Industrie-Applikationen

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Industrie-Applikationen
Industrie-Applikationen
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Maximale Sequenzinformation durch optimierte
cDNA-Banken
Georg Gradl1, Wolfram Hemmer1, Fritz Thümmler2
1GATC
Biotech AG, Konstanz, 2Vertis Biotechnologie AG, Freising
Abb. 1: Wege zur Reduktion der Redundanz in cDNA-Banken
In den letzten Jahren wurden
Hochdurchsatz-Methoden zur
Sequenzierung von genomischer
DNA und cDNA entwickelt und
etabliert. Nach der Entschlüsselung des Humangenoms sowie
der Genome einiger Modellorganismen steht die differenzielle Genexpression im Mittelpunkt vieler wissenschaftlicher
Fragestellungen. Es rücken auch
weniger bekannte Organismen
und spezialisierte Gewebe immer mehr in das Zentrum des Interesses der Forschung.
Die Sequenzierung von
cDNA-Banken ist eine gängige
Methode zur Identifizierung exprimierter Gene. Die einzelnen
mRNA-Spezies werden jedoch
in den Zellen in ganz unterschiedlichen Mengen gebildet.
Es ist deshalb schwierig, aber
häufig von großem Interesse,
solche Gene zu finden, die nur
gering bzw. nur in wenigen Zellen exprimiert sind. Um den
zeitlichen und finanziellen Aufwand solcher Projekte zu mini-
noch ist es mit ihrer
Hilfe möglich, die
Gene, die in dem betreffenden Gewebe
exprimiert werden,
umfassend zu identifizieren und zu isolieren. Subtraktive
cDNA-Banken dienen speziell der Anreicherung differenziell exprimierter
Gene und sind damit
ideal für das Studium
verschiedener Zustände von Zellen
und Geweben, wie
z.B. gesund/krank,
behandelt/unbehandelt oder Wildtyp/
Mutante.
Für die Herstellung normalisierter
cDNA-Banken wird
eine kinetische Methode benutzt. Diese beruht auf
Denaturierung und Reassoziation doppelsträngiger cDNA
(ds-cDNA)[2]. Die einzelnen
Schritte auf dem Weg zur Nor-
malisierung von cDNA-Banken
sind in Abb. 2 veranschaulicht.
Zuerst wird mRNA aus entsprechenden Geweben mit Hilfe von Standardmethoden in
ds-cDNA umgeschrieben. Das
Anheften von synthetischen
Linkern an die Enden der
cDNA ermöglicht die spezifische Vermehrung nach jedem
Normalisierungs-Zyklus. Die
ds-cDNA wird durch Erhitzen in
ihre beiden komplementären
DNA-Einzelstränge (ss-cDNA)
aufgeschmolzen (Denaturierung). Unter kontrollierten Bedingungen finden die komplementären ss-cDNA-Stränge wieder zueinander und bilden doppelsträngige cDNA-Moleküle
(Reassoziation). Das Zusammentreffen der beiden komplementären DNA-Stränge ist der
zeitbestimmende Schritt bei der
Reassoziation, welche eine Reaktion 2. Ordnung darstellt. Die
Geschwindigkeitskonstante k
der Reassoziation von DNA-Molekülen ist umgekehrt proportional zur Konzentration an
komplementären DNA-Strängen. Als Folge davon renaturieren in einer komplexen
Mischung unterschiedlicher
cDNA-Spezies diejenigen, welche in hoher Konzentration vorliegen wesentlich rascher als jene, welche in niedriger Konzentration vorhanden sind. In Abb. 3
ist die Kinetik der Renaturie-
mieren sollten deshalb Wege
eingeschlagen werden, die Redundanz der einzelnen Klone in
den cDNA-Banken so klein wie
möglich zu halten. Dies ermöglicht die Verringerung
der Zahl der zu analysierenden Klone ohne
dabei Informationsverluste in Kauf nehmen zu müssen.
Zwei effiziente
Ansätze um dies zu
erreichen sind die
Normalisierung und
die Subtraktion von
cDNA-Banken (Abb.
1). Durch die Normalisierung von cDNABanken wird erreicht,
dass die Klone in
annähernd gleichmäßiger Verteilung
vorliegen[1]. Solche
Banken können auch
aus Geweben hergestellt werden, die nur
in sehr geringer MenAbb. 2: Schematische Darstellung der einzelnen Schritte bei der Herstellung
normalisierter cDNA-Banken
ge vorliegen – den-
BIOspektrum · 5/02 · 8. Jahrgang
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rung von drei cDNA-Spezies
dargestellt, von denen eine in
hoher (cDNA-A), die beiden anderen in mittlerer (cDNA-B)
bzw. in niedriger Ausgangskonzentration vorliegen (cDNA-C).
Als Folge der unterschiedlichen
Reassoziationsgeschwindigkeiten nähern sich die Konzentrationen der verbleibenden
ss-cDNA-Stränge der einzelnen
cDNA-Spezies mit der Zeit einander immer mehr an. Trennt
man nun zu einem bestimmten
Zeitpunkt (Endpunkt der 1.
Normalisierung) die bereits gebildete ds-cDNA von der verbleibenden ss-cDNA ab, erhält
man nach PCR-Vermehrung
der ss-cDNA-Fraktion eine dscDNA-Population, in der sich
die Konzentrationen der einzelnen cDNA-Spezies bereits deutlich angenähert haben. Führt
man mit der einmal normalisierten cDNA-Bank einen weiteren
Denaturierungs-ReassoziationsZyklus durch (2. Normalisierung), erhält man eine normalisierte cDNA-Bank, in der alle
exprimierten Gene in nahezu
gleicher Verteilung vorliegen
(Abb. 3).
An einem Beispiel (Abb. 4)
wird gezeigt, dass man bei nicht
normalisierten cDNA-Banken
bereits nach ca. 13.000 sequenzierten Klonen in einen Bereich
kommt, in dem man bei jeder
weiteren Analyse 50 % und mehr
für bereits ca. 16.500 Sequenzen
nötig. Die schwarze Linie stellt
den Idealzustand dar (jeder Klon
ist individuell repräsentiert). Die
Einsparungen bei der Sequenzierung überkompensieren den
Mehraufwand für die Normalisierung also bereits nach wenigen tausend Sequenzen.
Literatur
[1] Marcelo Bento Soares, Maria de
Fatima Bonaldo, Pierre Jelene,
Long Su, Lee Lawton, Argiris
Efstratiadis. Construction and charac-
terization of a normalized cDNA library,
Proc. Natl. Acad. Sci USA (1994), Vol. 91,
9228–9232
[2] Minoru S.H. Ko. An equalized
cDNA library by the reassociation of short
double-stranded cDNAs, Nucleic Acids
Research (1990), Vol. 18, 5705-5711
Abb. 3: Graphische Darstellung der Reassoziationskinetik von 3 cDNASpezies, die in unterschiedlichen Ausgangs-Konzentration vorliegen.
Die Kinetik der Reassoziation ist als Abnahme der Konzentration an
einzelsträngiger cDNA (ss-cDNA) mit der Zeit nach vollständiger
Denaturierung der doppelsträngigen cDNA (ds-cDNA) dargestellt. Die
Renaturierung folgt als Reaktion 2. Ordnung der Gleichung C = Co/(1 +
k•Co•t) mit C = Konzentration an ss-cDNA, Co = Konzentration an ss-cDNA
zum Zeitpunkt 0, k = Geschwindigkeitskonstante und t = Zeit. Am gewählten
Endpunkt der 2. Normalisierung liegen die drei cDNA-Spezies in praktisch
gleicher relativer Konzentration vor.
bereits bekannte Sequenzen findet (d.h. Sequenzen, die in
„Cluster“ mit zuvor analysierten
Sequenzen fallen). Hingegen
sind diese Effizienzverluste bei
der Sequenzierung von normalisierten Banken wesentlich ge-
ringer. Abb. 4 zeigt den Unterschied: Um 8.000 unterschiedliche Cluster zu erhalten, muss
man mit einer normalisierten
cDNA-Bank etwa 10.000 Sequenzen generieren; mit einer
Standard-cDNA-Bank sind da-
Abb. 4: Drastische Reduktion des Sequenzieraufwandes durch die Verwendung einer normalisierten cDNA-Bank
BIOspektrum · 5/02 · 8. Jahrgang
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