Osmoseblasen vom feinsten!

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Osmoseblasen vom feinsten!
BAUTENSCHUTZ + BAUSANIERUNG ■ BETONINSTANDSETZUNG
Osmoseblasen vom feinsten!
Beulen und Blasen bei Beschichtungsarbeiten vermeiden, Teil 3 ■
In der Artikelserie über das Vermeiden von Beulen und Blasen bei
Beschichtungsarbeiten auf porösen Baustoffen wie Beton und Estrich werden
die verschiedenen auftretenden Arten und deren Ursachen aufgezeigt. Außerdem
werden Hinweise gegeben, wie sich diese Schäden vermeiden lassen. Dabei
werden drei Hohlraumtypen unterschieden, die auf mechanische und
physikalisch-chemische Vorgänge zurückzuführen sind. Im ersten Teil dieses
Artikels in B+B 5/2014 ging es um kleine Blasen, genannt Pinblisters, und
stecknadelkopfgroße Löcher, genannt Pinholes, die im noch nicht verfestigten
Zustand entstanden. Im zweiten Teil dieses Artikels in B+B 7/2014 sind Beulen
und Aufwölbungen beschrieben worden, die im verfestigten Zustand vor allem
im Zusammenhang mit thermischen Beanspruchungen entstehen. Im
vorliegenden dritten Teil werden sogenannte osmotische Blasen beschrieben, die
im verfestigten Zustand der Beschichtung entstehen und flüssigkeitsgefüllt sind.
Helena Eisenkrein
Die osmotisch generierte Blase ist am weitesten verbreitet und auch am meisten gefürchtet.
Sie kann sowohl nach der Verfestigung von physikalisch trocknenden als auch in chemisch
vernetzenden Polymerbeschichtungen auftreten. Ihre Entstehung geht auf relativ hohe innere
Überdrücke zurück. An örtlich geschwächtem Haftverbund zum Untergrund bzw. zwischen
den einzelnen Lagen eines Schichtaufbaus hebt der Überdruck die Beschichtung gegen die
Biegesteifigkeit der Deckschicht an und erzwingt eine Blase [1]. Diese Blasen treten sowohl
auf porösen mineralischen als auch auf metallischen Untergründen auf. Sie sind immer mit
Flüssigkeit gefüllt, deren Zusammensetzung bedeutend hinsichtlich Ursache und Entstehung
der Blase ist.
Theoretischer Hintergrund
Die Zusammenhänge der Osmose sind vom Botaniker Wilhelm Pfeffer 2 im 19-ten
Jahrhundert erstmals beschrieben worden. Den Nachweis führte Pfeffer in einer
Versuchsapparatur, die in Abb. 1 gezeigt und nach ihm als Pfeffer‘sche Zelle benannt ist: Das
Kernstück ist ein Zylinder aus porösem, gebranntem Ton. Die Wand und Boden des Zylinders
besteht aus einer semipermeablen (halbdurchlässige) Membran, die durch Ausfällung eines
unlöslichen Gels aus Eisencyanatverbindung der Gefäßlösung entstanden ist. Diese Membran
ist für Wassermoleküle außerhalb der Zelle durchlässig, wogegen die im Inneren des
Tongefäßes gebildete Salzlösung mit größeren Molekülen und Ionen nicht zurück kann.
Bildlich gesprochen hat sich dadurch eine Einbahnstraße für den Stofftransport gebildet.
Angetrieben vom Bestreben, die Salzlösung zu verdünnen, baut sich wegen der Einbahnstraße
ein sogenannter osmotischer Druck auf, der am Manometer (Druckmessgerät) abgelesen
werden kann. Beim Erreichen eines Gleichgewichts zwischen dem entstandenen Druck und
der verdünnten Salzlösung im Tonzylinder, kommt es dann zum Stillstand des Prozesses.
Dieses Gleichgewicht korreliert mit einem ganz bestimmten Druck, den man als osmotischen
Druck bezeichnet. Sogenannte Aktivitäten (Beweglichkeit) der Wassermoleküle in einer
Lösung sowie blasenrelevante osmotische Drücke finden sich in [1]. Daraus ergibt sich, dass
der osmotische Druck in guter Näherung linear mit der Salzkonzentration zu und mit der
Aktivität der Wassermoleküle abnimmt. Wassermoleküle können semipermeable Membranen
nur im Gefälle ihrer Aktivität passieren. Beim Angleichen der Aktivitäten kommt das
Durchdringen der semipermeablen Membran zum Erliegen.
Entstehung osmotischer Blasen
Beschichtungen auf Bindemittelbasis organischer Polymere können als semipermeable
Membranen wirken. Sie können von Wassermolekülen auf dem Wege der Diffusion
durchdrungen werden, nicht aber von den Lösungen der Ionen und den größeren Molekülen.
Die größte osmotische Wirkung auf eine Beschichtung liegt dann vor, wenn eine wässrige
Umgebung mit hoher Aktivität der Wassermoleküle gegeben ist. D.h., wenn eine
Beschichtung in einem Regenwasserbehälter vorliegt, treten eher osmotische Blasen auf, als
wenn dieser Behälter mit salzreicherem Meerwasser gefüllt ist.
Die Tatsache, dass osmotische Blasen vorzugsweise bei Unterwasserbeschichtungen und bei
Beschichtungen auftreten, die häufig durch Wasser oder durch Wasserdampf bzw. sehr
feuchte Luft beansprucht werden, zeigt, dass eine hohe Aktivität der Wassermoleküle eine
wichtige Bedingung für die Entstehung ist.
Bei der Analyse der Flüssigkeit aus dem Blaseninhalt stellt man fest, welche wasserlöslichen
Stoffe – Blasenkeime genannt - zur Blasenbildung geführt haben. Auf zementgebundenen
Untergründen ist der Blaseninhalt wegen der Alkali- (K, Na) und der Erdalkaliverbindungen
(Ca, Mg) des Untergrundes in der Regel stark basisch. Häufig stellt man bereits bei der
Geruchsprobe fest, dass Lösemittel und bei 2-Komponenten-Beschichtungen oft auch
Härterbestandteile in der Blasenflüssigkeit vorliegen.
Mit dem Begriff Blasenkeim bezeichnet man die Ansammlung wasserlöslicher Stoffe in oder
unter einer Beschichtung. Der von der Aktivität der Wassermoleküle bestimmte Drang, die
Konzentration der wasserlöslichen Stoffe abzubauen ist der Motor zur Blasenbildung.
Wenn die Hohlräume von Blasen nahe der Grenzfläche zwischen einem porösen Untergrund
und einer Beschichtung liegen, muss angenommen werden, dass die Poren des Untergrundes
durch eingedrungene Beschichtungsstoffbestandteile verstopft wurden (analog zu dem
ausgefällten Gel der Pfeffer´schen Tonzelle). Grundierungen mit reinem Bindemittel sind
diesbezüglich besonders wirkungsvoll.
Beschichtungen auf porösen Untergründen (Beton, Zementputz, usw.) können das Wasser
zum Füllen osmotischer Blasen sowohl aus dem Untergrund als auch von der Nutzseite her
oder aus beiden Richtungen aufnehmen. Bei Metallbeschichtungen wird Wasser natürlich nur
von der Oberfläche her aufgenommen. Das bedeutet, dass Polymerschichten sowohl am
oberen als auch am unteren Rand eines Beschichtungsaufbaus als semipermeable Membranen
auftreten können. Dass die Polymerschichten grundsätzlich für Wasser bzw. Wasserdampf
diffundierbar sind, ist in zahlreichen Untersuchungen belegt [3].
Entstehung und Wachstum einer Blase wird durch den Haftverbund zum Untergrund bzw.
durch die Haftung zwischen zwei Lagen des Beschichtungssystems (Adhäsion) und durch den
internen Verbund einer Beschichtungslage (Kohäsion) beeinflusst. Darüber hinaus ist der
Verformungswiderstand, d.h. die Biegesteifigkeit der Beschichtung von signifikanter
Bedeutung. Adhäsionsverbund, Kohäsionsverbund und Verformungswiderstand von
Polymerbeschichtungen unterliegen einerseits stoffimmanenten Vorgaben. Andererseits sind
sie hinsichtlich ihrer physikalischen/mechanischen Konstanz abhängig von hygrischen (z. B.
Nasshaftung) und thermischen Einflüssen (plastomere Verformungsanteile). Das bedeutet,
dass die quellungsbedingte bzw. die erwärmungsbedingte Absenkung des Haftverbunds und
der nachlassende Biegesteifigkeit begünstigend auf den Ablauf osmotisch generierter
Blasenbildung wirken.
Die Literatur zu den osmotischen Drücken zeigt, dass sehr hohe Werte des Haftverbundes
bzw. der Biegesteifigkeit einer Beschichtung erforderlich sind, um eine Diffusion auch unter
relativ kleinen Aktivitätsdifferenzen zu verhindern. Man kann aber auch davon ausgehen, dass
der Haftverbund intern (Kohäsion) und zwischen Einzellagen und zum Untergrund
(Adhäsion) nicht an jeder Stelle optimal hoch ist. Bei Haftzugversuchen mit der
Stempelmethode wird der Verbund einer knapp 2000 mm² großen Fläche integrativ ermittelt.
Tatsächlich liegen dann auch Kleinflächen mit deutlich niedrigerer Verbundfestigkeit vor, die
potenziell Ausgang einer osmotisch erwirkten Blasenentstehung sein können.
Auf Abb. 2 ist modellhaft dargestellt, welche vom Schichtaufbau abhängigen Blasen (Fall 1 /
Fall 2) hauptsächlich vorkommen und welche Parameter zur Entstehung beitragen bzw. diese
bestimmen. Nach den vorausgegangenen Beschreibungen wird die Osmose verhindert
werden, wenn einer der fünf Parameter konsequent ausgeschaltet werden kann.
Zu diesen Parametern muss festgehalten werden:
- Wasser ist beim Betonbauwerk/Bauteil konstruktions- und häufig nutzungsbedingt
vorhanden.
- In den bautenschutztechnisch üblichen Schichtdicken sind Polymerbeschichtungen für
Wasser stets diffundierbar und unter der funktionalen Voraussetzung des geschlossenen
Gefüges semipermeabel.
- Adhäsions- bzw. Kohäsionsschwächen sind einerseits hauptsächlich
rezeptierungsbedingt. Eine ausreichende Optimierung kann aber auch an der Begrenzung
des kommerziellen Aufwands zur Erfüllung scheitern.
- Wenn entsprechende Beschichtungen funktionsabhängig rissüberbrückende Eigenschaften
aufweisen müssen, ist ein niedriger Verformungswiderstand per se gegeben.
- Gegen die totale Vermeidung von Blasenkeimen spricht einerseits die Tatsache, dass
Komponenten und Additive der Beschichtungsstoffe aus technischer Sicht, aus Gründen
der Verfügbarkeit und aus kommerziellen Gründen nicht blasenkeimfrei herstellbar sind.
Andererseits ist durch die baupraktische Anwendung die Entstehung von Blasenkeimen
häufig nicht vermeidbar.
Anhand von drei Fallbeispielen mit Unterschieden im Systemaufbau und verschiedenen
Objektanordnungen (vertikal, horizontal) sowie auf den Untergründen Beton und Stahl soll
die osmotisch generierte Blase in Beschichtungsaufbauten mit Praxisbezug dargestellt
werden. Die Abb. 3, Abb. 5 und Abb. 9 zeigen schematisch die Systemaufbauten.
Fallbeispiel 1
Die Innenseite einer stählernen, kugelähnlichen, schwer zugänglichen Kondensationskammer
eines Siedewasser-Kernkraftwerks, war mit einer Korrosionsschutzbeschichtung zu versehen.
Im Betriebszustand ist der Behälter bis in eine bestimmte Höhe mit voll entsalztem Wasser
(höchst möglich Aktivität der Wassermoleküle) befüllt. Die Temperatur ist im Normalfall ca.
20°C und im Notfall temporär deutlich höher. Vorversuche haben ergeben, dass ein
bestimmtes, lösemittelbasiertes, starr formuliertes Polyurethan-Beschichtungssystem die
größte Resistenz gegen die Bildung osmotischer Blasen aufweist. Der Polyurethan
Beschichtungsstoff ist im Airless-Spritzverfahren mehrlagig auf den bis Sa3 vorbereiteten
Stahluntergrund in einer Gesamttrockenschichtdicke von 300 µm appliziert worden.
Nach einer mehrmonatigen Probelaufzeit wurde die Innenseite der Kondensationskammer
inspiziert. Dabei konnten am Torusboden und abnehmend auf der Kugelinnenseite nach oben
Blasen im Durchmesser von maximal 20 mm ermittelt werden. Sie waren flüssigkeitsgefüllt
und standen unter Überdruck. Der Hohlraum lag als Adhäsionsblase mit Bruch zwischen
Stahlhülle und Polyurethanbeschichtung vor. Auf der Stahlhülle befanden sich in geringem
Umfang Korrosionsprodukte. Abb. 3 zeigt einen Querschnitt durch eine Blase und dazu
entsprechende Erläuterungen.
Die Analyse des Blaseninhalts ergab das Vorhandensein lacktechnologisch gängiger,
wassermischbarer Lösemittel (z.B. Ketone, Ester, Alkohole) in geringen Mengen. Außerdem
konnte signifikant NaCl (Kochsalz) detektiert werden.
Parallel angestrengte Recherchen ergaben, dass die Sandstrahlarbeiten zuerst am Torusboden
und in den daran anschließenden Rundungen zum Kugelprofil der Kammer und danach
beginnend von ganz oben nach unten (vertikal gesehen) vorgenommen wurden. Am Ende der
gesamten Vorbereitung sind Strahlmittel und Sekundärabfall ausgeräumt worden. Die
Beschichtung ist dann von oben nach unten (vertikal gesehen) erfolgt. Insgesamt konnte
konstatiert werden, dass Untergrundvorbereitung und Beschichtung nicht unter
„Reinraumbedingungen“ vorgenommen worden sind.
Die Recherchen haben ergeben, dass während der Ausführung der Beschichtungsmaßnahmen
in dem im radioaktiven Kontrollbereich liegenden Kammersystem relativ hohe Temperaturen
(wenigstens 30°C) herrschten und keine Klimatisierung vorgenommen worden ist. Die
sanitären Räume waren anlagenbedingt nur über lange Wege erreichbar, so dass die
einfacheren menschlichen Notdürfte vor Ort verrichtet wurden. Es lag ja genügend Strahlsand
und Sekundärabfall herum. Diese Situation wurde in einem Laborversuch nachgestellt, um
den Einfluss der ausgeschiedenen körperlichen Flüssigkeiten auf die Qualität der
Beschichtung zu bestimmen.
Für den Versuch sind Stahlplatten im „Sandstrahlverfahren“ bis zum Reinheitsgrad Sa 3
vorbereitet worden. Auf jeweils genau definierten Teilflächen erfolgte eine Kontamination der
Stahlplatten mit NaCl, Schweiß und Urin. Analog zur in situ Anwendung ist auf den
Versuchsplatten ein mehrlagiger Auftrag des PUR Beschichtungssystems in einer
Gesamttrockenschichtdicke von 300 µm erfolgt.
Die Probekörper wurden dann in vollentsalztes Wasser bei 35 °C eingehängt. Spätestens nach
zwei Wochen hatte sich an allen kontaminierten Stellen der Probekörper in der Beschichtung
Blasen gebildet. Die Blasen waren flüssigkeitsgefüllt und standen unter Überdruck und sie
lagen als Adhäsionsblasen zwischen Stahl und Beschichtung vor. Aufbau und Befund waren
identisch zu Abb. 3.
Alle Parameter gemäß Abb. 2 werden erfüllt. Als semipermeable Membran ist ausschließlich
die Deckbeschichtung verfügbar. Vollentsalztes Wasser mit der höchstmöglichen Aktivität
der Wassermoleküle ist hocheffizient. Die Blasenkeime sind definiert und man kann davon
ausgehen, dass sie als Hauptverursacher auf den vorliegenden Fall übertragen werden
konnten.
Die Konsequenz aus diesem Fallbeispiel 1 lautet, dass bei der Untergrundvorbereitung von
Stahl insbesondere dann, wenn als Betriebsmedium vollentsalztes Wasser vorliegt, eine
gründliche Beseitigung von Korrosionsprodukten und löslichen Kontaminationen erforderlich
wird, weil sonst der Aktivitätsabstand zwischen Wasser und Blasenkeim potenziell
hochgradig osmotisch wirkt.
Banale Verunreinigungen wie die Salzkontamination durch Fingerabdrücke, Schweißtropfen
und weitere Substanzen mit „verlässlicher Wirkung“ erfordern bei Planung und
Ausführungsüberwachung [4] höchste Ansprüche an Steuerung und Kontrolle des
Arbeitsablaufs.
Fallbeispiel 2
Im Fallbeispiel 2 handelt es sich um die Schaleninnenseite eines Naturzugkühlturms mit
Abgaseinleitung. Nach intensiver Betriebsbeanspruchung [5] ist örtlich mehrere Zentimeter
tief Beton abgetragen worden. Der Ertüchtigungsaufbau bestand aus einer HDWUntergrundvorbereitung, einer SPCC-Auffütterung des fehlenden Betonprofils und einer
Untergrundvorbehandlung durch PCC-Feinmörtel zur Schaffung eines
beschichtungsgerechten Untergrundes. Darauf ist ein vierlagiges
Polymerbeschichtungssystem, bestehend aus je zwei Lagen einer wasserbasierten EPZwischenbeschichtung und einer lösemittelbasierten PUR-Deckbeschichtung appliziert
worden.
Aus der kombinierten Beaufschlagung aus Kühlleistungsschwaden und partiell gereinigtem
Abgas resultierte an der Beschichtungsoberfläche im permanenten Betrieb eine planmäßige
Kondensatbildung bei bis zu 35°C.
Zwei Jahre nach Betriebsstart sind bei der Befahrung der Schaleninnenseite zahlreiche Blasen
festgestellt worden. Abb. 4 zeigt einen photographischen Ausschnitt der Schalenoberfläche.
Abb. 5 zeigt einen Vertikalschnitt durch eine Blase mit den entsprechenden Erläuterungen.
Alle Blasen waren flüssigkeitsgefüllt und standen unter einem leichten Überdruck. Der
Blasenhohlraum lag als Kohäsionsblase in der ersten Lage der EP-Grundbeschichtung vor.
Diese Kohäsionsbruchebene ist mikroskopisch im Querschnitt der Abb. 6 erkennbar.
In der Blasenflüssigkeit wurden zahlreiche wasserlösliche Substanzen gefunden. Im
darunterliegenden SPCC ist ein Wassergehalt von 6 Masse-% festgestellt worden.
Die Symptome lassen den Schluss zu, dass mit diesem Blasentyp der Fall 2 der
Modellbetrachtung gemäß Abb. 2 vorliegt. Als semipermeable Membran ist die am
Untergrund haftende Teilschicht der ersten EP-Grundbeschichtung wirksam geworden.
Eine signifikante Begünstigung der Blasenbildung wird der offensichtlich geschwächten
Kohäsionsfestigkeit der ersten EP Grundbeschichtung im Bereich zur zweiten EPGrundbeschichtung zugeschrieben. Naheliegend ist, dass es nach Applikation des
wasserbasierten 2K-Beschichtungsstoffs als Folge einer zu hohen relativen Luftfeuchte zu
einer Behinderung des Austrocknens und dadurch zu einer unvollständigen Vernetzung in der
ersten Beschichtungslage gekommen ist. Eine weitere Kohäsionsschwächung kann auch
durch eine Netzmittelanreicherung im Zuge des zur Oberfläche gerichteten Massenstroms an
Wasser bei der Trocknung in der besagten Zone begünstigt worden sein. Dadurch wird der
Quellungszustand innerhalb der EP-Grundbeschichtung aufrechterhalten. Schließlich zeigte
die Statusaufnahme, dass im Bereich der größten Blasendichte der Schaleninnenseite die
Wahrscheinlichkeit des Wärmeeinflusses im Zusammenhang mit der Abgaseinleitung am
größten ist.
Somit hätten die Mechanismen Quellung und unzureichende Vernetzung eine
Kohäsionsschwäche und die besondere Wärmeeinwirkung die Verformbarkeit der
Polymerbeschichtung besonders befördert. Die osmotisch generierte Diffusion von Wasser
aus dem Potenzial der SPCC-Schicht durch die als semipermeable Membran wirkende
Restschicht der EP-Zwischenbeschichtung konnte dann bereits beim Aufbau eines geringen
osmotischen Drucks in der ersten EP-Zwischenschicht Blasen erzwingen.
In Kenntnis der in Abb. 2 dargestellten fünf ursachenrelevanten Parameter lässt sich bei
keinem eine vollständige Unterdrückung realisieren. Am ehesten kann jedoch über die
Absenkung des Wasserzementwertes des SPCC bei gleichzeitiger Ausbildung einer
kapillarporenärmeren Zementsteinstruktur das rückwärtige Wasserpotential verringert und mit
der Verwendung eines lösemittelbasierten Epoxidtyps die Effektivität der Vernetzung und
somit die Kohäsionsfestigkeit gesteigert werden.
Fallbeispiel 3
Abb. 7 zeigt einen Ausschnitt von sog. Kühlleistungseinbauten eines Naturzugkühlturms mit
Abgaseinleitung. Die Stahlbetonbalken und Riegel oberhalb der Wasserverteilungsebene
mussten mit einer Schutzbeschichtung gegen die Beanspruchung durch AbgasSchwadenkondensat ausgestattet werden [6]. Im Fertigteilwerk sind die glatt geschalten
Bauteiloberflächen mit einer lösemittelbasierten EP-Grundbeschichtung versehen worden.
Darauf wurde eine pigmentierte, lösemittelbasierte EP-Deckbeschichtung in einer
Mindestschichtdicke von 200 µm appliziert. Die danach anschließende
Betriebsbeanspruchung bestand aus der permanenten Verrieselung mit Wasser von 30±5°C
und der direkten Beaufschlagung mit Spritz- und Kondenswasser.
Etwa zwei Jahre nach Inbetriebnahme ist eine Inspektion vorgenommen worden. An den
vorzugsweise vertikalen Flächen hatten sich Blasen in großer Flächendichte eingestellt. Abb.
8 zeigt eine Teilfläche eines Balkens. Einige der Blasen waren aufgeplatzt, viele waren ganz
bzw. teilweise eingefallen. Noch geschlossene Blasen waren mit einer klaren Flüssigkeit
gefüllt und standen unter Überdruck. Die Flüssigkeit besaß einen pH Wert von ca. 12. Die
Flüssigkeit roch signifikant nach „Chemie“. Überschlägig konnten Lösemittel und Amine
identifiziert werden. Der Blasenhohlraum lag zwischen EP Grundbeschichtung (auf dem
Untergrund festhaftend) und pigmentierter EP Deckbeschichtung (Adhäsionsbruch).
Die freiliegende EP Grundbeschichtung war geschlossen, speckig glänzend und glatt. Abb. 9
zeigt den Querschnitt des angetroffenen Blasentyps. Er entspricht dem in Abb. 2 dargestellten
Fall 1 der sogenannten Adhäsionsblase. Daraus kann abgeleitet werden, dass sowohl die EP
Grundbeschichtung als auch die EP Deckbeschichtung die Funktion der semipermeablen
Membran übernommen haben konnten. Aufgrund des Temperatur- und Feuchtmilieus liegt es
nahe, dass die EP Deckbeschichtung überwiegend als semipermeable Membran fungiert hat.
Neben diesen äußeren Beanspruchungsbedingungen haben innere Ursachen, wie in
Sonderheit die sehr glatte Oberfläche der EP Grundbeschichtung und der damit im
Zusammenhang stehende schwache Haftverbund mit der EP Deckbeschichtung eine
wesentliche Versagensrolle gespielt. In dieser Kausalität liegt die Konsequenz für die
Vermeidung: Anwendung aller bekannten und anerkannten Maßnahmen (kurze
Überbeschichtungsintervalle, geringe Auftragsmenge bzw. Weglassen der EP
Grundbeschichtung, wenn keine Saugfähigkeit vorliegt etc.) zur Steigerung des
Haftverbundes (dritter Parameter aus Abb. 2).
Literatur
[1] Engelfried, R., Eisenkrein, H.: Schäden an polymeren Beschichtungen, in: Fachbuchreihe
Schadenfreies Bauen, Band 26, 2. überarbeitete und erweiterte Auflage. Fraunhofer IRB
Verlag: Stuttgart, 2012
[2] Näser, K.-H.: Physikalische Chemie, VEB Deutscher Verlag für Grundstoffindustrie,
Leipzig 1970
[3] Engelfried, R.: Diffusionswiderstandszahlen für Kohlendioxid und Wasser und deren
praktische Anwendung, farbe + lack, Nr. 7/1983
[4] Eisenkrein, H.: Integrated quality assurance concept with reference to planning and
implementation of cooling tower refurbishment measures supported by self and external
quality control. Proceedings of the International Association for Shell and Spatial Structures
(IASS) Symposium 201 "BEYOND THE LIMITS OF MAN", 23-27 September, Wroclaw
University of Technology, Poland
[5] Engelfried, R., Eisenkrein, H.: Konzeption von Ertüchtigungsmaßnahmen auf
Schaleninnenseiten von Stahlbeton Naturzug Naßkühltürmen im Betrieb mit Abgaseinleitung.
1 Kolloquium Erhaltung von Bauwerken, Technische Akademie Esslingen, 27. und 28. Januar
2009.
[6] VGB-R612, Richtlinie für Maßnahmen an Kühltürmen und Schornsteinen aus Stahlbeton
zum Schutz gegen Betriebs- und Umgebungseinwirkungen, VGB PowerTech e.V. Essen,
Ausgabe 2010
Autorin
Dipl.-Ing. Helena Eisenkrein-Krecksch
Geschäftsführende Gesellschafterin IBOS GmbH – Institut für Betontechnologie und
Oberflächenschutzsysteme
Bochum
Abb. 1: Pfeffer`sche Zelle zur Darstellung und zur Messung osmotischer Drücke
Blasenparameter: a) Wasser
b) Semipermeable Membran
c) Adhäsions- Kohäsions- schwäche
d) Verformbarkeit der Beschichtung
e) Blasenkeime (hydrophile Stoffe ° o)  z.B. niedermolekulare Amine
Salze
Hochsieder
Hydrolyseprodukte
Abb. 2:
Modellhafte Darstellung der osmotischen Generierung von Blasen in Polymer Beschichtungsaufbauten.
Fallbeispiel 1
Adhäsionsblase
Stahlbehälter innen
Blasenflüssigkeit
unter Überdruck
PUR Deckbeschichtung
PUR Grundbeschichtung
Stahl, Sa 3 - rau
Dicke: 15 mm
Abb. 3:
Systemaufbau:
Stahl 15 mm dick
Eine Lage PUR Grundbeschichtung, smit = 100 µm
Eine Lage PUR Deckbeschichtung, smit = 150 µm
Abb. 4:
Osmotische Blasen in der EP-Beschichtung der Schaleninnenseite eines
Naturzugkühlturms.
Systemaufbau: siehe Bild 5
Fallbeispiel 2
erste Grundbeschichtung
Kohäsionsblase
Kühlturmschale innen
zweite Grundbeschichtung
erste Deckbeschichtung
zweite Deckbeschichtung
Beton / SPCC / PCC
Gesamtdicke: 15 cm
Blasenflüssigkeit unter
Überdruck
Abb. 5:
Systemaufbau: Beton /SPCC / PCC feinrau-verrundet
2 Lagen EP-Grundbeschichtung, wasserbasiert, je smin = 75 µm
2 Lagen PU-Deckbeschichtung, lösemittelbasiert, je smin = 75 µm
Abb. 6:
Querschnitt des Polymer Beschichtungsaufbaus gemäß Abb. 5.
Stadium 2: Erzwingung eines osmotisch generierten Blasenhohlraums in der
kohäsionsgeschwächten ersten Lage der EP-Grundbeschichtung.
Abb. 7:
Stahlbeton-Tragkonstruktion der Rieseleinbauten eines Naturzugkühlturms.
Abb. 8:
Osmotische Blasen in der EP-Beschichtung der Beton-Tragkonstruktion.
Hohlraum als Adhäsionsblase zwischen Grund- und Deckbeschichtung.
Haftverbund mäßig wegen „speckig“ glatter Grundbeschichtung.
Blasen sind nach Trocknung partiell zusammengefallen.
Fallbeispiel 3
Adhäsionsblase
Betoneinbauteil
Deckbeschichtung
Grundbeschichtung
Beton, Dicke 20 cm
Blasenflüssigkeit
unter Überdruck
Abb. 9:
Systemaufbau:
Glatt geschalter Beton
Eine Lage EP Grundbeschichtung smin = 100 µm
Eine Lage EP Deckbeschichtung smin = 200 µm