LUFTHANSA_Teurer Höhenflug - Handelsblatt macht Schule

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LUFTHANSA_Teurer Höhenflug - Handelsblatt macht Schule
20 DAX-KONZERNE UNGESCHMINKT
DIENSTAG, 26. APRIL 2016, NR. 80
1
1
2006
2007
2008
22,72 €
2009
2010
2011
2012
2013
2014
2015
’16
23
HOCH
19.1.2007
Christoph Franz
21
Vorstandschef
2011 bis 2014
Wolfgang Mayrhuber
Fotos: D. Reinhardt/dpa (2)
2005
LUFTHANSA 21
DIENSTAG, 26. APRIL 2016, NR. 80
Carsten Spohr
Vorstandschef
2003 bis Ende 2010
Vorstandschef
seit Mai 2014
19
17
Aktienkurs
in Euro
15
13
13,79 €
25.4.2016
Stand: 16 Uhr
11
10,55 €
3.1.2005
Teurer
Höhenflug
Die Lufthansa-Bilanz 2015 zeigt, dass Eurowings
allein die Zukunft der Airline nicht sichern kann.
Unser Kern sind
und bleiben die
Premium-Verkehre.
► Der Gewinnanstieg speist sich
vor allem aus Sondereffekten.
► Die Kosten bei der Kernmarke
Lufthansa sind sogar gestiegen.
Hier wollen wir
Jens Koenen
Frankfurt
wieder wachsen.
W
Carsten Spohr
Vorstandsvorsitzender Lufthansa AG
enn sich die Aktionäre
von Lufthansa an diesem
Donnerstag im CongressCenter Hamburg zur
Hauptversammlung treffen, gibt es etwas zu feiern. Vor 50 Jahren
ging die Fluggesellschaft an die Börse.
Doch so richtig Freude wird wohl nicht
aufkommen. Seit Jahren schon leidet die
Airline an einer schwachen Bewertung. Im
vergangenen Jahr hat sich daran nichts geändert, um bescheidene 5,4 Prozent legte
die Aktie binnen Jahresfrist zu.
Europas größte Fluggesellschaft ist den
Investoren derzeit gerade einmal 6,58 Milliarden Euro wert. Allein die Flugzeuge
standen 2015 mit 12,6 Milliarden Euro in
den Büchern. Rivale IAG (British Airways
und Iberia) erreicht an der Börse mittlerweile den respektablen Wert von 13,76 Milliarden Euro, eine Ryanair kommt sogar
auf fast 17 Milliarden Euro.
Dabei war 2015 ein gutes Jahr für die
„Hansa“. Der Umsatz legte um fast sieben
Prozent auf gut 32 Milliarden Euro zu.
Wichtiger noch: Von den Erlösen blieb
deutlich mehr hängen. Um 77 Prozent
schoss das Ergebnis der betrieblichen Tätigkeit in die Höhe. Vor allem aber dürfen
sich die Aktionäre wieder über eine Dividende freuen. 2014 und 2012 wurde sie gestrichen. Nun ist sie mit 50 Cent höher als
2013 (45 Cent) und 2011 (25 Cent).
Der Konzern kann sich die Ausschüt-
tung grundsätzlich leisten. Die Bilanz ist
wieder solider geworden. Das 2014 geschrumpfte Eigenkapital hat sich von vier
auf 5,8 Milliarden Euro verbessert. Die Eigenkapitalquote stieg von 13,2 auf 18 Prozent und nähert sich der Zielmarke von 25
Prozent.
Der Mittelzufluss aus dem operativen Geschäft stieg von knapp zwei auf 3,4 Milliarden Euro. Zieht man damit die für den Betrieb notwendigen Sachinvestitionen (fünf )
ab, gelang dem sogenannten freien Mittelzufluss (Free Cashflow) der Swing in den
positiven Bereich. Er betrug fast eine Milliarde Euro, nach minus 722 Millionen Euro.
Und doch hat die niedrige Bewertung an
der Börse einen triftigen Grund. Die Verfassung von Europas größter Fluggesellschaft ist immer noch nicht wirklich gut.
So wurde das gute Betriebsergebnis vor allem von zwei Effekten getrieben, beides
Faktoren, die Lufthansa nicht beeinflussen
kann oder einmalig sind.
Der erste Treiber ist der niedrige Ölpreis. Er hat dazu beigetragen, dass die
Treibstoffrechnung 2015 deutlich geringer
ausfiel. Statt 6,7 Milliarden musste Lufthansa nur 5,7 Milliarden Euro für das Flugbenzin bezahlen, 14,3 Prozent weniger als
2014. Auch für dieses Jahr erwartet das Management hier eine weitere Entlastung.
Der zweite Treiber war der Ausstieg
beim amerikanischen Billiganbieter JetBlue. Lufthansa war dort mit 15,85 Prozent
beteiligt, hatte aber bereits 2012 eine Umtauschanleihe aufgelegt, deren Rückzahlung im Jahr 2017 mit den Anteilen an JetBlue erfolgen sollte. Diese Rückzahlung
wurde 2015 vorgezogen, mit einem entsprechenden bilanziellen Effekt. So konnte Lufthansa die bisher erfolgsneutrale Zuschreibung der Anteile an Jet-Blue im vergangenen Jahr realisieren, was das
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9
7,86 €
7
TIEF
9.3.2009
Finanzergebnis um 503 Millionen Euro
nach oben katapultierte. Zusammen mit
anderen Effekten verbesserte sich das Finanzergebnis von minus 699 auf plus 471
Millionen Euro.
Ohne die zwei Faktoren sieht die operative Leistung von Lufthansa deutlich
schlechter aus. Entlarvend ist hier vor al-
lem die Aufschlüsselung der Kosten. Wird
der Treibstoffeffekt eliminiert und werden
die Kosten auf Einheiten umgerechnet,
sind sie 2015 gestiegen statt gesunken. Die
sogenannten Stückkosten ohne Treibstoff
legten um 2,4 Prozent zu. Eigentlich sollte
die Tendenz in die andere Richtung zeigen. Denn dazu hatte Lufthansa-Chef Cars-
Auszüge aus dem Geschäftsbericht
Konzern-Gewinn- und Verlust-Rechnung
in Mio. Euro
Konzernbilanz – Passiva
2015
2014
25 322
24 388
6 734
5 623
32 056
30 011
471
-699
Ergebnis der betrieblichen Tätigkeit
1 555
879
Konzernergebnis
1 698
55
Erlöse aus den Verkehrsleistungen
Andere Betriebserlöse
Umsatzerlöse
Finanzergeb
Finanzergebnis
Aufwendungen
A
in Mio. Euro
(Auszug)) in Mio. Euro, jeweils zum 31.12.
2015
2014
tal
Gezeichnetes Kapital
1 189
1 185
187
170
Gewinnrücklagen
1 612
1 237
Übrige neutrale Rücklagen
1 082
1 321
Kapitalrücklage
Konzernergebnis
1 698
55
Eigenkapital
5 845
4 031
Zielerreichung Passage Airline Group
Änderung
Absolut zum Vorjahr
2015
2014
17 640
17 283
Flüge (Anzahl)
davon Treibstoff
5 784
6 751
Sitzladefaktor
en
davon Gebühren
5 651
5 265
Preisniveau (Durchschnittserlöse)
Materialaufwand
1 001 961
+0,2 %
80,1 %
+0,3
,3 PP
P
10 Cent
-3,5
-3 %
50
52
Stückerlöse
8 Cent
-3,0 %
Personalaufwand
8 075
7 335
Stückkosten
6,3 Cent
+2,4 %
Abschreibungen
1 715
1 528
Sonstiger betrieblicher Aufwand
6 106
5 088
33 536
31 234
davon
v Op
Operating Lease
Summe
umm betriebliche Aufwendungen
Aufwendungen Passage Airline Group
2015
2014
15 146
15 161
Personalaufwand
4 675
4 234
Abschreibungen
1 301
1 178
(Auszug) in Mio. Euro, jeweils zum 31.12.
Materialaufwendungen
Konzern-Kapitalflussrechnung
Kapi
(Auszug) in Mio. Euro
2015
2014
Ergebnis vor Ertragsteuern
2 026
180
Operativer Cashflow
3 393
1 977
-2 559
-2 274
834
-297
Für Investitionstätigkeit eingesetzte
Zahlungsmittel
Free Cashflow
Sonstiger betrieblicher Aufwand
Summe betriebliche Aufwendungen
3 386
3 108
24 508
23 681
PP = Prozentpunkte
Handelsblatt | Quellen: Bloomberg, Unternehmen
(Geschäftsbericht 2015, Seiten 27, 30, 35, 45, 112, 115 und 117)
ten Spohr die Billig-Plattform Eurowings
gestartet – gegen große Widerstände des
fliegenden Personals.
Doch der Abschluss 2015 zeigt, dass Eurowings allein die Airline mit dem Kranich
im Logo nicht zukunftssicher machen
wird. Auch mit geplanten 100 Flugzeugen
und bei Erreichen des Ziels, die Nummer
drei unter den europäischen Billiganbietern zu werden – Eurowings ist angesichts
der Größe der Lufthansa-Gruppe schlicht
zu klein, um der alleinige Heilsbringer des
Unternehmens sein zu können.
Wichtigste Säule von Lufthansa ist der
Premiumverkehr – intern Hub-Airlines genannt – mit Lufthansa Klassik und den
Töchtern Swiss und AUA. „Unser Kern
sind und bleiben die Hub-Verkehre. Hier
wollen wir wieder wachsen“, sagte Spohr
vor wenigen Wochen bei der Bilanzpressekonferenz. Dazu müssen aber auch hier
die Kosten runter, vor allem bei der Kernmarke Lufthansa. Doch das Management
um Spohr ist hier noch nicht wesentlich
vorangekommen.
Ein Problem sind die Personalkosten in
diesem Bereich. Sie sind 2015 noch einmal um über zehn Prozent gestiegen.
Doch selbst wenn es der Lufthansa-Spitze
gelingen sollte, den Tarifstreit mit den Piloten endlich zu lösen, wird das allein
nicht reichen. Die Ursache für die hohen
Kosten sind nicht nur beim Personal zu
suchen.
Das zeigt der Vergleich mit der IAG um
British Airways und Iberia. Die IAG ist der
Lufthansa am nächsten. Sie hat zwar mit
dem attraktiven Markt in London gewisse
Vorteile, aber mit der Billigtochter Vueling,
der Präsenz in Europa und der Geschichte
als ehemalige Staatsgesellschaft mit den
damit verbundenen Altlasten kann sie Modell für Lufthansa stehen und zeigen, wo
die Probleme der Kranich-Airline liegen.
Eliminiert man bei den Gesamtkosten
die Treibstoffrechnung, machte der Aufwand bei der IAG im vergangenen Jahr
63,17 Prozent des Umsatzes aus. Er ist gegenüber 2014 (63,43 Prozent) leicht gesunken. Ganz anders das Bild bei Lufthansa.
Ohne Treibstoff machten die Kosten 2015
satte 86,66 Prozent des Umsatzes aus.
Und: Gegenüber 2014 ist diese Quote weiter deutlich gestiegen, von 82,16 Prozent.
Dagegen liegt der Personalkostenanteil bei
beiden Airlines fast auf gleichem Niveau –
bei Lufthansa sind es 25 Prozent, bei der
IAG knapp 22 Prozent
Lufthansa ist über die Jahre zu komplex
geworden. Ein Beispiel: Bislang haben die
Airlines der Gruppe jede für sich neue Sitze entwickelt. Das machte Lufthansa lang-
sam und teuer. Lufthansa-Chef Spohr hat
das Problem erkannt. Eine neue Organisation soll helfen, auch im Stammgeschäft effizienter zu werden. Seit kurzem sind
übergreifende Aufgaben über alle Airlines
zentralisiert. Die neue Struktur sorgte für
Widerstände, mussten doch einige Führungskräfte ihre Erbhöfe aufgeben. Um sie
dennoch durchsetzen zu können, griff
Spohr zu einem Trick. Jeder hat bei der
Aufgabenverteilung einen zentralen Bereich abbekommen. In Zürich ist nun das
Umsatz-Management angesiedelt, München bekam das Marketing, in Frankfurt
sitzen Vertrieb und Verkauf, und in Wien
kümmert man sich zentral um die Produktentwicklung.
SERIE
Bilanzcheck
Stärken und Schwächen
„Dax-Konzerne ungeschminkt“
nimmt die Aktionärstreffen deutscher
Großunternehmen zum Anlass, deren
Jahresabschlüsse kritisch zu durchleuchten. Die nächsten Serienteile:
BASF: 27. April
Bayer: 28. April
Die neue Struktur ist durchaus schlüssig, wurde deshalb auch so vom Aufsichtsrat abgesegnet. Das Problem ist aber: Die
mit der Neuorganisation gleichzeitig eingezogene Matrixstruktur sorgt derzeit im
Konzern für Unruhe und Verwirrung. Das
wiederum bremst nach Informationen
von Unternehmenskennern die rasche
Umsetzung der Reorganisation.
Spohr will durch den Umbau jährlich
500 Millionen Euro an Kosten herausholen. Doch Insider sind vorsichtig: „Noch ist
nicht sicher, ob die neue Struktur die erwünschten und sicher auch notwendigen
Effizienzen heben kann“, sagt eine Führungskraft.
22 DAX-KONZERNE UNGESCHMINKT
DIENSTAG, 26. APRIL 2016, NR. 80
LUFTHANSA 23
DIENSTAG, 26. APRIL 2016, NR. 80
1
1
KENNZAHLEN
Zahl der Passagiere in Millionen
107,7
103,1
79,0
77,4
101,4
88,3
79,3
54,6
49,3
39,4
61,2
39,1
33,4
30,2
2012 ’13 ’14 2015
2012 ’13 ’14 2015
2012 ’13 ’14 2015
k.A.
2012 ’13 ’14 2015
2012 ’13 ’14 2015
2012 ’13 ’14 2015
2012 ’13 ’14 2015
2012 ’13 ’14 2015
Lufthansa
Air France-KLM
IAG
Emirates
Turkish Airlines
Air Berlin
Ryanair
Easyjet
18,4
4%
STÄRKE 1
Operative Marge
Verteiltes Risiko
Drehkreuze von Lufthansa
Größe des Flughafens nach Passagieraufkommen in Millionen
Wien
26
Zürich
München Frankfurt
Handelsblatt | Quelle: Unternehmen
61
Millionen
40
STÄRKE 2
Befriedigende Bonität
D
in Prozent
er Name Lufthansa zieht trotz der
Probleme der Airline immer noch
– auch am Finanzmarkt. Das zeigte
sich erst in der vergangenen Woche, als
der Konzern kurzfristig eine Anleihe am
Markt platzierte. Die war so begehrt,
dass die „Hansa“ die Summe anhob und
statt der ursprünglich angedachten 300
Millionen gleich 475 Millionen Euro einsammelte. Über die Hälfte der Investoren, die zeichneten, kommen nicht aus
Europa.
Die Fluggesellschaft hat also einen guten
Zugang zum Kapitalmarkt. Das ist wichtig, denn Lufthansa muss einen Investitionstau in der Flotte aufarbeiten. Das Unternehmen hat zahlreiche Flugzeuge bestellt. Da Lufthansa diese nicht least,
sondern selbst besitzen wird, müssen
sie auch umgehend bezahlt werden.
Dabei helfen der Airline mit dem Kranich im Logo sicher die für die Branche
guten Bonitätsnoten. Standard & Poor‘s
hat an den Konzern ein BBB- vergeben,
Ausblick stabil. Damit besitzt die Airline
ein Investmentgrade, was einer Empfehlung für Investoren gleichkommt. Bei
Moody‘s schneidet das Unternehmen
zwar schlechter ab und liegt mit Ba1 ge-
rade eben unterhalb eines Investmentsgrades. Aber immerhin ist der Ausblick
positiv.
Beide Ratingagenturen loben eines der
weltweit größten Streckennetze und die
starke Präsenz an den Drehkreuzen
Frankfurt, München, Wien und Zürich.
Auch beurteilen sie das „diversifizierte
Geschäftsmodell“ positiv. Gemeint ist
damit das Geschäft mit der Wartung von
Flugzeugen, die Catering-Tochter LSG
Sky Chefs und auch das Frachtgeschäft.
Probleme sehen die Ratingexperten dagegen in den hohen Kosten und hier vor
allem in der Passagiersparte. Die Profitabilität der Passage Airline Gruppe hänge
von externen Faktoren wie Treibstoffpreisen ab, mahnen die Experten von
Moody‘s. Zudem führen die hohen Pensionslasten dazu, dass Lufthansa beim
Rating nicht noch besser abschneidet.
Lufthansa hat noch ein veraltetes Pensionssystem, bei dem das Zinsrisiko voll
aufseiten des Unternehmen lastet. Wegen der Niedrigzinsen durch die EZB
muss das Unternehmen mehr für die
Pensionen zurücklegen. Das System soll
aber geändert werden, die Gespräche
mit den Gewerkschaften laufen. jkn
6,8 %
4,9 %
1,7 %
2012 ’13 ’14 2015
4,3 %
-3,4 %
2012 ’13 ’14 2015
8,6 %
7,7 %
5,6 %
4,0 %
-0,1 %
2012 ’13 ’14 2015
Flotte
k.A.
2012 ’13 ’14 2015
1,6 %
k.A.
2012 ’13 ’14 2015
-7,0 %
k.A.
2012 ’13 ’14 2015
Segmentberichterstatt ung 2015 der Lufthansa Group
2012 ’13 ’14
k.A.
2015
2012 ’13 ’14 2015
bereinigtes Ebit
Umsatz
Zahl der Flugzeuge 2015
600
Lufthansa
Air France-KLM
564
529
IAG
231
Emirates*
261
Turkish Airlines*
Air Berlin*
24,5
Mrd. €
1 505
140
Ryanair*
Easyjet
320
Mio. €
*letzte verfügbare
Zahlen von 2014
226
Passage Airline Group
2,36
74
Mrd. €
Mio. €
Logistik
454
5,10
Mio. €
Mrd. €
Technik
Handelsblatt | IAG = British Airways, Iberia und Air Lingus
3,02
99
Mrd. €
Mio. €
Catering
Quellen: Unternehmen, eigene Berechnungen
Fehlstart
auf der
Spielwiese
in München aktiv werden.
► Von SAS bis Air Berlin – viele
Namen als Partner im Gespräch.
Jens Koenen
Frankfurt
S
ie ist die Spielwiese, auf der die
Lufthansa-Spitze ausprobiert, wie
man die Position im weltweiten
Luftverkehr behaupten kann. Die
Rede ist von Eurowings. Im Januar 2015 startete die Billig-Plattform von
Lufthansa. Zunächst kamen europäische
Strecken ins Programm, die von Germanwings übernommen wurden. Ab November 2015 folgten Langstreckenziele, geflogen mit gemieteten Maschinen und Mannschaften von Sunexpress, dem Joint Venture von Lufthansa, und Turkish Airlines.
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Seit ihrem Start sorgt Eurowings für Gesprächsstoff. Da ist vor allem der fürchterliche Absturz einer Germanwings-Maschine in den französischen Alpen im Frühjahr 2015. Schnell entbrannte eine Debatte
darüber, ob Lufthansa-Chef Carsten Spohr
mit seinen Billigplänen irrt. Mittlerweile
wissen wir, dass der depressive Co-Pilot
das Flugzeug absichtlich gegen den Berg
steuerte. Das Unglück hat nichts mit dem
Thema Sicherheit und Billig-Airline zu tun.
In Erinnerung blieb aber auch der Fehlstart auf der Langstrecke rund um den Jahreswechsel 2015/2016. Mit über 60 Stunden Verspätung landete ein Flugzeug aus
Kuba in Köln – ein Desaster. Lufthansa reagierte, das Wachstum der neuen Tochter
wurde etwas gebremst.
Doch all das ändert nichts daran, dass
Spohr mit Eurowings Großes vorhat: 19 nagelneue A320 erwartet die Plattform in
diesem Jahr, Ende 2016 sollen 98 Maschinen für die Marke unterwegs sein. Das
V
iele Lufthansa-Passagiere werden
es mit Schrecken vernommen haben. Der Tarifstreit zwischen Management und Piloten spitzt sich wieder
zu. Die Flugzeugführer sind unzufrieden
mit den bisherigen Angeboten der Lufthansa. Ob und wann wieder gestreikt
werden wird, ist unklar. Auch im Jahre
vier des Konflikts hat ihn das Team um
Lufthansa-Chef Carsten Spohr nicht gelöst. Damit wächst der Druck auf die
Lufthansa-Spitze. Willie Walsh, Chef der
IAG-Gruppe (British Airways und Iberia), hat zwar auch lange und hart mit
den Piloten gerungen, doch ihm ist es
deutlich schneller gelungen, den Streit
beizulegen. Die IAG gilt als eines der Vorbilder für Lufthansa, wenn es darum
geht, welche Probleme beseitigt werden
müssen.
Eine rasche Lösung ist für Lufthansa
wichtig. Sie würde nicht nur für Klarheit
beim Bilanzthema Pensionslasten sorgen. Auch würden erneute Streiks die
Lufthansa operativ schwächen. Allein
die Ausstände im vierten Quartal 2015
haben das Ergebnis um 100 Millionen
Euro belastet. Schwerer als die Diskrepanzen bei den rein finanziellen Ange-
boten wiegt allerdings ein anderer
Streit, heißt es in Verhandlungskreisen.
So ist die künftige Bedeutung des sogenannten Konzerntarifvertrages (KTV)
heftig umstritten. Er regelt die bislang
komfortable Entlohnung sowie die Altersversorgung der Piloten.
Die Lufthansa-Spitze will den KTV reformieren und seine Gültigkeit abschwächen. Die Vereinigung Cockpit (VC) dagegen pocht auf eine uneingeschränkte
Gültigkeit des KTV. Im Zentrum dieses
Streits steht die Billigplattform Eurowings, die Lufthansa unbedingt aus dem
KTV heraushalten will und bislang auch
herausgehalten hat. So fliegen auf der
Langstrecke von Eurowings Piloten von
Sunexpress, einem Joint Venture von
Lufthansa und Turkish Airlines.
An der zweiten wichtigen Tariffront, den
Verhandlungen mit der Kabinengewerkschaft UFO, sieht es dagegen etwas besser aus. Zwar schweigen beide Seiten zu
den Gesprächen, die unter dem Schlichter Matthias Platzeck, dem früheren
brandenburgischen Ministerpräsidenten, stattfinden. Insider berichten, die
Verhandlung seien schwierig, kämen
aber voran. jkn
Rückläufiges Frachtgeschäft
D
Die neue Billigplattform Eurowings ist so
etwas wie das Versuchslabor von Lufthansa.
Da ist genug Raum für Spekulationen.
► Tochterfirma könnte bald auch
Ungeklärte Tariffront
SCHWÄCHE 2
Eurowings-Jet: 100 will
die Airline betreiben.
imagoimago/Rüdiger Wölk
L
Die Strategie erfordert allerhand Fingerspitzengefühl. Schließlich sind einige zugekaufte Fluggesellschaften nach wie vor
„Flagship-Carrier“, die ihre Heimatnation in der Welt präsentieren. Schon Übernahmen solcher nationalen Symbole
sind heikel, weil Staaten sie nur ungern
in fremde Hände geben. Ein Verzicht auf
den nationalen Namen ist häufig ein absolutes Tabu.
Deshalb müssen die Muttergesellschaften den zugekauften Töchtern eine gewisse Eigenständigkeit lassen. Die Folge:
Zwar eröffnen sich durch Übernahmen
zahlreiche Synergien etwa beim Einkauf
von Flugzeugen oder Sitzen. Anderseits
ist es nicht einfach, Spareffekte zu heben, denn eine enge Integration der Zukäufe in der Luftfahrt ist komplex. Zudem ist die Vielfalt eine Herausforderung für den Markenauftritt.
Mit der verteilten Präsenz verstreut sich
aber auch das Risiko. Das Geschäft der
Fluggesellschaften wird stark von externen Faktoren beeinflusst, so stark wie in
kaum einer anderen Branche. Ob Epidemien, Naturereignisse wie Vulkanausbrüche oder wie aktuell Terroranschläge –
solche Ereignisse haben unmittelbaren
Einfluss auf die Nachfrage seitens der
Passagiere.
Fluggesellschaften, die nicht von einem
zentralen Drehkreuz abhängig sind, können solche geografisch begrenzten Krisen besser verkraften als Airlines mit
nur einer Marke und einem zentralen
Standort. jkn
SCHWÄCHE 1
14,6 %
14,7 %
10,2 %
ufthansa hat früh auf eine Mehrmarkenstrategie gesetzt, früher als
andere europäische Fluggesellschaften. Mit Lufthansa, Germanwings, Swiss,
Aua oder Air Dolomiti ist die nach Passagieren und Umsatz größte Fluggesellschaft Europas mit zahlreichen Marken
in vielen nationalen Märkten präsent.
Diese Mehrmarkenstrategie bietet einen
großen Vorteil. Lufthansa ist so in wichtigen europäischen Metropolen vertreten.
Die Airline betreibt in Frankfurt, München, Wien und Zürich ein Drehkreuz,
bietet hier also ein attraktives Netz mit
allerhand Umsteigemöglichkeiten an.
Sollte die Komplettübernahme der Beteiligung Brussels Airlines demnächst vom
Aufsichtsrat genehmigt werden, käme
Brüssel hinzu, die Hauptstadt Europas
und damit ein attraktiver Markt für Lufthansa.
22
68,6
58,4
Ziel: die Nummer drei unter den führenden europäischen Billig-Airlines nach
Ryanair und Easyjet.
Die Vorarbeit von Germanwings, die
komplett in Eurowings aufgehen soll, ist
gut. Vergangenes Jahr schaffte Eurowings/
Germanwings ein Betriebsergebnis von 38
Millionen Euro bei einem Umsatz von 1,9
Milliarden Euro. Der jahrelange Verlust
wurde beendet.
Denkverbote gibt es nicht. So lässt
Spohr prüfen, ob Eurowings ab 2017 auch
von München abhebt – einem der beiden
Drehkreuze, die eigentlich für den Premiumverkehr unter der Kernmarke Lufthansa reserviert sind. „Wir sind in München
noch nicht stark genug gewachsen“, glaubt
Spohr: „Wir sehen dort durchaus Potenzial
für Punkt-zu-Punkt-Verbindungen.“
Zwar sichert der Konzernchef zu, Eurowings werde keine Strecken von Lufthansa
übernehmen, dennoch dürfte diese Ankündigung bei den Piloten der Kernmarke
erhebliche Irritationen ausgelöst haben.
Sie sehen in Eurowings ein Vehikel für die
Tarifflucht aus dem komfortablen Konzerntarifvertrag für die Flugzeugführer.
Denn der gilt bei Eurowings nicht.
Aber auch jenseits des Unternehmens
sorgt Eurowings für Gesprächsstoff. Spohr
will die Plattform für die Konsolidierung
in Europa nutzen. Andere Airlines sollen
an Eurowings andocken, sei es durch
Übernahmen oder Kooperationen. Seit
dieser Ankündigung kocht die Gerüchteküche. So soll Lufthansa mit der skandinavischen Airline SAS verhandeln, um sie
mit Eurowings zusammenzubringen.
Auch die früher zu Lufthansa und heute
zu Thomas Cook gehörende Condor wird
gehandelt. Und Air Berlin wird genannt.
Ob und wie schnell sich hier was tut, ist
aber offen. Eine der ersten Airlines, die
bei Eurowings anbandeln werden, dürfte
die Beteiligung Brussels Airlines sein, die
Lufthansa komplett übernehmen will.
ie Frachttochter von Lufthansa
zählt zu den weltweit größten Anbietern. Doch Lufthansa Cargo hat
derzeit zu kämpfen. Unter anderem wegen der großen Überkapazitäten im Luftfrachtmarkt und der Nachfrageschwäche
etwa in China musste das Unternehmen
2015 einen Umsatzrückgang von 3,3 Prozent auf 2,35 Milliarden Euro hinnehmen. Das Betriebsergebnis vor Zinsen
und Steuern (Ebit) sackte sogar um 40
Prozent auf 73,5 Millionen Euro ab.
Doch nicht nur die schwache Nachfrage
ist die Ursache für den Rückgang. Der
Wettbewerbsdruck auf den Ableger
wächst immens. Waren verlässlich und
sicher zu transportieren, das könnten
mittlerweile auch neue Wettbewerber,
sagt Cargo-Chef Peter Gerber. Hinzu
kommt ein Investitionsstau. Nach Ansicht von Branchenexperten wie Dirk
Logistiksparte
Kennzahlen 2014 und 2015 im Vergleich
Umsatz
2,44
Mrd. €
2,36
Mrd. €
Ebit
123
Mio. €
3
Mio. €
Fracht/Post
in Mio. Tonnen
1,67
1,63
Mio. t
Handelsblatt | Quelle: Unternehmen, eig. Recherche
Fluggäste
Steiger vom Beratungsunternehmen
Aviainform wurde bei Lufthansa Cargo
zu wenig in Innovationen investiert. Der
geplante Neubau eines Frachtzentrums
am Frankfurter Flughafen wurde vorerst
um zwei Jahre verschoben. Ob es dann
gebaut wird, ist noch unsicher. CargoChef Gerber will deshalb mit gezielten
Investitionen das vorhandene Frachtzentrum effizienter machen. Und er setzt
auf neue Geschäftsideen, die durch die
Digitalisierung möglich werden. So will
er in das Geschäft mit Privatkunden einsteigen. Über eine App können Lufthansa-Passagiere zum Beispiel ihr Motorrad
für einen USA-Trip abholen oder in die
Staaten bringen lassen. Zunächst sollen
Pilotversuche in Europa und Nordamerika in diesem Sommer starten. „Läuft es
gut, werden wir auch nach Asien gehen“, sagt Gerber.
Für Lufthansa sind bessere Zahlen bei
der Frachttochter wichtig. Sie zählt zur
dritten Säule des Unternehmens, den
Dienstleistungen. Sie haben in der Vergangenheit immer Schwächen im Kerngeschäft abgefedert. Doch derzeit tut
sich der Bereich schwer. Denn auch die
Wartungstochter Technik hat zu kämpfen. Sie konnte 2015 zwar gute Zahlen
präsentieren. Aber neue Anbieter drängen in das Geschäft etwa für die Triebwerkswartung. Lufthansa Technik ist gerade an den deutschen Standorten zu
teuer. Derzeit laufen deshalb Gespräche
mit der Gewerkschaft. Auch ein Stellenabbau ist nicht ausgeschlossen. jkn

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