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» www.iframagazine.com Leitfaden für Entscheider Januar 2008 IFRA Magazine Gratiszeitungen Der Gratiszeitungsmarkt boomt. Immer mehr Titel werden gestartet, die Auflagen steigen. Sollten Sie 2008 in dieses Segment vorstoßen wollen, hier finden Sie Denkanstöße. Bald ein „Kostenlos-Mekka“? Die Welt der Gratis-Tageszeitungen ist in Bewegung. Selbst nach einem mehrjährigen starken Wachstum expandiert dieser Markt weiterhin rasant. Die Auflage von Gratiszeitungen stieg 2007 um weitere 40 % auf täglich 42 Millionen Exemplare (von 30 Mio. Ende 2006), und die Zeitungen erscheinen nun in mindestens 52 Ländern (2006: 41 Länder). Diese Daten stammen von Piet Bakkers hervorragender Website www.newspaperinnovation.com. P. Bakker, Professor für Journalismus in den Niederlanden, ist Gratiszeitungsexperte und schreibt in seinem Blog regelmäßig über alle Aspekte dieses Marktsegments. Neben den massiven Auflagensteigerungen und der zunehmenden Verfügbarkeit von Gratistiteln in aller Welt stellt dieser Markt ein Experimentierfeld für Neuentwicklungen dar. Ende November wurde berichtet, dass der Beijing Daily Messenger, ehemals eine Kaufzeitung, neu als kostenlose Tageszei- tung mit einer Auflage von 200 000 Exemplaren gestartet wurde, die im U-Bahn-Netz der Stadt verteilt werden. Bisher waren Gratiszeitungen in China relativ selten. In Indien, einem weiteren bedeutenden Markt, wo bislang keine nennenswerten Gratisaktivitäten zu verzeichnen waren, lancierte The Hindu am 10. Dezember eine neue kostenlose Tageszeitung mit Namen Ergo (Startauflage: 50 000 Exemplare). Metro International, der größte Zeitungsverlag der Welt mit einer täglichen Gesamtauflage von 8,8 Millionen Exemplaren in 23 Ländern, gab am 30. November den Rücktritt von Chief Operating Officer Chris Spalding zum Jahresende bekannt. Wenn bei diesem Verlag etwas auf hoher Führungsebene geschieht, verdient es Beachtung. Dies war die jüngste Enwicklung eines Jahres voller Ereignisse bei Metro, die von dem Rückzug des Verlages aus dem polnischen Markt Anfang des Jahres bis hin RedEye profitiert vom Modellmix dass über den Freitag hinaus noch mehr Nachfrage nach RedEye vorhanden war. Darüber hinaus stellten wir fest, dass wir den Beilagenkunden hervorragende Möglichkeiten bieten konnten, wenn wir am Wochenende ein Produkt an die Haushalte verteilten, denn von montags bis freitags ist RedEye in erster Linie ein Medium für Anzeigen. (...) Eines unserer Ziele bestand also darin, die Beilagenkunden zu erreichen. RedEye, die Gratiszeitung der Chicago Tribune, startete im Oktober 2002 als kostenpflichtige Tageszeitung, stellte aber 2005 auf das GratisBrad Moore modell um. Im Mai 2007 kam eine Samstagsausgabe mit Direktzustellung hinzu. Die tägliche Auflage beläuft sich auf 200 000 Exemplare und die Zeitung ist profitabel. Brad Moore ist Geschäftsführer von RedEye. IFRA: Es gibt verschiedene Vorstellungen zum Vertrieb von Gratiszeitungen. Wie kamen Sie zu Ihrer Entscheidung? B. Moore: Wir haben hin und her über- IFRA Magazine: Wie kommt die Samstagsausgabe bei den Lesern und Anzeigenkunden an? Brad Moore: Bisher wurde sie von den Lesern gut akzeptiert. Wir haben über 60 000 Opt-In-Abonnenten. (Die Leser müssen der Lieferung zustimmen.) Wir hofften, rund 50 000 Heim-Abonnenten zu bekommen, jetzt sind wir bei 60 000 und hoffen, bis Mitte nächsten Jahres 100 000 zu erreichen. Einer der Gründe, weshalb wir die Wochenendausgabe lancierten, war, dass wir das Gefühl hatten, legt. Sicherlich ist das Opt-Out viel einfacher (dabei wird jeder in einem Gebiet solange beliefert, bis er der Belieferung widerspricht), doch wir glauben, insbesondere für die Beilagenkunden ist es von viel größerem Wert, wenn man belegen kann, dass jemand das Produkt ausdrücklich haben möchte. Siehe vollständiges Interview auf der Website (5292) 22 zu mehreren Veränderungen auf der Ebene des oberen Managements reichten, darunter der Rücktritt von CEO Pelle Törnberg Mitte des Jahres, der beim Aufbau des Gratiszeitungskonzepts Mitte der 90er Jahre half. Zu nennen sind auch die hohen Verluste von Metro International im dritten Quartal (annähernd 18 Mio. Dollar), nachdem das Unternehmen erst im Jahr zuvor erstmalig Gewinn erzielte. Der neue CEO (seit 1. November), Per Mikeal Jensen, blickt sicherlich einem arbeitsintensiven ersten Jahr in seiner neuen Funktion entgegen. Worauf sollten Sie in diesem Segment im neuen Jahr gefasst sein? „Die Zahlen werden auch 2008 weiter steigen, aber vielleicht nicht so rasant wie in den Jahren 2006 und 2007“, erklärt Jim Chisholm, Geschäftsführender Gesellschafter von iMedia Advisory Services, der in den vergangenen Jahren regelmäßig über die Entwicklung im Gratiszeitungsmarkt schrieb und referierte. „Wir werden eine stärkere Spezialisierung und alternative Geschäftsmodelle erleben. Ich glaube, dass wir auch mehr Hybrid-Distribution beobachten werden, bei der Kaufzeitungen teilweise kostenlos vertrieben werden, entweder zur geografischen oder zeitlichen Ausweitung der Verfügbarkeit des Produkts oder zur gezielten Ansprache ausgewählter Gruppen. (...) Auch werden wir immer mehr Umstellungen vom Bezahl- auf das Gratis-Modell erleben.“ Solide Grundidee In Anbetracht der Vielzahl der Gratiszeitungen und ihres Wettbewerbs um Anzeigenkunden in vielen Märkten gibt es Spekulationen darüber, ob Gratiszeitungen noch ein gutes Geschäftsmodell darstellen. Chisholm dazu: „Wie bei jedem Geschäft, braucht es etwas Zeit, und natürlich verlieren einige Gratiszeitungen Geld. Aber einige sind extrem profitabel. Ich weiß von einer Zeitung, die eine Umsatzrendite von nahezu 40 % erzielt. Nach meiner Einschätzung werden 80 % der gestarteten kostenlosen Zeitungen überleben – aber nur weniger als ein Drittel der bezahlten. (...) Das ursprüngliche Konzept der Verteilung von Gratiszeitungen in öffentlichen Verkehrsmitteln von Groß- » www.iframagazine.com Januar 2008 Leitfaden für Entscheider IFRA Magazine Zum Online-Abruf Code (direkten Link) eingeben » Vollständiges Interview mit Brad Moore von RedEye (5292) » Frühere Interviews mit Piet Bakker (1512 und 3308) städten erreicht seinen Sättigungspunkt und es treten andere Distributionsformen in Erscheinung (mehr dazu unten). Metro International distribuiert heute über 40 % seiner Auflage auf anderem Wege, was auch für die meisten anderen Titel gilt. Wir beobachten auch mehr speziell ausgerichtete Gratisprodukte, die im Bereich Finanzen, Sport und Unterhaltung lanciert werden.“ Wochenzeitung in Betrachtung ziehen Verlage müssen nicht zwangsläufig mit einer neuen Tageszeitung in den Gratismarkt eintreten. In einem seiner kürzlichen „Free Daily Newspapers“-Newsletter merkt Piet Bakker an: „Die Einführung einer Wochenzeitung könnte sich als Test oder eigenständiges unabhängiges Geschäftsmodell eignen. (...) Es gibt in der Tat bereits viele kostenlose Wochenzeitungen; nicht nur die traditionellen Gratisblätter oder lokalen Anzeigenpublikationen. Viele Wochenzeitungen haben die Anmutung eines Magazins oder einer Tageszeitung. In Frankreich und Spanien werden davon viele publiziert, und auch die Londoner können zwischen vielen Titeln wählen.“ Das Vertriebsmodell ist entscheidend Je mehr Gratiszeitungen ihre Auflagen unter die Leute bringen wollen, umso wichtiger wird das Vertriebsmodell. In den ersten Jahren wurden viele kostenlose Zeitungen hauptsächlich über öffentliche Verkehrsmittel vertrieben. Dann tauchten andere Modelle auf, darunter das vom Examiner in den Vereinigten Staaten angewandte Modell, bei dem die Zeitungen an die Bewohner wohlhabender Gegenden verteilt werden. Dies ist vergleichbar mit dem Direktmarketing und birgt daher auch die gleichen Risiken (d. h. ungelesen in den Müll zu wandern). J. Chisholm ist von der Tragfähigkeit direkt zugestellter Gratiszeitungen weniger überzeugt. Bei der Distribution auf der Straße oder in Verkehrsmitteln entscheidet der Konsument selbst, ob er die Zeitung lesen möchte. Bei der Hauszustellung kommt die Zeitung an, ob der Leser das möchte oder nicht. Das Ergebnis ist, dass die Leserrate pro Exemplar bei der Straßenauslieferung zwischen 2,4 und 2,8 liegt, während sie bei der Hauszustellung oftmals weniger als 1 Höhenflug: Gratistageszeitungen 2004 – 2007 Länder Auflage (Mio. Exemplare) © 2008 Ifra Auch im vergangenen Jahr stieg die weltweite Gesamtauflage der Gratiszeitungen weiter stark an (auf zurzeit 42 Millionen Exemplare pro Tag) und die Zahl der Länder, die über kostenlose Tageszeitungen verfügen, wuchs auf inzwischen 52. Die Zahlen basieren auf Informationen, die auf der Website des Experten für Gratiszeitungen, Piet Bakker, veröffentlicht wurden: www.newspaperinnovation.com. Immer auf dem Laufenden bleiben beträgt. Also ist nicht nur die Distribution teurer, auch der Wert für den Werbekunden ist geringer.“ Eine interessante Variante des Modells der Hauszustellung entwickelte die in Chicago ansässige Tribune Company für ihre kostenlose Tageszeitung RedEye (siehe Kasten auf nebenstehender Seite): Sie bietet ihre Samstagsausgabe ausschließlich über kostenlose Hauszustellung an, doch die Leser müssen die Zeitung anfordern, erklärt Brad Moore, der Geschäftsführer von RedEye. Die Wochentagsausgaben von RedEye sind auch per Hauszustellung erhältlich, doch dafür müssen die Leser eine Gebühr von einem Dollar pro Woche entrichten. Ganz gleich, ob Sie die Einführung einer Gratiszeitung in diesem Jahr bereits ernsthaft in Betracht ziehen oder sogar schon eine publizieren, es kommt entscheidend darauf an, die Entwicklungen im Gratiszeitungsmarkt zu verfolgen, da dieses Segment inzwischen so groß geworden ist, dass es nicht ignoriert werden sollte. Auch als Ihre Zeitung vor einigen Jahren erstmals eine Website startete, verfolgten Sie das, was andere Verlage machten. Wie bei den Online-Angeboten, können Sie sich eine Menge von Ideen für eine Gratiszeitung holen, wenn Sie die Aktivitäten anderer kennen. Die vielleicht beste Informationsquelle für die Entwicklungen im weltweiten Gratiszeitungsmarkt ist Piet Bakkers bereits erwähnter Blog unter der Adresse www. newspaperinnovation.com, den er nicht selten täglich aktualisiert. P. Bakker verfolgt die Entwicklungen bei Gratiszeitungen seit Ende der 90er Jahre und „bloggt“ darüber seit August 2004. Er gibt auch regelmäßig einen Newsletter heraus, der kostenlos über diese Website angefordert werden kann. Wie der Markt, den er beobachtet, so expandierte auch Bakkers Newsletter: Er verzeichnet derzeit rund 800 Abonnenten, gegenüber 550 Ende 2006. Proaktives Vorgehen Eine bezahlpflichtige oder kostenlose Zeitung in erster Linie zur Verteidigung des eigenen Terrains zu starten, ist eine reaktionäre Maßnahme, die in der Regel nicht den richtigen Weg zu größerem Erfolg darstellt. „Viele der Titel, die Einbußen verzeichnen, wurden als protektive Maßnahmen und nicht als offensive Vorhaben gestartet“, sagt Jim Chisholm. Positives und proaktives Denken ist gefragt: Lancieren Sie eine kostenlose Zeitung, weil Sie neue Leser (und natürlich neue Anzeigenkunden) erreichen und die bestehenden Beziehungen in Ihrer Community ausbauen wollen. Brian Veseling ([email protected]) 23