Tenor Tatbestand

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Tenor Tatbestand
VGH München, Urteil v. 23.07.2014 – 16b D 13.633
Titel:
Normenketten:
BDG §§ 12, 13 II 2, 14, 56 S. 1
BBG §§ 41 I 1, 77 I
§ 77 Abs. 1 Satz 2 BBG
§ 61 Abs. 1 Satz 3 BBG
§ 54 Satz 3 BBG
§ 177 StGB
Orientierungsatz:
Disziplinarrecht; Regierungsoberinspektor (BesGr. A 10) a. D.; außerdienstliches Dienstvergehen;
sexuelle Nötigung in einem minder schweren Fall; Speicherung eines kinderpornografischen
Kurzfilms auf Dienst- und Privatrechner; Kürzung des Ruhegehalts; Maßnahmeverbot
Schlagworte:
Disziplinarverfahren, Beamter, Dienstvergehen, Ruhegehalt
Tenor
I.
Unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 22. Januar 2013 wird die
Disziplinarklage abgewiesen.
II.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
III.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
I.
1
Der am ... 1968 geborene Beklagte schloss seine Schulausbildung mit der Fachhochschulreife ab. Im Jahre
1988 begann er seinen Wehrdienst und verpflichtete sich anschließend als Zeitsoldat. Die Verpflichtungszeit
von acht Jahren beendete er am 31. März 1997 im Rang eines Oberleutnants.
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[1997] wurde der Beklagte als Regierungsinspektorenanwärter in den Vorbereitungsdienst für die Laufbahn
des gehobenen nichttechnischen Verwaltungsdienstes in der Wehrverwaltung des Bundes eingestellt, am
28. September 2000 nach bestandener Laufbahnprüfung zum Beamten auf Probe ernannt und mit Wirkung
zum 29. März 2003 in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit berufen und zum Regierungsinspektor
ernannt. Zum 29. März 2004 erfolgte seine Ernennung zum Regierungsoberinspektor (BesGr. A 10).
3
Der Beklagte wurde mit Verfügung der Wehrbereichsverwaltung (WBV) Süd vom 11. Juli 2008 mit Ablauf
des Monats Juli wegen dauernder Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt.
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Der Beklagte erhielt im Jahre 2003 folgende Beurteilung: „Übertrifft die Anforderungen“, sowie im gleichen
Jahr eine Leistungsprämie in Höhe von 800 € für besondere dienstliche Leistungen.
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Der Beklagte ist verheiratet. Aus der Ehe ist eine Tochter, geboren am 13. Juli 2000, hervorgegangen.
II.
6
Der Beklagte ist disziplinarrechtlich nicht vorbelastet.
7
Das Disziplinarverfahren wurde mit Verfügung vom 30. Januar 2007 eingeleitet. Der Beklagte wurde nach §
20 Abs. 1 Satz 3 BDG über seine Rechte belehrt.
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Das Disziplinarverfahren betraf den Vorwurf, drei Kurzfilme mit kinderpornografischem Inhalt sowie 12.800
private Fotos auf dem dienstlichen Laptop gespeichert zu haben. Weiterer Gegenstand der
Einleitungsverfügung war der Vorwurf, junge Frauen (darunter auch minderjährige Mädchen) auf dem
Gelände der früheren Standortverwaltung M. fotografiert zu haben und für die Kontaktaufnahme bzw.
Terminvereinbarung die dienstliche E-Mail-Adresse verwandt zu haben.
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Mit Vermerk vom 24. September 2007 wurde das Disziplinarverfahren auf den Sachverhalt der sexuellen
Nötigung ausgedehnt, nachdem die Staatsanwaltschaft München II dem Beklagten zu Last gelegt hatte, am
11. November 2006 die 16-jährige L. Z. während eines Fotoshootings in einem von ihm angemieteten Raum
auf dem Gelände der früheren Standortverwaltung M. sexuell genötigt zu haben. Der Beklagte wurde auch
insoweit nach § 20 Abs. 1 Satz 3 BDG über seine Rechte belehrt.
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Das Disziplinarverfahren wurde zunächst bis zum Abschluss des Strafverfahrens ausgesetzt und schließlich
mit Ermittlungsbericht vom 28. Juli 2008 abgeschlossen.
11
Die Bevollmächtigten des Beklagten haben zum Ermittlungsbericht mit Schreiben vom 27. Oktober 2008
und 22. Februar 2010 Stellung genommen.
12
Der Beklagte selbst hat sich zu den Vorwürfen im Rahmen seiner Beschuldigtenvernehmung gegenüber die
Kriminalpolizeistation Garmisch-Partenkirchen am 15. Dezember 2006 sowie mit Schreiben vom 23.
Februar 2007 und 15. Oktober 2007 geäußert.
13
Der Beklagte wurde durch Verfügung vom 25. März 2008 mit sofortiger Wirkung vorläufig des Dienstes
enthoben und seine Bezüge ab dem 1. April 2008 um 4,59% gekürzt. Nach seiner Ruhestandsversetzung
wurde die Kürzung der Bezüge (des Ruhegehalts) mit Verfügung vom 9. September 2008 ab dem 1. August
2008 aufgehoben.
III.
14
Der Beklagte ist strafrechtlich wie folgt in Erscheinung getreten:
15
Er wurde durch das Urteil des Amtsgerichts Garmisch-Partenkirchen (Jugendschöffengericht) vom 4.
Februar 2008 zu einer Freiheitsstrafe von 11 Monaten wegen sexueller Nötigung in einem minder schweren
Fall verurteilt. Die Vollstreckung der Strafe wurde für vier Jahre zur Bewährung ausgesetzt.
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Den Urteilsgründen liegen diesbezüglich folgende tatsächliche Feststellungen zugrunde:
17
„Zu einem nicht genau bekannten Zeitpunkt vor dem 11. November 2006 hatte der Angeschuldigte mit der
am 13. Januar 1990 geborenen L. Z. ein Fotoshooting in dem von ihm angemieteten Raum auf dem
Gelände der Standortverwaltung M. in der T.-straße ... vereinbart. Am 11. November 2006, kurz vor 12.00
Uhr, holte der Angeschuldigte L. Z. am Bahnhof in Garmisch-Partenkirchen ab und verbrachte sie zu
seinem „Studio“ auf dem Militärgelände. Da Samstag war, war das Gelände der Standortverwaltung leer.
Die Zufahrt ist nur über ein versperrtes Tor möglich, welches der Angeschuldigte nach der Durchfahrt
wieder versperrte. Auf dem Gelände befinden sich weitläufige Gebäude, welche auch im Übrigen kaum
benutzt werden. Der Angeschuldigte betrat mit der 16-jährigen L. Z. das Gebäude mit dem von ihm
angemieteten und als Fotoatelier genutzten Raum und versperrte die Eingangstüre nach dem Betreten. Der
Angeschuldigte ist der einzige, welcher für das Fotoatelier über Schlüssel verfügt. Den in der Zugangstüre
befindlichen Glaseinsatz hatte der Angeschuldigte von innen mit schwarzer Folie als Sichtschutz versehen.
L. Z. hatte der Angeschuldigte zuvor per E-Mail über deren Modelagentur „Fotoagentur“ kontaktiert. Es war
zu keiner Zeit vereinbart worden, dass der Angeschuldigte Aktfotos von L. Z. machen würde.
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Der Angeschuldigte richtete sodann sein fototechnisches Gerät her und zeigte L. Z. Aktfotos, welche er zu
einem früheren Zeitpunkt von anderen Models aufgenommen hatte. L. Z. schminkte sich sodann nach und
der Angeschuldigte begann das Fotoshooting. Nach der ersten Fotoreihe, bei der L. Z. noch bekleidet war,
forderte der Angeschuldigte das Mädchen auf, den BH abzulegen. L. Z. lehnte dies zunächst ab, nachdem
der Angeschuldigte jedoch weiter darauf bestand und er versprach, dass man auf den Fotos nichts sehen
würde, da ihre Brüste ja noch durch ein Shirt bedeckt seien, ließ sich L. Z. hierzu überreden und legte den
BH ab. Daraufhin verlangte der Angeschuldigte vom Mädchen Posen, bei denen ihre Brüste sichtbar waren.
Auch dies wollte L. Z. nicht, da sie es aber mit der Angst zu tun bekam, da sie mit dem Angeschuldigten
ganz alleine war und aufgrund der Weitläufigkeit und der versperrten Türen auch nicht wusste, wie sie von
dem Gelände kommen sollte, fügte sie sich den Aufforderungen. Diesen Umstand, dass das Mädchen
aufgrund der räumlichen Verhältnisse und der versperrten Türen auf den Angeschuldigten angewiesen war,
nutzte dieser aus und forderte sie auf, sich gänzlich auszuziehen. Diesem Ansinnen kam L. Z. aufgrund der
von ihr als ausweglos empfundenen Situation schließlich zum Teil nach und entblößte ihren Oberkörper.
Daraufhin brachte der Angeschuldigte ihr eine durchsichtige Bluse, die L. Z. offen tragen musste. Er stellte
einen Ventilator neben das Mädchen, so dass sich die Bluse im Windspiel immer wieder öffnete und ihre
Brüste zu sehen waren. So fotografierte er die zweite Serie, während L. Z. ihn laufend darauf hinwies, dass
sie auf keinen Fall so aufgenommen werden wollte. Dennoch forderte der Angeschuldigte sie auf, sich
gänzlich auszuziehen und sich ein kurzes Kleid anzuziehen. Auch hierbei nutzte der Angeschuldigte den
Umstand aus, dass L. Z. aufgrund der Räumlichkeiten und der Tatsache, dass sie gänzlich auf ihn
angewiesen war, verängstigt war und nur deswegen seine Aufforderung nachkam und sich bis auf den Slip
auszog. In der Folgezeit musste sich L. Z. mit durchsichtiger Kleidung auf eine Erhöhung legen und in
unterschiedlichsten Stellungen posieren. Dies war L. Z. sehr unangenehm, was sie dem Angeschuldigten
auch sagte. Dennoch schoss der Angeschuldigte weitere Fotos und kam schließlich mit Creme und
Sonnenöl auf das Mädchen zu. Der Angeschuldigte forderte das Mädchen auf, sich auf den Boden zu legen
und sich auszuziehen. Dieser Aufforderung kam L. Z. aufgrund der Umstände widerwillig nach und zog die
Bluse, die sich zu diesem Zeitpunkt trug, aus. Sie legte sich auf den Bauch und der Angeschuldigte
massierte sie mit Öl und Creme am Rücken. Während dieser Massage sagte er L. Z. wiederholt, dass sie
die tollste und schönste sei. Außerdem versuchte der Angeschuldigte, das Mädchen zu küssen und küsste
sie zart in Rücken und Hals. Hierbei war dem Angeschuldigten bewusst, dass L. Z. dies nicht wollte. Wie
ihm weiterhin bewusst war, sagte das Mädchen nichts gegen seine Zudringlichkeiten, da sie sich aufgrund
der Umstände nicht traute. Schließlich nutzte der Angeschuldigte die Situation, L. Z. plötzlich unter die Hose
ans Gesäß zu fassen und anschließend ihre Brüste zu streicheln. Dem Massieren ihrer Brüste entzog sich
L. Z. schließlich, indem sie aufstand und den Angeschuldigten aufforderte, mit dem Fotografieren
weiterzumachen. Der Angeschuldigte wollte daraufhin Aktfotos von L. Z. machen, worauf diese sich jedoch
nicht einließ. Der Angeschuldigte beendete daher gegen 18.45 Uhr das Fotoshooting und fuhr L. Z. nach
einer Stunde Wartezeit schließlich zum Bahnhof. Während dieser Wartezeit zeigte der Angeschuldigte L. Z.
noch einige Aktfotos und äußerte, dass er so etwas schon auch gerne mit ihr machen würde.
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Während des Shootings und während der Angeschuldigte die Lage von L. Z. dazu ausnutzte, dieser ans
Gesäß und Brüste zu fassen, war ihm bewusst, dass aufgrund der Abgeschiedenheit und da sie kein
Schlüssel hatte, L. Z. von vornherein auf jeglichen Widerstand oder Gegenwehr verzichtete. Ihm war weiter
bewusst, dass er als erwachsener Mann auf das sechzehnjährige Mädchen, mit dem er in der
Abgeschiedenheit ganz alleine war, einschüchternd wirkte. Da es sich um ein Wochenende handelte und
das gesamte Gelände verlassen war, wären auch jegliche Hilferufe von L. Z. sinnlos gewesen. Auch diesen
Umstand nutzte der Angeschuldigte für die Vornahme seiner Handlungen aus.“
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3. Den ursprünglich unter Ziff. 1 der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft München II erhobenen Vorwurf
eines Vergehens des Besitzes kinderpornografischer Schriften hat der Beklagte in der mündlichen
Verhandlung vor dem Amtsgericht Garmisch-Partenkirchen eingeräumt. Das Verfahren wurde in diesem
Punkt gemäß Art. 154 Abs. 2 StPO vorläufig eingestellt.
21
Der zugrundeliegende Vorwurf lautete:
22
„Im Rahmen einer Routineüberprüfung des dienstlichen Laptops des Angeschuldigten durch die WBV Süd
wurde festgestellt, dass der Angeschuldigte kurz vor der Überprüfung eine größere Datenmenge gelöscht
hatte. Weitere Ermittlungen, insbesondere die Auswertung dieses Laptops und weiterer, im Rahmen einer
daraufhin veranlassten Wohnungsdurchsuchung bei dem Angeschuldigte in ..., Ko.-straße ...,
sichergestellten Computer und Datenträger ergaben, dass hinsichtlich des Notebooks Gericom Webgine XL
Force Internetseiten oder Dateien mit einschlägigen kinderpornographischen Begriffen im Titel wie
beispielsweise „teens“, „pedo“, „lolitas“, „preeteen“ oder „underage“ aufgerufen worden waren. Durch dieses
Surfverhalten nahm der Angeschuldigte es zumindest billigend in Kauf, dass er auch Bild- oder
Videodateien, welche den sexuellen Missbrauch von Kindern zum Gegenstand haben und ein tatsächliches
oder wirklichkeitsnahes Geschehen wiedergeben, aus dem Internet auf seinen Computer lud.
Beispielsweise zeigt die Videodatei „Cali Marie & Cherish - Sex With Young Girls.mpg“ zwei höchstens 13jährige Zwillingsschwestern, welche zunächst jeweils in ihrer Scheide manipulieren und sodann jeweils bei
erwachsenen Männern Oralverkehr ausüben. Die kindliche, unbehaarte Scham ist jeweils deutlich zu
sehen. Des Weiteren haben die beiden Mädchen noch einen sehr kindlichen Brustansatz und insbesondere
bei dem beim Oralverkehr rechts im Bild befindlichen Mädchen ist die kindliche Unerfahrenheit bei der
Ausübung des Oralverkehr deutlich zu sehen.“
IV.
23
Am 10. Mai 2012 hat die WBV Süd Klage beim Verwaltungsgericht München erhoben mit dem Antrag, dem
Beklagten das Ruhegehalt abzuerkennen. Die Klägerin legt dem Beklagten folgende Sachverhalte als
Dienstvergehen zu Last:
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1. Den Sachverhalt des rechtskräftigen Strafurteils (sexuelle Nötigung in einem minder schweren Fall),
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2. die Speicherung des kinderpornografischen Kurzfilms „(Twin Sisters) Cali Marie & Cherish - Sex with
young girls.mpg“ sowohl auf seinem privaten Notebook (Gericom) als auch dem dienstlichen Rechner
(Hyrican) und
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3. die Nutzung des Raums auf dem Standortgelände als Fotostudio.
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Mit Urteil vom 22. Januar 2013 hat das Verwaltungsgericht dem Beklagten das Ruhegehalt aberkannt.
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Der ihm zur Last gelegte Sachverhalt, sexuelle Nötigung in einem minder schweren Fall nach § 177 Abs. 1
Nr. 3 i. V. m. Abs. 5 HS. 1 StGB, stehe zur Überzeugung des Gerichts aufgrund der Bindungswirkung der
tatsächlichen Feststellungen des rechtskräftigen Urteils des Amtsgerichts Garmisch-Partenkirchen vom 4.
Februar 2008 nach §§ 23, 57 BDG fest. Es stelle ein schwerwiegendes Dienstvergehen dar, zumal der
Beklagte seine beruflichen Zugangsmöglichkeiten zum Kasernengelände für seine Straftat ausgenutzt habe.
Er habe sich damit nicht so verhalten, wie es sein Amt erfordere und er habe dem Ansehen seines
Dienstherrn schwer geschadet. Auch die Nutzung des dienstlichen Rechners für die Speicherung
kinderpornographischer Kurzfilme sei achtungs- und vertrauensschädigend und könne wegen des
dienstlichen Bezugs nicht als außerdienstliches Dienstvergehen angesehen werden. Die Einrichtung eines
Fotostudios im Gelände einer Kaserne, in der - wie der Beklagte als Standortverwalter sehr wohl gewusst
habe - das Fotografieren verboten sei, sei ein erhebliches Dienstvergehen. Die Lage des Studios im
abgeschlossenen Kasernengelände habe, wie auch das Amtsgericht festgestellt habe, den psychischen
Druck auf die potentiellen „Models“ erheblich vergrößert.
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Ausgangspunkt für die Angemessenheit der Disziplinarmaßnahme sei der Sachverhalt des Strafurteils,
nämlich die sexuelle Nötigung, begangen in einem Fotostudio auf dem abgeschlossenen Gelände der
Standortverwaltung am Samstag, den 11. November 2006. Zwar gebe es für derartige Straftaten keine
Regelmaßnahme, vielmehr seien die Umstände des Einzelfalles zu beurteilen. Hier sei unter anderem
maßgebend, dass der Beklagte ein Verbrechen (Strafrahmen sechs Monate bis fünf Jahre) begangen habe.
Die Freiheitsstrafe von elf Monaten sei nur möglich gewesen, weil das Strafgericht von einem minder
schweren Fall ausgegangen sei. Wie im Strafurteil eindringlich geschildert, habe der Beklagte die räumliche
Situation auf dem Gelände der Standortverwaltung ausgenutzt. Am Wochenende sei das Gelände
menschenleer. Das Kasernentor sei abgesperrt. Ebenso sei das Gebäude, in dem der Beklagte sein
Fotostudio eingerichtet habe, abgeschlossen. In diesem Umfeld sei die sechzehnjährige Betroffene den
„Überredungskünsten“ des Beklagten ausgesetzt gewesen. Im konkreten Fall komme noch hinzu, dass der
Beklagte - wie sich aus den Ermittlungsakten ergebe - gezielt darauf gesetzt habe, dass junge Mädchen
heutzutage vielfach den Wunsch hätten, bereits in jungen Jahren eine Modelkarriere zu beginnen. Als
Einstieg dafür benötigten sie „Bewerbungsfotos“, hätten aber nicht das Geld, diese professionell erstellen zu
lassen. Das Internetportal des Beklagten sei bis zum letzten Jahr für jedermann frei zugänglich gewesen
und habe Interessentinnen die entsprechenden Kontaktmöglichkeiten geboten. Die Aussicht, kostenlos
entsprechende „Bewerbungsfotos“ zu erhalten, und so die von den Medien (insbesondere Privatsendern)
propagierte Karriere beginnen zu können, sei verlockend. Aus diesen Gründen sei die Höchstmaßnahme,
nämlich die Aberkennung des Ruhegehalts, zu verhängen.
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Die guten Leistungen, die der Beklagte im Dienst erbracht habe und die 2003 mit einer Leistungsprämien
gewürdigt worden sein, rechtfertigten es nicht, von der Höchstmaßnahme abzusehen. Vielmehr ergebe die
prognostische Gesamtwürdigung, dass der Beklagte auch in Zukunft seinen Interessen nachgehen werde
und es dabei zu neuerlichen Übergriffen kommen könne. Es sei dem Dienstherrn und der Allgemeinheit
nicht zuzumuten, den Beamten lebenslang zu alimentieren. Vielmehr sei die Vertrauensgrundlage
unwiederbringlich zerstört. Dies führe nach § 13 Abs. 2 Satz 2 BDG zur Aberkennung des Ruhegehalts. Die
Maßnahme sei auch verhältnismäßig. Da das Vertrauensverhältnis zerstört sei, erweise sich die
Aberkennung des Ruhegehalts als angemessene Reaktion auf das Dienstvergehen. Die Auflösung des
Dienstverhältnisses beruhe nämlich auf der schuldhaften Pflichtverletzung durch den Beamten und sei
diesem daher als für alle öffentlichrechtlichen Beschäftigungsverhältnisse vorhersehbare Rechtsfolge bei
derartigen Pflichtverletzungen zuzurechnen.
V.
31
Der Beklagte hat gegen dieses Urteil, seinem Bevollmächtigten zugestellt am 21. Februar 2013, am 21.
März 2013 Berufung einlegen und beantragen lassen,
32
unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 22. Januar 2013 die Disziplinarklage
abzuweisen, hilfsweise auf eine mildere Disziplinarmaßnahme zu erkennen.
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Die Berufung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass das Verwaltungsgericht nicht sämtliche
entlastende Tatsachen bei der Gesamtwürdigung mit einbezogen habe. Das Verwaltungsgericht habe als
(einzige) entlastende Tatsache die Leistungen angeführt, die der Beklage im Dienst erbracht habe und die
2003 mit einer Leistungsprämie gewürdigt worden seien. Neben den guten Leistungen, die der Beklagte
Dienst erbracht habe, sei jedoch auch zu berücksichtigen, dass der Beklagte disziplinarrechtlich nicht
vorbelastet sei. Weiter sei das Nachtatverhalten des Beklagten zu berücksichtigen nämlich dahingehend,
dass dieser durch sein umfassendes Geständnis im Strafverfahren der Geschädigten eine Aussage erspart
habe. Die durch das Strafgericht festgestellten sexuellen Handlungen seien im unteren Bereich
anzusiedeln. Es sei davon auszugehen, dass die zur Tatzeit 16 Jahre und zehn Monate alte Jugendliche
keine dauerhaften Belastungen davon getragen habe. Soweit das Verwaltungsgericht ausführe, dass der
Beklagte gezielt junge Mädchen mit der Aussicht auf kostenlose „Bewerbungsfotos“ für eine Modelkarriere
gelockt habe, sei dem entgegenzuhalten, dass die bei dem hier verfahrensgegenständlichen Vorfall
Betroffene bereits einige Zeit davor bei einer Internet-Fotoagentur aufgelistet gewesen sei, eine eigene
Webseite betrieben habe, auf der sie sich als Modell vorgestellt und offenbar vor dem Vorfall durchaus
Erfahrungen vor der Kamera gesammelt habe. Weiter habe das Verwaltungsgericht nicht ausreichend
berücksichtigt, dass es sich hierbei um eine außerdienstliche Verfehlung des Beklagten gehandelt habe. Ein
derartiges Verhalten müsse nach den Umständen des Einzelfalls im besonderen Maße geeignet sein, das
Vertrauen in einer für das Amt bedeutsamen Weise beeinträchtigen, damit es überhaupt ein Dienstvergehen
darstelle. Diese Wertung müsse auch in die Beurteilung, ob ein endgültiger Vertrauensverlust anzunehmen
sei, mit einfließen. Über die Beeinträchtigung des amtsbezogenen Vertrauens in besonderem Maße hinaus
müsse das Vertrauen in einen Beamten, damit die Erkennung auf die Höchstmaßnahme gerechtfertigt sei,
vollkommen und unwiederbringlich zerstört sein. Hierfür liefere Verwaltungsgericht jedoch keine tragfähige
Begründung. Soweit es ausführe, die prognostische Gesamtwürdigung ergebe, dass der Beklagte auch in
Zukunft seine Interessen nachgehen werde und es dabei zu neuerlichen Übergriffen kommen könne, sei
nicht ersichtlich, worauf das Gericht eine derartige Prognose gründe. Insbesondere wäre auch die
Möglichkeit, dass es auch in Zukunft zu neuerlichen Übergriffen kommen könne, nicht ausreichend, um hier
einen endgültigen Vertrauensverlust annehmen zu können. Ein erheblicher Verstoß gegen Dienstpflichten
müsse daher bei dieser Prognoseentscheidung zumindest wahrscheinlich sein. Vielmehr sei hier zum einen
zu berücksichtigen, dass der Beklagte bereits Jahre vor dem Vorfall nach Aktenlage eine Vielzahl von
Fotoshootings durchgeführt habe, ohne dass es zu irgendwelchen Übergriffen oder sonstigen relevanten
Vorkommnissen gekommen sei. Weiter sei auch der präventive Effekt des Strafurteils zu berücksichtigen.
Schließlich müsse auch berücksichtigt werden, dass der Beklagte bereits in den Ruhestand versetzt worden
sei, so dass mit einer weiteren Dienstverfehlung nicht zu rechnen sei.
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Dem verwaltungsgerichtlichen Urteil sei nicht sicher zu entnehmen, ob es die beiden weiteren Vorwürfe
überhaupt noch bei seiner Entscheidung über die Verhängung der Maßnahme mit einbezogen habe. Was
den Vorwurf der Speicherung von kinderpornographischen Kurzfilmen auf dem dienstlichen bzw. dem
privaten Rechner betreffe, sei ein entsprechender Sachverhalt nicht bewiesen. Dateien
kinderpornographischen Inhalten seien gerade nicht gefunden worden. Hinsichtlich des Vorwurfs, dass der
Beklagte einen von ihm angemieteten Raum auf dem Standortgelände als Fotostudio benutzt habe, sei
nicht ersichtlich, inwieweit es sich hier um ein Dienstvergehen handeln sollte.
35
Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt,
36
die Berufung zurückzuweisen.
37
In der mündlichen Verhandlung vom 12. März 2014 wurde der Disziplinarvorwurf der Nutzung des
angemieteten Raums auf dem Standortgelände als Fotostudio mit Beschluss des Senats vom
Disziplinarverfahren ausgeschieden.
38
Mit Beschluss vom 12. März 2014 in der Fassung vom 19. Mai 2014 hat der Senat Beweis erhoben über die
Frage, ob die in der mündlichen Verhandlung übergebene CD „Dateien Server Murnau“ bzw. das unter dem
2. Mai 2014 übersandte „Image der Festplatte“ Dateien des dienstlichen Rechners Hyrican-BEN 01338451
enthält, ob der Film „(Twin Sisters) Cali Marie und Cherish - Sex with young girls.mpg“ auf der CD bzw. dem
Image des dienstlichen Rechners vorhanden ist/war, wann dieser Film auf dem dienstlichen Rechners
gespeichert worden ist und ob der Film kinderpornografische Inhalte enthält, durch Einholung eines
Sachverständigengutachtens.
39
Unter dem 26. Mai 2014 hat der Sachverständige sein Gutachten vorgelegt. Auf der CD „Dateien Server
Murnau“ seien Daten, die dem privaten und dienstlichen Umfeld des Klägers zuzurechnen seien. Der Film
sei nicht darauf vorhanden. Das Image sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht das Image
der Originalfestplatte, die seinerzeit im dienstlichen Laptop des Klägers eingebaut gewesen sei. Das auf
dem Image (nicht in voller Länge) vorhandene Video sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit
keine Kinderpornografie.
40
Mit Schriftsatz vom 18. Juni 2014 räumt die Klägerin ein, der in der Disziplinarklage enthaltene Vorwurf des
Besitzes kinderpornografischer Dateien sei nicht nachgewiesen worden. Gleichwohl sei ein Dienstvergehen
insbesondere wegen der begangenen sexuellen Nötigung festzustellen.
41
Der Senat hat am 23. Juli 2014 mündlich zur Sache verhandelt. Hierzu wird auf die Niederschrift verwiesen.
42
Ergänzend wird auf die Gerichts- und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen. Dem Senat haben
diesbezüglich vorgelegen:
43
1 Personalgrundakte nebst Nebenakte Beurteilungen
44
Disziplinarakte 2 Bände
45
Ermittlungsakten Band 1, 2, 4 und 5
46
2 Akten der Staatsanwaltschaft München II - Az. 12 Js 44604/06
47
1 Akte des Amtsgerichts Mannheim - Az. 402 Js 20031/98
Entscheidungsgründe
48
Die Berufung des Beklagten ist zulässig und hat in der Sache Erfolg. In Abänderung des Urteils des
Verwaltungsgerichts vom 22. Januar 2013 war die Disziplinarklage abzuweisen.
49
Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung vom 12. März 2014 das Verfahren durch Beschluss gemäß §
56 Satz 1 BDG auf die Anschuldigungspunkte der sexuellen Nötigung und des Speicherung eines
kinderpornografischen Kurzfilms sowohl auf dem privaten Notebook als auch dem dienstlichen Rechner
beschränkt. Er ist der Auffassung, dass der Vorwurf der Nutzung eines angemieteten Raums auf dem
Standortgelände als Fotostudio hinsichtlich der Art und Höhe der sich aus den anderen beiden Komplexen
ergebenden Disziplinarmaßnahme nicht ins Gewicht fällt.
I.
50
Das Disziplinarverfahren weist in formeller Hinsicht keine Mängel auf. Solche sind auch vom Beklagten im
Berufungsverfahren nicht geltend gemacht worden.
II.
51
Hinsichtlich der dem Beklagten als Dienstvergehen zu Last gelegten Sachverhalte, ist die sexuelle Nötigung
zur Überzeugung des Berufungsgerichts erwiesen (1.). Der Sachverhalt „Speicherung eines
kinderpornografischen Kurzfilms“ konnte hingegen nicht nachgewiesen werden (2.).
52
1. Hinsichtlich der sexuellen Nötigung der Jugendlichen L. Z. ist der vom Verwaltungsgericht festgestellte
Sachverhalt auch zur Überzeugung des Berufungsgerichts erwiesen. Dass der Beklagte das ihm zur Last
gelegte Dienstvergehen begangen hat, steht aufgrund des rechtskräftigen Strafurteils des Amtsgerichts
Garmisch-Partenkirchen vom 4. Februar 2008, das gemäß Art. 25 Abs. 1 i. V. m. Art. 55, Art. 63 Abs. 1
BayDG auch für das Berufungsgericht Bindungswirkung entfaltet, fest. Anhaltspunkte dafür, dass das Urteil
des Amtsgerichts Garmisch-Partenkirchen vom 4. Februar 2008 offenkundig unrichtige Feststellungen im
Sinne von Art. 55 BayDG enthält, sind nicht ersichtlich. Der Beklagte hat die Taten auch eingeräumt.
Danach ist Gegenstand des Verfahrens eine sexuelle Nötigung in einem minder schweren Fall, was mit
einer Freiheitsstrafe von 11 Monaten, ausgesetzt zur Bewährung, strafrechtlich geahndet worden ist.
53
2. Der Vorwurf, der Beklagte habe den kinderpornografischen Kurzfilm „(Twin sisters) Cali Marie & Cherish Sex with young girls.mpg“ sowohl auf seinem privaten Notebook (Gericom) als auch dem dienstlichen
Rechner (Hyrican) gespeichert, ist nicht erwiesen. Ausweislich des im Strafverfahrens eingeholten
Sachverständigengutachtens vom 24. Mai 2007 (vgl. Bl. 323 ff. der Disziplinarakte Band II) konnten im
Datenbestand des Notebooks Gericom keine strafrechtlich relevanten Dateien festgestellt werden;
insbesondere fand sich nicht der angeschuldigte Film im Datenbestand (vgl. Gutachten vom 24.5.2007,
Seite 7 = Bl. 329 Disziplinarakte Band II). Ein im Berufungsverfahren in Auftrag gegebenes
Sachverständigengutachten des bisher nicht begutachteten dienstlichen Rechners Hyrican-BEN 01338451
hat ergeben, dass das Video zwar (zumindest teilweise) auf dem Image vorhanden war, aber mit an
Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit keine Kinderpornografie ist (vgl. Gutachten vom 26.5.2014, Seite
6). Beide Gutachten sind in sich stimmig, nachvollziehbar und überzeugend. Die Klägerin ist den
gutachterlichen Feststellungen nicht entgegen getreten und hat zugestanden, dass der in der
Disziplinarklage enthaltene Vorwurf des Besitzes kinderpornografischer Dateien nicht nachgewiesen
werden konnte.
III.
54
Die gegenüber L. Z. begangene sexuelle Nötigung ist als schweres außerdienstliches Dienstvergehen
einzustufen, weil der Beamte vorsätzlich schuldhaft die ihm obliegenden Dienstpflichten verletzt hat (§ 77
Abs. 1 BBG).
55
Maßgeblich ist die Rechtslage im Tatzeitpunkt (11.11.2006). Zwar ist das im Rahmen des
Dienstrechtsneuordnungsgesetzes vom 5. Februar 20092009, BGBl I S. 160, novellierte
Bundesbeamtengesetz seit dem 12. Februar 2009 mit geändertem Inhalt (und teilweise geänderter
Paragrafenfolge) in Kraft. Obwohl § 77 Abs. 1 Satz 2 BBG a. F. in seinem Wortlaut hinsichtlich der
„Achtung“ über die Formulierung des § 77 Abs. 1 Satz 2 BBG n. F. hinausgeht, ergibt sich hieraus jedoch
keine Rechtsänderung, weil der mit der Gesetzesänderung nachvollzogene Wertungswandel bei der
Beurteilung außerdienstlichen Verhaltens als Dienstvergehen bereits zum Tatzeitpunkt der Auslegung des §
77 Abs. 1 Satz 2 BBG a. F. entsprach. Mit Ausnahme der redaktionellen Anpassung an die
geschlechtergerechte Sprache stimmen § 77 Abs. 1 Satz 1 BBG in der jetzt geltenden Fassung mit der
vorangehenden Fassung sowie § 61 Abs. 1 Satz 3 BBG in der Fassung des
Dienstrechtsneuordnungsgesetzes (a. a. O.) - n. F. - mit der Vorgängerregelung des § 54 Satz 3 BBG - a. F.
- im Wesentlichen überein. Für die Frage, ob der Beamte im angeschuldigten Tatzeitraum seine
Dienstpflichten schuldhaft verletzt hat, ist daher weiterhin die damalige Sach- und Rechtslage maßgebend,
weil es auch im Hinblick auf den Rechtsgedanken des § 2 Abs. 3 StGB kein für den Beklagten
materiellrechtlich günstigeres neueres Recht gibt (vgl. BVerwG, U. v. 25.8.2009 - 1 D 1/08 - NVwZ 2010,
713- juris Rn. 33).
56
Das Verhalten des Beamten ist als außerdienstliche Pflichtverletzung i. S. des § 77 Abs. 1 Satz 2 BBG a. F.
wie n. F. zu bewerten, denn es stellt sich als Verhalten einer Privatperson ohne kausale und logische
Einbindung in ein Amt und eine damit verbundene dienstliche Tätigkeit dar. Der Beamte hat durch die
sexuelle Nötigung der jugendlichen L. Z. gegen seine auch außerdienstlichen Pflichten zu achtungs- und
vertrauenswürdigem Verhalten (§ 54 Satz 3 BBG a. F.; § 61 Abs. 1 Satz 3 BBG n. F.) verstoßen.
57
Das außerdienstliche Fehlverhalten des Beamten erfüllt auch die besonders qualifizierenden
Voraussetzungen des § 77 Abs. 1 Satz 2 BBG a. F.. Zwar wird von einem Beamten außerdienstlich kein
wesentlich anderes Sozialverhalten erwartet als von jedem Bürger. Hier übersteigt jedoch das Fehlverhalten
des Beamten das einer jeden außerdienstlichen Pflichtverletzung innewohnende Mindestmaß an
disziplinarischer Relevanz deutlich und erfüllt damit die besonderen Anforderungen an ein Dienstvergehen i.
S. v. § 77 Abs. 1 Satz 2 BBG a. F.. Maßgebend hierfür ist die Eignung zur Vertrauensbeeinträchtigung in
besonderem Maß, die sich entweder auf das Amt des Beamten im konkret - funktionellen Sinne
(Dienstposten), d. h. auf die Erfüllung der dem Beamten konkret obliegenden Dienstpflichten, oder auf das
Ansehen des Berufsbeamtentums als Sachwalter einer stabilen und gesetzestreuen Verwaltung beziehen
muss (BVerwG, U. v. 19.8.2010 - 2 C 5/10 - juris).
58
Vorsätzlich begangene schwerwiegende Straftaten, die mit einer Freiheitsstrafe geahndet worden sind,
führen allerdings auch ohne Bezug auf das konkrete Amt in der Regel zu einer Ansehensschädigung, wie
die gesetzgeberische Wertung in § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BBG, vormals § 48 Satz 1 Nr. 1 BBG a. F., zeigt
(vgl. BVerwG, U. v. 30.8.2000 - 1 D 37/99 - BVerwGE 112, 19 - juris). Um eine solche schwerwiegende
Straftat handelt es sich bei der sexuellen Nötigung in einem minder schweren Fall im Sinne des § 177 Abs.
1 Nr. 3, Abs. 5 StGB, die mit einer Freiheitsstrafe geahndet worden ist. Eine Straftat gegen die sexuelle
Selbstbestimmung eines anderen Menschen wiegt schwer. § 177 StGB schützt die sexuelle
Selbstbestimmung, d. h. die Freiheit der Person, über Zeitpunkt, Art, Form und Partner sexueller Betätigung
nach eigenem Belieben zu entscheiden. Ein Beamter, der sich durch einen Verstoß gegen diese Strafnorm
schuldig macht und dadurch die Würde und sexuelle Selbstbestimmung einer Frau missachtet, schädigt
sein eigenes Ansehen und das der Beamtenschaft in sehr hohem Maße.
IV.
59
Welche Disziplinarmaßnahme im Einzelfall erforderlich ist, richtet sich gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 BDG
nach der Schwere des Dienstvergehens unter angemessener Berücksichtigung der Persönlichkeit des
Beamten und des Umfangs der durch das Dienstvergehen herbeigeführten Vertrauensbeeinträchtigung.
Danach müssen die sich aus § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 BDG ergebenden Bemessungskriterien mit dem ihnen
im Einzelfall zukommenden Gewicht ermittelt und in die Entscheidung eingestellt werden. Dieses
Erfordernis beruht letztlich auf dem im Disziplinarverfahren geltenden Schuldprinzip und dem Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit (Übermaßverbot). Die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme
muss unter Berücksichtigung aller belastenden und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem
gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen (vgl.
BVerwG, B. v. 11.2.2014 - 2 B 37/12 - juris Rn. 18).
60
Hiernach ist die Schwere des Dienstvergehens maßgebendes Bemessungskriterium für die Bestimmung
der erforderlichen Disziplinarmaßnahme. Die Schwere beurteilt sich nach objektiven Handlungsmerkmalen
wie Eigenart und Bedeutung der Dienstpflichtverletzungen, den besonderen Umständen der Tatbegehung
sowie Häufigkeit und Dauer eines wiederholten Fehlverhaltens, nach subjektiven Handlungsmerkmalen wie
Form und Gewicht des Verschuldens des Beamten und den Beweggründen für sein Verhalten sowie nach
den unmittelbaren Folgen für den dienstlichen Bereich und für Dritte (vgl. BVerwG, B. v. 11.2.2014 - 2 B
37/12 - juris Rn. 19; U. v. 28.2.2013 - 2 C 62.11 - NVwZ-RR 2013, 693 - juris Rn. 39).
61
Für die disziplinarrechtliche Relevanz außerdienstlicher Straftaten und für die Bestimmung der hierfür
angemessenen Disziplinarmaßnahme kommt dem gesetzlichen Strafrahmen maßgebende Bedeutung zu.
Die Orientierung am Strafrahmen gewährleistet eine rationale und gleichmäßige disziplinarrechtliche
Bewertung außerdienstlichen Fehlverhaltens. Disziplinarwürdigkeit und Schwere außerdienstlichen
Fehlverhaltens hängen dabei maßgebend davon ab, ob ein Bezug zur Dienstausübung des Beamten
gegeben ist. Dies setzt voraus, dass das Fehlverhalten nachteilige Schlüsse auf die Wahrnehmung der
dienstlichen Aufgaben zulässt oder eine Beschädigung von Autorität und Ansehen des Beamten zur Folge
hat, die ihn in der Amtsführung dauerhaft beeinträchtigt (vgl. BVerwG, B. v. 11.2.2014 - 2 B 37/12 - juris Rn.
20; B. v. 25.5.2012 - 2 B 133.11 - NVwZ-RR 2012, 607 - juris Rn. 9 mit weiteren Nachweisen).
62
Für den vorliegenden Fall ergibt sich danach Folgendes:
63
Hinsichtlich der disziplinarrechtlichen Bewertung des dem Beamten zur Last gelegten Strafdelikts der
sexuellen Nötigung (§ 177 StGB) hat die disziplinarrechtliche Rechtsprechung keine Regeleinstufung als
sog. „Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen“ entwickelt. Die Variationsbreite, in der solche
Dienstvergehen denkbar sind, ist zu groß, als dass sie einheitlichen Regeln unterliegen und in ihren
Auswirkungen auf das Vertrauen gleichermaßen eingestuft werden können. Stets sind die besonderen
Umstände des Einzelfalls maßgebend.
64
In einer Entscheidung des Wehrdienstsenats des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Juli 2010 (2 WD 5.09
- juris Rn. 28; bestätigend: U. v. 15.3.2013 - 2 WD 15/11 - juris Rn. 30) wird ausgeführt, dass es der
Rechtsprechung des Senats entspreche, dass beim sexuellen Missbrauch eines Kindes oder der sexuellen
Nötigung eines Jugendlichen ein Soldat für die Bundeswehr im Grundsatz untragbar geworden ist (Verweis
auf die Urteile vom 18.7.2001 - 2 WD 51.00 - und vom 29.1.1991 - 2 WD 18.90 - juris). Nur in
minderschweren Fällen oder bei Vorliegen besonderer Milderungsgründe könne der Soldat im
Dienstverhältnis bleiben. Der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts hat entschieden (U. v. 25.3.2010 - 2
C 83/08 - BVerwGE 136, 173 - juris 18), dass bei einem außerdienstlichen sexuellen Missbrauch eines
Kindes gemäß § 176 Abs. 1 StGB, der mit einer Freiheitsstrafe geahndet wurde, die Höchstmaßnahme
indiziert ist, wenn es in der Gesamtheit an hinreichend gewichtigen entlastenden Gesichtspunkten fehlt.
65
Für die Bestimmung der angemessenen Disziplinarmaßnahme kommt aber auch dem gesetzlichen
Strafrahmen maßgebende Bedeutung zu (vgl. vgl. BVerwG, B. v. 11.2.2014 - 2 B 37/12 - juris Rn. 20; U. v.
19.8.2010 - 2 C 5.10 - juris). Für die disziplinarrechtliche Ahndung der außerdienstlichen sexuellen Nötigung
ist aus dem Strafrahmen des § 177 Abs. 5 StGB von sechs Monaten bis zu fünf Jahren für die
Maßnahmebemessung auf einen Orientierungsrahmen bis zur Dienstentfernung abzustellen (vgl. BVerwG,
B. v. 23.1.2014 - 2 B 52/13 - juris Rn. 8; B. v. 26.6.2012 - 2 B 28/12 - juris Rn. 12). Diese Maßnahme
entspricht bei einem Ruhestandsbeamten die Aberkennung des Ruhegehalts gemäß § 12 BDG.
66
Unter Berücksichtigung dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung geht der Senat als Ausgangspunkt der
Maßnahmebemessung von der Aberkennung des Ruhegehalts aus.
67
Auch der im Hinblick auf den Strafrahmen einer außerdienstlichen Straftat bestimmte Orientierungsrahmen
bildet aber lediglich den Ausgangspunkt der Bemessungsentscheidung; hiervon ausgehend haben die
Gerichte zu prüfen, ob Erkenntnisse zum Persönlichkeitsbild und zum Umfang der
Vertrauensbeeinträchtigung im Einzelfall derart ins Gewicht fallen, dass eine andere als die durch die
Schwere des Dienstvergehens indizierte Disziplinarmaßnahme geboten ist. Danach kann die
Disziplinarmaßnahme sowohl höher als auch niedriger ausfallen (vgl. BVerwG, B. v. 11.2.2014 - 2 B 37/12 juris Rn. 21; B. v. 21.12.2010 - 2 B 29.10 - juris Rn. 15). Es sind die Umstände des Einzelfalls entsprechend
zu würdigen. Für die Zumessungsentscheidung müssen die in § 13 BDG genannten Bemessungskriterien
mit dem ihnen zukommenden Gewicht ermittelt und eingestellt werden. Dieses Erfordernis beruht auf den
im Disziplinarverfahren geltenden Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Danach muss
die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme unter Berücksichtigung aller be- und
entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens
stehen, die maßgebend auch vom Verschulden des Beamten abhängt. Insbesondere entfällt die
Indizwirkung dann, wenn sich im Einzelfall aufgrund des Persönlichkeitsbildes des Beamten
Entlastungsgründe von solchem Gewicht ergeben, dass die prognostische Gesamtwürdigung den Schluss
rechtfertigt, der Beamte habe das Vertrauensverhältnis nicht vollends zerstört (vgl. BVerwG, U. v. 25.3.2010
- 2 C 83/08 - BVerwGE 136, 173 - juris Rn. 20).
68
Zugunsten des Beklagten spricht, dass die ihm vorgeworfene sexuelle Nötigung nach Auffassung des
Senats auch in dem vom Strafgericht angenommenen minder schweren Fall dem unteren Bereich
denkbarer Begehungsformen sexuellen Missbrauchs zuzuordnen ist. Zu berücksichtigen ist, dass sich die
Geschädigte in Kenntnis der Umstände darauf eingelassenen hat, sich mit einem ihr nur durch E-MailKontakte bekannten, ca. 20 Jahre älteren Mann, auf das am Wochenende verlassene Kasernengelände
begeben, um sich fotografieren zu lassen. Bei dem Versuch des Beklagten, die Geschädigte zu küssen,
dem zarten Beißen an Hals und Rücken, dem Greifen an das Gesäß unter der Hose und dem Streicheln der
Brüste der auf den Bauch liegenden L. Z, das wegen der liegenden Position nur am seitlichen Brustansatz
möglich war, handelt es sich um sexuelle Handlungen, die im unteren Bereich der Strafbarkeit liegen. Als L.
Z. aufstand und den Beklagten aufforderte, mit dem Fotografieren weiterzumachen, kam er dieser
Aufforderungen sofort nach, so dass Intensität und Dauer des körperlichen Übergriffs gering waren. Für den
Beklagten spricht auch, dass er nach der Aufforderung nicht weiter insistierte und die Geschädigte auch im
weiteren Verlauf des Shootings nicht belästigte. Erschwerend ist jedoch zu berücksichtigen, dass L. Z. erst
16 Jahre alt war. Insgesamt ist daher jedoch noch von einer sexuellen Nötigung auszugehen, die an der
unteren Schwelle eines minderschweren Delikts anzusiedeln ist mit der Folge, dass für die
Maßnahmenbemessung im konkreten Einzelfall eine Entfernung aus dem Dienst bzw. eine Aberkennung
des Ruhegehalts zu den besonderen Umständen der Tatbegehung nicht mehr in einem angemessenen
Verhältnis steht. Zugunsten des Beamten spricht weiter, dass er geständig war und die Tat eingeräumt hat,
so dass er der geschädigten L. Z. eine Zeugeneinvernahme erspart und damit Empathie bewiesen hat.
Zugunsten des Beklagten ist auch zu berücksichtigen, dass er vor der angeschuldigten Tat bisher
disziplinarrechtlich und strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten ist und seine letzte dienstliche
Beurteilung „Übertrifft die Anforderungen“ lautete und er im Jahr 2003 eine Leistungsprämie erhielt.
69
In der Gesamtschau aller be- und entlastenden Umstände erscheint dem Senat bei einem aktiven Beamten
eine Zurückstufung (§ 9 BDG) angemessen und geboten. Dieser Maßnahme entspricht - als einzige mildere
Maßnahme gegenüber der Aberkennung des Ruhegehalts - bei einem Ruhestandsbeamten die Kürzung
des Ruhegehalts gemäß § 11 BDG. Dem Ausspruch einer Kürzung steht hier jedoch § 14 Abs. 1 BDG
entgegen. Nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 BDG darf, wenn gegen einen Beamten im Strafverfahren unanfechtbar
eine Strafe verhängt worden ist, wegen desselben Sachverhalts eine Kürzung des Ruhegehalts nicht
ausgesprochen werden. Aus diesem Grund war die Disziplinarklage abzuweisen.
V.
70
Die Kostentscheidung beruht auf § 77 Abs. 1 BDG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO.
71
Eine Kostenentscheidung entsprechend § 77 Abs. 2 BDG kommt nicht in Betracht. Wenn das Gericht eine
Disziplinarverfügung wegen eines bestehenden Disziplinarmaßnahmeverbots (§ 14 BDG) trotz Vorliegens
eines Dienstvergehens aufhebt, besteht gemäß § 77 Abs. 2 BDG die Möglichkeit für das Gericht, eine von §
77 Abs. 1 BDG, § 154 Abs. 1 VwGO abweichende Kostengrundentscheidung zu treffen und „die Kosten“
ganz oder teilweise dem Beamten aufzuerlegen. Bei Abweisung von Disziplinarklagen wegen eines
Disziplinarmaßnahmeverbots - wie im vorliegenden Fall - besteht diese Möglichkeit nicht. Der Umstand,
dass § 77 BDG im Falle der Klageabweisung wegen eines Maßnahmeverbots nach § 14 BDG anders als §
37 Abs. 2 Satz 2 BDG bei behördlicher Einstellung keine Kostenentscheidung zulasten des beklagten
Beamten zulässt, ist Folge des kostenrechtlichen Unterliegensgrundsatzes (vgl. VG Berlin, U. v. 15.10.2013
- 80 K 15.13 OL - juris Rn. 15; OVG Berlin, U. v. 2.6.2014 - OVG 80 D 10.13 - juris Rn. 19; Weiß,
Disziplinarrecht des Bundes und der Länder, Stand: Mai 2014, § 77 Rn. 32).
72
Durch das Dienstrechtsneuordnungsgesetz vom 5. Februar 2009 (BGBl I, 160) wurde nämlich die spezielle
Kostentragungsregelung im bisherigen § 77 Abs. 1 BDG zugunsten der allgemeinen
verwaltungsgerichtlichen Kostenregelungen gestrichen. Begründet wurde die Neuregelung dahingehend,
dass die Kostenregelungen für das disziplinargerichtliche Verfahren an die des verwaltungsgerichtlichen
Verfahrens angepasst werden sollen (BT-Dr 16/2253 S. 15). Damit findet der mit dem Inkrafttreten des
Bundesdisziplinargesetzes zum 1. Januar 2002 begonnene Paradigmenwechsel im Disziplinarrecht weg
von der Strafprozessordnung und hin zur Verwaltungsgerichtsordnung seinen konsequenten Fortgang (vgl.
Urban/Wittkowski, Bundesdisziplinargesetz, 1. Auflage 2011, § 77 Rn. 1).
73
Die Revision war nicht zuzulassen (§ 69 BDG, § 132 VwGO, § 191 Abs. 2 VwGO, § 127 BRRG).