Nicht erreichbar, keine Antwort, inkompetent

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Nicht erreichbar, keine Antwort, inkompetent
Nicht erreichbar,
keine Antwort,
inkompetent
Nachgefragt: das Auskunftsverhalten von
Unternehmen gegenüber Verbrauchern
Hintergrundpapier zum Verbraucherinformationsgesetz
Herausgeber:
Verbraucherzentrale Bundesverband e.V (vzbv)
Markgrafenstraße 66
10969 Berlin
Autorin: Frauke Lendowsky
1. Die Informationsansprüche der Verbraucher
Verbraucher entscheiden selbst, wie sie entscheiden
Das Recht auf Nachfragen stärkt die Nachfrage nach Qualität
Es geht um Verantwortung von Konsumenten und Unternehmen
2. Das Informationsverhalten der Unternehmen
Wirtschaft reagiert erst auf Krisen
Freiwillige Informationsangebote der Unternehmen
Stichproben durch Mystery Calling
Fazit: nicht erreichbar, keine Antwort, inkompetent
3. Nachgefragt
Verbraucher brauchen Informationen, um sich vor Risiken schützen zu können
Nachfrage: Gesundheit und Sicherheit
... nachgefragt: allergieauslösendes Nickel in Jeansknöpfen?
... nachgefragt: gefährliche Weichmacher im Babyspielzeug?
... nachgefragt: Gentechnik in der Wurst?
Verbraucher brauchen Informationen für einen verantwortungsbewussten Konsum
Nachfrage: Tierschutz
... nachgefragt: wie halten Sie es mit der Tierhaltung?
... nachgefragt: Tierversuche für Kosmetik?
Nachfrage: Umweltschutz
... nachgefragt: umweltschonende Herstellung von Elektrogeräten?
Nachfrage: Chancen für Kinder
... nachgefragt: Teppiche aus Kinderarbeit?
... nachgefragt: Kinderarbeit in Zuliefererbetrieben?
Nachfrage: soziale Verantwortung weltweit
... nachgefragt: Weltbürger DaimlerChrysler?
Verbraucher brauchen Informationen, um zur Nachhaltigkeit beitragen zu können
Nachfrage: ethisches Investment
... nachgefragt: soziale und ökologische Aspekte bei der Riester-Rente?
Verlässliche Information: nur mit Rechtsanspruch
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"Die Hersteller bieten schon heute mehr Informationen,
als der Gesetzgeber verlangt."
Peter Trautmann
Vorsitzender des Bundesverbandes der
Deutschen Ernährungsindustrie (BVE)
1. Die Informationsansprüche der Verbraucher
Verbraucher entscheiden selbst, wie sie entscheiden
Nur wer informiert ist, kann eine bewusste und verantwortliche Entscheidung treffen. Doch wie und wo
bekommen Verbraucher die Informationen, die sie für einen selbstbestimmten Konsum benötigen?
Gesetzliche Kennzeichnungspflichten decken längst nicht alles ab, was Verbraucher wissen wollen.
Freiwillige Angaben der Hersteller gehören meist in die Kategorie Werbung und sind selten wirklich
informativ. Verbraucher haben jedoch nicht nur ein Recht auf freie Wahl bei Kauf und Konsum,
sondern auch bei den Kriterien für ihre Kaufentscheidung. Ob es sich um die gesundheitlichen
Bedürfnisse eines Allergikers oder um Wertvorstellungen in Bezug auf Kinderarbeit handelt – mündige
Verbraucher entscheiden selbst, welche Ansprüche sie an die Produkte stellen, die sie kaufen.
Deshalb fordert der Verbraucherzentrale Bundesverband: Das zentrale Anliegen des
Verbraucherinformationsgesetzes muss es sein, Konsumenten das Recht zu geben, sich direkt beim
Hersteller über kaufrelevante Eigenschaften der Produkte zu informieren.
Das Recht auf Nachfragen stärkt die Nachfrage nach Qualität
Die Nachfragemacht der Verbraucher erhält einen doppelten Sinn: Das
Verbraucherinformationsgesetz stärkt die Nachfrage nach Qualität, weil Verbraucher bei den
Anbietern nachfragen können, welche Eigenschaften Produkte haben und wie sie produziert werden.
Aufgrund dieser Informationen können Verbraucher sich nicht nur verantwortlich verhalten und damit
einen persönlichen Beitrag zu Umweltschutz, Tierschutz und einer weltweit nachhaltigen Entwicklung
leisten. Sie können vielmehr auch das Marktgeschehen von morgen aktiv beeinflussen. Mit ihrem
kritischen Nachfragen konfrontieren Verbraucher die Unternehmen mit ihren Ansprüchen, und mit
ihrem Kauf belohnen sie diejenigen Anbieter, die ihren Kriterien gerecht werden. Unternehmen
werden es sich nicht auf Dauer leisten können, die Ansprüche ihrer Kunden zu ignorieren. Es geht um
nicht mehr und nicht weniger als echte Konsumentensouveränität.
Es geht um Verantwortung von Konsumenten und Unternehmen
Qualität heißt nicht nur, dass ein Produkt technisch oder in puncto Hygiene einwandfrei ist. Es heißt
auch, dass bei seiner Herstellung, bei Handel und Transport Umweltverträglichkeit und
Sozialstandards eingehalten werden. Qualität umfasst den ganzen Prozess. Deshalb gilt: Je
verantwortungsvoller Verbraucher sich verhalten wollen, und je mehr Verantwortung sie von den
Herstellern einfordern, desto umfassender sind ihre Informationsansprüche.
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Verantwortung für die Gesundheit
Dabei geht es zunächst konkret um die Beschaffenheit von Gebrauchsgütern, mit denen die
Verbraucher unmittelbar in Berührung kommen, etwa bei allergenen Stoffen in Lebensmitteln,
Kosmetika und Textilien, oder bei chemischen Schadstoffen in Spielzeug, Möbeln und
Baumaterialien.
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Verantwortung für Tier und Natur
Wer mit seinem Konsum zum Tierschutz oder zur Bewahrung der Umwelt beitragen möchte,
will auch wissen, wie die Produkte hergestellt werden. Das betrifft zum Beispiel unnötig
quälerische Tierversuche für die Entwicklung neuer Produkte, oder lange Transportwege zu
Fertigungsstätten kreuz und quer durch Europa. Dass im übrigen die Achtung von Tier und
Umwelt in einem engen Zusammenhang mit der gesundheitlichen Vorsorge für die Menschen
steht, hat spätestens die BSE-Krise auch einer breiten Bevölkerung vor Augen geführt.
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Verantwortung für Mensch und Umwelt weltweit
In letzter Konsequenz umfassen die Informationsansprüche eines ethisch verantwortlich
handelnden Verbrauchers die gesamten Geschäftspraktiken eines Unternehmens. In der
globalisierten Wirtschaft produzieren viele multinationale Konzerne in Ländern, in denen
selbst die grundlegenden internationalen Standards zum Schutz der Menschenrechte oder
der Umwelt regelmäßig nicht eingehalten werden. Deshalb verlangen immer mehr
Verbraucher Auskunft darüber, wie international tätige Unternehmen ihre Verantwortung
gegenüber Kinderarbeit, Umweltzerstörung und Menschenrechtsverletzungen in
Entwicklungsländern wahrnehmen.
Schon 1993 beklagten 54% der deutschen Verbraucher, dass ihr Informationsbedarf von den
Unternehmen nur unzureichend gedeckt würde. 1996 waren es sogar drei Viertel der Deutschen, die
sich über Aspekte gesellschaftlicher und umweltpolitischer Verantwortung von Unternehmen schlecht
informiert fühlten.1
2. Das Informationsverhalten der Unternehmen
"Unsere langjährigen wissenschaftlichen Untersuchungen zum Informationsverhalten von
Unternehmen belegen, dass Unternehmen ca. 70% der Anfragen von Verbrauchern nicht
beantworten, wenn es sich um kritische Hintergrundfragen zur Qualität der Produkte oder zum
Verhalten des Unternehmens handelt. Das Rezept vom Maggi-Kochstudio bekommen Sie natürlich
sofort."
Ingo Schoenheit, Leiter des Instituts für Markt-Umwelt-Gesellschaft an der Universität Hannover
Wirtschaft reagiert erst auf Krisen
Verbraucher werden kritischer, und die Wirtschaft stellt sich auf die steigenden Informationsansprüche
ihrer Kunden ein. Das Institut für Markt-Umwelt-Gesellschaft konstatierte zum Beispiel 1999, dass die
deutsche Lebensmittelindustrie schneller und freundlicher auf Anfragen und Beschwerden der
Verbraucher antwortet, als es noch fünf Jahre zuvor der Fall war. 1/2 Die BSE-Krise verstärkte den
Druck auf die Lebensmittelwirtschaft noch, auf kritische Anfragen der Verbraucher zu reagieren. Es
ging um das ökonomische Überleben der Branche. Doch das Vertrauen der Verbraucher ist nach wie
vor erschüttert, wie eine aktuelle Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach vom Januar 2002
belegt: 23% der Verbraucher rechnen mit weiteren Lebensmittelskandalen. Zum Vergleich: nur 14%
erwarten einen Börsencrash und nur 12% Terroranschläge.
Imug, Unternehmenstest. Neue Herausforderungen für das Management der sozialen und ökologischen Verantwortung,
München 1997, S. 55
2 Imug (Hg), Der Unternehmenstester Lebensmittel, Reinbeck 1999, S. 8
1
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Wenn nicht erst Skandale und Krisen – und die damit einhergehenden Gefahren für Leib und Leben
der Verbraucher - die Wirtschaft zu mehr Auskunftsbereitschaft zwingen sollen, muss das geplante
Verbraucherinformationsgesetz Unternehmen zur Information verpflichten. Nur mit dieser gesetzlichen
Grundlage kann Verbraucherschutz vorsorgend wirken.
Freiwillige Informationsangebote der Unternehmen
In der Regel zeigen sich diejenigen Unternehmen auskunftsfreudiger, die sich tatsächlich um
Verbraucherinteressen bemühen und sich sozial und ökologisch engagieren. Sie versuchen, dem
steigenden Anspruch an die Corporate Social Responsibility, der gesellschaftlichen Verantwortung
von Unternehmen gerecht zu werden. Um ihr Engagement auch als Marktvorteil zu nutzen,
veröffentlichen sie aufwändige Umwelt- und Sozialberichte, nach dem Motto „Tue Gutes und rede
darüber“.
Umgekehrt gilt: Wer die Auskunft verweigert, schmälert seine Glaubwürdigkeit. Hersteller wissen das
und ziehen sich nicht mehr so oft hinter das Pauschalargument „Geschäftsgeheimnis“ zurück,
sondern geben sich zugänglich. Aber was ist wirklich zu halten von den Informationsangeboten der
Unternehmen an die Verbraucher? Egal, ob sie altmodisch Kundendienst oder in neuer
Werbesprache Verbraucherserviceinfohotline heißen - wie kompetent, wie weitgehend und wie
zuverlässig sind die Auskünfte, die den Verbrauchern dort erteilt werden?
Stichproben durch Mystery Calling
Um das Informationsverhalten gegenüber „Otto–Normal-Verbraucher“ zu testen, hat der
Verbraucherzentrale Bundesverband „under cover“ bei Unternehmen nachgefragt. Diese Methode
des sogenannten Mystery Calling stellt sicher, dass die Stichproben nicht verfälscht werden durch die
erhöhte Alarmbereitschaft, die Konzerne gegenüber Verbraucherschützern an den Tag legen.
Zur Erinnerung: Der vzbv hatte im Oktober 2001 kritisiert, dass Lebensmittel mit „ländlicher Idylle“
beworben werden, obwohl die Hersteller nicht nachweisen, dass die Produkte tatsächlich von
„glücklichen Kühen“ und „direkt vom Lande“ stammen. Nicht nur haben alle vom vzbv
angeschriebenen Hersteller auch bei wiederholter Nachfrage die Auskunft über ihre
Produktionsverfahren explizit verweigert - einige haben gleich ihre Anwälte eingeschaltet.
Mystery Calling ist eine Methode, deren sich die Wirtschaft bedient, um ihre Dienstleistungsqualität im
Kundenkontakt durch Test-Kunden, so genannte Mystery Shoppers, evaluieren zu lassen. Der vzbv
hat eine Verbraucherin beauftragt, die Kommunikationsangebote von Unternehmen zu testen und ihre
Informationen zu hinterfragen.
Die Testverbraucherin des vzbv hat sich in einer nicht-repräsentativen Untersuchung an über 150
Unternehmen mit der Bitte um Informationen gewandt. Dabei handelte sich um Stichproben per
Telefon und E-Mail bei über 70 namhaften Herstellern von Lebensmitteln, Bekleidung, Kosmetik,
Spielwaren, Elektrogeräten, Einrichtungsgegenständen und Automobilen. Mehr als die Hälfte dieser
Unternehmen, informierte die Testverbraucherin nicht zufriedenstellend. Des weiteren richtete sie
schriftliche Anfragen an 80 Unternehmen der Finanzdienstleistungsbranche. Davon reagierten 30
Prozent überhaupt nicht, weitere 35 Prozent ignorierten die konkrete Anfrage in ihren Reaktionen.
Zum untersuchten Auskunftsverhalten gehörte sowohl der Umgang mit der konkreten
Verbraucheranfrage als auch die Qualität der gegebenen Informationen. Im vorliegenden Bericht wird
das Informationsverhalten von 33 Unternehmen beispielhaft geschildert. Den genannten
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Unternehmen wurde vor der Veröffentlichung die Möglichkeit zur Stellungnahme gegeben. Diese sind
gesondert dokumentiert.
Fazit: nicht erreichbar, keine Antwort, inkompetent
Das Informationsverhalten von Unternehmen beginnt mit ihrer Erreichbarkeit. Wie können
Verbraucher mit dem Hersteller eines Produktes Kontakt aufnehmen? Noch längst nicht ist auf allen
Verpackungen eine Telefonnummer angegeben, oft fehlt sogar eine vollständige Adresse.
Verbrauchern ist aber keine detektivische Spürarbeit zuzumuten, um die Anschrift eines Anbieters zu
ermitteln, und auch kein langatmiger Briefverkehr, um die benötigten Informationen zu erhalten.
Doch auch bei Verbrauchertelefonen, welche die Unternehmen von sich aus anbieten, zeigen die
Mystery Calls: Auf das Auskunftsverhalten der Unternehmen ist kein Verlass. Verbraucher werden
nicht ernst genommen, ihre Fragen werden ignoriert und abgewimmelt. Was die Test-Verbraucherin
im Einzelnen erlebte:
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Verbrauchertelefone und Email-Adressen funktionieren nicht
es gibt keine zuständigen Ansprechpartner, versprochene Rückrufe bleiben aus
Anfragen werden nicht beantwortet
Auskünfte sind unpräzise, inkompetent, widersprüchlich oder falsch
keine weiteren Informationen, wenn die gemachten Angaben hinterfragt werden
Werbeaussagen werden nicht belegt
der Kundenkontakt wird für unerwünschte Werbeaktivitäten missbraucht
aussagelose Broschüren und unverständliche Reports
Natürlich gab es auch viele positive Beispiele: Unternehmen, die schnell und kompetent antworten.
Der Kosmetikhersteller Johnson&Johnson, der nicht garantieren kann, dass der in Rede stehende
allergene Stoff nicht in seinem Produkt enthalten sei und das auch ehrlich sagt. Oder der
Sportartikelhersteller Puma, der darum bittet, das beanstandete Produkt zuzuschicken, damit man
den Fehler in der Produktion finden und beheben könne.
Doch Verbraucher brauchen nicht nur Informationen von denjenigen Unternehmen, die ihre
Verantwortung – in der Sache oder in ihrem korrekten Auskunftsverhalten - bereits wahrnehmen.
Umfassende Transparenz, die für selbstbestimmten Konsum und ein funktionierendes
Marktgeschehen notwendig ist, schafft nur ein Rechtsanspruch gegenüber allen Unternehmen.
Selbstverpflichtungen der Wirtschaft, wie sie in der aktuellen Debatte um das
Verbraucherinformationsgesetz vorgeschlagen werden, können diesen Rechtsanspruch offensichtlich
nicht ersetzen.
Im Folgenden einige Beispiele für Verbraucherfragen nach Produkteigenschaften und
Produktionsbedingungen, die für eine bewusste Kaufentscheidung relevant sind, und für die
Schwierigkeiten, denen Verbraucher ausgesetzt sind, wenn sie sich beim Hersteller darüber
informieren wollen.
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3. Nachgefragt
Verbraucher brauchen Informationen, um sich vor Risiken schützen zu können
Verbraucher haben das Recht auf Schutz vor Risiken. Das können individuelle Risiken sein, etwa bei
einer Überempfindlichkeit gegen Inhaltsstoffe, die auf Produkten nicht angegeben werden müssen.
Eine lückenlose Deklarierung aller Eigenschaften auf der Verpackung ist nicht immer machbar – sonst
gäbe es bald Lebensmittel mit Beipackzetteln – und auch nicht immer unbedingt sinnvoll, da nicht alle
Details für alle Verbraucher gleich wichtig sind. Deshalb braucht der Einzelne das Recht, sich beim
Hersteller über die für seine persönliche Gesundheit relevanten Inhaltsstoffe eines Produktes zu
informieren.
Das können aber auch unklare Risiken sein, wenn Gefahren für Mensch und Umwelt weder eindeutig
nachgewiesen noch umfassend kennzeichnungspflichtig sind. Das umstrittenste Beispiel für eine
neue Technologie, deren Auswirkungen noch nicht in vollem Ausmaß bekannt und bewertet sind, ist
nach wie vor der Einsatz gentechnisch modifizierter Organismen. Probleme wie das Allergierisiko,
eine Zunahme der gegen Antibiotika resistenten Krankheitserreger oder unerwünschte Umweltfolgen
können bei der Nutzung der Gentechnologie nicht ausgeschlossen werden. Verbraucher müssen
selbst entscheiden können, ob sie diese Risiken für sich selbst und die Umwelt verantworten wollen.
Verbraucher haben das Recht, ihr Schutzniveau selbst zu bestimmen. Oft sind gesetzliche
Grenzwerte von Schadstoffen höher, als Verbraucher es für ihre eigene Sicherheit und die ihrer
Familie verlangen. Um sich ihren eigenen Ansprüchen gemäß schützen zu können, haben sie ein
Recht darauf zu erfahren, was genau und wie viel davon in den Produkten enthalten ist, mit denen sie
leben.
Nachfrage: Gesundheit und Sicherheit
... nachgefragt: allergieauslösendes Nickel in Jeansknöpfen?
Nickelallergie ist eine der häufigsten Allergien überhaupt. Allergologen schätzen, dass jeder fünfte
Deutsche überempfindlich auf Nickel reagiert. Bei Kontakt mit nickelhaltigen Stoffen entzündet sich
die Haut und entwickelt ein stark juckendes Ekzem. In Deutschland dürfen Metallteile, die "nicht nur
vorübergehend" mit der Haut in Kontakt kommen, nur eine Menge von maximal 0,5 Mikrogramm
Nickel pro Quadratzentimeter und Woche freisetzen. Mediziner halten allerdings ein generelles
Nickelverbot für sinnvoller, weil schon geringste Mengen des Metalls bei sensibilisierten Menschen
die Allergie aufrecht erhalten. Der vzbv hat bei Markenjeansfirmen und großen Modehandelsketten
nachgefragt, ob und wie viel Nickel in den Knöpfen und Reißverschlüssen ihrer Jeans sind.
Levi’s: Auf der Internetseite von Levi’s Deutschland ist keine Telefonnummer zu finden, weder eine
Servicenummer noch überhaupt eine Adresse der Unternehmenszentrale. Die Möglichkeit, ein Email
an Levi’s zu schicken, ist gesperrt worden – wegen zu vieler Emails. (Nachtrag: Mittlerweile ist das
Kontaktformular ganz entfernt worden.)
Wrangler: Auf der Internetseite von Wrangler Europe gibt es keine Telefonnummer, man kann nur
online Kontakt aufnehmen, aber das nur auf englisch.
Esprit: Die kostenreduzierte „Endconsumer Service Line“ 0180 – 52 12 234 war tagelang „zur Zeit“
nicht erreichbar. Die Nachricht auf dem Anrufbeantworter des Verbrauchertelefons vom 22.1.02
wurde bisher nicht beantwortet.
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Hennes & Mauritz: Unter der Rubrik „Häufig gestellte Fragen“ garantiert H&M auf seiner Website,
dass der Nickelgehalt aller Produkte streng geprüft und die geltenden EU- Höchstgrenzen eingehalten
werden. Es wird darauf hingewiesen, dass Hochempfindliche bereits auf geringere Mengen allergisch
reagieren können.
C&A, Kundentelefon 0211 – 35 36 37: Die Mitarbeiterin des Kundenservice wusste nicht, ob C&A
Jeans verkauft ohne Nickel in Knöpfen und Reißverschlüssen. Sie versprach sich zu informieren und
zurückzurufen. „Aber wir geben grundsätzlich keine Zertifikate raus, wir sagen Ihnen das dann nur,
aber wir geben das nicht schriftlich! Warum tragen Sie nicht Kleidung mit Knöpfen aus Kunststoff?“
Der Rückruf erfolgte am nächsten Tag: C&A schreibe auf jede Order drauf, dass die Ware nickelfrei
zu sein hat. Geprüft werde es nicht.
Diesel: Keine Telefonnummer für Verbraucher. Die erste Gesprächspartnerin in der Konzernzentrale
war selbst gegen Nickel allergisch und berichtete ausführlich von ihren Erfahrungen. „In den
Jeansknöpfen ist überall Nickel drin. Da machen Sie am besten Nagellack drauf, oder ein Pflaster von
innen. Tesafilm verrutscht.“ Sie verband weiter zur Abteilung Einkauf. Dort wusste man nichts über
den Nickelgehalt, darüber gebe es überhaupt keine Daten in der Firma. Die dritte Gesprächspartnerin,
an die die Anfrage weitergereicht wurde: „Kein Problem, in Dieseljeans ist kein Nickel drin! Da
passiert nichts, können Sie unbesorgt anziehen!“
Was im Falle einer Kontaktallergie noch amüsant klingen mag, zeugt von einer Inkompetenz, die für
Menschen mit einer lebensgefährlichen Unverträglichkeit verhängnisvoll sein kann.
... nachgefragt: gefährliche Weichmacher im Babyspielzeug?
Seit März 2000 sind in Deutschland Weichmacher, so genannte Phthalate, in Spielzeug für Kinder
unter drei Jahren gesetzlich verboten. Die Stoffe, die den eigentlich harten Kunststoff weich machen,
schädigen Leber, Nieren und die Fortpflanzungsorgane. Wenn Kleinkinder an den Quietsch- und
Badetieren nuckeln, werden die Schadstoffe freigesetzt.
Spielzeugwarenhersteller Mattel, Kundendienst: „Wir benutzen überhaupt keine Phthalate, haben wir
überhaupt noch nie benutzt!“ Schließlich sei Mattel eine US-Firma, und die amerikanischen
Bestimmungen viel strenger.
Stimmt nicht. Mattel, der auch die berühmte Barbie-Puppe herstellt, war zwar der erste prominente
Vertreter der internationalen Spielzeugbranche, der freiwillig auf die gesundheitsschädlichen
Weichmacher verzichten wollte. Das hatte Mattel jedoch erst für Anfang 1999 angekündigt.3
Spielzeugwarenhersteller Chicco, Kundendienst: „Wir haben alle Weichmacher bereits vor dem
gesetzlichen Verbot rausgenommen, auf jeden Fall bei Spielzeug für Kinder unter drei Jahren.“ Es
gab keine Auskunft darüber, seit wann genau es keine Phthalate mehr in Babyspielzeug gibt, und in
welchen Chicco-Produkten für ältere Kinder noch immer Weichmacher enthalten sind.
Pech für Babys, deren Beißring schon vor dem gesetzlichen Verbot hergestellt wurde? Und Kindern
muss außerdem klar sein, dass ab dem dritten Geburtstag Schluss damit ist, alles in den Mund zu
stecken.
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Greenpeace, Presseerklärung vom 25.9.98 „Plastikweichmacher im Kinderspielzeug weiter auf dem Rückzug“
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... nachgefragt: Gentechnik in der Wurst?
Unter dem Druck der Verbraucher sind gentechnisch veränderte Lebensmittel in Deutschland fast
völlig aus den Supermarktregalen verschwunden. Die Kennzeichnungspflicht ermöglicht es den
Kunden, gezielt auf solche Produkte zu verzichten.
Bei Fleisch, Milch oder Eiern ist das in der Praxis jedoch weniger einfach, als es Schlagzeilen wie
„Deutscher Lebensmittelhandel verzichtet auf Gennahrung“ verheißen. Wenn die Tiere mit
genmanipulierter Soja (Hühner, Puten und Schweine) oder Mais (Rinder) gefüttert werden, können
gentechnisch veränderte Erbsubstanzen bei der Verdauung ins Blut der Tiere gelangen. Auch in
inneren Organen wie der Leber kann Pflanzen-Erbgut nachgewiesen werden. Die Auswirkungen sind
derzeit unbekannt. Der vzbv fragte Lebensmittelhersteller, ob ihre Waren mit oder ohne den Einsatz
von Gen-Futter hergestellt werden. Die Anfrage erfolgte am 27.1.02 per Email, über die
Kontaktformulare auf den Homepages der Firmen, auf denen es unisono heißt: „Ihre Meinung ist uns
wichtig! Haben Sie Fragen oder Kritik? Schicken Sie uns ein Email! Sie werden so bald wie möglich
von uns hören!“ etc.
Abbelen Fleischwaren OHG, Marke „Easy life“, www.abbelen.de , Brief vom 8.2.02: „Eine
Rückverfolgung der Rohstoffe über die Schlacht- und Zerlegebetriebe bis hin zum Landwirt ist in der
Praxis noch nicht möglich. Deshalb sind auch Aussagen über die Zusammensetzung der dort
verwendeten Futtermittel weder glaubhaft vermittelbar noch nachprüfbar!“
Barfuss GmbH, Wurst- und Fleischwaren, www.barfuss.de : bisher keine Antwort
Frikifrisch GmbH, Geflügelfleischwaren, www.friki.de : bisher keine Antwort
Halko GmbH, Wurst und Fleischkonserven, Marke „Halberstädter“, www.halko.de : bisher keine
Antwort
Herta Fleischwaren, www.herta.de ,schickte als Antwort die Verbraucherbroschüre „Qualität und
Sicherheit“ zu. Darin heißt es auf S. 6/7 lapidar: „Anforderungen an Zucht und Mast: Verzicht auf
gentechnisch veränderte Futtermittelbestandteile“ – das ist zumindest unpräzise angesichts der
Tatsache, dass kein anderer konventioneller Wurstwarenhersteller die Gentechnikfreiheit der
Futtermittel garantieren will.
Hühnerhof Heidegold GmbH, Eier, www.heidegold.de : bisher keine Antwort
Karl Könecke Fleischwarenfabrik, www.koenecke.de , Redlefsen Fleisch- und Wurstwaren,
www.redlefsen.de , Brief vom 29.1.02 für die Könecke-Redlefsen Gruppe: „Hinsichtlich der von Ihnen
angesprochenen eingesetzten Futtermittel können wir gegenwärtig keine Garantieerklärung über das
Nichtvorhandensein von gentechnisch veränderten Bestandteilen in Futtermitteln abgeben.“ Der Leiter
des Qualitätswesens informierte ausführlich über das Bemühen des Unternehmens, dem
Verbraucherwunsch nach gentechnikfreien Lebensmitteln gerecht zu werden.
Molkerei Alois Müller, Milchprodukte, Brief vom 15.2.02: „Wir verwenden bei der Herstellung unserer
Produkte keine gentechnischen Verfahren. Aufgrund der technologischen und technischen
Entwicklung kann jedoch ein Einsatz insbesondere bereits bei der Gewinnung der Rohstoffe
grundsätzlich nicht mehr ausgeschlossen werden.“
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Rügenwalder Wurstfabrik Carl Müller, Marke „Rügenwalder Mühle“, www.ruegenwalder.de , Brief vom
29.1.02: „Seit ungefähr einem Jahr arbeiten wir an der Umsetzung der „Rügenwalder Charta“. Die
Charta deckt sich in der Summe mit den Forderungen der neu ins Leben gerufenen Partnerschaft
„Qualität und Sicherheit“. Hierbei geht es um Forderungen für Lebensmittel vom Erzeuger bis zum
Konsumenten, die über die gesetzlichen Bestimmungen hinausgehen. Im Speziellen heißt dies, dass
dabei auch das von Ihnen aufgeführte Thema Gentechnikfreiheit der Futtermittel sowie weitere
Themen behandelt werden. Weitere Informationen dazu erhalten Sie im Internet unter www.q-s.info .“
Die Recherche auf der Website der „Gesellschaft für Qualität und Sicherheit – Bündnis für aktiven
Verbraucherschutz“ ergibt jedoch, dass der Verzicht auf gentechnisch modifizierte Futtermittel nicht
zu den Forderungen der Initiative gehören. Gentechnik findet überhaupt keine Erwähnung im InternetAuftritt von „Qualität und Sicherheit“.
Stockmeyer GmbH, Marken „ProVital“, „Riedl“, „Frischeria“ u.a., www.stockmeyer.de , Brief vom
4.2.02: „ Aufgrund des dargestellten Sachverhaltes ist uns jedoch eine rechtsverbindliche Aussage
über die Futtermittelbeschaffenheit in den Erzeugerbetrieben und damit auch bei den von uns
bezogenen Fleischrohstoffen nicht möglich.“
Tricon Restaurants, „Kentucky Fried Chicken“ und „Pizza Hut“, www.tricon-restaurants.de ,
www.pizza-hut.de , www.k-f-c.de : bisher keine Antwort
Wiltmann GmbH, Wurstwaren, www.wiltmann.de , Brief vom 12.2.02: „Zu Ihrer Frage nach dem
Einsatz von gentechnisch veränderten Rohstoffen auch bei der Fütterung möchten wir auf das
Schreiben vom „Deutschen Verband Tiernahrung e.V. (DVT), Bonn“ vom 25.4.2001, welches wir als
Anlage beigefügt haben, verweisen.“ Darin heißt es: „Sie (genmanipuliertes Sojaextraktionsschrot und
Maiskleberfutter) stellen nach gegenwärtigem Erkenntnisstand kein Risiko für die Gesundheit von
Mensch und Tier dar und sind für die Umwelt unbedenklich. ... Eine gesonderte Kennzeichnung ist in
Deutschland auf der Basis des geltenden Futtermittelgesetzes nicht notwendig und auch nicht
möglich.“
Verbraucher brauchen Informationen für einen verantwortungsbewussten Konsum
Verbraucher haben das Recht, ihre Lebensführung nach ihren eigenen Wertmaßstäben auszurichten.
Wer mit seinem Konsum nicht zur Ausbeutung von Mensch, Tier und Umwelt beitragen will, braucht
Informationen darüber, unter welchen Bedingungen Produkte hergestellt werden. Verbraucher sind
dabei in besonderem Maße auf die Auskünfte der Hersteller angewiesen. Denn anders als z.B. bei
schädlichen Inhaltsstoffen, sind diese Produktionsbedingungen den Produkten selbst nicht
nachzuweisen, etwa durch unabhängige Warentests. Hinzukommt, dass auch Behörden hierzu
praktisch nie über Informationen verfügen. Ein Auskunftsanspruch der Verbraucher über die bei
Behörden vorliegenden Informationen läuft also ins Leere, wenn es um Produktionsbedingungen geht.
Repräsentative Studien belegen, dass deutsche Konsumenten Produkte von
verantwortungsbewussten Unternehmen bevorzugen. Dabei liegen der Verzicht auf Kinderarbeit,
Umweltschutz und der Verzicht auf Tierversuche auf den Top-Plätzen kritischer Konsumenten, und
das konstant (Emnid 1996, imug 1999). Verantwortlich handelnde Verbraucher sind auch durchaus
bereit, für den ethischen Mehrwert mehr zu zahlen (MORI 2000).4
European Survey of Consumer’s Attitudes towards Corporate Social Responsibility, MORI (Market and Opinion
Research International) Sept 2000, www.csreurope.org; vgl. auch: Verbraucherzentrale Bundesverband (Hg.):
Verbraucherverhalten beim Lebensmittelkauf, Köln 2001
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Viele Unternehmen bewerben ihre Produkte mit freiwilligen Selbstverpflichtungen in Sachen
Umweltschutz, Tierschutz, Kinderarbeit oder Sozialstandards in Entwicklungsländern. So
begrüßenswert diese Initiativen sind – für die Verbraucher muss nachvollziehbar sein, ob derartige
Aussagen wirklich Substanz haben oder nur unverbindliche Absichterklärungen oder gar reine
Imagepflege sind. Verbraucher müssen ein Recht auf Auskunft darüber haben, welche Kriterien
diesen Selbstverpflichtungen zugrunde liegen, und wie ihre Einhaltung geprüft wird.
Nachfrage: Tierschutz
... nachgefragt: wie halten Sie es mit der Tierhaltung?
Zimbo Wurstwaren, auf den Verpackungen angegebenes gebührenfreies Service-Telefon 0800 – 22
33 661: „Nur glücklich! Keine, wie heißt das doch gleich, Massentierhaltung, keine Transporte, da
müssen Sie sich überhaupt keine Sorgen machen, alle glücklich.“ Und warum steht das nicht auf den
Produkten, das wäre doch ein gutes Qualitätsargument? „Wir können nicht alles draufschreiben, aber
deshalb sind die Produkte ja so teuer!“
Der hohe Preis ist also die Garantie für glückliche Tierhaltung. Auf der Website von Zimbo findet sich
als Hinweis auf die artgerechte Tierhaltung unter der Rubrik „Zahlen, Daten, Fakten“: „viel Licht, viel
Luft, viel Sonne, viel Bewegung“5 – in der Tat, welche Kuh wäre da nicht glücklich. Auf die Anfrage
per Email am 13.2.02, nach welchen Kriterien die artgerechte Tierhaltung im Einzelnen ausgerichtet
sei, kam bisher keine Antwort.
Herta Wurstwaren, Email des Verbraucherservice vom 28.1.02: „Für alle Produkte, die Schweine- und
Geflügelfleisch enthalten, ist eine Absicherung im Aufbau. Für Herta sind z. B. im SchweinefleischBereich artgerechte Haltung, Freiheit von Salmonellen und Antibiotika, Futtermittel ohne Tiermehl,
lückenloser Herkunftsnachweis bis zum Ferkel und unabhängige Kontrolle des Systems die
entscheidenden Forderungen in einem Maßnahmenkatalog.“ Auf die Rückfrage per Email, wie die
Schweine zur Zeit gehalten werden und wann die angekündigten Maßnahmen etabliert sein werden,
wurde drei Wochen später die Verbraucherbroschüre „Qualität und Sicherheit“ zugeschickt. Darin
heißt es auf Seite 6 lapidar: „Anforderungen an Zucht und Mast: Artgerechte Tierhaltung“ – eine
Aussage, die weder präzisiert noch belegt wird und außerdem im Widerspruch zu der ersten Antwort
suggeriert, dass diese Forderung bereits realisiert sei.
Alois Müller, Milchprodukte, Brief vom 30.1.02: „Nachdem wir als Molkerei selbst keine Tiere halten,
sondern die Milch vom Erzeuger beziehen, liegen uns leider keine entsprechenden Informationen zur
Nutztierhaltung vor. Aus diesem Grund möchten wir Ihnen als Ansprechpartner nachfolgend die
Adresse der Pressestelle des Bauernverbandes nennen.“
Ehrmann, Milchprodukte, Email vom 8.2.02: „Das Unternehmen Ehrmann hat seinen
Produktionsstammsitz im bayrischen Allgäu. Die Milch, die für unsere Milchfrischprodukte zum
Einsatz kommt, wird von Bauernhöfen aus dem näheren Einzugsgebiet bezogen. Hier werden die
Tiere in traditionell-bäuerlicher Art und Weise großgezogen und gehalten. Leider ist es uns nicht
möglich, detaillierte Angaben zu Ihren Fragen abzugeben. Wir möchten Sie deshalb bitten, sich zu
diesen Punkten an den MIV (Milchindustrieverband) zu wenden. Wir hoffen Ihre Frage hiermit
ausreichend beantwortet zu haben und würden uns freuen, Sie zum ständig wachsenden Kreis der
Ehrmann-Freunde zählen zu dürfen.“ (ungekürzter Wortlaut)
5
Zimbo hat inzwischen die Struktur seines Web-Auftritts an dieser Stelle geändert, vgl. www.zimbo.de
11
Unilever Bestfoods Deutschland GmbH, Fertigprodukte Marke „Pfanni“und „Knorr“, Email des
Verbraucherservice vom 28.1.02: „Um Ihre Fragen zum Thema Tierschutz ausführlich beantworten zu
können, bitten wir Sie noch um etwas Geduld. Wir melden uns umgehend wieder bei Ihnen.“ Bisher
erfolgte keine weitere Antwort.
... nachgefragt: Tierversuche für Kosmetik?
Schwarzkopf & Henkel, Kosmetik- und Pflegeprodukte, auf den Verpackungen angegebene
kostenreduzierte Info-Line 0180 – 200 63 00: „Nein, wir machen keine Tierversuche mehr, Gott sei
dank, ich finde das auch ganz schrecklich!“ Ist der Verzicht auf Tierversuche in der
Unternehmensphilosophie verankert, gibt es irgendwelche Richtlinien dazu? „Nein, wieso, wir machen
ja keine.“ Auch wenn Henkel selbst seine Endprodukte nicht an Tieren testet, wie ist es denn mit
Inhaltsstoffen, die neu entwickelt werden? „Wir entwickeln nicht selbst, wir kaufen das aus einer
Datenbank in der Schweiz.“ Und werden bei diesen Innovationen, die Henkel einkauft, Tierversuche
gemacht? „Im Ausland sieht man das halt nicht so eng, denken Sie nur an China, wie da die Tiere
gequält werden, schrecklich.“ Aber das ist doch scheinheilig, dann verlagert Henkel die Verantwortung
doch nur auf andere, die für sie die Tierversuche machen? „Aber wir machen keine.“ Kann man den
Namen dieser Schweizer Datenbank erfahren, vielleicht gibt es dort Richtlinien zu Tierversuchen? „Da
verbinde ich Sie mal weiter. Darf ich Ihnen ein kostenloses Pflegeprodukt zuschicken?“
In der Zentrale dachte man differenzierter und suchte nach einer geeigneten Auskunftsstelle Fachbereich Biologie? Pressestelle? - für die Frage, wie Schwarzkopf & Henkel zu Tierversuchen im
gesamten Entwicklungsprozess seiner Produkte steht. Nach sechsmaligem Weiterverbinden, u.a. zur
Werksfeuerwehr, landete die Test-Verbraucherin in der Public Relations-Abteilung. Auch dort wollte
oder konnte man nichts dazu sagen und versprach den Rückruf des Leiters der
Verbraucherkommunikation. Der Rückruf erfolgte bisher nicht.
Nachfrage: Umweltschutz
Unternehmen tun nicht genug für den Erhalt der Umwelt, meint ein Großteil der deutschen
Bevölkerung. 82 Prozent sind der Ansicht, dass sich die Wirtschaft noch mehr für den Umweltschutz
engagieren sollte, so das Ergebnis einer aktuellen Umfrage.6 Bei Produkten gehören
umweltfreundliche Eigenschaften längst zum guten Ton. So werden zum Beispiel Haushaltsgeräte wie
Waschmaschinen und Spülmaschinen damit beworben, dass sie wenig Energie und Wasser
verbrauchen.
Doch wie steht es mit der ökologischen Performance der Unternehmen selbst? Umweltschutz betrifft
den gesamten Herstellungsprozess im In- und Ausland, nicht nur die Produktökologie. Der vzbv hat
bei internationalen Herstellern von Elektrogeräten nachgefragt: nach Energieeffizienz und
Ressourcenschonung bei der Produktion, nach dem Umweltmanagement und nach Zertifizierungen,
die die Abläufe im gesamten Unternehmen nach ökologischen Kriterien verlässlich regeln.
Repräsentative Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach im Auftrag des Dualen Systems Deutschland (DSD),
veröffentlicht im Wirtschaftsmagazin Impulse, 7/2001
6
12
... nachgefragt: umweltschonende Herstellung von Elektrogeräten?
Candy Hoover, Haushaltsgeräte: Der Kundendienst unter 01805 – 62 55 62 beantwortet nur Fragen
zum Betrieb der Geräte. Das Email-Kontaktformular für Verbraucher auf der Website7 funktionierte
nicht. Aufgrund des Anrufes in der Konzernzentrale wurde dort gerätselt, wer für die Frage nach
ökologischen Standards bei der Produktion zuständig sein könne. Die Test-Verbraucherin wurde vier
mal weiterverbunden, sollte am nächsten Tag erneut anrufen, weil dann jemand im Hause sei, der
Auskunft geben könne. Der entsprechende Anruf bei dem angeblich zuständigen Mitarbeiter des
technischen Kundendienstes wurde erneut abgewehrt. „Darüber wissen wir nichts.“ Kann man das
denn nicht bei der italienischen Muttergesellschaft erfahren? „Nein. Ich verstehe Ihre Frage auch gar
nicht. Warum wollen Sie das überhaupt wissen?“ Auf die schriftliche Anfrage am 28.1.02 beim Leiter
des Vertriebs kam bisher keine Antwort.
Daewoo Electronics: Die vier Service-Rufnummern, die auf der Website8 angegeben sind, sind nur für
Wartung der Geräte und Ersatzteile zuständig. Die telefonische Anfrage in der Konzernzentrale wurde
an die Marketing-Abteilung weitergeleitet. Der Leiter des Marketing gab keine Auskunft über Ökologie
bei der Produktion. Man produziere weltweit, versuche, umweltfreundlich zu sein und halte die
jeweiligen Gesetze ein. „Wofür brauchen Sie das denn überhaupt?“ Um eine ökologisch vertretbare
Kaufentscheidung zu treffen. Gibt es bei Daewoo keine Richtlinien für den Umweltschutz? „Das Werk
in Irland wird gerade nach ISO 14001 zertifiziert.“ Was bedeutet das genau? „Das können
Verbraucher doch gar nicht verstehen.“ Stellungnahmen oder Publikationen, wie z.B. einen
Umweltbericht, gibt Daewoo nicht heraus. Schließlich sei es vom Gesetz nicht gefordert.
Nachfrage: Chancen für Kinder
Weltweit arbeiten nach einer Schätzung der Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen 250 Millionen
Kinder zwischen fünf und 14 Jahren unter Bedingungen, die ihrer Entwicklung schaden. Rund 120
Millionen dieser Kinder, so die Erkenntnisse der Internationalen Arbeitsorganisation ILO, müssen
ganztags arbeiten, so dass sie keine Zeit und Kraft für den Schulbesuch mehr haben.
Die deutsche Öffentlichkeit reagiert besonders sensibel auf die Ausbeutung von Kindern. Unter dem
Druck von Verbrauchern und Nichtregierungsorganisationen sehen sich Unternehmen heute
gezwungen, sich gegen Kinderarbeit in den Ländern zu engagieren, in denen ihre Waren hergestellt
werden, wenn sie nicht Boykott und Imageschäden riskieren wollen.
Sozialsiegel und Verhaltenskodizes sind relativ neue Instrumente, die Unternehmen einsetzen, um
soziale Standards in Entwicklungsländern einzuhalten und zu verbessern. Sozialsiegel garantieren
produktspezifisch, dass bei der Produktion eines Gutes bestimmte soziale Bedingungen eingehalten
wurden, z.B. Rugmark für Teppiche ohne Kinderarbeit oder das Transfairsiegel für Kaffee oder Kakao
aus sozialverträglichem Anbau.9 Verhaltenskodizes sind dagegen freiwillige Selbstverpflichtungen von
Unternehmen, in der Produktion bestimmte soziale und ökologische Richtlinien einzuhalten. Diese
Kodizes sollen in Übereinstimmung mit internationalen Standards, etwa der ILO-Konventionen zu
Kinderarbeit, Zwangsarbeit und Vereinigungsfreiheit, formuliert sein und die Anwendung der Regeln –
www.candy-hoover.de
www.daewoo-electronics.de
9 Vgl. http://www.rugmark.de; http://www.transfair.org/
7
8
13
Wer ist im Unternehmen dafür verantwortlich? Gilt der Kodex auch gegenüber Lieferanten? Was
passiert bei Nichteinhaltung? etc. - sowie die Modalitäten der Überwachung definieren.10
... nachgefragt: Teppiche aus Kinderarbeit?
Frick, Teppich-Supermärkte mit bundesweitem Filialnetz, kostenlose zentrale Service-Hotline 0800 –
502 5020: „Wir sind Mitglied bei Care&Fair, die sorgen für uns dafür, dass keine Kinder an den
Teppichen arbeiten. In den Fabriken in Indien und Nepal werden unabhängige Kontrollen
durchgeführt, um das zu garantieren.“ Wer steckt hinter Care&Fair und wie wird sichergestellt, dass
diese Kontrollen vor Ort zuverlässig sind? Das wusste die Mitarbeiterin nicht. Warum arbeitet Frick
nicht mit dem Sozialsiegel Rugmark? Das sei genau das Gleiche wie Care&Fair.
Aufgrund der schriftlichen Anfrage per Email erfolgte ein Anruf aus der Konzernzentrale. Die
Geschäftsführung konnte genauer über Care&Fair informieren. Aber auch hier hieß es: Care&Fair und
Rugmark machen die gleichen Kontrollen. Der Träger von Care&Fair sei nicht bekannt.
Care&Fair - Teppichhandel gegen Kinderarbeit e.V.11, gibt dazu folgende Auskunft, sowohl in seinem
Internet-Auftritt als auch auf telefonische Nachfrage: Care&Fair ist eine freiwillige Selbstverpflichtung
des europäischen Teppichhandels, sich gegen Kinderarbeit zu engagieren. Es gibt einen
Forderungskatalog für Lieferanten und Produzenten in Indien, Nepal und Pakistan. Kontrollen vor Ort
sind nicht vorgesehen.
Im Unterschied dazu führt die Siegelinitiative Rugmark, die von internationalen Organisationen wie
Unicef, Brot für die Welt, Terre des Hommes und Misereor getragen wird, Kontrollen vor Ort durch.
Das Sozialsiegel leistet den so genannten Physical Link, indem es garantiert, dass Teppiche mit dem
Rugmark-Siegel ohne illegale Kinderarbeit hergestellt wurden.12
Beide Initiativen, sowohl Care&Fair als auch Rugmark, fördern mit dem Gros der eingenommenen
Prämien soziale Projekte im Bildungs- und Gesundheitsbereich zugunsten der betroffenen Kinder.
Teppichland Berlin wirbt auf seiner Homepage13: „In vielen Ländern der Welt werden Kinder von
verantwortungslosen Menschen zu Arbeiten unter unwürdigen Verhältnissen missbraucht.
TEPPICHLAND ist seit vielen Jahren gegen derartige Machenschaften. Mit der Mitgliedschaft und
tatkräftiger sowie finanzieller Unterstützung der Organisation CARE & FAIR setzen wir
unmissverständliche Zeichen: TEPPICHLAND ist gegen Kinderarbeit in der Teppichproduktion!“ Ein
Email an die im Internet angegebene Info-Adresse mit der Bitte um genauere Informationen zum
Engagement gegen Kinderarbeit wurde mit zwei Broschüren von Care&Fair beantwortet. Darin wird
über Hilfsprojekte für Kinder in Indien, Nepal und Pakistan informiert. Außerdem heißt es: „Die
Mitgliedschaft beruht auf moralischer Verantwortung und freiwilliger Selbstverpflichtung“ Auf
telefonische Nachfrage in der Zentrale von Teppichland wollte man zunächst wissen, ob man mit
einer Journalistin spreche. Wieso, bekommen Journalisten andere Auskünfte als Verbraucher? „Wir
sind da vorsichtig, man weiß ja nie.“ Care&Fair und Rugmark seien Parallelorganisationen, beide von
vgl. Race to the Bottom oder Race to the Top? Sozialsiegel und Verhaltenskodizes als Mittel zur sozialen Gestaltung
der Globalisierung, Reinhard Palm, International Politics and Society 3/2001
11 vgl. http://www.care-fair.com/
12 „Die Differenz ist überwiegend der Struktur der angeschlossenen Betriebe geschuldet, also dem anders gelagerten
Interesse der direkt aufkaufenden Handelshäuser (die sich im wesentlichen Rugmark angeschlossen haben) zu jenen der
kleineren und an Transparenz ihres Geschäftsgebarens weniger interessierten Importeure und Händler (bei Care & Fair).“
Joachim Betz, Internationale Siegelungskampagnen im Teppichsektor, International Politics and Society 3/2001
13 www.teppichlandberlin.de
10
14
Teppichimporteuren gegründet. Für genauere Informationen, wie der Verzicht auf Kinderarbeit vor Ort
kontrolliert werde, müsse man sich an Care&Fair wenden.
Wer jedoch mit einer freiwilligen Selbstverpflichtung Werbung betreibt, muss auch in der Lage sein,
darüber genaue Auskunft zu geben.
... nachgefragt: Kinderarbeit in Zuliefererbetrieben?
Das Einrichtungshaus Ikea hat eine Vision: „Ein besserer Alltag. Die IKEA Geschäftsidee besteht
darin, ein breites Sortiment formschöner und funktionsgerechter Einrichtungsgegenstände zu Preisen
anzubieten, die so günstig sind, dass möglichst viele Menschen sie sich leisten können. Wir haben
uns auf die Seite der vielen Menschen gestellt.“ So betont sozial und familienfreundlich, wie sich das
weltweit tätige Unternehmen gibt, schaden Medienberichte über Ausbeutung von Kindern in
Zulieferbetrieben dem Image empfindlich.14
Im Internet-Auftritt von Ikea heißt es15 : „IKEA führte im letzten Jahr einen Verhaltenskodex zu
Arbeitsbedingungen und Umweltschutz bei den Lieferanten ein. Unter anderem geht es hierbei um
Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz. Und natürlich duldet IKEA keine Kinderarbeit.“ Auf ein
Email, gesendet über das Kontaktformular auf der Service-Seite der Ikea-Homepage mit der Bitte,
den Verhaltenskodex für die Zuliefererbetriebe von Ikea im Wortlaut zu erhalten, schickte der
Kundenservice die Umweltschutzbroschüre „Grüne Schritte“ von 1998 zu.
Auf eine erneute Anfrage per Email antwortete die PR-Abteilung. In dem Email vom 23.1.02 heißt es
u.a.: „... Gestützt auf die Bestimmungen der ILO Konvention 138 (Mindestbeschäftigungsalter) wollen
wir mit unserer Zielsetzung sicherstellen, dass keine Kinder unter 14 bzw. 15 Jahren an der
Herstellung unserer Produkte arbeiten. Dies ist durch eine spezielle Klausel in den Verträgen mit
unseren Lieferanten festgelegt. Außerdem führen unabhängige Unternehmen in Indien und Pakistan
stichprobenartige Kontrollen durch.“
Auf die Rückfrage per Email, wie und von wem die Kontrollen durchgeführt werden, rief die
Pressesprecherin persönlich an. Sie informierte die Test-Verbraucherin ausführlich über die
Maßnahmen, die Ikea gegen Kinderarbeit ergreift. „Natürlich ist die Vertragsklausel nur etwas wert,
wenn man ihre Einhaltung auch überprüft. Das machen unsere Einkaufsbüros vor Ort und
unabhängige Agenturen.“ Wie unabhängig können die Agenturen sein, wenn Ikea sie bezahlt? „Wir
arbeiten bei den Kontrollen auch mit UNICEF zusammen.“
Beatrice Hell, bei Unicef Deutschland zuständig für Codes of Conduct gegen Kinderarbeit, sagt dazu:
„Ikea spendet für Hilfsprojekte von uns, aber Unicef führt keine Kontrollen in Zuliefererbetrieben von
Ikea durch.“ Ihre Rückversicherung bei Unicef Indien bestätigt diese Angabe.
Ikea behauptet übrigens an keiner Stelle, dass es das Problem der Kinderarbeit im Griff habe,
sondern betont, dass es sich um ein Thema mit langfristiger Verpflichtung handele. Ikea versucht aber
offensichtlich von der Glaubwürdigkeit zu profitieren, die das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen
in der Öffentlichkeit genießt.
14
15
siehe z.B. „Wieder Kritik an Ikea wegen Kinderarbeit“, Berliner Zeitung, 24.12.1997
http://www.ikea.de
15
Nachfrage: soziale Verantwortung weltweit
Corporate Social Responsibility und Corporate Citizenship avancieren zu neuen Schlagworten für die
soziale Verantwortung, zu der sich multinationale Konzerne öffentlich bekennen. Doch in globaler
Dimension gilt erst recht: Ohne Transparenz sind Selbstverpflichtungen der Wirtschaft unglaubwürdig
und für den Verbraucher wertlos.
In der globalisierten Wirtschaft kommt transnationalen Konzernen in der Tat eine besondere
Verantwortung zu. Laut Washingtoner Institut für Politikstudien befinden sich unter den hundert
größten Wirtschaftsmächten der Welt bereits mehr Unternehmen als Staaten.16 Vor allem in
Entwicklungsländern verfügen die Global Players über massiven Einfluss auf die gesellschaftliche
Entwicklung. Nicht selten übersteigen die Konzernumsätze das Bruttoinlandsprodukt ganzer Länder:
In diesem Sinne ist Shell wirtschaftsstärker als Venezuela, DaimlerChrysler finanzkräftiger als Polen.
Die Globalisierung der Waren- und Kapitalmärkte schreitet unaufhaltsam voran und ihre negativen
Seiten geraten immer mehr ins Blickfeld der Öffentlichkeit. Tatsache ist, dass die Globalisierung für
viele Menschen nicht die erwünschten positiven Auswirkungen hat, dass für die Gesundheitsprobleme
von 90% der Weltbevölkerung weniger als 10% der globalen Ausgaben zur Verfügung stehen, und die
Hälfte der Menschheit mit weniger als zwei Dollar pro Tag auskommen muss. Berichte über
gefährliche Arbeitsbedingungen, unmenschliche Arbeitszeiten, Hungerlöhne, Kinderarbeit und
Umweltzerstörung verdeutlichen den Preis, den Menschen und Umwelt in Billiglohnländern für das
entgrenzte Wirtschaften zahlen.
Bisher ist es nicht gelungen, auch nur ein Minimum an weltweit gültigen sozialen Regeln für
Produktion, Handel und Investitionen durchzusetzen. Obwohl es an Referenzrahmen nicht mangelt:
Die OECD formulierte bereits 1976 Leitsätze für multinationale Unternehmen, die sie im Jahr 2000
aktualisierte17; die Internationale Arbeitsorganisation ILO erarbeitet seit den 70er Jahren
Kernarbeitsnormen und erklärte 1998 „Grundlegende Prinzipien und Rechte bei der Arbeit“.18
Auch die Vereinten Nationen appellieren jetzt an Selbstverpflichtungen der Wirtschaft, die
Globalisierung sozialer zu gestalten. Mit der Initiative „Global Compact“, die 1999 auf dem
Weltwirtschaftsforum in Davos vorgestellt und im Sommer 2000 unterzeichnet wurde, will die UN
verantwortungsbewusste Unternehmenspraktiken fördern.19 Weil multinationale Unternehmen für
Generalsekretär Kofi Annan "die Ersten sind, die von der Globalisierung profitieren", müssten sie auch
"einen Teil der Verantwortung bei der Bewältigung ihrer Folgen übernehmen". Annan bat die
Wirtschaft um Engagement auf dem Gebiet der Menschenrechte, der Arbeitnehmerrechte und des
Umweltschutzes. Anstelle von Überwachung und Sanktionen fordert der Global Compact die Global
Players zu Transparenz auf: Sie sollen Reports veröffentlichen und im Internet über den erreichten
Fortschritt berichten.
... nachgefragt: Weltbürger DaimlerChrysler?
Markenfirmen investieren Millionen in das Image, das den Wert ihrer Marken konstituiert.
DaimlerChrysler besitzt die teuersten Marken Deutschlands, titelte die Financial Times Deutschland.20
Wenn dann auch noch die PR-Branche konstatiert, dass „die soziale und ökologische Akzeptanz von
Vgl. www.ipsw-dc.org und www.ips-dc.org
http://www.oecd.org/oecd/pages/document/displaywithoutnav/0,3376,EN-document-notheme-1-no-no-16873-0,00.html
18 www.ilo.org
19 vgl. http://www.unglobalcompact.org/
20 Financial Times Deutschland, 12.10.2000
16
17
16
Automarken seit einigen Jahren zum Wettbewerbsfaktor geworden“ ist21, wundert es nicht, dass es in
der überaus aufwändigen, weltweit und langfristig angelegten Imagekampagne von DaimlerChrysler
heißt: „Ein Unternehmen, das in der Welt zuhause ist, trägt besondere Verantwortung.
DaimlerChrysler hat sich als "Corporate Citizen" und "Weltbürger" zu einem Handeln verpflichtet, das
Frieden und Wohlstand fördert, die Lebensqualität der Menschen verbessert und dem Schutz der
Umwelt gerecht wird. DaimlerChrysler hat sich all dies auf die Fahnen geschrieben - eine
Verpflichtung, die auch in der Unterstützung des "Global Compact" Ausdruck findet. Die von UNGeneralsekretär Kofi Annan ins Leben gerufene Initiative hat sich zum Ziel gesetzt, Menschen in allen
Teilen der Erde die Vorteile der Globalisierung zugänglich zu machen. DaimlerChrysler wird seinen
Teil dazu beitragen.“
Sucht man im Internet-Auftritt von DaimlerChrysler22 nach dem Global Compact, findet die
Suchfunktion in den über 30000 Dokumenten aller 16 Server des Konzerns genau drei Ergebnisse.
Der erste Treffer führt zur Präsentation der Imagekampagne, zwei weitere beziehen sich auf
Pressemitteilungen. Zum Vergleich: Bayer und BASF, die ebenfalls die UN-Initiative unterzeichnet
haben, haben eigene Subpages dazu in ihrem Internetangebot eingerichtet und verlinken auch zur
UN-Homepage des Global Compact.
Auf telefonische Nachfrage erklärte das Stuttgarter Department of External Affairs and Public Policy,
dass DaimlerChrysler dabei sei, Informationen über sein Global Compact-Engagement fürs Internet
vorzubereiten.
Die Imagekampagne von DaimlerChrysler läuft seit Oktober letzten Jahres.
Die Bitte um genauere Informationen zum Global Compact-Engagement von DaimlerChrysler wurde
mit einer Broschüre beantwortet, die auf englisch verfasst ist.
Eine Anfrage per Email mit der Bitte um eine Stellungnahme zu den Vorwürfen der Kritischen
Aktionäre23, insbesondere inwieweit die Produktion von Atomwaffen und Landminen mit der
Unterzeichnung des Global Compact zu vereinbaren sei, wurde von der Investor Relations-Abteilung
beantwortet. Der Leiter Private Investoren schrieb am 12.2.02 u.a.: „Eine Atomwaffenproduktion
könnte durch die EADS stattfinden, aber hierüber habe ich keine genaue Kenntnis. DaimlerChrysler
hält an der EADS nur eine Minderheitsbeteiligung von 33%. (...) DaimlerChrysler hat weder in der
Vergangenheit Landminen hergestellt noch werden wir in der Zukunft Landminen herstellen.“
Die Rückfrage der kritischen Verbraucherin lautete: „Laut Geschäftsbericht 2000 ist DaimlerChrysler
mit 33% des Aktienkapitals der größte Einzelaktionär von EADS. Halten Sie es für
verantwortungsbewusst, dass DaimlerChrysler keine Auskunft darüber geben kann, ob eine
Tochterfirma an Atomwaffenproduktionen beteiligt ist? Wäre die Herstellung atomarer Waffen
vereinbar mit der Unternehmensphilosophie? ... Die Autoren des Buches „Schwarzbuch
Markenfirmen“ berichten, dass Herr Schrempp Ende 1998 angekündigt habe, die Produktion der
Panzerabwehrrichtmine PARM einzustellen.24DaimlerChrysler hat also doch in der Vergangenheit
Landminen produziert?“
PR-Agentur Kothes und Klewes zum BMW-Nachhaltigkeitsbericht 1999/2000, vgl. Sustainability unter
www.agenturcafe.de
22 http://www.daimlerchrysler.de/
23 http://www.kritischeaktionaere.de/Konzernkritik/DaimlerChrysler/daimlerchrysler.html
24 Klaus Werner, Hans Weiss, Schwarzbuch Markenfirmen, Wien 2001, S. 19
21
17
Der Verantwortliche für die Kommunikation mit den Privataktionären antwortete am 15.2.02 knapp,
dass ein Experte in den nächsten Tagen Stellung nehmen werde, weil die Fragen über sein
Fachgebiet hinausgingen.
Die Rückfrage, warum ein Experte für die Frage nach verantwortungsbewusstem Auskunftsverhalten
gebraucht werde, und ob die Unternehmensphilosophie nicht jedem Mitarbeiter bekannt sein müsse,
wurde bisher nicht beantwortet. Die angekündigte Stellungnahme des Experten ist noch nicht erfolgt.
Verbraucher brauchen Informationen, um zur Nachhaltigkeit beitragen zu können
Das Leitbild der Nachhaltigkeit, das 1992 auf dem Weltumweltgipfel in Rio de Janeiro verabschiedet
wurde, vereint ökologische, soziale und ökonomische Kriterien für eine zukunftsfähige globale
Entwicklung. Ein komplexer Anspruch, mit dem der private Verbraucher sich im Bereich der
Kapitalanlagen konkret konfrontiert sieht: Bei Kapitalanlagen stehen die weltweiten Aktivitäten von
Unternehmen auf dem Prüfstand. Investiert wird nicht in einzelne Produkte oder Marken, sondern die
Unternehmenspraxis in ihrer Gesamtheit wird bewertet.
Traditionell geht es dabei allein um die klassischen Anlagekriterien Rendite, Risiko und Liquidität.
Dieser einseitige Shareholder Value wird jedoch immer mehr durch den nachhaltigeren Stakeholder
Value ergänzt. Nur wer sich allen von einem Geschäft betroffenen Gruppen gegenüber richtig verhält,
wird auch marktwirtschaftlich erfolgreich sein, so die neue Philosophie. Dazu gehören Arbeitnehmer
und Kunden ebenso wie die Umwelt und die Länder, in denen ein Unternehmen operiert. Langfristig
rechnet es sich für Unternehmen, in die Weiterbildung von Mitarbeitern zu investieren,
Verbraucherinteressen zu beachten, Umweltmanagementsysteme einzuführen und weltweit
Sozialstandards einzuhalten. Auch die Börse belohnt nachhaltiges Wirtschaften, weil es Unternehmen
zukunftssicherer macht.25
Anleger, die sich fragen, was sie mit ihrer Investition bewirken, entscheiden sich deshalb zunehmend
für nachhaltige Investments und sind damit wirtschaftlich erfolgreich. Sie machen ihre Wertschätzung
für Unternehmen, die in besonderem Maß soziale und ökologische Leistungen erbringen, in den
Finanzmärkten sichtbar. Nirgendwo sonst wirkt sich die Marktmacht der Verbraucher deutlicher aus,
können sie als private Anleger direkter Einfluss nehmen.
Und nirgendwo sonst ist es deutlicher, dass auch individuelle Verantwortung nicht an den nationalen
Grenzen haltmacht. Finanzmärkte sind globale Märkte – private Anleger werden, ob sie wollen oder
nicht, mit verantwortlich für Geschäftspraktiken auch im Ausland, indem sie ihr Geld dafür zur
Verfügung stellen.
Aber auch in großem Maßstab potenzieren und beschleunigen die Aktienmärkte Marktmechanismen,
die im Sinne globaler Nachhaltigkeit wirken können: Aktienkurse beziffern das Image eines Konzerns
in barem Geld. Weil Aktienmärkte sensibel auf Imageverluste von Konzernen reagieren, reagieren an
den Börsen notierte Konzerne schneller auf die öffentliche Meinung und Konsumentendruck.
vgl. den Hintergrund für die Gründung des ersten Nachhaltigkeitsindex „Dow Jones Sustainability Group Index“: Das
Hamburger Umweltinstitut erstellte 1993 ein Ranking, das die Ökoeffizienz von Großunternehmen der chemischen
Industrie untersuchte. Die Vermögensverwaltungsgesellschaft „Sustainable Asset Management (SAM)“ verfolgte von 1994
bis 1999 den Aktienkurs der 6 Chemieunternehmen, die in dem Ranking positiv aufgefallen waren. Die Öko-Vorreiter
konnten nach 5 Jahren eine Aktienperformance von mehr als 300% aufweisen, gegenüber weniger als 200% bei den
Konzernen mit geringem Umweltengagement.
25
18
Nachfrage: ethisches Investment
Eine repräsentative Befragung des imug investment research ergab im Januar 2001, dass über 30%
der Haushalte in Deutschland schon von ethischem Investment gehört haben und dass über 40%
sozial-ökologische Geldanlagen für attraktiv oder sehr attraktiv halten.26
Das Interesse ist groß, das Informationsdefizit ist größer. Nur 3% der Befragten haben ethisch
orientierte Fonds schon einmal angeboten bekommen, noch weniger haben in diese Fonds bereits
investiert. Als Grund, kein Geld in sozial-ökologischen Fonds angelegt zu haben, gab die Mehrheit der
Befragten nicht etwa an, dass ihnen das Risiko zu groß oder die Rendite zu klein sei, oder dass sie
solche Fonds für unglaubwürdig hielten. Sondern der Hauptgrund lag darin, dass sie nicht wüssten,
wo man solche Fonds bekommt, und vor allem: dass es schwierig sei, zuverlässige Informationen zu
sozial-ökologischen Fonds zu erhalten.
Kein Geld in sozial-ökologischen Fonds angelegt, ...
trifft zu
weil es schwierig ist, zuverlässige Informationen zu solchen Fonds zu erhalten
weil mir unbekannt war, wo man
solche Fonds bekommt
76,8
17,1
weil ich bezweifle, dass ich damit zur
Verbesserung der Umwelt und der
Gesellschaft beitragen kann
0
63,4
23,2
weil ich die Verzinsung solcher
Fonds für zu gering halte
n=230
58
36,6
weil ich das Risiko solcher
Fonds für zu groß halte
weil ich solche Fonds für
unglaubwürdig halte
trifft nicht zu
42
82,9
14,5
85,5
7,5
92,5
0,2
0,4
0,6
0,8
1
Quelle: imug / muk 2001
(Filter: die Grafik bezieht sich auf Befragte, die von solchen Produkten schon einmal gehört haben)
Das Verbraucherinformationsgesetz sollte – über bereits bestehende und nur unzureichend
umgesetzte gesetzliche Regelungen hinaus - den deutschen Anlegern das Recht dazu geben, sich
über den Verwendungszweck ihres angelegten Geldes zu informieren. Es bleibt ihnen und ihren
persönlichen Wertvorstellungen überlassen, ob sie nur bestimmte, für sie intolerable Branchen und
Geschäftsmethoden ausschließen wollen, etwa Rüstungsindustrie oder die Anwendung von
Kinderarbeit. Oder ob sie mit ihren Investitionen aktiv Unternehmen unterstützen, die sich durch
besonders positive soziale und ökologische Leistungen auszeichnen. In jedem Fall ist verlässliche
Information die Voraussetzung für eine individuelle Entscheidung, die ökonomische Interessen und
Verantwortung verbindet.
Der Markt für sozial-ökologische Geldanlagen in Deutschland, Studie des imug investment research Hannover, Januar
2001
26
19
Aktuell: Berichtspflicht bei der „Riester-Rente“
In Ländern, in denen die kapitalgedeckte Altersvorsorge üblich ist, wie z.B. in Großbritannien, werden
bereits beträchtliche Teile der eingezahlten Gelder unter ethischen Gesichtspunkten gemanagt. Eine
Studie des UK Social Investment Forum hat ermittelt, dass 59% der britischen Pensionskassen bei
der Ausarbeitung ihrer Anlagestrategie ethische Überlegungen anstellen. Der Hintergrund: Im Juli
2000 wurde in Großbritannien eine Verpflichtung eingeführt, über ökologische und soziale Aspekte in
der Altersvorsorge Bericht zu erstatten. Ein klares Beispiel dafür, wie erst die Informationspflicht auf
Angebotsseite es den Verbrauchern ermöglicht, ihre Wertvorstellungen in die Tat umzusetzen.
In der Folge kann sich eine völlig neue Angebotsstruktur entwickeln. Tatsächlich ist Großbritannien
mittlerweile europäischer Spitzenreiter bei sozial-ökologischen Fonds. Ende 2000 existierten nach
Angabe des Ethical Investment Research Service bereits 55 ethische Fonds in Großbritannien, das
waren ein Drittel aller derartigen Angebote in Europa. Die staatlich vorgeschriebene Berichtspflicht hat
also eine Dynamik in Gang gesetzt, die in Deutschland noch bevorsteht.
Auch das neue deutsche Rentenreformgesetz verpflichtet Anbieter von staatlich geförderten
Produkten der Altersversorgung zur Information über die Berücksichtigung von
Nachhaltigkeitskriterien bei der Geldanlage.
Im Gesetz zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung und zur Förderung eines
kapitalgedeckten Altersvorsorgevermögens (Altersvermögensgesetz AvmG) heißt es in Artikel 6a
(Zertifizierungsgesetz) § 1 Ziffer 9: "Der Anbieter muss auch darüber schriftlich informieren, ob und
wie er ethische, soziale und ökologische Belange bei der Verwendung der eingezahlten Beiträge
berücksichtigt."
Politik und Finanzdienstleistungsbranche rechnen damit, dass deutsche Verbraucher im Rahmen der
Rentenreform bis 2008 mehrstellige Milliardenbeträge neu anlegen werden. Dank der neuen
Berichtspflicht können sie die persönliche Zukunftsvorsorge auch mit gesellschaftlicher und globaler
Zukunftsfähigkeit verknüpfen. Das war zumindest die Absicht des Gesetzgebers. Allerdings bestehen
Defizite bei der Umsetzung der Berichtspflicht durch das Bundesaufsichtsamt für das
Versicherungswesen: Es ist zu befürchten, dass diejenigen Anbieter, die von vornherein keine
Nachhaltigkeitsstandards berücksichtigen, de facto keiner Berichtspflicht unterliegen. Damit wird das
angestrebte Ziel von Anfang an verfehlt.
Vor diesem Hintergrund muss das Verbraucherinformationsgesetz Verbrauchern eine klarere
Grundlage dafür geben, sich bei den Anbietern von Altersvorsorgeprodukten über deren
Anlagekriterien zu informieren. Das Interesse daran ist groß: So hat eine repräsentative emnidUmfrage im Januar 2001 ergeben, dass mehr als 80% der deutschen Haushalte diese Berichtspflicht
– bei der es nicht um Ausschlussbestimmungen, sondern ausschließlich um Transparenz geht, die die
freie Wahl der Verbraucher sichert – befürworten. Schließlich will wohl niemand seine Rente auf der
Basis von Kinderarbeit, Menschenrechtsverletzungen oder Umweltzerstörung erwirtschaftet wissen.
... nachgefragt: soziale und ökologische Aspekte bei der Riester-Rente?
Doch auch jenseits der unzureichend umgesetzten Berichtspflicht sieht die Praxis noch anders aus,
was die Auskunftsfreudigkeit und -fähigkeit der Unternehmen betrifft. Der vzbv hat sich bei 80
deutschen Versicherungen, Banken und Investmentgesellschaften nach einer privaten Altersvorsorge
erkundigt, die im Sinne der sogenannten „Riester-Rente“ förderungsfähig ist. Dabei wurde einzig und
allein danach gefragt, ob man genaue Auskunft darüber geben kann, wofür das angelegte Geld
20
verwendet wird und ob dabei auch ökologische und soziale Aspekte berücksichtigt werden. Die
Anfrage erfolgte per Email in den Konzernzentralen, so dass, wie auch bei den Stichproben zu
anderen Fragen zuvor, der vzbv es den Unternehmen überlassen hat zu entscheiden, wie sie auf die
Verbraucherfrage reagieren: schriftlich, telefonisch, durch Vertreter vor Ort, durch Zusendung von
Publikationen.
Das Ergebnis dieser nicht repräsentativen Umfrage ist ausgesprochen ernüchternd. Kein einziges der
80 Unternehmen antwortete positiv. Die angefragten Finanzdienstleister waren großenteils nicht in der
Lage oder nicht willens, über ethische Gesichtspunkte ihrer Geldanlagen überhaupt Auskunft zu
geben. Schlimmer noch: Viele haben den Kontakt für ausdrücklich nicht erwünschte Werbeaktivitäten
zu nutzen versucht.
Erfreulich ist immerhin, dass 70% der angefragten Unternehmen reagiert haben, viele sogar im Laufe
von nur wenigen Tagen. Die beratungsintensive Branche ist auf Anfragen eingestellt und will die
Fragenden als Kunden gewinnen. Die Antwort auf die Frage selbst aber war bestenfalls ein klares
Nein, mehr als die Hälfte der Unternehmen reagierten so eindeutig, wenn auch zum Teil erst auf die
erneute Nachfrage beim telefonischen Gespräch. Die andere Hälfte ignorierte die Frage nach
ethischen Kriterien in ihren Antworten völlig. Fast ein Drittel der Finanzdienstleister, die reagiert
haben, haben die Anfrage an ihre Kundenberater vor Ort weitergeleitet. Deren Umgang mit der
Anfrage wies sehr unterschiedliche Qualität auf: von aufdringlichen Werbeaktivitäten, ohne auf die
Frage nach sozial-ökologischen Aspekten überhaupt einzugehen, bis zu intensiven Recherchen mit
dem Ergebnis, dass man leider keine genaue Auskunft über den Verwendungszweck der angelegten
Gelder geben könne und auch keine nachhaltigen Fonds im Angebot habe.
Württembergische Lebensversicherung AG, Brief vom 28.12.01: „Bitte haben Sie Verständnis dafür,
wenn wir Ihnen unsere Geldanlagepolitik nicht offen legen können.“
Münchner Kapitalanlage AG, Email vom 18.12.01: „Unsere Aktienfonds orientieren sich immer an
Leitindizes wie z.B. dem Dax oder dem Eurostoxx50. Hier sind sicherlich auch ökologische und
soziale Aspekte vorhanden, die zum Tragen kommen.“
Baden-Württembergische Kapitalanlagegesellschaft mbH, Email vom 19.12.01: „Ein Riesterfähiges
Produkt bieten wir zur Zeit nicht an. In Bezug auf andere Fonds unseres Hauses geben wir den
genauen Einsatz der Anlagegelder generell nicht an. Es geht aber aus unseren
Rechenschaftsberichten hervor, in welche Wertpapiere investiert wird.“
Dresdner Bank, Anruf eines Kundenberaters am 20.12.01: „Nehmen Sie doch Bundesschatzbriefe,
durch die werden ja staatliche Ziele unterstützt, also auch Ökologie und Soziales.“
Hamburg-Mannheimer Versicherungs-AG, Anruf eines Kundenberaters am 4.1.02: „Wieso, das ist
doch sozial, wenn Sie was für Ihre Rente tun!“
Hamburger Leben, Delta-Lloyd-Gruppe, Anruf eines Kundenberaters am 25.2.02: „Das ist ja
ehrenwert von Ihnen, aber wollen Sie arm sterben?“
Publikationen ohne die gewünschte Information: 13 der angeschriebenen Unternehmen
beantworteten die Anfrage mit Werbebroschüren, in denen, ohne Ausnahme, kein Wort davon die
Rede ist, wie das Geld angelegt wird. Nur die Württembergische Lebensversicherung AG übersandte
einen Geschäftsbericht, der aber in dieser Hinsicht ebenso wenig Aufschluss gibt. Die Münchner
Kapitalanlage AG und die Bankgesellschaft Berlin Investment GmbH schickten
21
Rechenschaftsberichte mit Listen der Unternehmen, in die im Rahmen der einzelnen Fonds investiert
wurde, jedoch ohne sie ethisch zu bewerten. Die Rechenschaftsberichte sind im übrigen für
Verbraucher, die nicht vom Fach sind, weder aussagekräftig noch überhaupt verständlich.
Verantwortung von Handel und Dienstleistern
Es muss also noch viel geschehen. Die Ergebnisse verdeutlichen die Rolle der Finanzdienstleister als
unmittelbare Ansprech- und Geschäftspartner vor Ort – analog zur Rolle des Handels bei
Lebensmitteln und Konsumgütern. Als diejenige Instanz, die nicht nur über Sortiment und Angebot
entscheidet, sondern auch die erste Anlaufstelle für Verbraucher ist, wenn es um Auskünfte über die
Qualität des Angebots geht, müssen Handel und Dienstleister in die Pflicht genommen werden.
Die gesetzlich vorgeschriebene Berichtspflicht wird erst Wirkung zeigen, wenn Verbraucher sie in ihre
Anlageentscheidungen einbeziehen, sonst erschöpft sie sich in einem simplen „Nein, wir
berücksichtigen keine sozialen und ökologischen Kriterien“ der Anbieter. Wenn Verbraucher ihr Recht
auf Information und Wahlfreiheit nutzen für ein verantwortliches Verhalten, wird die
Finanzdienstleistungsbranche mit entsprechenden Angeboten reagieren. In der Folge wird der Bedarf
an verlässlichen Standards wachsen, sowohl Standards der ethischen Bewertung von
Unternehmenspraktiken als auch der Auskunftserteilung. Klarere gesetzliche Vorgaben und ein
ökonomisches Eigeninteresse der Wirtschaft werden dabei ebenso eine Rolle spielen wie
unabhängige Rating-Agenturen, kritische Verbände und Medien.
Verlässliche Information: nur mit Rechtsanspruch
Staatliche Regularien, bewusstes Verbraucherverhalten und Marktmechanismen müssen also auch
im Bereich der Kapitalanlagen ineinandergreifen, um angesichts einer globalisierten Wirtschaft
tatsächliche Veränderungen zugunsten einer weltweit nachhaltigen Entwicklung zu bewirken. Nur ein
Konsens von Angebot und Nachfrage stimuliert letztlich nachhaltige Produkte und Verfahren.
Das Verbraucherinformationsgesetz ist in diesem Wirkungsgeflecht nur ein Instrument – aber ein
zentrales, da der Zugang zu Informationen allen Akteuren, auch Verbänden und Medien, ihr Mitwirken
an diesem Prozess überhaupt erst ermöglicht.
Ohne Informationen können Verbraucher weder selbstbestimmte Kaufentscheidungen treffen, noch
eine verantwortliche Rolle im Marktgeschehen einnehmen. Ohne einen Rechtsanspruch ist der
Zugang zu den benötigten Informationen für Verbraucher nicht gewährleistet.
Freiwillige Selbstverpflichtungen der Wirtschaft sind ohne Transparenz nicht glaubwürdig. Was von
Selbstverpflichtungen der Wirtschaft zu Transparenz zu halten ist, haben die Tests des vzbv gezeigt:
Unternehmen, die nicht erreichbar sind, Anfragen, die nicht beantwortet werden, Auskünfte, die
inkompetent oder falsch sind.
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