müller
Lothar Eberhardt
Thorsten Gronow
Dieter Lunt
Julian Pies (Satz und Layout)
Holger Schmidt
Das SFZ bedankt sich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der
Schuldnerberatungsstellen der Arbeiterwohlfahrt, des Diakonischen Werkes und der
Dilab e.V. im Bezirk Friedrichshain/Kreuzberg für die hilfreiche Unterstützung und
bereitwillige Kooperation.
Inhalt
1. Zur Lebenssituation von überschuldeten Personen
2. Überschuldung in Friedrichshain/Kreuzberg
3. Befindlichkeiten und Einstellungen überschuldeter Personen
4. Institutionelle Bedingungen der Schuldnerberatung
5. Perspektiven der Verschuldung privater Haushalte im Lichte der Gesetze zur
Arbeitsmarktreform
Datenquellen
Literaturverzeichnis
1
1
Zur Lebenssituation von überschuldeten Personen
1.1
Gesellschaftliche Relevanz und Aktualität des Themas, Forschungskonzept
Die „Überschuldung“ privater Haushalte ist ein Thema von gesellschaftlicher und persönlicher Relevanz.
Überschuldung verursacht volkswirtschaftliche Schäden, indem sie zu Störungen und Ausfällen im
Zahlungsverkehr führt und in der Bearbeitung einen zusätzlichen gesellschaftlichen Aufwand erfordert, der mit
einer Reihe von Kosten für unterschiedliche Akteure verbunden ist. Für betroffene private Haushalte kommt sie
einer Armutslage gleich. Auch in dieser Hinsicht entstehen gesellschaftliche Kosten, weil die Überschuldung
nicht selten von Arbeitslosigkeit begleitet ist und Transferleistungen erforderlich macht. Auf diese Problemlagen
hat der Staat reagiert, indem er die gesetzliche Möglichkeit der Verbraucherinsolvenz geschaffen hat und die
Länder verpflichtete, die Grundbedingungen für eine geeignete Schuldnerberatung und Schuldnerbetreuung im
Rahmen der Verbraucherinsolvenz zu gewährleisten.
Von besonderer Brisanz ist aber nicht nur die Tatsache der Überschuldung privater Haushalte, sondern dass die
Anzahl der überschuldeten Personen kontinuierlich steigt. Wirtschaftliche Stagnation, hohe Staatsverschuldung
und angestrebte Reformen des Sozialstaates verschärfen die Haushaltslage der Privathaushalte und führen zu
einer weiteren Erhöhung der Überschuldung. Davon sind nicht nur die bereits überschuldeten Haushalte
betroffen, deren Lage sich infolge der gesellschaftlichen Krisensituation verschlechtert. Betroffen sind auch
immer mehr Haushalte aus Bevölkerungsgruppen, die nicht zu den klassischen, von Armut betroffenen gehören.
So genannte Kernbereiche der Gesellschaft, wie z.B. qualifizierte Arbeiter- und Angestelltengruppen werden
vom Sozialabbau mehr und mehr erfasst und geraten in prekäre Lebenslagen.
Die Tendenz der steigenden Überschuldung wird sich im kommenden Jahr infolge der Arbeitsmarkt- und
anderer Reformen der Sozialsysteme weiter verstärken. Dies befürchten alle beteiligten Akteure auf dem
Schuldensektor im Vorfeld der Einführung des ALG II, der Gesundheitsreform und der Rentenreform. Die zu
erwartende Einkommensreduzierung vieler Arbeitslosenhilfeempfänger wird die Lage bereits überschuldeter
Haushalte verschärfen und eine bisher nicht abzuschätzende Zahl weiterer Bevölkerungsteile in die
Überschuldung treiben.
Auch die Bildungsmisere trägt ihren Teil zur Verschärfung der Situation bei. Die unzureichenden Wissens- und
Erfahrungsbestände, mit denen junge Menschen ins Erwachsenenleben treten, sind mit unzureichendem Wissen
um Geldangelegenheiten und Fragen der Haushaltsführung verbunden. Der Tatsache, dass das Wissen um
finanztechnische Zusammenhänge ebenfalls eine immer größere Rolle im Leben moderner Gesellschaften mit
modernen Kommunikationsmedien und vielfältigen Kreditmöglichkeiten spielt, wird zu wenig Rechnung
getragen.
Schließlich bekommen unter den Bedingungen knapper werdender Haushaltsmittel die normativen
Gesichtspunkte der Teilhabe an der Gesellschaft und des Konsums eine veränderte Bedeutung. Was zu einer
vollen Teilhabe an der Gesellschaft gehört, ist von vielen nicht mehr zu finanzieren und die Anreize des
Konsums werden immer vielfältiger.
Insbesondere für Kinder, die in überschuldeten Haushalten leben, wird die sich verschlechternde Situation immer
bedrohlicher, besteht doch die Gefahr der Verstetigung ihrer Lebenslage auf unbestimmte Zeit. Ihnen werden
Chancen genommen, die es ihnen in ihrer Zukunft schwerer macht, in dieser Gesellschaft selbständig leben zu
können.
All das führt dazu, dass dem Problem der Überschuldung auch in Zukunft mehr Aufmerksamkeit geschenkt
werden muss.
Im hier vorliegenden Bericht zur Überschuldungssituation im Berliner Stadtbezirk Friedrichshain/Kreuzberg
wird über die statistische Analyse der Lage hinaus, die Lebenssituation überschuldeter Personen dargestellt,
werden Bedingungen der Tätigkeit von Schuldnerberatungsstellen skizziert und bewertet und Aussagen über die
Auswirkungen der Maßnahmen, die das Gesetz „Hartz IV“ beinhaltet, getroffen.
2
Hierfür wurden drei Erhebungsinstrumente gewählt:
1.
Es wurden die statistischen Daten der vom Berliner Senat anerkannten Schuldner- und
Insolvenzberatungsstellen in Friedrichshain / Kreuzberg ausgewertet, um allgemeine Aussagen über die
Betroffenengruppen treffen zu können.
2.
Es wurde an Klienten, die erstmals eine Schuldnerberatungsstelle aufsuchten, ein Fragebogen verteilt,
um Erkenntnisse über das subjektive Erleben der Überschuldungssituation durch die Betroffenen und
deren psycho-soziale Situation zu erlangen.
3.
Es wurde mit den Schuldnerberatern Experteninterviews durchgeführt, um Antworten über Fragen zu
organisatorischen Aspekten und eventuelle Trendeinschätzungen der Schuldnerberater zu erhalten.
Bevor die Ergebnisse der Untersuchung dargestellt werden, soll ein einführender Überblick zum Thema
„Überschuldung“ gegeben werden. Dabei gehen wir auf die Schuldensituation in Deutschland und Berlin ein und
treffen allgemeine Aussagen über strukturelle Bedingungen von Überschuldungen sowie zu ihren Ursachen.
1.2
Überschuldung in Deutschland
Die Aufnahme von Schulden - die Verschuldung - ist eine notwendige Bedingung der Überschuldung. In einer
kapitalistisch organisierten Marktwirtschaft gehören Schulden im Rahmen von Kredit-, Darlehn- und
Kaufgeschäften auch zu normalen wirtschaftlichen Vorgängen in privaten Haushalten. Indem die private
Verschuldung eine Steigerung des Konsums ermöglicht, soll sie zur Erhöhung der Lebensqualität beitragen.
Schulden macht man aber nicht nur um des Konsums willen, sondern Schulden dienen auch dazu, bereits
bestehende Zahlungsverpflichtungen zu überbrücken. Nicht erst dann, aber spätestens dann, werden die
Übergänge von der Verschuldung zur Überschuldung fließend (Korczak / Pfefferkorn, 1992, S. XXI). Aber was
ist der Unterschied von Ver- und Überschuldung?
Dieter Korczak definiert Verschuldung folgendermaßen: „Verschuldung ist jede Form des Eingehens von
Zahlungsverpflichtungen, die ökonomisch und juristisch geregelt ist und sowohl von Gläubigern wie Schuldnern
ein rollenkonformes Verhalten erwarten läßt“ (Korczak / Pfefferkorn, 1992, S. XXI). Das spezifische Merkmal
der Verschuldung ist, dass der Schuldner seine Zukunft beleiht. Der Schuldner geht Zahlungsverpflichtungen
ein, die er zu einem späteren Zeitpunkt begleichen will. Hierin liegt ein besonderes Risiko für beide, Schuldner
und Gläubiger, das in der Regel mit dem Zins reguliert wird.
Aus der Definition von Korczak geht hervor, dass beim Eingehen von Zahlungsverpflichtungen neben der
ökonomischen und juristischen Regelung auch Rollenerwartungen mitwirken, d.h. Kreditgeber und
Kreditnehmer erwarten voneinander eine bestimmte Einstellung und ein Verhalten im Hinblick auf das
Schuldverhältnis, an denen sich beide Parteien verbindlich orientieren können (Korczak / Pfefferkorn, 1992, S.
XXI). Der Verweis auf die Rollenerwartungen hebt die Bedeutung der Einstellungen der Privatpersonen
gegenüber Verschuldung, Kreditaufnahme und Sparen hervor.
Überschuldung dagegen ist nicht wie die Verschuldung ein normales, sondern ein kritisches Lebensereignis
(Korczak / Pfefferkorn, 1992, S.XXI). Es wird wie folgt definiert: „Überschuldung ist die Nichterfüllung von
Zahlungsverpflichtungen, die zu einer ökonomischen und psychosozialen Destabilisierung von Schuldnern führt.
Überschuldung bedeutet daher nicht allein, dass nach Abzug der fixen Lebenshaltungskosten der verbleibende
Rest des monatlichen Einkommens für zu zahlende Raten nicht mehr ausreicht, sondern birgt massive soziale
und psychische Konsequenzen in sich“ (Korczak / Pfefferkorn, 1992, S.XXI).
Der Zustand der Überschuldung beinhaltet somit für den privaten Verbraucher eine angespannte finanzielle
Situation, welche sich auf dessen körperliche und psychische Gesundheit ebenso auswirkt, wie auf seine sozialen
Beziehungen. Psychosoziale Konsequenzen sind z.B. Isolation, Ausgrenzung, das Gefühl der Ohnmacht und
Minderwertigkeit, Angst, Sucht, Krankheit, gesteigerte Gewaltbereitschaft bzw. gewaltsames Handeln gegen
Kinder oder andere Familienangehörigen (Korczak, 1997, S.236).
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In diesen Definitionen spiegeln sich die jahrelangen Erfahrungen von Schuldnern und Schuldnerberatern wider,
die die Überschuldung sowohl in ihren Ursachen wie auch in ihren Folgen nicht auf das Schuldverhältnis und
dessen rechtliche Konsequenzen beschränken.
Um das Ausmaß und die Struktur der Überschuldung in Deutschland abzuschätzen, hat Dieter Korczak – einer
der ausgewiesensten Sozialwissenschaftler auf dem Gebiet der Überschuldung - die Klientenstrukturen von
Schuldnerberatungsstellen untersucht. Er verwendet ein Indikatorenmodell, das die Indikatoren Lohn - und
Gehaltspfändungen, abgeleistete eidesstattlichen Versicherungen, Energie – und Mietschulden und die Anzahl
der arbeitslosen Personen verwendet (Korczak, 1997, S. 300).
Die Studien der GP-Forschungsgruppe um Dieter Korczak liegen inzwischen in vier Untersuchungswellen vor.
Die Studie von 1992 untersucht die westdeutschen überschuldeten Haushalte für das Jahr 1989, die von 1997 ist
eine Anschlußuntersuchung zur Überschuldungssituation in den neuen Bundesländern für das Jahr 1994 und die
Studien von 2001 und 2003 untersuchen die überschuldeten Haushalte in West- und Ostdeutschland.
Im Ergebnis schätzt Korczak die Entwicklung der Anzahl der überschuldeten Haushalte in Deutschland
folgendermaßen ein:
In Westdeutschland ist die Anzahl der überschuldeten Haushalte von 1,2 Mio. im Jahre 1989 auf 2,1 Mio.
Haushalte im Jahr 1997 angestiegen. 1999 ist die Anzahl auf 1,9 Mio. gesunken, allerdings ist die Anzahl im
Jahr 2002 auf 2,2 Mio. gestiegen.
In Ostdeutschland hat sich die Zahl von 500.000 (1994) auf 870.000 (1999) fortentwickelt. 2002 waren 940.000
ostdeutsche Haushalte überschuldet.
Somit waren 1999 rund 2,77 Mio. (6,2% der westdeutschen und 12,5% der ostdeutschen Haushalte) und 2002
3,1 Mio. (8,1% der gesamtdeutschen, 7,2% der westdeutschen und 11,3% der ostdeutschen) Haushalte
überschuldet (Korczak, 2001, S. XXV; Korczak, 2003, S.46).
Die weiteren Befunde dieser Studien haben gezeigt, dass die überschuldeten Personen überdurchschnittlich im
unteren Einkommensbereich zu finden sind, dass sie mittleren Lebensalters sind und dass sie eher eine formal
geringe Bildungs- und Berufsqualifikation aufweisen.
Den größten Anteil der Überschuldeten bilden Personen, die sich im mittleren Lebensalter befinden. Damit sind
am häufigsten Menschen in Lebensphasen betroffen, in denen Familien gegründet werden und berufliche
Etablierung und Weiterentwicklung stattfinden.
Neu ist, seit 1999, dass Überschuldung sich auch bei älteren Klienten verstärkt ausdrückt. Es ist eine
Verschiebung in ältere Jahrgänge festzustellen (Korczak, 2001, S.132-133). Das bedeutet im Unkehrschluss,
dass jüngere Menschen relativ seltener von Überschuldung betroffen sind. Korczak weist darauf hin, dass der
geringe Anteil von Jugendlichen nicht unbedingt darauf zurückzuführen sei, dass Jugendliche und junge
Erwachsene weniger Probleme mit Schulden haben als die ältere Generation. Im Gegenteil, wie andere Daten
belegen (SCHUFA), haben vor allem junge Menschen Probleme mit der Rückzahlung von Krediten. Aber, bis
die Situation der Überschuldung einsetzt, vergeht in der Regel einige Zeit. Daher spricht man in den Fällen, in
denen sich Überschuldungssituationen über einen längern Zeitraum aufbauen, von Überschuldungskarrieren
(Korczak, 2001, S.133).
Während 1994 in den neuen Bundesländern, Überschuldung stärker an die Elternschaft gebunden war als in den
alten 1989, so sind 2002 in den alten Bundesländern überproportional drei und mehr Personenhaushalte (48%)
und in den neuen Bundesländern überwiegend Einpersonenhaushalte von Überschuldung betroffen (Korczak,
1997, S.313-314; Korczak, 2004, S.13).
Schon 1999 war auffällig, dass die ostdeutschen überschuldeten Haushalte viel häufiger Transferzahlungen und
viel seltener Lohn oder Gehalt beziehen als die westdeutschen Haushalte (Korczak, 2002, S.144, 152-153). Dies
traf auch im Jahr 2002 zu: In den neuen Bundesländern bildete bei 43 % der überschuldeten Haushalte
Arbeitslosengeld- bzw. Arbeitslosenhilfe die Haupteinkommensquelle, während in den alten Bundesländern bei
47 % der überschuldeten Haushalte ein Erwerbseinkommen als Haupteinkommensquelle vorlag (Korczak, 2003,
S. 24). Allerdings ist der Anteil der Klienten in Westdeutschland, die Arbeitslosengeld bzw. –hilfe erhalten,
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angestiegen und in Ostdeutschland etwas zurückgegangen (Korczak, 2004, S.14-15). In diesen Zahlen spiegelt
sich die unterschiedliche Arbeitsmarktsituation von Ost- und Westdeutschland wider.
2002 haben in den neuen Bundesländern 52 % der überschuldeten Haushalte Schulden unter 10.000 €. Dies trifft
in den alten Bundesländern nur auf 22 % zu (Korczak, 2003, S.26). Obwohl die Verschuldungssumme in den
neuen Bundesländern niedriger ist als in den alten, ist die Gläubigeranzahl nahezu identisch mit derjenigen aus
den alten Bundesländern (Korczak, 2003, S. 25).
Die ostdeutschen überschuldeten Haushalte sind stärker von Mietschulden betroffen als die westdeutschen. 2002
haben 32 % der ostdeutschen überschuldeten Haushalte Mietschulden, während dies nur auf 15 % der
überschuldeten Haushalte in Westdeutschland zutrifft (Korczak, 2003, S.27). Während aber 1999 die
ostdeutschen überschuldeten Haushalte auch stärker von Energieschulden betroffen waren, trifft dies für 2002
nicht mehr zu. Die Energieschulden sind in Ostdeutschland zurückgegangen (von 24 % im Jahr 1999 auf 15 %
im Jahr 2002) (Korczak, 2003, S.27; Korczak, 2001, S.140).
Die stärkere Betroffenheit von Primärschulden führte Korczak in seiner Studie von 1997 auf das
„Ostspezifikum“, Zahlungsrückstände als „Kavaliersdelikte“ zu erachten, zurück. Hieraus resultierte eine
gewisse „Gleichgültigkeit gegenüber Schulden“ (Korczak, 1997, S.274-275).
Die wichtigsten Überschuldungsauslöser im Jahr 2002 sind Arbeitslosigkeit, Niedrigeinkommen,
Unwirtschaftliche Haushaltsführung und das Scheitern einer Paar-Beziehung (Korczak, 2003, S.29). Dies deckt
sich mit früheren Untersuchungen von Korczak. In den neuen Bundesländern wird Arbeitslosigkeit als Ursache
der Überschuldung (46 %) häufiger angegeben als in den alten (23 %). Daraus resultierend spielt auch
Niedrigeinkommen in den neuen Bundesländern als Ursache eine größere Rolle als in den alten. Überhöhter
Konsum ist als Ursache in den neuen Bundesländern auch noch von Bedeutung. In den alten Bundesländern
stechen Trennung und Scheidung (23 %) und gescheiterte Selbständigkeit (20 %) als Überschuldungsursachen
hervor (Korczak, 2003, S.29).
Die überwiegende Nennung mehrerer Ursachen pro Fall verdeutlicht, dass Überschuldung das Ergebnis eines
multifaktoriellen Prozesses ist. Die Auslöser für Überschuldung sind vielfältig und i.d.R. sind mehrere
Ereignisse für eine Überschuldungssituation verantwortlich.
Im Jahr 2002 fanden nur 12 % der überschuldeten Haushalte Zugang zur Schuldnerberatungsstelle, dies traf
1999 noch auf 14 % zu. Der notwendige Ausbau der Schuldnerberatung hat nach Korczak somit nicht Schritt
gehalten mit der Überschuldungsentwicklung. Bedenklich ist hier, dass einige Länder ihre finanziellen Mittel in
diesem Bereich zurückgefahren bzw. sogar ganz gestrichen haben, wie z.B. Hessen oder Bayern.
Im Gegensatz zu den Studien von Korczak, der ein Anstieg der Überschuldung verzeichnet, stellt die Studie der
SCHUFA Holding AG (Schutzgemeinschaft für allgemeine Kreditsicherung) eher eine Stagnation der
Überschuldung fest. So gab es 2002 weniger Kreditstörungen als im Zeitraum 1999-2001. Weiterhin lassen sich
nach der SCHUFA-Studie auffällige Zahlungsstörungen eher bei jüngeren Altersgruppen feststellen (SCHUFA
Holding AG, 2003, S.7). Hier ist allerdings anzumerken, dass sich Zahlungsstörungen im Allgemeinen nicht
unbedingt als Indikatoren für Überschuldung eignen. Auf der einen Seite beinhalten die bei der SCHUFA
gemeldeten Zahlungsstörungen auch bestrittene Gebühreneinzüge, Fehleintragungen usw. Zum anderen sind
Umschuldungen ein wichtiger Indikator für Überschuldungen. Diese sind der SCHUFA allerdings nicht bekannt
(Reifner, 2003, S. 23). Schließlich erfasst die Schufa nur Kreditgeschäfte und Unregelmäßigkeiten in ihrer
Abwicklung, nicht aber andere Schulden und Zahlungsstörungen.
Ein weiteres Anzeichen für die Abnahme des Überschuldungsrisiko sieht die Studie im Anstieg der Sparquote.
Das mag aus volkswirtschaftlicher Sicht richtig sein, denn die Sparquote und das Geldvermögen sind stärker
gestiegen als die Konsumentenkredite (SCHUFA, 2003, S.53-54). Allerdings haben Sparquote und
Überschuldung auf der Ebene der einzelnen privaten Haushalte nicht unbedingt etwas miteinander zu tun. So
kann z.B. gerade das von Überschuldung bedrohte Klientel nicht sparen, da es dafür ein zu niedriges Einkommen
hat (Reifner, 2003, S.30).
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1.3
Überschuldungssituation in Berlin
Es ist anzunehmen, dass das Land Berlin besonders stark von Überschuldung betroffen ist, da in Berlin
überdurchschnittlich viele Personen leben, die den Risikogruppen von Überschuldung zuzuordnen sind.
Eine Abschätzung der Zahl der überschuldeten Haushalte ist für Berlin allerdings schwer, da einige für die
Abschätzung notwendigen Merkmale nicht erhoben werden bzw. nicht zugänglich waren. Beispielsweise haben
die Kreditinstitute keine Angaben über Kreditkündigungen, Kontokündigungen usw. gemacht, die Anzahl der
Zwangsräumungen aufgrund von Mietschulden wird genauso wenig erhoben wie die Anzahl der
Räumungsklagen.
Dennoch kann auf einige Zahlen verwiesen werden. So ist ein Anstieg der Verbraucherinsolvenzverfahren zu
verzeichnen: von 267 im Jahr 2000 auf 1541 im Jahr 2003. Dies lässt einen Anstieg der überschuldeten
Haushalte vermuten, obwohl in Rechnung gestellt werden muss, dass die Inanspruchnahme der
Verbraucherinsolvenz Zeit braucht und in diesem Anstieg die laufenden Bedarfe befriedigt wurden. Des
Weiteren ist der Anstieg der Verbraucherinsolvenzen auch auf die Reform des Verbraucherinsolvenzgesetzes im
Jahr 2001 zurückzuführen, die die Inanspruchnahme dieses Verfahrens für überschuldete Personen erleichterte.
Dieser Anstieg spiegelt sich allerdings in der Anzahl der festen Klienten der Schuldnerberatungsstellen von
Berlin nicht wider. So ist die Anzahl der festen Klientinnen/Klienten im selben Zeitraum „nur“ um 744
gestiegen. Dem gegenüber ist jedoch die Zahl der Einmalberatungen in Sprechstunden erheblich gestiegen: von
10.243 im Jahr 2000 auf 13.570 im Jahr 2003. Die Anzahl der Einmalberatungen in Veranstaltungen ist im
selben Zeitraum sogar um 51% gestiegen.
Wir führen den starken Anstieg der Einmalberatungen und den schwächeren Anstieg der Klienten in laufender
Beratung darauf zurück, dass die Kapazitäten der Schuldnerberatungsstellen an ihre Grenzen gestoßen sind und
nicht alle Klienten in eine feste Beratung überführt werden können. Ein Indikator, der das bestätigt, sind die
gestiegenen Wartezeiten in den Beratungsstellen.
Im Jahr 1998 ging der Berliner Senat in seiner Vorlage zu den finanziellen und personellen Voraussetzungen für
die Umsetzung der Insolvenzrechtsreform davon aus, dass über 100.000 Berliner Haushalte überschuldet sind.
Dabei wurde der Wert von 5,6% aller privaten Haushalte in Berlin als von Überschuldung betroffen zu Grunde
gelegt (Sozialverwaltung für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz, 2002, S.77).
Die Landesarbeitsgemeinschaft Schuldner- und Insolvenzberatung e.V. (LAG SIB e.V.) schätzt hingegen, dass
9,35% der Berliner Haushalte –also ca. 160.000- überschuldet sind. Hierbei bezieht sie sich auf die Studie der
GP-Forschungsgruppe um Korczak und bildet den Mittelwert aus den Prozentzahlen, die Korczak im Jahr 1999
für West (6,2%)- und Ostdeutschland (12,5%) ermittelt hat (http://www.schuldnerberatung-berlin.de/851.html,
13.05.04). Im "Armutsbericht" von 2002 der Sozialverwaltung für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz
wird die Anzahl der überschuldeten Haushalte auf 154.000 geschätzt. Hier wird zwar auch auf die Zahlen von
Korczak für das Jahr 1999 Bezug genommen, allerdings wird nicht der Mittelwert gebildet, sondern es werden
die Ost- und die Weststadthälften getrennt betrachtet (Sozialverwaltung für Gesundheit, Soziales und
Verbraucherschutz, 2002, S.78).
Bettina Heine (Vorstandsmitglied der LAG SIB e.V.) gibt in einem Interview mit der Berliner Zeitung an, dass
sich die Gesamtverschuldung der Berliner Haushalte zum 31.12.2003 auf fast 460 Millionen € beläuft, wovon
auf unmittelbar existenzbedrohende Schulden wie Miet- und Energieschulden über 7,5 Millionen € entfallen.
(Berliner Zeitung, Nr. 220, 20.Sept. 2004, S.12).
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1.4
Schätzung des Bedarfes an laufender Beratung
Wir haben aus den Ergebnissen unserer Befragung eine Schätzung des Bedarfes an laufender Beratung in Berlin
vorgenommen. Wir unterscheiden dabei „sichtbare“ und "nicht sichtbare" Überschuldung (Dunkelfeld).
„Sichtbar“ sind die Erscheinungsweisen der Überschuldung, die in den Beratungsstellen in irgend einer Form
registriert werden.
Im einzelnen sind wir folgendermaßen vorgegangen:
Unsere Befragung ergab, dass 44 % der Teilnehmer einen Bedarf für die laufende Beratung angaben.
Diese Zahl kann nur als ein sehr grober und extremer Schätzwert für die Ermittlung des Bedarfes angenommen
werden, und zwar dann, wenn man annimmt, dass von allen Personen, die an einer Einmalberatung teilnehmen,
auch 44 % eine laufende Beratung wünschen. Unsere Befragung kann jedoch nicht als repräsentativ für die
Überschuldetenpopulation gelten und wir können nicht davon ausgehen, dass tatsächlich 44 % aller
Einmalberatenen eine laufende Beratung wünschen. Dennoch besteht die Möglichkeit, einen unteren Schätzwert
für den Anteil der für den laufenden Bedarf Bedürftigen zu ermitteln.
Dieser untere Schätzwert ergibt sich, wenn man annimmt, dass zwar 44 % der Teilnehmer an der Befragung
diesen Bedarf äußerten, aber aus der Gesamtheit derjenigen, die in dieser Zeit insgesamt die Beratungsstellen
kontaktierten und die sich nicht an der Befragung beteiligten, keine weitere Person eine laufende Beratung
wünscht. Da die Gesamtheit derjenigen, aus denen unsere 107 Teilnehmerinnen sich rekrutiert auf 315 geschätzt
werden kann (die Zahl von Personen, die jahresdurchschnittlich innerhalb von sechs Wochen die
Beratungsstellen aufsucht), bedeutet dies, dass der untere Schätzwert bei 14,3 % liegt (Zahl der Bedürftigen aus
der Befragung bezogen auf die Gesamtzahl der Betroffenen).
Als extremer unterer Schätzwert für den Bedarf an laufender Beratung kann also genannt werden: 14,3 %
derjenigen, die an einer Einmalberatung teilnehmen.
Allerdings ist auch diese Annahme nicht sehr wahrscheinlich. Der Bedarf liegt also zwischen 14,3 % und 44 %.
Eine weitere Eingrenzung kann auf der Grundlage unserer Daten nicht vorgenommen werden. Nur eine
Plausibilität deutet darauf hin, dass es wohl unter dreißig und über zwanzig Prozent sein werden. Unter dreißig,
weil anzunehmen ist, dass diejenigen, die nicht an der Befragung teilnahmen, auch seltener einen Bedarf an
laufender Beratung haben wird. Über zwanzig Prozent, weil sich an der Befragung unterdurchschnittlich viele
Ausländer aus Nicht-EU-Staaten beteiligt haben, die jedoch einen überdurchschnittlichen Bedarf an laufender
Beratung haben. Einen mittleren, vorsichtigen Wert setzen wir bei 20 % derjenigen an, die sich an die
Beratungsstellen wenden.
In Berlin haben sich im Jahr 2003 13.570 Personen an einer Einmalberatung in den Sprechstunden beteiligt. Legt
man diesen Wert für die Zukunft zugrunde (was jedoch höher ausfallen wird), dann ergibt sich für die laufende
Beratung ein Zuwachs pro Jahr von 2714 Klienten.
Dieser Wert drückt den jährlichen Zuwachs des Bedarfes aus.
Wenn man nun annimmt, dass eine laufende Beratung ohne Insolvenzverfahren durchschnittlich zwei Jahre und
eine Beratung mit Insolvenz durchschnittlich drei Jahre in Anspruch nimmt, und weiterhin davon ausgeht, dass
die Zahl der Klienten in Beratungen mit und ohne Insolvenzverfahren fast gleich groß ist, kommt man auf einen
Faktor von 2,5 für den notwendigen Bestand an Klienten in den Beratungsstellen in laufender Beratung.
Das bedeutet für Berlin, dass sich aus dem „sichtbaren“ Bedarf an laufender Beratung ein Klientenstamm von
etwa 6.785 Personen ergeben müsste. Legt man den unteren Schätzwert zugrunde, ergäbe sich ein Bestand von
4.850 Klienten. Im Fall der Berechnung mit dem oberen Schätzwert ergebe sich ein notwendiger Bestand in
laufender Beratung von etwa 14.930 Fällen.
Für das Dunkelfeld ergeben sich folgende Abschätzungen:
Legt man den vorsichtigen Schätzwert zugrunde, ergibt sich ein notwendiger Klientenstamm von 80.000 Fällen.
Der extreme untere Wert liegt bei 57.200 Fällen, der obere Schätzwert bei 176.000 Fällen.
Der Hauptauslöser für Überschuldung ist in Berlin Arbeitslosigkeit (Senatsverwaltung für Arbeit, Soziales und
Frauen, 2000, S. 22). Einpersonenhaushalte bilden den größten Anteil, dies spiegelt die Sozialstruktur Berlins
7
wider. Allerdings ist ein Anstieg der Einpersonenhaushalte bei der Klientel der Schuldnerberatungsstellen
bundesweit zu beobachten. Nur cirka 30 % der überschuldeten Haushalte sind Mehrpersonenhaushalte (ab 3
Personen) (Senatsverwaltung für Arbeit, Soziales und Frauen, 2000, S.23).
1.5
Ursachen von Überschuldung
Der gesellschaftliche Zusammenhang, in dem sich Überschuldung abspielt, ist komplex. Es gibt eine Vielzahl
von Faktoren, die die Überschuldungssituation beeinflussen. Zu nennen sind hier als gesellschaftliche Faktoren
die allgemeine konjunkturelle Lage, die Arbeitsmarktsituation, die Sozial- und Verbraucherpolitik, die
rechtlichen Rahmenbedingungen, das Konsum- und Verbraucherverhalten und das Finanzdienstleistungssystem.
Zu den subjektiven Faktoren zählen die Stellung im Lebenszyklus, das subjektive Konsum- und
Erwerbsverhalten, die Schichtzugehörigkeit, Bildung usw. Auf alle diese Faktoren kann hier nicht in
ausführlicher Form eingegangen werden, aber es soll dennoch versucht werden, das Bedingungsgeflecht der
Überschuldung allgemein darzustellen.
Die Berliner Statistik der Schuldnerberatungsstellen weist elf Gründe der Überschuldung aus. Daraus kann ein
differenziertes Bild gezeichnet werden, wie es im zweiten Abschnitt für unser Untersuchungsfeld geschieht.
Die Literatur zum Thema weist als häufigste Faktoren Arbeitslosigkeit, Niedrigeinkommen, familienrelevante
Faktoren, Probleme bei der Haushaltsführung und externe Ereignisse aus. Diese Auslöser der Überschuldung
treten selten isoliert auf, d.h. Überschuldung erfolgt aus einem Bedingungsgeflecht von Lebenslagen,
Verhaltensweisen und dem Eintreten kritischer Lebensereignisse (Korczak, 1997, S.245).
Reiter und Reis unterbreiteten Vorschläge, die zwei Ursachenkomplexe hervorheben und unterscheiden
typologisch zwischen Armuts- und Krisenschuldnern. Armutsschuldner seien gezwungen sich zu verschulden,
da sie ihre Grundbedürfnisse nicht ohne Verschuldung finanzieren könnten. Wie wohl man sagen muss, dass
nicht jeder Mensch in einer Armutslage auch überschuldet ist, ist das Risiko der Überschuldung für Menschen in
Armut größer. Um den besonderen Gesichtspunkt der Konsumeinstellung von der Armutslage abzuheben, führt
Reiter die Unterscheidung von Armutsschuldnern und Anspruchsschuldnern ein (Reiter, 1991, S.212-217).
Damit drückt er aus, dass es in diesen Fällen nicht eine prekäre soziale Lage ist, die mit der Überschuldung
zusammen hängt, sondern eine bestimmte Einstellung zum Konsum, die sich jedoch in Armutslagen
verschärfend auswirkt.
Krisenschuldner gelangen dagegen durch unvorhergesehne und nicht kontrollierbare Lebensereignisse in die
Überschuldungssituation, die als Krise wahrgenommen werden. Während die Armutsschuldner über einen
längeren Zeitraum mit Schulden leben bis die Überschuldung eintritt, ist die Gruppe der Krisenschuldner bis
zum Eintreten des Ereignisses durchaus in der Lage gewesen ihren Zahlungsverpflichtungen nachzukommen
(Reiter, 1991, S.212-217). Das eingetretene Ereignis bedeutet eine Einkommensreduzierung oder
Ausgabensteigerung, die das Haushaltsbudget aus dem Gleichgewicht bringt. In der Folge kommt es häufig
dazu, dass die finanziell angespannte Haushaltssituation durch falsche Anpassungsversuche (z.B. durch
Umschuldung) weiter verschlimmert wird. Der Zahlungsverzug zieht weitere Überschuldungssituationen nach
sich (z.B. Miete, Energie), die die Haushalte nicht mehr bewältigen können. Manchmal können nur noch die
Zinsen und Verzugszinsen bezahlt werden, nicht jedoch die eigentliche Schuld getilgt werden. Es drohen Lohnund Gehaltspfändungen, eidesstattliche Versicherung usw. (Reis, Claus, 1992, S.11ff).
Auf die Bedeutung des Wissens über finanztechnische Zusammenhänge als Faktor der Überschuldung geht u.a.
Reiter ein. Er bezieht sich auf diesen Faktor bei der Bestimmung eines weiteren Schuldnertypus, des
Defizitschuldners. In diesem Fall war der Grund für die Überschuldung ein mangelhaftes Finanzwissen und eine
unwirtschaftliche Haushaltsführung. Allerdings weist Reiter darauf hin, dass dieser Schuldnertypus nicht alleine
auftritt, sondern immer in Kombination mit anderen Schuldnertypen (Reiter, 1991, S.212-217).
So bedeutsam die genannten Faktoren sind, so problematisch ist es auch, ihre Wirkung derart zu vereinfachen,
dass sie als Grundlage einer Typenbildung genommen werden können.
Korczak hingegen vermeidet solch einfache Typologisierungen und versucht, das Zusammenspiel der
verschiedenen individuellen wie auch der gesamtgesellschaftlichen Faktoren, die im Laufe der Zeit von der
Verschuldung zur Überschuldung führen können, mit Hilfe des Lebenslagenansatzes darzustellen. Dieser Ansatz
beinhaltet die Auseinandersetzung mit den Handlungsspielräumen von Haushalten und den Bedingungen, denen
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diese unterliegen. Dabei stellt er fest, dass gerade die Bevölkerungsgruppen von Überschuldung besonders stark
betroffen sind, die zu den Armutsgruppen gehören (Korczak, 2001, S.41). Die Lebenslage überschuldeter
Haushalte deckt sich mit der Lebenslage armer Haushalte: Niedrigeinkommen, geringe Bildungs- und
Berufsqualifikation, Arbeitslosigkeit usw. sind charakteristische Merkmale für die Lebenslage beider
Haushaltstypen (Korczak, 2001, S.XXIV). Hierbei ist nicht immer klar, ob Armut eine Ursache oder eine Folge
von Überschuldung ist.
Die Lebenslage eines Haushaltes ergibt sich aus den Merkmalen Einkommen, Wohnung, Infrastruktur, Bildung,
Arbeitssituation sowie aus der Eigentätigkeit der Haushaltsangehörigen und deren Lebenseinstellung.
Die persönliche Lebensgestaltung privater Haushalte, wird bestimmt durch die Ressourcen des Haushaltes, durch
die Lebenseinstellung der Haushaltsmitglieder, deren Beziehungen untereinander und durch haushaltsexterne
Faktoren (Korczak, 2001, S.42). Zu den Ressourcen eines Haushaltes zählt dessen wirtschaftlich relevantes
Vermögen, dessen soziale Beziehungen und dessen Humankapital. Die Lebenslage ist typischer Weise mit
Lebenseinstellungen der Haushaltsmitglieder verbunden. Diese werden in der Sozialisation geprägt und ändern
sich nur zögerlich. Die Einstellungen äußern sich darin, wie der Haushalt mit den eigenen Ressourcen umgeht
und wie er haushaltsexterne Bedingungen nutzt. Zu den haushaltsexternen Faktoren zählen sowohl materielle
(Infrastruktur, Stadtteil, Beratungsangebote) als auch immaterielle gesamtgesellschaftliche Bedingungen
(Gesetze, Wirtschaftsprozesse, Arbeitsbedingungen) (Korczak, 2001, S.42-43).
1.6
Das Bedingungsgeflecht von haushaltsinternen und haushaltsexternen
Faktoren
Überschuldung als eine defizitäre Lebenslage lässt sich z.B. mit haushaltsexternen Faktoren wie mit den
Veränderungen auf den Arbeitsmarkt, den Bedingungen des Marktes der Finanzdienstleistungen oder durch
ungenügende Transferleistungen durch den Staat erklären. Es können aber auch haushaltsinterne bzw.
persönliche Faktoren zur Überschuldung beitragen z.B. kann die Geburt eines Kindes eine enorme Belastung für
die Familie darstellen. Um Erklärungsansätze für das Überschuldungsproblem liefern zu können, sollte der
Lebenslagenansatz für überschuldete Haushalte die haushaltsinternen Bedingungen (ökonomische und soziale
Ressourcen sowie Lebenseinstellung) und die gesellschaftlichen Bedingungen berücksichtigen (Korczak, 2001,
S.43-S.45).
Als erster Faktor, der zur Überschuldung führen kann, ist der geringe ökonomische Handlungsspielraum von
Haushalten zu nennen. Gerade bei Haushalten mit einem stark eingeschränkten ökonomischen
Handlungsspielraum, können kritische Lebensereignisse in prekäre Situationen wie die Überschuldung führen.
Solche Wendepunkte des Lebenslaufes sind z.B. Arbeitslosigkeit, Ehescheidung usw. (Korczak / Pfferkorn,
1992, S.15-17). Da der ökonomische Handlungsspielraum der privaten Haushalte stark eingeschränkt ist, können
sie auf derartige Ereignisse nicht mit den entsprechenden Anpassungsleistungen reagieren (Korczak / Pfferkorn,
1992, S.15-17). Bei einer Kreditaufnahme, um den finanziellen Engpass zu überbrücken, oder bei schon
vorhandener, geringer Verschuldung kann dies zur Überschuldung umkippen.
Somit können auch alltägliche „normale“ Ereignisse zu kritischen Ereignissen werden wie z.B. die Geburt eines
Kindes. Dies erklärt z.B. warum so viele junge Familien in die Situation der Überschuldung eintreten. Die
Haushaltsgründung bzw. die Geburt eines Kindes stellt gerade für junge Familien mit niedrigen Einkommen ein
lebenszyklisch bedingtes Überschuldungsrisiko dar (Korczak, 2001, S.6).
Für Haushalte mit einem geringen Einkommen stellt Verschuldung nicht nur eine Möglichkeit dar, um
finanzielle Engpässe zu überbrücken, sondern auch ein Risiko. Bei der Klientel der Schuldnerberatungsstellen
sind Haushalte mit einem Niedrigeinkommen überproportional vertreten. So sind Haushalte mit steigendem
Einkommen (4500 DM und mehr Haushaltsnettoeinkommen) und mit höherem beruflichen Status (leitende
Angestellte / Beamte, Selbständige, Freiberufler), kaum bei der Klientel der Schuldnerberatungsstellen vertreten,
obwohl hier der Anteil der Kreditnehmer über 50 % beträgt (Korczak, 2001, S.29-30). Hinzu kommt, dass
Haushalte ohne Sicherheiten durch die deutliche Verteuerung des Kredits abgestraft werden (Korczak, 2001,
S.7).
Ein Mangel an haushaltswirtschaftlicher Kompetenz, den viele überschuldete Haushalte aufweisen, führt dazu,
dass der enge ökonomische Handlungsspielraum noch enger wird.
9
Hier stellt sich allerdings die Frage, inwieweit dieser Mangel an haushaltswirtschaftlicher Kompetenz wirklich
auf der Unfähigkeit der Personen basiert oder ob ein komplexer werdendes Finanzdienstleistungssystem nicht
die Personen überfordert (Korczak, 2001, S.54). Das in risikobelasteten Bevölkerungsteilen anzutreffende
mangelnde Wissen über Geldangelegenheiten führt zum Abschluss ungünstiger Kreditfinanzierungen, die das
Überschuldungsrisiko erhöhen.
Das Merkmal geringen finanztechnischen Wissens ist häufig in den neuen Bundesländern anzutreffen: Ohne mit
dem System der sozialen Marktwirtschaft durch langjährige Lernprozesse vertraut worden zu sein, wurden die
ostdeutschen Haushalte mit einem für sie neuen Finanzsystem konfrontiert (Korczak, 2001, S.10-11).
Der Mangel an haushaltswirtschaftlicher Kompetenz ist ein Bestandteil der humanen Ressourcen eines
Haushalts, zu denen auch Bildung, berufliche Qualifikation und Einstellungen zählen. Die Voraussetzungen
dafür werden in den Familien gesetzt, in der auch die haushälterischen Handlungsmuster geprägt werden. Der
Mangel an haushaltswirtschaftlicher Kompetenz und die Einstellungen zum Geld lassen sich somit teilweise auf
die soziale Herkunft zurückführen (Korczak, 2001, S.52-53). Haushalte, die aufgrund ihrer Sozialisation keine
Finanzkompetenz erworben haben, sind eventuell von Überschuldung stärker bedroht (vgl. auch SCHUFA und
die Kölner Studie).
Die soziale Herkunft wirkt sich zunehmend auf den Bildungsabschluss und somit für die Erwerbschancen aus
(Korczak, 2001, S.52-53). Kinder aus armen Familien, erwerben eher einen niedrigen Bildungsabschluss und
sind eher von Arbeitslosigkeit bedroht bzw. häufiger von Arbeitslosigkeit betroffen als Kinder aus
wohlhabenden Herkunftsfamilien. Somit steigt ihre Wahrscheinlichkeit im Erwachsenenalter von Überschuldung
betroffen zu sein (Korczak, 2001, S.67).
Aber nicht nur komplexere Finanzdienstleistungsmärkte verlangen ein mehr an humanen Ressourcen, sondern
auch die normative Veränderung des Konsumverhaltens und die vermehrte Bedarfsweckung durch z.B. die
Werbung (Korczak, 2001, S.46). Allgemein zeichnet sich ein Wandel weg vom Versorgungskonsum hin zum
Prestige- bzw. Erlebniskonsum ab.
Einen weiteren Faktor, der für die Anpassungsleistungen von Haushalten von Bedeutung ist, bilden die sozialen
Ressourcen eines Haushaltes. Soziale Ressourcen können beim Eintritt von kritischen Lebensereignissen von
erheblicher Bedeutung sein. Sie können zur Überwindung finanzieller Notlagen beitragen (Korczak, 2001,
S.51). Eventuell fehlt den verschuldeten Familien ein sie unterstützendes soziales Netzwerk, so dass sie in die
Situation der Überschuldung eintreten. Hier ist von Bedeutung, dass mit dem Eintritt in die Überschuldung
neben den ökonomischen Ressourcen auch die sozialen schwinden, da soziale Kontakte aus Angst vor
Stigmatisierung aufgegeben werden oder nicht Aufrecht erhalten werden können, da das Geld für gemeinsame
Unternehmungen fehlt (Korczak, 2001, S.67).
Der wesentlichste haushaltsexterne Faktor, der zum Anstieg der überschuldeten Haushalte führt, ist die
Massenarbeitslosigkeit. Gerade in Zeiten der Massenarbeitslosigkeit sind besonders gering qualifizierte
Arbeitnehmer von der Arbeitslosigkeit bedroht bzw. betroffen. Gleichzeitig zum Arbeitsplatzabbau verliert das
Normalarbeitsverhältnis statistisch an Bedeutung. Die heutigen Formen des Konsumentenkredits setzen aber
eine dauerhafte Erwerbsbiographie mit regelmäßigen und konstanten Einkünften voraus. Arbeitslosigkeit und
Armutsfaktoren führen somit vermehrt zur Überschuldung (Backert, 2003, S. 43-46).
Die abnehmende Stabilität des Lebensverlaufes bezieht sich nicht nur auf die Erwerbsbiographie, sondern auch
auf den familiären Bereich. Hierdurch nehmen die Ehescheidungen bzw. Trennungen zu, die ein
Überschuldungsrisiko darstellen können (Backert, 2003, S. 48). Zwar sind Partner die Schulden oft gemeinsam
eingegangen, aber es kommt nicht selten vor, dass ein ehemaliger Ehepartner die Schulden allein begleichen
muss. Neben den Zahlungsverpflichtungen aus der Ehezeit sind hier auch die Kosten des Verfahrens sowie
eventuelle Unterhaltungszahlungen von Relevanz. Hieraus folgt auch, dass ein ehemaliger Partner die Erziehung
der Kinder alleine übernehmen muß, was eine erwerbsbiografische Benachteiligung darstellt (Backert, 2003,
S.49).
Ein weiterer Faktor, der sich auf die Überschuldungssituation auswirkt, ist nach Korczak das veränderte
Verbraucherverhalten und die veränderte Einstellung zum Schuldenmachen: Schulden werden nicht mehr als
Zeichen einer unsoliden Lebensführung betrachtet, sondern als Möglichkeit den gewünschten Lebensstandard zu
finanzieren (Korczak, 2001, S.53).
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Zusammenfassend kann man nach Korczak den komplexen Wirkungszusammenhang, in dem sich Ver- und
Überschuldung abspielt, folgendermaßen umreißen:
a)
Die Bedarfslage des Haushalts, die durch die Lebenslage bestimmt werden kann. Hier sind
ökonomische, soziale und humane Ressourcen zur Problembewältigung von Bedeutung. Probleme
werden häufig durch kritische Lebensereignisse hervorgerufen.
b) Die Verschuldungsmotive, die auf die Lebenslage einwirken und die Einstellungen zu Schulden
verändern.
Diese
werden
stimuliert
durch
zunehmend
komplexer
werdende
Verschuldungsmöglichkeiten und Gelegenheitsstrukturen.
c)
Der Bedarfsweckung durch Werbung und der Orientierung an bestimmten Bezugsgruppen stehen
Kontrollinstanzen und Restriktionen gegenüber (Korczak, 2001, 24-25). Dem ist hinzuzufügen, dass die
materiellen (z.B. verfügbares Einkommen) und immateriellen (z.B. Persönlichkeitsstruktur)
Restriktionen im Zuge des Wertewandels in zunehmenden Maße an Wirksamkeit verlieren.
Der Zusammenhang dieser faktoriellen Bedingungen stellt sich unter gesellschaftlichen Rahmenbedingungen
wie Arbeitsmarktsituation und konjunkturelle Lage her, die von den Haushalten auf unterschiedliche Weise
gehandhabt werden können.
Überschuldung kann somit eine Folge von Armut sein, da mit steigender Armut dem Handlungsspielraum der
Haushalte eine Einschränkung widerfährt und sich somit die Anpassungsfähigkeit der Haushalte an veränderte
Bedingungen reduziert (Korczak, 2001, S.60-61). Andererseits ist Armut auch eine Folge von Überschuldung.
So schwinden bei überschuldeten Haushalten die ökonomischen und häufig auch die sozialen Ressourcen
(Korczak, 2001, S.67).
Wir gehen unten an hand der Daten des Stadtbezirkes auf den Zusammenhang von Armut und Überschuldung
ein.
Armut und prekäre Lebenslagen können nicht nur Ursachen von Überschuldung sein, sondern auch deren Folge.
So geht in die Definition der Überschuldung das Merkmal ein, seinen Zahlungsverpflichtungen nicht mehr aus
den laufenden Einkommen nachkommen zu können. Das kann auch bei höherem Einkommen der Fall sein.
Daher ist nicht jede Überschuldung mit einem Niedrigeinkommen verbunden. Was allerdings nach Abzug von
Verpflichtungen bleibt, befindet sich in der Regel unterhalb der Armutsgrenze. Dieser Tatbestand wird in der
Literatur zur Armut noch zu wenig berücksichtigt.
Eine einmal eingetretene Überschuldungssituation verschlimmert dabei meist auch die Schuldenhöhe, da der
Aufschub von Verpflichtungen häufig wiederum Kosten verursacht. Aus der Überschuldung folgt oft die
ökonomische Marginalisierung am Rand der Pfändungsfreigrenze. Aufgrund von Lohn - bzw.
Gehaltspfändungen und/oder dem Verlust des Girokontos droht dem Schuldner der Verlust des Arbeitsplatzes
bzw. es fällt ihm schwerer eine neue Beschäftigung aufzunehmen. Ein arbeitsloser Überschuldeter ohne Konto
und mit drohender Lohnpfändung hat keine Chance eine Erwerbstätigkeit zu erreichen. Hierdurch wird der von
der Überschuldung Betroffene in den Bezug von Sozialhilfe oder in die Schwarzarbeit gedrängt (Meinhold,
2003, S.4).
Primärschulden können zur Folge haben, dass die für den Alltag notwendige Versorgung mit Strom, Gas und
Wasser nicht mehr erfolgt. Mietschulden können zur Obdachlosigkeit oder zur Einweisung in Sozialbauten
führen. Ein Problem ist auch, dass überschuldete Personen nur begrenzt einen Anspruch auf Unterstützung im
Rahmen der Sozialhilfe haben z.B. wenn aufgelaufene Mietschulden eine Zwangsräumung befürchten lassen
(Backert, 2003, S.18).
Überschuldung kann somit schwerwiegende Konsequenzen nach sich ziehen, die eine vollkommene
Ausgrenzung aus dem normalen gesellschaftlichen Leben bewirken.
11
1.7
Überschuldungsverläufe
Aus der Erfahrung der Schuldnerberater ist bekannt, dass sich Überschuldungen auf unterschiedliche Weise
ergeben können.
In der Literatur findet sich eine Typisierung von derartigen Abläufen. Koczak stellt drei Arten der
Überschuldungsverläufe vor. Alle drei stellen Armutslagen, allerdings in unterschiedlicher Ausprägung, dar.
Überschuldung als ein vorübergehendes Ereignis:
a)
Den überschuldeten Haushalten gelingt es, die Überschuldung durch eigenes Handeln oder durch
glückliche Umstände zu überwinden. Die Voraussetzungen, um ohne professionelle Hilfe der
Schuldnerberater die Überschuldungssituation zu bewältigen, sind: Eine hohe Handlungskompetenz,
dem Fehlen von sozialen und persönlichen Problemen und eine überschaubaren Schuldensituation
(Korczak, 2001, S.70).
b) Überschuldung als länger andauernder Lebensabschnitt: In diesen Fällen gelingt es den Betroffenen
meist durch die Hilfe der Schuldnerberatungsstelle ihre Schulden zu regulieren (Korczak, 2001, S.70).
Die Überschuldungssituation und damit die Armutssituation ist nur dann ein vorübergehender Zustand,
wenn der Haushalt über genügend Ressourcen verfügt, um unter Anleitung sein Problem zu lösen.
c)
Ausgrenzung als Folge von Überschuldung: Gelingt es dem Haushalt nicht seine Schulden zu
regulieren, kann dies eine ökonomische und soziale Ausgrenzung zur Folge haben. Der Haushalt
entfernt sich dann von den durchschnittlichen gesellschaftlichen Standards der Lebensführung
(Korczak, 2001, S.71). Dieser Schuldenverlauf stellt eine Verfestigung der Armutslage dar.
Für alle drei Schuldenverläufe ist nicht nur die objektive Schuldensituation von Bedeutung, sondern auch, über
welche Handlungskompetenz der Schuldner verfügt und inwieweit der Schuldner sein Problem aktiv angeht. Die
eigene Problembewältigungskompetenzen ist oft unzureichend, so dass professionelle Hilfe benötigt wird. So
weisen z.B. die überschuldeten Personen häufig Verhaltensweisen auf, die die Situation verschlimmern, wie z.B.
die Ignoranz von Rechnungen und Mahnungen (Korczak, 2001, S.67-68)
1.8
Subjektives Erleben und Begleitprobleme der Überschuldungssituation
Überschuldung ist kein ausschließlich finanzielles Problem, sondern geht mit anderen gesundheitlichen und
psychosozialen Problemen einher. Überschuldung ist ein in seinen Folgen multifaktorielles Problem, das nicht
nur einen, sondern mehrere Lebensbereiche betrifft (Zimmermann, 2000, S.129-130). Die Probleme erstrecken
sich neben den finanziellen auf die Gesundheit, die Familie, die Wohnung, Freunde und Bekannte, die Arbeit
und verschiedene Bereiche der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Überschuldete Haushalte sind oft
besonders stress- und konfliktbelastet, was Partnerschaften und besonders die Kinder betrifft. Das Ausmaß der
Belastung des Betroffenen, bewirkt durch das Leben an der Pfändungsfreigrenze und dem permanenten
Gläubigerdruck, ist erheblich.
Die von uns durchgeführte Befragung stellte die Dimensionen des Erlebens und Bewertens der Schuldensituation
in den Mittelpunkt (siehe Kabitel 3)
1.9
Das Verbraucherinsolvenzverfahren
Seit dem 01.01.1999 haben die privaten Haushalte die Möglichkeit ein Verbraucherinsolvenzverfahren in
Anspruch zunehmen. Dies ermöglicht es dem Schuldner von seinen Schulden befreit zu werden. Bis dahin blieb
dem Schuldner als Möglichkeit seine Schulden zu regulieren, nur das Aushandeln von Teilzahlungen oder
Erlässen, die auf der Freiwilligkeit der Gläubiger beruhten. Die Schulden konnten bis dahin den Schuldner in
seiner weiteren Entwicklung vehement belasten, da das Nachforderungsrecht der Gläubiger praktisch unbegrenzt
12
ist. Das hauptsächliche Ziel ist die wirtschaftliche Reintegration des Schuldners (Korczak, 2001, S.119). Mit der
Einführung des Verbraucherinsolvenzverfahrens reagierte der Gesetzgeber auf die ansteigende Anzahl
überschuldeter Haushalte (Korczak, 2001, S.119).
Der Schuldner muss zuerst versuchen sich mit den Gläubigern außergerichtlich zu einigen. Ist diese erfolgreich,
ist er danach schuldenfrei. In der Regel werden die Schuldner ohne professionelle Hilfe diesen
außergerichtlichen Einigungsversuch nicht erreichen können. Spätestens bei der Bescheinigung des gescheiterten
außergerichtlichen Einigungsversuchs, die notwendig ist, um ein gerichtliches Schuldenbereinigungsverfahren in
Anspruch zu nehmen, eine dafür geeignete Stelle oder Person (Schuldnerberater, Steuerberater, Notar oder
Rechtsanwalt). Beim gerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahren, versucht das Amtsgericht eine Einigung
zwischen Gläubigern und Schuldnern zu erreichen. Es kann unter Umständen die Zustimmung ablehnender
Gläubiger ersetzen. Das gerichtliche Verfahren ist mit der Annahme des Schuldenbereinigungsplans durch die
Gläubiger bzw. durch die Zustimmungsersetzung beendet. Erfüllt der Schuldner die vereinbarten Bedingungen,
ist er schuldenfrei. Erfolgt keine Einigung, wird das Insolvenzverfahren eröffnet (Korczak, 2001, S.120-121).
Eine Restschuldbefreiung wird hier nur gewährt, wenn keine Versagungsgründe vorliegen. Versagungsgründe
sind z.B. betrügerischer Bankrott, falsche Selbstauskünfte usw. (Korczak, 2001, S.123). Die Restschuldbefreiung
wird nicht erteilt, wenn der Schuldner während der Wohlverhaltensperiode gewissen Verpflichtungen nicht
nachkommt. Der Schuldner ist z.B. verpflichtet eine Erwerbstätigkeit ausüben bzw. darf keine zumutbare Arbeit
ablehnen usw. (Korczak, 2001, S.123). Zahlungen zur Befriedigung der Gläubiger sind nur dem Treuhänder zu
leisten und es darf kein Gläubiger bevorzugt werden. Während der Wohlverhaltensperiode steht dem Schuldner
nur das nicht pfändbare Einkommen zur Verfügung (Korczak, 2001, S.124).
Aus der Praxis des Verbraucherinsolvenzverfahrens ergab sich ein gewisser Reformbedarf. So konnten vor der
Reform vom 01.12.2001 viele Schuldner kein Insolvenzverfahren durchlaufen, da die in der Regel mittellosen
Schuldner die Verfahrenskosten nicht bezahlen konnten (Korczak, 2001, S.123). Zwar konnten sie
Prozesskostenhilfe beantragen, allerdings wurde diese jedoch überwiegend abgelehnt (Korczak, 2001, S.155).
Seit der Reform ist jedoch eine Stundung der Verfahrenskosten möglich. Die Gerichtskosten und die
Nichtbewilligung von Prozesskostenhilfe (und die hierdurch bewirkte Unmöglichkeit ein Insolvenzverfahren zu
durchlaufen) hatten auch zur Folge, dass für die Gläubiger kein Vergleichsdruck bestand (Reifner / Springeneer,
2001, S.19).
Des Weiteren wurde die Wohlverfahrensperiode von 7 auf 6 Jahre verkürzt. Dies stellt allerdings keine große
Verbesserung dar. Die größte Schwierigkeit ist über einen Zeitraum von 6 Jahren mit einem niedrigen
Einkommen auszukommen.
Diese Länge der Wohlverhaltensperiode ist darauf zurückzuführen, dass das Ziel des
Verbraucherinsolvenzverfahrens nicht nur die Ermöglichung eines wirtschaftlichen Neuanfangs des Schuldners
durch Restschuldbefreiung ist, sondern auch der Befriedigung der legitimen Interessen der Gläubiger dienen soll,
indem so weit wie möglich ein Teil der Schulden beglichen wird (Reifner / Springeneer, 2001, S-1-2).
Die Länge der Wohlverhaltensperiode widerspricht allerdings dem Plan – und Vorausschauungsvermögen von
Personen. Die Gesamtverfahrensdauer (1-2 Jahre Verhandlung und 6 Jahre Wohlverhaltensperiode) belastet
nicht nur den Schuldner, sondern auch die von ihm abhängigen Haushaltsmitglieder. Dies ist besonders bei
Kindern problematisch. Reifner betont, dass eine Verkürzung der Wohlverhaltensperiode gerade den Schuldnern
die wirtschaftliche Reintegration erleichtern würde, die über keine oder nur geringe pfändbare Einkünfte
verfügen. Dies erscheint als sinnvoll, da selbst eine längere Wohlverhaltensperiode, zu keinen substanziellen
Regulierungsquoten führt. Reifner betont, dass hier die Wohlverhaltensperiode ihre Funktion als
Reorganisationsphase verliert (Reifner / Springeneer, 2001, S.5). Reifner kommt in seinem Gutachten über das
Verbraucherinsolvenzverfahren zum Schluss, dass bei geringen Einkommen die Dauer der
Wohlverhaltensperiode unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten unerheblich ist. Erst bei höheren Beträgen wäre
der Forderungsausfall nicht vernachlässigungswert (Reifner / Springeneer, 2001, S.8-9).
Da die ökonomischen Folgekosten einer Verkürzung der Wohlverhaltensperiode marginal sind, überwiegen die
Vorteile einer Verkürzung (Reifner / Springeneer, 2001, S.22). Es erscheint als wenig sinnvoll mittellose
Schuldner in ein 8-10 Jahre dauerndes Insolvenzverfahren zu entlassen, wenn die Gläubiger keine Befriedigung
ihrer Schulden zu erwarten haben.
13
1.10 Schuldnerberatung
Schuldnerberatung ist Sozialarbeit. Diese Feststellung hört man immer wieder und das zurecht. Die
Schuldnerberatungsstellen verfolgen in ihrer Tätigkeit einen ganzheitlichen Ansatz, der die psychosoziale und
wirtschaftliche Stabilisierung der Betroffenen zum Ziel hat und ihnen ein selbstbestimmtes Leben als
vollwertiges Mitglied in der Gesellschaft ermöglichen soll. Der Schwerpunkt ihrer Arbeit liegt auf der einen
Seite natürlich im Bereich der Rechtsberatung und z.T. Vertretung, sowie der Schuldenregulation. Darüber
hinaus aber und nicht etwa nur als Zusatz, sondern als gleichgewichtiger Schwerpunkt der eigenen Arbeit, stehen
der hauswirtschaftliche, sowie im psychosoziale und pädagogisch-präventive Bereich.
Der ganzheitliche
Beratungsanspruch der Schuldnerberatungsstellen, erfordert sozialpädagogische und psychologische
Fähigkeiten, juristische und haushaltswirtschaftliche Fachkenntnisse (Korczak, 2001, S.114-115).
Als einzelne Aufgaben der Schuldnerberatung lassen sich folgende nennen:
•
•
•
•
•
•
•
•
Existenzsicherung: Sicherung des Existenzminimums, Sicherung des Wohnraums / der Energieversorgung, Erhalt des Arbeitsplatz, des Girokontos, Vermeidung von Ersatzfreiheitsstrafen
wirtschaftliche Stabilisierung, Schuldenregulierung: Haushaltsberatung, Pfändungsschutzmaßnahmen,
rechtliche Überprüfung von Forderungen, Entwicklung und Umsetzung von Sanierungsstrategien
(Stundung, Niederschlagung oder (Teil-) Erlaß von Schulden, Tilgung einzelner Verbindlichkeiten),
Verhandlungsführung mit Gläubigern, Abwehr unberechtigter Forderungen
Reintegration der Betroffenen
lebenspraktische Hilfe
Prävention
Informationen zum Verbraucherschutz:
Psychosoziale Beratung und gegebenenfalls Betreuung
(Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und verbraucherschutz, 2003b, S.3-4)
In der Regel läuft der Beratungsprozeß folgendermaßen ab:
•
•
Problembeschreibung und Zielfindung (Erhebung der Verschuldungssituation, der Haushaltssituation,
psychosozialen Situation)
Versuch der Schuldenregulierung, eventuelle psychosoziale Betreuung und Versuch das Verhalten im
Hinblick auf die Haushaltsführung zu verändern.
Hierbei gibt es eine große Spannbreite zwischen den Schuldnern: Einige sind relativ leicht zu beraten, d.h. sie
benötigen aufgrund des Fehlens von sozialen oder persönlichen Problemen keine psychosoziale Betreuung.
Andere wiederum benötigen eine intensive Betreuung, da sie von einer Vielzahl von Problemen betroffen sind.
Hier ist eventuell zuerst eine psychosoziale Stabilisierung notwendig, bevor die Schuldenregulierung in Angriff
genommen werden kann. Oberstes Ziel ist es, aber immer zuerst die Existenz zu sichern. Das Ziel der
Schuldenregulierung bedeutet hierbei nicht immer, dass der Schuldner irgendwann schuldenfrei ist, sondern es
kann auch heißen, dass der Schuldner lernen muß, ein Leben lang mit seinen Schulden leben zu müssen.
Der Beratungsverlauf muß speziell auf die individuelle Situation des Klienten, d.h. unter Berücksichtigung
seiner Ressourcen, seiner familiären und seiner sozialen Situation abgestimmt werden. Eventuell ist die
Kooperation mit anderen sozialen Diensten notwendig, wenn der Schuldnerberater nicht die dafür notwendige
Qualifikation aufweist. Die Beratungsarbeit setzt ein vertrauensvolles Verhältnis voraus. Allerdings kann das
Verhältnis zwischen dem Klienten und dem Berater problematisch sein, z.B. wenn der Schuldner nicht
mitarbeitet (Verschweigen von Schulden usw.) oder indem er nicht einsichtig ist. Dies kann zum Abbruch der
Beratung führen. Hierbei sollte der Klient durch die Beratung nicht entmündigt werden, sondern die Beratung
sollte ihm dabei helfen, sich mit seinen Problemen auseinanderzusetzen. Sie sollte ihm verschiedene
Handlungsmöglichkeiten aufzeigen und ihm bei der Entscheidungsfindung helfen, so dass eventuell ein
Lernprozeß stattfindet (Ebli, 1995, 331ff, zitiert nach Korczak, 200, S.113).
14
1.11 Nutzen und Erfolg der Schuldnerberatungsstellen
Schuldnerberatung als Sozialarbeit ist, wie gesagt, an der Arbeit mit und für den Klienten orientiert. Sie findet
aber nicht im luftleeren Raum beliebiger öffentlicher Mittel statt. Daher besteht ein Interesse daran, auch die
Wirksamkeit der Beratung zu ermitteln. Das allerdings erweist sich als schwierig, weil die Arbeit nicht typisch
verläuft und der Erfolg, also die Schuldenbereinigung nicht nur von den Beratungen abhängt, sondern auch von
der Bereitschaft und Teilnahme der Klienten.
Um den Erfolg und den Nutzen von Schuldnerberatungsstellen darzustellen, werden hier drei Studien vorgestellt.
In seiner Studie zur Überschuldungssituation in Deutschland, untersucht Zimmermann nicht nur die Lebenslagen
und Problembereiche der Klienten von Schuldnerberatungsstellen sowie die Ursachen von Überschuldung,
sondern auch die Tätigkeit der Berater und die Ergebnisse der Beratungsarbeit. Nach Zimmermann drückt sich
der Erfolg der Schuldnerberatung einerseits in der Regulierung der wirtschaftlichen Verhältnisse sowie
andererseits in der Stabilisierung der psychosozialen Verfassung der Klienten aus (Zimmermann, 2000, S.192).
Er kommt zu folgenden Ergebnissen:
Bei 85% der Klienten der Schuldnerberatungsstellen wurden die Schulden reduziert bzw. erlassen. Eine
Entschuldung gelang bei etwas mehr als einem Drittel der Haushalte. Bei ca. zwei Drittel der Schuldnerhaushalte
wurde die wirtschaftliche Situation stabilisiert. Bei einem Fünftel der Haushalte konnte die
Sozialhilfebedürftigkeit überwunden bzw. verhindert werden. Ein Drittel der Haushalte weist am Ende der
Beratung ein verändertes Konsumverhalten auf. Weiterhin hat sich nach Einschätzung der Schuldnerberater die
psychische Situation der Klienten verbessert. Die physische Gesundheit hat sich bei mehr als 15% der Klienten
verbessert. Bei rund einem Viertel hat sich die familiäre Situation verbessert (Zimmermann, 2000, S.193-195).
Außerdem hat sich die Gefährdung der Klienten in eine neue Überschuldungssituation zu treten verringert: Nur
18% der Klienten wurde von den Schuldnerberatern als stark gefährdet eingeschätzt (Zimmermann, 2000,
S.195).
Bei ca. einem Viertel konnte keine Schuldenregulierung erzielt werden, allerdings ist hierfür die Ursache
überwiegend ein zu geringes Einkommen. Insgesamt konnte bei mehr als drei Viertel der Fälle eine Regulierung
erzielt werden (Zimmermann, 2000, S.196).
Eine Studie der Evangelische Fachhochschule für Sozialarbeit, die Ende 2002 von der LAG SIB e.V. in Auftrag
gegeben wurde, untersucht den volkswirtschaftlichen Nutzen der Schuldnerberatungsstellen für das Land Berlin
(Meinhold, 2003, S.2).
Der volkswirtschaftliche Nutzen für das Land Berlin ergibt sich daraus, dass die Arbeit der
Schuldnerberatungsstellen die Erwerbsfähigkeit und Erwerbstätigkeit von Schuldnern erhält, indem sie Lohnund Kontopfändungen verhindert und eine psychosoziale Stabilisierung als Folge der Beratung erreicht
(Meinhold, 2003, S.4). Hierdurch verhindert sie die Abhängigkeit von Sozialleistungen. Indem die
Schuldnerberatungen erfolgreiche außergerichtliche Einigungen im Verlauf eines Verbraucherinsolvenzverfahrens erzielt, erspart sie dem Land Berlin, dass es für die Verfahrenskosten aufkommen muß
(Meinhold, 2003, S.5). Der wirtschaftliche Nutzen für das Land Berlin ergibt sich aus den nicht entstandenen
Kosten, insbesondere der Kosten für Sozialhilfeleistungen und der Gerichtskosten beim Insolvenzverfahren
(Meinhold, 2003, S.6).
Sie kommt zum Schluß, dass der wirtschaftliche Nutzen, der sich aus der Arbeit der Schuldnerberatungsstellen
ergibt, zwischen 10 (vorsichtige Schätzung) bzw. 14. (realistische Schätzung) Millionen Euro liegt (Meinhold,
2003, S.6). Hier ist anzumerken, dass wir bei der Analyse der statistischen Daten der Schuldnerberatungsstellen
insgesamt keine Veränderung des Erwerbsstatus bzw. keine Veränderung der Einkommensquelle feststellen
konnten.
Dass die Arbeit von Schuldnerberatungsstellen erfolgreich ist, zeigt auch eine Studie über eine Kölner
Schuldnerberatungsstelle. Deren Ergebnisse lassen sich folgendermaßen zusammenfassen:
Die Schulden sind in einem Untersuchungszeitraum von 18 Monaten etwa um 1/6 gesunken, die
Gläubigeranzahl wurde um 21 % reduziert, die jährliche Summe für Sozialhilfe, die von der Stadt den Klienten
gezahlt wird, hat sich um 31,6 % verringert, etwa ein Fünftel der Klienten ohne Arbeit konnte eine
Berufstätigkeit aufnehmen, in fast allen Fällen (97,4 %) konnte die Wohnsituation gesichert werden und der
Anteil der Klienten, der über einen gesicherten Arbeitsplatz verfügt, nahm um 66% zu. Im psychosozialen
15
Bereich ist die Zuversicht die Schuldensituation zu überwinden gestiegen. Die Aussagen zu Selbstbewußtsein,
Gesundheit und Wohlbefinden zeigen deutliche positive Effekte (Hamburger / Kuhlemann / Walbrühl, 2004,
S.3).
Der gesellschaftliche Nutzen der Schuldnerberatungsstellen kommt in der Vermeidung von Sozialhilfebezug, der
Vermeidung von Obdachlosigkeit, der Vermeidung von Vermittlungshemmnissen und Kündigungen, der
Verhinderung von Schattenwirtschaft, der Wiedereingliederung des Schuldners in das Wirtschaftsleben, sowie
durch die Hilfestellung beim Ausstieg aus Sozial- und Arbeitslosenhilfe durch Verhinderung von
Lohnpfändungen sowie Hilfe bei der Erlangung von (Giro-)Konten zum Ausdruck.
Ein weiterer gesellschaftlicher Nutzen der Schuldnerberatungsstellen ergibt sich aus ihrer Präventionsarbeit zur
Verhinderung von Überschuldung.
Als wichtige Präventionsschritte empfiehlt Reifner, die Rechte des Verbrauchers zu stärken. Das kann dadurch
geschehen, dass die Kreditbedingungen bezüglich der Liquiditätsfolgen und Kosten transparenter gestaltet
werden und geeignete Anpassungsmaßnahmen gefunden werden, die nicht die Not der Klienten ausnutzen und
die temporäre Liquiditätsengpässe ohne Zusatzkosten und Schuldenspirale zulassen (z.B. Zinsstundung)
(Reifner, 2003, S.32).
Korczak empfiehlt z.B., dass die Kreditwirtschaft verpflichtet wird, mit 1 % der Zinserträge aus ausgelegten
Krediten Schuldnerprävention zu bezuschussen und bei unzureichender Kreditberatung zu haften. Weiterhin
sollte die finanzielle Allgemeinbildung verbessert werden, indem ein haushaltswirtschaftlicher Lehrplan für den
modernen Geldverkehr entwickelt wird.
Bezüglich der Präventionsarbeit ist auch von Bedeutung, inwieweit die Schuldnerberatungsstellen von staatlicher
Seite unterstützt werden und wieweit eine Kooperation zwischen verschiedenen Stellen stattfindet.
Dafür arbeitet in Berlin eine ressortübergreifende Arbeitsgemeinschaft „Transparenz“, die
u.a. dem Verbraucherschutz, insbesondere durch Bekämpfung unseriöser Kreditvermittler, dient. In dieser AG ist
neben der Senatsverwaltung für Arbeit, Soziales und Frauen, dem Landesamt für Gesundheit und Soziales und
der LAG SIB auch die Verbraucherzentrale, der Verbraucherschutzverein das Landeskriminalamt, die
Staatsanwaltschaft, Vertreter aus Bezirksämtern sowie die Industrie – und Handelskammer vertreten.
Um auch länderübergreifenden Betreibern wirksam entgegenwirken zu können, sind auch das brandenburgische
Landesamt für Soziales und Versorgung sowie die dortige Landesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung dort
vertreten (LAG SIB, S.11).
Weiterhin ist bezüglich der Zusammenarbeit der Schuldnerberatungsstellen und des Senats hervorzuheben, dass
eine Berlin-weite einheitliche Statistik –InsOStat- zur Erhebung von Qualitätsmerkmalen und der Sozialstruktur
der Klienten eingeführt wurde (Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz, 2002, S.15).
Dies ermöglicht die kleinräumliche Auswertung der regionalen Sozialstruktur, die Evaluation sozialer
Problemgebiete innerhalb der Bezirke und eröffnet der Politik Möglichkeiten zur Feinsteuerung
(Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz, 2002, S.16).
Auf Bundesebene spielt weiterhin das „Girokonto für Jedermann“ eine Rolle, eine Vereinbarung, die die
Situation abwenden soll, dass Menschen aufgrund einer Überschuldung vom Giroverkehr ausgeschlossen
werden. Zwar haben sich die im Zentralen Kreditausschuss (ZKA) zusammengeschlossenen Verbände der
Kreditwirtschaft bereit erklärt, auf Wunsch für jede Bürgerin und jeden Bürger ein Girokonto auf Guthabenbasis
zur Verfügung zu stellen, allerdings wird diese nur unzureichend umgesetzt (Bundesregierung, 2004, S.2). Die
mittlerweile von sämtlichen Banken eingerichteten Schlichtungsstellen bieten aus Sicht der Schuldnerberatungsstellen keine ausreichende Unterstützung in Problemfällen (Bundesregierung, 2004, S.5). Die
Bundesregierung ist der Ansicht, dass eine gesetzliche Regelung zur Zeit nicht notwendig ist, da die Verlagerung
der Entscheidung von Streitfällen nur auf die Gerichte erfolgen würde, dies würde aber zu einer kostenintensiven
und zu keiner zeitnahen Regelung führen. Eine kostengünstigere und zeitnahe Entscheidung der Schiedsstellen
16
würde den Interessen der Betroffenen besser gerecht (Bundesregierung,
Schuldnerberatungsstellen allerdings sehen eine gesetzliche Regelung als notwendig an.
2004,
S.6-7).
Die
Es ist Folgendes festzuhalten:
a)
Es ist ein Anstieg der überschuldeten Haushalte zu verzeichenen. Hierbei sind vor allem die
Armutsgruppen von Überschuldung bedroht. Allerdings weitet sich die Überschuldung auf andere
Bevölkerungsgruppen aus. Die Überschuldung stellt nicht nur für die Personen eine Armutslage dar,
sondern verursacht auch gesellschaftliche Kosten.
b) Die Ursachen von Überschuldung sind multifaktoriell und komplex.
c)
Überschuldung beinhaltet für die davon betroffenen Personen nicht nur eine ökonomische
Marginalisierung, sondern sie betrifft mehrere Lebensbereiche.
d) Die Tätigkeit der Schuldnerberatungsstellen ist nicht nur notwendig und wichtig, um den von der
Überschuldung betroffenen Personen zu helfen, sondern sie hilft auch Folgekosten, die sich aus der
Überschuldung von Privathaushalten ergeben, für die öffentlichen Haushalte einzusparen.
e)
In Folge der Umsetzungen von Reformen des Sozialstaates, insbesondere von "Hartz IV", wird sich die
Schuldensituation verschärfen. Damit wächst auch die gesellschaftliche Verantwortung.
In den folgenden Kapiteln werden die Ergebnisse unserer Untersuchung dargestellt. Kapitel 2 beinhaltet die
Auswertung der statistischen Daten der Schuldnerberatungsstellen, Kapitel 3 die Auswertung des Fragebogens
und Kapitel 4 die Ergebnisse der Interviews mit den Schuldnerberatern. Das Kapitel 5 setzt sich mit den
Auswirkungen von "Hartz IV" auf die Überschuldungssituation auseinander.
17
2
Überschuldung in Friedrichshain/Kreuzberg
2.1
Merkmale der Klientenstruktur in Friedrichshain/Kreuzberg
2.1.1
Etwas höherer Anteil von Männern
Von den Klienten sind 44,5 % Frauen
Abbildung 2-1-1: Anteil der Klienten nach Geschlecht
weiblich
44,5%
55,5%
männlich
Das ist weniger als im Durchschnitt der Bevölkerung sowohl in Berlin als auch im Stadtbezirk (rund 126 000 zu
121 500). Dieser etwas geringe Anteil weiblicher Klienten ist als solcher nicht von Bedeutung, jedoch in seiner
Zusammensetzung nach weiteren Merkmalen (s. u.). Obwohl Frauen etwas unterrepräsentiert sind, sind sie
doppelt von Armut betroffen. Im Vergleich mit den Klienten aller Berliner Beratungsstellen ist dieser Anteil
ebenfalls nicht auffällig.
2.1.2
Die mittleren Altersgruppen überwiegen
Die Klienten verteilen sich auf die Altersgruppen wie folgt:
Abbildung 2-1-2: Anteil der Klienten nach Altersgruppen
40
30,7
35
30
männlich
weiblich
33,8 34
27,9
25
19,3 18
20
15
8,3
11
7,9
10
1,1
5
60 Jahre und älter
50 - 59 Jahre
40 - 49 Jahre
30 - 39 Jahre
20 - 29 Jahre
jünger als 20 Jahre
0
8
Es ist ersichtlich, dass hier eine relative Häufung der mittleren Altersgruppen zwischen 30 und 50 Jahren im
Vergleich mit der Berliner Bevölkerung und der des Stadtbezirkes vorliegt. Auch im Vergleich mit allen Berliner
Klienten ist festzustellen, dass in der Gruppe der 20 – 30 Jährigen eine geringere Besetzung zu verzeichnen ist.
Die Überschuldeten im Stadtbezirk sind demnach etwas älter als der Berliner Durchschnitt.
18
2.1.3
Allein Lebende und vor allem Geschiedene
Abbildung 2-1-3: Anteil der Klienten nach Familienstand
50
männlich
weiblich
41
40
29
30
28
23 22
19
20
9 10
10
4
6
0 0
keine Angabe
geschieden
0 0
unbekannt
2
verwitwet
unverheiratet
zusammenlebend
verheiratet
getrenntlebend
verheiratet
zusammenlebend
ledig
0
6
Insgesamt sind 35,2 % ledig, 22,7 % verheiratet, 22,8 % geschieden und 3,8 % verwitwet. Zu den Ledigen
kommen weitere 4,9 % unverheiratet Zusammenlebende hinzu und zu den Verheirateten noch einmal 9,3 %
Verheiratete, aber getrennt Lebende. Verglichen mit dem Berliner Durchschnitt ist das ein geringerer Anteil der
Ledigen (dort 44,2 %) und auch der Verheirateten (dort 37,9 %), jedoch ein übergroßer Anteil Geschiedener
(dort 9,0 %). Damit deutet sich auch in unseren Daten ein allgemein immer wieder festgestellter
Zusammenhang zwischen besonderen Lebensereignissen wie der Scheidung und der Überschuldung an.
Verglichen mit der Wohnbevölkerung des Stadtbezirkes ist der Unterschied ebenfalls deutlich: dort sind 57,3 %
der Bevölkerung ledig, 29,8 % verheiratet und nur 8 % geschieden. Im Vergleich mit den Berliner Überschuldeten ergibt sich eine etwas andere Relation. Unter allen Berliner Klienten finden wir noch weniger Ledige
(32,1 %), etwas mehr Verheiratete (24,9 %) und etwas mehr Geschiedene (23, 3%). In ganz Berlin ist also der
Zusammenhang zwischen Überschuldung und familialer Lebenssituation (auf der Makroebene) noch deutlicher.
Auf eine Ergänzung in den Daten sei hingewiesen:
Die InsOStat weist getrennt zu den erwähnten Merkmalen noch einen Anteil Verheirateter, aber getrennt
Lebender aus. Dieser Anteil liegt im Stadtbezirk bei 9,3 % und in ganz Berlin bei 10,5 %. Diese Unterscheidung
verdeutlicht nochmals den erwähnten Zusammenhang in den Fällen, in denen die Scheidung (noch) nicht
vollzogen ist, aber bereits eine Überschuldung vorliegt.
19
2.1.4
Kleinere Haushalte überwiegen
Abbildung 2-1-4: Anteil der Klienten nach Haushaltsgröße
70
männlich
weiblich
61
60
50
36
35
40
30
18
16
7
4 Personen
8
10
5
1
5 und mehr Personen
2 Personen
1 Person
0
6
1
keine Angabe
7
3 Personen
20
Dabei liegt die Rate der 1-Personen-Haushalte mit 49,3 % etwa im Berliner Durchschnitt. Allerdings leben im
Stadtbezirk 62,2 % 1-Personen-Haushalte – eine deutlich höhere Zahl. Von der Berliner Wohnbevölkerung
unterscheidet sich die Klientenpopulation vor allem durch den etwas höheren Anteil von Haushalten mit 4 und
mehr Personen. Hier überwiegen im Berliner Vergleich die großen Haushalte. Alle Berliner Klienten weisen eine
noch größere Tendenz zu großen Haushalten auf 44,3 % 1-Personenhaushalte und 13,1 % 4-Per-sonen-Haushalte
und größer. In diesen Befunden lässt sich vor allem die Betroffenheit von Kindern ablesen, die in einem
überschuldeten Haushalt leben. Kinder – vor allem in großen Haushalten – haben ein vergleichsweise hohes
Risiko, von Überschuldung betroffen zu sein.
Im Hinblick auf die Sicherung des Lebensunterhaltes sind folgende Voraussetzungen gegeben:
2.1.5
Berufliche Bildung verhindert zwar nicht Überschuldung, aber geringe
Bildung ist ein großes Risiko
Abbildung 2-1-5: Anteil der Klienten nach Berufsbildung
53
60
50
38
52
männlich
weiblich
41
40
30
20
7
10
1
1
1
2
1
0
keine Angabe
unbekannt
sonstiger Abschluss
Hochschulabschluss
mit Berufsausbildung
ohne Berufsausbildung
0
3
20
Eine große Zahl der Klienten verfügt nicht über eine Berufsausbildung (39 %). Damit erweist sich geringe
Bildung als ein Merkmal, das besonders eng mit der Möglichkeit der Überschuldung zusammen hängt. Da
bei geringerer Bildung häufig auch der Weg aus der Schuldenfalle unübersichtlicher ist, wird deutlich, dass der
Beratungs- und Hilfebedarf besonders groß ist. Menschen mit geringer Bildung und hohen Schulden kommen
offenbar häufiger mit dieser Situation nicht zu recht als Menschen mit höherer Bildung. In Friedrichshain/Kreuzberg ist die Wirkung dieses Faktors besonders deutlich zu erkennen. Im Vergleich dazu: insgesamt
haben in Berlin 23,2 % der Bevölkerung keinen beruflichen Abschluss. Im Stadtbezirk immerhin noch 32,0 %
der Bewohner. Wenn man diese Zahlen mit dem Teil der Berliner Klienten vergleicht, der ebenfalls nicht über
einen Abschluss verfügt (28,7 %), dann kommt man zu folgendem Schluss:
Der Zusammenhang von beruflicher Bildung und Überschuldung ist deutlich. Allerdings verlieren die
Friedrichshain/Kreuzberger Daten an Dramatik, wenn man den relativ großen Anteil der Gruppe ohne Abschluss
in der Bevölkerung in Rechnung stellt. Die Situation im Stadtbezirk ist dramatisch, aber auch zu einem Teil
geschuldet dem allgemein geringeren beruflichen Bildungsniveau. Hier sei deshalb – kurz – darauf hingewiesen,
welch brisante Situation sich in der Zukunft ergeben könnte, wenn die Bildungsergebnisse grade in den sozial
schwachen Stadtbezirken und Stadtteilen immer schlechter werden.
2.1.6
Hohe Zahl von Arbeitslosen und Selbständigen
Die gegenwärtige Erwerbssituation der Klienten in Friedrichshain/Kreuzberg stellt sich folgendermaßen dar:
Abbildung 2-1-6: Anteil der Klienten nach Erwerbssituation
60
männlich
weiblich
52
50
37
40
28
30
20 22
20
10
3
5
14
7
0
0
0
0
0
0
keine Angabe
unbekannt
Nichterwerbstätiger
Arbeitslos
Beamter
Arbeiter
Angestellter
Selbstständiger
0
10
Dabei ist auf zwei Besonderheiten hinzuweisen:
Unter den Klienten befindet sich eine relativ große Zahl Selbständiger. Das ist ein außergewöhnlicher Befund.
Ein Vergleich mit der Berliner Bevölkerung kann hier nicht gezogen werden. Eine Vermutung besteht darin,
dass insbesondere türkisch stämmige Männer, die mit dem Versuch der Selbständigkeit gescheitert sind, hier zu
Buche schlagen.
Von besonderer Bedeutung sind darüber hinaus die insgesamt 45,6 % der Arbeitslosen. Das ist der auffälligste
Befund in der Klientenschaft und er deckt sich mit dem allgemein registrierten Befund über einen engen
Zusammenhang von Arbeitslosigkeit und Überschuldung. 33,6 % der Klienten sind erwerbstätig. In Berlin sind
es 41,8 % der Bevölkerung und in Friedrichshain/Kreuzberg 42,9 %. Diese Differenz ist aussagekräftiger als die
hier verwendete Zahl der Arbeitslosen, weil sich die Zuweisung der Personen zu einzelnen Gruppen im Hinblick
auf die Erwerbstätigkeit in der Statistik des Mikrozensus anders gestaltet als bei InsOStat. Die hier
ausgewiesenen 45,6 % Arbeitsloser fassen sowohl Personen zusammen, die als arbeitslos registriert sind, wie
auch einen Teil der Sozialhilfeempfänger. Diese sonst nicht übliche Zusammenfassung begründet sich darin,
21
dass Personen, die bei der Arbeitsagentur zwar nicht als arbeitssuchend registriert sind, hier dennoch als
arbeitssuchend klassifiziert wurden, wenn das der tatsächlichen Orientierung entspricht. Die Art der Einkünfte ist
dabei nicht ganz klar, weil ein Teil der als arbeitslos Gekennzeichneten dennoch ihre Einkünfte aus einer
Erwerbsarbeit beziehen. Es handelt sich dabei um zusätzliche Beschäftigung, die als zweite Einkommensquelle
angegeben wurde. Deutlich bleibt aber der Zusammenhang zwischen der Beteiligung am Erwerbsleben, der
Stellung im Beruf und der Überschuldung. Auch im Vergleich der beiden Klientengruppen im Bezirk und in
ganz Berlin fällt auf, dass im Bezirk mehr Selbständige und mehr Arbeitslose in laufender Beratung sind. Klarer
wird das Bild, wenn man die Art der Einkommen betrachtet.
2.1.7
Die Empfänger/innen von Transfereinkommen sind besonders
betroffen
35
Abbildung 2-1-7: Anteil der Klienten nach Einkünften
32
29
30
männlich
weiblich
24
25
20
15
2
5
1 2
12
1 1
1
3
1
3
1 0
keine Angabe
sonstige
Einkünfte
sonst. Staatliche
Zahlungen
Sozialhilfe
Unterhalt durch
Angehörige
Rente,
Altersbezüge
Arbeitslosenhilfe
Arbeitslosengeld
selbstständige
Tätigkeit
Erwerbstätigkeit
Ausbildungsbezüge
/Beihilfe
0
4
17
10
8
10
17
15
14
Hierbei wird nun deutlich: 31,5 % der Überschuldeten sind auch Klienten der BA als Empfänger von Arbeitslosengeld bzw. Arbeitslosenhilfe und 14,2 % empfangen Sozialhilfe. In Berlin insgesamt sind das zum Vergleich: 10,8 % bzw. 3,4 %. (Andere Daten, die uns aus dem Mikrozensus vorliegen, besagen: 8,1 % bzw. 5,1 %).
Dieser drastische Unterschied relativiert sich wieder etwas, wenn die Struktur der Bezirksbevölkerung dagegen
gestellt wird: 14,9 % bzw. 5,6 %. (Eine andere Berechnung des Mikrozensus ergibt zum Vergleich: 10,3 % bzw.
9,1 %). Dennoch, der Empfang von Transfereinkommen, kombiniert mit der Lebenssituation der Arbeitslosigkeit
ist auf das Engste mit dem Risiko der Überschuldung verbunden.
Hierbei ist eine weitere Differenzierung auffällig: von Arbeitslosigkeit sind anteilig mehr Männer unter den
Klienten betroffen als Frauen. Bei den Empfänger/innen von anderen Transfereinkommen wie Sozialhilfe, Rente
oder Unterhalt ist es umgekehrt. Hier sind die Frauen häufiger betroffen als die Männer. Allerdings liegt auch
nicht selten der Fall vor, dass Frauen als Sozialhilfeempfängerinnen dennoch eine Erwerbsarbeit suchen, also
faktisch arbeitslos sind, ohne als solche registriert zu sein.
22
2.1.8
Kinder aller Haushaltsgrößen sind betroffen
Abbildung 2-1-8: Anteil der Klienten nach Kindern im Haushalt
männlich
weiblich
100
78
80
50
60
40
22
5
2
3
10 11
0
1
keine Angabe
5 oder mehr Kinder
4 Kinder
4
3 Kinder
1 Kind
keine Kinder
0
7 10
2 Kinder
9
20
Obwohl 60,7 % (68,5 % wenn fehlende Werte herausgerechnet werden) der Haushalte kinderlos sind, sind 448
Kinder der in Friedrichshain/Kreuzberg betreuten Klienten von der Lebenssituation der Überschuldung
betroffen. In 39,3 % (bzw. 31,5 % bereinigt) der Haushalte leben Kinder in einer solchen Situation.
Dabei fällt auf, dass mehr Männer, die überschuldet sind, ohne Kinder leben als Frauen. Frauen tragen also
häufiger die Last der Überschuldung gemeinsam mit Kindern. Dabei muss zusätzlich bemerkt werden, dass in
bereinigten 52 % der Haushalte mit dem Haupteinkommen der Sozialhilfe Kinder leben, mithin überproportional
viele Kinder von überschuldeten Eltern in einer verschärften Armutssituation leben.
23
2.1.9
Klienten ausländischer Herkunft sind gleichwohl wie Deutsche
betroffen
Schließlich sei auf den Migrationshintergrund der Klienten der Beratungsstellen eingegangen – einem Merkmal,
das für den Bezirk Friedrichshain/Kreuzberg insgesamt von großer Bedeutung ist.
Abbildung 2-1-9: Anteil der Klienten nach Staatsangehörigkeit
männlich
weiblich
100
80
71
79
60
40
20
4
5
2
0
1
0
0
keine Angabe
unbekannt
andere
Staatsangehörigkeit
innerhalb der EU
deutsch,
eingebürgert/
zugewandert
deutsch
0
6
18 14
Im Unterschied zu ganz Berlin, wo 12,7 % der Bevölkerung als Ausländer im Mikrozensus registriert sind, sind
es in Friedrichshain/Kreuzberg 23,1 %. In den drei Beratungsstellen haben 24,6 % der Klienten einen
Migrationshintergrund. Allerdings sind darin auch die 5 % der Klienten enthalten, die bereits eingebürgert sind.
16,1 % der Personen kommen aus Nicht-EU-Ländern.
Deutlich aber ist der Unterschied zu allen Berlinern in laufender Beratung: hier sind es „nur“ 11,7 % der
Klienten, die über einen Mirgrationshintergrund verfügen und „nur“ 8,1 % kommen aus einem Nicht-EU-Land.
Im Hinblick auf die Staatsangehörigkeit schlägt in Friedrichshain/Kreuzberg wieder die Gesamtstruktur der
Wohnbevölkerung auf die Rate der Betroffene im Bezirk durch.
24
2.2
Die Schuldensituation
In diesem Abschnitt erfolgt eine Darstellung der Schuldensituation der Beratungsklienten insgesamt und im
Hinblick auf die Schuldenarten, die im Statistikprogramm InsOStat unterschieden werden.
2.2.1
Gesamtforderungen – hoch, aber unter dem Berliner Durchschnitt
Die Höhe der gesamten Forderungen an die Klienten der Beratungsstellen in Friedrichshain/Kreuzberg beläuft
sich im Mittel auf 35 332 Euro. Bei 840 Klienten ergibt sich eine Gesamtschuldensumme von 29 678 880 Euro.
Das scheint viel zu sein, wobei die Dramatik der Überschuldungssituation erst deutlich wird, wenn die
Forderungen in ein Verhältnis zu den Einkommen und Vermögen gesetzt wird (s. u.). Dennoch ist die
Schuldensumme im Stadtbezirk geringer als im Berliner Durchschnitt. In ganz Berlin verzeichnet die InsOStat
eine durchschnittliche Verschuldung von 48 807 Euro. Ein Vergleich mit den Einkommen der Berliner Klienten
ist an dieser Stelle nicht möglich.
An der Höhe der gesamten Forderungen lässt sich wiederum eine Tendenz erkennen, die in der Literatur bereits
oft angesprochen wurde. Nicht nur das Risiko der Verschuldung variiert mit der sozialen Lage der Menschen,
sondern auch die Höhe der durchschnittlichen Schulden. Allgemein kann man feststellen, dass keine soziale
Gruppe vom Risiko der Überschuldung ausgeschlossen ist, es aber eben für sozial gefährdete Gruppen weit
höher ist. Wenn Angehörige einkommensschwächerer Gruppen sich überschulden, dann setzt diese Situation
bereits bei einer geringeren Schuldenhöhe ein als bei einkommensstärkeren.
Wir stellen einige weitere Verteilungen der durchschnittlichen Forderungen dar:
2.2.1.1 Geschlecht
Abbildung 2-2-1-1: Gesamtforderung nach Geschlecht
42502
40000
35332
26469
30000
20000
10000
0
männlich
weiblich
Insgesamt
Warum Frauen, die im ganzen nur wenig geringer vom Schuldenrisiko betroffen sind als Männer, geringere
Schulden aufbauen, kann nicht klar begründet werden. An Hand einer eingehenderen Analyse der Struktur der
Schulden kann vermutet werden, dass Frauen insgesamt in der Ausgabenstruktur vorsichtiger und „pflichtbewusster“ sind. Sie haben weniger Unterhaltsschulden, Primärschulden und öffentlich-rechtliche Schulden, aber
auch nicht nennenswert höhere Konsumschulden. In Friedrichshain/Kreuzberg ergibt sich nicht nur die
Überschuldung überhaupt, sondern auch die Höhe der Schulden bei Frauen aus zwei Umständen: einmal aus der
Erfahrung von Tod des Partners oder Trennung. Das ist ein allgemeiner Befund. In Friedrichshain/Kreuzberg
ergibt sich aber eine weitere Besonderheit, die darin besteht, dass Frauen – wenn auch in geringer Zahl – aber
25
dennoch vergleichsweise hohe Schulden aus gescheiterter Selbständigkeit und aus Immobilienkrediten haben.
Diese, in der Anzahl zwar geringen Fälle, in der Höhe aber beträchtlichen Schulden tragen dazu bei, dass Frauen
überhaupt eine derartige Schuldenhöhe aufbauen.
2.2.1.2 Alter
Die Schulden steigen im Bezirk mit dem Alter an. Zwar steigen auch die Haushaltseinkommen mit dem Alter an,
aber die älteren Klienten leben – nicht immer aber eben häufiger – in Mehrpersonenhaushalten und vor allem mit
Kindern. An Hand der Altersstruktur der Schuldner lässt sich erkennen, dass der Aufbau eines nicht zu
bewältigenden Schuldenberges in zwei unterschiedlichen zeitlichen Verläufen stattfinden kann. Auf der einen
Seite haben wir die jüngeren Klienten, die – wegen ihres Alters – ihre Schuldensituation in vergleichsweise
kurzer Zeit aufgebaut haben. Das ist nicht immer nur auf überhöhten Konsum oder unwirtschaftliche
Haushaltsführung zurückzuführen, sondern auch auf die Einkommenssituation (Niedrigeinkommen). Dennoch
sind die unter dreißig Jährigen anteilig mehr von Primärschulden, Konsumschulden und öffentlich-rechtlichen
Schulden betroffen. Diese „Schuldnerkarriere“ junger Menschen scheint sich gegenwärtig bundesweit zu häufen.
Auf der anderen Seite bauen Menschen entweder über eine lange Frist Schulden auf und schieben sie vor sich
her, bis der Druck zu groß wird oder sie werden in einer prekären Einkommens- und Vermögenssituation von
Tod, Trennung, Arbeitslosigkeit, Krankheit oder anderen Ereignissen überrascht.
Abbildung 2-2-1-2: Gesamtforderung nach Altersgruppen
60000
48554
50000
39347
40000
30065
30000
20000
24540
19840
10354
10000
60 Jahre und älter
50 bis 59 Jahre
40 bis 49 Jahre
30 bis 39 Jahre
20 bis 29 Jahre
jünger als 20 Jahre
0
26
2.2.1.3 Familienstand
Das Ausmaß der Verschuldung ist bei allen Lebensformen annähernd ähnlich. Es ragen nur die Geschiedenen
heraus und die geringere Schuldenhöhe der unverheiratet Zusammenlebenden.
50000
Abbildung 2-2-1-3: Gesamtforderung nach Familienstand
47490
40000
30000
31526
37411
34900
27697
24708
20000
10000
geschieden
verwitwet
unverheiratet
zusammenlebend
verheiratet
getrenntlebend
verheiratet
zusammenlebend
ledig
0
2.2.1.4 Staatsangehörigkeit
An Hand der Staatsangehörigkeit lässt sich eine weitere Besonderheit der Schuldensituation im Bezirk verdeutlichen: im Bezirk Friedrichshain/Kreuzberg haben eingebürgerte Deutsche und Ausländer aus der EU
deutlich größere durchschnittliche Schulden als andere.
Wir vermuten, dass diese höheren Schulden insgesamt aus gescheiterter Selbständigkeit resultieren. Bei den
eingebürgerten Deutschen ist das eindeutig der Fall. Bei den EU-Ausländern liegen die Gründe nicht so deutlich
auf der Hand.
Abbildung 2-2-1-4: Gesamtforderung nach Staatsangehörigkeit
44396
50000
40000
54392
54384
60000
34348
32662
30000
20000
10000
unbekannt
andere
Staatsangehörigkeit
innerhalb der EU
deutsch,
eingebürgert
deutsch
0
27
2.2.1.5 Berufliche Bildung
Die durchschnittliche Schuldenhöhe steigt mit der beruflichen Bildung – sicherlich eine Folge der höheren Einkommen aus früherer oder gegenwärtiger Erwerbstätigkeit. Da in dem Diagramm die Kategorien 4, 5, und 6
(sonstige Abschlüsse, unbekannte Abschlüsse und fehlende Werte) nur gering besetzt sind, ist dieser
Zusammenhang deutlich.
Abbildung 2-2-1-5: Gesamtforderung nach Berufsbildung
54276
60000
50000
40000
41291
33216
35298
26823
30000
20000
5227
10000
keine Angabe
unbekannt
sonstiger Abschluss
Hochschulabschluss
mit Berufsausbildung
ohne Berufsausbildung
0
28
2.2.1.6 Erwerbsstatus und Art des Einkommens
Erwerbstätige (Kategorien 1 – 4) haben durchschnittlich höhere Schulden als Arbeitslose (Kategorie 5) und
Nicht-Erwerbstätige (Kategorie 6). Deren Voraussetzungen für die Regulierung ihrer Schulden sind allerdings
auch günstiger. Dennoch kann keine Prognose abgeleitet werden, ob im Fall der Erwerbstätigkeit mit höheren
Schulden oder im Fall der Arbeitslosigkeit bzw. Nicht-Erwerbstätigkeit bei geringeren Schulden die Regulation
bessere Chancen hat. Diese hängt von vielen Faktoren, wie der Art der Schulden, der Gläubiger und den
personalen Voraussetzungen ab.
Abbildung 2-2-1-6a: Gesamtforderung nach Erwerbssituation
60000
55229
50396
48116
50000
39022
40000
31017
25682
30000
20000
12577
10000
unbekannt
Nichterwerbstätiger
Arbeitslos
Beamter
Arbeiter
Angestellter
Selbstständiger
0
29
Bei den Einkommensarten (Tabelle unten) fällt auf, dass Empfänger/innen von Unterhalt durch Angehörige (Kategorie
7) extrem hohe Schulden zu verzeichnen sind. Die Schulden von Auszubildenden sind dagegen vergleichsweise gering
– aber eben doch so, dass sie eine Überschuldung darstellen. Relativ hoch sind auch die Schulden von Personen, deren
Haupteinkünfte „sonstige staatliche Einkünfte“ (10) und „sonstige Einkünfte“ (11) sind. Was sich im einzelnen
dahinter verbirgt, ist aus der Statistik nicht zu entnehmen, aber in der Regel dem Berater oder der Beraterin bekannt.
Abbildung 2-2-1-6b: Gesamtforderung nach Einkünften
78925
80000
60000
48344
47633
45211
40000
30090
39011
34166
23926
20000
28761
15285
10655
0
keine Angabe
sonstige Einkünfte
sonst. Staatliche
Zahlungen
Sozialhilfe
Unterhalt durch
Angehörige
Rente/
Altersbezüge
Arbeitslosenhilfe
Arbeitslosengeld
selbstständige
Tätigkeit
Ausbildungszüge/
Beihilfe
Erwerbstätigkeit
30
2.2.1.7 Kinder
Wie bereits erwähnt , sind Kinder in besonderem Maße auch von der Überschuldungssituation der Erwachsenen
im Haushalt betroffen. Haushalte, in denen ein, zwei oder drei Kinder leben sehen sich ähnlich hohen
Gesamtforderungen gegenüber wie kinderlose Haushalte. In den Haushalten mit mehr als drei Kindern ist die
Schuldenlast im Durchschnitt etwas geringer, aber da es sich in allen Fällen um eine Überschuldung handelt ist
auch in diesen Fällen das Armutsrisiko verdoppelt.
Abbildung 2-2-1-7: Gesamtforderung nach Kindern
50000
40000
43367
37157
36271
34608
26741
30000
22101
20000
10000
5 oder mehr Kinder
4 Kinder
3 Kinder
2 Kinder
1 Kind
keine Kinder
0
31
2.2.2
Einzelne Schuldenarten
Eine Situation der Überschuldung tritt so gut wie nie nur in einer Hinsicht ein. In nahezu allen Überschuldungsfällen liegt eine Verschuldung in mehreren Schuldenarten vor. Gerade diese Vielfältigkeit von
Schulden und nicht allein ihre Höhe macht oft die Unübersichtlichkeit und Bedrohlichkeit aus. Wir gehen hier
aus Platzgründen aber nur auf einzelne Schuldenarten ein und nicht auf die Vielschichtigkeit der eigentlichen
Schuldensituation.
2.2.2.1 Primärschulden
Bei Primärschulden handelt es sich um Schulden, die unmittelbar und elementar die Sicherung der Lebenssituation betreffen, wie z.B. Miet- und Energieschulden, bei denen der Verlust der Wohnung oder die
Unbewohnbarkeit der Wohnung drohen. Bei den Primärschulden ragen die Nicht-Erwerbstätigen heraus. In
dieser Kategorie sind sowohl einige Rentner/innen, Sozialhilfeempfänger/innen, Unterhaltsempfänger/innen und
sonstige Nicht-Erwerbstätige zusammengefasst, aber – wie oben gesagt – nicht alle Sozialhilfeempfänger/innen.
Bei letzteren können auch keine exorbitanten Primärschulden aufwachsen.
Abbildung 2-2-2-1a: Primärschulden nach Erwerbssituation
6000
5133
5000
männlich
weiblich
3797
4000
3000
2430
2287
16801643
14581621
2000
880
360
1000
0
Nichterwerbstätiger
Arbeitslos
Beamter
Arbeiter
Angestellter
Selbstständiger
0
0
32
Abbildung 2-2-2-1b: Primärschulden nach Altersgruppen
7284
8000
5624
männlich
weiblich
6000
3979
4000
2210
1849 1843
17711957
1084
1072
2000
0
60 Jahre und älter
50 bis 59 Jahre
40 bis 49 Jahre
30 bis 39 Jahre
20 bis 29 Jahre
jünger als 20 Jahre
0
0
Wie die obige Tabelle zeigt, laufen insbesondere bei älteren Klienten überdurchschnittlich viele Primärschulden
auf.
Auffällig ist auch die Höhe der Primärschulden bei Frauen zwischen 50 und 60 Jahren.
33
2.2.2.2 Konsumschulden
Konsumschulden können aus unterschiedlichen Gründen auflaufen – nicht nur, aber vor allem, bei unkontrollierten Kreditaufnahmen, Ratenkäufen oder Kartenzahlungen. Auch sie sind in der Regel nicht alleinige
Schulden, sondern die Überschuldungssituation ist mit weiteren Schulden verbunden.
Abbildung 2-2-2-2a: Konsumschulden nach Altersgruppen
männlich
30000
weiblich
25243
21924
18366
16103
20000
22817
19942
15916
13400
8752
10000
69326922
0
0
60 Jahre und älter
50 bis 59 Jahre
40 bis 49 Jahre
30 bis 39 Jahre
20 bis 29 Jahre
jünger als 20 Jahre
34
Abbildung 2-2-2-2b: Konsumschulden nach Einkünften
selbstständige
Tätigkeit
Unterhalt durch
Angehörige
25000
15133
Arbeitslosengeld
28467
26770
14637
Erwerbstätigkeit
Sozialhilfe
11691
Rente/
Altersbezüge
sonst. Staatliche
Zahlungen
8343
sonstige Einkünfte
7624
Arbeitslosenhilfe
10418
Ausbildungsbezüge/
Beihilfe
19564
18594
19844
18476
20556
18303
18398
16583
5900
7447
keine Angabe
männlich
weiblich
22000
0
0
33745
10000
20000
30000
40000
Es gilt als ein Vorurteil, dass vor allem junge Menschen exzessiven Konsum betreiben. Aber das bestätigt sich
hier nicht. Es ist aber zu berücksichtigen, dass jüngere Menschen häufig über ein geringeres Einkommen
verfügen und sich ein Schuldenproblem daher schneller einstellt. Aber wie auch in anderen Schuldenarten
wachsen die Schulden erst mit der Zeit und überschreiten dann die eigenen Bewältigungsmöglichkeiten. Bei den
Erwerbstätigenkategorien (1 – Erwerbstätige, 2- Auszubildende, 3 – Selbständige) fällt auf, dass die Frauen
höhere Konsumschulden haben als Männer. Bei den Transferempfänger/innen ist es umgekehrt.
35
2.2.2.3 Unterhaltsschulden
Wir gehen auf diese Schuldenart ein, weil durch sie mittelbar Unterhaltsberechtigte und dabei vor allem Frauen und Kinder
betroffen sind. So kann es sein, dass die Überschuldung eines Menschen das Überschuldungsrisiko für Dritte steigert.
Abbildung 2-2-2-3a: Unterhaltsschulden nach Einkünften
12798
Sozialhilfe
16662
14800
Ausbildungsbezüge/
Beihilfe
1300
8525
Erwerbstätigkeit
2931
7170
Arbeitslosenhilfe
4690
9509
Rente/
Altersbezüge
0
3800
Arbeitslosengeld
0
männlich
weiblich
0
sonstige Einkünfte
0
0
10000
20000
Deutlich wird, dass Männer mehr Unterhaltsschulden haben und besonders Auszubildende. Aber auch Erwerbstätige und
Rentenempfänger haben überdurchschnittlich hohe Unterhaltsschulden. Besonders erstaunlich ist die Tatsache, dass
Sozialhilfebezieher/innen – und dort mehr Frauen als Männer – mit derartigen Schulden belastet sind. Das kann u.a. auf
Praktiken der Jugendämter zurückgeführt werden, die nicht zielstrebig genug Unterhaltszahlungen festsetzten oder
kontrollieren.
Abbildung 2-2-2-3b: Konsumschulden nach Staatsangehörigkeit
12899
14000
männlich
weiblich
12000
10000
7968 7929
6879
8000
6000
3653
4000
2000
1980
0
andere
Staatsangehörigkeit
innerhalb der EU
deutsch,
eingebürgert
deutsch
0
2854
Auf das Merkmal der Staatsangehörigkeit sei deshalb eingegangen, weil hier eine Auffälligkeit bei den nichtEU-ausländischen Männern besteht. Worauf diese Besonderheit zurückzuführen ist, kann hier nicht ausgesagt
werden. Es sei aber auch darauf verwiesen, dass die Zahl von 9 Fällen recht gering ist, wie überhaupt nur 9 %
der Klienten Unterhaltsschulden haben.
36
2.2.2.4 Öffentlich-rechtliche Schulden
Bei diesen Schulden handelt es sich um Schulden bei Körperschaften des öffentlichen Rechtes.
Abbildung 2-2-2-4a: Öffentlich-rechtliche Schulden nach Staatsangehörigkeit
männlich
weiblich
30000
23312
20000
10000
6892
4933
2626
2417
2204
andere
Staatsangehörigkeit
innerhalb der EU
deutsch,
eingebürgert
deutsch
0
5545 6172
Auch hier gehen wir auf die Staatsangehörigkeit ein, weil in diesem Fall die Höhe bei den eingebürgerten Deutschen sowohl
auffällig ist wie auch unerklärlich. Die Fallzahl ist für diese Gruppe auch nicht gering. Insgesamt hat über ein Drittel der
Klienten diese Schulden. Und auch die Nicht-EU-Ausländer sind mit einem hohen Gruppenanteil vertreten. Einer der
Gründe dafür könnte in einer gesellschaftlichen und vor allem rechtlichen Unerfahrenheit und auch in Kenntnislücken liegen.
Abbildung 2-2-2-4b: Öffentlich-rechtliche Schulden nach Altersgruppen
16000
14079
14000
männlich
weiblich
12000
9052
10000
7296
8000
6000
3900
4000
2000
29762484
2808
2025
2368
0
60 Jahre und älter
50 bis 59 Jahre
40 bis 49 Jahre
30 bis 39 Jahre
20 bis 29 Jahre
jünger als 20 Jahre
0
4841
4501
Es erstaunt vielleicht, dass in den höheren Altersgruppen die öffentlich-rechtlichen Schulden so aufwachsen, aber auch hier
laufen die Schulden in einem längeren Prozess auf. Abgesehen etwa von Schulden aus Ordnungs- oder Bußgeldbescheiden,
die recht schnell anfallen könnten, nimmt es in der Regel Zeit in Anspruch, ehe derartige Schulden auflaufen. Eine andere
Erklärung könnte darin liegen, dass darunter auch Rückzahlungen von Transferleistungen fallen.
37
2.2.2.5 Schulden aus Selbständigkeit
Es war nicht zu erwarten, dass 23,1 % der Klienten Schulden aus Selbständigkeit haben. Das gehört zu den
Besonderheiten des Bezirkes. Man sieht in der Tabelle, dass die durchschnittliche Höhe etwas, aber nicht sehr
stark variiert. Auffällig sind auch anteilig die relativ vielen Frauen aus Nicht-EU-Ländern, die Schulden aus
selbständiger Tätigkeit haben.
Abbildung 2-2-2-5: Schulden aus Selbstständigkeit nach Staatsangehörigkeit
120000
100000
männlich
weiblich
99501
94556
88420
78523
80000
60271
54690
60000
50082
40000
16831
20000
andere
Staatsangehörigkeit
innerhalb der EU
deutsch,
eingebürgert
deutsch
0
38
2.3
Gründe der Überschuldung
In der InsOStat werden auch Gründe der Überschuldung ausgewiesen. Die Feststellung des Überschuldungsgrundes (bzw. mehrerer Gründe) nehmen die Berater nach eingehenden Gesprächen mit den Klienten
vor. In der Regel ist die Lebenssituation und der Weg in die Schuldenfalle für jeden einzelnen Schuldner sehr
besonders und vor allem sehr vielschichtig. Meist gibt es nicht nur einen Grund, der die Verschuldung
verursacht. Die Regel ist, dass sich hier mehrere Gründe kreuzen und z.T. gegenseitig verstärken. In der
Beratung wird aus dieser Vielschichtigkeit von Verknüpfungen ein besonders wichtiger oder für die
Charakteristik der Schuldensituation des Klienten als wesentlich erachteter Grund ermittelt und eingetragen.
Dennoch ist eine Übersicht über die Hauptgründe der Überschuldung nützlich.
Es werden 11 Kategorien von Gründen unterschieden und eine Sammelkategorie (sonstige). Die Häufigkeit der
einzelnen Gründe zeigt folgende Graphik.
Abbildung 2-3: Überschuldungsgrund
30
20
10
0
keine Angabe
sonstiges
unangemessene
Kreditberatung
Haushalts-,
Familiengründung
Kosten aus
unerlaubter Handlung
Niedrigeinkommen
Zahlungsverpflichtung
für Andere
gescheiterte
Selbstständigkeit
unwirtschaftliche
Haushaltsführung
Erkrankung,
Sucht, Unfall
Trennung/
Scheidung
Arbeitslosigkeit
Es fällt auf, dass Arbeitslosigkeit der häufigste Grund der Überschuldung ist. Das stimmt mit allen anderen
Studien zur Überschuldung privater Haushalte überein. Dass Gescheiterte Selbständigkeit einen so hohen Wert
hat, überrascht. In dieser Hinsicht unterscheidet sich die Schuldensituation in Friedrichshain/Kreuzberg (19,99
%) auch von der in gesamt Berlin (12,5 %). Trennung, Scheidung und Tod des Partners auf der einen Seite,
Erkrankung, Sucht, Unfall danach, unwirtschaftliche Haushaltsführung und Niedrigeinkommen sind die meist
genannten Gründe.
Wir gehen hier nicht auf alle Gründe ein, sondern heben einige besondere hervor.
39
2.3.1
Arbeitslosigkeit
Ein Viertel aller Klienten sind aus Gründen der Arbeitslosigkeit überschuldet. Das korrespondiert auf der einen
Seite zwar mit der hohen Arbeitslosigkeit im Bezirk und bei den Klienten, ist aber dennoch ein hoher Befund. In
ganz Berlin wird für die Klienten der Beratungsstellen 20,5 % der Nennung angeben.
Die folgende Graphik demonstriert, dass vor allem für Frauen deutscher Herkunft und Männer aus Nicht-EUStaaten dieser Grund für die Überschuldung zutrifft.
Abbildung 2-3-1: Überschuldungsgrund - Arbeitslosigkeit
100
männlich
weiblich
86
77
80
60
40
18
20
2
2
8
5
andere
Staatsangehörigkeit
innerhalb der EU
deutsch,
eingebürgert
deutsch
0
4
40
2.3.2
Selbständigkeit
Dieser Überschuldungsgrund stellt, wie gesagt, eine Besonderheit des Bezirkes dar. Das betrifft sowohl die
Häufigkeit seiner Nennung, als auch die Klientengruppen, auf die dieser Grund zutrifft. Verglichen mit allen
Berliner Klienten (12,5 %) wird dieser Grund im Bezirk deutlich häufiger ausgewiesen (19,9 %). Auch hier sind
die Merkmale Geschlecht und Staatsangehörigkeit besonders auffällig.
Abbildung 2-3-2: Überschuldungsgrund - gescheiterte Selbstständigkeit
70
59
männlich
weiblich
61
60
50
40
24
30
20
9
4
10
4
andere
Staatsangehörigkeit
innerhalb der EU
deutsch,
eingebürgert
deutsch
0
7
28
Die Klienten ohne Migrationshintergrund bilden zwar auch hier die stärkste Gruppe, aber gemessen an ihrem
gesamten Anteil, trifft auf sie dieser Grund seltener zu. Alle Gruppen mit einem Migrationshintergrund haben
anteilig höhere Nennungen. Besonderes hervorzuheben sind die Klienten aus Nicht-EU-Staaten und unter diesen
besonders die Frauen. Auf Gründe dafür kann hier noch nicht eingegangen werden.
41
2.3.3
Trennung, Scheidung, Tod des Partners
In der Nennung dieser Gründe unterscheiden sich die Klienten des Bezirkes nicht von allen Berliner Klienten, in
beiden Gruppen etwas über 12 %. Auf Frauen trifft dieser Grund häufiger zu als auf Männer. Wie zu erwarten,
überwiegen hier die höheren Altersgruppen.
Abbildung 2-3-3: Überschuldungsgrund - Trennung, Tod des Partners
50
männlich
weiblich
43
40
35
34
30
30
18
20
11
10
0
2
3
6
8
11
0
60 Jahre und älter
50 bis 59 Jahre
40 bis 49 Jahre
30 bis 39 Jahre
20 bis 29 Jahre
jünger als 20 Jahre
42
2.3.4
Erkrankung, Sucht, Unfall
Dieser Grund trifft auf etwa 12 % der Klienten zu, etwas mehr als im Berliner Durchschnitt. Auch hier ist die
Verteilung nach dem Alter und dem Geschlecht. Insgesamt sind Frauen und Männer zu gleichen Teilen
vertreten.
Abbildung 2-3-4a: Überschuldungsgrund - Erkrankung, Sucht, Unfall
männlich
weiblich
50
41
40
33
30
29
30
21
16
20
7
10
0
7
9
7
0
0
60 Jahre und älter
50 bis 59 Jahre
40 bis 49 Jahre
30 bis 39 Jahre
20 bis 29 Jahre
jünger als 20 Jahre
Hinsichtlich der Arten der Einkommen ergibt sich folgender Befund.
Abbildung 2-3-4b: Überschuldungsgrund - Erkrankung, Sucht, Unfall
männlich weiblich
44
50
40
30
26
25
18
17
20
11
2
3
7
2
0
keine Angabe
0
3
11
7
sonstige Einkünfte
10
7
17
3
0
sonst. Staatliche
Zahlungen
Sozialhilfe
Rente,
Altersbezüge
Arbeitslosenhilfe
Arbeitslosengeld
Ausbildungsbezüge/
Beihilfe
Erwerbstätigkeit
Man sieht, dass auf Frauen, die aus Renten und Altersbezügen ihr Haupteinkommen beziehen und dem
entsprechend älter sind, dieser Grund häufiger zutrifft. Die Kategorien sind Empfänger/innen von Transfereinkommen (Arbeitslosengeld, -hilfe und Sozialhilfe), in denen die Männer überwiegen.
43
2.3.5
Unwirtschaftliche Haushaltsführung
Im Vergleich mit den Berliner Klienten sind die Friedrichshain/Kreuzberger Klienten offenbar weniger
verschwenderisch, denn hier wird dieser Grund bei 11 % der Klienten angegeben und in Berlin liegt er bei
17,7 %. Betroffen sind die jüngeren Altersgruppen, allerdings nicht ausschließlich. Auch für mittlere Jahrgänger
wird dieser Überschuldungsgrund angegeben.
Abbildung 2-3-5: Überschuldungsgrund - Unwirtschaftlich Haushaltsführung
40
männlich weiblich
35
30
24
26
25
22
21
20
20
12
10
10
5
0
0
0
60 Jahre und älter
50 bis 59 Jahre
40 bis 49 Jahre
30 bis 39 Jahre
20 bis 29 Jahre
jünger als 20 Jahre
Auf Frauen trifft dieser Überschuldungsgrund insgesamt häufiger zu als auf Männer. Allerdings gibt es in den
Altersgruppen eine starke Differenzierung. Die Ursachen hierfür müssen einer späteren Analyse vorbehalten
bleiben.
44
2.3.6
Niedrigeinkommen
Im Hinblick auf diesen Überschuldungsgrund liegt Friedrichshain/Kreuzberg mit 10,3 % etwas unter dem
Berliner Durchschnitt. Frauen sind hier überrepräsentiert.
Abbildung 2-3-6a: Überschuldungsgrund - Niedrigeinkommen
42
männlich weiblich
40
26
30
26
21
17
20
10
17
15
14
13
6
4
0
0
60 Jahre und älter
50 bis 59 Jahre
40 bis 49 Jahre
30 bis 39 Jahre
20 bis 29 Jahre
jünger als 20 Jahre
Aufschlussreich dürfte auch die Verteilung der Klienten mit einem Niedrigeinkommen als Überschuldungsgrund
im Hinblick auf die Art der Einkommen sein. Man sieht, dass dieser Grund nicht nur auf Empfänger/innen von
Transfereinkommen zutrifft, sondern auch auf Erwerbstätige.
Abbildung 2-3-6b: Überschuldungsgrund - Niedrigeinkommen
männlich weiblich
40
31
30
23
23
19
19
19
20
17 17
11
6
10
6
3
0
2
0
2
0
sonstige Staatliche
Zahlungen
Sozialhilfe
Rente,
Altersbezüge
Arbeitslosenhilfe
Arbeitslosengeld
selbstständige
Tätigkeit
Ausbildungsbezüge/
Beihilfe
Erwerbstätigkeit
Zusammenfassend kann man feststellen, dass Armutsrisiken die häufigsten Gründe für die
Überschuldung sind. Aber auch besondere Lebensereignisse und Einschnitte spielen eine wichtige Rolle.
Für den Bezirk Friedrichshain/Kreuzberg besonders hervorzuheben ist die hohe Anzahl von Personen,
die aus gescheiterter Selbständigkeit in die Überschuldung geraten sind.
45
2.4
Sozialräumliche Verteilung der Klienten im Stadtbezirk und Vergleich der
beiden ehemaligen Bezirke
2.4.1
Die sozialräumliche Verteilung der Klienten
Die sozialräumliche Verteilung weist zwei Besonderheiten auf:
1.
Legt man die Gliederung des Territoriums in Verkehrszellen bzw. Teilverkehrszellen zugrunde wie es
der Sozialstrukturatlas vorsieht, dann ist deutlich zu erkennen, dass die räumliche Dichte des Wohnortes
der Klienten stark mit dem Sozialstrukturindex zusammen hängt. Je niedriger der Index einer
Verkehrszelle (eines Kiezes), desto höher die Dichte überschuldeter Haushalte.
Abbildung 2-4-1a: Häufigkeiten der Schuldner nach Verkehrszellen
Häufigkeit
Sozialindex *5
120
100
80
60
40
20
0
-20
Alt Stralau
Stralauer Allee
Pariser Kommune
Andreasstr.
Warschauer Str. NORD
Boxhagener Str.
Rigaer Str.
Friedensstr.
Viktoriapark
Südstern
Zossener Stern
Wiener Str.
Mariannenplatz
Moritzplatz
Mehringplatz
2.
Diese enge Verknüpfung gilt aber nicht für den ganzen Stadtbezirk in seiner neuen Gestalt. Sie gilt nur
innerhalb der ehemaligen Stadtbezirke. Man kann sowohl für Friedrichshain als auch für
Kreuzberg getrennt den engen Zusammenhang von regionaler Verarmung und Überschuldung
feststellen, aber nicht für den gesamten Bezirk.
Abbildung 2-4-1b: Häufigkeiten der Schuldner in Kreuzberg
Häufigkeit
Sozialindex *5
100
80
60
40
20
0
-20
Viktoriapark
Zossener Stern
Südstern
Wiener Str.
Mehringplatz
Moritzplatz
Mariannenplatz
46
Abbildung 2-4-1c: Häufigkeiten der Schuldner in Friedrichshain
Häufigkeit
Sozialindex *5
120
100
80
60
40
20
0
-20
Alt Stralau
Andreasstr.
Friedensstr.
Pariser Kommune
Stralauer Allee
Warschauer Str. NORD
Rigaer Str.
Boxhagener Str.
Die Rangfolge vom ungünstigsten Sozialindexwert ausgehend, beginnt in Kreuzberg mit Moritzplatz,
Mariannenplatz und Mehringplatz und in Friedrichshain mit Boxhagener Straße, Rigaer Straße und Warschauer
Straße. Diese Rangfolge spiegelt sich in der Häufigkeit der Klienten wieder. In den drei belastetsten
Verkehrszellen des jeweiligen Ortsteiles sind auch die meisten Schuldner zu finden und unterscheiden sich nur
in der Rangfolge.
47
2.4.2
Vergleich der beiden ehemaligen Bezirke
Zwischen den Teilbezirken Friedrichshain und Kreuzberg lassen sich hinsichtlich der sozialdemographischen
Zusammensetzung der Überschuldetenpopulation wesentliche Unterschiede feststellen, die allerdings primär auf
die sozialstrukturellen Unterschiede der Teilbezirke zurückzuführen sind.
Die meisten überschuldeten Ausländer sind Klienten der Schuldnerberatungsstellen in Kreuzberg
Abbildung 2-4-2a: Anteil der Klienten nach Staatsangehörigkeit
90
100
80
Kreuzberg
Friedrichshain
63
60
40
23
9
20
4
6
4
0
0
keine Angabe
andere
Staatsangehörigkeit
innerhalb der EU
deutsch, eingebürgert
deutsch
0
0
84 % der überschuldeten Migranten sind (hier immer verstanden als Ausländer, die nicht aus Mitgliedstaaten der
EU stammen) Klienten der Schuldnerberatungsstellen in Kreuzberg, wobei 64% der ausländischen Überschuldeten Klienten der AWO sind. Bei der AWO sind 29 % der Klientel Ausländer, obwohl diese an der
gesamten Überschuldetenpopulation von Friedrichshain / Kreuzberg lediglich einen Anteil von 16,2 % haben.
Diese Tatsache basiert darauf, dass der Teilbezirk Kreuzberg einen höheren Ausländeranteil an der Bevölkerung
zu verzeichnen hat als der Teilbezirk Friedrichshain: In Kreuzberg sind 36,5 % der Bevölkerung Ausländer,
wohingegen in Friedrichshain dies lediglich auf 9,5 % der Bevölkerung zutrifft (MZ, 2003).
Auf den unterschiedlich hohen Ausländeranteil lassen sich vermutlich auch die regionalen Unterschiede
der Überschuldetenpopulation bezüglich der Merkmale „beruflicher Bildungsabschluss“, „Haushaltsgröße“, „Familienstand“ und „Einkunftsarten“ zurückführen.
48
In Kreuzberg weisen mehr Klienten keine berufliche Ausbildung auf als in Friedrichshain
Abbildung 2-4-2b: Anteil der Klienten nach Berufsbildungsabschluss
Kreuzberg
Friedrichshain
67
48
42
27
7
2
1
1
2
3
keine Angabe
sonstiger Abschluss
Hochschulabschluss
mit Berufsausbildung
ohne Berufsausbildung
80
70
60
50
40
30
20
10
0
In Friedrichshain haben 28,8 % und in Kreuzberg 48 % der überschuldeten Klienten keine berufliche
Ausbildung. Dies resultiert wahrscheinlich daraus, dass Ausländer häufiger eine formal niedrigere Bildung
aufweisen als die Deutschen. 43,9 % der Ausländer in Berlin haben keinen beruflichen Ausbildungsabschluss,
wohingegen „nur“ 20,2 % der Deutschen in Berlin keinen beruflichen Ausbildungsabschluss haben (MZ, B10,
2003, eigene Berechnung).
Die meisten überschuldeten kinderreichen Familien sind Klienten der Schuldnerberatungsstellen in
Kreuzberg
73 % der kinderreichen Haushalte -2 und mehr Kinder- sind Klientel der Schuldnerberatungsstellen in
Kreuzberg. Hierbei sind 56 % der kinderreichen Haushalte Klienten bei der AWO. Von den kinderreichen
Haushalten haben 39 % eine deutsche Bezugsperson und 54 % haben eine ausländische Bezugsperson. Dies liegt
daran, dass Ausländer im Vergleich zur deutschen Bevölkerung häufiger in Familien leben: 21,9 % der
deutschen Haushalte in Berlin haben Kinder und 6,0 % haben 2 und mehr Kinder, wohingegen 43,9 % der
Haushalte mit einer ausländischen Bezugsperson in Berlin Kinder haben und davon haben 18,9 % 2 und mehr
Kinder (MZ, F1, 2003, eigene Berechnung). Dass heißt, da Kreuzberg einen höheren Ausländeranteil hat als
Friedrichshain, sind auch hier die überschuldeten kinderreichen Haushalte häufiger vertreten.
49
Die meisten überschuldeten Ledigen und unverheiratet Zusammenlebenden sind Klienten in Friedrichshain, während die meisten überschuldeten Verheirateten und der verheiratet, getrennt Lebenden Klienten
in Kreuzberg sind.
Abbildung 2-4-2c: Anteil der Klienten nach Familienstand
46
50
Kreuzberg
Friedrichshain
40
28
29
30
24
20
14
12
8
4
verwitwet
4
0
1
keine Angabe
geschieden
verheiratet
getrenntlebend
verheiratet
zusammenlebend
ledig
3
unverheiratet
zusammenlebend
6
10
0
21
Im Bezug auf den Familienstand ist auffällig, dass in Kreuzberg nur 28 % der Klienten ledig sind, während dies
auf 46 % in Friedrichshain zutrifft. In Kreuzberg sind 29 % der Klienten verheiratet und 12 % verheiratet,
getrennt lebend. In Friedrichshain sind nur 14% der Klienten verheiratet und nur 6 % verheiratet, getrennt
lebend. 55 % der ledigen Klienten der gesamten Überschuldetenpopulation von Friedrichshain / Kreuzberg sind
Klienten in Friedrichshain. 73 % der verheirateten Klienten der gesamten Überschuldetenpopulation und 72 %
der verheiratet, getrennt lebenden sind Klienten der Schuldnerberatungsstellen in Kreuzberg. Aber 73 % der
unverheiratet zusammenlebenden Klienten der gesamten Überschuldetenpopulation sind Klienten in
Friedrichshain.
Dies kann daran liegen, dass Ausländer häufiger als Deutsche den Bund der Ehe eingehen: So sind 38,5 % der
Deutschen, aber 48,6 % der Ausländer in Berlin verheiratet. Allerdings ist der prozentuale Anteil der ledigen fast
gleich: 44,5 % der deutschen und 42,1 % der Ausländer in Berlin sind ledig (MZ, B4, 2003, eigene Berechnung).
Eventuell ist dieser Unterschied auf das Alter der Überschuldetenpopulation in Friedrichshain und Kreuzberg
zurückzuführen. In Friedrichshain ist die Klientel jünger als in Kreuzberg: 14 % der Klienten in Friedrichshain
sind unter 30, während in Kreuzberg lediglich 7 % unter 30 sind. In Friedrichshain sind 20 % der Klienten über
49; in Kreuzberg 31 %.
50
In Friedrichshain ist die Klientel jünger als in Kreuzberg.
Abbildung 2-4-2d: Anteil der Klienten nach Altersgruppen
40
33
Kreuzberg
Friedrichshain
33
27
30
22
20
14
13
9
7
10
0
6
1
60 Jahre und älter
50 bis 59 Jahre
40 bis 49 Jahre
30 bis 39 Jahre
20 bis 29 Jahre
jünger als 20 Jahre
0
35
In Friedrichshain erhalten mehr Klienten Arbeitslosengeld und weniger Arbeitslosenhilfe als in
Kreuzberg.
Abbildung 2-4-2e: Anteil der Klienten nach Einkünften
27
Erwerbstätigkeit
Arbeitslosenhilfe
12
Sozialhilfe
12
Rente,
Altersbezüge
12
7
Arbeitslosengeld
Ausbildungsbezüge/
Beihilfe
2
sonst. Staatliche
Zahlungen
Unterhalt durch
Angehörige
selbstständige
Tätigkeit
0
keine Angabe
0
0
14
18
4
3
1
1
1
16
4
1
sonstige Einkünfte
36
26
2
Kreuzberg
Friedrichshain
1
10
20
30
40
In Friedrichshain erhalten mehr Klienten Arbeitslosengeld und weniger Arbeitslosenhilfe als in Kreuzberg.
Während in Friedrichshain 18 % der Klienten Arbeitslosengeld und 11 % Arbeitslosenhilfe erhalten, erhalten in
Kreuzberg lediglich 7 % Arbeitslosengeld, aber 26 % Arbeitslosenhilfe. Dies ist darauf zurückzuführen, dass es
in Kreuzberg mehr Langzeitarbeitslose gibt als in Friedrichshain: In Friedrichshain sind 34,6 % der Arbeitslosen
Langzeitarbeitslose, während in Kreuzberg 46,3 % der Arbeitslosen Langzeitarbeitslose sind.
Dies ist eventuell darauf zurückzuführen, dass in Friedrichshain häufiger junge, ledige Menschen mit deutscher
Staatsbürgerschaft leben, denen es leichter fällt wieder einen Arbeitsplatz zu finden als älteren Ausländern mit
Familie, die anscheinend häufiger in Kreuzberg leben. Hierfür fehlen allerdings noch die Belege.
51
2.5
Armut und Überschuldung
Um den Zusammenhang von Armut und Überschuldung darzustellen, wurden bestimmte Armutsgruppen näher
betrachtet. Als Armutsgruppen wurden im Armutsbericht des Berliner Senats 2002 folgende Bevölkerungsgruppen ausgewiesen (Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz 2002, S.11-12):
•
•
•
•
•
•
•
•
•
Kinderreiche Haushalte
Alleinerziehende
Kinder
Ausländer
Arbeitslose
Sozialhilfeempfänger
Formal niedriges schulisches wie berufliches Bildungsniveau
Jugend
Frauen
Im Armutsbericht wurde zwar festgestellt (S. 12), dass das Alter kein Armutsrisiko mehr darstellt, trotzdem
wurden hier auch die älteren überschuldeten Personen untersucht.
Um festzustellen, inwieweit diese Bevölkerungsgruppen in der Überschuldetenpopulation überproportional
vertreten – und Armut eventuell ein Überschuldungsrisiko darstellt - wird ein Vergleich mit der Sozialstruktur
des Bezirks Friedrichshain/Kreuzberg vorgenommen. Des Weiteren werden diese Bevölkerungsgruppen
verglichen mit der gesamten Überschuldetenpopulation von Friedrichshain/Kreuzberg, um Besonderheiten der
sozialdemographischen Merkmale und der Schuldensituation der Armutsgruppen zu erkennen.
2.5.1
Migranten
In diesem Abschnitt wird nur die Situation der überschuldeten Migranten dargestellt, die nicht aus
Mitgliedstaaten der EU stammen. Wie schon erwähnt, stellen diese Migranten 16,2 % der Klienten der
untersuchten Schuldnerberatungsstellen im Bezirk Friedrichshain/Kreuzberg dar. 74,6 % der Klienten sind
Deutsche. Im Vergleich hierzu sind die Ausländer an der Gesamtpopulation von Friedrichshain / Kreuzberg mit
17,8 % vertreten. Folglich sind die Migranten in der Überschuldetenpopulation nicht überrepräsentiert.
2.5.1.1 Erwerbssituation
Im Vergleich zur gesamten Überschuldetenpopulation sind die Migranten überdurchschnittlich arbeitslos
60,7 % der ausländischen Klienten der Schuldnerberatungsstellen sind arbeitslos, während „nur“ 42,8 % der
deutschen überschuldeten Klienten arbeitslos sind. Dahingegen sind 21,7 % der deutschen und 16,3 % der
ausländischen Klienten nicht erwerbstätig. Im Vergleich zur gesamten Überschuldetenpopulation sind die
Migranten überdurchschnittlich arbeitslos: 46 % der Überschuldetenpopulation ist arbeitslos. Allerdings sind die
Arbeitslosen insgesamt in der Überschuldetenpopulation überrepräsentiert, da die Arbeitslosenquote in
Friedrichshain/Kreuzberg „nur“ 16 % beträgt (Stand 31.12.2003).
Somit stellt Arbeitslosigkeit wahrscheinlich ein Überschuldungsrisiko dar. Fraglich ist nun, warum die
überschuldeten Migranten häufiger von Arbeitslosigkeit betroffen sind als die deutsche Klientel. Hier ist
anzumerken, dass Ausländer allgemein von Arbeitslosigkeit häufiger betroffen sind als Deutsche, so beträgt die
Arbeitslosenquote für die deutschen Arbeitslosen in Friedrichshain/Kreuzberg 15,3 % und für die ausländischen
Arbeitslosen 18,1 %. Diese Tatsache resultiert wahrscheinlich daher, dass Ausländer häufiger eine formal
niedrige Bildung aufweisen als die Deutschen, welches die Eingliederung in den Arbeitsmarkt erschwert (s.o.).
Folglich ist festzuhalten, dass die Arbeitslosen allgemein in der Überschuldetenpopulation überrepräsentiert sind und dass, da die Ausländer im Allgemeinen häufiger von Arbeitslosigkeit betroffen sind
52
als die Deutschen, auch die überschuldeten Migranten im Vergleich zu den deutschen Überschuldeten
häufiger von Arbeitslosigkeit betroffen sind.
Allerdings stellt sich die Frage, warum die Arbeitslosenquote der Ausländer in Friedrichshain / Kreuzberg von
der Arbeitslosenquote der Deutschen um ca. 3 % abweicht, aber die Differenz in der Überschuldetenpopulation
bei 17 % liegt. Stellt für die Ausländer Arbeitslosigkeit ein größeres Überschuldungsrisiko dar als für die
Deutschen?
2.5.1.2 Einkunftsarten
Im Vergleich zur gesamten Überschuldetenpopulation erhalten die Ausländer seltener Arbeitslosengeld,
aber öfter Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe
Die Unterschiede bei der Erwerbssituation spiegelt sich bei den Einkunftsarten wider. 32 % der deutschen
Klientel haben Einkünfte aus Erwerbstätigkeit, dies trifft nur für 21 % der Ausländer zu. Im Vergleich dazu
haben 30,9 % der gesamten Überschuldetenpopulation Einkünfte aus Erwerbstätigkeit. 12,4 % der deutschen
Klientel erhalten Arbeitslosengeld, 17 % Arbeitslosenhilfe und 13 % Sozialhilfe. Hingegen erhalten nur 6,9 %
der Ausländer Arbeitslosengeld, aber 33,6 % der Ausländer erhalten Arbeitslosenhilfe und 19,8 % Sozialhilfe.
Im Vergleich zur gesamten Überschuldetenpopulation erhalten die Ausländer seltener Arbeitslosengeld, aber
öfter Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe: 11,3 % der Überschuldetenpopulation erhalten Arbeitslosengeld, 20,2 %
erhalten Arbeitslosenhilfe und 14,3 % Sozialhilfe. Dass die überschuldeten Ausländer häufiger Arbeitslosenhilfe
und Sozialhilfe beziehen, mag darin begründet sein, das Ausländer eher von Langzeitarbeitslosigkeit betroffen
sind als die Deutschen.
Es ist festzuhalten, dass die Arbeitslosengeld- und Arbeitslosenhilfeempfänger sowie die Sozialhilfeempfänger in der Überschuldetenpopulation überrepräsentiert sind.
So stellt „lediglich“ bei 10,3 % der Bevölkerung in Friedrichshain / Kreuzberg Arbeitslosengeld/-hilfe und bei
9,1 % Sozialhilfe den hauptsächlichen Lebensunterhalt dar. Das die überschuldeten Ausländer häufiger
Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe beziehen, mag darin begründet sein, das Ausländer eher von Langzeitarbeitslosigkeit betroffen sind als die Deutschen.
Es ist demnach folgendes festzuhalten:
Arbeitslosigkeit / Langzeitarbeitslosigkeit stellt wahrscheinlich ein Überschuldungsrisiko dar.
Sozialhilfebezug stellt wahrscheinlich ein Überschuldungsrisiko dar.
Aller Wahrscheinlichkeit nach sind Ausländer häufiger von Langzeitarbeitslosigkeit betroffen als
Deutsche (dies wird allerdings noch genauer zu überprüfen sein), so dass sie häufiger Arbeits-losenhilfe
und Sozialhilfe beziehen.
Auf die oben aufgeworfene Frage, ob Arbeitslosigkeit für Ausländer ein größeres Überschuldungsrisiko darstellt
als für Deutsche ist nun folgende Annahme als Antwort möglich: Da Ausländer häufiger von Langzeitarbeitslosigkeit betroffen sind als Deutsche und daher häufiger Arbeitslosenhilfe beziehen als Deutsche und somit
Arbeitslosigkeit für Ausländer einen größeren Einkommensverlust beinhaltet als für die Deutschen, stellt
Arbeitslosigkeit für Migranten ein größeres Überschuldungsrisiko dar als für die Deutschen. Somit wird
die oben angeführte Differenz erklärbar, allerdings sind dies nur Annahmen, die erst noch bestätigt werden
müssen.
2.5.1.3 Berufliche Bildung
Die überschuldeten Migranten haben im Vergleich zur gesamten Überschuldetenpopulation von Friedrichshain/Kreuzberg überdurchschnittlich keine berufliche Ausbildung abgeschlossen
53
Die überschuldeten Migranten haben im Vergleich zur gesamten Überschuldetenpopulation von Friedrichshain /
Kreuzberg überdurchschnittlich keine berufliche Ausbildung abgeschlossen: 70,4 % der überschuldeten
Migranten haben keine berufliche Ausbildung, aber 52,6 % der gesamten Überschuldetenpopulation und 60,5 %
der deutschen Überschuldeten haben eine berufliche Ausbildung. Wie oben schon erwähnt, entspricht dies der
Sozialstruktur. Im Allgemeinen weisen Ausländer häufiger eine formal niedrigere Bildung auf als Deutsche.
Allerdings weisen in Berlin nur 43,9 % der Ausländer keine berufliche Bildung auf, während in der
Überschuldetenpopulation dies auf 70,4 % der überschuldeten Ausländer zutrifft. Dies kann daran liegen, dass in
Friedrichshain / Kreuzberg die formal niedrig gebildeten Ausländer stärker vertreten sind, es kann aber auch
bedeuten, dass eine formal niedrige Bildung für die Ausländer ein größeres Überschuldungsrisiko darstellt als für
die Deutschen. Die deutschen überschuldeten Klienten ohne Berufsausbildungsabschluss sind nämlich nicht
überrepräsentiert.
2.5.1.4 Haushaltsnettoeinkommen
Das Haushaltsnettoeinkommen der ausländischen Klientel unterscheidet sich nicht wesentlich von dem
der deutschen Klientel.
Obwohl die ausländische Klientel seltener erwerbstätig ist als die deutsche Klientel und häufiger Arbeitslosen- und
Sozialhilfe bezieht, unterscheidet sich ihr Haushaltsnettoeinkommen nicht wesentlich von dem der deutschen Klientel
und zur gesamten Überschuldetenpopulation: Das Haushaltsnettoeinkommen der Überschuldetenpopulation beträgt
1.049,74 Euro, das der Migranten 1.122,39 Euro und das der Deutschen 1.014,46 Euro.
Auch beim Vergleich der Verschuldungssummen lässt sich kein wesentlicher Unterschied zwischen der
ausländischen und der deutschen Klientel feststellen.
Die Migranten haben mit einer durchschnittlichen Verschuldungssumme von 32.662,40 Euro eine unwesentlich
niedrigere Verschuldungssumme als die Deutschen, deren durchschnittliche Verschuldungssumme 34.348,29
Euro beträgt. Beide liegen unterhalb der durchschnittlichen Verschuldungssumme der gesamten Überschuldetenpopulation, diese beträgt 35.381,06 Euro.
Zwar unterscheidet sich das Haushaltshaltsnettoeinkommen der überschuldeten Migranten nicht wesentlich von dem der deutschen Klienten, allerdings muss man berücksichtigen, dass die Migranten im
Vergleich zur Überschuldetenpopulation in größeren Haushalten leben.
24,6 % der überschuldeten Migranten leben in Ein-Personen-Haushalten, 25,3 % leben in Zwei-PersonenHaushalten, 16,9 % leben in Drei-Personen-Haushalten, 13,8 % leben in Vier-Personen-Haushalten und 19,2 %
in Fünf-Personen-Haushalten. Dahingegen lebt die Hälfte der gesamten überschuldeten Klienten -50,2 %- in EinPersonenhaushalten, ein Viertel (25,4 %) lebt in Zwei-Personenhaushalten und. 24,4 % leben in Drei- und mehr
Personenhaushalten. Im Vergleich hierzu leben 57,3 % der deutschen Klientel in Ein-Personen-Haushalten und
20,1 % in Zwei-Personen-Haushalten.
Allerdings leben im Allgemeinen Ausländer häufiger in größeren Haushalten als Deutsche. In Berlin leben 38,8
% der Ausländer in 1-Personen-Haushalten und 22,6 % in 4- und mehr Personen-Haushalten, während 51,3 %
der Deutschen in 1-Personen-Haushalten und nur 17,3 % in 3 und mehr Personen-Haushalten leben (MZ, 2003).
Hier ist auffällig –auch wenn man diese Angaben nicht direkt miteinander vergleichen kann- dass bei den
überschuldeten Ausländern in Friedrichshain/Kreuzberg die Ein-Personen-Haushalte unter- und die Vier und
mehr Personen-Haushalte überrepräsentiert sind.
Eventuell stellt ein größerer Haushalt bei den Ausländern ein Überschuldungsrisiko dar.
Wenn man die Haushaltsgröße der Überschuldetenpopulation mit der Haushaltsgröße der Bevölkerung von
Friedrichshain / Kreuzberg vergleicht, zeigt sich, dass die Ein-Personenhaushalte unter - und die Drei - und mehr
Personen-Haushalte in der Überschuldetenpopulation überrepräsentiert sind: So leben in Friedrichshain /
54
Kreuzberg 62,2 % in Ein-Personen-Haushalten und 14,6 % in Drei und mehr Personen-Haushalten, während
50,2 % der überschuldeten Personen in Friedrichshain / Kreuzberg in Ein-Personenhaushalten und 24,4 % leben
in Drei und mehr Personenhaushalten leben. Die Haushaltsgröße scheint also im Allgemeinen Einfluss auf
das Überschuldungsrisiko zu haben.
2.5.2
Frauen
Die Frauen sind in der Überschuldetenpopulation nicht überrepräsentiert: 44,6 % der überschuldeten Klienten
sind Frauen und 49,4 % der Gesamtpopulation von Friedrichshain / Kreuzberg sind weiblich.
2.5.2.1 Erwerbssituation
Frauen sind häufiger nicht erwerbstätig
Abbildung 2-5-2-1: Anteil der Klienten nach Erwerbstätigkeit
60
männlich
weiblich
52
50
37
40
28
30
20 22
20
10
4
5
14
7
0
0
0
1
keine Angabe
Nichterwerbstätiger
Arbeitsloser
Beamter
Arbeiter
Angestellter
Selbstständiger
0
10
Die überschuldeten Männer sind häufiger arbeitslos als die überschuldeten Frauen: 52 % der Männer, aber nur
37 % der Frauen sind arbeitslos. Dafür sind mehr Frauen nicht erwerbstätig. 28 % der Frauen und 14 % der
Männer sind nicht erwerbstätig. Von denjenigen, die arbeitslos sind, sind 63 % Männer und 37 % Frauen und
von denjenigen, die nicht erwerbstätig sind, sind 39 % Männer und 61 % Frauen. Im Vergleich zur gesamten
Überschuldetenpopulation sind die männlichen Klienten häufiger arbeitslos: 46 % der Überschuldetenpopulation
sind arbeitslos. Aber die weiblichen Klienten sind im Vergleich zur gesamten Überschuldetenpopulation
häufiger nicht erwerbstätig: 20 % der Überschuldetenpopulation sind nicht erwerbstätig.
55
2.5.2.2 Einkunftsarten
Frauen erhalten häufiger Sozialhilfe, Arbeitslosigkeit tritt als Überschuldungsgrund seltener und Niedrigeinkommen häufiger auf.
Abbildung 2-5-2-2a: Anteil der Klienten nach Einkünften
Erwerbstätigkeit
29
Arbeitslosenhilfe
24
15
12
Sozialhilfe
Rente,
Altersbezüge
17
10
Arbeitslosengeld
8
Ausbildungsbezüge/
Beihlilfe
sonst. Staatliche
Zahlungen
1
1
sonstige Einkünfte
1
Unterhalt durch
Angehörige
selbstständige
Tätigkeit
1
0
keine Angabe
0
0
32
17
14
4
3
3
2
2
männlich
weiblich
1
10
20
30
40
Es beziehen 38,4 % der Männer, aber nur 23 % der Frauen Arbeitslosengeld/-hilfe. Frauen erhalten dafür
häufiger Sozialhilfe als die Männer: 17 % der Frauen und 12 % der Männer beziehen Sozialhilfe. Dies ist darauf
zurückzuführen, dass Männer häufiger erwerbstätig sind als Frauen. So sind in Berlin 69,3 % der Männer, aber
nur 57,1 % der Frauen Erwerbspersonen (MZ,2003).
Dies kann auch ein Grund dafür sein, dass bei den überschuldeten Frauen „Arbeitslosigkeit“ als Überschuldungsgrund seltener auftritt. Während bei 32,3 % der Männer Arbeitslosigkeit als Überschuldungsursache von Relevanz ist, trifft dies nur auf 17,4 % der Frauen zu. Hingegen geben 17,2 % der Frauen, aber nur
8,7 % der Männer „Trennung/Scheidung/Tod des Partners“ als Überschuldungsursache an. Auch tritt bei den
Frauen (13,1 %) der Überschuldungsgrund „Niedrigeinkommen“ öfters auf als bei den Männern (7,8 % ).
56
Abbildung 2-5-2-2b: Anteil der Klienten nach Überschuldungsgrund
Arbeitslosigkeit
32
17
9
Trennung/Scheidung
Erkrankung,
Sucht, Unfall
unwirtschaftliche
Haushaltsführung
gescheiterte
Selbstständigkeit
Zahlungsverpflichtung
für Andere
Niedrigeinkommen
Kosten aus
unerlaubter Handlung
Haushalts-,
Familiengründung
unangemessene
Kreditberatung
sonstiges
17
12
12
9
13
23
15
3
5
8
0
1
1
1
1
1
0
keine Angabe
0
13
3
3
1
10
20
30
40
männlich weiblich
Das bei den Frauen „Niedrigeinkommen“ als Überschuldungsursache häufiger auftritt als bei den
Männern, resultiert wahrscheinlich daraus, dass Frauen häufiger Sozialhilfe beziehen, da sie nicht erwerbstätig
sind. Es stellt sich allerdings die Frage, warum bei den Frauen „Scheidung, Trennung oder Tod des Partners“
häufiger zur Überschuldung führt als bei den Männern.
2.5.2.3 Einkommen
Obwohl Frauen und Männer ein relativ gleich hohes Einkommen haben, sind Frauen im Allgemeinen mit
einer geringeren Summe verschuldet.
Die meisten Männer (51,8 %) wie die meisten Frauen (49,1 %) haben ein Einkommen von 1000 bis 1499 Euro.
58 % der Frauen haben Schulden unter 25.000 Euro. Dies trifft nur auf 43 % der Männer zu. Von denjenigen, die
Schulden unter 10.000 Euro haben, sind 61 % Frauen und 39 % Männer. Von denjenigen, die 25.000 Euro und
mehr Schulden haben, sind 63 % Männer und 37 % Frauen. Frauen sind im Durchschnitt mit einer Summe von
26.469,96 Euro und Männer mit einer Summe 42.502,65 Euro verschuldet.
57
2.5.2.4 Haushaltsgröße
Frauen leben seltener in Ein-Personen-Haushalten, Frauen leben häufiger in Zwei- und Drei-PersonenHaushalten
Abbildung 2-5-2-4: Anteil der Klienten nach Haushaltsgröße
70
männlich
weiblich
61
60
50
36
35
40
30
18
20
10
7
8
6
5
1
0
keine Angabe
5 und mehr Personen
4 Personen
3 Personen
2 Personen
1 Person
0
16
7
Frauen leben seltener in Ein-Personenhaushalten als die Männer und im Vergleich zur Überschuldetenpopulation insgesamt: So leben 35 % der Klientinnen, aber 61 % der Männer und 50,2 % der Überschuldetenpopulation in Ein-Personen-Haushalten. Dies entspricht aber ungefähr der Sozialstruktur. So sind die
Ein-Person-Haushalte in Berlin überwiegend männlich (56 %) (MZ, H1, 2003, eigene Berechnung). 36 % der
überschuldeten Frauen leben in Zwei-Personenhaushalten, 16 % in Drei-Personen-Haushalten. Bei den
überschuldeten Männern leben 18 % in Zwei-Personen-Haushalten und 18 % in Drei-Personen-Haushalten. Dies
ist eventuell darauf zurück-zuführen, dass die überschuldeten Frauen auch häufiger Kinder haben: 80 % der
Männer, aber „nur“ 69 % der Frauen haben kein Kind unter 7 Jahren. 75 % der Männer, aber nur 59 % der
Frauen haben kein Kind von 7-18.
Wenn man die Haushaltsgröße beim mittleren Haushaltsnettoeinkommen berücksichtigt, ergibt sich, dass
die überschuldeten Frauen ein geringeres individuelles Einkommen haben als die Männer, da sie in
größeren Haushalten leben.
2.5.2.5 Situation der weiblichen Migranten
Die Situation der weiblichen Migranten wurde betrachtet, da sie quasi zu zwei Armutsgruppen gehören: Einmal
zu der Armutsgruppe „Migranten“ und zum andern zu der Armutsgruppe „Frauen“. Somit wird allgemein
angenommen, dass sich die ausländischen Frauen in einer besonders prekären Lage befinden.
Die ausländischen Frauen haben wie die Ausländer insgesamt im Vergleich zur Überschuldetenpopulation
seltener eine berufliche Ausbildung abgeschlossen. 69,8 % der ausländischen Frauen haben keinen beruflichen Bildungsabschluss. Dies entspricht aber der Situation der Migranten in Berlin (s.o.). Die überschuldeten
Migrantinnen sind im Vergleich zu den überschuldeten Migranten insgesamt seltener arbeitslos: 49 % der
überschuldeten Migrantinnen sind arbeitslos, aber 60,7 % der Migranten insgesamt. Allerdings sind sie häufiger
nicht erwerbstätig: 28,3 % der überschuldeten Migrantinnen sind nicht erwerbstätig. Dies entspricht aber der
Situation der überschuldeten Frauen insgesamt (s.o.). Die Migrantinnen sind aber immer noch häufiger
arbeitslos als die deutsche Klientel (42,8 %). Dies entspricht der Situation der Ausländer insgesamt.
Im Vergleich zur gesamten Überschuldungspopulation geben die Migrantinnen „Trennung/Scheidung/Tod des
Partners“ (wie die überschuldeten Frauen allgemein) und „gescheiterte Selbständigkeit“ als Überschuldungsursache häufiger an: 23 % der überschuldeten Migrantinnen, aber nur 12 % der Überschuldetenpopulation
geben „Trennung/Scheidung/Tod des Partners“ als ersten Überschuldungsgrund an. Während 30 % der über58
schuldeten Migrantinnen „gescheiterte Selbständigkeit“ als ersten Überschuldungsgrund angeben, tun dies nur
20 % der Überschuldetenpopulation. Aber nur 9 % der überschuldeten Migrantinnen geben an, dass Arbeitslosigkeit ihre Überschuldung verursacht hat, dies meinen hingegen 26 % der Überschuldetenpopulation.
Überschuldete Migrantinnen leben häufiger in größeren Haushalten als die Migranten insgesamt, was
wahrscheinlich darin begründet ist, dass sie Frauen sind, allerdings leben sie auch häufiger in größeren Haushalten als die Frauen insgesamt, was wahrscheinlich darauf zurückzuführen ist, dass sie Ausländerinnen sind.
So leben 15 % der überschuldeten Migrantinnen in Ein-Personen-Haushalten, 28 % in Zwei-Personenhaushalten
und 43 % in drei und mehr Personenhaushalten.
Dem entspricht, dass Migrantinnen häufiger Kinder als die Überschuldetenpopulation insgesamt haben: So
haben 42 % der Migrantinnen mindestens 1 Kind unter 7 Jahre, während dies nur auf 25 % der überschuldeten
Klienten zutrifft und 51 % der Migrantinnen haben ein Kind von 7 bis unter 18 Jahre, dies trifft nur auf 32 % der
überschuldeten Personen zu. Allerdings haben Frauen allgemein im Vergleich zur gesamten Überschuldetenpopulation häufiger Kinder als die Männer: So haben 31 % der Frauen und 20 % der Männer mindestens 1
Kind unter 7 Jahren und 41 % der Frauen und 25 % der Männer haben mindestens 1 Kind von 7 bis unter 18 Jahren.
Im Vergleich zur Überschuldetenpopulation sind Migratinnen häufiger verheiratet (35,9 %), getrennt lebend
(24,5 %) und geschieden, aber seltener ledig (10 %). Auffällig ist, dass 9 % der Migrantinnen verwitwet sind,
während dies nur auf 4 % der Überschuldeten zutrifft.
2.5.3
Allein erziehende Frauen
11,3 % der überschuldeten Klienten sind allein erziehende Frauen. Die allein erziehenden Frauen sind somit in
der Überschuldetenpopulation überrepräsentiert, da in Friedrichshain/Kreuzberg 5,4 % der Privathaushalte
Haushalte allein erziehender Frauen sind (MZ, F3 / H1, 2003, eigene Berechnung).
Die überschuldeten allein erziehenden Frauen erhalten im Vergleich zu den überschuldeten Frauen
häufiger Sozialhilfe, seltener Arbeitslosengeld und -hilfe: 24 % der überschuldeten allein erziehenden Frauen,
aber nur 17 % der überschuldeten Frauen insgesamt erhalten Sozialhilfe. 19 % der überschuldeten allein
erziehenden Frauen, aber 23 % der überschuldeten Frauen erhalten Arbeitslosengeld/-hilfe.
Hierbei erhalten aber nur 4 % der allein erziehenden Frauen Arbeitslosengeld. Aber 38 % der allein erziehenden Frauen
beziehen Einkünfte aus Erwerbstätigkeit, während dies nur auf 31 % der Überschuldeten insgesamt zutrifft.
Abbildung 2-5-3a: Anteil der Klienten nach Einkünften
40
36
28
30
20
15
3
sonstige
Einkünfte
Sozialhilfe
Rente,
Altersbezüge
Arbeitslosenhilfe
4
sonst. Staatliche
Zahlungen
6
4
Arbeitslosengeld
3
selbstständige
Tätigkeit
Erwerbstätigkeit
0
2
Ausbildungsbezüge
/Beihilfe
10
59
Im Vergleich zur Überschuldetenpopulation tritt „Trennung/Scheidung/Tod des Partners“ (27 %), und „Niedrigeinkommen“ (15 %) als erste Überschuldungsursache häufiger bei allein erziehende Frauen auf, während
Arbeitslosigkeit (19 %) als Überschuldungsursache seltener angegeben wird.
Abbildung 2-5-3b: Anteil der Klienten nach Überschuldungsgrund I
28
30
20
18
14
13
10
8
5
8
2
1
sonstiges
unangemessene
Keditberatung
Haushalts-, Familiengründung
Kosten aus unerlaubter
Handlung
Niedrigeinkommen
Zahlungsverpflichtung
für Andere
gescheiterte
Selbstständigkeit
unwirtschaftliche
Haushaltsführung
Erkrankung, Sucht, Unfall
Trennung/Scheidung
Arbeitslosigkeit
0
3
1
Dies trifft aber auch auf die überschuldeten Frauen zu. Allerdings tritt bei den allein erziehenden Frauen
„Trennung/Scheidung/Tod des Partners“ häufiger als Überschuldungsursache auf als bei den Frauen insgesamt:
Bei 27 % der überschuldeten allein erziehenden Frauen, aber nur bei 17,2 % der Frauen insgesamt wird
„Trennung/Scheidung/Tod des Partners“ als Überschuldungsursache angegeben. „Trennung/Scheidung/Tod des
Partners“ und „Niedrigeinkommen“ werden bei allein erziehende Frauen im Vergleich zur Überschuldetenpopulation auch häufiger als zweiter Überschuldungsgrund genannt.
Abbildung 2-5-3c: Anteil der Klienten nach Überschuldungsgrund II
40
29
30
20
13
16
5
10
11
5
5
1
3
sonstiges
unangemessene
Keditberatung
Haushalts-, Familiengründung
Niedrigeinkommen
Zahlungsverpflichtung
für Andere
gescheiterte
Selbstständigkeit
unwirtschaftliche
Haushaltsführung
Erkrankung, Sucht, Unfall
Trennung/Scheidung
Arbeitslosigkeit
0
13
Bei 35 % der überschuldeten allein erziehenden Frauen wird „Niedrigeinkommen“ als zweiter Überschuldungsursache angegeben, dies trifft nur auf 23 % der Überschuldetenpopulation zu. Bei 16 % der überschuldeten allein
erziehenden Frauen wird „Trennung/Scheidung/Tod des Partners“ als Überschuldungsursache angegeben, dies
trifft nur auf 10 % der Überschuldetenpopulation zu.
60
2.5.4
Kinderreiche Familien
Bei den überschuldeten kinderreichen Familien ist auffällig, dass bei 71 % der kinderreichen Familien die
Bezugsperson keine berufliche Ausbildung abgeschlossen hat. 54 % der Bezugspersonen sind arbeitslos und
15 % sind nicht erwerbstätig. Bei 59 % der kinderreichen Familien ist die Bezugsperson weiblich.
2.5.5
Ältere überschuldete Personen (50 Jahre und älter)
In dieser Gruppe der Überschuldetenpopulation sind keine Auffälligkeiten zu verzeichnen. Die meisten
haben kein Kind, leben in Ein- (57 %) oder Zwei (31 %)-Personen-Haushalten, sind arbeitslos (39 %) oder
Rentner (37 %), sind verheiratet (35 %), geschieden (26 %) oder verwitwet (11 %).
2.5.6
Existenzbedrohende Schulden und Primärschulden
6,8 % der überschuldeten Personen haben existenzbedrohende Schulden. Von existenzbedrohenden Schulden
sind überwiegend Personen betroffen, die staatliche Transferleistungen erhalten. Dies trifft vor allem auf
die Arbeitslosenhilfeempfänger und Sozialhilfeempfänger zu: 11 % der Sozialhilfeempfänger, 12 % der Arbeitslosenhilfeempfänger, 7 % der Arbeitslosengeldempfänger und 12 %, die sonstige staatliche Zahlungen erhalten,
haben existenzbedrohende Schulden. Von denjenigen Personen, die existenzbedrohende Schulden haben sind
23,6 % Sozialhilfeempfänger und 36,4 % Arbeitslosenhilfeempfänger (insgesamt 60 %).
Zusammenfassend ist festzustellen, dass sich in der Klientenstruktur der Beratungsstellen des Stadtbezirkes die
ungünstige soziale Struktur der Wohnbevölkerung widerspiegelt. Nahezu alle gesellschaftlichen Gruppen, die
ein verstärktes Risiko der Überschuldung aufweisen, sind hier überproportional vertreten.
Friedrichshain/Kreuzberg hat damit überdurchschnittlich viele überschuldete Haushalte. In einigen
Risikogruppen ist die Betroffenheit von Überschuldung sogar noch häufiger als im Berliner Durchschnitt
derselben Bevölkerungsgruppe. Das deutet darauf hin, dass Schuldenproblem im Bezirk nicht nur wegen der
Sozialstruktur, sondern auch darüber hinaus besonders stark von Überschuldung betroffen ist.
Es zeigt sich, dass Arbeitslosigkeit und ein hohes Armutsrisiko besonders schwer wiegendende Gründe für die
Überschuldung im Bezirk sind.
Auffällig und bedenklich ist die räumliche Segregation der Überschuldung. Der nachgewiesene Zusammenhang
zwischen dem Sozialindex der Verkehrszellen und der Überschuldungsdichte macht deutlich, dass zur
Gettoisierung sozialer Benachteiligung auch das Phänomen der Überschuldung gehört.
61
3
Befindlichkeiten und Einstellungen überschuldeter Personen
Menschen, die sich an die Beratungsstelle wenden, haben „naturgemäß“ ein Problem. Sie befinden sich in einer
Lebenssituation, in der sie Hilfe und Beratung von professioneller Seite brauchen. In diese Lebenssituationen
geraten Menschen aus unterschiedlichen Gründen und in verschiedenen Verläufen.
In einigen Fällen türmt sich der Schuldenberg fast „über Nacht“ auf, in anderen ist es ein längerer Prozess des
sukzessiven Anhäufens meist unterschiedlicher Schulden. Manche sehen sich plötzlich und unerwartet einer
nicht mehr zu bedienenden Schuldenlast gegenüber, andere schieben immer prekärer werdende Schulden teils
bewusst, teils unbewusst vor sich her, bis die Situation bedrohliche Ausmaße annimmt. Meist, aber nicht immer
ist eine solche Situation mit einer Sanktionsandrohung verbunden oder wird durch eine solche ins Bewusstsein
gehoben. Der Schreck sitzt dann tief, unabhängig davon, ob man die Zuspitzung voraussehen konnte.
Wenn auch die Überschuldung überraschend eintreten sollte, so ist doch der Umgang mit Schulden im Allgemeinen nicht unbekannt. Die Betroffenen leben häufig schon länger in einer Situation der „knappen Haushaltsmittel“. Ihre Lebensführung ist schon im Vorfeld einer Überschuldung durch bereits bestehende Schulden eingeschränkt und wird als Belastung empfunden. Aus der Literatur ist bekannt und auch die Auswertung der statistischen Angaben der Beratungsstellen über die laufende Beratung hat wiederum bestätigt, dass Arbeitslosigkeit,
Einkommensschwäche, geringe Bildung, die Trennung von Familien und Partnerschaften und Krankheit (neben
gescheiterter Selbständigkeit und Immobilienprojekten) zu den häufigsten Ursachen von Überschuldungen gehören.
Diese Gründe machen deutlich, dass sich die von Überschuldung bedrohten Menschen häufig allgemein in einer
unsicheren und prekären Lebenssituation befinden. Die Schulden und die mit ihnen verbundenen Probleme,
Sorgen, Ängste und Nöte nehmen zusätzlich einen immer breiteren Raum im Leben der Menschen ein und dominieren nicht selten ihre gesamte weitere Lebensperspektive. Viele der Betroffenen stehen vor der Einsicht,
dass sie ihr Schuldenproblem und damit verbundene weitere Probleme des eigenen Lebens nicht mehr ohne Hilfe
zu fassen bekommen – geschweige denn, eine Lösung herbei führen können.
In der Literatur zu Fragen der Überschuldung wird immer wieder darauf hingewiesen, dass die Überschuldungssituation eine komplexe Problemsituation für die Betroffenen darstellt. So weist Zimmermann in Anlehnung an
das Konzept des Lebenslagenansatzes darauf hin, dass Überschuldung für die davon betroffenen Personen nicht
nur ein rein finanzielles Problem darstellt, sondern mit anderen psycho-sozialen Problemen korrespondiert. Überschuldung ist ein multifaktorielles Phänomen, dass sich mit mehreren Lebensbereichen – Arbeit / Beruf, Familie / Partnerschaft, Gesundheit usw.- in einer problembelasteten Relation befindet (2000, S.129-130, S.145).
Überschuldung stelle somit eine kumulierte Problemlage dar (Zimmermann, 2000, S. 147). Die Analyse von
Überschuldung kann sich daher nicht nur auf den monetären Aspekt beschränken, sondern muss weitere Lebensbereiche berücksichtigen.
Korczak berücksichtigt diesen Zusammenhang sogar in der Definition von Überschuldung, die seiner Auffassung nach nur dann vorliegt, wenn neben der ökonomischen Destabilisierung eine psychosoziale hinzutritt. Dabei umfasst die psychosoziale Destabilisierung eine große Spannbreite: Sie reicht von Nervosität, Schlaflosigkeit
über Trennung hin zur Gewalttätigkeit und Isolation. Überschuldung wird somit von den betroffenen Personen
als in hohem Maße belastende Lebenskrise empfunden. Das Ausmaß der psychosozialen Destabilisierung ist
nach Korczak individuell unterschiedlich und hängt auch von der Dauer des Überschuldungszustandes ab (Korczak, 2001, S.40).
Wenn sich Personen in einer solchen schwierigen, manchmal ausweglos erscheinenden Situation an die Beratungsstellen wenden, haben sie unterschiedliche Erwartungen, Hoffnungen und Ziele. Dabei suchen einige „nur“
Rat und Information, wollen über ihre Rechte im Hinblick auf eine Sanktionsandrohung und gegenüber den
Gläubigern aufgeklärt werden und nehmen Hinweise über weitere, notwendige Schritte entgegen. Häufig reicht
dann eine solche Information und einmalige Beratung aus.
Nicht immer aber ist die Situation für die Betroffenen auf diese Weise zu handhaben. In schwierigen Fällen gilt
es, in einem ersten Schritt der Unterstützung eine angedrohte Sanktion – sei es eine Pfändung, eine Räumung,
eine Kontosperrung oder das Abstellen von Wasser oder Energie – kurzfristig abzuwenden. Auch, wenn das
gelingt, ist es damit allein oft nicht getan und es muss Hilfe und Unterstützung auf einem längeren Weg der
Schuldenbereinigung und der Veränderung der eigenen Lebensführung gegeben werden.
62
Aus diesen längerfristigen Informations-, Beratungs- und Unterstützungsbedarfen ergeben sich die weiteren
Aufgabenfelder der Beratungsstellen in der laufenden Beratung: rechtliche Unterstützung bzw. Beistand und
komplexe lebenspraktische Hilfestellungen.
Wir haben in einer Fragebogenaktion Personen befragt, die sich erstmals an eine der drei Beratungsstellen des
Stadtbezirkes gewandt haben. Unter ihnen waren solche, die es bei einer Information oder bei einer Einmalberatung bewenden lassen können, aber auch solche, die auf eine laufende Beratung angewiesen sein werden. Uns
interessierte, wie die Menschen ihre Schuldensituation im Besonderen und ihre Lebenssituation im Allgemeinen
wahrnehmen, erleben und bewerten. Dabei stand im Vordergrund, genauer als das bisher in der Literatur ausgewiesen werden konnte, die Komplexität der Problemlage überschuldeter Menschen aufzuzeigen. Diese Komplexität begründet sich einmal aus der gegeben Situation und den mit ihr verbundenen Folgen und Nebenerscheinungen. Meist sind es – wie angedeutet – nicht nur die Finanzen, die Probleme bereiten, oft verknüpfen sich
damit andere Probleme, angefangen bei der Einkommenssicherung, der Sicherung des Wohnens und grundlegender Versorgung, bei der Arbeitssuche, in den familialen Beziehungen, in den sozialen Beziehungen im
Freundes- und Bekanntenkreis, bis hin zu Problemen des psychischen, seelischen und vor allem auch des gesundheitlichen Befindens. „Schulden machen krank“ – ist mehr als ein geflügeltes Wort.
Ein weiterer Gesichtspunkt spielte eine wichtige Rolle. Neben den Problemen, denen sich die Betroffenen gegenüber sehen, haben überschuldete Menschen auch sehr unterschiedliche Sichtweisen auf ihre Situation und
bewerten diese sehr verschieden. Vielen fällt es aus unterschiedlichen Gründen schwer, eine nüchterne Bewertung ihrer Situation vorzunehmen. Darüber hinaus fällt es manchen schwer, die eigene Position und das eigene
Verhalten so einzuschätzen und mit Schlussfolgerungen zu versehen, dass es ihnen möglich wird, mit klarem
Ziel und Programm eine Lösung der Probleme anzugehen. Daraus ergibt sich für die laufende Beratung das Ziel,
nicht nur die Schuldensituation zu verbessern, sondern auch auf Einstellungen der Klienten und ihre Verhaltensmöglichkeiten einzuwirken. Denn oft ist eine Lösung des Problems nur im Zusammenhang mit Einstellungsund Verhaltensänderungen zu haben, die sich auf sehr verschiedene Aspekte oder Bereiche des eigenen Leben
erstrecken.
Vermittels der Befragungsergebnisse soll deutlich werden, wie vielfältig und komplex die jeweiligen Ausgangssituationen und Handlungspotenziale in der Regel sind und welcher Bedarf sich an die Beratung und Hilfestellung ergibt. Dieser geht, wie verdeutlicht werden soll, weit über den rechtlichen und finanziellen Aspekt der
Schuldnerberatung hinaus. Schuldnerberatung ist zu einem großen Teil Sozialarbeit.
Wir haben daher die Klienten befragt zu:
•
•
•
•
•
•
ihren Einstellungen und Bewertungen ihrer Schuldensituation, der Zurechnung von Verantwortung und
Ängsten für die Zukunft, die sich daraus ergeben
Faktoren der Verursachung der Überschuldung
gesundheitlichen, psychischen und sozialen Konsequenzen und Beeinträchtigungen
Hilfen und Unterstützungen im eigenen Lebensumfeld
Bereitschaften zu Verhaltensänderungen
Erwartungen an die Beratung
Die Befragung wurde in Zusammenarbeit mit den drei Schuldnerberatungsstellen des Bezirkes durchgeführt. Es
sollten alle Klienten einbezogen werden, die sich in der Zeit von Mitte August bis Ende September zu einem
erstmaligen Beratungsgespräch einfanden. Wie groß die Gesamtheit der zu Befragenden war, konnte nicht exakt
ermittelt werden, schätzungsweise waren es 315 Personen. Wie die Aufschlüsselung der sozialdemographischen
Merkmale zeigt, konnten offenbar insbesondere Ausländer aus Nicht-EU-Ländern in nicht repräsentativer Zahl
einbezogen werden, was wir auf Sprachschwierigkeiten zurückführen.
Ansonsten weist die Struktur der Befragten nur eine geringe Abweichung von der Struktur der Klienten in laufender Beratung auf. Allerdings können vorhandene Abweichungen nicht endgültig begründet werden, da es eine
Sozialdemographie der Klienten in der Einmalberatung nicht gibt und in die Befragung sowohl Personen einbezogen waren, die eine Einmalberatung in Anspruch nehmen, als auch Klienten, die in die laufende Beratung
gehen werden.
63
107 Personen beteiligten sich an der anonymen, schriftlichen Befragung, z.T. fand die Befragung im Fragebogeninterview statt. Die Untersuchung hatte explorative Zielstellungen, es kann aber mit einiger Begründung
angenommen werden, dass die Struktur der Überschuldeten des Bezirkes gut repräsentiert ist. Wir haben jedoch
keine statistischen Schlüsse gezogen und demnach keine Aussagen über die Grundgesamtheit (z.B. über die
Signifikanz von Unterschieden) gemacht. Darüber hinaus ermöglichte die Fallzahl keine plausiblen Analysen
von Merkmalskombinationen. Wir beschränkten sie auf das Geschlecht und die Dauer der Verschuldung als
Kreuzvariable.
Der Vergleich der soziodemographischen Merkmale der Klienten in laufender Bratung und der Befragten
dient hier nur der Illustration. Im statistischen Sinn kann ein Vergleich tatsächlich nicht vorgenommen werden,
weil es sich beim Datensatz der InsOStat um eine Vollerhebung handelt und bei der Befragung nur um eine
Stichprobe aus einer nicht genau bekannten Grundgesamtheit handelt. Die Definition der folgenden Merkmale
stimmt mit der InsOStat überein.
Vergleich nach Geschlecht
80
69,2
70
60
männlich
weiblich
55,3
44,7
50
40
30,8
30
20
10
0
InSo-Daten
Befragungen
Vergleich der Altersgruppen
50
InSo-Daten
Fragebögen
40
34
28,3
30
33,8
29,4
22,6
18,8
20
9,6
8,5
7,9
4,7
10
0,5
1,9
0
jünger als 20 Jahre
30 bis 39 Jahre
50 bis 59 Jahre
20 bis 29 Jahre
40 bis 49 Jahre
60 Jahre und älter
64
Vergleich nach Familienstand
54,2
60
InSo-Daten
Fragebögen
50
40
35,4
30
23
22,9
16,8
20
9,3
13,1
10,3
4,9
10
3,8
2,8
2,8
0
ledig
verheiratet
getrenntlebend
verheiratet
zusammenlebend
verwitwet
unverheiratet
zusammenlebend
geschieden
Vergleich nach Staatsangehoerigkeit
90
79,6
InSo-Daten
76,7
Fragebögen
80
70
60
50
40
21,4
30
16,1
20
3,5
10
1,9
0
deutsch, und eingebürgert
andere Staatsangehörigkeit
innerhalb der EU
Vergleich nach Berufsbildungsabschluss
60
InSo-Daten
52,6
Fragebögen
46,1
50
39
37,3
40
30
20
10
12,7
5,1
3,9
1
1,8
0
0
ohne Berufsausbildung
Hochschulabschluss
unbekannt
mit Berufsausbildung
sonstiger Abschluss
0,5
0
keine Angabe
65
Vergleich nach Haushaltsgröße
InSo-Daten
80
Fragebögen
70
60
49,2
47,1
50
40
25,8
29,4
30
20
11,2
13,7
7,7
5,9
10
5,3
2,9
1
1
0
1 Person
3 Personen
2 Personen
5 und mehr Personen
4 Personen
keine Angabe
Vergleich der Kinder im Haushalt
80
InSo-Daten
68,3
Fragebögen
70
60
47,5
50
40
28,3
30
17,2
15
20
8,8
4,7
10
6,1
3,2
1
0
keine Kinder
3.1
1 Kind
2 Kinder
3 Kinder
4 Kinder und mehr
Schwierigkeit der Ausgangssituation
Die Höhe der Schulden bei den Befragten beträgt im Durchschnitt etwas über 25 000 Euro, ein Wert, der unter
der durchschnittlichen Schuldenhöhe der Klienten in laufender Beratung liegt. Das mag daran liegen, dass an der
Befragung sowohl Klienten teilgenommen haben, die eine einmalige Beratung in Anspruch nehmen als auch
Klienten, die in laufende Beratung gehen. Fälle der laufenden Beratung haben im Mittel ein schwerer wiegenderes Schuldenproblem, das sich u.a. auch in der Schuldenhöhe ausdrückt.
In der Alterszusammensetzung überwiegen wie auch in der laufenden Beratung die mittleren Altersjahrgänge.
Wie im Allgemeinen auch, sind die Schulden der Frauen im Durchschnitt deutlich geringer (um über 10 000
Euro) als die der Männer, was jedoch nicht notwendig bedeutet, dass sie die Situation als weniger belastend
wahrnehmen.
Die Schuldenhöhe ist – wie oft betont – nur ein Ausweis für die Schwierigkeit der Problemlage der Betroffenen.
Wir haben – um ein weiteren Ausweis der Dramatik der Lebenssituation zu erfassen – die Klienten nach den
Sanktionen gefragt, denen sie bereits unterworfen waren bzw. die sie zu gewärtigen haben. Es ist anzunehmen,
dass sie einen wesentlichen Impuls darstellten, die Beratungsstelle aufzusuchen.
Dabei ergab sich, dass alle bereits mit Sanktionen oder Sanktionsandrohungen in Berührung gekommen sind.
Dieses Ergebnis deutet darauf hin, dass die Schuldenproblematik von vielen Betroffenen erst dann richtig ernst
genommen wird, wenn sich starke Konsequenzen andeuten. Dabei verweisen die Beratungsstellen in ihrer In66
formations- und Öffentlichkeitsarbeit immer wieder darauf, dass eine rechtzeitige Intervention in den Schuldenstrudel nötig ist, um schlimme Folgen leichter abwenden zu können.
-
61,7 % haben eine außergerichtliche Mahnung erhalten
68,2 % haben einen Mahnbescheid erhalten
56,1 % erhielten einen Vollstreckungsbescheid
42,1 % haben eine eidesstattliche Versicherung abgelegt
30,8 % sind vom Abstellen vom Telefonanschluß betroffen
29 % weisen eine Kontopfändung auf
21,5 % sind von einer Kontosperrung betroffen
14 % sind von Abstellen Strom / Gas betroffen
7,5 % weisen eine Lohn-/Gehaltspfändung auf
6,5 % waren schon von einer Zwangsräumung bedroht
3,7 % mussten Sicherheiten verwerten
2,8 % sind von Zwangsversteigerung betroffen
Diese Sanktionen bzw. Androhungen sind z.T. existenziell gefährdend – insbesondere diejenigen, die sich aus
den sogenannten Primärschulden ergeben.
Daraus leitet sich die Aufgabe und Zielstellung der Arbeit der Beratungsstellen ab, die Klienten nach Maßgabe
gesetzlicher Regelungen vor existenziellen Bedrohungen zu schützen. Die Abwendung derartiger Konsequenzen
trägt wesentlich zu den Effekten der Beratungstätigkeit bei, die in Evaluationsstudien zur gesamtwirtschaftlichen
und betriebswirtschaftlichen Effizienz herausgestellt wurden, weil durch diese Hilfestellungen Folgekosten in
der sozialen Sicherung und Betreuung vermieden werden können.
Die sanktionsbedrohte Ausgangssituation der Klienten macht darüber hinaus deutlich, dass das Thema Schulden
noch immer nur eingeschränkt öffentlichkeitsfähig ist. Das liegt weniger daran, dass die gesellschaftlichen Bedingungen dafür nicht gegeben wären – im Gegenteil mit der Diskussion um die Verbraucherinsolvenz und der
Einführung der entsprechenden gesetzlichen Regelungen, mit der institutionellen Handhabung der Schuldnerberatung z.B. im Land Berlin und der verstärkten Öffentlichkeitsarbeit der Beratungsstellen und ihrer Landesarbeitsgemeinschaft ist eine Tabuisierung des Themas nicht mehr gegeben. Dennoch ist es vor allem für die Betroffenen nicht eben leicht, sich mit ihrem Problem an Dritte zu wenden. Das bezieht sich sowohl auf das private
Lebensumfeld, aber mehr noch darauf, sich einzugestehen, auf professionelle Hilfe angewiesen zu sein.
Die Problematik des Umgangs mit den eigenen Schulden zeigt sich auch in der Dauer der Schuldenlast. Viele
Befragte haben bereits über einen längeren Zeitraum hinweg Schulden, melden sich aber erst jetzt in einer
Schuldnerberatungsstelle. Für nur knapp 10 % besteht die Schuldensituation erst kurzfristig, d.h. sie ist im laufenden Jahr eingetreten – dann aber offenbar in einer dramatischen Weise (einschließlich Sanktionsandrohung).
Insgesamt etwa ein Drittel trägt die Schulden seit zwei Jahren, zwei Drittel aber bereits länger als zwei Jahre.
Die Dauer der Schulden ist auch mit der Schuldenhöhe verknüpft: Diejenigen, die bereits länger als zwei Jahre
Schulden haben, haben auch durchschnittlich um rund 9 000 Euro höhere Schulden. Es ist zu vermuten, dass
insbesondere die ersteren auf verstärkte Hilfe und laufende Beratung angewiesen sein werden. Und in der Tat
meinten auch die Hälfte von ihnen, künftig allein mit dem Schuldenproblem fertig werden zu können. Von denjenigen mit kurzfristigen Schulden waren es immerhin fast zwei Drittel.
3.2
Einstellungen und Bewertungen
3.2.1
Erleben der Schuldensituation
Zur Frage, wie sie selbst diese persönliche Situation erleben, haben wir vier Antworten vorgegeben, die unterschiedliche Modalitäten des Erlebens repräsentieren:
67
-
eine eher unbestimmte Art der allgemeinen Beeinträchtigung, die wir einer diffus-emotionalen Weise
der Wahrnehmung der Komplexität des Problems zuordnen („belastend“)
eine dominant moralisch geprägte Weise der schuldhaften Wahrnehmung der Schuldensituation als
schlechtes Gewissen („Ich schäme mich dafür“)
einem auf rationalem Problembezug gründenden emotionalen Erlebens eines zurechenbaren, bestimmten Problems des Ärgers („Ich ärgere mich darüber“)
einer auf kognitiv-irrationalem Weltbezug beruhenden Weise des bewussten Ausblendens einer Problemsituation („Ich habe meine Schulden bisher verdrängt“)
und einer kognitiv-rationalen Ignoranz rationaler, emotionaler und moralischer Gründe der Problemwahrnehmung. („Schulden sind mit egal“)
Unserer Auffassung nach ist die Art bzw. der Modus, in dem die eigene Situation gesehen wird, ein wichtiger
Aspekt für eine darauf aufbauende Bewertung derselben und eine sich evtl. anschließende Suche nach Lösungsmöglichkeiten. Dabei gehen wir nicht davon aus, dass eine bestimmte Grundeinstellung der eigenen Sicht auf die
Dinge die einzige „richtige“ und für den weiteren Verlauf allein günstige wäre. Sicherlich kann nicht bestritten
werden, dass eine klare und nüchterne Bestandsaufnahme und eine kritische Einstellung zum bisherigen Verhalten eine gute und in der Regel auch notwendige Voraussetzung für die Problemlösung ist. Das ist mehrheitlich
aber nicht gegeben, jedenfalls nicht in den Fällen, für die eine laufende Beratung nötig ist. Dennoch können auch
gewisse emotionale und diffus moralisch gefärbte Grundeinstellungen dazu veranlassen, den Ernst der eigenen
Lage überhaupt anzunehmen und Verhaltensänderungen ins Auge zu fassen.
Von den Befragten gaben 67 % an, sich durch die Schuldensituation belastet zu fühlen, 9,6 % schämen sich
dafür, 3,8 % empfinden Ärger und 22,1 % haben die Schulden verdrängt. Niemand äußerte, dass ihm oder ihr die
Schulden egal seien.
Wenn es erfahrungsgemäß auch einen Teil von Schuldnern gibt, der in der Tat „leichtfertig“ mit Schulden umgeht (was übrigens mit dem falschen, aber weit verbreiteten Vorurteil in der Öffentlichkeit übereinstimmt, überschuldete Personen würden per se durch Ignoranz und Leichtfertigkeit Schulden aufbauen), so wird doch deutlich, dass zum Zeitpunkt des Entschlusses, eine Beratungsstelle aufzusuchen, niemand mehr mit der Attitüde der
bewussten Ignoranz seine Situation beurteilt. Welche Dispositionen auch immer die Befragten in ihrem Erleben
dominant einnehmen – eine emotionale, moralisch geprägte oder rationale – deutlich wird, dass spätestens in der
Situation des Aufsuchens einer Beratungsstelle eine Änderung der Sicht auf die eigene Lebensführung einsetzt.
Sei es, dass sich die Situation als allgemein übersteigert belastend, als moralisch bedrückend oder als kognitiv
ernüchternd darstellt, in allen Fällen scheint sich die Deutung und das Erleben der eigenen Situation auch infolge
der Sanktionsandrohung geändert zu haben. Diese Änderung ist – wie zu sehen sein wird – von einer Reihe unterschiedlicher seelischer, sozialer und physiologischer Belastungssymptome begleitet, die den Komplex von
Faktoren ausmachen, die das eigene Leben nicht mehr ohne Hilfe zu meistern erscheinen lässt.
Unten werden wir sehen, in wie weit die Befragten „nur“ einer Beratung bedürfen (ein Anzeichen dafür, dass es
ihnen möglich ist, rational und kontrolliert selbständig notwendige Schritte der Problemlösung zu unternehmen)
und in wie weit sich eine dauerhafte und umfassende Hilfestellung als nötig erweist.
Halten wir also fest, dass der Gang zur Beratungsstelle, häufig auf einer veränderten Wahrnehmung und Beurteilung der gesamten eigenen Lebenssituation beruht.
3.2.2
Normative Einstellung
Die Wahrnehmung der eigenen Lebenssituation, die ja ausgelöst wurde durch die Tatsache der Überschuldung,
ist mit unterschiedlichen Deutungen des Tatbestandes der Verschuldung in der Gesellschaft und für sich selbst
verbunden. Schulden sind – wie immer wieder betont werden muss – ein verbreiteter Tatbestand des modernen
Lebens, dennoch wirft die Frage, wie man zu Schulden allgemein eingestellt ist, ein Licht auf die normativen
Grundlagen der eigenen Lebensführung. Die Befragten äußerten sich auf die Frage nach den normativen Hintergründen ihrer Schuldenaufnahme sehr unterschiedlich. Wir gaben vier Dimensionen der gesellschaftlichnormativen Begründung und Rechtfertigung für die Aufnahme oder die Ablehnung von Schulden vor:
68
-
-
-
eine liberale Position der Inanspruchnahme von Freiheitsrechten, die Schulden als ein Element der
rechtlich legitimierten und daher in keiner Weise verwerflichen Lebensführung anerkennt und auch einfordert.
Eine Position der „Legitimation durch Faktizität“, die davon ausgeht, dass das, was verbreitet ist, auch
gerechtfertigt ist. (Warum sollte ich es mir oder die Gesellschaft es mir versagen Schulden zu machen,
wo es doch alle machen?)
Eine Begründung des Schuldenmachens durch Verweis auf gesellschaftliche Verhältnisse, die es nicht
nur nahe legen, sondern erforderlich machen, Schulden aufzunehmen.
Eine Begründung der Ablehnung von Schulden unter Berufung auf eine gesellschaftliche Norm, die
sich aus unterschiedlichen Gründen speisen kann. Dabei können traditionelle Gründe z.B. aus einer protestantisch geprägten Sparsamkeitsethik eine Rolle spielen, Berufungen auf eine vermeintlich notwendige Eigenständigkeit der Erarbeitung des von mir materiell zu Beanspruchenden (u.a. ein Gesichtspunkt traditioneller Arbeiterkulturen), oder Berufungen auf – auch außerchristliche – religiöse Verbote
oder Gebote eines schuldenfreien Lebens.
Die Antworten der Befragten können Rückprojektionen sein, die die Frage der normativen Rechtfertigung von
Schulden aus der heutigen Sicht der Überschuldung anders beantworten lassen als das in einer weniger bedrohlichen Lebenssituation der Fall gewesen sein mag. Das kann nicht überprüft werden. Aber für die Situation, in der
sich die Befragten befinden, sind die Antworten aufschlussreich, weil sie jeweils eine Abweichung ihres eigenen
Verhaltens von der selbst anerkannten Norm beinhaltet.
Nur zwei Personen berufen sich auf den liberalen Grundsatz der Freiheit, Freizügigkeit und juridischen Rechtfertigung. Das scheint – gemessen an dem oben erwähnten Vorurteil über die Einstellungen von Schuldnern – überraschend, ist es aber angesichts des Befundes über das Erleben der Schuldensituation nicht. Mit der Berufung auf
eine liberal gefärbte Norm ist in der Gesellschaft eigentlich am ehesten eine Erwartung an die rationale Begründung eigener Schulden, aber auch die rationale Selbstkontrolle der eigenen Schuldensituation verknüpft. So
verhält es sich auch bei weiten Teilen der Bevölkerung. Im Fall von Personen, die in eine Überschuldung geraten
sind, ist das zwar für einen gewissen Teil ebenso. Auch dieser Teil der Betroffenen ging bis zum Eintreten eines
unvorhergesehenen Ereignisses von einer nüchternen Einschätzung der eigenen Lage aus. Die nun eingetretene
Situation aber scheint es ihnen zu verbieten, sich auf eine Norm der liberalen Freizügigkeit zu berufen. Der größte Teil aber kann sich auf eine liberale normative Position nicht (mehr) berufen, weil sie eine Einstellung beinhaltet, die dem Maß der Schulden keine normative Beschränkung auflegt. Eine Berufung auf diese Norm würde
in diesen Fällen bedeuten, die mit ihr verknüpften minimalen gesellschaftlichen Erwartungen an eine rationale
Kontrolle der eigenen Haushaltsführung nicht erfüllt zu haben. Die Konsequenzen der Zurechnung der Schulden
würde ausschließlich auf sich selbst bezogen werden müssen, ohne einen weiteren Aspekt der kollektiven Zugehörigkeit und Orientierung, weil die liberale Norm derart abstrakt ist, dass sie keinen Gruppen- oder Gemeinschaftsbezug als Voraussetzung enthält.
Die anderen normativen Begründungszusammenhänge der Schulden implizieren dagegen sowohl eine gewisse
Art des kollektiven Bezuges und der Orientierung auf eine geteilte Erwartungsstruktur als auch eine Beschränkung der Schulden, die in unterschiedlichen Verweisungszusammenhängen stehen: der Gemeinsamkeit des Üblichen, der gemeinsamen Teilhabe an der Gesellschaft oder der kulturellen Zugehörigkeit.
33,7 % begründen ihre Schulden mit der Norm des Faktischen bzw. des Üblichen. Diese Einstellung ist auf der
einen Seite abstrakt genug, um eigene Handlungsfreiheit einzuräumen. Auf der anderen Seite steht ihr ein impliziter kollektiver Erfahrungshintergrund zur Seite. Daher ist hier ein sozialer Bezug auf diejenigen unbestimmten
Anderen enthalten, die (vermeintlich) ebenso Handeln wie man selbst und über dieselben Erfahrungen verfügen.
Häufig handelt es sich hierbei um Milieubezüge ähnlicher Lebensverhältnisse. Die normative Rechtfertigung des
eigenen Handelns ergibt sich aus einer unterstellten Ähnlichkeit der Erwartungsstrukturen des Kreises von Menschen, deren übliches Verhalten man zu kennen glaubt.
Diese normative Einstellung ist von einem entlastenden Aspekt begleitet, der die Rechtmäßigkeit des eigenen
Tuns aus der Gewissheit ableitet, dass alle anderen dieses Verhalten ebenso äußern und dabei in keinerlei Konflikt geraten. Es erfolgt eine bewusste Einschränkung der Verantwortung, die eigentlich das gesellschaftlich
erwartete Pendant zur liberalen Norm darstellt. Durch die Berufung auf die unterstellte Normalität des Verhal69
tens der Anderen, an denen man sich orientiert, entsteht der Eindruck, dass eine besondere Aufmerksamkeit und
Verantwortlichkeit nicht notwendig ist. Die Erfahrung des eigenen Scheiterns aber müsste früher oder später zu
kognitiven Dissonanzen oder anderen Symptomen der gestörten Selbstwahrnehmung führen (was auch der Fall
ist, s.u.), weil es zwar als üblich erachtet wird, Schulden zu machen, aber die Mehrheit der Menschen, auf deren
Praktiken man sich beruft, dabei nicht in vergleichbare Schwierigkeiten gerät. Es kann zwar in diesen Fällen eine
konditionierende Rechtfertigung erfolgen, die aber die eigene Situation als Abweichung von der Norm erscheinen lassen muss. Eine moralische und damit selbstbezügliche Interpretation dieser Abweichung liegt nur in einem Fall der von uns Befragten vor. Zwei Drittel derjenigen, die sich auf diese Norm berufen, empfinden die
eigene Situation allerdings als belastend (was eine Selbstzuschreibung der Abweichung einschließen kann, aber
nicht muss). Alle anderen geben an, die Schulden bisher verdrängt zu haben. Das ist ein Hinweis darauf, dass
erst in der Schocksituation die Abweichung registriert wurde und nun eine Dissonanz vorliegt. Wenn und insofern die Auflösung der Dissonanz durch eine Selbstzuschreibung der Verursachung der Situation erfolgt, kann
von einer günstigen mentalen Voraussetzung für die Bewältigung der Überschuldung ausgegangen werden – es
sei denn, es kommen weitere einschränkende Faktoren hinzu. Wenn nicht, liegt der erste notwendige Schritt der
Beratung und Hilfe darin, diese Einsicht zu erlernen.
Schulden zu machen halten 18 % für notwendig. Diese Begründung legt es nahe, die Verantwortung der eigenen
Situation nicht auf sich selbst zu lenken. Das kann aus unterschiedlichen Gründen geschehen, je nach dem wie
der Bezug auf die gesellschaftlichen Verhältnisse geltend gemacht wird. Es kann damit die Orientierung an einer
Gruppennorm gemeint sein, d.h. gemessen an einem für sich selbst und das soziale Umfeld geltenden Maßstab
materieller Lebensbedingungen und an den normalen Einkommensverhältnissen wird es als notwendig erachtet,
unter Berufung auf einen gewissen Lebensstandard Schulden zu machen. Oder es kann damit der Verweis darauf
gemeint sein, dass Schulden für gewisse Investitionen notwendig und gesellschaftlich gar gefördert sind, wie es
z.B. im Fall der (Wohn-)-Eigentumsbildung oder der Selbständigkeit ist, wo Kreditaufnahme die Regel ist. Oder
aber es findet eine Berufung auf gesellschaftlich anerkannte Ansprüche an die Teilhabe am gesellschaftlichen
Leben statt, die aber nicht aus dem eigenen, zu geringen Einkommen realisiert werden können. Derartige Lebenslagen werden in der Diskussion zur Armut (eingeschlossen Einkommensarmut aus Beschäftigung) immer
wieder zur Sprache gebracht. Von Seiten der Klienten wird auf den – externen – gesellschaftlichen Tatbestand
des Niedrigeinkommens verwiesen, der die Aufrechterhaltung des eigenen, selbstbestimmten Lebens ohne
Schulden nicht möglich erscheinen lässt.
Von den Befragten, die einen derartigen normativen Bezug herstellen, empfinden zwei Drittel ihre Situation als
belastend. Hier wird die Belastungssituation eher auf externe Faktoren zugerechnet. Weniger Befragte geben zu
gleichen Teilen an, sich zu schämen, zu ärgern oder ihre Schulden verdrängt zu haben. Konsequenzen für den
Umgang mit der Situation können nur im Kontext des angegebenen normativen Verweisungszusammenhangs
hergestellt werden. Das kann in einem Fall bedeuten, etablierte Gruppennormen infrage zu stellen, aber in den
anderen Fällen ist es schwer, berechtigte Ansprüche mit der eigenen Lebenssituation in Übereinstimmung zu
bringen. (Das kann besonders schwer sein, wenn anderen, z.B. eigenen Kindern gewisse Teilhabemöglichkeiten
entzogen werden müssen oder eine Umstellung auf ein Leben in Armut erfolgen muss).
Erstaunlich hoch ist – wie wir finden – die normativ-moralische Ablehnung von Schulden. Wenn es sich für 45,5
% der Befragten „nicht gehört“ Schulden zu manchen, wundert man sich über die Tatsache, dass dennoch eine
Überschuldung eingetreten ist. Dieser Befund kann unterschiedlich interpretiert werden. Es kann sich in einigen
Fällen wiederum um eine Rückprojektion, also eine nachträgliche Korrektur der eigenen Einstellung handeln:
jetzt, aus heutiger Sicht scheint es klar zu sein, dass Schulden zu machen in jedem Fall – moralisch – abzulehnen
ist. Es kann auch sein, dass in einigen Fällen auf eine geltende und gewusste Norm verwiesen wird, gegen die
man verstoßen hat. Das müsste mit einem „schlechten Gewissen“ korrespondieren, tut es aber nur in fünf Fällen.
Vielmehr wird die Situation als allgemein belastend empfunden, ein Hinweis darauf, dass die Schuldensituation
doch eher auf externe Zwänge zurückgeführt wird.
70
3.2.3
Verantwortung
Die Zurechnung der Verantwortung der Überschuldung ist ein wichtiger Aspekt der Wahrnehmung und Beurteilung der eigenen Situation und möglicher Konsequenzen für den weiteren Umgang mit ihr.
Wir fragten die Zurechnung in fünf Dimensionen ab:
-
eine externe Zurechnung auf gesellschaftliche Verhältnisse oder Ereignisse (die allgemeine wirtschaftliche Lage, die Wende, die Werbung und „die Politiker“)
eine externe Zurechnung auf bestimmte Andere (die Banken, der Partner)
eine unbestimmte interne Zurechnung (die eigene wirtschaftliche Lage)
sich selbst
auf „den Lauf der Dinge“ als unbestimmte – als schicksalhaft oder zufällig gedeutete – Verknüpfung
von Lebensereignissen.
Für rund 21 % unserer Fälle scheinen die Verhältnisse für die eigene Situation verantwortlich zu sein, wobei „die
Wende“ und „die Werbung“ absolute Ausnahmen sind und „die Politiker“ zu 5 % herhalten müssen. Die allgemeine wirtschaftliche Lage wird am häufigsten genannt. Diese Zuschreibung korrespondiert am häufigsten mit
der normativen Berufung auf die Notwendigkeit, Schulden zu machen. Fast genauso häufig ist diese Einschätzung mit der Norm das Faktischen verbunden. Beides Fälle, in denen vermutet werden kann, dass eine selbstkritische Bewertung der eigenen Situation schwer fällt.
Banken, Gläubiger, Geschäftspartner oder den Partner machen 17,2 % der Befragten verantwortlich. Diese Zuschreibung korrespondiert mit der Berufung auf die Norm des Faktischen – eine zumindest für Selbständige
nachvollziehbare Haltung.
Die eigene wirtschaftliche Situation ist für 20 % verantwortlich. Auch für diese Fälle lässt sich eine plausible
Korrespondenz zu den normativen Einstellungen feststellen. Die meisten, aber natürlich bei weitem nicht alle
Befragten, die die eigene wirtschaftliche Situation für ihre Schulden verantwortlich machen, finden, dass es sich
nicht gehört Schulden zu machen.
Sich selbst rechnen 26,7 % die Schuld zu. Der Zusammenhang mit der normativen Einstellung, dass es sich nicht
gehört Schulden zu machen, ist hier noch deutlicher als im vorigen Fall. Die Problematik besteht darin, sich
einerseits auf eine starke Norm des Schuldenverzichtes zu berufen und andererseits sich die Schuld selbst zu
geben. Das mag verwundern und kann mit starken Selbstzweifeln verbunden sein, ist ansonsten als schlechtes
Gewissen interpretierbar.
8,6 % geben an, dass niemand schuld an der eingetretenen Situation ist, es ist halt „dumm gelaufen“. Hier, wie
im vorigen Fall, beruft sich die Mehrheit auf eine Norm des Schuldenverzichtes, sieht aber offensichtlich den
inneren Konflikt zwischen der Normakzeptanz und dem eigenen Unterlaufen der Norm nicht so deutlich durch
den Verweis darauf, dass die Schuldensituation eher Zufall war.
Wir stellen also fest, dass nur ein Viertel sich direkt die Verantwortung für die eingetretene Situation zuschreibt
und ein weiteres Fünftel die eigene wirtschaftliche Lage als einer Form der Selbstzurechnung in Rechnung stellt,
für die man sich selbst zuständig fühlen kann oder auch nicht, die aber nicht im Sinn einer normativ-moralischen
Zurechnung erfolgt.
Die Verknüpfung der Zuschreibung der Verantwortung und der normativen Bezüge der Begründung oder Ablehnung von Schulden führt zu einem differenzierten Bild. Im Fall der unbestimmten externen Zurechnung finden wir mehrheitlich den Bezug auf die Norm des Üblichen vor und weniger häufig eine normative Ablehnung
des Schuldenmachens.
Die Interpretation dieser Verknüpfungen im Hinblick auf die Gesamteinstellung der Schuldner zu ihrer Situation
und insbesondere zu einer möglichen Bewältigung derselben ist schwierig. So kann z.B. im Fall der externen
Zurechnung bei gleichzeitiger Anlehnung an das Übliche eine Einstellung zur eigenen Situation vorliegen, die
eine rationale Bewältigung ermöglicht und auf eine laufende Beratung verzichten kann. Das Gegenteil allerdings
wäre ebenfalls denkbar, dann nämlich, wenn die Externalisierung der eigenen Situation eine selbstkritische und
rationale Handlungsstrategie unmöglich macht.
71
Im Unterschied dazu kann der Eindruck entstehen, dass die Berufung auf das, was alle machen, dann mit einer
geringen Bewältigungskapazität korrespondiert, wenn man „eigentlich“ der Ansicht ist, dass sich eben das „nicht
gehört“.
Auffällig ist, dass diejenigen, die die Banken und Gläubiger für ihre Schulden verantwortlich machen, auch
davon ausgehen, dass Schulden begründet sind (aus Üblichkeit und aus Notwendigkeit).
Dass Menschen, die die Ursache ihrer Überschuldungssituation bei sich selbst oder in der eigenen wirtschaftlichen Lage sehen, zu der Ansicht neigen, dass sich Schulden zu machen nicht gehört, ist nur scheinbar ein Widerspruch. Für zwei Drittel derjenigen, die sich selbst die Schuld geben trifft das zu. Hier liegt eine kritische Selbsteinschätzung vor, die eine günstige Voraussetzung für einen dauerhaften Lösungsansatz sein kann. Denkbar ist
aber auch, dass eben dieser Widerspruch bei den Betroffenen ein tatsächlicher ist und eine Selbstblockierung
oder kognitive Dissonanz offen legt, deren Folge die Handlung gegen den eigenen Vorsatz ist.
In der Gruppe derjenigen, die ihre Schuldensituation dem Lauf der Dinge zurechnen, findet sich ebenfalls keine
einheitliche normative Einstellung. Auch hier gibt die Mehrzahl an, dass sich Schulden nicht gehören, und einige
finden es üblich Schulden zu machen, aber ein Rückschluss auf eine Disposition hinsichtlich der Bewältigung
des Problems lässt sich daraus nicht erkennen.
Der Vergleich der Zurechnung der Verantwortung mit der Dimensionen der Situationswahrnehmung ergibt auch
kein einheitliches Bild. In den Fällen externer Zurechnung der Schulden auf Banken, Gläubiger oder die allgemeine wirtschaftliche Lage kann eine eindeutige Vermeidung einer intrinsischen Wahrnehmung und ausschließlich ein Belastungserleben (hier sicherlich nicht nur aber vor allem auf externe Belastungsfaktoren zurückzuführen, s.u.) und ein Fall von Verdrängung beobachtet werden. Beide Arten der Außenverlagerung des eigenen
Problems scheinen sich zu ergänzen. Ansonsten aber kommen vor allen Dingen bei den Selbstzurechnungskategorien die Bezüge zur Belastungsempfindung vor (die dann weniger ausschließlich auf externe Belastungsfaktoren zurückzuführen sein wird), wie auch die Scham.
An Hand dieser Ergebnisse kann man zusammenfassend eine Erfahrung der Schuldnerberater bestätigen und
nachvollziehen: Die mentale (und wie sich zeigen wird auch die psychosomatische und die soziale Situation)
Disposition der Klienten ist von ausgesprochen großer Vielfalt und Heterogenität. Es ist nicht möglich, aus
wichtigen Dimensionen des mentalen Weltbezuges von Menschen auf das Erleben, die Wahrnehmung und Beurteilung einer Überschuldungssituation zu schließen. Klienten der Schuldnerberatung weisen also alles andere als
eine einheitliche mentale und normative Grundausstattung auf. Da die mentale Disposition einer der psychischen
Bausteine für die Lösung des Schuldenproblems ist, kann man feststellen, dass die Voraussetzungen bei den
Klienten mithin stark verschieden sind.
Dieser Befund begründet mit die Notwendigkeit einer intensiven, den einzelnen Fall berücksichtigenden
Beratungstätigkeit.
3.3
Verursachung der Schuldensituation
Es gehört zur Vielschichtigkeit des Schuldenproblems im realen Leben der Betroffenen, dass nicht nur die Einstellungen zum Schuldenmachen und den eigenen Schulden höchst unterschiedlich ist, sondern auch die Gründe,
die Menschen in eine Überschuldung bringen. Auf welche Weise sich konkret in jedem Einzelfall eine Überschuldung eingestellt hat, ist für die Handhabung des Schuldenproblems und für die Beratungstätigkeit von großer Bedeutung. Dabei geht es nicht nur um die Art der Schulden, ihre Höhe und die Anzahl der Gläubiger, sondern der Weg in die Schuldenfalle ist auch der Ansatzpunkt für den Weg aus ihr heraus. Die Feststellung der
Überschuldungsgründe erfolgt praktisch unter Einbeziehung objektiver Merkmale der Lebenssituation und des
Verhaltens (Zahlungen, Verträge) der Klienten, aber auch mit Hilfe der Beurteilung der Schuldenkarriere durch
die Klienten selbst. Dabei spielen neben den oben behandelten Einstellungen auch die „Zurechnung“ der Verantwortung für die Überschuldung eine Rolle. Ob also die Situation unverschuldet eingetreten ist (oder so eingeschätzt wird) bzw. welchen eigenen Anteil die Betroffenen dabei ausmachen, ist für den Ansatz der Problemlösung wichtig. In jedem Fall, also unabhängig davon, ob die Schuldensituation auch objektiv externen Umständen
und Ereignissen zuzuschreiben ist oder nicht, wird die Lösung des Überschuldungsproblems eine Verhaltensän72
derung nötig machen, auf die die Klienten unterschiedlich vorbereitet sind. Auch in den Fällen, die ohne eigene
Verantwortung überschuldet sind, kann eine Verhaltensänderung schwer fallen.
Aus der Auswertung der InsOStat Daten oben war hervorgegangen, dass Gründe der Überschuldung, die im
Einzelnen unterschieden werden können, nur selten isoliert zur Geltung kommen. In der Regel ist es ein Komplex von Lebensereignissen, Problemen der Einkommenssicherung und Verhaltensdispositionen, die Überschuldung verursachen.
Wir haben im Fragebogen drei Dimensionen unterschieden, von denen immer wieder berichtet wird, dass sie in
Verschuldungsverläufen eine Rolle spielen:
-
Veränderungen der privaten Lebenssituation
Veränderungen im Erwerbsleben und im Einkommen (externe Faktoren)
Merkmale des eigenen Verhaltens
Die Ergebnisse der Befragung bestätigen, dass in diesen Dimensionen die Ursachen der Überschuldung zu finden sind, die Gründe im Einzelnen aber selten allein in einer der drei Gruppen zu finden sind. Vielmehr handelt
es in der Regel sich um Verknüpfungen verschiedener Ursachen.
Für 46,7 % der Befragten waren (auch) Veränderungen in der privaten Lebenssituation ursächlich für ihre
Schuldensituation.
Man sieht sich durch das eingetretene Ereignis plötzlich finanziellen Verpflichtungen ausgesetzt, die es vorher
nicht gab, die man vorher nicht bemerkte oder die sich auf mehrere Schultern verteilten. Derartige Veränderungen der Ausgabenverpflichtungen waren oft, aber nicht immer, eine „nicht intendierte“ Folge teils eigener, teils
fremder Entscheidung zur Veränderung des eigenen Lebens. In einigen Fällen hätte man sich – objektiv gesehen
– auf die finanziellen Konsequenzen einstellen können, in anderen nicht. Sich auf unerwartete oder ungewohnte
Lebenssituationen einzustellen und deren finanzielle Konsequenzen zu bedenken, fällt aber nicht wenigen Menschen schwer. Das vor allem auch deshalb, weil derartige Lebensereignisse in der Mehrzahl der Fälle bedeutet,
allein auf sich gestellt zu sein bzw. allein mit den veränderten Bedingungen fertig werden zu müssen. Insofern
verknüpfen sich hier häufig Veränderungen der privaten Lebensführung mit Verhaltensdispositionen im Hinblick
auf die Haushaltsführung.
Gravierender wirken äußere Ursachen veränderter Lebensbedingen auf die Schuldensituation – vor allem
Ereignisse, die zu einer Minderung des Einkommens führen.
Für 85 % der Befragten traf dieser Umstand zu. Sie gaben an, durch Verminderung des Einkommens (als Arbeitseinkommen oder auch als Transferleistung) in die Überschuldung geraten zu sein.
Auch hier ist es in manchen Fällen die objektiv gegebene Unmöglichkeit, sich ad hoc auf veränderte Einkommensverhältnisse einzustellen, die Betroffene in die Überschuldung führen. So z.B. wenn Zahlungsverpflichtungen unter Bedingungen eines höheren Einkommens eingegangen wurden, denen nun nicht mehr genügt werden
kann. Zum anderen verlangt eine einschneidende Minderung des Einkommens eine Umstellung in der Haushaltsführung, die aus der Sicht der Betroffenen auch in diese Fällen oft nur schwer in kurzer Zeit zu bewerkstelligen
ist. Eine derartige Umstellung setzt ein gewisses Maß an Übersicht und Selbstkontrolle im Ausgabeverhalten
voraus, die vor dem einschneidenden Ereignis vielleicht nicht notwendig war, weil man seine Lebensverhältnisse
„aus dem Bauch heraus“ – d.h. aus eingelebter Erfahrung, dass man auch ohne große Kontrolle des eigenen
Ausgabeverhaltens oder gar Buchführung ganz gut über die Runden kommt – gestalten konnte.
Auch hier verknüpfen sich also häufig objektiv-ereignishafte Tatbestände, auf die man wenig bis keinen Einfluss
hat, mit Aspekten des eigenen Verhaltens, die zu einer Verschärfung der Schuldensituation führen.
Wiederum 84,1 % räumen ein, auch infolge eigenen Verhaltens in die Überschuldung geraten zu sein – 15,9 %
waren es nicht.
In wie weit dieses Verhältnis von eigener Mitverantwortlichkeit und Fremdverschulden allgemein gültig ist, ist
nicht zu sagen. Das hängt auch davon ab, welche Anforderungen an das individuelle Verhalten als normal und
erwartbar unterstellt werden.
73
So findet sich in der Literatur in der Tat immer wieder der Hinweis darauf, dass Menschen vollkommen unverschuldet in eine Überschuldung geraten können. Nicht nur Selbständige und Immobilienfinanzierer können davon ohne eigenes Zutun betroffen sein. Auch z.B. Frauen, die auf den Schulden der Partner sitzen bleiben, Menschen, die Bürgschaften für andere übernommen haben oder Alleinerziehende (verbunden mit ausfallenden Unterhaltszahlungen) können in diese Situation geraten. Die Liste der unverschuldeten, d.h. nicht durch das eigene
Verhalten verursachten Gründe der Überschuldung könnte noch weitaus verlängert werden.
Dennoch gilt für den überwiegenden Teil, dass eine eigene Mitverantwortung selbst eingestanden wird. Immerhin eine vielleicht verspätete Einsicht, die Voraussetzung für eine Lösung des Problems ist.
3.3.1
Veränderungen der privaten Lebenssituation
Im Abschnitt zur Auswertung der InsOStat Daten hatte sich die Erfahrung bestätigt, dass Veränderungen im
privaten Leben häufig zu den Umständen gehören, die eine private Überschuldung befördern können. Dabei
kann die Veränderung der Lebensform, also die Gründung eines Haushaltes, einer Lebensgemeinschaft oder
einer Familie, aber auch die Trennung von einem Partner oder der Verlust eines Partners durch Tod eine wichtige Rolle spielen. Zu häufig beobachteten Ursachen einer Überschuldung gehören auch Krankheit bzw. Konsequenzen im Erwerbsleben und der Haushaltsführung, die sich aus Krankheit ergeben.
Die Befragung ergab, dass für knapp die Hälfte der Beteiligten derartige Veränderungen in ihrem privaten Leben
für ihre Überschuldung ursächlich war. 53,3 % antworteten, dass diese Gründe für sie nicht entscheidend waren.
Insgesamt gaben 15,9 % an, dass die Gründung einer Familie oder eines eigenen Haushaltes zur Überschuldung
beigetragen hätte. Ebenfalls 15,9 % meinten, dass die Auflösung einer Partnerschaft, also Trennung oder Scheidung, zu den Gründen zählten. Vier Personen gaben den Tod ihres Partner an und zwei einen Unfall.
21,6 % meinten, infolge von Krankheit in diese Situation geraten zu sein.
Von den 15,9 % die einen Haushalt oder eine Familie gegründet haben, sind rund 41 % ledig, d.h. auf sie trifft
die Gründung eines Haushaltes zu. Man könnte leicht geneigt sein, in diesen Fällen zu vermuten, dass die Gründe der Verschuldung in einer Leichtfertigkeit der Haushaltsführung zu finden sein werden, dass es sich also
eigentlich um Gründe handelt, die im Verhalten der Betroffenen zu suchen sind. Das ist auch in einem gewissen
Maße richtig (allerdings mit der notwendigen Einschränkung, dass die statistische Auswertung hier wegen geringer Fallzahl an ihre Grenzen stößt). Mehr als die Hälfte der überschuldeten Haushaltsgründer gab auch an,
den Überblick über die eigenen finanziellen Verhältnisse verloren zu haben.
Sechs Befragte dieser Gruppe leben heute verheiratet zusammen. Sie führen die Überschuldung u.a. auf die Familiengründung zurück. Das kann nach aller Erfahrung auf unterschiedliche Faktoren zurückzuführen sein. Es
können auch hier Aspekte des eignen Verhaltens eine Rolle spielen, wie auch die Fälle, in denen Bürgschaften
für Dritte (den Partner oder andere) übernommen wurden. Gleiches kann auf die Fälle zutreffen, in denen die
gegründete Familie bereits wieder getrennt ist: zwei Befragte haben sich inzwischen getrennt (getrennt lebend),
eine ist geschieden und eine verwitwet.
Mehr als ein Fünftel (21,6 %) gab an, infolge von Krankheit – eigener oder von Angehörigen – in die Überschuldung geraten zu sein. Auch in diesem Verursachungszusammenhang spielen in der Regel mehrere Faktoren
eine Rolle. Meist sind die Mehraufwendungen infolge einer Krankheit auch mit einer Änderung des Erwerbsstatus bzw. mit einer Einkommensminderung verbunden.
3.3.2
Externe Gründe der Überschuldung
Von größter Bedeutung für die Schuldenproblematik ist die Erwerbs- und Einkommenssituation. Eine pauschale
Zuordnung Änderungen des Erwerbsstatus oder des Einkommens als Gründe der Überschuldung ist aber auch
hier nicht möglich. Zwei Gesichtspunkte sollten unterschieden werden, die auf unterschiedliche Verursachungen
und jeweils andere Verläufe der Verschuldung schließen lassen: ein statischer und ein dynamischer.
Der statische Gesichtspunkt besteht darin, dass unter der Voraussetzung eines dauerhaft geringen Einkommens –
sei es aus Erwerbstätigkeit mit Niedrigeinkommen oder aus Transfer- oder Unterhaltsleistungen – das Risiko der
Überschuldung auch ohne gravierende Veränderung der jeweiligen finanziellen Lage hoch ist. Menschen mit
74
dauerhaft geringen Einkommen leben in der Regel an der Grenze der Zahlungsfähigkeit, um in einem in ihrem
Sinn minimalen Maße noch am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu können. Dabei verfügen sie nicht über
einen finanziellen Rückhalt, der es ihnen ermöglicht, kleine Schwankungen des Einkommens oder der notwendigen Ausgaben auszugleichen. In einer Situation geringen Einkommens und bereits vorhandener Schulden resultiert eine Überschuldung meist aus einem ansonsten geringfügigen äußeren Anlass, der das (Schulden-) Fass zum
Überlaufen bringt. Sie befinden sich also in einer Lage anhaltend knapper Haushaltsmittel. In diesen Fällen ist
die Kontrolle der Einnahmen-Ausgabenbilanz besonders wichtig für eine Vermeidung von Überschuldung. Allerdings haben Menschen, die unter diesen Voraussetzungen in die Schuldenfalle getappt sind, häufig die Übersicht über ihre finanzielle Situation verloren, so dass sich externe Gründe und Merkmale des eigenen Verhaltens
verknüpfen.
Der dynamische Gesichtspunkt besteht in einer signifikanten aktuellen Änderung der Erwerbssituation oder des
Einkommens. In diesen Fällen werden länger und mittelfristige Ausgabenpläne auch dann durchkreuzt, wenn sie
unter rationalen Bedingungen aufgestellt wurden. Nichts desto trotz aber verlangt die eingetretene Schuldensituation eine Umstellung des Verhaltens der Betroffenen, die eine Veränderung der gesamten Lebensführung
nach sich zieht.
Es ist für die Entstehung der Schuldensituation auf der einen und für mögliche Auswege aus ihr auf der anderen
Seite bedeutsam, welcher der beiden Fälle, der statische oder der dynamische, vorliegt.
In unserer Befragung ergab sich, dass fast zwei Drittel der Befragten von einer Änderung des Erwerbsstatus
betroffen waren. 55,1 % wurden arbeitslos, rund 5 % sind in Rente gegangen und für weitere 5 % hat sich die
Zuverdienstmöglichkeit geändert. Die Befragten gaben an, dass diese Veränderungen die Überschuldungssituation begründeten. Diese Häufigkeit liegt höher als bei der Klientel in laufender Beratung. Es hat sich kein Anhaltspunkt dafür ergeben, ob in diesen Fällen besondere Einstellungsmerkmale zur Überschuldung beigetragen
haben oder nicht. Die Einstellungen dieser Befragtengruppe zu den Schulden und ihrer Schuldensituation unterscheiden sich nicht wesentlich von denen anderer. So sind die Verteilungen der mentalen und normativen Einstellung (3.2.1.1. und 3.2.1.2.) dieser Gruppe mit der aller Befragten fast identisch. Kleine Abweichungen gibt es
bei der Zurechnung der Verantwortung für die Schulden. Die Verantwortung wird in geringerem Maße in externen und anonymen gesellschaftlichen Zusammenhängen gesehen. Etwas häufiger wird die Ursache der Überschuldung auch bei sich selbst gesehen.
Die Merkmale des eigenen Verhaltens (siehe unten) dieser Gruppe unterscheiden sich nicht von denen aller
Befragten. Wie in der Gesamtheit der Befragten insgesamt gab auch hier rund die Hälfte an, den Überblick über
die finanzielle Situation verloren zu haben oder auch sich verkalkuliert zu haben. Auch ist der Anteil derjenigen,
die offenbar ein rationales Verhältnis zu ihrer finanziellen Situation hatten, ebenso groß wie in der Gesamtheit
der Befragten.
Daraus ergibt sich der Schluss, dass in den Fällen, in denen Arbeitslosigkeit oder Einkommensminderung zu den
externen Überschuldungsgründen gehört, keine deutlich andere Zurückführung auf das eigene Verhalten möglich
ist als bei allen Befragten. Ob es sich also um einen eher statischen oder dynamischen Fall der Entstehung der
Überschuldung handelt, ist nicht aus den allgemeinen Daten zu ersehen. Insbesondere wird daraus deutlich, dass
die Feststellung der konkreten Zusammenhänge externer Überschuldungsgründe, der Einstellungen und des
persönlichen Verhaltens den Beraterinnen in den Beratungsgesprächen vorbehalten bleibt.
Immerhin 13 % gaben als Überschuldungsgrund verringerte Transferleistungen an. Es steht zu vermuten, dass in
diesen Fällen bereits eine Situation „knapper Haushaltsmittel“ bestand, die durch die Einkommensminderung
verschärft wurde.
Für 15 % haben sich – als Selbständige – die Geschäftsgrundlagen geändert. In diesen Fällen kann davon ausgegangen werden, dass eine dynamische Veränderung der Einkommenssituation gegeben war. Das umso mehr, als
das Merkmal unzureichender finanzieller Beratung hier nur in einem zu vernachlässigenden Anteil vorlag, also
auch keine undurchschauten Kreditverhältnisse für die Dramatisierung der geschäftlichen Situation verantwortlich waren.
Dennoch gaben immerhin fast 17 % an, die Kredit- oder Bürgschaftsbedingungen nicht verstanden zu haben und
sich infolge unzureichender Beratung überschuldeten.
Rund 10 % haben Bürgschaften für andere Personen übernommen.
75
3.3.3
Überschuldung aus eigenem Verhalten
Neben objektiven Merkmalen der Schuldensituation wie der Schuldenhöhe, der Art und Zusammensetzung der
Schulden, der Zahl der Gläubiger und der persönlichen Lebenssituation ist für die Lösung des Schuldenproblems
die Wahrnehmung und Bewertung des eigenen Verhaltens von großer Bedeutung. Der Tatbestand der Überschuldung nötigt im Hinblick auf seine Milderung oder Beseitigung in den meisten Fällen zu einer Änderung des
bisherigen Verhaltens. Das gilt oft auch in den Fällen, in denen die Betroffenen ohne eigenes Zutun mit hohen
Schulden konfrontiert wurden, weil auch diese Personen mit anderen finanziellen Rahmenbedingungen zurecht
kommen müssen. Wie das den Betroffenen im einzelnen gelingt, kann nicht im vorab festgestellt werden. Es
kann sein, dass Menschen trotz bisheriger rationaler und risikoarmer Haushaltsführung mit den neuen Bedingungen schlecht zurecht kommen, weil sich ihre Bedachtheit im bisherigen Leben auf Bedürfnisse und Gewohnheiten bezogen hatte, die nun umgestellt werden müssen. Es mangelt dann vielleicht nicht an der Fähigkeit und der
allgemeinen Bereitschaft, sich auf die Situation umzustellen, sondern an der Fähigkeit, von bisher nicht problematischen Verhaltensweisen und Bedürfnissen Abstand nehmen zu können. Es kann aber auch sein, dass gerade
wegen der bisherigen „Haushaltsdisziplin’“ eine Umstellung leichter fällt.
Etwas anders wird es sich in den Fällen darstellen, in denen die Betroffenen selbst durch ihr eigenes Verhalten
nicht ganz unschuldig an der Malaise sind. Aber auch hier ist es in der Regel kaum möglich eine Prognose im
Hinblick auf die Chancen für eine Verhaltensänderung abzugeben. Der bereits angesprochene Schock, der mit
der Erkenntnis der eigenen Situation verbunden ist, kann unterschiedliche Chancen der Verhaltensänderung auch
in diesen Fällen eröffnen.
Der Gesichtspunkt der notwendigen Verhaltensänderung ist einer der zentralen Gesichtspunkte in der Schuldnerberatung. Neben anderen Aspekten der Hilfeleistung und Betreuung, die sich in den jeweils konkreten Situationen einstellen, kommt es für alle denkbaren Lösungen des Problems vor allem darauf an, die Einsicht in die
Notwendigkeit einer Änderung des Umgangs mit Geld herbeizuführen. Eine Bedingung dafür ist die Feststellung
der subjektiven Voraussetzungen für eine Verhaltensänderung, die – wie die Daten zeigen – nur im konkreten
Einzelfall vorgenommen werden kann.
Wie erwähnt, gaben 84,1 % der Befragten an, durch eigenes Verhalten zur Überschuldung beigetragen zu haben.
15,9 % führen sie nicht auf eigenes Verhalten zurück.
Das erstaunt zunächst, hat doch nur ein gutes Viertel der Befragten sich selbst die Verantwortung für die Schulden gegeben. Knapp 60 % meinen also, dass sie sich eine Verantwortung (im Sinn der moralischen Zurechnung)
nicht geben müssen, dennoch aber ihr Verhalten die Überschuldung mit verursacht hat.
Für diesen Befund kann es mehrere Erklärungen geben. Denkbar wäre, dass der Unterschied von Verursachung
und Verantwortung, von kausaler und moralischer Zurechnung hier zu beachten wäre bzw. dass die Befragten an
diesen Unterschied denken. Die Berücksichtigung einer solchen Unterscheidung wiederum kann in unterschiedlicher Hinsicht erfolgen. Einmal kann die gesamte Lebenssituation unter Einschluss aller externen und internen
Aspekte einer Bewertung unterzogen werden und dabei nach kausalen und moralischen Gesichtspunkten unterschieden werden. In diesem Sinn würden die Befragten wohl einsehen, dass sie durch ihr Verhalten die Überschuldung zwar faktisch vollzogen haben, aber die Gründe und die Verantwortung dafür den Umständen oder im
Verhalten anderer Personen zurechnen. Nach dem Motto, „Ich habe zwar die Schuldensituation selbst gemacht,
aber verantwortlich dafür sind andere oder die Umstände“. Sie ist Ausdruck einer vermeintlichen oder tatsächlich gegebenen Alternativlosigkeit des eigenen Handelns, die im Prozess der Schuldenbereinigung dennoch
gehandhabt werden muss. In diesen Fällen wären die Anforderungen an Lernvorgänge sicherlich am größten,
weil eine Lösung des Schuldenproblems nur durch eigenen Beitrag, durch eine Änderung des scheinbar alternativlosen Handelns zu haben ist.
Diese Bewertung wird am ehesten dann anzutreffen sein, wenn sich Schuldensituationen über einen langen Zeitraum aufgebaut haben und externe Änderungen in den Lebensverhältnissen eher den Charakter von Anlässen,
denn den Charakter von Ursachen haben.
Es könnte aber auch sein, dass sich die Bewertung des eigenen Verhaltens auf der einen und die ursächliche und
moralische Zurechnung auf der anderen Seite auf unterschiedliche Aspekte oder Dimensionen des Schuldenverlaufes beziehen. Konkrete Versäumnisse im alltäglichen Handeln rechnet man sich selbst zu, aber die Umstände
(Erwerbstatus, Lebensform, Krankheit, Einkommensminderung etc.) konnte man weder beeinflussen noch
schreibt man sich selbst die Verantwortung dafür zu. In diesen Fällen liegt es nahe, von einer günstigeren Vor76
aussetzung für die Lösung und den Umgang mit dem Schuldenproblem auszugehen, weil die Chance auf eine
Anpassung des eigenen Verhaltens an eine nun gegebene Situation zumindest größer sein könnte.
Es könnte drittens aber auch sein, dass hier eine Inkonsistenz im Antwortverhalten vorliegt. Das würde heißen,
dass die Befragten, ihren eigenen Anteil an der Überschuldung nur dann erkennen, wenn sie auf konkrete Verhaltensgesichtspunkte aufmerksam gemacht werden, aber nicht in der Lage sind, die Gesamtheit der Aspekte, die
zu ihrer Lebenssituation gehören, nicht bewerten können. In einem solchen Fall sind erhöhte Anforderungen an
die Beratung und Hilfeleistung gestellt, weil den Betroffenen das Ausmaß und die Komplexität ihres Handelns
bewusst gemacht werden muss. Diese Konstellation scheint häufig dann gegeben zu sein, wenn Betroffene sich
in ihren normativen Orientierungen an den Gegebenheiten des Üblichen, an dem, was ja schließlich alle machen,
ausrichten ohne den Bezug des eigenen Handelns auf eigenen – finanziellen – Bedingungen herzustellen.
Im einzelnen haben wir folgende Verhaltensgesichtspunke unterschieden, die sich allerdings überschneiden
(Mehrfachantworten waren möglich):
1. Mangelnde (Selbst-) Kontrolle des eigenen Handelns
44 % der Befragten gaben an, die Übersicht über ihre finanzielle Situation verloren zu haben. Hier liegt also ein
verbreiteter Grund der eigenen Mitverursachung der Überschuldung. Aus der Gruppe dieser Personen wird sich
ein großer Teil derjenigen rekrutieren, die eine laufende Beratung in Anspruch nehmen müssen. Die Beratungstätigkeit wird in der Regel damit beginnen müssen, eine Übersicht über die Schuldensituation herzustellen. Dabei werden in der Praxis die Betroffenen häufig selbst von dem Ausmaß ihrer Situation überrascht. Erst auf der
Grundlage einer solchen detaillierten Übersicht kann nicht nur die rechtliche und finanztechnische Beratung
beginnen, sondern erst dann kann den Klienten klar werden, welche eigenen Anteile sie konkret selbst im Hinblick auf ihre Situation haben. Nur wenn die Größe des Schaden bekannt ist, kann die Analyse des eigenen Handelns beginnen und eine Änderung des eigenen Verhaltens ins Auge gefasst werden.
2. Fehlbeurteilung der eigenen Situation bei gegebenem (Selbst-) Kontrollpotential.
48 % gaben an, sich in ihren finanziellen Möglichkeiten überschätzt zu haben. Damit ist gemeint, dass man zwar
ein einigermaßen rationales Verhältnis zur eigenen finanziellen Situation und zum eigenen Verhalten hat, sich
aber verkalkuliert bzw. geirrt hat. In diesen Fällen scheinen Potenziale des Lernens und der Verhaltensanpassung
größer als im ersten Fall zu sein, es kommt für die Zukunft der Schuldenbereinigung „nur noch“ darauf an, das
Verhalten auf die – finanziellen – Bedingungen realistisch und risikolos anzupassen. Allerdings ergab sich eine
Überschneidung beider Antworten in rund 23 % der Fälle. Das deutet darauf hin, dass es zumindest einigen von
diesen Klienten schwer fällt zwischen einer falschen bzw. unrealistischen Bewertung der eigenen finanziellen
Situation auf der einen und der Ermanglung von Bewertungsmaßstäben auf der andren Seite zu unterscheiden.
Eine einigermaßen fatale Verhaltensdisposition.
3. „Irrationale Ignoranz“ der eigenen Situation
Diese Verhaltenszuschreibung nahmen nur wenige vor: 7,5 %. Sie deutet auf eine Ausblendung der Folgen des
eigenen Handelns hin. Man folgt dem Lustprinzip solange es eben geht und sich keiner daran stört. Die Chancen
einer selbständigen Verhaltensänderung sind in diesen Fällen erfahrungsgemäß gering, die Notwendigkeit der
Hilfestellung seitens der Beratung groß. Fälle des Scheiterns einer mühevollen und langfristigen Beratung, die
von Beratern berichtet werden, fallen nicht selten in diese Verhaltenskategorie.
4. „Rationale“ Ignoranz der eigenen Situation
Mehr Personen jedoch – immerhin 15 % - gaben an, dass ihnen ihre Schulden egal waren. Das deutet auf eine
Einstellung hin, die zwar in Rechnung stellt, dass das eigene Ausgabeverhalten Konsequenzen nach sich ziehen
kann und sicherlich auch wird, man dennoch aber die Signale, die sich aus diesen Konsequenzen ergeben, „in
den Wind schlägt“. Diese ignorante Einstellung deutet darauf hin, dass man auf eine oder mehrere Sanktionsandrohungen angewiesen ist, um eine Einsicht in die Notwendigkeit einer Verhaltensänderung zu erzielen. Eine
derartige Einsicht hat aber nicht immer nachhaltige Wirkungen. Zu einem anhaltenden Problem wird die Ignoranz, wenn sich aus ersten Erfolgen in der Abwehr von Sanktionen kein Lernprozess einstellt. Diese Leichtfertigkeit kann, wenn sie nicht mit Hilfe der Beratung ausgeräumt werden kann, zu einem echten Problem in der
Schuldenbereinigung werden.
77
Wenn die Beratung aber einsetzt und greift, dann berichten andere Studien, dass auch die Lernerfolge hoch sind.
5. Wissenslücken im Hinblick auf Kreditgeschäfte
Wissenslücken spielen bei der Entstehung von erhöhten Schulden oft eine Rolle. In anderen Untersuchungen
(Köln, SCHUFA) wurde darauf hingewiesen. Die eine oder andere Form zu geringen Wissens über finanzielle
Sachverhalte ist an allen bisher genannten Verhaltensmerkmalen sicherlich beteiligt. Kreditgeschäfte als eine
besondere Form des Geld- und Zahlungsverkehrs erfordern ein höheres Maß an Kompetenz, als andere Wissenselemente, die im alltäglichen Verkehr eine Rolle spielen. So gaben, wie oben erwähnt, 17 % der Befragten an,
unzureichend beraten worden zu sein – ein eindeutiger Hinweis auf die Praktiken mindestens einiger Geldinstitute.
Knapp 10 % nun gaben an, die Kreditbedingungen nicht verstanden zu haben. Das deutet darauf hin, dass ein
Teil der Überschuldeten sehr wohl die Rahmenbedingungen von Kreditgeschäften kennt, aber die Geldinstitute
nicht alle Bedingungen und Konsequenzen offen legen. In wie weit es in den Fällen, die die Kreditbedingungen
nicht verstanden haben, auf ein Versäumnis der Institute oder eine Nachlässigkeit oder Leichtgläubigkeit der
Klienten handelt, ist schwer zu bestimmen.
Deutlich sollte aber werden, dass viele Fällen von Überschuldungstatbeständen auch eine Folge von ernst zu
nehmenden Wissenslücken sind. Über die Ursachen kann hier nichts ausgesagt werden. Sicherlich, der mittlere
Bildungsgrad der Betroffenen ist geringer als der gesellschaftliche Durchschnitt und allgemeine und berufliche
Bildung hat einen Einfluss auf finanztechnisches und haushälterisches Wissen (Schuldenkompass). Wichtig aber
scheint der sich daraus ergebende Hinweis auf die Notwendigkeit von Prävention zu sein – einen Aspekt, den die
Beratungsstellen sehr ernst nehmen, für die aber nur unzureichend Mittel vorhanden sind. Das betrifft im übrigen
nicht nur Schüler und junge Menschen, sondern auch Erwachsene.
In dem Maße, in dem immer mehr Menschen die Schule verlassen ohne genügend alltagspraktisch notwendige
Fähigkeiten im Lesen, Schreiben und Rechnen zu haben, werden auch immer mehr Menschen Schwierigkeiten
haben, sich ein notwendiges Rüstzeug an finanztechnischem Wissen anzueignen.
6. Nicht-Inanspruchnahme von Leistungen
Immerhin 18 % der Befragten hat angegeben, ihnen zustehende Sozialleistungen nicht in Anspruch genommen
zu haben und dies als einen Grund für die Überschuldung ausgewiesen. Das ist ein erstaunlich hoher Anteil.
Worauf er zurückzuführen ist, kann aus unseren Daten nicht angegeben werden. Oft werden die komplizierten
Formulare und der bürokratische Vorgang der Beantragung genannt. In früheren Studien wurden auch Scham
und Unkenntnis als Gründe festgestellt. Es wird aber an diesen Fällen deutlich, dass in der Beratung nicht nur die
Schulden und die Ausgaben berücksichtigt werden müssen, sondern auch auf der Einkommensseite mit anderen
sozialen Einrichtungen zusammengearbeitet werden muss – wie auch in den folgenden Fällen.
7. Süchte und Abhängigkeiten
Ein besonders gravierender Fall der verhaltensabhängigen Überschuldung ist die Abhängigkeit von Drogen und
andere Süchte. In der Befragung gaben 14 % diesen Grund an. Klarerweise stellt diese Verursachung hohe Anforderungen an die Beratung. Insbesondere die Zusammenarbeit mit mehreren anderen Einrichtungen der sozialen Dienste und mit staatlichen Einrichtungen (gegebenenfalls mit der Drogenberatung, der Polizei, der Arbeitsvermittlung, dem Sozialamt etc.) ist hier gefragt. Auf der Ebene der Institutionen gibt es im Land Berlin derartige Kooperationen (AG Transparenz). Im Einzelfall stellt sich natürlich immer auch das Problem des Datenschutzes.
8. Sorge um Anerkennung
In wie weit das Eintreten einer Überschuldungssituation eher selbstbezüglichen Verhaltensaspekten (zu denen
die bisher Angesprochenen gehören) zugerechnet werden kann oder sich aus einem sozialen Kontext der Zugehörigkeit (bzw. des Bemühens um Zugehörigkeit) ergeben, ist wenig untersucht. Sicherlich kann man die auch
im Alltag anzutreffende Erfahrung nicht unberücksichtigt lassen, dass ein gewisser Anteil der überhaupt aufgenommenen Schulden mindestens auch vom Bemühen um Anerkennung im sozialen Umfeld motiviert sind. Das
scheint durch alle Bevölkerungsschichten hindurch der Fall zu sein. Im Hinblick auf die Überschuldung sagen
das allerdings nur 7 % der Befragten aus – ein Befund, dem mit Skepsis zu begegnen ist. Es ist nämlich wahrscheinlich, dass die Herstellung eines Bezuges zwischen Aspekten der Verschuldung im Einzelnen und der Tat78
sache der Überschuldung im Besonderen unterschiedlich erfolgt. Wenn es stimmen sollte, dass Überschuldete
auch Schulden aufgenommen haben, weil sie um Anerkennung ihres Umfeldes (ihrer Bezugsgruppen) bemüht
sind, so müssen sie nicht notwendig ihre eigene Überschuldung auf diese Schulden zurückführen, sondern auf
andere Merkmale ihrer Verschuldung, ihres Verhaltens und von Lebensereignissen. Es ist also zu vermuten, dass
der Zusammenhang von Anerkennungsbedürfnissen und Überschuldung größer ist, als es diese 7 % ausweisen.
Dieser Hinweis deutet auf einen weiteren wichtigen Aspekt der Beratungstätigkeit hin: die Berücksichtigung des
familialen und sozialen Umfeldes. Nicht selten bestehen Beziehungen, die es den Klienten der Beratung nicht
eben erleichtern, ihr Schuldenproblem zu lösen.
3.4
Konsequenzen der Überschuldung
3.4.1
Gesundheitliche und psychische Beeinträchtigungen
Fast alle Befragten berichteten über gesundheitliche oder psychische Beeinträchtigungen. Nur 6 % gaben an,
keine diesbezüglichen Veränderungen registriert zu haben.
Gesundheitlich beeinträchtigt fühlen sich 21 % der Befragten. Worin die Beeinträchtigung im Einzelnen besteht,
ist nicht erfragt worden. Knapp 9 % gaben an, mehr Medikamente als bisher zu nehmen.
Wahrnehmungen von Stress und Gereiztheit nehmen dagegen deutlicher zu. So gaben insgesamt 81 % der Betroffenen an, unter derartigen Symptomen zu leiden. Beide Geschlechter leiden gleichermaßen darunter.
Fast die Hälfte (49 %) aller Befragten leidet unter Schlafstörungen.
Zu den psycho-sozialen Belastungssymptomen, die mit der Überschuldungssituation verbunden sein können,
gehört auch eine größere Aggressivität. 27 % der befragten überschuldeten Personen gab an, aggressiver geworden zu sein, was sich u.a. in häufigeren Auseinandersetzungen mit dem Partner oder den Kindern niederschlägt.
Einige (6 %) räumten ein, auch gewaltbereiter zu sein.
Zu den psychischen Begleiterscheinungen der Überschuldung gehört die Niedergeschlagenheit und Antriebslosigkeit. Morgens nicht mehr aufstehen zu wollen und die Kraft nicht mehr zu spüren, die alltäglichen Verrichtungen auszuführen, sind Beeinträchtigungen, die typisch sind, gleichzeitig aber gerade in dieser Situation besonders hinderlich. Der Notwendigkeit, aktiv die eigene Lage anzugehen und eine Reihe von Verhaltensmerkmalen zu ändern, kann nicht hinreichend begegnet werden. 69 % fühlten sich in dieser Hinsicht betroffen, Männer
und Frauen gleichermaßen. Die Dauer der Schuldenlast spielt dabei keine Rolle. Auch kurzfristig Überschuldete
leiden unter diesen Symptomen. Da wir nicht nach der Intensität dieser psychischen Folgen gefragt haben – was
evtl. im Zusammenhang mit der Dauer der Schuldenlast einen Unterschied machen könnte – liegt der Schluss
nahe, dass die Konfrontation mit einer Sanktionsandrohung zum Auftreten der genannten Begleiterscheinungen
stärker beiträgt als die Dauer der Betroffenheit.
Noch nachhaltiger dürften seelische Belastungen sein, die sich auf das Selbstwertgefühl und das Vertrauen in die
eigene Handlungsfähigkeit beziehen. Mehr als die Hälfte aller Befragten ist in seinem Selbstbewusstsein und
Selbstwertgefühl beeinträchtigt und fühlt sich hilflos und überfordert. Auch in dieser Hinsicht ist zu beobachten,
dass ebenso viele Männer wie Frauen über eine nur eingeschränkte Selbstzuversicht verfügen.
Die Dauer der Schuldenlast hat auf diesen Aspekt der Beeinträchtigungen einen etwas größeren Einfluss. Etwa
44 % der Kurzzeitschuldner (Schulden bestehen weniger als drei Jahre) und 65 % der Langzeitschuldner (Schulden bestehen drei Jahre und länger) leiden darunter. Zur Bewertung dieses Befundes könnte man in Rechnung
stellen, dass sich Einschränkungen des Selbstwertes – ein tiefer und nachhaltiger Einschnitt in das Vertrauen in
die eigene Kompetenz – erst nach anhaltendem Minderwertigkeitsempfinden einstellen. Dass dennoch fast die
Hälfte auch derjenigen, die weniger als zwei Jahre mit dem Schuldenproblem konfrontiert sind, vom eigenen
Wert nicht mehr so überzeugt sind wie früher, mag überraschen. Demnach muss die aktuelle Situation wohl
doch sehr direkt und unmittelbar Wirkungen hinterlassen. Ob sich diese Einschränkungen vor allem mit anderen
Folgen der Überschuldung verbinden oder sich allein auf den Schuldentatbestand beziehen, kann nicht ausgesagt
werden.
Eine der häufig zu beobachtenden Konsequenzen von Problemsituationen sind Ersatz- und Ausweichhandlungen. Nach einer der verbreitetsten haben wir gefragt. So gaben 15 % der Befragten an, mehr Alkohol als früher
zu trinken. Eine Bewertung dieses Befundes muss hier offen bleiben.
79
Dass die Schuldensituation auch in sozialer Hinsicht Folgen haben kann, deutet sich schon durch folgenden Befund an: Fast ein Viertel gab an, sich einsam zu fühlen.
3.4.2
Soziale Beziehungen
Das Feld der sozialen Beziehungen kann im Hinblick auf die Schuldenproblematik mehrfach von Bedeutung
sein – im Hinblick auf ihre Verursachung und im Hinblick auf die Folgen der Überschuldung.
Im Hinblick auf die Verursachung der Überschuldung ist zunächst davon auszugehen, dass Kontakte des sozialen Nahraumes meist hilfreich bei der Prävention und Entschärfung eines Schuldenproblems. Innerhalb eines
Familien- und Bekanntenkreises ist eine gewisse Verhaltenskontrolle gegeben und es bestehen Korrektur- und
Interventionsmöglichkeiten. So wird immer wieder festgestellt, dass vor allem allein Lebende mit oder ohne
Kinder häufig Klienten der Beratungsstellen sind.
Dennoch können soziale, auch familiale Beziehungen zu einer Überschuldung mit beitragen. Wie sich auch in
der Befragung gezeigt hat, spielt die Gründung oder Auflösung eines Haushaltes, einer Familie oder einer Partnerschaft als mit verursachendes Ereignis immer wieder auch eine Rolle.
Ein weiterer Gesichtspunkt ist nur schwer zu ermitteln und kommt oft erst in der laufenden Beratung ans Licht:
nicht selten haben Menschen direkt bei Personen ihres sozialen Umfeldes Schulden, was sowohl eine Entlastung
im Hinblick auf institutionelle Schulden sein kann, aber auch eine zusätzliche Belastung – und zwar u.U. für
beide: für den Schuldner wie für den Gläubiger.
Im Hinblick auf Konsequenzen der Überschuldung sei auf die Erfahrung verwiesen, dass soziale Beziehungen
unter der Überschuldungssituation leiden können. Die komplexe Belastungssituation kann sich zu einer Herausforderung an die Qualität und den Bestand von Beziehungen auswachsen. Von Interesse für uns war, inwieweit
die überschuldeten Personen vom Aspekt der sozialen Isolation betroffen sind, d.h. inwieweit sich ihre Beziehungen durch die Überschuldungssituation verschlechtert haben.
Soziale Beziehungen können allerdings auch zur Bewältigung der Überschuldungssituation beitragen. Sie stellen
eine wichtige Ressource dar, mit dessen Hilfe man Problemlagen leichter bewältigen kann: Sie können nicht nur
Zugang zu finanzieller Unterstützung eröffnen, sondern auch seelischen Beistand beinhalten, der sich auf die
psychosoziale Stabilisierung der Personen positiv auswirken kann. Hier haben wir nach den Unterstützungsleistungen der überschuldeten Personen durch ihre Bekannten gefragt.
3.4.2.1 Veränderung der sozialen Beziehungen
35 % der Befragten gaben an, dass es ihnen schwerer fällt, Beziehungen aufrecht zu erhalten, bei 3 % der Befragten haben sich die Beziehungen verbessert und bei 62 % haben sich die Beziehungen weder verbessert noch
verschlechtert.
Zwar ist bei den meisten der Befragten keine Veränderung im Bezug auf die Beziehungen eingetreten, aber bei
denjenigen bei denen eine Veränderung eingetreten ist, haben sich die Beziehungen überwiegend verschlechtert.
Dabei konnte festgestellt werden, dass Männer und Frauen gleichermaßen davon betroffen waren. Auch der
Bildungsabschluss spielt in dieser Hinsicht keine signifikante Rolle. Nur in einem geringen Maße scheinen es
Abiturienten schwerer zu haben, Beziehungen aufrecht zu erhalten.
Vielleicht überraschend ist der Befund, dass auch die Dauer der Schuldensituation keinen Einfluss auf die Stabilität der Beziehungen hat, wie auch der Familienstand, wobei Geschiedene es etwas häufiger schwer haben, die
Beziehungen zu erhalten.
Allerdings haben diejenigen, deren soziale Beziehungen sich erschwert haben, durchschnittlich rund 6 000 Euro
höhere Schulden.
Von diesen gaben 16 % an, dass das daran liege, da sie ihre Bekannten meiden, da ihnen ihre Schulden peinlich
sind. 5 % gaben als Ursache für die Verschlechterung der Beziehungen an, dass sie von ihren Bekannten gemieden werden und 75 % gaben an, dass sie nicht die finanziellen Mittel haben, um an gemeinsamen Unternehmungen teilzunehmen. Hier zeigt sich, dass die finanzielle Notlage der überschuldeten Personen Einfluss auf die
Sozialkontakte ausüben kann: Die Nicht-Möglichkeit zum Konsum verhindert die soziale Teilhabe. Inwieweit
sich die Verschlechterung der sozialen Beziehungen auf die psychische Stabilität der überschuldeten Personen
auswirkt, war wegen zu geringer Fallzahl nicht feststellbar.
80
3.4.2.2 Beziehungen als soziale Ressource
Bei der Frage, ob die überschuldeten Personen seelische oder finanzielle Unterstützung von ihrer Familie, Bekannten usw. erhielten, gaben 42 % an, dass sie keine Unterstützung erhalten, 30 % gaben an, dass sie seelischen
Zuspruch erhalten, 22 % gaben an, dass sie seelischen Zuspruch und finanzielle Hilfe erhalten und 6 % gaben an,
dass sie finanzielle Hilfe erhalten.
Somit erhält die Mehrheit der Befragten – 58 % – Unterstützung durch ihre Familie bzw. ihren Bekanntenkreis.
Dabei ließ sich feststellen, dass die Singles (Ledige, Geschiedene, getrennt Lebende, Verwitwete) insgesamt
etwas weniger Unterstützung erhalten als in Partnerschaft Lebende, sie also in höherem Maße mit der Situation
bisher allein fertig werden mussten. Für Frauen wie Männer besteht gleichermaßen eine Unterstützung im sozialen Umfeld (Frauen erhalten etwas häufiger seelischen Zuspruch und Männer etwas häufiger finanzielle Unterstützung).
Im Hinblick auf den Schulabschluss schneiden Personen mit Hauptschulabschluss etwas schlechter ab. Warum,
muss offen bleiben. Eine Vermutung könnte dahin gehen, dass die Unterstützungsnetze – so die sozialen Beziehungen weiterhin gut bestehen – besser „funktionieren“, je höher der Bildungsabschluss ist. Die Tatsache, dass
es bei denjenigen ohne Schulabschluss ein höheres Maß an Unterstützung gibt als bei denjenigen mit Hauptschulabschluss, kann mit dem Migrationshintergrund und besonderen sozialen Beziehungen von Migranten zusammenhängen.
Auch die Dauer der Schuldenlast wirkt sich auf den Empfang von Unterstützung aus: so erhalten 48 % der Langzeitschuldner keine Unterstützung aus dem Umfeld, hingegen sind es „nur“ 29 % bei denjenigen mit kurzfristigen Schulden. Man kann also feststellen, dass die These, dass Schulden zu sozialer Isolation führen, zwar nicht
grundsätzlich unterstützt werden kann, aber die Dauer der Schulden (zusammen mit ihrer Höhe) einen negativen
Einfluss auf die soziale Integration hat.
Allerdings war nicht feststellbar – wie oben schon erwähnt – ob sich der Beistand durch die Bekannten positiv
auf die Überschuldungssituation bzw. auf die psychische Stabilität der überschuldeten Personen auswirkt. Es
wäre auch denkbar, dass die Unterstützungsleistungen sich negativ auswirken, da durch die Unterstützungsleistungen auf Seiten der überschuldeten Personen das Gefühl der Abhängigkeit entsteht.
3.4.3
Ängste und Sorgen
Die angesprochenen Folgen der Überschuldungssituation für die Betroffenen stehen in einem engen Zusammenhang mit der Wahrnehmung von Zukunftsperspektiven und der allgemeinen Einschätzung der eigenen Situation.
Diese sind vor allem durch Ängste und Sorgen bestimmt. Wir haben nach folgenden Bereichen gefragt:
-
3.4.4
Perspektive der Schuldensituation
Teilhabe am gesellschaftlichen Leben
Soziale Beziehungen
Selbstwert und Handlungskompetenz
Perspektiven der Schuldensituation
Wie erwähnt, nehmen die Befragten ihre Situation als dramatisch wahr. Dabei spielt die Einschätzung der Lebensperspektiven eine große Rolle. Die Schuldensituation hat sich vor den Klienten in einer Weise aufgebaut
(verstärkt durch die Sanktionsandrohungen), die sie daran zweifeln lässt, sie jemals abzubauen oder gar bewältigen zu können. Die Angst vor Irreversibilität der Lebenslage beeinträchtigt weitgehend die Handlungsfähigkeit.
So befürchten 91 % der Befragten, dass die Schulden weiter anwachsen.
Das ist ein beachtenswerter Befund, besagt er doch, dass zu diesem Zeitpunkt für fast alle die Zukunft ungewiss
ist und ein Stop der Schulden oder gar eine Entlastung nicht zu erwarten ist.
Das kann auf verschiedene allgemeine Gesichtspunkte zurückzuführen sein.
Einmal kann es sein, dass die konkrete Konfrontation mit der eigenen Lage die Situation so diffus und unübersichtlich erscheinen lässt, dass Möglichkeiten und Wege einer Umkehrung nicht gedacht werden können. Die
81
Komplexität der Schulden und die vermeintliche Ausweglosigkeit lassen zunächst keine differenzierte Analyse
zu und führen dazu, das ganze Syndrom in die endlose Zukunft zu verschieben. Die Angst, dass die Schulden
weiter wachsen, ist die Wahrnehmung einer Bedrohung, der Antizipation, dass die Lage sich nicht nur nie bessern wird, sondern sich im Gegenteil noch mehr verschärfen könnte.
Der Befund ist aber auch ein Hinweis auf eine tiefe Verunsicherung des Vertrauens in die eigenen Fähigkeiten
und Kompetenzen. Man ist sich offenbar im Moment nicht gewiss, ob alle Bedingungen, die ein weiteres Anwachsen der Schulden verhindern könnten, „in den Griff“ zu bekommen sind.
Dieser Befund korrespondiert mit weiteren Ängsten um die Lebensperspektive.
Auf der einen Seite meint man eine endlose Ausdehnung der gegenwärtigen Situation zu sehen. Immerhin 82 %
haben Angst, ein Leben lang mit Schulden leben zu müssen. Auch wenn das keine realistische Wahrnehmung ist,
so zeigt sie doch, dass die gegenwärtig erlebte Situation für die Betroffenen eine bedrückende und bedrohende
Erfahrung ist.
3.4.4.1 Teilhabe am gesellschaftlichen Leben
Dieser allgemeine Befund einer diffusen Perspektivlosigkeit ist mit Ängsten im Hinblick auf die Teilhabe am
gesellschaftlichen Leben verbunden.
Das betrifft erstens den Erhalt des Arbeitsplatzes. Von den 33 % Erwerbstätigen äußern nahezu alle (insgesamt
32 %) die Befürchtung arbeitslos zu werden.
Zweitens befürchten 67 % wenigstens teilweise, nie wieder in das Erwerbsleben integriert zu werden. (Anmerkung: Da jeweils nur die gültigen Antworten berücksichtigt wurden und bei den Fragen nach dem Erwerbsstatus
auch einige missings zu verzeichnen sind, ergeben sich in der Kombination beider Fragen Überschneidungen,
die nicht geklärt werden können.)
Und drittens meinen 40 % nie wieder ein Geschäft führen zu können.
Und schließlich sehen 73 % die Gefahr dauerhaft von Sozialleistungen abhängig zu sein.
Die Teilnahme am Erwerbsleben und Unabhängigkeit von Sozialleistungen ist nicht nur im Hinblick auf die
Perspektive der Schuldensituation von Bedeutung, begünstigt sie doch die Aussicht durch eigenes Einkommen
die Überschuldung loszuwerden. Sie ist in der Gesellschaft, die so stark auf das Erwerbsleben orientiert ist, auch
einer der wichtigsten Bereiche der Teilhabe an der Gesellschaft überhaupt. Von der Perspektive eines eigenen
Einkommens ist im persönlichen Leben eben nicht nur das Einkommen abhängig, sondern sind es auch viele
Gesichtspunkte einer selbständigen Lebensführung.
Die Gefahr der Ausgrenzung von der Teilhabe an der Gesellschaft geht aber noch weiter.
So haben – wie realistisch auch immer – 26 % deutlich Angst vor Obdachlosigkeit. Und weitere 19 % hegen
teilweise diese Befürchtung. Den mehr oder minder Ausgeprägten Gedanken an den Verlust einer Wohnung und
eines Ortes in der Gesellschaft überhaupt haben mithin 45 %. Auch das ist wieder ein bedrohlich erscheinender
Befund, ist doch die Furcht vor Obdachlosigkeit ein Symptom dafür, dass die Angst vor Ausgrenzung sich auf
elementare Aspekte der gesellschaftlichen Integration bezieht.
Noch gravierender ist die Furcht vor dem Totalausschluss. 22 % befürchten ganz und weitere 18 % teilweise ins
Gefängnis gehen zu müssen.
So wenig realistisch diese Ängste auch sein mögen – so sind sie doch als Ängste, als etwas, was Menschen in
einer bestimmten Situation äußern, eine soziale Tatsache. Da sie sich auf derart existenzielle Ausgrenzungen
beziehen, kann man ahnen, wie dramatisch sich die Lebenslage für die Einzelnen darstellt.
Insgesamt sagen 69 %, dass sie befürchten, aus dem „normalen Leben“ ausgegrenzt zu werden.
3.4.4.2 Ängste um soziale Beziehungen
Aber auch die Integration in den gesellschaftlichen Nahraum steht für viele Betroffene auf der Kippe. Obwohl
wir oben feststellten, dass rund zwei Drittel der Befragten keine Veränderungen in den sozialen Beziehungen
erlebten, befürchtet dennoch die Hälfte der Befragten den Verlust von Freunden.
Zu dieses Verlustängsten gehört auch die Sorge um die Belastbarkeit der Beziehungen. Die Anerkennung, die
Menschen in sozialen Beziehungen erfahren ist auch von dem Beitrag abhängig, den Einzelne in diese Bezie82
hungen einbringen können. Die Überschuldungssituation schränkt die Möglichkeiten eines eigenen Beitrages
ein. Viele befürchten daher, dass sie anderen zur Last fallen und die Beziehungen belasten könnten. 71 % äußerten diese Befürchtung.
Im Hinblick auf die Partnerschaft sind die Verlustängste zwar nicht ganz so hoch, aber immerhin auch 37 %
äußerten Angst vor dem Verlust des Partners. Stellt man in Rechnung, dass 70 % der Befragten ledig, geschieden
oder verwitwet sind, so kann man davon ausgehen, dass diesen Verlust nahezu alle befürchten, die einen Partner
haben. (Anmerkung: dass 70 % der Befragten allein leben und 37 % den Verlust der Partnerschaft befürchten, ist
dann kein Widerspruch, wenn man Partnerschaften einbezieht, die keinen gemeinsamen Haushalt führen, was
insbesondere auf Ledige zutreffen kann.)
3.4.4.3 Verlust des Selbstwertgefühls
In engem Zusammenhang mit dem oben erwähnten Selbstwertgefühl steht die Angst der Geringschätzung durch
Dritte. 56 % meinten – wenigstens teilweise – zu befürchten, dass sie von anderen als Versager angesehen werden könnten. Auch hier ist die enge Korrespondenz von Selbstwahrnehmung und angenommener Fremdeinschätzung dafür verantwortlich, dass die geäußerten Selbstzweifel so dominant in die Lebenssituation eingreifen.
Neben diesen Ängsten der Beurteilung der eigenen Person stehen auch Ängste, die sich auf die faktische Selbständigkeit der Lebensführung beziehen. So sorgen sich drei Viertel aller Betroffenen darüber, die Freiheit ihrer
Lebensführung zu verlieren und unter ständige Kontrolle durch Dritte zu geraten. Diese Antizipation eines eingeschränkten und kontrollierten Lebens wird als Bedrohung erlebt, obwohl der Gang zur Beratungsstelle, der der
Befragung ja vorausging, den freiwilligen Entschluss voraussetzte, sich nicht nur in seine Angelegenheiten
schauen zu lassen, sondern sich eben auch einer (freiwilligen) Kontrolle zu unterziehen. Die Beratung und evtl.
Hilfestellung durch die Beratungsstellen wird dabei nicht als Einschränkung der Freiheit gedeutet – das Gegenteil ist der Fall. Vielmehr bezieht sich die Sorge auf unfreiwillig zu gewährende Einblicke und Eingriffe in das
eigene Leben und die damit verbundene Befürchtung, dass das auf Dauer geschieht.
Zu dieser Sorge um die Selbständigkeit der künftigen Lebensführung gehört auch deren materielle Seite. 83 %
der Befragten äußern die Sorge, sich „nichts mehr leisten zu können“. Sich nichts mehr leisten zu können, ist
eine Befürchtung, die davon ausgeht, dass infolge der Überschuldung sämtliche privaten Ausgaben durch absolute Notwendigkeiten der Sicherung elementarer Lebensbedürfnisse bestimmt sein könnten. Sie erstreckt sich
auch auf die Möglichkeit, sein Leben durch einen bestimmten Konsum selbst gestalten und zwischen Alternativen Entscheidungen treffen zu können. Schließlich ist in dieser Formulierung auch ein Hinweis auf die Möglichkeiten zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben enthalten, weil ein größerer Teil von Teilhabeformen mit finanziellen Aufwand verbunden ist.
Eng mit der Sorge um die finanziellen Lebensverhältnisse und die damit verbundene Abwertung der eigenen
Person im Selbstbild wie im befürchteten Fremdbild ist die Sorge, den eigenen Kindern nicht mehr das für angemessen Gehaltene bieten zu können. Das trifft auf 53 % der Befragten zu. In derartigen Befürchtungen kommen oft mehrere Gesichtspunkte zur Geltung. Dabei geht es einerseits darum, den Kindern einen materiellen
Lebensstandard bieten zu können, der sich immer auch am Vergleich mit den Altersgleichen orientiert. Von
einer Einschränkung der eigenen finanziellen Möglichkeiten sind eben auch die zugehörigen Kinder betroffen.
Wir gehen unten darauf ein, wie die Befragten diese Einschränkungen antizipieren. Es geht aber immer auch um
die Zukunft der Lebenschancen der Kinder und die Sorge, ihnen durch die gegebene Situation Chancen zu
verbauen. Drittens ist immer auch die Anerkennung der eigenen Person und Position den Kindern gegenüber mit
im Spiel. Den Kindern nichts mehr bieten zu können, kann zu einem Verlust der Anerkennung seitens der Kinder
führen. Auch in dieser Hinsicht beeinträchtigt die wahrgenommene eigene Situation das Selbstbild der Betroffenen.
An diese Einschränkungen des persönlichen Lebens der Klienten knüpft sich ein breites Tätigkeitsspektrum der
Beratungsstellen.
83
3.5
Verhaltensänderungen
Die Lösung des Schuldenproblems ist für alle Überschuldeten in der Regel mit erheblichen Einschnitten in der
Lebensführung verbunden.
Auf der einen Seite werden im Zuge der Schuldenbereinigung Anforderungen in unterschiedlicher Form von
außen an sie heran getragen. Auf der anderen Seite hängt viel von der Motivation und Bereitschaft der Betroffenen ab, auch selbst aktiv zu werden. In diesem notwendigen Zusammenspiel von externen Anforderungen und
der Einstellung der Klienten ergibt sich ein wichtiges Tätigkeitsfeld der Beratungsstellen. Auch hier kommt der
Charakter der Arbeit als Sozialarbeit zum Ausdruck. Die Formulierung notwendiger Einschränkungen und Anforderungen an das Verhalten der Klienten erfordert häufig eine Vermittlung und Moderation, aber auch Motivation und Kontrolle.
In der Befragung konnten wir eine breite Einsicht und eigene Bereitschaft zu Einschränkungen und zur Änderung bisherigen Verhaltens feststellen. Nur drei Befragte gaben keine Antwort auf die Frage nach zusätzlichen
eigenen Anstrengungen für die Lösung des Schuldenproblems. Alle anderen äußerten die Bereitschaft zusätzliche Anstrengungen zu übernehmen.
Die Sicherung des Einkommens durch eigene Arbeit spielt bei der Problemlösung eine große Rolle. Es leuchtet
ein, dass die Lösung des Schuldenproblems am günstigsten unter der Voraussetzung einer regulären Beschäftigung und eines daraus erzielten Einkommens erfolgt. Das liegt im gesellschaftlichen Interesse, denn die Schuldner ohne Beschäftigung sind auf Transferleistungen angewiesen, die ihnen es natürlich nicht eben einfach machen, von gegebenenfalls erheblichen Schulden runter zu kommen. Die Ausübung einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung ist zudem für die Verhandlungen mit den Gläubigern wie auch für die Aussichten
einer Insolvenz vorteilhaft.
Mit der Reform der Arbeitsvermittlung ab 2005 bekommt dieser Aspekt eine weitere Bedeutung. An die Kooperation der Schuldnerberatung und der Arbeitsvermittlung werden neue Anforderungen gestellt werden, die bis
jetzt eine Reihe von Fragen offen gelassen hat (siehe Kapitel 5)
Die Befragung ergab, dass die Mehrzahl der Befragten bereit ist, das Anspruchs- und Erwartungsniveau an eine
reguläre Beschäftigung in einer Weise zu senken, die für sie sonst nicht in Frage kommen würde. 60 % der Befragten erklärten die Bereitschaft, eine Arbeit anzunehmen, die sie sonst nicht annehmen würden.
Wiederum 58 % gaben an, auch länger als sonst zu arbeiten. Rechnet man die Doppelantworten heraus, so ergibt
sich dass, insgesamt 77 % der Befragten zu einer von beiden Anstrengungen bereit wäre. Diese Anteile müssen
in Relation zu dem Anteil der arbeitsfähigen Klienten gesetzt werden. Unter den Befragten sind 75 %, die dem
Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Es sind also etwas mehr als die ohnehin dem Arbeitsmarkt zur Verfügung
stehenden, die ihre Arbeitsbemühungen steigern würden. Wie viele Klienten allerdings künftig als arbeitsfähig
gelten und dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen müssen, kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht gesagt
werden. Im Zusammenhang mit „Hartz IV“ wird eine Bewertung der Arbeitsfähigkeit und der Zumutbarkeit von
Arbeit vorgenommen, die sich auch auf Personen beziehen wird, die bisher nicht erwerbstätig waren. Das heißt,
dass auch auf einen Teil der Überschuldeten Erwerbsanforderungen zukommen. Ob diejenigen, an die sich die
Erwerbsanforderungen richten, auch dazu bereit und eingestellt sind, kann hier nicht bewertet werden. Die Bereitschaft, die Arbeitsbemühungen zu steigern, ist in unserer Befragung vor allem von den Erwerbspersonen
geäußert worden. Wie realistisch eine solche Bereitschaft angesichts der Arbeitsmarktlage ist und ob eine zusätzliche Mehrarbeit (und damit ein Mehreinkommen) in jedem Einzelfall auch immer rational erscheint (z.B. angesichts von Pfändungsobergrenzen) sei dahin gestellt. Viel wichtiger in diesem Zusammenhang ist die grundsätzliche Einstellung, durch Abstriche am bisherigen Aspirationsniveau einen eigenen Beitrag leisten zu wollen. In
dieser Hinsicht können die Schuldnerberatungsstellen zwar nicht die Aufgaben der Arbeitsagentur (oder der JobZentren) übernehmen, aber eine Richtung möglicher Unterstützung ist damit angezeigt. Natürlich ist der Weg
von einer allgemeinen Absichtserklärung in einem Fragebogen noch kein tatsächliches Engagement, aber es ist
eine Voraussetzung auch für die mögliche Wirksamkeit der Hilfestellung der Beratungsstellen in dieser Hinsicht.
Gleiches gilt für die Bereitschaft die Wohnung zu wechseln, wenn es der Lösung des Problems dient. 52 % würden die Wohnung gegebenenfalls wechseln. Dabei ist wiederum zu berücksichtigen, dass auch ein solcher Schritt
nicht in allen Fällen geboten oder sinnvoll ist. Wichtig ist auch hier, dass eine große Zahl der Befragten (dabei
sind diejenigen nicht heraus gerechnet, für die ein Wohnungswechsel gar nicht möglich ist) zu einschneidenden
Maßnahmen bereit ist.
84
Die meisten – nämlich 82 % – sehen ihren eigenen Beitrag auch im Naheliegenden, in der Einschränkung des
eigenen Konsums auf das Notwendigste. Das ist eine Erwartung, die man sicherlich an die Überschuldeten richten wird. Dass diese Notwendigkeit aber auch auf eine innere Bereitschaft stößt, ist für die Nachhaltigkeit späterer Lösungen des Problems von großer Bedeutung.
In ihrem bisherigen Leben mit hohen Schulden haben die Befragten bereits Einschnitte in ihren Haushaltsausgaben vollzogen.
Im einzelnen verteilen sich die Verzichte und Einschränkungen auf bestimmte Lebensbereiche wie folgt:
3.5.1
Grundsicherung – Bereiche Wohnung, Heizung, Versicherung und Ernährung,
Kleidung
Wie der Tabelle zu entnehmen ist, sind die Befragten zu unterschiedlichen Einschränkungen bzw. Verzicht bereit. An Ausgaben für Ernährung, Energie- und Heizkosten wird bisher am meisten festgehalten, obschon die
überwiegende Mehrheit sich zu Einschränkungen genötigt sah. Ausgaben für Bekleidung, Einrichtung der Wohnung und Versicherungen unterliegen der häufigsten Beschränkung oder dem Verzicht.
Einschränkungen in der Grundversorgung
3.5.2
nicht
einschränken
einschränken
verzichten
trifft nicht zu
Ernährung
18,6%
72,5%
3,9%
4,9%
Neue Bekleidung
3,8%
60%
32,4%
3,8%
Einrichtung der
Wohnung
2,9%
47,1%
37,3%
12,7%
Energie/Heizkosten
16,8%
73,7%
1,1%
8,4%
Versicherungen
6%
19%
50%
25%
Mobilität
Einschränkungen der Mobilität sind nicht in jeder Hinsicht und in jedem Fall sinnvoll. Schon die Anforderungen
des Arbeitsmarktes lassen eine Reduktion der täglichen Mobilität nicht zu. Dennoch wird deutlich, dass auch in
dieser Hinsicht Einschränkungen hingenommen wurden. Nur eine Minderheit will noch am PKW festhalten. Mit
den Regelungen des neuen Sozialhilfegesetzes ergeben sich allerdings Möglichkeiten, einen PKW halten zu
„dürfen“, eine Chance, die den Befragten in der Regel nicht offen steht.
Aus diesen Gründen ist die uneingeschränkte Nutzungsmöglichkeit des öffentlichen Personennahverkehrs – z.B.
in Form eines Sozialtickets – umso wichtiger.
Einschränkungen in der Mobilität
nicht
einschränken
einschränken
verzichten
trifft nicht zu
Nutzung
öffentlicher
Verkehrsmittel
16,8%
59,4%
13,9%
9,9%
Haltung eines
PKW
2,9%
4,9%
56,9%
35,3%
Urlaub
3,8%
16,2%
73,3%
6,7%
85
3.5.3
Kommunikation und Kultur
Dass die Kommunikation per Telefon eingeschränkt werden musste, scheint vielleicht verständlich, ein Verzicht
auf ein Telefon ist aber auch aus gesellschaftlicher Sicht nicht vorgesehen.
Bedenklich ist die Einschränkung oder gar der Verzicht auf eine Tageszeitung oder Bücher, obwohl auch auf die
Inanspruchnahme kostenloser Angebote hingewiesen werden kann. Es kann aber nicht im persönlichen und auch
nicht im gesellschaftlichen Interesse liegen, aus der verschriftlichten Kommunikation auszusteigen.
Einschränkungen in der Kommunikation und Kultur
nicht
einschränken
3.5.4
einschränken
verzichten
trifft nicht zu
Ausgehen wie
Kinobesuch, Essen
gehen usw.
1%
43,3%
48,1%
7,7%
Hobbys
6,1%
42,4%
37,4%
14,1%
Kauf von Büchern /
Tageszeitungen
7,9%
40,6%
34,7%
16,8%
Telefonieren
5%
82,2%
5,9%
6,9%
Ausbildung der Kinder
Rund 20 % derjenigen mit Kindern haben bereits die Unterstützung der Kinder eingestellt, 60 % mussten sie
einschränken und wiederum rund 20 % sahen sich bisher nicht gezwungen, die Unterstützung für die Kinder
einzuschränken.
3.5.5
Medikamente
24 % derjenigen, die Medikamente nehmen, gaben an, bereits darauf zu verzichten.
58 % wollen die Ausgaben für Medikamente einschränken. 17 % wollen oder können die Ausgaben nicht einschränken.
3.5.6
Genussmittel
75 % wollen das Rauchen einschränken, 12 % darauf verzichten und wiederum 12 % wollen das Rauchen nicht
reduzieren.
Im Hinblick auf die Motivation zu verträglichen und hilfreichen Einschränkungen im Verbrauch leisten die Beratungsstellen viel Arbeit. Das beginnt bei der Hilfe bei der Haushaltsführung und endet nicht bei Aspekten der
Ernährungsberatung. Es bezieht sich auf die Suche nach Alternativen in der Besorgung notwendiger Lebensbedingungen und –mittel.
3.6
Erwartungen an die Beratung
Die Erwartungen an die Beratungsstellen sind erfahrungsgemäß hoch gesteckt und vielfältig. Das ist nach den
bisherigen Befunden über das subjektive Befinden der Befragten nicht verwunderlich. Die mit Hoffnungen verbundenen Erwartungen beziehen sich auf sehr verschiedene Gesichtspunkte der eigenen Lebenssituation. Wieder
muss betont werden, dass die Schuldnerberatung weder in ihrem Selbstverständnis noch im Spiegel der Erwartungen der Klienten ausschließlich auf die juristische und finanzielle Seite der Situation gerichtet ist, sondern
sich als Sozialarbeit verstehen muss. Dem entsprechend erstrecken sich die Erwartungen auch auf Aspekte der
Anteilnahme und des Zuspruchs, der Hilfe zur Verbesserung der eigenen gesundheitlichen, psychischen und vor
allem auch sozialen Situation, der Anleitung zur Verhaltensänderung bis hin zu Hilfen bei der praktischen Lebensführung.
86
Die Befragung ergab folgende Erwartungen:
-
88 % rechtliche Beratung
49 % Übernahme der Arbeit mit den Gläubigern
63 % Unterstützung beim Insolvenzverfahren
51 % Befreiung von Schulden
61 % Hilfe, um mit Schulden leben zu können
53 % lebenspraktische Hilfe
37 % seelischen Zuspruch
Die Dauer der Schuldensituation hat keinen großen Einfluss auf die Erwartungen der Klienten an die Beratungsstellen. Im Hinblick auf die Arbeit mit den Gläubigern und die Vorbereitung auf das und Begleitung beim Insolvenzverfahren erwarten die Langzeitschuldner häufiger Unterstützung. Auch Hilfe, mit Schulden leben zu können, also im Hinblick auf einen länger andauernden Zustand der Schuldensituation, erwarten die Langzeitschuldner häufiger. In den anderen Aspekten der Beratungsleistungen ließen sich keine Unterschiede feststellen.
Aber die Hoffnung auf eine Befreiung von den Schulden ist bei den Klienten mit kürzerer Verschuldungsdauer
verbreiteter.
Die Erwartungen von Frauen sind in allen Belangen etwas höher als die der Männer, d.h. sie äußern anteilig
häufiger die Erwartung an die einzelnen Aspekte der Hilfe. Dabei treten die Erwartungen an die lebenspraktische
Hilfe und seelischen Zuspruch noch einmal etwas deutlicher hervor.
Schließlich haben wir nach dem künftigen Zugang zur Lösung des Schuldenproblems gefragt. Uns interessierte,
in wie weit sich die Befragten nach einer Erstberatung eine selbständige Handhabung des Problems zutrauen.
Dabei stellt sich heraus, dass sich etwa die Hälfte der Klienten eine selbständige Lösung zutraut. 44 % sind sich
sicher, weitere Hilfe und Beratung in Anspruch nehmen zu müssen. Rund sechs Prozent waren sich noch nicht
sicher.
Im einzelnen bedeutet das, dass rund 32 % angaben allein weiter zu kommen, weil die Beratung wertvolle Tipps
gegeben habe und rund 19 % meinten, dass sie selbst weiter kommen werden, weil die Beratung ihnen Mut
gemacht hat.
Rund 16 % gaben dagegen an, über die eigene Situation keinen Überblick mehr zu haben und immerhin 28 %
kommen nicht allein zurecht, weil sie sich vollständig überfordert fühlen.
Auch in dieser Hinsicht konnten Unterschiede zwischen Männern und Frauen festgestellt werden: 59 % der
Männer meinten, in Zukunft allein zurecht zu kommen, aber nur 51 % der Frauen. Dementsprechend fühlten sich
mehr Frauen auf weitere Beratung und Hilfe angewiesen. Insbesondere fühlen sich die Frauen häufiger überfordert: 39 % von ihnen gab das an und „nur“ 25 % der Männer.
Einen nur geringeren Einfluss auf die Notwendigkeit zu laufender Beratung als das Geschlecht hat die Dauer der
Verschuldung. 60 % der Befragten mit kurzzeitigen Schulden gaben an, auf eine dauernde Hilfe verzichten zu
können, aber nur 47 % derjenigen mit lang andauernden Schulden. Für die Begründung der Angewiesenheit auf
laufende Beratung spielte die Tatsache eine größere Rolle, dass die Übersicht über die eigene Situation nicht
mehr gegeben ist.
3.7
Schlussfolgerungen für die Abschätzung des Bedarfes an laufender Beratung für den Stadtbezirk Friedrichshain/Kreuzberg
Das erzielte Resultat wirft schließlich auch ein Licht auf die Abschätzung des Bedarfes für die laufende Beratung.
Im Stadtbezirk Friedrichshain/Kreuzberg haben sich in den drei Beratungsstellen im Jahr 2003 laut InsOStat
insgesamt 2.744 Klienten an Einmalberatungen beteiligt. Aus den Daten für 2004 ist keine grundsätzliche Änderung in der Frequentierung der Beratungsstellen abzulesen. Die Angaben für die einzelnen Bezirke lagen zwar
noch nicht vor, aber aus der Übersicht über die Situation in ganz Berlin geht hervor, dass sich die Inanspruchnahme der Einmalberatung nicht wesentlich geändert hat.
87
Im Anschluss an die Abschätzung des Bedarfes an laufender Beratung für Berlin im ersten Kapitel führt zu folgendem Schluss:
Wenn wir davon ausgehen, dass der untere Schätzwert des Bedarfes bei 14,3 % derjenigen liegt, die an einer
Einmalberatung teilnehmen, der mittlere, realistischere Wert bei 20 % und der Maximale Wert bei 44 %, dann
heißt das, dass im Stadtbezirk ein Bedarf an laufender Beratung von minimal bei 980 Klienten, realistisch
bei 1370 und maximal bei 3020 Personen besteht.
Im Vergleich dazu: in der laufenden Beratung befinden sich gegenwärtig rund 850 Klienten.
Wir können also feststellen, dass der gegenwärtige Bedarf an laufender Beratung im Stadtbezirk Friedrichhain/Kreuzberg nur ungenügend gedeckt werden kann.
Nicht eingerechnet ist dabei der Bedarf, der sich ab 2005 aus den Folgen der Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe gemäß SGB II ergibt.
88
4
Institutionelle Bedingungen der Schuldnerberatung
In diesem Abschnitt sollen Einschätzungen und Bewertungen zu institutionellen Bedingungen der Arbeit aus der
Sicht der Beratungsstellen und Anregungen bzw. Vorschläge wiedergegeben werden, die in Arbeitsgesprächen
und Leitfadeninterviews mit den Beratungsstellen geäußert wurden.
Es ist weder angestrebt, die Komplexität der Beratung darzustellen, noch eine Evaluation der Tätigkeit der Beratungsstellen vorzunehmen. Die Vielfalt der Aufgaben und der Aspekte der praktischen Arbeit der Beratung sind
an vielen anderen Stellen geschildert worden und eine Evaluation der Beratung hatte die „Meinhold-Studie“ zum
Ziel.
Als Basis dienen Leitfadeninterviews mit Leitern von Beratungsstellen und häufigere „Arbeitsgespräche“..
4.1
Allgemeine Rahmenbedingungen
Mit dem Senatsbeschluss 1544/98 vom 30.06.1998 hat das Land Berlin die Voraussetzungen zur Umsetzung der
Insolvenzrechtsreform geschaffen. Am 1. Januar 1999 trat sie in Kraft. Anfangs gab es 22 Schuldner- und Insolvenzberatungsstellen, die alle freie Träger und Mitglieder von Wohlfahrtsverbänden waren. Weil aber durch die
Bezirksreform (2001) die 23 Berliner Bezirke zu 12 zusammengeschlossen wurden, arbeiten heute noch 20 anerkannte Beratungsstellen als geeignete Stellen im Sinne des § 4 AGInsO (Gesetz zur Ausführung der Insolvenzordnung) und deren Ausführungsvorschriften zum AGInsO (AV-GinsO) unter Aufsicht der Senatsverwaltung
für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz.
Die Pflichten der freien Träger umfassen die kompetente juristische, wirtschaftliche und psychosoziale Beratung
Überschuldeter, deren partielle juristische Vertretung und die Unterstützung bzw. Begleitung (im Sinne von
Betreuung) bei der Schuldenregulierung mit und ohne Insolvenzverfahren. Im Gegenzug sorgt der Berliner
Haushalt durch Festfinanzierung für die finanzielle und personelle Ausstattung der Schuldnerberatung. Damit
verbunden ist die Erwartung einer bestimmten Beratungsdichte und -intensität (80-90 Klienten in laufender Beratung pro Berater plus Einmalberatungen in Sprechstunden nach Bedarf) und die Nutzung der von der Senatsverwaltung erarbeiteten und bereitgestellten Datenbank „InsOStat“ für Zwecke der Information, Analyse und
Kontrolle.
Aufgaben und Zielstellungen der Beratungsarbeit sind in Zusammenarbeit der Beratungsstellen, der Landesarbeitsgemeinschaft der Berliner Schuldnerberatungsstellen und der Senatsverwaltung erarbeitet worden und in die
gesetzlichen Durchführungsbestimmungen eingeflossen.
Die Tätigkeitsfelder sind Einmalberatung, laufende Beratung, Information, Prävention und sozialpolitische Interessenvertretung.
Zu den Aufgaben der Beratungsstellen gehören die Existenzsicherung der Klienten, die Abwehr unberechtigter
Forderungen von Gläubigern, die psychosoziale und wirtschaftliche Stabilisierung, die Reintegration der Klienten und nicht zuletzt die Schuldenregulierung. Hinzu kommt die Informations- und Beratungstätigkeit in Einmalberatungen und Informationsveranstaltungen. Außerdem leisten die Beratungsstellen Präventionsarbeit und
sozialpolitische Interessenvertretung in der Landesarbeitsgemeinschaft mit ressortübergreifenden Arbeitsgruppen.
Insgesamt wird von den Beratungsstellen eingeschätzt, dass die Rahmenbedingungen im Land Berlin
überdurchschnittlich gut sind.
Schuldner- und Insolvenzberatung ist bisher keine geschützte Tätigkeit. Sie kann von beliebigen, anderen Anbietern durchgeführt werden, wenn und insofern ein Klient den Auftrag erteilt.
Die Vertretung in Rechtsakten und die Rechtsberatung bedarf der Zulassung, ist aber für eine einfache Beratungstätigkeit nicht zwingend. Rechtsanwaltskanzleien, gemeinnützige Organisationen und gewerbliche Anbieter
sind neben den anerkannten Beratungsstellen auf diesem Feld tätig. Die meisten Leistungen außerhalb der anerkannten Beratungsstellen sind mit Kosten für die Klienten verbunden. Die angebotenen Leistungen sind dabei
entweder stark reduziert (z.B. bei Rechtsanwälten auf Rechtsberatung und gerichtliche Vertretung) oder rechtlich
eingeschränkt, mit beliebigen Verbindlichkeitscharakter und in den Leistungen undurchsichtig, wie etwa bei
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gewerblichen Anbietern. Die Anerkennung von gewerblichen Anbietern ist nicht weiter vorgesehen, sie würde
an deren mangelnder Zuverlässigkeit, fachlichen Qualifikation und Intransparenz der Arbeitsabläufe scheitern.
Schuldnerberatung ist Vertrauenssache und erfordert den korrekten Umgang mit dem Wissen und den Akten
über die Klienten und den Schutz ihrer Persönlichkeitsrechte. Sie sollte nur an Organisationen vergeben werden,
die – wie die freien Träger – die notwendigen Voraussetzungen mitbringen.
4.2
Trägerschaft
Die freie Trägerschaft ist das allgemeine Organisationsprinzip der Schuldnerberatung in Berlin. Die Alternativen
wären: Schuldnerbratung als direkt staatliche Leistung, als gewerbliche Leistung, als Leistung durch Privatpersonen oder von Kleinstorganisationen. Alle diese Alternativen haben erheblich mehr Nach- als Vorteile.
Die freie Trägerschaft bedeutet eine eigenverantwortliche, professionelle Arbeit im Kontext einer Organisation,
die Kontinuität in der Arbeit und hinreichende Flexibilität miteinander verbinden.
Die freie Trägerschaft ist aus mehreren Gesichtspunkten sinnvoll.
Für den Senat bietet die Zusammenarbeit mit freien Trägern eine
-
-
Absicherung des Senats als Auftraggeber und Finanzierer im Hinblick auf die Einhaltung und Verfolgung festgelegter Zielstellungen, die dauerhafte Sicherung der Qualität, den Schutz der Klienten, und
die Nachhaltigkeit der Beratungserfolge
Absicherung im Hinblick auf den regelgerechten Ressourceneinsatz
Annähernd einheitliche Gestaltung der Beratungstätigkeit im Land
Sicherung Kontinuität und Kooperation der Beratungsstellen mit den Partnern
Aus der Sicht der Beratung ist die Trägerschaft sinnvoll, weil
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eine Anbindung an eine Organisation per se ein Organisationsvorteil ist.
die Verantwortung in eigene Regie übernommen werden kann
Gestaltungsmöglichkeiten eröffnet werden können – unabhängig von öffentlich dienstrechtlichen Bestimmungen, aber unter Einhaltung gesetzlicher Vorgaben
eine Anbindung an eine Organisation der Sozialarbeit den Charakter und die Ziele der Beratung besser
zur Geltung bringen, eine größere Sachorientierung und Professionalität erreicht werden kann
auf Grundorientierungen und Prinzipien der sozialen Dienstleistung, die in den Organisationen gelten,
zurückgegriffen werden
bei Wahrung der Eigenständigkeit bzw. Selbständigkeit innerhalb der Organisation ein hinreichendes
Maß an zielführender Flexibilität in der Arbeit gesichert werden kann
eine Grundorientierung den Mitarbeiterinnen die Ausrichtung der eigenen Arbeit und ein auch persönliches Berufsverständnis ermöglicht, das mit dem der Kolleginnen korrespondiert
Aus der Sicht der Klienten ist die freie Trägerschaft vorteilhaft, weil
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keine direkte Nähe zu staatlichen Einrichtungen besteht. Das kann die Offenheit der Information begünstigen und Zielkonflikte vermeiden.
hinreichende Sicherheit der Seriosität durch den nicht gewerblichen Charakter der Beratung (kein Interessenkonflikt) gegeben ist.
eine Anerkennung seitens der beteiligten Akteure (Gläubiger, Gerichte, staatlicher Einrichtungen und
Institutionen, z.B. Ämter) vorliegt, die den Ablauf der Beratung und Betreuung reibungsloser gestaltet.
In allen Gesprächen mit den Beratern wurde die Vielfalt des Beratungsangebotes in Berlin und im Bezirk gelobt.
Gleichzeitig wurde auch immer wieder Wert auf die Betonung der Eigenständigkeit innerhalb des Trägers gelegt.
Neben den organisatorischen Vorteilen der freien Trägerschaft ist die Bedeutung eines weltanschaulichen oder
konfessionellen Hintergrundes für das Selbstverständnis der Tätigkeit der Beratungsstelle und der Mitarbeiter
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hervorgehoben worden. Dessen Bedeutung ist vielleicht aus externer Sicht nicht auf Anhieb deutlich, denn die
Zielstellung und Leistungserbringung der Beratung ist an sachlichen und professionellen Kriterien orientiert und
gebunden. Aber die Eigenart der Beratung, die den Klienten als ganze Person in den Mittelpunkt der Beratung
stellt, erfordert eine Vorstellung von und eine Einstellung zu gesellschaftlichen Zusammenhängen auf der einen
und der Stellung und Rolle des einzelnen Menschen darin auf der anderen Seite. Diese Einstellungen und Haltungen müssen vielen Anforderungen genügen, um auf der einen Seite die Vielfalt der Klienten und ihrer je
eigenen Probleme erfassen und einordnen zu können und auf der anderen Seite auch vom Klienten als eine vertrauenswürdige Grundlage der Zusammenarbeit verstanden werden können. Eine solche Anschauung und Haltung kann nicht aus einer Privateinstellung begründet werden. Sie muss gesellschaftliche Anerkennung finden.
Auf der Grundlage eines solchen begründeten Wertverständnisses kann die Kooperation mit anderen, an der
Schuldenregulierung beteiligten Akteuren erfolgen.
Derartige grundlegende Positionen müssen sich in gewisser Weise gesellschaftlich „bewährt“ haben, um erfolgreich in die Kooperation eingebracht werden zu können. So kann – um ein extremes Beispiel zu nennen – eine
Haltung, die die Integration in das Institutionen- und Rollengefüge der gegeben Gesellschaft und ihrer Ordnungen ablehnt, keine Grundlage für die Beratung sein. Immerhin sollen Ratschläge erteilt werden, die dem Klienten
selbst zu Anerkennung in einem Prozess der Auseinandersetzung und Kooperation mit verschiedenen Akteuren
und Institutionen verhelfen.
Die Grundprinzipien der freien Träger beinhalten Rücksichten, die geeignet sind, die große Nähe zum Klienten –
bis hin zu intimen Angelegenheiten – zu handhaben, seine besondere Lebenssituation zu berücksichtigen und
dennoch auf normierte Anforderungen der Umwelt zu reagieren. Das kann nicht der Beliebigkeit von Einstellungen von Beratern und schon gar nicht gewerblichen Interessen überlassen sein.
Andere Anbieter, vor allem gewerbliche, können eine solche Grundlage nicht bieten.
Vielmehr wird auf die Gefahren der Gewinnorientierung hingewiesen. Sie gehen u.U. so weit, dass unter fragwürdigen Praktiken auf Klienten aktiv zugegangen wird und Versprechungen gemacht werden, denen jegliche
Grundlage fehlt.
Der Schaden für die Schuldner kann nicht exakt beziffert werden, geschätzt wird 1.000 bis 1.500 Euro pro
Klient.
Die Vielfalt der Beratungsangebote bietet für die Klienten die Chance nach derartigen Grundpositionen u.U.
wählen zu können.
Dass aus solchen Grundpositionen keine Dogmen der Beratung werden, ist durch die professionelle, an den
Zielen der Beratung orientierte Herangehensweise der Berater gewährleistet.
4.3
Arbeit mit dem Klienten
Die Arbeit mit dem Klienten, mit dem Hilfe suchenden Menschen steht im Mittelpunkt der Tätigkeit der Beratung. Diese umfasst die vielfältigsten Aspekte. Wir greifen hier nur ein Prinzip der Arbeit mit den Klienten heraus, von dem wir vermuten, dass es in der Zukunft unterlaufen werden könnte. Alle Schuldnerberatung arbeitet –
wie viele Bereiche der Sozialarbeit – unter der Voraussetzung der Freiwilligkeit. Die bisherige Praxis ist dadurch
gekennzeichnet, dass die Klienten freiwillig die Beratungsstellen aufsuchen.
Dieses Prinzip der Freiwilligkeit ist in mehrfacher Hinsicht von Bedeutung:
•
Es zeigt eine Lebenssituation an, die der Klient selbst als unterstützungsbedürftig bewertet. Damit ist
bei den Klienten eine Situationswahrnehmung gegeben, die ein erster Schritt ist, das Problem überhaupt
angehen zu können. Wie auch immer diese Situationsbewertung ausgelöst worden ist, die Tatsache der
eigenen Feststellung der Hilfebedürftigkeit unterscheidet die Klienten von denjenigen, die den Ernst ihrer Lage noch nicht erkannt haben.
•
Es deutet auf eine Motivation zur Problemlösung hin. Schuldnerberatung kann nur erfolgreich sein,
wenn die Klienten aktiv an der Lösung des Problems mitarbeiten. Sie müssen sich auf einschränkende
Regeln einlassen, sie müssen selbst nach Wegen suchen, die Schulden zu bereinigen oder aber nach
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Möglichkeiten, über eine längere Zeit hinweg mit Schulden leben zu können. Schuldnerberatung hat
letztlich das Ziel, den Klienten zu einem in finanzieller Hinsicht selbständigen Leben zu befähigen. Das
geht nicht ohne die Bereitschaft des Klienten. Der freiwillige Gang zur Beratungsstelle ist eine wesentliche Voraussetzung und ein Anzeichen für diese Motivation.
•
Es begründet das Vertrauensverhältnis des Klienten zum Berater. Wie erwähnt, ist die Beratung Vertrauenssache – und zwar in beiden Richtungen. Der Klient muss Vertrauen aufbauen und auch der Berater muss Vertrauen in die Bereitschaft und Offenheit des Klienten haben. Der Aufbau eines Vertrauensverhältnisses wird durch die Freiwilligkeit der Beratung erheblich unterstützt.
Motivation und Vertrauen sind die wichtigsten Gesichtspunkte, die durch die Freiwilligkeit der Beratung unterstützt werden. Der Klient gibt während der Beratung notwendiger Weise Einblicke in sein persönliches Leben,
die ein Vertrauensverhältnis voraussetzen. Er wird aufgefordert Grenzen zu überschreiten, die ansonsten seine
Person und seine Persönlichkeitsrechte schützen. Eine Aufhebung des Freiwilligkeitsprinzips kann dazu führen,
dass sich ein Vertrauensverhältnis nicht einstellt oder untergraben wird. Über die Bedeutung des Vertrauens
hinaus ist aber auch zu fragen, ob eine Aufhebung des Prinzips der Freiwilligkeit nicht verfassungsmäßige Rechte der Klienten untergräbt. Eine Aufhebung dieses Prinzips ist daher entweder nur mit der Einschränkung verfassungsmäßiger Grundrechte zu haben oder aber sie geht auf Kosten der Nähe zum Klienten. Die Folge könnte
eine Beratung „light“ sein, die den Klienten nicht wirklich erreicht und ihn zu einem selbständigen Leben verhilft.
Freiwilligkeit wird in diesem Sinn einhellig als Bedingung der Beratung benannt. Sie senkt die Hemmschwelle
der Klienten, setzt eine Motivation voraus und schafft Vertrauen. Immer wieder wird betont, dass die Lösung der
Schuldenprobleme mit Lernprozessen bei den Klienten verknüpft werden müssen, um nachhaltige Wirkung zu
erzielen.
Im Zusammenhang mit der Umsetzung des SGB II ist auch auf die Aufgabe der Schuldnerberatung hingewiesen
worden. Das Gesetz empfiehlt diese neben anderen sozialen Dienstleistungen. Wie eine Umsetzung dieser Empfehlung erfolgen wird, ist bisher unklar. Dennoch deuten einige Anzeichen darauf hin, dass die Schuldnerberatung für Klienten angeordnet werden könnte. Mindestens in den Fällen, in denen die Überschuldung ein Vermittlungshemmnis für den ersten Arbeitsmarkt bedeutet, könnte die Schuldnerbratung als Auflage erteilt werden.
Damit würde das Prinzip der Freiwilligkeit verletzt werden. Die Konsequenzen einer solchen Vorgehensweise
sind noch nicht klar, aber der Verzicht auf die Vorteile der Freiwilligkeit kann deren positive Wirkungen unterminieren.
Ob eine Zwangsberatung den Erfolg haben kann und ob diese insbesondere nachhaltige Wirkungen erzielen
kann, ist mehr als fraglich.
Über diese Risiken hinaus sind die angesprochenen verfassungsrechtlichen Bedenken aus dem Weg zu räumen.
Die Beratungsstellen und die LAG sollten in Zusammenarbeit mit dem Senat und den Jobzentren diese Frage
diskutieren und Wege suchen, wie der infolge von Hartz IV steigende Beratungsbedarf gedeckt werden kann und
wie dabei mit dem Prinzip der Freiwilligkeit verfahren werden soll.
4.4
Finanzielle und organisatorische Bedingungen
Die Vereinbarungen des Senats mit den Trägern sehen für den Bezirk Friedrichshain/Kreuzberg drei anerkannte
Beratungsstellen unter der Trägerschaft der Dilab eV., der Arbeiterwohlfahrt und des Diakonisches Werkes vor.
Sie sind jeweils mit drei Beraterinnen und einer halben Bürokraft ausgestattet. Der Senat übernimmt die Finanzierung der Personalkosten, der Arbeitsräume, der Arbeitsmittel und weiterer laufender Ausgaben.
Einen Teil zusätzlicher Mittel stellt das Bezirksamt für Friedrichshain/Kreuzberg zur Verfügung. Dieser erweist
sich wegen der besonderen Betroffenheit des Bezirkes als notwendig. So wird z.B. in der Beratungsstelle der
AWO ein Dolmetscher halbtags vom Bezirksamt finanziert.
Im Interview äußerten die Leiter der Beratungsstellen, dass die Ausstattung es erlaubt, die Verpflichtungen einzuhalten und die Aufgaben zu erfüllen.
92
Anzumerken ist, dass die räumliche Ausstattung der Beratungsstelle der Dilab e.V. nur geeignet ist, die Arbeit
eben noch aufrecht zu erhalten. Sie ist stark verbesserungsbedürftig. Die beiden anderen Beratungsstellen verfügen über angemessene Arbeitsräume. In allen Fällen ist die Sicherheit der Arbeitsmittel und Unterlagen gewährleistet.
Die Beratungsstellen sind so gelegen, dass eine günstige Erreichbarkeit für die Klienten gewährleistet ist.
Die finanzielle Ausstattung der Beratungsstellen ist auf eine bestimmte Kapazität der Fallbearbeitung berechnet.
Diese wird schon heute faktisch weit überschritten. Die Auswertung der InsOStat- Daten der Beratungsstellen
hatte oben ergeben, dass im Bezirk rund 850 Klienten in laufender Beratung betreut werden. Die Beratungskapazität liegt bei rund 250 Klienten in laufender Beratung. Insgesamt für den Stadtbezirk bei 750 Klienten. Noch
können die notwendigen Ausgaben aus den laufenden Mitteln bestritten werden, es ist aber ersichtlich, dass die
Grenzen erreicht sind. Das umso mehr, als im kommenden Jahr ein erheblicher Zuwachs an Bedarf zu vermuten
ist.
Die Finanzierung erfolgt in Sachgruppen. Die Zuordnung und die Regeln des Mitteleinsatzes sind haushaltsrechtlich vorgegeben. Sie werden z.T. als zu eng und zu wenig flexibel bewertet.
Es wurde angeregt, den Spielraum der Mittelverwendung und der Mitteleinwerbung zu erweitern. Das betrifft
die Verwendung der Senatsmittel, die Verfügung über eine Notfallkasse und die Einwerbung von Drittmitteln.
Eine Notfallkasse wäre sinnvoll zum Einsatz von (vergleichsweise) geringen Geldbeträgen zur Behebung von
akuten Notfällen. Es kommt immer wieder zu Situationen, in denen es den Klienten an einem geringen Geldbetrag zur Bedienung von Zahlungsverpflichtung mangelt, die aber weitreichende Konsequenzen mit erhöhten
Kosten nach sich ziehen (so z.B. zur Abwendung einer Zwangsräumung oder Kontosperrung). In derartigen
Fällen sind die Folgekosten gegenüber den zur Abwendung von Sanktionen nötigen Mittel deutlich höher. Allerdings ist den Beratern auch klar, dass eine derartige Verwendung nicht aus öffentlichen Mittel bestritten werden
kann, weil die öffentliche Hand zwar die Beratung als soziale Dienstleistung zur Verfügung stellt, aber keine
Geldleistungen der Schuldenregulierung und schon gar kein Darlehn.
Die Notkasse könnte aus Drittmitteln betrieben werden. Sponsorengelder können auch zur Verbesserung der
Arbeitsbedingungen verwendet werden. Insbesondere für den Bereich der Prävention wären Drittmittel sinnvoll,
ebenso wie zur Finanzierung von Weiterbildung. Auch von anderer Seite ist die Verwendung von Drittmitteln
vorgeschlagen, wofür ein Beispiel der von Korczak genannte „Fond der Kreditwirtschaft“ ein Beispiel ist (siehe
Kapitel 1).
Allerdings kann die Verwendung von Drittmitteln durch Sponsoring von dem Einwand begleitet sein, dass die
Unabhängigkeit der Beratung eingeschränkt würde. Dieser Einwand muss ernst genommen werden – zumal
dann, wenn Gläubiger in das Sponsoring einbezogen würden. Die Gefahr des Auftretens von Zielkonflikten und
des Verlustes der Unabhängigkeit kann jedoch aus mehreren Gründen, die in der in den Pflichten, der Verantwortlichkeit und in der Arbeitsweise der Beratungsstellen liegen, ausgeschlossen werden. Das umso mehr, wenn
der Vorschlag aufgegriffen würde, solche Mittel in einem von der Landesarbeitsgemeinschaft verwalteten Topf
zu konzentrieren und die Verwendung der Mittel nach aktuellem Bedarf der Beratungsstellen oder der Landesarbeitsgemeinschaft abhängig zu machen.
4.5
Kooperation
Alle Beratungsstellen sind in ein Netz von Kooperationsbeziehungen integriert.
In Berlin und im Stadtbezirk ist die Zusammenarbeit der Beratungsstellen mit anderen Akteuren nach Auskunft
der Mitarbeiter vielfältiger und wirkungsvoller als in anderen Bundesländern. Offensichtlich haben sich die Kooperationsbezüge bei der Gestaltung der Rahmenbedingungen der Schuldnerberatung in Berlin als besonders
wirksam erwiesen.
Die Beratungsstellen sind, wie angesprochen, in die Organisation eines freien Trägers der Sozialarbeit und
Wohlfahrtspflege eingebunden. Von dieser Einbindung profitieren die Beratungsstellen in mehrfacher Hinsicht.
So ist einerseits auf ein gewisses Maß an organisatorischer Unterstützung zu verweisen. Das kann von der Auswahl des Standortes über die räumliche Ausstattung bis hin zur Unterstützung in Personalfragen gehen.
93
Die organisationsinterne Kooperation erstreckt sich natürlich auch auf übergreifende Fragen der Sozialarbeit. In
verschriftlichter Form wie auch auf Veranstaltungen der Träger werden Themen der Sozialpolitik und der Sozialarbeit angesprochen, die Querverbindungen der eigenen Tätigkeit mit anderen Feldern der Sozialarbeit und der
sozialen Dienste ermöglichen und die den Mitarbeiterinnen Anschluss an die „Politik“ des Verbandes im Zusammenhang mit der Vertretung sozialpolitischer Interessen vermitteln. Wie erwähnt ist in einigen Organisationen der Bezug auf weltanschauliche oder religiöse Grundeinstellungen und –werte von Bedeutung, der nur innerhalb der jeweiligen Organisation seine Bedeutung hat.
Der fachliche, auf die Belange der Schuldnerberatung orientierte Kooperationsbezug zwischen den anerkannten
Beratungsstellen wird in Berlin vermittels der Landesarbeitsgemeinschaft der Schuldnerberatungsstellen hergestellt. In dieser Organisation verständigen sich die Beratungsstellen über Rahmenbedingungen ihrer Arbeit, hier
findet sozialpolitische Interessenvertretung für die Klientel statt und hier wird gemeinsamen organisationspolitischen Interessen Ausdruck verliehen. Die LAG stellt die Verbindungen zur Landesregierung her und vermittelt
die Koordination der Rahmenbedingungen für die Arbeit auf dem Feld der Schuldnerberatung. Die LAG übernimmt weiterhin eine Reihe anderer Funktionen. So hat sie eine Informationsfunktion, in der die Beratungsstellen über wichtige gesetzliche oder politische Entscheidungen informiert und über evtl. Konsequenzen unterrichtet werden. Darüber hinaus unterstützt die LAG Präventions- und Öffentlichkeitsarbeit, sie bietet aber auch Weiterbildungsveranstaltungen an bzw. vermittelt diese.
Die Landesarbeitsgemeinschaft vermittelt darüber hinaus weitere Formen der Zusammenarbeit mit anderen Akteuren in Berlin. Eine wichtige Einrichtung ist die Arbeitsgruppe Transparenz, in der verschiedene Berliner Einrichtungen und Organisationen zusammenarbeiten.
Alle Beratungsstellen schätzen die landesweite Zusammenarbeit als gut ein.
4.6
Professionalisierung und Qualitätssicherung
Wie erwähnt, ist die Schuldner- und Insolvenzberatung keine geschützte Tätigkeit. Umso wichtiger ist es, dass
die Tätigkeit der Beratungsstellen insbesondere auch vermittels von Professionalitäts- und Qualitätsstandards
gesichert wird. Das betrifft Anforderungen an den Inhalt und den Umfang der Beratungstätigkeit, an die Sicherheit der Daten und von Personenrechten der Klienten und nicht zuletzt an die Qualität und den Erfolg der Arbeit.
Die Qualität der Schuldnerberatung ist nicht leicht in Kriterien zu fassen. Dennoch wurde die Forderung gestellt,
bestimmte grundlegende Arbeitsprinzipien in standardisierter Form zusammenzufassen. Das Berufsbild solle
zertifiziert werden.
Die Sicherung der Qualität der Arbeit durch externe Beobachtung und Bewertung ist kompliziert. Wie in vielen
Feldern fallbezogener, konkreter Arbeit ist die Qualität nur begrenzt an Hand von externen Bewertungen feststellbar. Von Versuchen der Supervision wurde im Gespräch mitgeteilt, dass sie aufwendig und nicht zuletzt
kostspielig sind und daher in keinem Verhältnis zum Ergebnis stehen. Für die Qualitätssicherung sind daher bis
heute interne Praktiken die besten Ansatzpunkte. Vor allem die Koordination der Arbeit innerhalb einer Beratungsstelle ist von einem intensiven Austausch über Qualitätsansprüche der Arbeit begleitet. So finden in allen
Beratungsstellen Fallbesprechungen statt. Bestimmte Fälle werden trotz der allgemeinen Zuordnung von personenbezogenen Beratern gemeinsam bearbeitet. Immer wieder werden im täglichen Kontakt Fragen diskutiert, die
sich aus einzelnen Fällen ergeben und von allgemeinerer Bedeutung sein können. Das bezieht sich auf den Status
von Klienten ebenso, wie auf die Arbeit mit Gläubigern und Gerichten.
Dennoch kann die Schuldnerberatung auf eine organisationsübergreifende Sicherung der Qualität nicht verzichten. Diese kann aber nur vor Ort, am konkreten Fall und unter Berücksichtigung der besonderen Bedingungen
der Beratung auch im sozialräumlichen Umfeld der Beratungsstellen vorgenommen werden. Die Beurteilung
und Bewertung der Schuldnerberatung kann nicht vom grünen Tisch aus erfolgen, weil die Praxis zu vielfältig
ist.
94
Die Arbeit erfordert zunächst Kompetenzen in mehreren Rechtsbereichen – so z.B. Schuldrecht, Vertragsrecht,
Verbraucherrecht, aber auch in verschiedenen Bereichen des Sozialrechtes bis hin z.B. zum Familien- und Jugendrecht – und Finanzen. Darüber hinaus muss eine gewisse Kompetenz im Verhandlungsvermögen mit Gläubigern, in der Zusammenarbeit mit Gerichten, staatlichen Einrichtungen und anderen Akteuren der Sozialarbeit
gegeben sein. Wichtig sind aber vor allem auch Kompetenzen der eigenen sozialen Arbeit auf unterschiedlichen
Gebieten. Hinzu kommen persönliche Kompetenzen im Umgang mit Menschen, der Moderation, Diskretion, der
Motivation und des Taktes. Die Klienten sollen in den Beratern auch einen Ansprechpartner sehen, eine Vertrauensperson, an die sie sich auch mit sehr persönlichen Fragen wenden können.
Obwohl die Herangehensweise an die Beratungstätigkeit von Bearbeiter zu Bearbeiter variiert und in den jeweiligen Kompetenzen Schwerpunkte festzustellen sind, wird gerade die persönliche Schwerpunktsetzung und Verschiedenheit der Beratung als Gewinn gesehen. Auf diese Weise können in einer Beratungsstelle die Kompetenzen gebündelt werden.
Derartige Kriterien spielen bei der Auswahl der Mitarbeiter eine große Rolle, was der Qualität der Arbeit zugute
kommt.
Dennoch ist auch Weiterbildung ein wichtiges und notwendiges Element der Qualitätssicherung. Die Ressourcen
und Kapazitäten für die Weiterbildung werden allgemein als zu gering eingeschätzt. Weder in zeitlicher, noch in
finanzieller Hinsicht reichen die Mittel aus.
Schließlich muss noch einmal darauf hingewiesen werden, dass der Erfolg der Beratung als Bewertungskriterium
schwer zu handhaben ist. Was als eine erfolgreiche Beratung gelten kann, ist nicht allgemein festzulegen. Die
Entschuldung ist natürlich ein oberstes Ziel, aber in der Praxis nicht immer realistisch zu erwarten. Sie kann als
Kriterium nur begrenzt herangezogen werden. Auch andere Kriterien des Erfolges, wie ein realistischer Entschuldungsplan oder die Abbrecherquote sind ebenfalls vom Einzelfall abhängig und können nicht wirklich als
Erfolgskriterium verwendet werden. Sie können nicht immer von den Beratern beeinflusst werden.
Immer wieder ist eine Neigung der Bewertung der Schuldnerberatung an Hand von finanziellen Erträgen auf der
Ebene des Landes oder gar aus volkswirtschaftlicher Perspektive anzutreffen. Diese Sicht kann nicht schlechthin
als unberechtigt abgetan werden. Immerhin ist die ökonomische Gesamtbilanz von erheblicher Bedeutung, die
unter den Bedingungen knapper Haushaltsmittel wächst. Die Beratungsstellen, wie auch die LAG und die Bundesarbeitsgemeinschaft weisen auch immer wieder darauf hin, dass eine Prüfung an Hand der wenigen Kennziffern, die für eine derartige Bilanz zugänglich sind, den auch volkswirtschaftlichen Vorteil der Beratung ausweist.
Im vergangenen Jahr hat die „Meinhold-Studie“ eine Abschätzung vorgenommen und die finanziellen Vorteile
der Schuldnerberatung für das Land Berlin nachgewiesen. Auch die Kölner Studie konnte den finanziellen Vorteil nachweisen, der sich durch die Abwendung von Arbeitslosigkeit und die Vermeidung von Transferzahlungen
für die Stadt ergibt.
Dennoch wird immer wieder darauf verwiesen, dass entsprechend der Aufgaben und Ziele der Schuldnerberatung deren Erfolg nicht nur in den finanziellen Erwägungen gesehen werden kann. Der Gewinn für die Menschen, denen geholfen werden kann, ist nur z.T. in Euro und Cent aufzuwiegen. Schuldnerberatung wie Sozialarbeit überhaupt ist ein Dienst der Gesellschaft an bedürftigen Menschen, eine Hilfe zum selbständigen Leben in
der Gesellschaft, die mit einem Eigenwert ausgestattet ist.
4.7
Öffentlichkeitsarbeit und Prävention
Öffentlichkeitsarbeit und Prävention werden einhellig als wichtige Tätigkeitsfelder der Beratungsstellen bewertet. Die Beratungsstellen bieten in unterschiedlichen Veranstaltungen Einblicke in ihre Arbeit und informieren
die Bevölkerung über Probleme der Ver- und Überschuldung.
Allgemein wird jedoch eingeschätzt, dass beide Tätigkeitsfelder in zu geringem Ausmaß bedient werden können.
Das liegt sowohl an den finanziellen Mitteln, wie auch an den zeitlichen Bedingungen. Es bedarf nicht nur der
Unterstützung durch andere Akteure, sondern auch der Wahrnehmung von Verantwortung durch Dritte.
Prävention ist insbesondere unter Jugendlichen wichtig. Jugendliche sind stärker als bisher von den Gefahren der
Verschuldung betroffen und verfügen in immer geringerem Ausmaß über Wissen und Erfahrungen im Umgang
95
mit Warenanbietern, Geldinstituten und Verträgen. Sie sind sich häufig über die Konsequenzen ihres bedenkenlosen Umgangs mit Geld nicht bewusst.
Zur Kooperation in der Prävention sind insbesondere Schulen und Berufsbildungseinrichtungen aufgefordert.
Das Erlernen des Umgangs mit Geld ist aber vor allem auch eine Angelegenheit von Eltern. Auch in dieser Hinsicht ist eine erweiterte Informationsarbeit und Prävention nötig.
Wie oben angesprochen, wäre zu überdenken, auf welchem Wege und in welchem Maße Sponsoren für die Öffentlichkeitsarbeit und Prävention gewonnen werden könnten.
Weitere wichtige Felder der Prävention werden im Verbraucherschutz gesehen. Nicht nur die halbseidenen Anbieter undurchsichtiger Dienstleistungen und Verträge stellen eine Gefahr für Verbraucher dar, auch einige Finanzdienstleister gehen mit aggressiven Praktiken auf Kunden zu und versuchen in Einzelfällen grade verschuldete Personen in Kreditverträgen zu binden. So sehr die Notwendigkeit betont wird, mit allen rechtlich zu Gebote stehenden Mitteln gegen diese Akteure und Praktiken vorzugehen, so sehr wird auf die Dringlichkeit der Information und Aufklärung hingewiesen. Es wird vom Staat erwartet, diesen Praktiken schneller einen Riegel
vorzuschieben.
4.8
InsOStat Nutzung
Der Senat stellt das Datenbankprogramm zur Verfügung.
Es dient der Statistik, der Datenanalyse und – sekundär – der Kontrolle der Beratungsstellen.
Für die Arbeit in den Beratungsstellen bedeutet es etwas mehr Aufwand, obwohl es benutzerfreundlich ist.
Dennoch erspart es nicht die Führung von Handakten, die das eigentliche Arbeitsinstrument der Berater bilden.
In der Datenbank wird eine Vielzahl von Daten erfasst, von denen nicht in allen Fällen gesagt werden kann,
wann sie ausgewertet werden könnten. Das trifft vor allem auf die Beratungsverläufe zu.
Die InsOStat ist auf Längsschnitt- und Verlaufsanalysen ausgelegt und für Querschnittsuntersuchungen nur bedingt verwendbar. In den Beratungsstellen sind nicht die Möglichkeiten vorhanden, die datenanalytischen Möglichkeiten des Systems zu nutzen.
Die Daten erwiesen sich an einigen wenigen Stellen als lückenhaft und nicht korrekt ausgefüllt.
Die Handhabung der Statistik ist auch in den Beratungsstellen unterschiedlich. Einige Beraterinnen praktizieren
eine laufende Arbeit mit der Datenbank, ein größerer Teil tätigt die Eingabe in periodischen Abständen, was eine
ständige Fehlerquelles ein kann.
Die Berater halten die Statistik für sinnvoll – auch angesichts der Tatsache auf die Senatszuwendungen angewiesen zu sein und dementsprechend sich einer – in diesem Fall statistischen – Kontrolle zu unterziehen.
4.9
Befürchtrungen zur Umsetzung von Harz IV
In den Interviews wurden deutliche Befürchtungen darüber geäußert, dass die Gesetze zur Arbeitsmarktreform
die soziale und finanzielle Situation weiter Teile der Bevölkerung verschlechtern. Das Risiko der Überschuldung
erfasst über die bisher betroffenen Haushalte hinaus vor allem Bezieher von Arbeitslosenhilfe und neue Selbständige in sogenannten „Ich-AG`s“.
Aber auch andere Erwerbstätigenhaushalte geraten in Gefahr der Einkommensminderung infolge des Lohndrucks insbesondere auf die unteren Einkommensgruppen.
Wie immer in Zeiten der wirtschaftlichen Stagnation aber trifft die Wirkung einschränkender Maßnahmen vor
allem die ärmsten und untersten Schichten der Bevölkerung.
Wie groß die Zahl der Betroffenen sein wird und wie groß sich der daraus ergebende Bedarf an laufender Beratung, können auch die Berater nicht abschätzen.
Die Wirkung von Hartz IV erstreckt sich aber auch auf Klienten der Beratungsstellen, also Personen und Haushalte, die bereits überschuldet sind. Für sie können die Folgen noch verheerender sein. Es besteht die Möglich96
keit, dass bereits auf den Weg gebrachte Schuldenbereinigungspläne obsolet werden, weil sich die Einkommenssituation verschlechtert. Welche Auswirkungen sich gar auf Insolvenzverfahren ergeben, ist offen.
Über die angesprochenen Risiken hinaus, stellen sich aus der Erfahrung der Berater auch in den Fällen Befürchtungen für die Zukunft ein, in denen die Betroffenen zunächst eine Steigerung des Einkommens verzeichnen
können. In diesem Zusammenhang wird immer wieder auf Sozialhilfeempfänger verwiesen, denen ein größeres
Budget zur Verfügung stehen wird. Sie sind jedoch gehalten, für notwendige Sachausgaben selbst aus dem eigenen Einkommen aufzukommen. Die Erfahrung besagt, dass es nicht allen gelingen wird, die entsprechenden
Mittel monatlich zurückzuhalten und für den evtl. Verwendungszweck zu sparen. Im Gegenteil, ein Mehr im
Budget eröffnet die Gefahr der erhöhten Geldausgaben und damit ein Ansteigen der Sorglosigkeit im Umgang
mit den zur Verfügung stehenden Mitteln. Diese Erfahrung sollte nicht missverstanden werden. Es kann und soll
nicht der Eindruck erweckt werden, dass Sozialhilfeempfänger per se nicht mit Geld umgehen können und dass
Maßnahmen, die die Selbständigkeit von Menschen erhöhen abzulehnen wären. Das ist mit diesen Erwägungen
nicht gemeint. Allerdings wird das Risiko gesehen, dass gerade dieser Personenkreis in ihrem Verhalten auf
diese Regelungen nicht genügend eingestellt ist.
Ein weiteren Anlass zur Besorgnis sehen die Berater in den Konsequenzen von „Basel II“. Die Änderung der
Rahmenbedingungen für die Kreditvergabe lassen für die überschuldeten Personen nichts Gutes erwarten. Auch
hier sind die Wirkungen noch nicht abzusehen, aber die Berater sehen dringenden Handlungsbedarf seitens des
Staates.
Dem Ziel der Schuldnerberatung entsprechend, die Klienten in die Gesellschaft zu integrieren und ihnen zu einem selbständigen Leben auf der Basis eines eigenen Einkommens zu verhelfen, äußerten die Berater die vordringliche Notwendigkeit die Situation an den Arbeitsmärkten zu verbessern. Ohne Abbau der Massenarbeitslosigkeit kann auch das Problem der Überschuldung privater Haushalte nicht gelöst werden.
97
5
Perspektiven der Verschuldung privater Haushalte im Lichte der Gesetze zur Arbeitsmarktreform
Die Gesetzgebung zur Reform des Arbeitsmarktes wird eine deutliche Auswirkung auf die Schuldensituation
und die Überschuldung von Privathaushalten haben. Wirkungen werden sich in erster Linie daraus ergeben, dass
die Reform zur Veränderung der verfügbaren Einkommen bei einer Reihe von Haushalten führen wird. Diese
Veränderungen betreffen vor allem:
•
die Situation von Selbständigen (Ich-AG) und deren Risiko des Scheiterns, verbunden mit der Möglichkeit, sich nach der erfolglosen Beendigung der Selbständigkeit in einer Situation der privaten Überschuldung zu befinden
•
die angestrebten Verbesserungen der Chancen bei der Aufnahme einer regulären oder kommunalen Beschäftigung, mit der möglichen Folge der Erhöhung des verfügbaren individuellen und Haushaltseinkommens
•
Veränderungen der Einkommen privater Haushalte, die in Zukunft Empfänger von ALG II sind und in
eine Situation der Überschuldung geraten können, nämlich wenn die nun veränderten Haushaltseinkommen die Verbindlichkeiten nicht mehr decken.
Es sei zusätzlich darauf hingewiesen, dass zumindest in der politischen Diskussion eine weitere gesetzliche Regelung ins Auge gefasst wird, die ebenfalls für unsere Fragestellung von Bedeutung sein könnte: die Einführung
von Mindestlöhnen. Eine solche gesetzliche Regelung könnte unter der Perspektive unserer Fragestellung dann
von Bedeutung sein, wenn sich in Zukunft zeigen sollte, dass die Umsetzung der Arbeitsmarktreformen und
insbesondere die Anwendung von neu in Kraft gesetzten Zumutbarkeisklauseln für die Aufnahme einer regulären Beschäftigung dazu führen kann, dass die untersten Einkommensgruppen unter die Bedürftigkeits- oder
Armutsgrenze fallen. Auch eine solche Konsequenz kann einen erheblichen Einfluss auf die Schuldensituation
einiger Haushalte haben. Wenn dies durch eine Regelung von Mindestlöhnen verhindert wäre, könnte das dazu
beitragen, die Schuldensituation etwas zu entschärfen.
Um die Perspektiven der Überschuldung privater Haushalte in Berlin bzw. im Stadtbezirk Friedrichshain/Kreuzberg, die sich aus der veränderten Gesetzeslage ergeben, abschätzen zu können, sprechen wir zunächst einige Fragen an, die sich bei der Umsetzung der Gesetze im Hinblick auf den Umgang mit Schulden
privater Haushalte ergeben. Zweitens gehen wir auf die Wohnbevölkerung und die Konsequenzen ein, die sich
für sie im allgemeinen ergeben können. Drittens treffen wir einige Aussagen über Konsequenzen, die auf die
Klienten der Beratungsstellen des Bezirkes zukommen.
Rückschlüsse aus der Abschätzung der Konsequenzen für „unsere“ Untersuchungspopulation (die in der InsOStat erfassten Klienten) auf die gesamte Bevölkerung sind nicht bzw. nur sehr eingeschränkt möglich, besonderes deshalb, weil eine Abschätzung der Verschuldung privater Haushalte im allgemeinen und eine Abschätzung des „Dunkelfeldes“ vorhandener, aber nicht beobachteter Überschuldung kaum möglich ist. Erst unter den
Bedingungen einer Aufhellung des „Dunkelfeldes“ könnten Aussagen getroffen werden, in welchem Umfang
und Ausmaß die Bevölkerung insgesamt und insbesondere einige sog. Risikogruppen im Hinblick auf ihre Überschuldung von den Veränderungen insbesondere durch Hartz IV betroffen sein könnten.
Ein weiterer Risikofaktor für die Betroffenengruppen könnte in der beabsichtigten Reduzierung von Gelegenheits- und Schwarzarbeit gesehen werden. Nicht nur die illegale Beschäftigung selbst ist ein Dunkelfeld. Auch
die Häufigkeit, in der Personen am Rande der Überschuldung sich mit illegaler Beschäftigung noch eben so
„über Wasser“ halten können und ihre Schulden recht und schlecht bedienen können, gehört zum Dunkelfeld der
Überschuldung. Mit der Maßgabe, dass ALG II-Empfänger dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen müssen und
die Zumutbarkeitskriterien für die Übernahme einer Beschäftigung geändert werden, kann es zu Einbußen bei
illegaler Beschäftigung führen. Darüber hinaus wird sich zeigen, in wie weit es den Kommunen gelingt, gesellschaftlich nützliche Arbeit in der Form von 1-2-Euro-Jobs bereit zu stellen und die Gelegenheitsstruktur der
illegalen Beschäftigung zu verändern.
98
5.1
Fragen bei der Umsetzung der Reformgesetze im Hinblick auf die Schuldensituation
In der Statistik der Beratungsstellen bei der Betreuung überschuldeter Privathaushalte werden im Klientendatenblatt neben der Höhe der Gesamtforderungen folgende Schuldenarten unterschieden: Primärschulden, Konsumschulden, Unterhaltsschulden, Schulden aus Immobileinverträgen, Schulden aus früherer Selbständigkeit und
sonstige Schulden. Für die Projektion der Konsequenzen der Sozialreformen auf die Schuldensituation privater
Haushalte sind alle Schuldenarten von Bedeutung. Der Umgang mit vorhandenen Schulden im Kontext des ALG
II ist jedoch unterschiedlich. Noch sind einige diesbezügliche Fragen offen, bzw. ist deren Handhabung den
Autoren nicht bekannt. Dennoch kann auf einige Gesichtspunkte hingewiesen werden:
1.
Gemäß dem Antragsformular für das ALG II werden private Schulden nur in einem Fall erhoben – und
zwar im Zusammenhang mit selbst genutztem Wohneigentum. Andere Schulden werden nicht erhoben
und sind demnach für die Bedürftigkeitsprüfung nicht relevant. Eben die Nicht-Berücksichtigung der
Verschuldungssituation, die sicherlich unter mehreren Gesichtspunkten berechtigt und notwendig ist,
kann aber zu einer Verschärfung der Lage der Haushalte führen. Eine Lösung für derartige Fälle ist
nicht abzusehen.
2.
Im Hinblick auf Hypotheken- und Darlehnsschulden auf selbst genutztes Wohneigentum sind die Regelungen nicht bekannt. Denkbar im Sinne der Logik des Gesetzes wäre die Übernahme von Kosten, die sich
auf den Teil der laufenden Wohnkosten bezieht, der anteilig dem „angemessenen“ Wohnraum des Haushaltes entspricht. In wie weit darin nur die Zinszahlungen oder auch die Tilgung eingeschlossen sein wird,
ist offen. Offen ist auch, inwieweit andere Vermögensbestände auf diese Kosten und ihre evtl. Übernahme
angerechnet werden. Wie auch immer verfahren wird, im allgemeinen ist nicht davon auszugehen, dass
die Wohnkosten in der Höhe übernommen werden, die bisher für alle Kostenbestandteile aufgewendet
werden musste. Auf die betroffenen Haushalte kommt mithin ein erhöhtes Risiko zu, die laufenden Kosten
für das erworbene Wohneigentum nicht mehr in der selben Höhe wie bisher aus Transferleistungen bedienen zu können. In diesen Fällen kann es zu Überschuldungen kommen.
3.
Bei der Übernahme der Wohnkosten wird auf „angemessenen“ Wohnraum verwiesen. Offen scheint dabei
zu sein, wie in den Fällen gehandelt wird, in denen der Wohnraum das Kriterium der Angemessenheit überschreitet, die Wohnkosten daher höher sind als gesetzlich übernommen werden sollten. Es wird davon
ausgegangen, dass die entsprechenden Haushalte in eine angemessene Wohnung umziehen. Was aber geschieht in der Zeit, in der der Umzug – aus welchen Gründen auch immer – noch nicht erfolgt ist? Kann es
in diesen Fällen dazu kommen, dass die Personen oder Haushalte die Kostendifferenz selbst tragen müssen? Auch hier kommt eine Belastung des Haushaltsbudgets hinzu, die die Schuldensituation beeinflussen
kann. Weiterhin muss geklärt werden, wer die erforderlichen Umzugskosten übernimmt und was geschieht,
wenn der Bedürftige bzw. die Bedarfsgemeinschaft diese Kosten nicht selbst tragen können.
4.
Es sei schließlich auf einen weitern Umstand, der mit der Übernahme der Wohnkosten zusammenhängt, hingewiesen. Kann es dazu kommen, dass mit der Übernahme der Wohnkosten auch evtl. bisher aufgelaufene
Mietschulden sichtbar werden? Hier kann sich ein Problem dahingehend ergeben, dass Schulden, deren Existenz und Handhabung bisher in der Sphäre der privaten Haushaltsführung verblieben, nun in einen staatlichen Raum verlagert werden. Wie in derartigen Fällen verfahren wird, ist nicht bekannt. Drastisch und im
rechtsstaatlichen Sinn folgenschwer würde die Handhabung dann sein, wenn Mietschulden in die Wohnkostenerstattung übernommen würden und dann vom Grundbetrag in Raten abgezogen würden – eine Form der
Zwangsentschuldung, die in der bisherigen Beratungspraxis nicht vorkommt und von Seiten der Experten
nicht für wünschenswert erachtet wird.
5.
Eine besondere Bedeutung haben Unterhaltsschulden, weil sie Dritte in die Schuldensituation einbeziehen
und insbesondere Kinder und deren Erziehungsberechtigte davon betroffen sind. Der Umgang mit Unterhaltsschulden im ALG II scheint offen zu sein – jedenfalls keine besondere Berücksichtigung zu finden. So
ist unklar, ob und in wie weit vorhandene Unterhaltsansprüche Dritter durch das ALG II geregelt sind. Es ist
99
davon auszugehen, dass aus dem Grundbetrag des ALG II kein Unterhalt gezahlt wird. Wenn und insofern
bisherige ALH - Empfänger selbst Unterhalt zahlten, und nun nach dem ALG II nicht mehr, ist eine Regelung für diese Leistungen vorzusehen. Ansonsten werden Dritte und insbesondere eben Haushalte mit Kindern mittelbar in ihren verfügbaren Einkommen eingeschränkt. Noch weniger klar ist die Handhabung vorhandener Unterhaltsschulden seitens der potenziellen ALG II Empfänger. Auch in diesen Fällen besteht die
Gefahr, dass Unterhaltsberechtigte auf Ansprüche aus der Vergangenheit verzichten müssen.
5.2
Allgemeine Konsequenzen für einige Gruppen von Privathaushalten
In der Hauptsache stellt sich eine Verschärfung der Schuldensituation oder gar das Risiko der Überschuldung infolge der Umsetzung der „Hartz-IV-Gesetze“ dann ein, wenn Personen oder Haushalte bereits mit Schulden belastet
sind und infolge der Minderung des Haushaltseinkommens die Überschuldungssituation eintritt. Das können langfristige Kredit- oder Ratenzahlungen sein, aber auch andere aufgelaufene Schulden, (z.B. Primärschulden oder
öffentlich-rechtliche Schulden), deren Bedienung unter den Bedingungen der bisherigen Einkommenssituation
noch gehandhabt werden konnte, nun aber unmöglich wird. Die Minderung des Haushaltseinkommens stellt somit
das größte Risiko der Überschuldung von Privathaushalten infolge der Reformgesetzgebung dar.
Direkt betroffen von Hartz II-, Hartz IV bzw. SGB II sind:
•
•
•
•
•
Bezieher von Arbeitslosenhilfe
Bezieher von Sozialhilfe darunter besonders die Erwerbsfähigen
Arbeitssuchende ohne bisherigen Leistungsanspruch
Erwerbstätige mit extremen Niedrigeinkommen
Selbständige („Ich-AG“)
Angehörige der ersten drei Gruppen bilden die Klienten (Antragsgruppen) für das ALG II bzw. das Sozialgeld. Sie
werden in einen anderen sozialen Status und in andere Verwaltungszusammenhänge gestellt. Die Umwidmung des
sozialen Status und die veränderte Verwaltung bzw. Betreuung sind allerdings erst dann für das Problem der Überschuldung privater Haushalte von Bedeutung, wenn sich damit auch die Einkommenssituation oder die Erwerbssituation ändert.
Die Frage, in welchem Umfang und in welchem Maße das in Berlin oder im Bezirk Friedrichshain/Kreuzberg
der Fall sein wird, lässt sich an Hand der heute verfügbaren Daten nicht beantworten. Dazu wäre erforderlich,
Informationen über den Zusammenhang von :
•
•
•
•
•
Alter
früherem und gegenwärtigem Erwerbsstatus
Haushaltsgröße
Unterhaltsberechtigte
individuellem und verfügbarem Haushaltseinkommen zu benutzen
Darüber hinaus wäre es notwendig, weitere Kriterien der Bedürftigkeitsprüfung (wie etwa Vermögensverhältnisse) einzubeziehen, die sich nicht nur auf die Klienten, sondern auch auf Angehörige beziehen. Dieser Zusammenhang wird aber erst jetzt an Hand des Antragsbogens auf Leistungen nach BSHG II hergestellt. Erst nach der
Bearbeitung aller Anträge kann ausgesagt werden, in welchem Umfang diese Leistungen in Anspruch genommen werden können und in welchem Umfang auf Leistungen und Einkommen verzichtet werden muss. Insbesondere kann auch erst dann ermittelt werden, wie viele Personen und Haushalte, die früher ALH bezogen, nun
keinen Anspruch auf ALG II haben und daher die größten Einbußen ihres verfügbaren Haushaltseinkommens
hinnehmen müssen.
100
5.2.1
Zwei allgemeine Gesichtspunkte
Für Angehörige der Gruppe der Empfänger von Arbeitslosenhilfe trifft allgemein zu, dass die Veränderung des
Einkommens im ALG II im Vergleich zur bisher erhaltenen Arbeitslosenhilfe und zu anderen Leistungen vor
allem von der Höhe der bisher empfangenen ALH abhängig ist und diese vom früheren Arbeitseinkommen und
der Dauer des Leistungsbezuges. Daher kann als eine Faustregel gelten:
Das ALG II ist in dem Maße mit einer Einkommensverringerung verbunden, je höher das frühere Arbeitseinkommen war und je kürzer der Bezug von Arbeitslosenhilfe erfolgte. Das frühere Arbeitseinkommen aber war von unterschiedlichen Faktoren abhängig. Einer der wichtigsten war die berufliche
Qualifikation.
Daraus ergibt sich folgendes Fazit:
Für Empfänger von ALH mit höherer beruflicher Qualifikation ist eine Einkommensreduzierung infolge
des ALG II wahrscheinlicher als für solche mit geringer beruflicher Qualifikation.
Für verheiratete ALH-Empfänger und in Lebensgemeinschaft lebende ist das Risiko der Einkommensminderung
höher als für allein Lebende, weil in die Bedürftigkeitsprüfung auch die Einkommen des Partners und die Vermögensverhältnisse einbezogen werden. Hier kann es häufiger zum vollständigen Verlust der Anspruchsberechtigung auf ALG II kommen.
5.2.2
Fallgruppen
5.2.2.1 Allein Lebende
Für allein Lebende kann in der Mehrzahl der Fälle angenommen werden, dass die Höhe der Arbeitslosenhilfe
über dem ALG II liegt. Das ist dann der Fall, wenn die Bezüge aus der Arbeitslosenhilfe und evtl. in Anspruch
genommener weiterer Sozialleistungen (wie etwa Wohngeld oder Renten) die Grundbeträge des ALG II zuzüglich der Wohnkosten und den in den ersten beiden Jahren gewährten Zuschläge überstiegen haben.
Selbst, wenn diese Angaben zu Verfügung stünden, kann für diese Personengruppe noch keine Bilanz der verfügbaren Haushaltseinkommen erstellt werden, solange die Wohnkosten nicht bekannt sind. Die Situation kann
sich allerdings für Angehörige dieser Gruppe ändern, wenn Unterhaltsverpflichtungen bestehen. Wenn das der
Fall sein sollte, könnte es sein, das die Anrechnung der Unterhaltspflichten zu keinem veränderten Einkommen
führt.
5.2.2.2 Allein Erziehende
Für allein erziehende Empfänger/innen ist das ALG II mit einer Einkommensverringerung verbunden dann,
wenn die ALH oder die Unterhaltszahlungen vergleichsweise hoch waren und über den Bedürftigkeitskriterien
liegen. Wenn man in Betracht zieht, dass erwerbsfähige Frauen in den neuen Bundesländern in höherem Maße
erwerbstätig waren und dem zufolge bei Arbeitslosigkeit Leistungsansprüche erworben haben und darüber hinaus feststellt, dass die berufliche Qualifikation der Frauen in der DDR vergleichsweise hoch war, dann kann man
sagen, dass für ALH-Empfängerinnen im Ostteil der Stadt das ALG II eher mit einer Einkommensverringerung verbunden sein wird als im Westteil. Darüber hinaus kann ausgesagt werden, dass dieses Risiko
für Frauen mit Migrationshintergrund vergleichsweise geringer ausfällt, weil ihre durchschnittliche berufliche Qualifikation geringer ist als bei deutschen Frauen.
101
5.2.2.3 Paarhaushalte
Für Haushalte mit zwei erwachsenen Personen fällt die Prognose der Einkommensdifferenzen schwerer, weil in
diesen Fällen die Erwerbssituation, das Einkommen und ggf. bestehende Unterhaltsverpflichtungen in die Kalkulation einbezogen werden müssen. Für den Fall, dass beide Partner ALH empfangen haben, ändert sich – wenn
Modellrechnungen der Bundesregierung zugrunde gelegt werden – im Falle des ALG II-Bezuges nicht viel (unter der Bedingung, dass die Wohnkosten nicht zu hoch sind bzw. waren). Es ergibt sich eine Einkommenseinbuße dann, wenn die ALH überdurchschnittlich hoch war. Sie verringern sich dann weiter, wenn die Zuschläge für
das erste und das zweite Jahr des ALG II-Bezuges wegfallen. Für den Fall, dass der Partner bisher kein Einkommen hatte (oder ein geringes Transfereinkommen) kann sich eine Verbesserung des Haushaltseinkommens
einstellen.
5.2.2.4 Sozialhilfeempfänger/innen
Für bisherige Sozialhilfeempfänger/innen ändert sich nicht viel. Im Unterschied zu einigen Gruppen von bisherigen ALH-Empfänger/innen kann es sogar dazu kommen, dass das verfügbare Haushaltseinkommen über dem
bisherigen liegt. Insbesondere die Einstellung der Einmalzahlungen für bestimmte Haushaltsgegenstände und
für Kleidung und der pauschalierte Ausgleich dieser Leistungen in Form der Erhöhung der Grundbeträge trägt
dazu bei. Hinzu kommen weitere Möglichkeiten einer zusätzlichen Beschäftigung (aber auch Erwartungen zur Übernahme einer solchen), die zu einer Verbesserung der Einkommen führen können. Diese Regelungen schließen aber
auch einige Risiken mit ein, die allerdings jenseits der staatlichen Kompetenz liegen: so kann ein erhöhtes Einkommen
und die Notwendigkeit für bestimmte Güter selbst aufkommen zu müssen, die Versuchung zum Schuldenmachen
erhöhen. Da z.B. auch der Unterhalt eines eigenen PKW für diese Bevölkerungsgruppe zulässig ist, kann von einem
erhöhten Schuldenrisiko ausgegangen werden. Das aber – wie gesagt – liegt in der Verantwortung der Personen selbst
und kann keiner regulierenden und kontrollierenden Kompetenz unterworfen werden.
5.3
Konsequenzen für die Klienten der Beratungsstellen
5.3.1
Empfänger von Arbeitslosenhilfe
Von den Klienten der Beratungsstellen sind 165 Personen Empfänger von ALH. Ihr Anteil in der Population
beträgt 19,6 % (bereinigt 20,1). Das ist ein höherer Anteil als in der Wohnbevölkerung des Stadtbezirkes wie
auch in der Berliner Bevölkerung. Von Arbeitslosengeld leben 11,1 % (bereinigt 11,4). Ein gemessen an der
Gesamtpopulation größerer Anteil von 66,5 % der Empfänger von ALH sind Männer und ein entsprechend kleiner von 33,5 % sind Frauen. In der laufenden Beratung befinden sich also anteilig mehr Männer, die ALH empfangen als Frauen. Als erster Befund kann ausgesagt werden, dass rund 20 % der Klienten vom Risiko der
Einkommensminderung oder dem Verlust der Leistungsberechtigung bedroht sind. Weitere rund 11 %
können in der nächsten Zeit hinzu kommen, wenn ihr Anspruch auf Arbeitslosengeld ausläuft.
Allerdings sind laut den Modellrechnungen der Bundesregierung nicht alle Angehörigen dieser Gruppe von
sofortigen Einbußen des Haushaltseinkommens betroffen. Die auf zwei Jahre befristeten Zuschläge schieben die
Minderungen auf. Allgemein lässt sich sagen, dass Männer stärker vom Risiko der Überschuldung durch die
Reformen betroffen sein werden.
5.3.1.1 Allein Lebende
In der Gruppe der ALH-Empfänger leben 50,3 % allein. Laut Modellrechnung der Bundesregierung liegt in
dieser Bevölkerungsgruppe die Grenze, von der ab das ALG II wahrscheinlich geringer als das bisherige Ein102
kommen sein wird, bei 630 Euro (in Abhängigkeit von den Wohnkosten). Das heißt, dass in dieser Gruppe
diejenigen, die über ein höheres monatliches Haushaltseinkommen als rund 630 Euro verfügen wahrscheinlich Einkommensminderungen in Kauf nehmen müssen. Das sind rund zwei Drittel (110 Personen;
69 Männer und 41 Frauen). Für die anderen ändert sich nichts bzw. es kann sogar zu einer kleinen Erhöhung
des Einkommens kommen.
5.3.1.2 Paarhaushalte ohne Kinder
In dieser Gruppe sind 45 Fälle vertreten (36 Männer und 9 Frauen). Das mittlere Haushaltsnettoeinkommen
beträgt in dieser Gruppe 1245 Euro. In dieser Gruppe ist laut Modellrechnung der Bundesregierung die Grenze
von der ab das ALG II geringer ausfällt als die bisherigen Einkünfte bei etwa 850 Euro, wenn das Wohngeld
unter 350 Euro liegt. Das ist bei den Klienten in 35 Fällen (29 Männer, 6 Frauen) der Fall.
5.3.1.3 Allein Erziehende
In der Klientenpopulation finden sich 20 allein Erziehende, davon 5 Männer und 15 Frauen. Deren mittleres
Haushaltsnettoeinkommen beträgt 1053 Euro. Ob in dieser Einkommensklasse das ALG II geringer ausfällt als
das bisherige Einkommen, hängt wiederum von der Zahl der Kinder und der Höhe des Unterhaltsanteils am
Einkommen und von den Wohnkosten ab. Bei einem Kind dürfte es als wahrscheinlich gelten, dass das ALG
II geringer ausfällt.
5.3.1.4 Familien mit Kindern
Für eine erste Fallgruppe der ALH – Bezieher ohne Kinder lässt sich folgende Abschätzung vornehmen:
In den Modellrechnungen der Bundesregierung liegen in Abhängigkeit von den Wohnkosten für Bezieher von
ALH und anderen Leistungen in Höhe von rund 620 Euro beim Übergang zu ALG II keine Einkommensminderungen vor. In den Modellrechnungen mit einem höheren Bezug von ALH werden Einkommensminderungen
ausgewiesen. In der Klientenpopulation gehören 24 Personen zu dieser Gruppe, 20 Männer und 4 Frauen. Das
mittlere Einkommen beträgt hier 1426 Euro. Dieses Einkommen dürfte in etwa das „Grenzeinkommen“ darstellen, von dem ab in diesen Fällen mit Einbußen zu rechnen ist. Bei einem Satz von rund 300 Euro pro Erwachsen
und 200 Euro pro Kind – was schon großzügig geschätzt ist – und bei Wohnkosten in Höhe von rund 500 Euro
liegt eine Familie mit zwei Kindern und diesem mittleren Einkommen recht nahe an der Grenze zur Einkommensminderung. Nicht einbezogen in diese Schätzung sind die Familien, die keinen Anspruch auf ALG II haben,
weil das Partnereinkommen zu hoch ist.
Damit kann folgendes Fazit für die Klienten der Beratungsstellen gezogen werden:
Die bisherigen Empfänger/innen von ALH sind wahrscheinlich in großer Zahl von Einkommensminderungen beim Übergang zum ALG II betroffen. Damit verschärft sich ihre Lebenssituation wiederum.
Waren sie bisher bereits in einer nicht tragbaren Lebenssituation, so verschlimmert sich ihre Lage nun.
Wenn und in so fern sie sich mit der Unterstützung der Beratungsstellen auf einen Weg aus der Schuldenkrise gemacht hatten, so erfahren sie nun einen Rückschlag. Welche Auswirkungen die Einkommensminderung auf bereits bestehende Schuldenbereinigungspläne oder auf die Verhandlungen mit Gläubigern hat, ist nicht abzusehen.
103
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Stand 12/03, Berlin / Bezirke
Statistisches Landesamt Berlin: Statistischer Bericht A I und A VI – j 03, Ergebnisse des Mikrozensus im Mai
2003
B 1 Bevölkerung in Berlin Mai 2003 nach Bezirken, Geschlecht und Quelle des überwiegenden
Lebensunterhaltes
B 4 Bevölkerung in Berlin Mai 2003 nach Bezirken, Geschlecht, Staatsangehörigkeit und Familienstand
B 5 Bevölkerung in Berlin Mai 2003 nach Bezirken, Geschlecht, Staatsangehörigkeit und monatliches
Nettoeinkommen
104
B 9 Bevölkerung in Berlin Mai 2003 nach Bezirken, Geschlecht, Staatsangehörigkeit und allgemeinem
Schulabschluss
B 10 Bevölkerung in Berlin im Mai 2003 nach Bezirken, Geschlecht, Staatsangehörigkeit und beruflichen
Abschluss
E 3 Erwerbstätige in Berlin im Mai 2003 nach Bezirken, Geschlecht, Staatsangehörigkeit
E 11 Bevölkerung, Erwerbstätige und Erwerbstätigenquoten in Berlin im Mai 2003 nach Bezirken,
Geschlecht
F 1 Familien in Berlin im Mai 2003 nach Bezirken, Staatsangehörigkeit, Familientyp und Anzahl der
Kinder
F 3 Familien mit Kindern unter 18 Jahren in Berlin im Mai 2003 nach Bezirken, Familientyp und
Anzahl der Kinder
H 1 Privathaushalte in Berlin im Mai 2003 nach Bezirken, Staatsangehörigkeit der Bezugsperson und Haushaltsgröße
H 2 Privathaushalte in Berlin im Mai 2003 nach Bezirken, Staatsangehörigkeit der Bezugsperson und
monatliches Haushaltsnettoeinkommen
Statistisches Landesamt Berlin: Friedrichshain-Kreuzberg, Einwohner in Sozialräumen (Stand: 12/03)
Statistisches Landesamt Berlin: Melderechtlich registrierte Ausländer am Ort der Hauptwohnung nach
ausgewählten Staatsangehörigkeiten in Friedrichshain-Kreuzberg am 31.12.2003
Statistisches Landesamt Berlin: Melderechtlich registrierte Ausländer am 31. Dezember 2003 am Ort der
Hauptwohnung nach Staatsangehörigkeiten
105
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