Kompetenzorientierter Deutschunterricht
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Kompetenzorientierter Deutschunterricht
Kompetenzorientierter Deutschunterricht ‐ Konzeption und Auswertung einer kompetenzorientierten Unterrichtseinheit für die achte Klasse des ES in Luxemburg Erklärung Die Unterzeichnete Zeimet Carole versichert, dass sie die vorliegende schriftliche Arbeit selbstständig verfasst und keine anderen als die von ihr angegebenen Hilfsmittel benutzt hat. Die Stellen der Arbeit, die anderen Werken dem Wortlaut oder dem Sinn nach entnommen sind, wurden in jedem Fall unter Angabe der Quellen (einschließlich des World Wide Web und anderer elektronischer Text‐ und Datensammlungen) kenntlich gemacht. Dies gilt auch für beigegebene Zeichnungen, bildliche Darstellungen, Skizzen und dergleichen. Roodt‐Syre, den 01.05.2011 2 Zeimet Carole candidate au Lycée Aline Mayrisch Luxembourg Kompetenzorientierter Deutschunterricht ‐ Konzeption und Auswertung einer kompetenzorientierten Unterrichtseinheit für die achte Klasse des ES in Luxemburg Lycée Aline Mayrisch Luxembourg 2011 3 Zusammenfassung Die vorliegende Arbeit basiert auf der Konzeption einer kompetenzorientierten Unterrichtseinheit für die achte Klasse des ES in Luxemburg. Die Unterrichtssequenz dreht sich um das Thema „Vampire“, vereint die vier Teilbereiche Lesen, Hören, Schreiben und Sprechen des Deutschunterrichts und orientiert sich an den im Lehrplan für die achte Klasse formulierten Bildungsstandards. Der erste Teil der Arbeit gilt als allgemeiner Überblick über den kompetenzorientierten Unterricht, die Einführung von Bildungsstandards und die momentane Situation in Luxemburg. Weiterhin werden in diesem ersten Teil vor allem Schwierigkeiten im Bereich der Planung und Entwicklung kompetenzorientierter Aufgaben sowie die Evaluation der Schülerkompetenzen thematisiert. Anlehnend an die Erkenntnisse des ersten Teils, beschreibt der zweite Teil der Arbeit die Vorgehensweise bei der Konzeption des Unterrichtsbeispiels. Neben einer Sachanalyse, welche die Inhalte der Sequenz darstellt, wird die Unterrichtseinheit einer didaktischen und methodischen Analyse unterzogen. Anschließend erfolgt die Auswertung des Praxisbeispiels im Hinblick auf die theoretischen Vorgaben und die Bildungsstandards. Auch die Klassenarbeit, welche die im Kontext der Sequenz geförderten Kompetenzen evaluiert, wird vorgestellt und ausgewertet. Durch das Praxisbeispiel wird deutlich, wie man die Vorgaben eines kompetenzorientierten Unterrichts umsetzen kann, es zeigt aber auch, wo die Schwachstellen bzw. die Schwierigkeiten einer solchen Unterrichtsplanung liegen. 4 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung....................................................................................................................... 7 2. Kompetenzorientiert unterrichten ................................................................................. 9 2.1. Bedeutung des Kompetenzbegriffes .....................................................................................9 2.2. Bildungsstandards .............................................................................................................. 15 2.3. Kompetenzorientierter Deutschunterricht – Bildungsstandards Sprachen .......................... 19 2.3.1. Lesekompetenz................................................................................................................ 21 2.3.2. Hörkompetenz................................................................................................................. 27 2.3.3. Schreibkompetenz ........................................................................................................... 31 2.3.4. Sprechkompetenz............................................................................................................ 35 2.3.5. Medien‐, Methoden‐ und Sozialkompetenz .................................................................... 39 2.4. Schwierigkeiten bei der Entwicklung kompetenzorientierter Aufgaben .............................. 41 2.5. Leistungsüberprüfung im kompetenzorientierten Unterricht.............................................. 47 3. Praxisbeispiel ............................................................................................................... 53 3.1. Die Entwicklung einer kompetenzorientierten Unterrichtssequenz..................................... 53 3.2. Sachanalyse........................................................................................................................ 55 3.2.1. Der Vampirmythos im Unterricht..................................................................................... 55 3.2.2. Stephenie Meyers Bis(s) zum Morgengrauen – Roman und Film im Vergleich .................. 57 3.2.3 Sachtexte im Deutschunterricht........................................................................................ 61 3.2.4. Die Personenbeschreibung im Deutschunterricht ............................................................ 63 3.3. Allgemeine Vorstellung der Unterrichtseinheit ................................................................... 65 3.4. Didaktische und Methodische Analyse ............................................................................... 71 3.4.1. Bezug zu den Bildungsstandards ...................................................................................... 71 3.4.2. Methodische Analyse der Unterrichtseinheit ................................................................... 75 3.4.2.1. Das Konzept „Lernen durch Lehren“ – das Expertenrallye ............................................. 75 3.4.2.2. Die Schreibkonferenz als Unterrichtsmethode .............................................................. 79 3.5. Auswertung der Unterrichtseinheit .................................................................................... 81 3.6. Auswertung der Klassenarbeit ............................................................................................ 87 4. Fazit ............................................................................................................................. 91 5. Bibliografie................................................................................................................... 95 5.1. Primärliteratur ................................................................................................................... 95 5 5.2. Sekundärliteratur ............................................................................................................... 96 6. Anhang......................................................................................................................... 99 6 1. Einleitung Seit September 2008 ist der kompetenzorientierte Ansatz in den Fächern Deutsch, Französisch und Mathematik auf allen siebten Klassen des ES und des EST in Luxemburg verpflichtend. Wie bei allen Schulreformen gab es auch diesbezüglich anfangs viele Unstimmigkeiten und Unsicherheiten sowohl bei den Eltern als auch unter den Lehrern. Um die Umstellung des Deutschunterrichts vom traditionellen Ansatz hin zu einer Kompetenzorientierung zu vereinfachen, wurde im Intranet auf der nationalen Unterrichts‐ und Bildungsplattform www.myschool.lu das Webfolio PAL‐deutsch mit diversen Unterrichtsbeispielen zum kompetenzorientierten Unterricht erstellt, die sämtliche Lehrer Luxemburgs für ihren Unterricht verwenden oder als Modell für eigene Unterrichtsvorbereitungen heranziehen können. Das besagte Webfolio findet sich auf myschool! im deutschen Fachraum, kann aber auch direkt über die Adresse http://pal‐ deutsch.web.myschool.lu angesteuert werden. Der weitere Ausbau dieses Bereichs, der sich laut Aussagen in der nationalen Programmkommission großer Beliebtheit unter den Deutschlehrern erfreute, wurde leider von Seiten des Schulministeriums eingestellt, so dass kein weiteres Material mehr zur Verfügung gestellt wurde. Aus diesem Kontext resultierte die Idee für die vorliegende Arbeit, die auf einem praktisch ausgerichteten Ansatz basiert. Dieser zielt darauf ab, eine kompetenzorientierte Unterrichtssequenz für die untere Sekundarstufe (ES) zu erstellen, die im Rahmen des Webfolios PAL‐deutsch für alle Deutschlehrer in Luxemburg zugänglich sein wird. In diesem Webfolio sollen sowohl sämtliche Materialien der Unterrichtseinheit (Texte, Arbeitsblätter sowie Audio‐ oder Videosequenzen im Bereich der Förderung der Hörkompetenz) als auch die didaktischen und methodischen Überlegungen frei zugänglich sein. Die geplante Unterrichtssequenz basiert auf dem übergeordneten Thema „Vampire“ und zielt darauf, die einzelnen Kompetenzbereiche sowie bestimmte Lerninhalte der achten Klasse in eine Einheit zu integrieren. Die Unterrichtseinheit ist im Sinne einer Weiterführung des bisher vorhandenen Materials im Webfolio PAL‐deutsch für die achte Klasse des ES bestimmt. 7 Die geplante Arbeit erfolgt in Zusammenarbeit mit der Kandidatin Muriel Schmit, die ebenfalls eine kompetenzorientierte Unterrichtssequenz für das PAL‐deutsch erstellen und auswerten wird. Allerdings beschränkt sich die Zusammenarbeit lediglich auf einen regelmäßigen Austausch über die praktischen Teile unserer Arbeiten. Unsere travaux de candidature stellen abschließend zwei selbstständige Arbeiten dar und auch die praktischen Teile sind zwei individuell erarbeitete und unterschiedliche Unterrichtssequenzen. Die Vorgehensweise beruht in einem ersten Schritt auf einer intensiven Auseinandersetzung mit der aktuellen Fachliteratur zum kompetenzorientierten Deutschunterricht. Neben einer allgemeinen Einführung in das Thema wird die momentane Situation in Luxemburg samt ihren Stärken und Schwächen beschrieben. Der zweite Teil der Arbeit basiert auf der Erstellung der besagten Unterrichtssequenz, begleitet von einer didaktischen und methodischen Analyse und Auswertung. Die gesamte Arbeit richtet sich nach den Vorgaben in der Publikation Bildungsstandards Sprachen – Leitfaden für den kompetenzorientierten Sprachenunterricht an Luxemburger Schulen. Die Wahl dieses Themas resultiert vor allem aus meinen bisherigen persönlichen Erfahrungen mit dem kompetenzorientierten Unterricht, welche einerseits sehr positiv sind, andererseits immer wieder Unsicherheiten an den Tag legen. In diesem Sinne erhoffe ich mir von dieser Arbeit neue Einblicke und Gestaltungsmöglichkeiten für meinen eigenen Unterricht. Insbesondere finde ich es nicht immer einfach, die einzelnen Kompetenzbereiche sinnvoll miteinander zu verbinden. Auch tauchen immer wieder Unsicherheiten bezüglich des kompetenzorientierten Unterrichts auf, sodass ich mir von einer intensiven Auseinandersetzung mit der Fachliteratur und der Erstellung dieser Sequenz, eine Professionalisierung und Bereicherung für meine eigene Unterrichtspraxis erwarte. Ebenso erhoffe ich mir als Resultat dieser Arbeit eine Unterrichtssequenz, die es ermöglicht, die Schülerkompetenzen auf eine sinnvolle und motivierende Art und Weise zu trainieren und zu fördern. Die Veröffentlichung der Unterrichtssequenz im Webfolio PAL‐deutsch soll als Ergänzung zu den offiziellen Lehrwerken auch anderen Deutschlehrern im Umgang mit dem kompetenzorientierten Unterricht eine Unterstützung und eine Anregung sein. 8 2. Kompetenzorientiert unterrichten Im folgenden Kapitel soll kurz erläutert werden, wie es überhaupt zum Konzept des kompetenzorientierten Unterrichts kam, wie dieses in der Theorie dargestellt wird und welche konkreten Änderungen sich durch dieses Konzept für den Deutschunterricht ergeben. Im Rahmen dieser Analyse wird immer wieder der Bezug zur momentanen Situation des kompetenzorientierten Deutschunterrichts in Luxemburg hergestellt. 2.1. Bedeutung des Kompetenzbegriffes Die Begriffe „Kompetenz“ und „kompetenzorientiert“ sind zurzeit in aller Munde. Doch was versteht man im schulischen Bereich eigentlich unter Kompetenzen? Spielten Kompetenzen im traditionellen Unterricht keine Rolle? Ist dieser Ansatz wirklich etwas derart Neues und anderes? Blickt man auf die Unterrichtstradition der letzten Jahrzehnte zurück, lässt sich zusammenfassend sagen, dass die Vermittlung von Wissen im Zentrum aller Schulfächer stand. Sicherlich gab es immer bereits Lehrer, denen es neben dieser Wissensvermittlung wichtig war, dass ihre Schüler dieses Wissen auch anwenden und weiterverarbeiten konnten, sprich kompetent damit umgehen konnten. Sie gestalteten ihren Unterricht methodisch abwechslungsreich und waren auf eine höhere Aktivität der Schüler bedacht. Da die vom Schulministerium veröffentlichten Lehrpläne jedoch lange Zeit nur die Wissensgebiete und Themen für jede Klassenstufe vorgaben, stellte die Vermittlung dieser Themen auch das Zentrum des Unterrichts dar. Ein Charakterzeichen des luxemburgischen Unterrichts war es demnach bis vor Kurzem, dass Luxemburger Schüler zwar viel „lernen“, das Gelernte jedoch oft nicht anwenden und in komplexere Zusammenhänge bringen können. Ein typisches Beispiel für diese Misssituation ist der Sprachenunterricht, der bis heute immer wieder verdeutlicht, dass die Schüler zwar ihre Grammatikregeln beherrschen und auch über weitere fachliche Kenntnisse wie etwa im Bereich Literatur verfügen, die Sprache und das erlernte Wissen im alltäglichen Leben und selbst im schulischen Kontext jedoch oft nur mit Mühe und Not anwenden können. Eine weitere Beobachtung, die für eine Veränderung dieses wissensbasierten Unterrichts spricht, ist die seit langer Zeit bekannte 9 Feststellung, dass der Mensch erworbenes Wissen, das nie angewandt wurde, sehr schnell wieder vergisst. „Die alltägliche Erfahrung, wie wenig nachhaltig gelernt wird und wie viel verlernt und vergessen wird, gehört zu den tiefsten Frustrationen und den größten Herausforderungen des Lehrberufs.“1 Derartige Feststellungen prägten die öffentlichen Diskussionen immer wieder in den letzten zehn Jahren. Den endgültigen Schock bescherte jedoch die in allen Ländern Europas seit dem Jahr 2000 durchgeführte PISA‐Studie, die darlegte, wie wenig kompetent die Schüler in Deutschland und auch in Luxemburg angeblich sind: Die Befunde des internationalen Vergleichs zu PISA 2000 zeigen, dass die mittlere Lesekompetenz 15‐Jähriger in Deutschland unter dem Durchschnitt der OECD‐Mitgliedsstaaten liegt. Nur in zwei weiteren mitteleuropäischen Ländern – Liechtenstein und Luxemburg – werden ebenfalls unterdurchschnittliche Ergebnisse erzielt.2 Schockierend war hier vor allem der Vergleich mit Ländern wie Finnland, die um Längen besser abschnitten. Spätestens nach PISA stand also fest, dass auch im Luxemburger Bildungswesen Veränderungen vollzogen werden mussten, die seit September 2008 verbindlich an allen Schulen unter dem Namen des „kompetenzorientierten Unterrichts“ zu Tage traten. Doch was genau bedeutet der Begriff „Kompetenz“ für die schulische Praxis? In einem ersten Schritt erscheint es sinnvoll sich mit den gängigen Definitionen des Kompetenzbegriffs auseinanderzusetzen. In seiner Publikation Bildungsstandards in der Praxis. Kompetenzorientiert unterrichten definiert Gerhard Ziener den Begriff folgendermaßen: Kompetenzen geben Auskunft über das, was jemand kann, und zwar in dreifacher Hinsicht: im Blick auf seine Kenntnisse, seine Fähigkeit damit umzugehen, und seine Bereitschaft, zu den Sachen und Fertigkeiten eine eigene Beziehung einzugehen. Kompetenzorientierter Unterricht zielt auf die Ausstattung von Lernenden mit Kenntnissen, Fähigkeiten/Fertigkeiten sowie 1 Ziener, Gerhard: Bildungsstandards in der Praxis. Kompetenzorientiert unterrichten. Seelze‐Velber: Kallmeyer Verlag in Verbindung mit Klett 2008, S.31. 2 Bundesministerium für Bildung und Forschung (Hrsg.): Förderung von Lesekompetenz – Expertise, S.8. Unter: http://www.bmbf.de/pub/bildungsreform_band_siebzehn.pdf [18.04.2011]. 10 die Bewusstmachung und Reflexion von Einstellungen/Haltungen. Kompetent ist, wer sich darauf einlassen kann, mit Sachverstand mit Dingen umzugehen. Kompetenzen sind Fähigkeiten unter dem dreifachen Aspekt von Kenntnissen, Fertigkeiten und Einstellungen. Kompetenzen äußern sich in konkreten Handlungen.3 Anhand dieser Definition wird deutlich, dass die Wissensvermittlung, die bisher das Luxemburger Unterrichtswesen prägte, keineswegs zur Nebensache degradiert werden soll. Es geht im kompetenzorientierten Unterricht vielmehr darum, sich dieses Wissen anzueignen und es selbstständig anwenden zu können. In anderen Worten handelt es sich bei Kompetenzen um Wissen und Fähigkeiten, die der Mensch erlernt, um dann eigenständig damit umzugehen. Eine weitere wichtige Komponente ist die reflektierte persönliche Auseinandersetzung mit dem Gelernten. Es sind also diese drei Aspekte des Kompetenzbegriffs, die auch im Slogan des luxemburgischen Schulministeriums wiederzufinden sind: „Wëssen, Kënnen, Wëllen“. Lehrer können folglich nur kompetent handeln, wenn sie Schüleraktivität fördern, da „Lernen als aktiver, konstruktiver, selbstgesteuerter und kommunikativer Prozess aufgefasst“ wird und „die Selbstbefähigung und Eigenverantwortung des Menschen an Bedeutung“4 gewinnt. Wie bereits auf den ersten Blick deutlich wird, kennzeichnet sich der kompetenzorientierte Ansatz vorrangig durch eine viel höhere Selbstständigkeit der Schüler. Diese Eigenständigkeit ist sozusagen die Basis eines jeden erfolgreichen Kompetenzunterrichts, wobei nicht zu vergessen ist, dass auch Eigenständigkeit eine Kompetenz darstellt, die keineswegs vorausgesetzt, sondern erst erlernt werden muss. Ähnliche Vorgaben lassen sich auch in der vielverbreiteten Definition von Weinert beobachten, die auch von der Forschungsgruppe des deutschen Bildungsministeriums zu den Bildungsstandards angegeben wird: Kompetenzen sind „die bei Individuen verfügbaren oder durch sie erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, um bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen und sozialen 3 Ziener, Gerhard: Bildungsstandards in der Praxis. Kompetenzorientiert unterrichten, S.20. Lehmann, Gabriele/ Nieke, Wolfgang: Zum Kompetenz‐Modell, S.2 Unter: http://www.bildung‐ mv.de/export/sites/lisa/de/publikationen/rahmenplaene/ergaenzende_texte/text‐lehmann‐nieke.pdf [18.04.2011]. 4 11 Bereitschaften und Fähigkeiten, um die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können“.5 Auch hier liegt der Fokus auf der persönlichen Einstellung des Lerners zum Gelernten. Die Voraussetzungen für Kompetenzentwicklung im Umgang mit dem Unterrichtsstoff sind demnach die Motivation der Schüler und der Aufbau einer persönlichen Beziehung zu dem Gelernten, was auch zu einer veränderten Haltung und Meinung führen kann. Zusammenfassend lässt sich in einem ersten Schritt also sagen: „Kompetent ist ein Mensch, der über Sachkenntnis verfügt, mit der er umgehen kann und zu der er sich verhalten kann.“6 Zu betonen ist, dass die Kompetenzorientierung keineswegs das Gegenteil einer Lernzielorientierung ist oder diese ausschließt. Vielmehr sind die genannten Ansätze als „konstruktive Verbündete“7 zu betrachten, die nur in wechselseitiger Beziehung erfolgreich umgesetzt werden können. „Kompetenzen entwickeln sich nach den zugrunde liegenden lernpsychologischen Erkenntnissen nicht „im Allgemeinen“, sondern nur durch systematischen Aufbau, intelligente Vernetzung und variierende situative Einbettung von Wissen, das für die Lernbereiche bedeutsam ist. Dabei ist Wissen die Basis jeder Kompetenz.“8 Für jeden Unterricht ergibt sich daher immer noch die Notwendigkeit, altersgerechte Lernziele vorzugeben und hierbei klassenspezifische im Sinne eines pädagogischen Konstruktivismus aufbauende Inhalte zu definieren, natürlich ohne den sich gerade beim kompetenzorientierten Unterrichten eröffnenden didaktischen Freiraum allzu sehr wieder einzugrenzen. Stellt man sich nun die Frage, was diese Definitionen für den alltäglichen Unterrichtsverlauf bedeuten, muss gleich zu Beginn darauf aufmerksam gemacht werden, dass sich auch hier keine alles Alte umwälzenden Neuerungen ergeben. Laut Ziener zeigt etwa der induktive Zugang, „dass Lehrerinnen und Lehrer zum Bildungsziel Kompetenzerwerb nicht etwa 5 Lehmann, Gabriele/ Nieke, Wolfgang: Zum Kompetenz‐Modell, S.89. Ziener, Gerhard: Bildungsstandards in der Praxis. Kompetenzorientiert unterrichten, S.18. 7 Ebd., S.28. 8 Landesinstitut für Schule NRW: Standardorientierte Unterrichtsentwicklung. Modul 1: Umgang mit Kernlehrplänen, S.8. Unter: www.learn‐line.nrw.de/angebote/deutsch‐unterrichtsentwicklung/modul1_dl.html [20.12.2006]. 6 12 überwältigt oder gezwungen werden müssen, sondern – zumeist unbewusst – längst beabsichtigen, Schülerinnen und Schüler durch Unterricht „kompetent“ in der beschriebenen Weise zu machen.“9 Bekannte methodische Ansätze wie etwa das Konzept des handlungs‐ und produktionsorientierten Unterrichts oder des Projektunterrichts zielen allesamt auf einen aktiven, Kompetenzen entwickelnden und einübenden Umgang der Schüler mit einem Wissensstoff ab. Was verändert sich also tatsächlich mit der Einführung des kompetenzorientierten Unterrichts? „Neu ist unzweifelhaft, dass Bildungsstandards als Kompetenzstandards den Kompetenzerwerb der Lernenden explizit in den Blick rücken.“10 Es reicht also nicht mehr, darauf zu vertrauen, dass die Lehrer ihren Unterricht sowieso kompetenzorientiert gestalten, sondern es geht darum zu bestimmen, welche Kompetenzen ein Schüler zu einem bestimmten Zeitpunk seiner Schullaufbahn erreicht haben soll bzw. muss. An diesem Punkt soll nun kurz auf den Begriff der Bildungsstandards eingegangen werden, die seit dem kompetenzorientierten Unterricht ebenfalls eine bedeutende Rolle spielen. 9 Ziener, Gerhard: Bildungsstandards in der Praxis. Kompetenzorientiert unterrichten, S.34. Ebd., S.34. 10 13 14 2.2. Bildungsstandards Neben dem Kompetenzbegriff prägt auch der Terminus „Bildungsstandards“ die bildungspolitische Diskussion, weshalb es wichtig erscheint, sich auch hier mit den gängigen Definitionen zu beschäftigen. Laut Ziener beschreiben Bildungsstandards den von der Bildungseinrichtung zu garantierenden bzw. garantiert anzustrebenden Ertrag von Bildungsgängen. In allen veröffentlichten Formen bestehen Bildungsstandards in einer Aufzählung von Befähigungen, also von Kompetenzen, mit denen Schülerinnen und Schüler bis zum Ende eines Bildungsganges auszustatten sind.11 Die sogenannten Bildungsstandards formulieren demnach sämtliche Kompetenzen, die ein Schüler nach einem bestimmten Schuljahr bzw. Schulzyklus erreicht haben sollte, und ersetzen somit die lediglich nach Lernzielen und Wissen aufgebauten Lehrpläne. Die Basis der Unterrichtsplanung ist demnach die Frage, „welche Kompetenzen sich an welchen Inhalten erwerben lassen“12. Der Lehrer erkennt demnach, welche Kompetenzen seine Schüler noch nicht beherrschen bzw. bis Ende des Jahres beherrschen müssen und wählt ein Unterrichtsthema, das sich anbietet, um diese Kompetenzen einzuüben. Bildungsstandards sind folglich schülerorientiert, da ihr Subjekt die Schülerinnen und Schüler sind. Sie sind ergebnisorientiert, da festgelegt wird, was die Schüler am Ende können sollen und prozessorientiert, da davon ausgegangen wird, dass die Schüler sich im Laufe eines Lernprozesses weiterentwickeln.13 Die Formulierung so genannter Standards für sämtliche Klassenstufen bzw. Zyklen verfolgt mehrere Ziele: Zum einen geht es darum, die Basiskompetenzen aller Schülerinnen und Schüler zu sichern und so die Leistungen im Allgemeinen und vor allem im unteren Leistungsbereich zu verbessern. Standardisierte Formulierungen der zu erreichenden Kompetenzen gewährleisten außerdem eine gewisse Transparenz über Leistungserwartungen und Leistungsergebnisse. Durch diese Formulierungen wird jedem 11 Ziener, Gerhard: Bildungsstandards in der Praxis. Kompetenzorientiert unterrichten, S.38. Ebd., S.42. 13 vgl. Ebd., S.44. 12 15 Lehrer deutlich, welche Kompetenzen die Schüler zu einem bestimmten Zeitpunkt ihrer schulischen Entwicklung beherrschen sollen, was auch zu einer nachvollziehbareren Bewertung der Leistungen führt. Allerdings wird hier schnell deutlich, dass standardisierte Formulierungen sich nicht unbedingt mit heterogenen Klassen vereinbaren lassen. Um die nötige innere Differenzierung zu gewährleisten, benötigt man daher erweitere Bildungsstandards, die Kompetenzanforderungen in verschiedene Sockel unterteilen. Ein solches Kompetenzstufenmodell ermöglicht nicht nur die Festlegung von Basiskompetenzen, sondern gibt auch begabten Schülern Anreize, mehr als das Nötigste zu tun. Die Transparenz der Kompetenzanforderungen dient jedoch nicht nur dem Lehrer, sondern auch den Schülern, die so genau wissen, was von ihnen erwartet wird.14 Hier bleibt allerdings anzumerken, dass dies nur möglich ist, wenn die Schüler die Inhalte der Bildungsstandards kennen, was in der Praxis wahrscheinlich oft nicht der Fall ist. Vor allem aber sollen die standardisierten Kompetenzformulierungen die Vergleichbarkeit schulischer Abschlüsse sichern.15 Um dies jedoch zu gewährleisten und vor allem zu überprüfen, bedarf es einheitlicher Testaufgaben. Da Testaufgaben jedoch in der Praxis auf den Unterricht der jeweiligen Lehrperson zugeschnitten sind, ist es auch in diesem Bereich schwierig eine absolute Standardisierung zu erreichen. Unter dem Begriff Standardisierung darf auf keinen Fall eine Standardisierung von Bildungsprozessen, sprich eine Verallgemeinerung und „Gleichmacherei“ verstanden werden. Die praktische Umsetzung des Unterrichts ist immer noch jedem Lehrer überlassen, lediglich die „normative Erwartung, auf die hin Schule erziehen und ausbilden soll“16 wird mit Hilfe der Bildungsstandards formuliert. „Standards, die Schulen auf Ergebnisse verpflichten, sind vielmehr erst die Voraussetzung für die Gewährung von „Autonomie“, das heißt für eine erweiterte Verantwortung der einzelnen Schule, etwa im Bereich von 14 vgl.Criblez, Lucien/ Oelkers, Jürgen/ Reusser, Kurt/ Berner, Esther/ Halbheer, Ueli/ Huber, Christina: Bildungsstandards. Seelze‐ Velber: Kallmeyer in Verbindung mit Klett 2009, S.24. 15 vgl. Standardorientierte Unterrichtsentwicklung. Modul 1: Umgang mit Kernlehrplänen, S.7. 16 Ebd., S.18. 16 Lehrplanung, Personalauswahl und –einsatz oder in der Gestaltung von Integrations‐ und Fördermaßnahmen.“17 Zusammenfassend lässt sich demnach festhalten, dass das Ministerium die Standards definiert und so jede Schule darauf verpflichtet, ihren Schülern allgemein notwendige Fertigkeiten zu vermitteln. Den Lehrern bleibt es überlassen, auf welchem Weg, das heißt mit welchen Methoden diese Standards erreicht werden. Die Schule übernimmt in diesem Fall die Rolle als Zwischeninstanz. Ihre Autonomie gewährleistet zusätzliche Fördermaßnahmen bestimmter Kompetenzbereiche, wie es sie in Luxemburg in bestimmten Schulen bereits gibt.18 Auch in Luxemburg wurden die traditionellen lernzielorientierten Lehrpläne durch sogenannte Bildungsstandards erweitert. Dies bedeutet allerdings nicht, dass die Wissensbereiche in diesen Lehrplänen keine Rolle mehr spielen. Neben den Kompetenzformulierungen werden Textsorten und Themen genannt, anhand derer die aufgeführten Kompetenzanforderungen eingeübt und gefördert werden können. Diesbezüglich stellt sich die Frage, ob in Zukunft die lernzielorientierten Lehrpläne durch Bildungsstandards ersetzt werden oder diese wie bisher lediglich als Zusatz fungieren, der in der Praxis erfahrungsgemäß oft ignoriert wird. Alleine die Tatsache, dass zuerst die Lerninhalte, dann die Bildungsstandards aufgeführt werden, erlaubt die Vermutung einer reinen Alibi‐Funktion der Bildungsstandards. Weiterhin wird in den aktuellen Lehrplänen kein direkter Bezug zwischen Lerninhalten und Bildungsstandards hergestellt. Für viele Lehrer gelten demnach immer noch die Lerninhalte als verbindlich, wobei die detaillierten Kann‐Beschreibungen, die den Inhalten folgen, oft nur als unnötige Ergänzung betrachtet werden. Auf der anderen Seite wird auf diese Weise natürlich die pädagogische Freiheit der Lehrer respektiert, so dass die praktische Umsetzung der Bildungsstandards individualisiert wird. 17 Standardorientierte Unterrichtsentwicklung. Modul 1: Umgang mit Kernlehrplänen, S.18. Das LAML fördert beispielsweise durch schulinterne Vorgaben stufenweise die Methodenkompetenz der Schüler. 18 17 Auch bleibt natürlich zu überprüfen, ob die vorgegebenen Lerninhalte, die sich mit der Einführung des kompetenzorientierten Unterrichts nicht verändert haben, stets mit den Bildungsstandards zu vereinbaren sind. Außerdem wird immer wieder die Frage aufgeworfen, ob die Einführung von Bildungsstandards nicht notwendigerweise eine Reduzierung der Lerninhalte mit sich bringen müsste, da die Kompetenzentwicklung mehr Zeit in Anspruch nimmt als eine reine Wissensvermittlung. 18 2.3. Kompetenzorientierter Deutschunterricht – Bildungsstandards Sprachen Nach der Auseinandersetzung mit den theoretischen Vorgaben der Kompetenzorientierung stellt sich die Frage, welche konkreten Veränderungen die Vorgaben der Bildungsstandards für die Unterrichtsgestaltung bedeuten. Pünktlich zu Beginn der Umsetzung des kompetenzorientierten Deutschunterrichts in Luxemburg erschien die Publikation Bildungsstandards Sprachen, ein sogenannter Leitfaden für den kompetenzorientierten Sprachenunterricht an Luxemburger Schulen, in dem die Schwerpunkte, die im Deutschunterricht gesetzt werden sollen, im Detail erläutert werden. Die in dieser Broschüre formulierten Vorgaben resultieren zum einen aus dem Bildungsprogramm des „Plan d’action langues 2007‐2009“, zum anderen aus den Vorgaben des „Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen“ und basieren auf zwei grundsätzlichen Zielsetzungen, wie das folgende Zitat zeigt: „Il s’agit d’abord de doter la génération future d’un plurilinguisme de haut niveau et d’agir simultanément contre les effets d’exclusion que produit le système éducatif luxembourgeois, notamment par l’enseignement des langues. Il s’agit donc d’améliorer la qualité des connaissances languagières et des capacités communicatives des jeunes, tout en évitant que les exigences scolaires en langues ne se transforment en barrière insurmontable pour l’accès à une qualification et à l’emploi.“ 19 Es geht also einerseits um den Erhalt und die Förderung der Mehrsprachigkeit der Schüler, andererseits aber auch darum, zu verhindern, dass die Sprachanforderungen für gewisse Schüler zur Bildungsbarriere wird. So hat auch die Studie PILRLS 2006, welche die Lesekompetenzen Luxemburger Schüler analysiert hat, gezeigt, dass Schüler, die im traditionellen Unterricht im Allgemeinen als schwach eingestuft wurden, dennoch über gut ausgeprägte Lesekompetenzen verfügen.20 Dies wurde im bisherigen Schulsystem jedoch wenig bis gar nicht berücksichtigt, da der Schwerpunkt bislang auf dem Schreiben und den Grammatikkenntnissen lag. Ein Missstand dieses Schulsystems war folglich, dass Schüler, die in den Sprachen zwar über gute Verständniskompetenzen verfügen, als schwach eingestuft 19 Kühn, Peter: Bildungsstandards Sprachen 2008, S.18. vgl. Ebd., S.18. 20 19 und entsprechend orientiert wurden, wodurch ihnen gegebenenfalls die Chance auf einen bestimmten Bildungsweg genommen wurde. Wichtig ist demnach zum einen, dass die Luxemburger Schüler sprachkompetent werden, was sich vor allem in einer aktiven Kommunikationsfähigkeit ausdrückt, zum anderen, dass die Schwächen der Schüler erkannt und therapiert werden sowie dass die Schwerpunkte im Deutschunterricht ausgeglichen gestaltet werden. Doch wie soll dieser Sprachenunterricht nun in der Praxis aussehen? Überträgt man die in Kapitel 2.1. aufgeführten Definitionen auf das Fach Deutsch, „so muss der Sprachenunterricht grundsätzlich sprachhandlungstheoretisch orientiert sein, denn die Sprachlernenden werden als sozial Handelnde betrachtet“21. Schüler können nicht kompetent werden, wenn sie ausschließlich in passiver Haltung in der Klasse sitzen und dem Frontalunterricht folgen. Für das Fach Deutsch bedeutet die Umstellung auf einen kompetenzorientierten Sprachenunterricht weiterhin, dass das Fach in vier Basiskompetenzbereiche aufgeteilt wird. Die Schüler sollen laut Bildungsstandards über eine Lese‐, Hör‐, Sprech‐ und Schreibkompetenz verfügen und auch innerhalb dieser Kompetenzbereiche gefördert und evaluiert werden. Wichtig ist jedoch, dass hier keineswegs die Idee vorherrscht, den Deutschunterricht in vier selbstständige Einheiten aufzugliedern. „Im Sinne eines integrativen Sprachenunterrichts sollen diese unterschiedlichen Kompetenzen nicht isoliert behandelt werden, sondern immer aufeinander bezogen und vernetzt sein (z.B. linear, thematisch).“22 Auch wenn die vier basalen Kompetenzbereiche nicht voneinander zu trennen sind, werde ich im Folgenden einen kurzen separaten Überblick über die Erwartungen innerhalb der einzelnen Kompetenzbereiche geben. 21 Kühn, Peter: Bildungsstandards Sprachen, S.25. Ebd., S.36. 22 20 2.3.1. Lesekompetenz Kompetente Leser sind nicht nur eine Grundvoraussetzung für das erfolgreiche Lernen einer Sprache, sondern auch in anderen Fächern wie etwa Naturwissenschaften oder Geschichte profitieren gute Leser von einer ausgeprägten Lesekompetenz. In diesen Fächern wird oft vorausgesetzt, dass die Schüler über die notwendigen Lesekompetenzen verfügen, um komplexe Texte zu fachlichen Inhalten selbstständig zu lesen und zu verstehen. Auch wird das schlechte Abschneiden in diesen Fachbereichen häufig vorschnell mit mangelndem Wissen oder Können erklärt anstatt mit fehlenden Lesekompetenzen. Dabei werden schwache Leser „ohne besondere Förderung der Lesekompetenz Schwierigkeiten in der Erarbeitung neuer Lerngegenstände in allen Fächern haben“23. Doch auch im Alltag wird eine ausgeprägte Lesekompetenz zunehmend wichtiger. Unser Alltag kann als Medienalltag bezeichnet werden und der Umgang mit den diversen Medien fordert vor allem kompetente Leser. Das moderne Medienzeitalter fordert sogar ein viel differenzierteres Lesen, als dies bei den reinen Printmedien der Fall war. Doch was genau versteht man eigentlich unter guten Lesern und dem Begriff der Lesekompetenz? Ein erster wichtiger Faktor ist die „aktive Konstruktionsleistung“ des Schülers, sprich die Erkenntnis, dass „Lesen kein passiver Prozess der Bedeutungsentnahme“ darstellt, sondern vom Leser erwartet, dass er „die im Text enthaltenen Inhalte aktiv mit dem Vor‐ und Weltwissen des Rezipienten in Verbindung“24 setzt. Unter dem Begriff des Leseverstehens versteht man demnach die Kompetenz, „aus Geschriebenem den Sinngehalt zu entnehmen und damit auch die Verarbeitung von ganzen Sätzen und Texten“.25 Gisela Beste unterteilt den Prozess des Leseverstehens in drei Stufen, wobei die erste sich auf das Dekodieren von Wörtern beschränkt, die zweite, die sie als „lokale Kohärenzbildung“ bezeichnet, das Verstehen von ganzen Sätzen anstrebt, und die dritte, welche auf den beiden ersten Stufen aufbaut, das Verständnis von Textzusammenhängen ermöglicht.26 23 Bundesministerium für Bildung und Forschung (Hrsg.): Förderung von Lesekompetenz – Expertise, S.9. Ebd. S.14. 25 Ebd., S.14. 26 Beste, Gisela: Lesen. In: Dies.: Methodik Deutsch. Berlin: Cornelsen Verlag 2007, S.14. 24 21 Baurmann und Hurrelmann basieren ihre Erkenntnisse auf den Ergebnissen der PISA‐Studie und erkennen vier Komponenten der Lesekompetenz: 1. Die kognitive Grundfähigkeit als übergreifende Intelligenzvoraussetzung, die über das Lesen hinausgeht 2. Die Decodierfähigkeit als für das Lesen bedeutsame Fähigkeit, sich die korrekte Bedeutung von Wörtern und Sätzen schnell zu erschließen. 3. Das Wissen um Lese‐ und Textverstehensstrategien, mit deren Hilfe man sich schwierige Texte erschließen kann. 4. Das Leseinteresse, das die Lesemotivation steuert.27 Wie kompetent ein Leser ist, hängt demnach in erster Linie mit seiner Intelligenz zusammen. Verfügen Schüler im Allgemeinen über eine ausgeprägte Begabung, zeigen sie wenige Schwierigkeiten im Umgang mit Texten. Die zweite Stufe bei Baurmann und Hurrelmann umfasst eigentlich die Fähigkeiten, die Gisela Beste noch einmal in drei Unterstufen aufteilt, nämlich das Dekodieren des Textes. An dritter Stelle nennen sie die Lesestrategien, mit Hilfe derer der Leser auch komplexe Texte entschlüsseln kann. Als letzte Komponente gehen Baurmann und Hurrelmann auf die auch in meinen Augen bedeutsame Rolle der Motivation ein. Gute Leser sind häufig auch diejenigen Schüler, die Freude am Lesen zeigen. Die großangelegten Leseleistungsmessungen basieren auf den drei Teildimensionen „Informationen ermitteln, textbezogenes Interpretieren, Reflektieren und Bewerten“28. Die Leseforschung basiert demnach stärker auf der „aktiven und konstruktiven Leistung des Lesers“, wobei sich PISA und ähnliche Studien stärker auf die „Informationsaufnahme aus Texten konzentriert“29. In diesem Kontext stellt Bettina Hurrelmann folgende Definition auf: „Lesekompetenz ist definiert als Fähigkeit zum Textverstehen im Horizont einer kulturellen Praxis, zu der es gehört, dass sich (1) kognitives Textverständnis, (2) Motivation und 27 Landesinstitut für Schule NRW: Standardorientierte Unterrichtsentwicklung. Modul 3: Kompetenzorientiert diagnostizieren und fördern, S.20. Unter: www.learn‐line.nrw.de/angebote/deutsch‐ unterrichtsentwicklung/modul3_dl.html [20.12.2006]. 28 Hurrelmann, Bettina: Modelle und Merkmale der Lesekompetenz. In: Bertschi‐Kaufmann: Lesekompetenz, Leseleistung, Leseförderung. Grundlagen, Modelle, Materialien. Seelze‐Velber: Klett Kallmeyer 2008, S.24. 29 Ebd., S.24. 22 emotionale Beteiligung, (3) Reflexion und Anschlusskommunikationen (mit anderen Lesern) ergänzen und durchdringen.“30 Geht man von diesen Ansätzen aus, stellt sich natürlich die Frage, wie man diese Fähigkeiten am besten bei den Schülern fördert. Um selbstständige und kompetente Leser auszubilden, ist es erforderlich den Schülern Lesestrategien und Lesetechniken mit auf den Weg zu geben, die es ihnen ermöglichen, mit einem bestimmten Methodenrepertoire an die diversen Textsorten heranzugehen. Oft werden die beiden Begriffe Lesestrategien und –techniken in einen Topf geworfen. Unter Lesetechniken versteht man „Verfahren zum Erfassen des Textes als Ganzem“, unter Lesestrategien „Schrittfolgen zur Förderung eines genauen und detaillierten Textverstehens“31. Lesetechniken wären etwa stilles Lesen, überfliegendes Lesen, lautes Lesen, szenisches Lesen usw. Beispiele für Lesestrategien sind die Aktivierung von Vorwissen, Sinnabschnitte bilden, unbekannte Wörter klären, Hypothesen bilden, zusammenfassen usw.32 Im Rahmen der Beschreibung der praktischen Vorgehensweise in der vorliegenden Arbeit werde ich näher auf die in der Praxis angewandten Lesestrategien eingehen. Wichtig ist, dass die Schüler erkennen, zu welchem Zweck sie welche Lesestrategie anwenden können. Somit ist es erforderlich, nicht alle Strategien gemeinsam einzuüben, sondern, je nachdem um welche Arbeitsaufträge es sich handelt, selektive Lesestrategien anzuwenden. Ebenso wichtig ist der regelmäßige Rückgriff auf die eintrainierten Strategien, damit die Schüler erkennen, dass diese Werkzeuge ihnen tatsächlich bei dem Verstehensprozess unter die Arme greifen können. An dieser Stelle möchte ich kurz anmerken, dass die Verwendung sogenannter Lesestrategien auch Kritikpunkte umfasst. Hat ein Schüler etwa gravierende sprachliche Probleme, nutzen ihm auch keine Lesestrategien. Außerdem lässt sich in der Praxis beobachten, dass gute Leser oft keiner Strategien bedürfen, um Texte zu verstehen. Ein weiterer Schwachpunkt der Lesestrategien ist der, dass gewisse Schüler diese nur bei konkreten Aufforderungen anwenden, diese aber bei selbstständigen Arbeiten oder 30 Hurrelmann, Bettina: Modelle und Merkmale der Lesekompetenz, S.24. Beste, Gisela: Lesen, S.18. 32 vgl. Beste, Gisela: Lesen, S.20. 31 23 während Klassenarbeiten ignorieren. Dadurch wird deutlich, dass viele Schüler nicht den Sinn bzw. den Nutzen solcher Strategien erkennen. Erst, wenn Schüler tatsächlich das Gefühl haben, dass bestimmte Strategien ihnen weiterhelfen, werden sie diese auch autonom anwenden. Wie die oben erwähnten Ansätze gezeigt haben, ist es auf einer ersten Ebene von Bedeutung, die einzelnen Wörter zu verstehen, um in einem weiteren Schritt den Satz und so den Textzusammenhang zu verstehen. Hier sei allerdings angemerkt, dass dieser Schritt ab einer bestimmten Klassenstufe beherrscht werden muss. Ausgehend von diesem Ansatz könnte man behaupten, dass demnach ein erster Schritt der Textarbeit immer in der Erklärung unbekannter Begriffe liegt. Je nachdem um welche Begriffe es sich handelt, ist es sicherlich unumgänglich diese nachzuschlagen, um den Text in seinem Ganzen zu verstehen. Dennoch gibt es auch in diesem Bereich unterschiedliche Ansichten. Viele Wörter erschließen sich dem Leser nicht durch eine explizite Bedeutungserklärung, sondern dadurch, dass er sie sich während des Lesens aus dem Kontext heraus erschließt.33 Der Faktor der Lesemotivation wird bei vielen Schülern bereits durch ihre Leseerfahrungen im Grundschulalter bestimmt. Dennoch hat die Schule die Aufgabe, die Lesemotivation der Schüler zu fördern, was im Unterricht durch diverse Methoden und Ansätze erfolgen kann. Lesetagebücher, Lesenächte, Leseecken sowie kreative und produktive Erschließungsmethoden sind nur einige Beispiele, die die Lesemotivation der Schüler fördern können. Ein weiterer bedeutender Aspekt im Bereich der Lesekompetenz ist die Beschäftigung mit verschiedenen Textsorten. Im Unterricht der Sekundarstufe I gehört zum Bereich des Textverstehens nicht nur die Sinnentnahme, sondern auch die Auseinandersetzung mit Textsorten und ihren Merkmalen, mit Textintentionen, Erzählperspektiven usw. Das belegt natürlich implizit, dass ein allgemeines Textverständnis auf dieser Klassenstufe vorausgesetzt wird und auch vorausgesetzt werden muss. Beschäftigt man sich näher mit dem Erwerb der Lesekompetenz wird einem zunehmend bewusst, wie komplex dieser Vorgang ist und wie viele Faktoren, die man als Lehrer nicht 33 Bundesministerium für Bildung und Forschung (Hrsg.): Förderung von Lesekompetenz – Expertise, S.17. 24 mitbestimmen kann, damit zusammenhängen. Dies bringt die Definition von Weinert noch einmal auf den Punkt, der davon ausgeht, dass „die individuelle Ausprägung der Kompetenz von den Facetten Fähigkeit, Wissen, Verstehen, Können, Handeln, Erfahrung und Motivation bestimmt“34 wird. Wirft man einen Blick in den Lehrplan der achten Klasse, erkennt man, dass neben den Kann‐ Formulierungen im Rahmen der Bildungsstandards genaue Anweisungen sprich verschiedene Niveaubestimmungen zur Lesekompetenz angeführt werden, die auf Veröffentlichungen des Ministeriums für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein‐ Westfalen beruhen. Unterschieden wird zwischen fünf Kompetenzstufen, die im Folgenden in verkürzter Form wiedergegeben werden. Das Kompetenzniveau 1 trägt die Bezeichnung „Leseverstehen in Ansätzen“ und zielt auf die Erfassung der Hauptgedanken sowie isolierter Einzelinformationen eines Textes. Das „einfache Leseverstehen“ erwartet überdies hinaus das Vergleichen und Auswerten von Textangaben, worunter auch die Erklärung einzelner Textaussagen oder das Erfassen von Handlungsabläufen fällt. Auch das Erkennen textsortenspezifischer Merkmale ist unter dem zweiten Niveau anzusiedeln. Erst auf der dritten Stufe dieses Kompetenzmodells spricht man von einem „grundlegenden Leseverstehen“, da hier mehrschichtige Verarbeitungsprozesse erwartet werden. Schüler, die diese Stufe beherrschen, können auch komplexere Informationen finden und verstehen sowie Schlüsse über die Textaussagen ziehen. Kompetenzniveau 4 zielt laut Vorgabe bereits auf anspruchsvolle Verarbeitungsprozesse, da der gesamte Text samt impliziten Aussagen erfasst wird. Unter diese Stufe fällt das Erkennen von Mehrdeutigkeiten in Texten, die differenzierte Bewertung literarischer Figuren, das Deuten der sprachlichen Form von Textaussagen sowie textexternes Wissen nutzen. An oberster Stufe des Kompetenzmodells steht das „komplexe Leseverstehen“, bei dessen Beherrschung die Schüler auch schwer zu ermittelnde Informationen finden und verbinden können, Deutungshypothesen explizit formulieren und anhand von Textaussagen überprüfen können.35 34 Bundesministerium für Bildung und Forschung (Hrsg.): Förderung von Lesekompetenz – Expertise, S.13. Lehrplan 6e ES 2010/11, S.6. 35 25 Laut Vorgaben des Lehrplans soll auf einer achten Klasse des ES der Schwerpunkt auf der dritten Stufe sprich dem „grundlegenden Leseverstehen“ liegen und bereits auf Niveau 4 hingearbeitet werden. Aus diesem Grund möchte ich die Vorgaben dieser Kompetenzstufe im Detail analysieren und mit den Lerninhalten dieser Klassenstufe in Verbindung bringen. Auf den ersten Blick wird anhand dieses Stufenmodells klar und deutlich erläutert, über welche Kompetenzen die Schüler verfügen müssen, um die diversen Niveaus zu erreichen. Allerdings wirft dieses Modell auch Fragen auf, wie etwa das Feststellen der verschiedenen Stufen. Mit welchen Aufgabentypen und welchem Schwierigkeitsgrad der Texte lässt sich dieses Leseniveau bei Schülern feststellen? Wie stuft man Schüler ein, die in der Bearbeitung von Sachtexten die beschriebenen Fähigkeiten besitzen, im Bereich literarischer Texte jedoch große Defizite aufweisen? Weiterhin erscheint es mir vor allem zwischen den Stufen 4 und 5 schwierig, eine Grenze zu ziehen und diese auch bei Schülern zu diagnostizieren. Fragwürdig ist ebenfalls, wieso der Lehrplan ein derartiges Stufenmodell nur für die Lesekompetenz vorsieht. Im Lehrplan werden im Bereich der Bildungsstandards genaue Kann‐Fomulierungen für das Leseverstehen aufgestellt, auf die ich im Rahmen der Vorstellung des praktischen Teils dieser Arbeit eingehen werde. 26 2.3.2. Hörkompetenz Eng zusammen mit dem Leseverständnis hängt die Hörkompetenz, die sogar oft mit dem Lesen als Verstehenskompetenz zusammengefasst wird. Dass diese beiden Kompetenzbereiche tatsächlich eng zusammenhängen, zeigt auch eine neue Erkenntnis, die besagt, „dass eine nur mangelhaft ausgeprägte Hörkompetenz, genauer gesagt ein Defizit in der phonologischen Verarbeitung, oft für Lese‐ und Rechtschreibschwächen verantwortlich ist“36. Auch die zahlreichen Projekte der Leseförderung belegen den engen Zusammenhang von Lesen und Hören, da viele sogar die Hörkompetenz in den Mittelpunkt stellen.37 Dennoch bestehen Unterschiede im Bereich der Strategien, mit denen Lese‐ bzw. Hörtexte bearbeitet und verstanden werden. „Während der Leser sich auf den vorliegenden Text konzentrieren und bestimmte Textstellen wieder nachlesen kann, kann ein Hörer den auditiven Text nur kurz aufnehmen und muss sich der Struktur und Geschwindigkeit des Hörtextes anpassen.“38 Ein weiterer Unterschied zwischen Lese‐ und Hörkompetenz besteht in den Texten, da sich die Hörkompetenz vorrangig auf auditive und audiovisuelle Medien basiert. Mit der Aufwertung der Hörkompetenz hängt teilweise auch der Boom der Hörmedien wie etwa Hörbücher und Hörspiele zusammen. Doch wie lässt sich die Hörkompetenz eines Schülers fördern und in einem weiteren Schritt messen und evaluieren? Zum einen umfasst der Begriff des Hörverstehens nicht nur das Hören an sich, sondern auch das Verständnis des Sinnes von Texten. „Laute werden ausgenommen, in kleinere oder größere Einheiten segmentiert und dann einer bestimmten Bedeutung zugewiesen und verarbeitet. Es ist also keineswegs eine rein rezeptive Fertigkeit, sondern ein aktiver, selbstständiger Prozess, in dem der Lerner auf sein vorhandenes Wissen zurückgreift und mit dessen Hilfe er versucht, sich die Bedeutung des Gehörten zu erschließen.“39 Genau wie bei der Lesekompetenz wird auch beim Hören zwischen verschiedenen Hörstrategien unterschieden. Beim „globalen Hören“ konzentriert sich der 36 Haug, Katja: Wer lesen will, sollte hören. Unter: http://www.lesen‐in‐ deutschland.de/html/content.php?object=journal&lid=638 [18.04.2011]. 37 vgl. http://www.ohrliestmit.de/olm 38 Kühn, Peter: Bildungsstandards Sprachen, S.42. 39 http://www.westermann.de/download/grundschule/gs_englisch/didaktik/hoerverstehen.pdf [15.02.2011]. 27 Hörer allgemein auf die Hörsituation, beim „selektiven Hören“ konzentriert er sich gezielt auf bestimmte Informationen und beim detaillierten Hören geht es um das wörtliche Verständnis des Textes.40 Im Vergleich zum Leseverstehen erscheint es mir allerdings wesentlich schwieriger diese sogenannten Strategien anzuwenden und einzuüben. Was genau muss der Schüler beim „globalen“ oder beim „selektiven“ Hören tun? Die praktische Umsetzung der Förderung der Hörkompetenz im Deutschunterricht sieht vor, dass die Hörtexte stets im Rahmen eines bestimmten Themas behandelt werden. Dies hängt vor allem mit der Idee eines integrativen Ansatzes zusammen, der vorsieht, dass sämtliche Teilkompetenzen sowie Lerninhalte im Rahmen einer Unterrichtssequenz gefördert und vermittelt werden. Hinterfragt man diese Vorgabe auf ihren Sinn in Punkto Förderung der Hörkompetenz, bin ich persönlich der Meinung, dass sich diese auch abgesondert von einem globalen Thema in einzelnen Unterrichtssituationen einüben lässt. Weiterhin sei angemerkt, dass die Integration sämtlicher Teilkompetenzen in größere Unterrichtseinheiten immer angestrebt werden sollte, in der Praxis jedoch nicht immer realisierbar ist. Auch soll der Schwierigkeitsgrad der Hörtexte im Laufe der Zeit erhöht werden. „Dies wird erreicht, indem zahlreiche Faktoren verändert werden, wie etwa die Text‐ und Satzlänge, das Sprechtempo, das Thema, die Anzahl der unbekannten Wörter im Text oder auch die Anzahl der Wiederholungen für das Verständnis relevanter sprachlicher Strukturen.“41 Beim Aufbau der Hörverständnisaufgaben soll weiterhin darauf geachtet werden, dass zuerst ein weites, dann ein enges Verstehen angestrebt wird. So sollen die ersten Fragen allgemein auf das Thema und die Sprechsituation abzielen und in einem nächsten Schritt erst Richtig‐Falsch‐ Aufgaben usw. verwendet werden. Genau wie bei der Förderung der Lesekompetenz sollen auch beim Hörverstehen die produktiven Aufgaben nicht zu kurz kommen. In einer Fortbildungsveranstaltung zum Thema Hörverstehen von Peter Bimmel wurde betont, dass die Förderung der Hörkompetenz vorzugsweise mit Videos umgesetzt werden sollte. So sei es wichtig, regelmäßig die rein auditiven Beiträge durch audiovisuelle zu 40 vgl. Steinmann, Cornelia: Tipps und Tricks zum Hörverstehen. Unter: http://cornelia.siteware.ch/hoeren/hoerentheorie/hoerverstehentheorie.pdf [15.02.2011]. 41 http://www.westermann.de/download/grundschule/gs_englisch/didaktik/hoerverstehen.pdf. 28 ersetzen. Zum einen unterstützen Bilder die auditiven Inhalte, zum anderen ist ein rein auditiver Text für die junge Generation eine untypische Situation, da sie nur in seltenen Ausnahmen auf das Medium Radio zurückgreifen. Internet und Fernsehen, sprich eine Kombination aus auditiven und visuellen Inhalten, bestimmen ihren medialen Alltag. Natürlich birgt das Audiovisuelle seinerseits das Risiko, dass das Visuelle Informationen liefert oder auch nur suggeriert, welche die auditive Aussage zumindest einschränken bzw. tendenziell deuten. Ein solches Wechselspiel zwischen Auditivem und Visuellem ist aber meist gewollt, findet sich in Filmen, aber auch in Reportagen und sollte im Rahmen einer parallelen, impliziten Medienerziehung thematisiert werden. Viele Lehrer fühlen sich im Bereich der Förderung der Hörkompetenz unsicher, da die Einbindung dieser Kompetenz in den Unterricht meist aus reinen Übungsphasen besteht, welche vorsehen, dass den Schülern Audiobeiträge vorgespielt werden, zu denen sie dann Aufgaben lösen. Eine Möglichkeit wäre hier, diese Audiobeiträge nicht immer mit den typischen Aufgaben der Hörtests zu verbinden, sondern sie anderwärtig zu nutzen. So kann eine Hörversion eines literarischen Textes als Textbegegnung genutzt werden, bei der die Schüler sich beim ersten Hören auf Basisinformationen wie Ort, Figuren und Hauptschritte der Handlung konzentrieren. Auf der anderen Seite ist es jedoch auch erforderlich, die Schüler innerhalb von Übungsphasen mit den verschiedenen Aufgabentypen vertraut zu machen und ihnen die Gelegenheit zu geben, selbst herauszufinden, wie sie sich bei der Bearbeitung der verschiedenen Aufgabenformate organisieren. Ein weiteres Problem stellt sich oft bei der praktischen Umsetzung. Viele Schulen verfügen nicht über die notwendigen technischen Ausrüstungen, um die Integration verschiedener Medien schnell und unkompliziert in den Unterricht zu integrieren. Beispielhaft sind hier Schulen wie das Athénée de Luxembourg und das Lycée Aline Mayrisch, deren Klassenzimmer mit Beamer und Lautsprechern ausgestattet sind, so dass lediglich ein IPod oder ein Laptop angeschlossen werden muss. Auch die vorhandenen Internetanschlüsse vereinfachen die Integration von Audiobeiträgen in den Unterricht, da so problemlos auf Podcasts oder Vodcasts aus dem Internet zurückgegriffen werden kann. Sind diese Infrastrukturen nicht in diesem Maße vorhanden, ist die Lehrperson auf einen tragbaren CD‐ 29 Player angewiesen. Dies erfordert natürlich ebenfalls Hörmaterial in Form von CDs, welches in Form von Hörbüchern und Hörspielen zwar stark verbreitet ist, oft aber nicht den Anforderungen von Hörbeiträgen zur Förderung der Hörkompetenz entspricht. So sind diese Texte oft zu lang und erfordern vom Lehrer viel Zeit und Aufwand, um sie für die Nutzung im Unterricht aufzubereiten. Im Internet finden sich auf zahlreichen Internetseiten Audiobeiträge zu diversen Themen, die verschiedenen Altersstufen zugeordnet sind. Da sich diese allerdings oft nicht herunterladen lassen, erschwert dies wiederum die Nutzung bei fehlender technischer Grundausstattung. Zwar erscheinen in letzter Zeit auch in den verschiedenen Verlagen wie etwa bei Auer Materialien zur Förderung der Hörkompetenz, die neben den Audiobeiträgen auch entsprechende Aufgaben aufbereiten.42 Auch zu diversen Lehrwerken wie etwa die momentan für Luxemburg überarbeitete Reihe Deutsch Kombi aus dem Buchner‐Verlag bietet zusätzlich zu den Lehrwerken CDs mit Audiobeiträgen und Aufgaben an. Ein Schwachpunkt in Luxemburg sind in diesem Bereich sicherlich die fehlenden Informationen bezüglich der existierenden Materialien. Jedem Lehrer ist es gewissermaßen selbst überlassen, geeignete Materialien zu finden. Sinnvoll wäre in diesem Bereich sicherlich eine Veröffentlichung mit einer Auflistung brauchbarer Materialien und Internetseiten, die sich für die Förderung und Überprüfung der Hörkompetenz nutzen lassen. Unklarheiten herrschen auch immer wieder bezüglich der praktischen Umsetzung der Übungssituationen. Wie oft sollen die Schüler entsprechende Audiobeiträge hören, erhalten sie die entsprechenden Aufgaben vor, während oder nach dem Hören, sollen die Schüler nur hören oder sich während des Hörens Notizen nehmen? Wie lange sollen Hörbeiträge auf den verschiedenen Klassenstufen sein? So klagen Schüler etwa über Hörbeiträge, welche sich über dreißig Minuten erstrecken, woraufhin von ihnen verlangt wird, Detailinformationen wiederzugeben. Im Vergleich zur Lesekompetenz sucht man auch im Bereich der wissenschaftlichen Veröffentlichungen vergeblich nach einer umfassenden Auseinandersetzung mit der Förderung der Hörkompetenz im Deutschunterricht, die Antworten auf die zahlreichen Fragen und Unsicherheiten geben könnte. 42 Schäfer, Stefan: Hörkompetenz‐Training im Deutschunterricht. Auer 2010. 30 2.3.3. Schreibkompetenz Eine Aufgabe des Deutschunterrichts ist es, gute Schreiber auszubilden. Neben der Lese‐ ist auch die Schreibkompetenz eine Schlüsselkompetenz, die unentbehrlich im alltäglichen Leben ist. Weiterhin spielt auch die Schreib‐ genau wie die Lesekompetenz eine bedeutende Rolle in anderen Fächern, da die Schüler ihr Wissen meist in Textform wiedergeben müssen. Auch in Luxemburg zeigt sich immer wieder, dass Schüler mit Schreibschwächen im EST sowie in der unteren Sekundarstufe des ES auch Probleme in Fächern wie Geschichte oder Geografie haben, da ihnen die nötigen Fähigkeiten fehlen, ihr Wissen in einem strukturierten und verständlichen Text wiederzugeben. Zur Schreibkompetenz zählen nicht nur das Wissen um bestimmte Textmerkmale und Strukturregeln, sondern auch Rechtschreibung, Grammatik und Wortschatz spielen eine bedeutende Rolle. Blickt man zurück auf den traditionellen Deutschunterricht, stellt man fest, dass diese Teilbereiche des Schreibens immer separat eingeübt und abgeprüft und so auch teilweise zum Selbstzweck wurden. So lässt sich auch immer wieder beobachten, dass Schüler in sogenannten sprachsystematischen Übungen ihre Grammatikregeln beherrschen, diese in freien Schreibformen wie etwa dem Erlebnisaufsatz jedoch nicht korrekt anwenden können. Die Zusammenführung sämtlicher Teilbereiche des Schreibens in einem integrativen Deutschunterricht ist demnach ein erster wesentlicher Schritt, um bei Schülern die Schreibkompetenz zu fördern. Ein Blick in die Theorie zeigt, dass zur Schreibkompetenz noch mehr gehört als Rechtschreibung und Grammatik, wie etwa eine sprachliche Kompetenz (das Verfügen über konzeptuelle Schriftlichkeit), textuelle Kompetenz (Wissen über Form und Funktion von Texten), prozedurale Kompetenz (die Fähigkeit, den Schreibvorgang als Ganzen zu organisieren und entsprechende Teilprozesse zu realisieren), sozial‐ kommunikative Kompetenz (die Fähigkeit, sich beim Schreiben an einem Adressaten zu orientieren) sowie Beurteilungskompetenz (die Fähigkeit eigene und fremde Texte zu beurteilen).43 Hier zeigt sich demnach, dass auch dieser Begriff weitaus komplexer ist als dies anfangs scheint und im Unterricht vielfältige Situationen und Aufgaben verlangt sind, um die Schreibkompetenz zu fördern. Der Schreiber muss über die eben genannten 43 Steets, Angelika: Schreiben. In: Beste, Gisela: Deutsch‐Methodik, S.53f. 31 „Einzelkompetenzen verfügen und diese in zielgerichteter Weise integrieren können“44. Als Folgen eines langjährigen Lernprozesses im Bereich Schreiben werden diese Kompetenzen für gewöhnlich unbewusst aktiv. So wird natürlich die Frage aufgeworfen, ob sich das, was in all den Schuljahren nicht unbewusst erworben wurde, in einem bewussten Lernprozess nachträglich und auch noch zeitlich gerafft aufholen lässt. Weiterhin muss der Schreiber über ein inhaltliches Wissen wie etwa Ideen, Erfahrungen oder Informationen verfügen, um Texte zu schreiben45, was jedoch bei jungen Schreibern oft ein Problem ist. Ein bedeutender Aspekt im kompetenzorientierten Unterricht ist, dass nicht mehr wie beim traditionellen Aufsatzunterricht das Produkt im Mittelpunkt steht, sondern der Schreibprozess an Bedeutung gewinnt. Der Schüler lernt demnach, seine Texte in verschiedenen Phasen zu planen, zu formulieren und zu überarbeiten, wobei vor allem das Feedback des Lehrers wichtig für die Kompetenzentwicklung ist. Hier ist es von Bedeutung, den Schülern für die verschiedenen Phasen die nötigen Werkzeuge sprich Methoden an die Hand zu geben. Für die Vorbereitungsphase wären je nach Schreibaufgabe ein Brainstorming oder eine Recherche sinnvoll sowie Methoden, um die gesammelten Informationen zu strukturieren. In der Formulierungsphase „werden Wörter gesucht und dann zu Sätzen zusammengefügt oder umgekehrt Satzschemata gewählt und dann mit Wörtern gefüllt“46. Hier sei allerdings angemerkt, dass dieser Aspekt dem Niveau der Unterstufe des ES nicht wirklich gerecht wird. Die Schreibhemmungen, die Schüler häufig aufweisen, können durch die „Möglichkeit einer späteren Überarbeitung“47 reduziert werden, da viele Schüler sich beim Schreiben freier fühlen, wenn sie wissen, dass der Text Fehler und Lücken enthalten darf. Die bedeutendste Phase in der prozessorientierten Schreibdidaktik ist die Überarbeitung. Hier bieten sich verschiedene Methoden wie etwa die Schreibkonferenz, die auch im praktischen Teil der vorliegenden Arbeit zum Tragen kommt, oder auch Schreibportfolios an. Um Texte zu überarbeiten, benötigen Schüler sowohl inhaltliches als 44 Steets, Angelika: Schreiben. In: Beste, Gisela: Deutsch‐Methodik, S.53. vgl. Steets, Angelika: Schreiben, S.54. 46 Ebd., S.63. 47 Ebd., S.64. 45 32 auch sprachliches Wissen, ihnen müssen demnach die Merkmale der Textform sowie die Grammatik‐ und Rechtschreibregeln im Detail bekannt sein. Weitere wichtige Aspekte im Kontext der Schreibkompetenz sind das „situationsbezogene Schreiben“ und das kreative Schreiben, wobei Ersteres verlangt, dass der Unterricht Situationen schafft, um diverse Schreibformen, etwa anlassbezogene, appellative oder bewertende Schreibformen wie Briefe, Leserbriefe und Kommentare auszuprobieren.48 Das kreative Schreiben verfolgt eher motivierende Zwecke, da die Schüler hier nicht durch Regeln und Vorgaben eingeschränkt werden. So werden hier vor allem „der subjektive Ausdruck der Schüler, ihre Phantasie und Gestaltungsmöglichkeit“49 gefördert. Doch auch eher „traditionelle Aufsatzformen wie Vorgangsbeschreibung, Inhaltsangabe, Zusammenfassung und Bericht, die im Deutschunterricht behandelt werden, sind nicht isoliert zu üben, sondern anlassbezogen und pragmatisch zu motivieren“50. Dies erfolgt durch die Einbettung in thematische Unterrichtseinheiten oder die Anbindung an die Lebenswelt der Schüler. Die Förderung der Schreibkompetenz wird auch durch die Schülermotivation beeinflusst. So schreiben die meisten Schüler der Sekundarstufe I nachweislich gern, wobei diese Motivation mit zunehmendem Alter wieder abnimmt. Demnach gilt es vor allem, diese Motivation aufrechtzuerhalten. „Motivierend wirken auf das Schreiben v.a. das Interesse des Schreibenden an seinem Thema, das Wissen über dieses Thema, eine sinnvoll gestellte Schreibaufgabe und die Möglichkeit, von deren Lesern ein Feedback zu erhalten.“51 Schreibaufgaben können je nach Unterrichtssituation entweder offen oder eher eingegrenzt aufgestellt werden, wichtig bleibt stets die kontextuelle Einbindung. Wie bereits erwähnt nimmt auch der Grammatikunterricht im kompetenzorientierten Unterricht eine andere Stellung ein. Grammatik wird nicht mehr als ein isoliertes Teilgebiet des Deutschunterrichts angesehen und auch nicht mehr als solches benannt. Grammatik, 48 vgl. Kühn, Peter: Bildungsstandrads Sprachen, S. 43f. Steets, Angelika: Schreiben, S.77. 50 Kühn, Peter: Bildungsstandards Sprachen, S.43. 51 Steets, Angelika: Schreiben, S.54. 49 33 Orthografie und Wortschatz werden nunmehr unter dem Schwerpunkt Sprache gebrauchen und Sprachgebrauch untersuchen zusammengefasst. Weiterhin wird betont, dass es „im Bereich der Wortschatz‐ und Grammatikkompetenzen nicht mehr ausschließlich um ein deklaratives Wissen [geht], sondern um Kompetenzen, die der Schüler nutzen kann, um Texte (besser) zu verstehen oder Texte (besser) zu schreiben.“52 Grammatik soll demnach nicht mehr als Selbstzweck unterrichtet werden, sondern in die vier Basiskompetenzen Lesen, Hören, Schreiben und Sprechen eingebettet werden.53 Auch mit der Einführung des kompetenzorientierten Unterrichts bleibt der Schwerpunkt im luxemburgischen Deutschunterricht die Schreibkompetenz. Davon geht man zumindest aus, wenn man sich die Punkteverteilung ansieht, die beispielsweise für die achte Klasse des ES vorsieht, dass von insgesamt 180 Punkten, 120, also zwei Drittel, dem Bereich Schreiben gewidmet sind. Logischerweise müsste demnach die Förderung der Schreibkompetenz auch den größten Teil des Unterrichts einnehmen, was jedoch oft nicht der Fall ist. Auch wenn es schwierig ist, allgemeine Aussagen über die praktische Unterrichtsgestaltung in Luxemburg zu machen, wird immer wieder deutlich (wie etwa in schulinternen Fachkonferenzen), dass der Förderung der Schreibkompetenz im Unterricht oft nicht genügend Zeit und Raum gegeben wird. Gründe hiefür sind zum einen tatsächlich die fehlende Zeit, zum anderen die Gewichtung. Ein Großteil des Deutschunterrichts besteht in der Analyse von Texten, welche zwar oft mit einem Schreibauftrag abgeschlossen wird. Allein der Schreibauftrag fördert jedoch noch keine Schreibkompetenz. Ein anderer Grund, der häufig von Lehrern angegeben wird, ist die zusätzlich anfallende Arbeit. Will man intensiv an der Schreibkompetenz einer Klasse arbeiten, erfordert dies, dass der Lehrer den Schreibprozess begleitet, sprich regelmäßig die Schülerproduktionen korrigiert, sie überarbeiten lässt und erneut kontrolliert. Praktiziert man dies bei Klassenstärken von fast dreißig Schülern, wird deutlich, dass der Lehrer so schnell an den Rand seiner Möglichkeiten stößt. Möchte man die Schreibkompetenz als solche im Deutschunterricht stärker fördern, ist eine Bedingung sicherlich eine Reduktion der Schüleranzahl in den Klassen. 52 Steets, Angelika: Schreiben, S.54. vgl. Ebd., S.25. 53 34 2.3.4. Sprechkompetenz Im Rahmen des kompetenzorientierten Deutschunterrichts wird vor allem dem Mündlichen eine größere Bedeutung zugemessen als dies im traditionellen Unterricht der Fall war. Immer wieder wurde deutlich, dass die Luxemburger Schüler nach ihrer Schullaufbahn im Bereich des Schreibens über ausgeprägte Fähigkeiten verfügen, ihre mündlichen Fähigkeiten jedoch häufig Defizite aufweisen. Seit der Einführung des kompetenzorientierten Unterrichts ist vorgeschrieben, dass die Schüler auch im Bereich der mündlichen Kompetenz gefördert und evaluiert werden. Dies zeigt ebenso der Blick in den Lehrplan, der auch für den Bereich Sprechen sehr detaillierte Kann‐Formulierungen vorgibt. „Gegenüber dem Schreiben hat das Sprechen den Vorteil, dass Intentionen nicht nur über das Wort, sondern auch über die Prosodie und durch Mimik und Gestik vermittelt werden können.“54 Dies kann die Kommunikation der Schüler teilweise vereinfachen, erfordert aber die Beherrschung verschiedener Strategien und Redehaltungen, um Gesprächssituationen erfolgreich zu meistern. Dies sind jedoch nicht nur Haltungen, die den Sprecher betreffen, da „die Kommunikation dadurch konstituiert [wird], dass Agieren und Reagieren einander abwechseln“55. Ein kompetenter Sprecher muss demnach gleichzeitig ein kompetenter Zuhörer sein, da eine gelungene Gesprächssituation sowohl vom Sprecher als auch vom Zuhörer gewisse Fähigkeiten verlangt. Während solchen Gesprächssituationen laufen bestimmte Prozesse ab, die laut wissenschaftlichen Untersuchungen rhetorischer, pragmatischer und psychologischer Natur sind. Das Rhetorische zielt hier auf den Sprachstil ab, der auf bestimmte Wirkungen abzielt. Das Pragmatische einer Gesprächssituation sind die funktionalen Zwecke wie etwa Fragen, Antworten usw. Das Psychologische bezieht sich auf die Vermittlung einer Botschaft mit mehreren Mitteilungsebenen wie informieren, appellieren usw.56 Wie bereits erwähnt, nennt auch der Lehrplan eine Reihe von Kann‐Beschreibungen im Bereich der mündlichen Kompetenz. Das Hauptaugenmerk liegt darauf, „dass die 54 Beste, Gisela: Sprechen und Zuhören. In: Dies.: Deutsch‐Methodik, S.140. Ebd., S.140. 56 Ebd., S.140f. 55 35 Schülerinnen und Schüler zur bewussten Nutzung verbaler und nonverbaler Mittel befähigt werden sollen, damit sie eigene Ziele verfolgen und dabei Motive, Interessen und ggf. differierende Wahrnehmungen der Gesprächspartner bzw. Zuhörer berücksichtigen können“57. Für die Unterrichtspraxis ergeben sich drei Dimensionen des Sprechens, die gefördert werden sollten: das Sprechen vor anderen, das sprechende Gestalten und das Sprechen mit anderen.58 Obwohl beispielsweise die Dimension des Sprechens mit anderen zum alltäglichen Leben sowie zum Schulalltag gehört, ist es wichtig, diese Fähigkeit gezielt im Unterricht einzuüben und auszubauen. So geht es in erster Linie darum, „Schülerinnen und Schüler dabei zu unterstützen, ein breites Repertoire an Sprechhandlungen aufzubauen, Formen des aktiven Zuhörens anzuwenden und in Gruppen sowie in komplexeren Gesprächssituationen wie Debatte und Diskussion nach vereinbarten Gesprächsregeln zu handeln und sie aktiv zu vertreten“59. Neben praktischen Übungen wie Rollenspielen, Interviews usw. ist es auch sinnvoll, beispielsweise Gesprächsszenen in Texten und Filmen zu analysieren. In höheren Klassenstufen spielen die Diskussion und die Debatte eine größere Rolle, wobei vor allem die „Fähigkeit zur Sach‐ und Adressatenorientierung sowie zur argumentativen Vertretung von Einschätzungen, Meinungen und Positionen“60 gefördert werden muss. Das Sprechen vor anderen findet im Schulalltag vorrangig in Form von Referaten statt und hat als Zweck meistens die Wissensvermittlung. Der Sprecher will demnach „Interesse an einem Sachgegenstand anregen und aufbauen sowie den Zuhörenden persönlich ansprechen und Denk‐ bzw. Handlungsimpulse auslösen61“. Es geht verstärkt um Selbstdarstellung, Prosodie sowie um rhetorische, mimische, gestische und proxemische Aspekte. Im Idealfall sind jedoch sämtliche Sprechsituationen „dialogisch, insofern sie auf Wirkung beim Zuhörenden angelegt“62 sind. Wie erfolgreich das Dialogische jedoch umgesetzt wird, „hängt wie bei allen Formen der mündlichen Kommunikation davon ab, wie 57 Beste, Gisela: Sprechen und Zuhören, S.141. vgl. Ebd., S.141. 59 Ebd., S.141. 60 Ebd., S.148. 61 Ebd.,. S.153. 62 Ebd.,. S.153. 58 36 verbale und nonverbale Mittel eingesetzt werden“63. Die dritte Dimension des Sprechens, das sprechende Gestalten, bezieht sich auf „die Fähigkeit, Sprache, Stimme, Gestik und Mimik wirkungsvoll einzusetzen“64, was vor allem beim Vortrag von literarischen Texten eine bedeutende Rolle spielt. Für die Unterrichtspraxis ist es sinnvoll, diesen drei Dimensionen des Sprechens regelmäßig Zeit und Raum zu geben, da nur eine konsequente Anwendung und Einübung die mündliche Kompetenz fördern kann. In Luxemburg wird in der Unterstufe, wie bereits gesagt, erst seit der Einführung des Kompetenzunterrichts das Mündliche als Kompetenz gefördert und evaluiert. Anfangs sah dies im ES so aus, dass die Schüler am Ende eines jeden Trimesters im Bereich der mündlichen Kompetenz sei es in Form von Gesprächen, Rollenspielen oder Referaten evaluiert wurden. Seit September 2010/11 ist in den Lehrplänen allerdings zu sehen, dass die Stellung der Sprechkompetenz wieder drastisch reduziert wurde und nun nur noch im dritten Trimester eines Schuljahres geprüft wird. Diese Änderung erschien vielen Lehrern notwendig, da es zeitlich sehr aufwändig ist, innerhalb eines Trimesters die mündliche Kompetenz sowohl zu fördern als auch zu prüfen. Allerdings drängt sich auch die Vermutung auf, dass die momentane Situation wohl häufig dazu führt, dass die mündliche Kompetenz in den ersten beiden Trimestern eher ignoriert und erst im dritten Trimester wieder Beachtung findet, da eine Reduktion der Prüfungssituationen wahrscheinlich häufig auch zu einer Abnahme der Übungssituationen führt. Somit wäre ein Ziel des Kompetenzunterrichts, die mündliche Kommunikation der Schüler zu fördern und zu verbessern, gescheitert. 63 Beste, Gisela: Sprechen und Zuhören, S.153f. Ebd., S.168. 64 37 38 2.3.5. Medien‐, Methoden‐ und Sozialkompetenz Sieht man sich die Lehrpläne der Kompetenzklassen an, fällt auf, dass neben den genannten Teilkompetenzen Lesen, Schreiben, Hören und Sprechen auch immer wieder die Rede von Medienkompetenz sowie von Methoden‐ und Sozialkompetenz ist. Auch wenn diese nicht direkt zu den rein fachlichen Kompetenzen gehören, ist es wichtig, sie in die Planung und Gestaltung des Unterrichts zu integrieren. Vor allem die Medienkompetenz hängt eng mit dem Deutschunterricht zusammen, „denn der Deutschunterricht ist aufgrund der Medialität seiner unterrichtlichen Gegenstände Medienunterricht par excellence und deshalb in besonderer Weise für die Vermittlung von Medienkompetenz zuständig“65. Das Fach Deutsch beschäftigt sich von seiner Natur her mit Medien, Medienangebote funktionieren durch Sprache. In diesem Sinne ist „Deutschunterricht [...] immer schon Medienunterricht gewesen“66. Auf die Schule bezogen versteht man unter Medienkompetenz, dass „Kinder und Jugendliche Kenntnisse und Einsichten, Fähigkeiten und Fertigkeiten [erwerben], die ihnen ein sachgerechtes und selbstbestimmtes, kreatives und sozialverantwortliches Handeln in einer von Medien durchdrungenen Welt ermöglichen“67. Im Rahmen des praktischen Teils dieser Arbeit werde ich noch einmal verstärkt auf die Bedeutung der Medienkompetenz sowie deren Förderung im Deutschunterricht eingehen.68 Erwartet man, wie die Theorie zum Kompetenzunterricht es vorgibt, eine höhere Selbstständigkeit der Schüler, ist es unabdinglich, dass diese über eine gewisse Methodenkompetenz verfügen. Im Lehrplan der jeweiligen Klassenstufen werden so auch Lern‐ und Arbeitstechniken vorgegeben, welche die Schüler im Laufe eines Schuljahres erwerben und anwenden sollen. Ein Beispiel wäre hier etwa der kompetente Umgang mit der Präsentationstechnik PowerPoint. Der Lehrplan der achten Klasse ordnet die Lern‐ und Arbeitstechniken drei Kompetenzfeldern zu, der Fähigkeiten zum selbstständigen Arbeiten und Lernen, der Fähigkeiten zum Kooperieren und Kommunizieren sowie der Fähigkeiten zur 65 Frederking, Volker; Krommer, Axel, Maiwald, Klaus: Mediendidaktik Deutsch. Berlin: Erich Schmidt Verlag 2008, S.89. 66 Ebd., S.74. 67 vgl. Tulodziecki, Gerhard: Medien in Erziehung und Bildung. Bad Heilbrunn: Klinkhardt 1997. 68 Kapitel 3.2.2. 39 Selbstevaluation.69 Der Förderung der Sozialkompetenz wird im kompetenzorientierten Unterricht mehr Beachtung geschenkt, da viele Unterrichtsmethoden von den Schülern eine ausgeprägte Sozialkompetenz verlangen bzw. diese fördern. Sollen die Schüler etwa in Gruppen an einem bestimmten Thema arbeiten, müssen sie lernen, wie diese Arbeit in der Praxis verlaufen soll, damit ein möglichst positives Ergebnis zu verzeichnen ist. Wichtig ist, dass diese Methoden‐ und Sozialkompetenzen nicht vorausgesetzt werden können. Sie müssen erst im Laufe der Jahre entwickelt und vertieft werden, was nicht im Laufe eines Jahres, geschweige denn einer Unterrichtseinheit möglich ist. Eigentlich müsste für die gesamte Unterstufe definiert werden, welche Methoden auf welcher Klassenstufe behandelt werden sollen, damit diese progressiv aufeinander aufbauen. Ein Beispiel ist hier etwa die Initiative des Schulprojektes IKONA des Lycée Aline Mayrisch, welches für die Klassen der Unterstufe Methoden festgelegt hat, an denen in den verschiedenen Jahrgangsstufen gearbeitet werden soll. Eine ähnliche Initiative soll es auch bereits in der Ecole privée Fieldgen geben. 69 Kühn, Peter: Bildungsstandards Sprachen, S.46. 40 2.4. Schwierigkeiten bei der Entwicklung kompetenzorientierter Aufgaben Obwohl die Auseinandersetzung mit den einzelnen Kompetenzen bereits viele Hinweise auf die Unterrichtsgestaltung geliefert hat, ist es dennoch wichtig, sich im Detail damit zu beschäftigen, wie kompetenzorientierte Aufgaben aussehen sollen. Aufgrund der veränderten Bewertungsvorgaben lag der Fokus seit Beginn des Kompetenzunterrichts auf der Evaluation der verschiedenen Teilkompetenzen, weniger jedoch auf den Veränderungen im Bereich der Unterrichtsplanung und ‐gestaltung. Im vorliegenden Kapitel soll demnach versucht werden, die wesentlichen Merkmale kompetenzorientierter Aufgaben zusammenzufassen und zu erläutern. Auf jeden Fall eignen sich Aufgaben, welche die Selbstständigkeit der Schüler fördern, wie etwa die Arbeit an einer komplexen Problemstellung. Auch die „Kognitionspsychologie betont die große Eigenaktivität des Lernenden für erfolgreiches Lernen“70. Weiterhin sollen die Aufgaben die Nähe zur Erfahrungswelt der Schüler berücksichtigen sowie „standardorientierte Sprachhandlungen und –formen implizieren“71, das heißt, konkrete Handlungen auf Seiten der Schüler provozieren. Zusätzlich sollen Kompetenzanforderungen aus unterschiedlichen Bereichen des Faches miteinander in Verbindung gebracht werden, was sowieso im Deutschunterricht der Fall ist. Werden Texte gelesen und analysiert, wird dies entweder in schriftlicher oder mündlicher Form getan. Gleichzeitig besteht ein Großteil des Unterrichts in der Förderung der Hörkompetenz, da die Teilnahme am Unterricht ein konzentriertes Zuhören verlangt. Was die Aufgabenkonstruktion im Deutschunterricht angeht, ist grundsätzlich zwischen „Aufgaben zur Leistungsüberprüfung“ und „Aufgaben zur Unterstützung fachlicher 70 Landesinstitut für Schule NRW: Standardorientierte Unterrichtsentwicklung. Modul 2: Aufgaben konstruieren, S.9. Unter: www.learn‐line.nrw.de/angebote/deutsch‐unterrichtsentwicklung/modul1_dl.html [20.12.2006]. 71 Landesinstitut für Schule NRW: Standardorientierte Unterrichtsentwicklung. Modul 1: Umgang mit Kernlehrplänen, S.87. 41 Lernprozesse (Lernaufgaben)“72 zu unterscheiden, wobei Lernaufgaben fachliche Prozesse „initiieren, begleiten und unterstützen“73. Darüber, wie derartige Lernaufgaben in der Praxis aussehen könnten, schweigt sich die Fachliteratur grundsätzlich aus. Auch ein Blick in den Lehrplan (beispielsweise der achten Klasse des ES) gibt nur vage Angaben, wie die theoretischen Vorgaben in der Praxis umgesetzt werden sollen: Aufgabentypen zu fiktionalen Texten o Lese‐/Hörverstehensaufgaben zu inhaltlichen und formalen Aspekten o Verbindungen zu anderen Texten / zu aktuellen Ereignissen herstellen o Textsorten und ihre Merkmale bestimmen o Texte und Ganzschriften vorstellen und interpretieren: ∙ Thema, Aufbau, Handlungsverlauf, Figuren … ∙ formale Aspekte: Stilmittel, sprachliche Auffälligkeiten … ∙ Inhaltsangabe ∙ Leseerfahrungsbericht ∙ Buchempfehlung Aufgabentypen zu nicht‐fiktionalen Texten o Thema formulieren o Verständnisprobleme erkennen und lösen (Wortschatz‐Aufgaben) o Aufbau: Gliederung in Sinnabschnitte o Schreibabsicht ermitteln und am Text belegen o unterstützende grafische und bildliche Darstellungen verstehen 74 o eigene Positionen zum Gelesenen/Gehörten formulieren Auffällig ist ebenso, dass der Schwerpunkt wieder auf dem Umgang mit Texten liegt und die anderen Bereiche des Deutschunterrichts (abgesehen von einigen Aufgaben, die schriftlich umgesetzt werden) ausgeklammert werden. Für sich allein betrachtet sind darüber hinaus die angeführten Teilgebiete keineswegs „Aufgabentypen“, sondern vielmehr Kompetenzformulierungen. Die angeführten Hinweise bezeichnen Fähigkeiten, die nur derjenige kann, der schon sehr kompetent mit Texten umgehen kann. Wie ein Durchschnittsschüler aber auf dieses Niveau gelangen soll, wird wiederum nicht erwähnt. Wie bereits in den Eingangskapiteln deutlich wurde, spielt die Selbstständigkeit und die Aktivität der Schüler im Kompetenzunterricht eine bedeutende Rolle. Bezieht man diese Vorgaben auf den Umgang mit Texten, heißt dies, dass die rein analytische Textarbeit, 72 Landesinstitut für Schule NRW: Standardorientierte Unterrichtsentwicklung. Modul 2: Aufgaben konstruieren, S.9. 73 Ebd., S.10. 74 Lehrplan 6e ES 2010/11, S.4. 42 welche meist in Form eines fragend‐entwickelnden Unterrichts stattfindet, durch ein handlungs‐ und produktionsorientiertes Arbeiten mit Texten ergänzt werden soll. Die Vertreter eines handlungs‐ und produktionsorientierten Deutschunterrichts nehmen an, dass Lernen „nicht passiv bzw. ausschließlich rezeptiv möglich ist, sondern aktiv handelnd über die Beschäftigung der Schüler mit einem Unterrichtsgegenstand bzw. durch eine bestimmte Unterrichtsarbeit“75. Dieses Unterrichtsprinzip zielt also auf ein schülerzentriertes und schüleraktivierendes Lernen im Gegensatz zu einem traditionellen lehrerzentrierten Unterricht. Die Umsetzung eines derartigen Unterrichtskonzeptes eröffnet vor allem im Bereich der Textarbeit ein weites Feld an Möglichkeiten, vom Weiter‐ oder Umschreiben eines Textes über das Verfassen von Tagebucheinträgen oder Briefen an fiktionale Figuren bis hin zur szenischen Interpretation und Transformation von Texten in andere Medien. Die Schüler sollen Texte „variieren, modifizieren, ergänzen, verändern, ihnen widersprechen, sie spielen, aktualisieren, verfremden – alles in allem sie ohne falsche Ehrfurcht, aber mit wachsender Sensibilität als etwas Gemachtes und damit auch zumindest versuchs‐ und probeweise Veränderbares verstehen, produktiv und aktiv mit ihnen umgehen, ihnen nicht nur mit Gedanken, sondern auch mit Gefühlen begegnen, auf sie in jeder realisierbaren Form reagieren.“76 Ein handlungs‐ und produktionsorientierter Literaturunterricht will die Schüler demnach „in ihrer Sinnlichkeit, ihren Gefühlen, ihrer Phantasie, ihrem Tätigkeitsdrang“77 ansprechen, das heißt, der Zugang zur Literatur erfolgt über die Sinne und über das eigene Handeln der Schüler. Dies soll nicht bedeuten, dass Literatur – wie auch sonst jede Thematik – deswegen weniger über den Verstand rezipiert und im obigen Sinne weiterverarbeitet wird. Die Zugangswege sind einfach vielfacher geworden oder sollten es werden, genauso wie die anschließenden Produktionsmöglichkeiten. Es ist aber wichtig, dass, egal welche Arbeitswege eingeschlagen werden, nicht auf den übliche Dirigismus zurückgegriffen wird. Wenn alle zu einem Text 75 Dohnke Hartwig: Handlungsorientierung des Unterrichts, S.4f. Unter: http://www.learn‐ line.nrw.de/angebote/lakonkret/lehrer/unterrichten/dohnke_handlungsorientierung.pdf [18.04.2011]. 76 Haas, Gerhard: Handlungs‐ und produktionsorientierter Literaturunterricht. Theorie und Praxis eines „anderen“ Literaturunterrichts für die Primar‐ und Sekundarstufe. Seelze: Klett 2007, S.40. 77 Haas, Gerhard/Spinner, Kaspar: Handlungs‐ und produktionsorientierter Literaturunterricht. In: Praxis Deutsch 123, 1994, S.18. 43 einen Tagebucheintrag verfassen müssen, ist der Mehrwert des Konzeptes dahin. Wer Kreativität und Entfaltung fördern möchte, muss Freiheit gewähren. Im Bereich der Grammatik werden in den Bildungsstandards Sprachen jegliche sprachsystematischen oder sprachstrukturellen Aufgaben, wie etwa kontextlose Lückentexte, Ergänzungs‐ oder Transformationsübungen, rein reproduktive sowie auf ein Pattern‐Drill‐Verfahren reduzierte Aufgaben, abgelehnt. Die Schüler sollen demnach nicht mit isolierten grammatischen Begriffe arbeiten, sondern diese Begriffe in „funktionalen Zusammenhängen erarbeiten, erklären und anwenden“78. Dies soll bei Bedarf und unabhängig von der Klassenstufe stattfinden. Weiterhin soll die Arbeit im Kompetenzbereich Sprache und Sprachgebrauch untersuchen nicht von isolierten Wörtern oder Sätzen, sondern von Texten ausgehen: Grammatikarbeit ist folglich keine Arbeit an isolierten Wörtern, Sätzen oder Lehrbuchtexten, die lediglich auf bestimmte grammatische Probleme hin konstruiert und formuliert sind. Grammatikarbeit ist vielmehr Arbeit mit und/oder an authentischen Texten.79 Dies heißt allerdings nicht, dass literarische Texte zur Erläuterung eines grammatischen Phänomens instrumentalisiert werden sollen, sondern, dass ein grammatisches Prinzip dann thematisiert wird, wenn es für die Rezeption oder Produktion spezifischer Textsorten relevant ist. Wichtige Ansätze für die praktische Umsetzung des Grammatikunterrichts im kompetenzorientierten Unterricht sind das induktive80, das integrative81 sowie das funktionale82 Verfahren, das den Schülern eine „Reflexion über Sprache in funktionalen 78 Haas, Gerhard/Spinner, Kaspar: Handlungs‐ und produktionsorientierter Literaturunterricht, S.45. Kühn, Peter: „Gute Aufgaben“ zur Lernstandsbestimmung im Kompetenzbereich „Sprache und Sprachgebrauch untersuchen“. In: Bremerich‐Vos, Albert/ Granzer, Dietlinde/ Köller, Olaf: Lernstandsbestimmung im Fach Deutsch. Gute Aufgaben für den Unterricht. Weinheim: Beltz 2008, S.197. 80 Für den Grammatikunterricht bedeutet dies, dass der Schüler nicht zuerst mit den Regeln der Grammatik konfrontiert wird, sondern, dass er sich in einem ersten Schritt mit verschiedenen Phänomenen der Sprache befasst und durch die Reflexion selbst zu der Regel gelangt. 81 Der Grammatikunterricht wird in andere Teilbereiche des Deutschunterrichts integriert, wird demnach nicht mehr isoliert unterrichtet. 82 In der praktischen Umsetzung verlangt die funktionale Grammatik, dass die Schüler die Funktion bestimmter grammatischer Schwerpunkte bei der Textrezeption oder beim Schreiben erkennen und anwenden. 79 44 Zusammenhängen ermöglicht“83. An dieser Stelle sei jedoch angemerkt, dass ein kompletter Verzicht auf sprachsystematische Aufgaben im Bereich des Grammatikunterrichts manchmal schwierig ist. Auch wenn sich der Einstieg in ein grammatisches Problemfeld meist mühelos im Rahmen eines authentischen Textes erarbeiten lässt, benötigen die Schüler Phasen der Vertiefung und Verfestigung, die sich nur schwer anhand sogenannter authentischer Texte umsetzen lassen. Der Grammatikunterricht im ES zielt immer noch auf Vollständigkeit ab, das heißt, dass in der unteren Sekundarstufe sämtliche grammatische Phänomene durchgenommen werden und Grammatik somit als Inhalt behandelt wird. Sinnvoll wäre es, diesen Bereich des Deutschunterrichts zu entschlacken, dafür aber vorzusehen, dass auch in den Klassen der Oberstufe grammatische Aspekte thematisiert werden können. Da der praktische Teil der vorliegenden Arbeit keinen grammatischen Schwerpunkt beinhaltet, soll dieser Teilbereich des Deutschunterrichts an dieser Stelle nicht weiter ausgebaut werden. Bei der Unterrichtsplanung ergeben sich Probleme oder Unstimmigkeiten unterschiedlicher Art. Ein erstes Problem, das spezifisch das Fach Deutsch betrifft, ist das fehlende Lehrwerk. Zwar wird den Lehrern eine Auswahl an diversen deutschen Lehrwerken vorgegeben, die mehr oder weniger kompetenzorientiert vorgehen, jedoch sind diese vom Inhalt her nicht auf den luxemburgischen Lehrplan abgestimmt. So müsste man meist Lehrwerke aus drei Jahrgangsstufen benutzen, um sämtliche Vorgaben des Lehrplans abzudecken. Dies führt dazu, dass die Deutschlehrer oft viel Zeit und Mühe damit verbringen, kompetenzorientiertes Unterrichtsmaterial zu erstellen oder in anderen Unterrichtsmaterialien zu suchen. Erschwert wird durch diese Tatsache auch der integrative Ansatz, da es nicht immer einfach ist, den gesammelten und erstellten Materialien und Aufgaben einen thematischen Rahmen zu geben. So habe ich persönlich auch bemerkt, dass wir Lehrer einen Großteil unserer Vorbereitungszeit damit verbringen, Unterrichtsmaterial zu suchen. Bei der Art und Weise, wie wir dieses Material einsetzen, sind wir dagegen viel phantasieloser und viel weniger motiviert, Neues auszuprobieren. Wüssten wir dagegen routinemäßig, welche Methoden sich wann im Unterricht einbauen lassen, um dieses oder 83 Landesinstitut für Schule NRW: Standardorientierte Unterrichtsentwicklung. Modul 1: Umgang mit Kernlehrplänen, S.87. 45 jenes Lernziel zu erreichen, wäre die Suche oder das Erstellen des Unterrichtsmaterials viel zielstrebiger und effizienter. 46 2.5. Leistungsüberprüfung im kompetenzorientierten Unterricht Ein Aspekt, der sich im Rahmen des kompetenzorientierten Unterrichts stark verändert hat, ist die Leistungsüberprüfung. Wurden bis dato in der Unterstufe in Luxemburg Klassenarbeiten geschrieben, die insbesondere auf Grammatikkenntnisse oder Aufsätze ausgerichtet waren, fordert der kompetenzorientierte Ansatz, dass auch die Kompetenzbereiche Lesen, Sprechen und Hören mit in die Gesamtbewertung des Schülers einfließen. Dies erlaubt sowohl dem Schüler als auch dem Lehrer, differenzierter zu erkennen, wo die Stärken und Schwächen liegen. Für die Klassenarbeiten heißt dies, dass mindestens zwei Kompetenzbereiche innerhalb einer Arbeit abgeprüft werden sollen. Weiterhin soll von rein reproduktiven Aufgaben abgesehen werden, da diese nicht die Kompetenzen der Schüler abprüfen. Wichtig bei der Aufstellung einer kompetenzorientierten Klassenarbeit ist in den Kompetenzbereichen Lesen und Hören die „Berücksichtigung der verschiedenen Aufgabentypen“84. Ein Blick in die Fachliteratur zeigt, dass hier vor allem sechs Aufgabentypen/Aufgabenformate diskutiert werden: „Richtig‐Falsch‐Testaufgaben, Zuordnungs‐Testaufgaben, Multiple‐Choice‐ Testaufgaben, Lückentext, Kurzantwort‐Testaufgaben und Aufsatztest“85. Allerdings wird auch in der Literatur betont, dass die Aufgabentypen, je nachdem, ob es sich um eine vergleichende Lernstandserhebung wie etwa die „épreuve commune“ oder eine Klassenarbeit handelt, variieren. So findet man als Vorgabe für kompetenzorientierte Klassenarbeiten, dass die Aufgaben in unterrichtliche Kontexte eingebettet sein sollen, sprich ein Zusammenhang zwischen den Aufgaben in der Klassenarbeit und denen im Unterricht bestehen soll, diese einem Aufgabentyp zugeordnet werden können und vorwiegend offene Formate verwendet werden sollen.86 Offene Aufgabenformate erwarten von den Schülern eine selbstständige Antwort auf die Fragen, wohingegen geschlossene Aufgaben bereits Antwortmöglichkeiten vorgeben oder in Form von Lückentexten nur das Einsetzen einzelner Wörter verlangen. Weiterhin soll in der Klassenarbeit eine „funktionale 84 Landesinstitut für Schule NRW: Standardorientierte Unterrichtsentwicklung. Modul 2: Aufgaben konstruieren, S.169. 85 Ebd., S.150. 86 Ebd., S.169. 47 Verbindung der Kompetenzen aus den Bereichen des Faches“87 erfolgen und die Leistungsfeststellung so angeordnet werden, „dass sie den Lernenden auch Erkenntnisse über die individuelle Lernentwicklung ermöglicht“88. Allein die Tatsache, dass die Klassenarbeit nicht mehr mit einer globalen Note bewertet wird, sondern die einzelnen Kompetenzbereiche evaluiert werden, ermöglicht dem Schüler, seine Fortschritte in den einzelnen Teilbereichen des Faches zu erkennen. Bei der Punkteverteilung ist darauf zu achten, dass die Punkte tatsächlich zur Abprüfung der jeweiligen Kompetenz verwendet werden. So dürfen Punkte, welche die Lesekompetenz der Schüler bewerten sollen, nicht auf Bereiche wie etwa Grammatik und Rechtschreibung übertragen werden. Es erfolgt demnach beispielsweise kein Punkteabzug bei Rechtschreibfehlern, wenn Leseverstehen abgeprüft wird. Um dem Phänomen zu entgehen, dass bei sprachlich zweifelhaften Aussagen, bei denen der Inhalt stimmt, die volle Punkte vergeben wird, ist es möglich und auch sinnvoll, die offenen Aufgabenformate mit zusätzlichen Punkten aus dem Bereich Schreiben zu versehen. Auch die Tatsache, dass die Schüler sich in letzterem Fall sprachlich mehr Mühe geben, spricht für diese Vorgehensweise. Allerdings bringt diese neue Form der Bewertung weitere Unsicherheiten mit sich. Ein Streitpunkt stellt immer noch die Bewertung von Aufgaben zu bekannten Texten dar. Hier wird einerseits die These vertreten, dass auch die Bearbeitung von Problemstellungen zu bekannten Texten durchaus zeigt, wie kompetent ein Schüler im Umgang mit Texten ist. Andererseits wird argumentiert, dass in diesem Falle getestet wird, wie kompetent der Schüler als Lerner ist, und nicht seine Fähigkeit, Texte zu lesen und zu verstehen, untersucht wird. In diesem Fall würden solche Aufgaben zu bekannten Texten unter dem Bereich Schreiben bewertet, was dann als „textgebundenes Schreiben“ bezeichnet wird. Allerdings sei an dieser Stelle angemerkt, dass auch die erstgenannte These durchaus vertretbar ist, da die Anwendung und Weiterverarbeitung von gelerntem Wissen von den Schülern mehr als nur Auswendiglernen verlangt. Nur wenn die Schüler einen Text verstanden haben, können sie eine Transferleistung erbringen. 87 Landesinstitut für Schule NRW: Standardorientierte Unterrichtsentwicklung. Modul 2: Aufgaben konstruieren, S.169. 88 Ebd., S.169. 48 Auch im Bereich der Schreibkompetenz ergeben sich Neuerungen im Vergleich zum traditionellen Bewertungssystem. „Methodologisch ist im Kompetenzbereich Schreiben darauf zu achten, dass die angeführten Schreibkompetenzen evaluiert werden und die einseitige Orientierung auf die Orthografie, den Wortschatz oder die Grammatik bei der Bewertung von Texten ausgeschlossen bleibt.“89 Diese Vorgabe, die sich so in den Bildungsstandards Sprachen findet, ist allerdings nicht nachvollziehbar, da auch das Beherrschen der Rechtschreibung und Grammatik zur Schreibkompetenz gehört und keineswegs aus der Bewertung ausgeschlossen werden sollte. Seit der Einführung des kompetenzorientierten Unterrichts setzt sich die Trimesternote der Schüler demnach aus den Noten der vier basalen Kompetenzbereiche zusammen, wobei dem Bereich Schreiben die höchste Bedeutung zukommt. Sieht man sich beispielsweise die Notenverteilung der achten Klasse an, sind von den 180 Punkten pro Trimester vierzig für den Bereich Leseverstehen, zwanzig für den Bereich Hörverstehen und 120 für den Bereich des Schreibens vorgesehen. Die mündliche Kompetenz fließt seit dem Schuljahr 2010/11 erst im dritten Trimester in die Trimesternote ein und ersetzt in diesem Fall die Hörkompetenz, wird also auch mit zwanzig Punkten bewertet90. Sinnvoller wäre eventuell eine Punktevorgabe, die sich auf das gesamte Schuljahr bezieht, jedoch von jedem Lehrer individuell umgesetzt werden kann. So könnte jeder Lehrer frei entscheiden, auf welchen Kompetenzbereich er in welchem Trimester den Schwerpunkt legt, was auch den Vorteil hätte, dass nicht alle Bereiche in allen Trimestern abgeprüft werden müssten. So könnte auch das Prinzip der kurzen Übungsphasen zwischen den Leistungsbewertungen abgeschafft werden. Ein Schwachpunkt des momentanen Bewertungssystems ist sicherlich die völlig unterschiedliche praktische Umsetzung. Die einzelnen Kompetenzbereiche werden von jedem Lehrer mit anderen Aufgabentypen, Texten und Benotungskriterien evaluiert. Einer der Gründe für die Einführung von Bildungsstandards, und zwar die Möglichkeit des Vergleichs von Leistungen verschiedener Klassen, wird auf diese Weise nicht erreicht. Vor 89 Kühn, Peter: Bildungsstandards Sprachen, S.45. Kommentar, siehe Kapitel „Sprechkompetenz“ 90 49 allem im Bereich der Benotungskriterien lassen sich immer wieder große Unterschiede feststellen. So wenden einige Lehrer trotz der Vorgaben einer positiven Bewertung91 immer noch die traditionellen Muster an, nach denen der Schüler beispielsweise bei Grammatikaufgaben bereits bei einer Fehlerquote von fünfzig Prozent null Punkte erhält. Ein Schwachpunkt im luxemburgischen System ist sicherlich die Kommunikation zwischen Ministerium und Lehrkörpern, da viele Neuerungen die Lehrkräfte nicht erreichen. Ein typisches Beispiel ist die Einführung des sogenannten Null‐Levels bei Multiple‐Choice‐ Aufgaben oder Lückentexten. Eine Tabelle sieht vor, wie viele Items der Schüler richtig beantworten muss, um anschließend für jede zusätzliche Antwort Punkte zu bekommen. Diese Tabelle ist vielen Lehrern in Luxemburg unbekannt, was darauf schließt, dass die Bewertungskriterien meist individuell nach Belieben angewandt werden. Die Schüler selbst können in solchen Fällen nicht einschätzen, welche Bewertungskriterien eigentlich „erlaubt“ sind, da diese ihnen nicht bekannt sind. Ein anderes Beispiel für die unterschiedliche praktische Umsetzung von Klassenarbeiten ist die Evaluation der Hörkompetenz. Immer wieder wird deutlich, dass hier völlig verschiedene Praktiken vorherrschen, was die Dauer, den Schwierigkeitsgrad und die Art der Aufgaben angeht. Auch dies zeigt, dass die Bewertung der Kompetenzen der Schüler nicht als „standardisiert“ bezeichnet werden kann. Am Ende eines jeden Trimesters erhalten die Schüler einerseits ihre Trimesternote im Fach Deutsch sowie das „complément au bulletin“, das ihnen anhand von sechs Kategorien zeigen soll, wie kompetent sie in den vier Teilbereichen des Deutschen sind. Die Schreibkompetenz wird in drei Unterbereiche aufgeschlüsselt, so dass der Schüler erkennt, wie es um seine Grammatik‐ und Rechtschreibfähigkeiten, seinen Wortschatz und die Fähigkeit, Texte zu schreiben steht. Unterschiedliche Herangehensweisen gibt es auch in diesem Bereich, da einige Lehrer diese Kompetenzen „nach Gefühl“ ankreuzen, andere sich allerdings auf konkrete Aufgaben der Schüler beziehen und diese Noten dann als Basis für die entsprechenden Kreuze nehmen. Mir persönlich erscheint es fragwürdig, warum nicht die Noten der Teilkompetenzen auf dem Zeugnis aufgelistet sind, da diese mindestens so aussagestark wären wie die momentanen Kreuze. 91 Der Schüler erhält Punkte für richtige Antworten. 50 Was passiert mit Schülern, die eine bestimmte Kompetenz nicht erreicht haben? Diese Frage wird in den bisherigen Evaluationskriterien nicht berücksichtigt. Wenn letztlich nur die Kompetenzbereiche bekreuzigt werden, wird notgedrungen diese mit jener Kompetenz kompensiert. Ein Schüler, der beispielsweise im Bereich des Leseverstehens die für die achte Klasse definierte Niveaustufe nicht erreicht, kann dennoch in die nächste Klassenstufe, da dem Kompetenzbereich Lesen nur 40 von 180 Punkten zugeschrieben werden. Obwohl dieser Schüler über hohe Verständnisprobleme verfügt, muss er in diesem Bereich keine zusätzlichen Fortschritte machen, um das Schuljahr zu bestehen. Dies wirft die Frage auf, ob die Unterteilung in die verschiedenen Teilkompetenzen nicht auch eine differenzierte Förderung der Kompetenzen verlangt. So müsste ein Schüler, der in einem der Teilbereiche eine ungenügende Note aufweist in diesem Bereich Fördermaßnahmen auferlegt bekommen. Weiterhin stellt sich die Frage, ob das aktuelle Kompensationssystem, das es erlaubt, Schwächen in verschiedenen Fächern zu kompensieren, noch berechtigt ist, wenn bereits innerhalb eines Faches Schwächen kompensiert werden können. Im EST gibt es beispielsweise in den Ausrichtungen DT und DAP unter den Kompetenzen eines Moduls, das die Dauer eines Semesters hat, eine Reihe von Basiskompetenzen, die erreicht werden müssen. Ist auch nur eine nicht erreicht, ist das Modul nicht bestanden und muss wiederholt werden. Fördermaßnahmen Kompensationsmöglichkeiten gibt es keine. 51 sind modulintern vorgesehen, 52 3. Praxisbeispiel 3.1. Die Entwicklung einer kompetenzorientierten Unterrichtssequenz Nach der Auseinandersetzung mit den theoretischen Ansätzen zum kompetenzorientierten Unterricht gilt es nun, diese in die Praxis zu übertragen. Die Basis der Planung einer kompetenzorientierten Unterrichtssequenz ist laut Theorie die Auswahl eines oder mehrerer Schwerpunkte des Lehrplans, die Förderung bestimmter Kompetenzen der Schüler sowie die Wahl eines motivierenden Themas, in das sich die festgelegten Schwerpunkte integrieren lassen. Da ich unbedingt die vier Basiskompetenzen in meine Unterrichtssequenz integrieren wollte, überlegte ich mir, sowohl schriftliche Texte als auch Audiobeiträge und Videos als Basis für die Förderung der Lese‐ und Hörkompetenz heranzuziehen und die vom Lehrplan vorgegebene Schreibform der Personenbeschreibung einzuüben. Nach reiflicher Überlegung entschied ich mich für das Thema „Vampire“, da dieses zurzeit bei den Schülern sehr beliebt ist und eine vielfältige Palette an Möglichkeiten für den Deutschunterricht bietet. Weiterhin spricht dieses Thema beide Geschlechter an und findet in vielen verschiedenen Medien eine Umsetzung. Aufgrund der starken medialen Verbreitung des Themas war es demnach kein Problem Sachtexte und literarische Texte sowie audiovisuelle Auseinandersetzungen mit dem Thema zu finden. Die Wahl fiel dann im Bereich der Förderung der Lesekompetenz auf Definitionen zum Begriff des Vampirs, auf Sachtexte über den Vampirmythos und auf Auszüge aus dem Roman Bis(s) zum Morgengrauen von Stephenie Meyer. Im Bereich der Hörkompetenz entschied ich mich für ein Vodcast zum Thema Vampirglaube in Rumänien sowie für ein Podcast über die Hysterie bezüglich des Vampirfilms Twilight. Weiterhin sammelte ich Bilder der Charaktere aus dem genannten Film, die ich im Kontext der Personenbeschreibung verwenden würde. Da sich bei diesem Thema auch die Förderung der Medienkompetenz anbietet, wählte ich zusätzlich zu den Romanauszügen auch die entsprechenden Filmszenen aus, um diese im Kontext der Unterrichtseinheit einer vergleichenden Analyse zu unterziehen. Nach einer ersten Sammelphase entstand dann allmählich der logische Aufbau des Themas unter Einbindung der verschiedenen Basiskompetenzen und Lerninhalte. Damit die 53 praktische Umsetzung auch für andere Lehrer überschaubar bleibt und auch die Möglichkeit von individuellen Ausführungen besteht, ist die Unterrichtseinheit in verschiedene Bausteine unterteilt. Die gewählte Vorgehensweise wird auf einem Raster veranschaulicht, das im Anhang der vorliegenden Arbeit abgebildet ist.92 92 Landesinstitut für Schule NRW: Standardorientierte Unterrichtsentwicklung. Modul 1: Umgang mit Kernlehrplänen, S.108. 54 3.2. Sachanalyse Im Kontext der Sachanalyse sollen die Hauptschwerpunkte der Unterrichtseinheit und ihre Bedeutung für die Schüler kurz erläutert werden. Der Fokus liegt hier vor allem auf dem Vampirmythos, dessen Umsetzung in Literatur und Film und der damit verbundenen Bedeutung des Medienverbundes für den Unterricht. Weiterhin soll kurz auf die Behandlung von Sachtexten sowie die klassische Aufsatzform der Personenbeschreibung eingegangen werden. 3.2.1. Der Vampirmythos im Unterricht „Der Vampir hat eine lange literarische Tradition, er ist in Mythen und Volksdichtung zu Hause. Ein Vampir, so hat sich im Volksglauben festgesetzt, ist ein Wiedergänger mit übernatürlichen Kräften.“93 Seit Stokers Dracula übt die Vampirfigur sowohl auf Frauen als auch auf Männer eine starke Faszination aus. Der Mythos an sich wurde immer wieder erforscht. Vor allem wegen seiner Vieldeutigkeit bleibt er bis heute Gegenstand zahlreicher historischer wie philologischer Untersuchungen und ist fest im Volksglauben verankert. Auch in der Literatur dominiert der Vampir ein breites Spektrum an Texten, vom klassischen Vampir‐ oder Spukroman über Gedichte zu Kinder‐ und Jugendliteratur. Die immerwährende Faszination beruht auf „der Infragestellung des regelhaften Naturgesetzes von Werden und Vergehen. Die Gegensätze Tag‐Nacht, Leben‐Tod, Angst‐Hoffnung, Diesseits‐Jenseits, Sterblichkeit‐Unsterblichkeit markieren Grenzen der menschlichen Erfahrung. Durch ihre Fähigkeit zur Wiederkehr stellen Vampire die Endgültigkeit des Todes in Frage. Vampire besetzen ein weites Spektrum an menschlichen Grundbedürfnissen und Lebenssituationen. Sie berühren Fragen von Ernährung, Krankheit und Tod, von Sterblichkeit und Gottesvorstellungen, aber auch von Macht, Verführung, Sexualität und Erotik.“94 Vor allem in der Literatur scheint der Vampir zu Hause zu sein. Tauchte er lange Zeit vor allem in der Hochliteratur auf, wie etwa in Goethes Ballade „Die Braut von Korynth“ oder in zahlreichen Texten der Schwarzen Romantik, so findet er im 20. Jahrhundert seinen Platz immer häufiger im trivialen Bereich, was schließlich zur Folge hat, dass das Motiv des 93 Wrobel, Dieter: Gestalten der Nacht – Vampire und Gespenster. In: Praxis Deutsch 209. 2008, S. 6. Ebd., S. 6. 94 55 Vampirs sich abnutzt und im Klischee erstarrt.95 Dies wird auch im Kontext der geplanten Unterrichtseinheit deutlich, in der das traditionelle Bild des Vampirs mit dem „modernen“ Vampir verglichen wird. Ein weiteres Phänomen ist, dass zahlreiche Bösewichte in literarischen Werken an die Figur des Vampirs angelehnt sind. Ein berühmtes Beispiel wäre die Figur Lord Voldemort aus den Harry‐Potter‐Romanen, deren Eigenschaft es ist, den Menschen das Leben auszusaugen.96 Die aktuelle Vampirliteratur, die vor allem im Bereich der Jugendliteratur boomt, zeichnet sich vorrangig durch eine Mischung aus realer und fantastischer Welt aus, was sicherlich auch zu einem höheren Identifikationspotenzial bei den Jugendlichen führt. Dargestellt wird, wie etwa in den Bis(s)‐Romanen, das Leben eines normalen Jugendlichen, der auf einen Vampir trifft, wodurch sich dann eine zweite Ebene eröffnet. Als Gegenwelt fungiert hier nicht die Welt „der Gestalten der Nacht, sondern die Welt der Erwachsenen wird als Gegenwelt“97 aufgebaut. Neben den Bis(s)‐Romanen ist es zurzeit vor allem die Romanreihe House of Night, die sich einer großen Beliebtheit erfreut. Kritiker behaupten, hier würden zwei Erfolgskonzepte, und zwar Harry Potter und die Bis(s)‐ Reihe miteinander vermischt werden. „Die Darstellungen von Vampiren und Gespenstern greifen auf einen universellen Bestand an Bildern, Vorstellungen und Fantasien zurück, der im Deutschunterricht eine Arbeit am mythischen Denken möglich macht.“98 Das Thema „Vampire“ bietet sich folglich aus mehreren Gründen für den Deutschunterricht an. Neben der starken Präsenz des Wiedergängers im Bereich der Literatur und der Faszination am Mythos handelt es sich vor allem um ein Thema, das die Lebenswelt der Jugendlichen zur Zeit relativ stark berührt und so auch eine motivationssteigernde Funktion verfolgt. Ein weiterer didaktischer Akzent liegt auf der „Intermedialität des Gegenstandes“99, der vor allem durch die Behandlung von Stephenie Meyers Roman Biss zum Morgengrauen und dessen Verfilmung Rechnung getragen wird. 95 vgl. Wrobel, Dieter: Gestalten der Nacht – Vampire und Gespenster. In: Praxis Deutsch 209. 2008, S. 10. vgl. Ebd. 97 Ebd., S. 12. 98 Ebd., S. 6. 99 Ebd., S. 13. 96 56 3.2.2. Stephenie Meyers Bis(s) zum Morgengrauen – Roman und Film im Vergleich Seit Stephanie Meyers Biss‐Romanen ist ein regelrechter Vampirboom ausgebrochen. In den Bücherläden reihen sich sowohl Jugend‐ als auch Erwachsenenromane, die sich mit dem Mythos Vampir auseinandersetzen. Mit den Verfilmungen der Biss‐Romane kamen die Vampire dann auch auf die große Leinwand. Im Fernsehen häufen sich Vampirserien, die sich einer großen Beliebtheit bei den Jugendlichen erfreuen. Natürlich hat die Begeisterung für Fantasy‐Literatur nicht erst mit den Vampirromanen angefangen. Bereits mit Harry Potter und Herr der Ringe nahm die Fantasy‐Welle vor einigen Jahren ihren Lauf. Mit Jugendromanen wie etwa der Biss‐Reihe wird jedoch erstmals ein weibliches Publikum angesprochen, da der Vampir hier nicht mehr als blutrünstiges Monster dargestellt wird, sondern als gutaussehender Mädchenschwarm. Auf den ersten Blick mögen die Vampirromane der Autorin Stephenie Meyer sicherlich nicht zu den klassischen Schullektüren gehören, da sie nicht mit den als pädagogisch wertvoll bezeichneten Jugendbüchern konkurrieren können. Dennoch gibt es Aspekte rund um das Phänomen der Vampirliteratur, die sich durchaus als für den Deutschunterricht interessant erweisen. Hier denke ich vor allem an den Medienvergleich, sprich an einen Vergleich zwischen Text und Film, wodurch die Medienkompetenz der Schüler gefördert wird, oder eben an die Förderung der Hörkompetenz mit Hilfe von auditiven und audiovisuellen Medien. Doch nicht nur die Hör‐ und die Medienkompetenz können durch die Einbindung von Filmen gefördert werden. Einer der Gründe für eine verstärkte Einbindung von Medienangeboten in den Deutschunterricht bezieht sich beispielsweise auf die Lesekompetenz. „In den sogenannten neuen Medien werden Schrift, Bild und Ton häufig kombiniert, womit sich auch veränderte Vorgaben für das Lesen und für die Gestaltung der Lesewege ergeben.“100 In der heutigen Zeit beschränkt sich Lesen längst nicht mehr „auf das Erfassen der bloßen Schriftteile“101. Im Verlauf der Entwicklung der audiovisuellen und der interaktiven Medien 100 Bertschi‐Kaufmann, Andrea: Lesekompetenz – Leseleistung – Leseförderung. In: Lesekompetenz ‐ Leseleistung ‐ Leseförderung: Grundlagen, Modelle und Materialien. Seelze/Velber: Kallmeyer 2008, S.9. 101 Ebd., S.9. 57 ist das Lesen von Bildern und insbesondere die Aufnahme bewegter Bilder zunehmend wichtiger geworden. Für die heutigen Schüler reicht es demnach nicht mehr aus, einen Text lesen zu können, da sogar die Printmedien nicht mehr nur aus kontinuierlichen, sondern auch aus diskontinuierlichen Texten, das heißt aus einer Text‐Bild‐Komplementarität, bestehen. Ein weiterer Grund resultiert aus verschiedenen Studien, welche zeigen, dass das Medieninteresse zwischen Jungen und Mädchen große Unterschiede aufzeigt. So wurde deutlich, „dass der traditionelle buchdominierte Deutschunterricht einseitig den Interessen der Mädchen entspricht“102. Auch das schlechtere Abschneiden der Jungen im Bereich Lesekompetenz in der Pisa‐Studie zeigt, dass es wichtig ist, „den Leseinteressen der Jungen in stärkerem Maße zu entsprechen und ihre Lesemotivation zu fördern“103. In anderen Studien104 wurde analysiert und überzeugend herausgearbeitet, dass „eine erfolgreiche Lesesozialisation eine reflexiv verarbeitete Mediensozialisation voraussetzt bzw. von dieser begleitet werden muss“105. So wurde festgestellt, dass einerseits „kompetenten kindlichen Rezipienten von Bild‐, Hör‐ oder Filmmedien das Verstehen literarischer printmedialer Texte leichterfällt“, andererseits „kompetente Leser und Leserinnen kompetentere Mediennutzer und –nutzerinnen“106 sind. Neben der engen Verbindung zwischen Medien‐ und Lesekompetenz kann man auch eine Berührung mit den anderen drei Fachkompetenzen Hören, Schreiben und Sprechen sowie mit der literarischen und der kreativen Kompetenz feststellen. Eine weitere Begründung der Notwendigkeit der Integration neuer Medien in den Deutschunterricht stellt das in der heutigen Zeit immer populärer werdende Phänomen der Medienverbünde dar, was so viel heißt wie, dass „ein fiktionaler Stoff gleichzeitig in mehreren Medien präsent ist“107, wobei sich die verschiedenen Medien meistens an einem Leitmedium orientieren. „Literarische Werke erscheinen fast zeitgleich als Hörfassung, 102 Frederking, Volker/ Krommer, Axel, Maiwald, Klaus: Mediendidaktik Deutsch, S.85. Ebd., S.86. 104 Groeben, Norbert/ Hurrelmann, Bettina: Medienkompetenz. Voraussetzungen, Dimensionen, Funktionen. München: Juventa 2002. 105 Frederking, Volker/ Krommer, Axel/ Maiwald, Klaus: Mediendidaktik Deutsch, S.91. 106 Ebd., S.91. 107 Ebd., S.65. 103 58 Podcast oder Film‐ und Fernsehversionen“108, ein Phänomen, das insbesondere die Kinder‐ und Jugendliteratur immer stärker prägt. Hier sei angemerkt, dass diese Entwicklung nicht erst in den letzten Jahren ihren Lauf genommen hat. In der Kinder‐ und Jugendliteratur gab es frühe Beispiele des Medienverbunds, wie etwa Kästners Emil und die Detektive oder Astrid Lindgrens Werke, die neben der Buchform auch in Vertonungen und Verfilmungen erschienen. Die heutigen Medienverbünde zeichnen sich meist durch eine höhere Komplexität aus, da neben Verfilmung und Vertonung auch das Internet, PC‐Spiele, Zeitschriften und Ähnliches auf den Markt kommen. Das berühmteste Beispiel der heutigen Zeit ist ohne Zweifel Joanne K. Rowlings Harry Potter–Reihe, das aktuellste die im Rahmen der Unterrichtssequenz thematisierte Twilight‐Saga. „Das Internet hält zu fast jedem Autor hypermedial aufbereitete Seiten bereit, die in umfassender Weise über Leben und Werk informieren.“109 Aus diesem Grund ist es wichtig, dass der Deutschunterricht sich dieser Entwicklung anpasst und neben dem traditionellen Medium Buch auch die neuen Leitmedien110 berücksichtigt. Dies soll jedoch keine Verdrängung des Buches bedeuten. „Dieses breite Spektrum an Kinder‐ und Jugendliteratur im Medienverbund muss selbstverständlicher Bestandteil des Deutschunterrichts und damit der Mediendidaktik Deutsch sein. Schließlich tritt Printliteratur hier von sich aus in einen medialen Bezug mit visuellen, auditiven, audiovisuellen und multimedialen Formen.“111 Kurz angemerkt werden soll in diesem Kontext auch der Faktor der Motivation. Einerseits steigert die Integration der neuen Medien in den Deutschunterricht die Motivation, da ein enger Bezug zur Lebenswelt der Schüler hergestellt wird. Ziel der Schule soll aber ebenfalls sein, dass die Schüler sich auch außerhalb der Schule für einen bewussten und kompetenten Umgang mit Medien interessieren und sich in diese Richtung engagieren. 108 Frederking, Volker/ Krommer, Axel/ Maiwald, Klaus: Mediendidaktik Deutsch, S.9. Ebd., S.79. 110 Definiton: Ein Leitmedium ist das Medium, an dem Nutzer ihre Rezeptionserwartungen, ‐gewohnheiten und –präferenzen in erster Linie ausbilden. 111 Frederking, Volker/ Krommer, Axel/ Maiwald, Klaus: Mediendidaktik Deutsch, S.80. 109 59 60 3.2.3 Sachtexte im Deutschunterricht Die Behandlung von Sachtexten im Deutschunterricht verfolgt mehrere Objektive. Ein erstes besteht darin, dass „authentische Materialien die Motivation erhöhen“112. Doch auch in der heutigen Informationsgesellschaft wird der kompetente Umgang mit Sachtexten immer wichtiger. Sowohl die traditionellen Printmedien als auch die neuen Medien erfordern eine ausgeprägte Lesekompetenz, welche sowohl kontinuierliche als auch diskontinuierliche Texte umfasst. Weitere Gründe für die Behandlung von Sachtexten im Unterricht sind die Wissenserweiterung sowie die Informationsbeschaffung. Sachtexte behandeln meistens aktuelle sozialrelevante Themen, was dazu führt, dass die Schüler sich mit derartigen Themen auseinandersetzen und kritisch mit Texten umzugehen lernen. Hierzu gehören auch das Erfassen der Textintention und das Erkennen von manipulativen Strategien in Texten. Somit ist es wichtig, dass die Schüler bereits früh in den Umgang mit Sachtexten eingeführt werden und vor allem ein Methodenrepertoire erlangen, das ihnen einen autonomen Umgang mit Texten ermöglicht. „Ein Methodentraining baut bestimmte kognitive Ordnungsstrukturen beim Schüler auf und macht gleichzeitig die Ordnungsstrukturen von Texten bewusst.“113 Diese kognitiven Ordnungsstrukturen fördern aufgrund des Bewusstmachens der Textorganisation das Leseverständnis der Schüler, da sie sich diese Organisation einprägen und künftig bei der Texterschließung nutzen können. Oft mangelt es den Schülern an diesen kognitiven Ordnungsstrukturen, was dazu führt, dass ihnen der Aufbau und die Organisation von Texten verschlossen bleiben114, was auch der Motivation im Umgang mit Texten schadet. Hier sei noch angeführt, dass die im Kontext der Sachtexte erworbenen Lesestrategien den Schülern auch im Umgang mit literarischen Texten behilflich sein können. Im Kontext der dargestellten Unterrichtssequenz arbeiten die Schüler an Sachtexten, die den Mythos des Vampirs von unterschiedlichen Seiten beleuchten. Es handelt sich hierbei um Texte der Informationsplattform www.planet‐wissen.de, die abgesehen von einigen etwas 112 Smolka, Dieter: Motivation und Leistung. In: Ders.: Schülermotivation. München: Luchterhand 2004, S.73. Haussmann, Alexandra, Schiller‐Campbell, Elisabeth: „Lesen ist geil! Schreiben auch!“ Ein Motivations‐ Training für den Umgang mit Texten. In: Ders: Schülermotivation, S.165. 114 Ebd., S.164. 113 61 schwierigeren Begriffen, dem Verständnisniveau einer achten Klasse entsprechen. Zur Erschließung der Texte nutzen die Schüler ein sogenanntes Methodenrepertoire115. 115 Siehe Anhang S.102. 62 3.2.4. Die Personenbeschreibung im Deutschunterricht Die Personenbeschreibung gehört zu „den informierenden sprachlichen Handlungsformen, die die Funktion haben, ein Wissensdefizit beim Hörer bzw. Leser zu beseitigen oder bestehendes Wissen neu zu perspektivieren“116. Seit jeher gehört die Personenbeschreibung zum festen Inventar des Deutschunterrichts. Auch wenn die handlungsorientierten Ansätze stärker auf das kreative Schreiben hinzielen, bleibt die Beschreibung als Aufsatzform von großer Bedeutung. Zum einen sind Beschreibungen wichtig in unserem alltäglichen Leben, da sie ständig in unsere Kommunikationssituationen einfließen. Ein weiterer Aspekt, den die Schüler anhand dieser Schreibform lernen, ist das Strukturieren ihres Schreibens. Schüler lernen, Texte nach bestimmten Regeln zu strukturieren, was ihnen auch bei anderen Textproduktionen eine Hilfe sein kann. Die Erweiterung des Wortschatzes ist ein weiterer Punkt, der anhand der Personenbeschreibung gefördert werden kann, denn, um Personen genau zu beschreiben, „bedarf es sowohl genauer Wahrnehmung wie auch begrifflicher Fassung“117. Demnach benötigen die Schüler ein breit gefächertes, nuanciertes Vokabular, das sie sich im Laufe des Schreibprozesses aneignen können. Weiterhin bietet die Personenbeschreibung die Möglichkeit, am eigenen Schreibstil zu arbeiten, denn gerade bei Beschreibungen laufen Schüler die Gefahr, allzu oft die gleichen Formulierungen zu verwenden. 116 Steets, Angelika: Schreiben, S.82. Ebd., S.82. 117 63 64 3.3. Allgemeine Vorstellung der Unterrichtseinheit Die erstellte Unterrichtssequenz besteht aus einzelnen Teilen, die inhaltlich eine aufbauende Logik verfolgen, jedoch auch unabhängig voneinander im Unterricht eingesetzt werden können. Weiterhin besteht die Möglichkeit, beispielsweise den Baustein des Roman‐ und Filmvergleichs zu überspringen und gleich zur Personenbeschreibung zu gelangen. Das vorliegende Kapitel dient lediglich der Präsentation der Unterrichtseinheit, wohingegen die kritische Analyse und Auswertung erst in Kapitel 3.5. erfolgen. Als Einstieg in die Unterrichtssequenz aktivieren die Schüler ihr Vorwissen zum Thema Vampire. In Form eines Brainstormings sammeln sie sämtliche Bilder und Ideen, die sie mit einem Vampir in Verbindung bringen. Im Anschluss lesen sie eine aktuelle Definition des Begriffs „Vampir“ aus dem Duden sowie eine Definition aus dem Wörterbuch Adelung aus dem Jahre 1811. Hier geht es vor allem darum, dass sie ihr eigenes Vampirbild reflektieren und anhand der Duden‐Definition einer kritischen Überprüfung unterziehen. Der Vergleich der Duden‐Definition mit der älteren Worterklärung zeigt den Schülern die unterschiedliche Sicht der Menschen auf den Vampirmythos und weckt ihr Interesse für das Thema des Vampirglaubens. Weiterhin dient die Auseinandersetzung mit den beiden Wörterbuchauszügen ebenfalls der Förderung der Lesekompetenz sowie der Methodenkompetenz, da die Schüler lernen, wie ein Wörterbuchartikel aufgebaut und formuliert ist. Nach diesem Einstieg in das Thema geht es darum zu erforschen, woher der Vampirmythos stammt, wer Graf Dracula war und welche Verbindung die Fledermaus mit dem Blutsauger hat. Aus diesem Grund beschäftigen sich die Schüler als Vorbereitung auf Expertengespräche in Form von Gruppenarbeiten mit diversen Sachtexten zum Mythos Vampir. Hier geht es vor allem darum, anhand von Lesestrategien diese Texte zu bearbeiten. Ein Methodenrepertoire zur Bearbeitung von Sachtexten gibt den Schülern gewisse Strategien an die Hand, die sie zur Erschließung von Texten anwenden können118. So unterstreichen sie beispielsweise in den unbekannten Texten Schlüsselwörter, bilden Sinnabschnitte und ordnen diesen 118 Lesestrategien: Siehe Anhang S.102. 65 Überschriften zu. In einem weiteren Schritt werden die wichtigsten Informationen des Textes auf einem Stichwortzettel wiedergegeben, der gleichzeitig als Basis für die Expertengespräche dienen soll. Neben der Anwendung der Lesestrategien schlagen die Schüler unbekannte Wörter und Begriffe im Wörterbuch bzw. Lexikon nach. Zu diesem Zweck nutzen sie die Duden‐ und Brockhaus‐Versionen, die auf dem Bildungsportal www.myschool.lu zur Verfügung gestellt werden. Denkbar wäre an dieser Stelle auch ein Besuch in der Schulbibliothek. Nach einer kurzen Einführung im Unterricht lernen die Schüler durch die praktische Anwendung, für welche Wörter sie welche Bücher heranziehen sollen. Im Anschluss an die Bearbeitung der Sachtexte in den Stammgruppen finden in den neu gebildeten Expertengruppen die Expertengespräche statt, in denen die Schüler die Informationen aus ihrem Text an die restlichen Gruppenmitglieder weitergeben. Die Überprüfung der vermittelten Informationen kann in Form eines gelenkten Unterrichtsgespräches oder anhand von Kontrollfragen erfolgen. Weiterhin besteht die Möglichkeit, vor allem beim Eindruck, dass die Expertengespräche weniger erfolgreich verliefen, die Schüler die restlichen Texte samt Kontrollfragen als Hausaufgabe bearbeiten zu lassen. Nachdem die Schüler nun bereits ein Basiswissen über den Vampirmythos angelegt haben, wird ihre Hörkompetenz anhand eines Vodcasts zum Vampirglauben in Rumänien sowie eines Podcasts zur Twilight‐Hysterie gefördert. An dieser Stelle sollen auch die Begriffe Pod‐ und Vodcast einmal kurz thematisiert werden, da es sich hier um Bezeichnungen handelt, die den Schülern meist unverständlich sind, obwohl sie im Internet täglich mit diesen Medien in Verbindung stehen. Die Aufgaben zu den beiden Audiobeiträgen bestehen bewusst aus einer Mischung von geschlossenen und offenen Aufgabenformaten, wie die Schüler sie auch in Testsituationen begegnen, sodass sie die Möglichkeit haben, selbst herauszufinden, wie sie am besten mit den diversen Aufgabentypen umgehen. Da es schwierig ist, den Schülern eine „Hörstrategie“ vorzugeben, lasse ich ihnen meist die Wahl, ob sie während des Hörens Notizen nehmen oder sich rein auf das Hören konzentrieren. Die Aufgaben erhalten sie allerdings erst nach dem ersten Hören, da ich der Meinung bin, dass sie im anderen Fall nur ein selektives Hören einüben und es so oft nicht zu einem globalen Verständnis kommt. Je nach Schwierigkeitsgrad und Umfang der Audiobeiträge hören die 66 Schüler diese ein‐ oder zweimal. Beide Aufgabenblätter schließen mit einer persönlichen Aufgabe ab, damit sie eine persönliche Beziehung zu dem Gehörten aufbauen, indem sie ihre Einstellungen und Erfahrungen reflektieren. Außerdem besteht an dieser Stelle die Möglichkeit, die mündliche Kompetenz der Schüler zur fördern, indem sie im Plenum eine Diskussion zu der Frage, wieso immer noch Menschen an Vampire glauben bzw. abergläubisch sind, führen. Als Gesprächsregeln gebe ich vor, dass die Schüler jeden aussprechen lassen, alle Meinungen respektieren und selbst entscheiden, wer als nächstes das Wort erteilt bekommt. Weiterhin haben sie die Möglichkeit, Meinungen der Mitschüler zu kommentieren und selbst ihre Standpunkte zu vertreten. Nachdem der Audiobeitrag den Übergang zur aktuellen Vampirliteratur vollzogen hat, wird der erste Roman der Biss‐Reihe Biss zum Morgengrauen in Auszügen analysiert und mit Filmausschnitten verglichen. Bei diesem Arbeitsschritt geht es einerseits erneut um die Entwicklung der Lesekompetenz und Lesemotivation sowie andererseits um die Förderung der Medienkompetenz. Natürlich ist es im Rahmen dieser Sequenz nicht möglich, eine umfassende Filmanalyse durchzuführen. Dennoch kann man, wie dies im Rahmen der Sachanalyse deutlich wurde, durch die Integration von Filmszenen in den Unterricht moderne Literalität fördern, die das Buch zwar nie verdrängen wird, in ihren audiovisuellen Ausprägungen jedoch gleichberechtigt daneben steht. Außerdem hat man die Möglichkeit, verschiedene Aspekte von Medienkompetenz zu fördern, indem man die Schüler auf verschiedene Techniken der Literatur und des Films aufmerksam macht. Bei der Analyse wird das Augenmerk der Schüler auf die inhaltliche Wiedergabe des Textausschnittes, die Darstellung der Figuren und Orte sowie die Stimmung gelenkt. Weiterhin werden filmische Mittel wie Farben, Licht, Musik und Kamerabewegungen mit in die Analyse einfließen. Als Abschluss dieser Unterrichtsphase werden beide Medien auf ihre Wirkung hin untersucht. Den Bezug zum ersten Teil der Unterrichtseinheit stellt der Vergleich der Vampir‐Figur aus Roman und Film mit dem traditionellen Vampirbild dar. Im Rahmen der Auseinandersetzung mit Roman und Film liegt der Fokus auf der Darstellung der Figuren in beiden Medien. In diesem Kontext bietet es sich an, die Personenbeschreibung, welche im Lehrplan für die achte Klasse vorgesehen ist, mit den 67 Schülern einzuüben. So werden zum einen die Beschreibungen der Personen im Roman analysiert, wodurch vor allem ihr Wortschatz erweitert wird, zum anderen werden die Figuren im Film anhand der Regeln der Personenbeschreibung von den Schülern beschrieben. Dieser Arbeitsschritt fokussiert vor allem die Förderung der Schreibkompetenz, da das Ziel darin besteht, dass die Schüler Personen in Form eines zusammenhängenden und sprachlich abwechslungsreichen Textes beschreiben können. Als Einstieg in die Schreibform der Personenbeschreibung wird eine Figur aus dem Film an die Wand projiziert, woraufhin die Schüler im Plenum diese Person beschreiben. Die genannten Beschreibungen werden an der Tafel gesichert. Anschließend wird der Aufbau der Personenbeschreibung gemeinsam erarbeitet und es wird besprochen, worauf während des Schreibprozesses besonders zu achten ist. Daraufhin erhalten die Schüler ein Arbeitsblatt mit verschiedenen Figuren aus dem Film Twilight. Nachdem jeder sich eine Figur ausgewählt hat, beginnen sie mit der Planung des Schreibprozesses, indem sie einen Steckbrief anlegen. Merkblätter zur Schreibform Personenbeschreibung helfen ihnen beim Aufbau und bei der detailgetreuen Beschreibung einzelner Körperteile. Nachdem die Steckbriefe von den jeweiligen Banknachbarn auf ihre Vollständigkeit und Originalität hin überprüft worden sind, erfolgt eine erste Niederschrift, bei der die Schüler vor allem auf den Stil ihres Textes achten, sprich die Verben „haben“ und „sein“ vermeiden sollen. Die ersten Produkte werden in Form einer Schreibkonferenz überarbeitet. Hierzu werden Gruppen gebildet, innerhalb derer jeweils ein Gruppenmitglied für einen bestimmten Aspekt wie etwa Rechtschreibung, Wortschatz, Aufbau, usw. zuständig ist. Alle Texte innerhalb einer Gruppe werden demnach von allen Gruppenmitgliedern korrigiert. Der Abschluss der Schreibkonferenz besteht in einer Überarbeitung des Textes mithilfe der verschiedenen Verbesserungsvorschläge und Anmerkungen. Erst diese zweite Fassung wird dann durch den Lehrer korrigiert, woraufhin jeder Schüler seinen Text dann erneut überarbeitet. Je nach Kompetenzstand der Klasse können weitere Schreibübungen zur Personenbeschreibung durchgeführt werden. So bietet es sich an, dass die Schüler sich nun eine andere Figur auf dem Arbeitsblatt auswählen oder selbst in Zeitschriften oder im Internet nach Figuren aus Fantasy‐Filmen suchen und diese beschreiben. 68 Die folgende Tabelle veranschaulicht noch einmal den Ablauf der Unterrichtseinheit: Kompetenzschwerpunkt/thematische abgedeckte Bausteine Kompetenzbereiche Lesekompetenz: Lesekompetenz • Der Vampir – eine Definition? Schreibkompetenz • Der Vampirmythos Sprechkompetenz Hörkompetenz: Hörkompetenz • Auf Draculas Spuren Schreibkompetenz • Ein Vampir zum Verlieben Sprechkompetenz Medienkompetenz: • Medienkompetenz Vergleich von Roman und Film St. 4 2 2‐3 Lesekompetenz Schreibkompetenz Schreibkompetenz: • Hörkompetenz Personenbeschreibung Schreibkompetenz Sprechkompetenz 69 3‐4 70 3.4. Didaktische und Methodische Analyse 3.4.1. Bezug zu den Bildungsstandards Im vorliegenden Kapitel soll der Bezug der Unterrichtssequenz zu den im Lehrplan der achten Klasse formulierten Bildungsstandards vollzogen werden. Der Übersicht halber werden die Bildungsstandards in die vier Kompetenzbereiche Lesen, Hören, Schreiben und Sprechen unterteilt. Inwiefern im Rahmen der Unterrichtseinheit tatsächlich diese Kompetenzen gefördert wurden, werde ich im Kontext der Auswertung erläutern. Leseverstehen Der Schüler: kann Texte still in angemessener Zeit lesen. kann Jugendliteratur lesen, dabei dem Gang der Handlung folgen und so die Gesamtaussage und viele Details verstehen. Gelegentlich muss noch im Wörterbuch nachgeschlagen werden. kann einen kurzen Sachtext (Lehrbuchtext, Definition, Wörterbucheintrag …) im Detail verstehen, kann das Thema und den wesentlichen Inhalt von Sachtexten in seinen Hauptgesichtspunkten erfassen und auf Grund von Arbeitsaufträgen gesuchte Informationen in den Texten finden, markieren und ordnen. kann überprüfen, ob bestimmte Aussagen oder Informationen in einem Text (Alltagstexte, Sachtexte und fiktionale Texte) enthalten sind oder nicht. kann Informationen verknüpfen und somit Zusammenhänge im Text/zwischen Texten erkennen, indem er/sie die Informationen aus verschiedenen Texten oder Textteilen zusammenträgt, um eine bestimmte Aufgabe zu lösen. kann Vorwissen aktivieren, Hypothesen anstellen und Hintergrundinformationen beschaffen. kann live oder medial vermittelte Sprache in angemessener Geschwindigkeit verfolgen und verstehen. 71 Hörverstehen Der Schüler: kann die wesentlichen Aussagen (altersgemäßer) mündlicher Sach‐, Erfahrungs‐ und Erlebnisberichte verstehen (Bekanntmachungen, Radio‐ und Fernsehnachrichten, Reportagesendungen, …). kann überprüfen, ob bestimmte Aussagen oder Informationen in einem gesprochenen Text (Alltagstexte, Sachtexte und fiktionale Texte) enthalten sind oder nicht. kann in längeren, altersgemäßen Texten die Absichten, Standpunkte und Einstellungen der Sprechenden verstehen und ihre Gefühle (Wut, Freude, Trauer, Enttäuschung, Ratlosigkeit …) erkennen. kann dem Handlungsverlauf von fiktionalen Hörtexten folgen und den Texten mithilfe eines Fragebogens Informationen entnehmen (z. B. handelnde Figuren, Schauplätze, Ereignisse, Meinungen, Stimmungen, Handlungsstränge, Beziehungen der Figuren untereinander, Handlungsmotive…). kann dem Alter und der Jahrgangsstufe angepasste Filmbeiträge verstehen. kann die Bedeutung unbekannter Wörter oder Wendungen aus dem Kontext erschließen. zeigt Interesse an audiovisuellen und elektronischen Medien. Sprechkompetenz Der Schüler: kann Informationen aus altersgemäßen schriftlichen Texten sowie Ausschnitte aus altersgemäßen Hörtexten, Radio‐ und Fernsehsendungen mündlich zusammenfassen. kann höflich mit Gesprächspartnern umgehen, Gesprächsregeln einhalten und über einen längeren Zeitraum konzentriert zuhören. kann gezielt Fragen zu einem Vortrag stellen und sachgemäß beantworten kann aufmerksam zuhören (= fächerübergreifende Kompetenz). 72 Schreibkompetenz Der Schüler: kann zusammenhängende, strukturierte fiktionale und nicht‐fiktionale Texte verfassen und einen Schreibprozess eigenverantwortlich planen und gestalten. Er/Sie kann dabei adressaten‐ und situationsbezogen schreiben (erzählen, beschreiben, berichten, persönliche Meinungen vorbringen), bei guter Beherrschung der Grammatik, Rechtschreibung und Zeichensetzung und unter Verwendung eines abwechslungsreichen, altersgemäßen Wortschatzes. Insbesondere kann er/sie … einen Schreibplan erstellen. die Gestaltungsmittel einer spannenden Erzählung oder eines Berichtes gezielt einsetzen. Aufbau und Inhalt hinsichtlich der Aufgabenstellung überprüfen und den Text entsprechend überarbeiten. Texte sprachlich überarbeiten und korrigiert auf diese Weise viele Fehler selbst. kann einen Sachtext/Teile eines Sachtexts in andere Sachtextsorten überführen (Mindmap, Cluster, Diagramm, Schaubild …). 119 119 Die Bildungsstandards sind dem Lehrplan 6e ES 2010/10 entnommen. 73 74 3.4.2. Methodische Analyse der Unterrichtseinheit 3.4.2.1. Das Konzept „Lernen durch Lehren“ – das Expertenrallye Das Konzept „Lernen durch Lehren“ (LdL) wurde in den 1980ern von Jean‐Pol Martin begründet. Die Grundidee des Konzepts ist, dass die Schüler den neuen Stoff lernen, indem sie ihn lehren, das heißt, ihren Mitschülern vermitteln. Das Konzept „beruht auf dem Prinzip, dass der Unterricht weitgehend von den Schülern verantwortet wird“120. Dies führt dazu, dass die Schüler sich autonom mit dem Unterrichtsstoff auseinandersetzen, um diesen anschließend den Mitschülern zu vermitteln, was zu einer Motivation führt, „die durchgängig bis zur Präsentation anhält“121. Ein weiterer Vorteil ist, dass die Schüler sich eher zu fragen trauen, wenn ihnen etwas unverständlich geblieben ist. Das Prinzip des LdL basiert jedoch nicht auf Referaten, sondern geht davon aus, dass „die Schüler [...] den Stoff nicht nur vorstellen, sondern [...] sich während der Präsentation kontinuierlich vergewissern, dass ihre Erläuterungen verstanden werden“122. Jean‐Pol Martin betont in seinen Artikeln immer wieder, dass durch dieses Konzept eine „hohe konstante Motivation“ entstehe, was auch „die Konzentration im Unterricht“123 deutlich steigere. Neben der Motivation und der Konzentration sei aber auch zu beobachten, dass durch die Umsetzung von LdL der Sprechanteil der Schüler gestiegen sei und die mündliche Kompetenz sich demnach stark weiterentwickelte. Martin fasst dies folgendermaßen zusammen: „Es konnte aufgezeigt werden, dass die Aufgabe, den Lernstoff aufzubereiten und den Mitschülern zu vermitteln, einen Informationszyklus in Gang setzte, der bedeutsamen menschlichen Bedürfnissen entgegenkam und eine langfristige Motivation sicherte.“124 Die Bearbeitung der Sachtexte rund um den Vampirmythos erfolgt in Verbindung mit einer Expertenrallye. Hier sei angeführt, dass diese Methode auch unter der Bezeichnung Gruppenpuzzle bekannt ist. Die Methode basiert auf der Wissensvermittlung durch die 120 Martin, Jean‐Pol: Lernen durch Lehren, S.5. Unter: http://www.ldl.de/material/aufsatz/warum‐ldl.pdf [18.04.2011]. 121 Ebd., S.6. 122 Ebd., S.5. 123 Martin, Jean‐Pol: Das Projekt „Lernen durch Lehren“ – eine vorläufige Bilanz, S.4. Unter: http://www.ldl.de/material/aufsatz/flul.pdf [18.04.2011]. 124 Ebd., S.4. 75 Schüler und beinhaltet die Hauptideen des LdL‐Prinzips. Die Schüler arbeiten in einer ersten Phase in sogenannten Stammgruppen an verschiedenen Sachtexten. Wichtig ist, dass die Schüler sich nach der Bearbeitung der Texte Gedanken machen, wie sie den zu erarbeitenden Sachverhalt dem Rest der Klasse erklären und vermitteln können. In einer zweiten Phase werden neue Gruppen gebildet, die sogenannten Expertengruppen, in denen sich jeweils ein Mitglied aus jeder Stammgruppe befindet. In den Expertengruppen werden nun die einzelnen Themen vermittelt und erklärt, ein Vorgehen, welches „das Selbstvertrauen in das eigene Lernen stärkt, denn die Schüler erleben sich in einem Bereich als kompetent und haben Erfolgserlebnisse, was besonders für das Selbstwertgefühl der Schüler wesentlich ist“125. Die Wahl für die Expertenrallye liegt darin begründet, dass im Kontext dieser Methode gleichzeitig mehrere Kompetenzen gefördert werden. Neben der Lesekompetenz und der Wortschatzarbeit trainieren die Schüler ihre mündliche Kompetenz, da sie nicht nur innerhalb ihrer Stammgruppen, sondern auch während der Expertengespräche Deutsch sprechen. Zur Förderung der mündlichen Kompetenz gehört auch die Planung des zu vermittelnden Stoffes und die Frage, wie man diesen am verständnisvollsten weitervermittelt. Neben den rein sprachlichen Kompetenzen führt diese Methode dazu, dass die Schüler autonom arbeiten, selbst ihren Arbeitsverlauf und die Arbeitsteilung bestimmen und in Gruppen arbeiten. Positiv ist ebenfalls, dass alle Schüler aktiv sind, da jeder sein Wissen weitervermitteln muss. Sie können sich demnach „stärker einbringen als in Phasen von Frontalunterricht“126 und sehen eine direkte Anwendungsmöglichkeit ihrer Wissensaneignung. Trainiert wird demnach sowohl die Sozialkompetenz, da sie lernen im Team zu arbeiten, die kommunikative Kompetenz, da sie das Wissen mündlich vermitteln und den Mitschülern zuhören, verantwortliches Verhalten, da jeder Schüler verantwortlich für seine Stamm‐ und für seine Expertengruppe ist. Überdies hinaus lernen sie, „wie man 125 Smolka, Dieter: Motivation und Leistung, S.70. Ebd., S.70. 126 76 sich in die Mitschüler und ihre Erwartungen hineindenkt, um eine motivierende Präsentation zu leisten“127. 127 Martin, Jean‐Pol: Lernen durch Lehren, S.7. 77 78 3.4.2.2. Die Schreibkonferenz als Unterrichtsmethode Eine der bekanntesten Überarbeitungsmethoden von Texten ist die Schreibkonferenz. Diese Methode bietet sich für die Entwicklung der Schreibkompetenz an, da der Schwerpunkt auf dem Schreibprozess liegt. Unter der Schreibkonferenz versteht man ein „Beratungsgespräch, das sich an das Schreiben eines Textentwurfs anschließt“128. Bei der praktischen Umsetzung gibt es verschiedene Möglichkeiten wie etwa, dass der Text in der Gruppe vorgelesen wird und die Schüler sich spontan dazu äußern. Eine Variante, die auch im Kontext der vorliegenden Unterrichtseinheit erprobt wurde, ist die Rollenverteilung innerhalb von Gruppen, die vorsieht, dass jedes Gruppenmitglied für einen anderen Bereich, wie etwa die Struktur oder die Rechtschreibung, verantwortlich ist. Die Methode der Schreibkonferenz hat den Vorteil, dass jeder Schüler eine überarbeitete und kommentierte Fassung seines Textes erhält und sich später selbst mit darin vermerkten Anmerkungen auseinandersetzen kann. Eine weitere Möglichkeit wäre, dass die Schüler Fragen auf Kärtchen notieren, die anschließend besprochen werden. Im Allgemeinen erwartet diese Methode von den Schülern einen hohen Aktivitätsgrad sowie eine Reflexion über bestimmte Schreibformen. Indem sie nämlich selbst Texte überarbeiten und einschätzen, wird ihnen auch bewusster, worauf sie in ihren eigenen Schreibprodukten achten müssen. 128 Steets, Angelika: Schreiben, S.71. 79 80 3.5. Auswertung der Unterrichtseinheit In diesem Teil meiner Arbeit werde ich den Ablauf der Unterrichtseinheit kommentieren und auswerten. Weiterhin werde ich im Kontext der Auswertung den Bezug zu den angestrebten Bildungsstandards des Lehrplans herstellen. Da ich im Schuljahr 2010/2011 zwei achte Klassen im Lycée Aline Mayrisch unterrichte, war es mir möglich, die Unterrichtssequenz auf zwei unterschiedlichen Klassen umzusetzen. Ohne an dieser Stelle eine detaillierte Klassenbeschreibung abzugeben, soll doch erwähnt werden, dass es sich vom Leistungsniveau her gesehen, um zwei völlig unterschiedliche Klassen handelt, die auf die Unterrichtssequenz auch unterschiedlich reagierten. Mit dem Einstieg in die Unterrichtsreihe, sprich mit dem Brainstorming und dem Vergleich der beiden Vampir‐Definitionen, konnte das Interesse der Schüler am Thema geweckt werden. Ansprechend war hier zum einen die persönliche Auseinandersetzung mit dem eigenen Bild des Vampirs, wodurch die Schüler ihr Vorwissen aktivierten129, zum anderen der anschließende Vergleich mit der Definition aus dem Adelung‐Wörterbuch, da so deutlich wurde, dass der Vampir‐Mythos bereits eine längere Tradition verfolgt. Vor allem der Vergleich der Wörterbuchartikel förderte die Lesekompetenz der Schüler, da die ältere Sprache des zweiten Artikels gewisse Verständnisanforderungen stellte. So zeigte sich, dass dieser Artikel bei der selbstständigen Erschließung einigen Schülern Probleme bereitete, die erst im anschließenden Unterrichtsgespräch geklärt werden konnten. Der zweite Schritt der Unterrichtsreihe, der auf die Förderung der Lesekompetenz der Schüler anhand von Sachtexten ausgerichtet ist, bedurfte nach einer ersten praktischen Umsetzung einer Überarbeitung, da ich feststellen musste, dass ich die Schüler mit der Experten‐Methode zum Teil ein wenig überfordert hatte. Ein Problem, das sich stellte, war, dass die Schüler unterschiedliche Ansichten von „wichtigen“ Textinformationen hatten, was dazu führte, dass einige Schüler sehr detaillierte Skizzen zu ihrem Text anfertigten, andere sich allerdings auf wenige Basisinformationen beschränkten. Ein weiterer Schwachpunkt dieser Methode war, dass, auch wenn die Theorie der Methode dies so besagt, nicht alle 129 vgl. Lehrplan 6e ES 2010/11, S.8. 81 Schüler gleich aktiv in ihren Stammgruppen arbeiteten, was demnach auch zu qualitativ unterschiedlichen Expertengesprächen führte. So beklagten sich bereits während der Arbeitsphase einige Schüler, dass verschiedene Gruppenmitglieder sich nur wenig Mühe bei den Expertengesprächen gaben. Auch die vorbereiteten Kontrollfragen zeigten, dass die Ergebnisse in den Gruppen teilweise stark voneinander abwichen. Um diese Schwachstellen zu beheben, bieten sich mehrere Möglichkeiten an. Zum einen kann man bei der Methode der Experten‐Rallye bleiben und die Arbeit der Schüler stärker lenken. Diesbezüglich habe ich im Nachhinein zu jedem der Sachtexte Aufgaben, die das Leseverständnis der Schüler abprüfen, erstellt. Diese dienen in den Stammgruppen der intensiveren Auseinandersetzung mit dem Text sowie der Selbstkontrolle. So kann zumindest gewährleistet werden, dass die Stammgruppenmitglieder mit einem soliden Wissen in ihre Expertengespräche gehen. Weiterhin ermöglichen diese Fragen bzw. Aufgaben ein selbstständiges Training der Lesekompetenz als Vorbereitung auf die Klassenarbeit. Da die Gruppen bei der ersten Umsetzung nach dem Zufallsprinzip gestaltet wurden, könnte eine stärkere Steuerung der Gruppenbildung einige Schwachstellen der Methode beheben. In diesem Fall müsste der Lehrer sicherstellen, dass in jeder Gruppe sowohl starke als auch schwache Schüler sind. Denkbar wäre auch, dass der Lehrer sich vor den Expertengesprächen die Ergebnisse der Stammgruppen ansieht und gegebenenfalls Ergänzungs‐ oder Änderungsvorschläge erteilt. Eine andere Variante wäre der Wechsel zu einer „normalen“ Gruppenarbeit mit anschließender Präsentation der Ergebnisse im Plenum. Dies hätte den Vorteil, dass der Lehrer sich einen Überblick über die vermittelten Informationen verschaffen könnte. Weiterhin könnten Fragen der Schüler und des Lehrers dazu dienen, noch unklare Stellen zu besprechen, wobei die Schüler im Plenum wahrscheinlich weniger Fragen stellen als in der Kleingruppe. Natürlich bietet sich auch an, die Texte samt Leseverständnisaufgaben einzeln im Unterricht und eventuell als Hausaufgabe bearbeiten zu lassen, was jedoch weniger Aktivität von Seiten der Schüler verlangt. 82 Neben der Fähigkeit, „Sachtexte im Detail zu verstehen und das Thema in seinen Hauptgesichtspunkten zu erfassen“130 wurde in dieser Unterrichtsphase auch verlangt, dass die Schüler Informationen aus Texten mündlich zusammenfassen können131. Die Arbeit in den Gruppen erforderte einen gepflegten sozialen Umgang sowie das Einhalten von Gesprächsregeln. Neben dem aufmerksamen Zuhören zielte die Durchführung der Expertengespräche darauf, dass die Schüler „gezielt Fragen zu einem Vortrag stellen und sachgemäß beantworten“132. Der nächste Schritt der Unterrichtssequenz fokussierte vorrangig die Förderung der Hörkompetenz, wobei die erste Übung aus einem Vodcast, die zweite aus einem Podcast bestand, da es mir wichtig war, dass die Schüler sich mit beiden Formen auseinandersetzen konnten. Nachdem sie die Audiotexte zweimal gehört hatten, bearbeiteten sie die dazugehörigen Aufgaben, welche teils aus Richtig‐Falsch‐ oder Multiple‐Choice‐Aufgaben, teils aus offenen Fragen zusammengesetzt waren. Hier ergaben sich in der praktischen Umsetzung keine Probleme. Die ausgewählten Texte stießen auf ein großes Interesse bei den Schülern, was sich ebenfalls positiv auf die zusätzlichen Aufgaben wie etwa die Diskussion, warum verschiedene Menschen immer noch an Vampire glauben, auswirkte. Die zweite Hörverständnisübung galt als Übergang zu den Bis(s)‐ Romanen und ‐Filmen, dem momentan bekanntesten Beispiel für Vampirliteratur und –filme. Auch hier bot sich nach den Hörverständnisaufgaben die Möglichkeit eines Unterrichtsgespräches über die Romane bzw. Filme und deren Beliebtheit bei den Schülern. Als Vorbereitung auf das Unterrichtsgespräch sollten die Schüler sich schriftlich mit der Frage, ob und warum sie gerne Fantasy‐Literatur lesen, auseinandersetzen. So konnte anhand dieser Unterrichtsphase sowohl die Hörkompetenz als auch die mündliche Kompetenz der Schüler gefördert werden. Die Schüler zeigten, dass sie „die wesentlichen Aussagen mündlicher Sachberichte verstehen“133 und überprüfen können, „ob bestimmte 130 Lehrplan 6e ES 2010/11, S.9. Ebd., S.12. 132 Ebd., S.12. 133 Ebd., S.11. 131 83 Aussagen oder Informationen in einem gesprochenen Text enthalten sind oder nicht“134. Weiterhin wurde im Rahmen des zweiten Hörbeitrages die Fähigkeit, „unbekannte Wörter aus dem Kontext zu erschließen“135 gefördert. Die darauffolgende Phase der Unterrichtseinheit fokussierte die Förderung der Medienkompetenz und der Lesekompetenz. Die Schüler hatten die Möglichkeit, sich mit zwei Romanausschnitten, die sie in Stillarbeit lasen, auseinanderzusetzen, wodurch einerseits das Lesen selbst gefördert wurde136, andererseits auch die Lesemotivation angeregt wurde. Der Vergleich dieser Romanausschnitte mit den entsprechenden Filmszenen erregte großes Interesse bei den Schülern. Da sie bis dato im Unterricht noch keine Filme analysiert hatten, erwies es sich als sinnvoll, auf die Unterschiede in der Darstellung und auf die filmischen Mittel einzugehen. Hier sei allerdings angemerkt, dass ich diese Aufgabe in einer ersten Phase autonomer gestaltet hatte, da ich den Schülern lediglich einige Stichworte als Anhaltspunkte für den Vergleich der beiden Medien mit an die Hand gegeben hatte. Dies erwies sich allerdings für viele als schwierig, da sie nicht richtig erkannten, worauf sie genau achten sollten. Aus diesem Grund formulierte ich konkrete Arbeitsaufträge, welche die Analyse beider Medien etwas strukturieren sollten137. In dieser Phase zeigten die Schüler, dass sie „Jugendliteratur lesen [und] dabei dem Gang der Handlung folgen“ können, um so „die Gesamtaussage und viele Details zu verstehen“138. Weiterhin erforderte diese Aufgabe die Fähigkeiten, „einen der Altersstufe angepassten Hör‐ /Sehtext in Standardsprache in angemessener Geschwindigkeit [zu] verfolgen und [zu] verstehen“139 sowie „in längeren, altersgemäßen Texten die Absichten, Standpunkte und Einstellungen der Sprechenden zu verstehen und ihre Gefühle zu erkennen“140. Die Filmanalyse verlangte die Entnahme von Informationen in fiktionalen Hörbeiträgen und das Verständnis altersgemäßer Filmbeiträge. 134 Lehrplan 6e ES 2010/11, S.11. Ebd., S.11. 136 Lehrplan 6e ES: Der Schüler kann Texte still in angemessener Zeit lesen. 137 Siehe Anhang, S.129‐134. 138 Lehrplan 6e ES 2010/11, S.9. 139 Ebd., S.10. 140 Ebd., S.9. 135 84 Als abschließende Aufgabe wurde durch die Frage nach der vergleichenden Darstellung des Vampirs in Roman und Mythos noch einmal der Bezug zum ersten Teil der Unterrichtseinheit hergestellt. Diese, auch in der Fachliteratur vielanalysierte Wandlung der Vampirfigur, machte den Schülern deutlich, wie eine fiktive Gestalt sich im Laufe der Zeit verändern kann. Da bereits in dem ersten Romanausschnitt Figuren beschrieben wurden, stellte dies einen guten Übergang zur Schreibform Personenbeschreibung dar. Die Beschreibung der Figur aus Twilight bereitete den Schülern keine Schwierigkeiten. Nach der Sammlung der Schülerbeiträge an der Tafel erarbeiteten sie gemeinsam den logischen Aufbau der Schreibform. Die nächste Aufgabe, die in der Anfertigung eines Steckbriefes zu einer der Hauptfiguren des Filmes bestand, ermöglichte den Schülern, ihren Wortschatz zu trainieren und auszubauen. Bei der Niederschrift der gesammelten Aspekte lag der Fokus insbesondere auf der Vermeidung der Verben „haben“ und „sein“, was den Schülern anfangs noch recht große Schwierigkeiten bereitete. Nachdem im Plenum einige Formulierungen gesammelt wurden, zeigten sie sich in diesem Bereich zunehmend kreativer und schrieben abwechslungsreicher. Die Methode der Schreibkonferenz zeigte sich ebenfalls als sehr sinnvoll, da die Schüler so zum einen die Möglichkeit hatten, Texte ihrer Mitschüler zu lesen und aufgrund der zu beachtenden Merkmale die Regeln der Schreibform sich einprägen und anwenden konnten. Ein Schwachpunkt dieser Methode ist die Tatsache, dass beispielsweise Schüler mit eher schwach ausgeprägten Rechtschreibfähigkeiten Probleme haben, Rechtschreibfehler in Texten zu lokalisieren. Eine Möglichkeit wäre in dieser Situation, dass die Gruppenmitglieder selbst entscheiden, wessen Stärken in welchem Bereich liegen und die Rollen dementsprechend verteilen. Möglich wäre ebenfalls, dass die Lehrkraft die Rollen innerhalb der Gruppen vergibt. Erst die von den Schülern überarbeiteten Texte wurden anschließend vom Lehrer korrigiert. So hatte jeder Schüler die Möglichkeit, seinen eigenen Text noch einmal zu überdenken und zu überarbeiten. Im Kontext dieser Unterrichtsphase wurden die Fähigkeiten, „zusammenhängende, strukturierte nicht‐fiktionale Texte [zu] verfassen“ sowie „einen 85 Schreibprozess eigenverantwortlich [zu] planen und [zu] gestalten“141 gefördert. Die Schreibkonferenz erwartete von den Schülern sowohl die Überprüfung von Inhalt und Aufbau als auch eine Überarbeitung des Textes. Eine weitere Idee zur Förderung der Schreibkompetenz, welche im Rahmen der Unterrichtssequenz interessant wäre, basiert auf der Idee, das Buch zum Film zu schreiben. So könnten die Schüler beispielsweise zu bestimmten Filmszenen den Buchtext schreiben und so vor allem auf Gefühle, Spannung usw. eingehen. Dabei wäre darauf zu achten, den Ausschnitt sehr knapp zu halten, da das Geschriebene ansonsten zu handlungslastig wird und keine wirkliche Beschreibung, das heißt, auch keine Spannung entsteht. Ein Hauptaspekt des Kompetenzansatzes ist die Eigenständigkeit der Schüler. Diese sollte demnach auch im Rahmen der beschriebenen Unterrichtssequenz im Vordergrund stehen. Im Nachhinein muss ich allerdings feststellen, dass ich die anfangs freier gestalteten Phasen in einem zweiten Schritt, sprich nach der ersten praktischen Umsetzung, doch gelenkter plante, da viele Schüler noch nicht selbstständig genug sind, um ihre Arbeitsschritte eigenhändig zu planen und umzusetzen. Natürlich soll in einem kompetenzorientierten Unterricht an dieser Eigenständigkeit gearbeitet werden, allerdings kann dies nur systematisch, in aufeinander aufbauenden Unterrichtseinheiten geschehen. Um diese Eigenständigkeit zu fördern, bedarf es anfangs (auf den niedrigen Klassenstufen) Aufgabenstellungen, die etwas kleinschrittiger aufgebaut sind und ein Methodenrepertoire konstruieren. Erst, wenn diese Methoden systematisch eingeübt und angewandt werden, können sie auch für die Schüler gewinnbringend sein. Außerdem erfordert die Förderung der Eigenständigkeit der Schüler eine Absprache der Methoden, mit denen im Laufe der Schuljahre die Inhalte des Lehrplans umgesetzt werden. Das fehlt zurzeit noch an unseren Schulen. 141 Lehrplan 6e ES 2010/11, S.13. 86 3.6. Auswertung der Klassenarbeit Die abschließende Klassenarbeit zur Vampir‐Sequenz erfolgte in zwei Teilen, da es innerhalb einer Prüfungssituation zeitlich nicht möglich war, sowohl Lese‐ und Hörverstehen als auch die Schreibkompetenz zu testen. Ein Teil bestand demnach aus einem unbekannten Sachtext über den Erfolg der Biss‐Romane von Stephenie Meyer142. Da die Schüler auch im Unterricht an Sachtexten gearbeitet hatten, wurden sie in der Klassenarbeit mit der gleichen Textsorte konfrontiert. Die verschiedenen Aufgaben zur Überprüfung der Lesekompetenz zielten einerseits auf ein globales Textverständnis, erforderten aber auch eine gezielte Informationsentnahme sowie die Bearbeitung von Richtig‐Falsch‐Aufgaben. Weiterhin gestaltete ich die Aufgaben bewusst zu einem größeren Teil aus offenen Fragen. Der Hauptteil dieser Fragen bezog sich auf eine reine Informationsentnahme, erforderte demnach ein genaues Lesen, wobei die Anwendung von Lesestrategien, welche die Schüler im Kontext der Unterrichteinheit erproben konnten, zum Teil aber auch vorher schon kannten, durchaus behilflich sein konnte. Lediglich die zwei letzten Fragen gingen über dieses Niveau hinaus und verlangten ein komplexeres Textverständnis. Solche Fragen zeigten, welche Schüler bereits mehr als ein „grundlegendes Textverständnis“ besitzen. Als Vorbereitung auf die Klassenarbeit sollten die Schüler Worterklärungen zu den behandelten Sachtexten wiederholen. Eine Auswahl dieser Wörter mussten sie in der Klassenarbeit erklären und jeweils einen sinnvollen Satz damit bilden. Durch diese Aufgabe wurde zum einen die Lernkompetenz der Schüler unter Beweise gestellt, aber auch die Fähigkeit, das Gelernte sinnvoll umzusetzen. So zeigte sich beispielsweise, dass einige Schüler zwar in der Lage waren, das Wort zu erklären, jedoch nicht fähig waren, einen sinnvollen Satz damit zu bilden. Dies zeigt, dass einige Schüler lernen, ohne sich Gedanken über den Sinn des Gelernten zu machen. Hier sei allerdings angemerkt, dass die Mehrheit der Schüler diese Aufgabe ohne Probleme bearbeiten konnte Weiterhin wurde in der Klassenarbeit das eigenständige Verfassen einer Personenbeschreibung verlangt. Die Basis der Personenbeschreibung bildeten drei 142 Siehe Anhang, S.141. 87 Abbildungen von Figuren aus Fantasy‐Filmen. Die Bewertung dieses Schreibproduktes erfolgte anhand genauer Kriterien. So wurde zur einen Hälfte die sprachliche Korrektheit und Originalität bewertet, zur anderen Hälfte der Inhalt sowie der logische Aufbau der Schreibform evaluiert. Der zweite Teil der Klassenarbeit bestand aus einem Hörverstehenstest, der auf dem Vodcast Draculas Erben basierte. In diesem Sachbericht geht es um die südamerikanische Fledermausart „Vampire“. Als Hörbeitrag wählte ich bewusst einen Sachbericht, da auch in den Übungsphasen diese Textsorte herangezogen wurde. Auch die Aufgabenformate gestaltete ich ähnlich wie die Übungsaufgaben, mit denen die Schüler bereits vertraut waren. Die Ergebnisse des Hörtests sind auf beiden Klassen im Allgemeinen als relativ positiv einzuschätzen. Der erste Teil der Klassenarbeit führte allerdings zu erheblichen Leistungsunterschieden im Bereich der Lesekompetenz. So gelang es in der einen Klasse einem großen Teil der Schüler, die Fragen zum unbekannten Sachtext gut bis sehr gut zu bearbeiten. Auch die Fragen, die über die reine Informationsentnahme hinausgingen, konnten eine Vielzahl von Schülern zufriedenstellend beantworten. Allerdings sahen diese Ergebnisse auf der etwas schwächeren achten Klasse anders aus. Hier wurde deutlich, dass viele Schüler immer noch Probleme haben, einem unbekannten Text Informationen zu entnehmen. Häufig fiel sogar auf, dass verschiedene Schüler bereits Schwierigkeiten haben, die Aufgaben richtig zu verstehen, was dann natürlich unweigerlich zu falscher Informationsentnahme führt. Wurde beispielsweise nach den Gründen für den Erfolg der Romane von Stephenie Meyer gefragt, nannten einige Schüler die Auswirkungen dieses Erfolges. Ein weiteres Phänomen, das ich anhand der Schülerantworten beobachten konnte, war, dass einige Schüler versuchten, die Fragen selbstständig, sprich ohne Text zu beantworten. So gaben sie beispielsweise Gründe an, wieso die Harry‐Potter‐Romane mehr männliche Leser als die Bis(s)‐Romane haben, die jedoch im Text nicht genannt werden. Natürlich passiert dies eher bei Texten, die Themen aus der Lebenswelt der Schüler behandeln. Allerdings müssen Schüler auch bei solchen Texten fähig sein, sich einzig auf den Text zu basieren. Vor allem mit dieser Klasse werde ich künftig verstärkt auf die Anwendung 88 von Lesestrategien im Umgang mit Texten achten und verstärkt Übungssituationen in den Unterricht einbauen. 89 90 4. Fazit Die Planung und Umsetzung der beschriebenen Unterrichtseinheit sowie die Auseinandersetzung mit den theoretischen Vorgaben zum kompetenzorientierten Unterricht brachten mir persönlich viele neue Einsichten und Bereicherungen für meine Unterrichtspraxis. Vor allem durch die Konzeption der Unterrichtseinheit wurde mir bewusst, worauf man bei der Unterrichtsplanung und –umsetzung achten muss. Allerdings zeigte die Arbeit auch, welche Schwierigkeiten die Konzeption einer kompetenzorientierten Sequenz aufwirft. Im Folgenden gehe ich zuerst auf die positiven, dann auf die negativen Aspekte ein. Im Allgemeinen bewerte ich am kompetenzorientierten Unterricht die höhere Aktivität der Schüler sowie die Entwicklung einer höheren Eigenständigkeit der Schüler als positiv. Die vorgestellte Unterrichtseinheit zeigte, wie wichtig jedoch in diesem Zusammenhang ein systematischer Aufbau eines bestimmten Methodenrepertoires ist, der auch schuljahrübergreifend stattfinden müsste. Unentbehrlich wäre beispielsweise auf der siebten Klasse die Einübung von Lesestrategien, da diese den Schülern nicht nur in den Sprachen, sondern auch in den Nebenfächern bei der Textbearbeitung behilflich sein können. Auch die Unterteilung des Faches in die vier Teilkompetenzen erachte ich als sinnvoll, da so nicht nur die Schüler, sondern auch die Lehrer ein genaueres Verständnis der Stärken und Schwächen bekommen und auch Teilbereiche wie etwa die Sprech‐ oder Hörkompetenz im Unterricht an Bedeutung gewinnen. Dies führt zu einem lebendigeren Unterricht, der auch die audiovisuellen Medien berücksichtigt und sich durch ein vielfältigeres Lernangebot auszeichnet. Die Betonung der Hörkompetenz ist wichtig, da der Großteil der Lebenswelt und des Medienkonsums heutiger Jugendlicher über audiovisuelle Kanäle erfolgt, diese aber bislang in der Schule unberücksichtigt blieben. Die Sprechkompetenz ist wichtig aufgrund der zunehmenden Bedeutung der Kommunikation und des mündlichen Verhandelns im sozialen und beruflichen Rahmen. In der vorgestellten Unterrichtseinheit wurde weiterhin deutlich, dass sich Bildungsstandards aus den verschiedenen Teilkompetenzen problemlos in eine thematische 91 Unterrichtseinheit integrieren lassen. Während der praktischen Umsetzung der Unterrichtssequenz konnten viele der im Lehrplan für die achte Klasse vorgegebenen Kompetenzen sowie auch das Sachwissen der Schüler gefördert werden. Die Herausforderung bei der Planung kompetenzorientierter Unterrichtseinheiten besteht demnach vor allem darin, zu erkennen, welche Kompetenzen sich an welchen Inhalten und Themen entwickeln lassen. Als Basis einer solchen Unterrichtseinheit können auch vorgegebene Lerninhalte wie etwa die Textsorte Balladen dienen. Rund um diese Textsorte lassen sich Hör‐ und Leseverständnis sowie Schreib‐ und Sprechkompetenzen fördern. Allerdings konnte diese Arbeit nicht sämtliche Fragen beantworten, die sich bei der Konzeption einer kompetenzorientierten Unterrichtseinheit stellen. So bleiben immer noch Unsicherheiten im Bereich der Aufgabenkonstruktion, da die Auseinandersetzung mit der Fachliteratur und den Bildungsstandards keine befriedigenden Antworten auf die Frage geben, wie Aufgaben im Hinblick auf die zu fördernden Kompetenzen beschaffen sein müssen. Im Rahmen der erprobten Unterrichtseinheit sind sämtliche Aufgaben als positiv zu bewerten, die eine hohe Eigenaktivität der Schüler verlangten, wie etwa die Bearbeitung der Sachtexte oder die Analyse von Roman und Film. Im Bereich der Hörkompetenz beruhten die Übungssituationen auf den gleichen Aufgaben wie sie in Leistungsüberprüfungen vorkommen. Schwierig zu beantworten bleibt auch die Frage, welche Hilfestellung man Schülern mit auf den Weg geben kann, die Schwächen im Bereich des Hörverstehens aufweisen, da es in diesem Bereich kein Arbeitsmaterial zur konkreten Entwicklung dieser Kompetenz gibt. In Bezug auf die Unterrichtsmethoden bzw. Aufgabenstellung bleibt demnach festzuhalten, dass der Fokus stets auf der Eigenaktivität der Schüler sowie auf der Förderung eines selbstständigen Umgangs mit den jeweiligen Unterrichtsgegenständen liegen sollte. Zudem wurde deutlich, dass es auch im Bereich der Leistungsbewertung noch Unsicherheiten beziehungsweise Unklarheiten in Bezug auf den Schwierigkeitsgrad und die Beschaffenheit der Leistungsaufgaben gibt. Dass Klassenarbeiten etwa eine Mischung aus geschlossenen, offenen sowie produktiven Aufgaben im Bereich der Hör – und Lesekompetenzen beinhalten sollen, lässt immer noch einen weiten Spielraum in Punkto 92 Schwierigkeitsgrad der verschiedenen Aufgaben offen. Auch die Bewertung der Schreibkompetenz kann im kompetenzorientierten Unterricht keineswegs als transparent bezeichnet werden, da jeder Lehrer bei der Evaluation von Schülertexten eine andere Gewichtung verfolgt. Die Einschätzung der Schülerkompetenzen ist folglich, genau wie dies auch im traditionellen Unterricht der Fall war, immer noch stark vom Lehrer abhängig. Hilfreich bei der Einschätzung des Kompetenzstandes der Schüler wären sicherlich, wie bereits im ersten Teil dieser Arbeit erwähnt wurde, sogenannte Kompetenzstufenmodelle für die einzelnen Teilkompetenzen des Faches. Ein solches Stufenmodell müsste demnach in den unterschiedlichen Kompetenzbereichen vorgeben, wann der Kompetenzstand als sehr gut, gut, befriedigend oder unbefriedigend eingeschätzt werden müsste. Hier bleibt demnach abzuwarten, ob in naher Zukunft ein solches Stufenmodell für die jeweiligen Klassenstufen veröffentlicht wird und wie dies aussehen soll. Ein weiterer Schwachpunkt der momentanen Situation in Luxemburg ist zumindest auf der achten Klasse des ES die fehlende Zeit. In drei Wochenstunden ist es schwierig, die unterschiedlichen Kompetenzen allesamt gebührend zu fördern und jeweils bis zur nächsten Klassenarbeit intensiv an einigen Kompetenzbereichen zu arbeiten. Kompetenzorientierter Unterricht erfordert demnach vor allem Zeit für Übungsphasen. Eine niedrige Zahl an Wochenstunden führt zwangsläufig wieder zu einer Fokussierung auf die Lerninhalte, die während eines Schuljahres durchgenommen werden sollen, was wiederum einen Schritt zurück zu einer reinen Wissensvermittlung bedeuten würde. Von einer zeitlichen Erweiterung der Übungssituationen könnten vor allem schwächere Schüler profitieren, allerdings besteht gleichzeitig die Gefahr, starke Schüler dadurch zu unterfordern. Ein Problem ist demnach die Tatsache, dass sich in den unterschiedlichen Kompetenzbereichen innerhalb einer Jahrgangsstufe erhebliche Leistungsdifferenzen zwischen den Schülern feststellen lassen, was die Unterrichtsplanung und ‐praxis natürlich erschwert. So ist es schwierig, Aufgaben zu konstruieren, welche sowohl die schwächeren als auch die stärkeren Schüler angemessen fördern. Vor allem die Tatsache der relativ hohen Schülerzahlen in den Klassen erschwert das Differenzieren zugunsten einer besseren Kompetenzentwicklung. 93 Auch die Gewichtung der Punkte für die einzelnen Kompetenzbereiche wie etwa die in Kapitel 3.1.4. angesprochene Verlagerung der Evaluation der mündlichen Kompetenz auf das dritte Trimester oder die Punkteverteilung auf der neunten Klasse des ES, die insgesamt lediglich 30 Punkte von 180 für Lese‐ und Hörverstehen vorsieht, bleibt zum Teil nicht nachvollziehbar. Da im Laufe der vorliegenden Arbeit bereits auf weitere Schwierigkeiten in diesem Bereich aufmerksam gemacht wurde, werde ich an dieser Stelle nicht näher auf diesen Aspekt eingehen. Abschließend lässt sich festhalten, dass ein kompetenzorientierter Deutschunterricht viele Vorteile gegenüber dem traditionellen Unterricht hat, die positiven Eigenschaften der Kompetenzorientierung jedoch oft von noch vorhandenen Schwierigkeiten oder Unklarheiten bei der praktischen Umsetzung überschattet werden. Diese werden sicherlich erst mittelfristig aufgrund des immer nur allmählichen Umdenkens in den Köpfen der Lehrer, Eltern und vor allem auch der Schüler aus der Welt zu schaffen sein. Ein Umsteigen auf einen sinnvollen und wahrhaft kompetenzorientierten Unterricht kann nur dann von Erfolg gekrönt sein, wenn eine Optimierung der angeführten Problembereiche seitens des Ministeriums erfolgt und ein Mentalitätswandel bei der Unterrichtsplanung und ‐ durchführung, das heißt insbesondere bei der Wahl der Methoden einhergeht. An dieser Stelle möchte ich, wie bereits in der Einleitung erwähnt, noch einmal darauf hinweisen, dass sämtliche Arbeitsblätter samt didaktischen Hinweisen im Webfolio unter http://vampire.web.myschool.lu zu finden sind, wo auch die Audiobeiträge und Filmausschnitte direkt angesteuert werden können. 94 5. Bibliografie 5.1. Primärliteratur Bildungsportal myschool, Fachraum . Unter: http://www.myschool.lu/portal/server.pt?space=CommunityPage&cached=true&parentna me=CommunityPage&control=SetCommunity&CommunityID=279&PageID=0 [01.05.2011]. Draculas Erben. Unter: http://www.youtube.com/watch?v=9eBDCaJNy5Y&feature=related [01.05.2011]. Filmheft: Twilight – vom Vampirmythos zur Popkultur. Unter: http://www.filmabc.at/documents/23_FilmheftFilmABC_Twilight.pdf [01.05.2011]. Lehrplan 6e ES 2010/11. Meyer, Stephenie: Bis(s) zum Morgengrauen. Hamburg: Carlsen Verlag 2006. Müller, Karla/ Gaiser, Gottlieb (Hrsg.): Kombi Buch Deutsch 8, Ausgabe N. Bamberg: Buchner Verlag 2009. 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