Zitierhinweis copyright Gräf, Holger Th.: Rezension über: Thomas

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Gräf, Holger Th.: Rezension über: Thomas Lau, Unruhige Städte.
Die Stadt, das Reich und die Reichsstadt (1648-1806), München:
Oldenbourg, 2012, in: Mitteilungen des Instituts für Österreichische
Geschichtsforschung, 121 (2013), 1, S. 251-253,
http://recensio.net/r/0bf440c15d1442e4b24b4c666f0d5a7e
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Geschichtsforschung, 121 (2013), 1
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MIOG 121/1 / p. 265 / 26.2.2013
Notizen
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Weise) Historikerinnen, haben sich seit den Zeiten Friedrich Schillers dem Leben und Wirken
von Rebitschs Protagonisten biographisch angenähert und für sich das erzählerische Potential
des Wallensteinschen Lebens mit seinem raschen Auf- und dramatischen Abstieg fruchtbar
gemacht. Kurz und prägnant skizziert Rebitsch in seinem einleitenden Kapitel diese Forschungsgeschichte und stellt die immer noch kontroversen Deutungen des kaiserlichen Generalissimus vor, um sodann seine eigene Fragestellung zu entwickeln. Sein Ziel ist es, „die
verschiedenen Profile des Machtmenschen“ (S. 17) Wallenstein, so auch der programmatische
Untertitel seiner Studie, zu betrachten. „Wallenstein hatte die Macht, Kriege zu führen und zu
finanzieren, er hatte die Macht, Armeen auszurüsten und zu unterhalten, er hatte die Macht,
großes Kapital zu generieren und zu verschieben, er hatte die Macht, in den politischen Verlauf
der Dinge einzugreifen, er hatte die Macht in seinen Herrschaften zu regieren und große Bauprojekte umzusetzen, er hatte die Macht, Pracht und Prunk zur Schau zu stellen, er hatte die
Macht, Menschen zu protegieren und Menschen zu stürzen, er liebte die Macht, bis er seine
Macht auf brutale Art und Weise verlor.“ (S. 17)
Folgerichtig strukturieren die verschiedenen Handlungsfelder, auf denen Wallenstein als
Akteur entgegentritt, und nicht die Chronologie des Wallensteinschen Lebens Rebitschs Darstellung. In acht Kapiteln lässt er, gut lesbar und wohl informiert, Wallenstein und seine Lebenszeit (1583–1634) Revue passieren. Ausgehend vom Aufstieg Wallensteins im Vorzeichen
der Niederlage der böhmischen Adelsopposition 1620, die Wallenstein zu einem jener (Hoch-)
Adeligen machte, die von dem daraus resultierenden umfassenden Prozess der Elitentransformation in den (Erb-)Ländern des Hauses Österreichs profitierten, wird ein weiter Bogen gespannt. Wallenstein wird als erfolgreicher militärischer Akteur und Landesherr in seinem Fürstentum bzw. Herzogtum Friedland (1624/25) vorgestellt, aber auch – besonders verdienstvoll –
als „Ökonom und Kapitaljongleur“ (S. 17), als Mäzen und Politiker gewürdigt. Ein eigener
Abschnitt ist abschließend dem Sturz des „Verräters“ Wallensteins gewidmet, der am 22. Februar 1634 zu seiner Ermordung in Eger führte. Mit den widersprüchlichen Äußerungen, die
sein Tun und Lassen schon unmittelbar nach seiner Tötung kommentierten und letztlich bis
zum heutigen Tage fortdauern, beschließt Rebitsch seine Darstellung.
Rebitsch gelingt es dergestalt, ein flüssig geschriebenes Panorama des Lebens und der Lebenszeit Wallensteins zu zeichnen, das den Leser/die Leserin zugleich, gleichsam en passant,
auch mit der neueren Wallensteinforschung vertraut macht und die verschiedenen Dimensionen der Wallensteinschen Lebenswirklichkeit geschickt miteinander verknüpft. Die ansprechende Aufmachung des Bandes mit zahlreichen Illustrationen tut das ihrige, dass der Band
bei denjenigen, auf die er zielt, Studierende und die berühmten historischen Laien (männlichen
wie weiblichen Geschlechts), sicherlich auf das ihm gebührende Interesse stoßen wird. Ich auf
jeden Fall werde Rebitschs Biographie meinen Studierenden, die sich für die Geschichte des
Dreißigjährigen Krieges interessieren und mit der Materie noch nicht wohl vertraut sind, künftig zur Lektüre empfehlen.
Graz
Gabriele Haug-Moritz
Thomas Lau, Unruhige Städte. Die Stadt, das Reich und die Reichsstadt (1648–
1806). (bibliothek altes Reich 10.) Oldenbourg, München 2012. 156 S.
Die Forschung zu den deutschen Städten in der Frühen Neuzeit hat in den letzten Jahrzehnten eine bislang ungekannte Flut an Untersuchungen zu einzelnen Städten wie zu systematischen Fragestellungen hervorgebracht, die auch bereits in handlichen Darstellungen synthetisiert worden sind, etwa durch Heinz Schilling (2004) oder Ulrich Rosseaux (2006).
Konsequent dem Konzept der vor gut fünf Jahren von Anette Baumann, Stephan Wendehorst
und Siegrid Westphal begründeten Reihe „bibliothek altes Reich“ folgend – nämlich neuere
methodische Ansätze von Anthropologie, Geschlechtergeschichte, den Kulturwissenschaften
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Rezensionen
oder der Kommunikationsforschung zur Untersuchung der Geschichte des Alten Reichs heranzuziehen, die zudem durch die Bündelung von Forschungsergebnissen aus den unterschiedlichen Sub- und Nachbardisziplinen gestärkt werden soll – gelingt Thomas Lau die Positionierung des zehnten Bandes dieser Reihe in einem gut bestellten Forschungsfeld. Ausgehend von
Überlegungen der New Cultural Geography und Vertretern des Spatial Turn entwickelt er
einen Darstellungsmodus, der davon ausgeht, dass in der Stadt „Imagination und Materie“
(S. 11) wirkungsmächtig zusammentrafen, insofern die (Selbst-)Positionierung städtischer Akteure – seien es Individuen oder Gruppen, seien es Kaufleute oder Handwerker, seien es Patrizier oder Angehörige der Unterschichten – in den realen städtischen Räumen ebenso wie die
(Selbst-)Positionierung der einzelnen Stadt in ihrem Umland, ihrer Landschaft oder ihrem
politischen Handlungsspielraum – sei es das Territorium, der Reichskreis, der Städtebund oder
eben das Reich – gleichermaßen zur Genese und Durchsetzung imaginierter Raumvorstellungen bei den Akteuren wie den jeweiligen Städten führten. Anhand dieser Grundüberlegung
beschäftigt sich Lau in drei Kapiteln mit der Geschichte der deutschen Reichsstädte in der
zweiten Frühneuzeithälfte. Da man sich naturgemäß mit der Selbst- und Fremdwahrnehmung
im Konflikt am intensivsten auseinandersetzt, betrachtet er zunächst die „streitende Stadt“ in
der Behauptung ihres republikanischen Selbstverständnisses und der Reichsunmittelbarkeit, in
der Auseinandersetzung mit den Nachbarn im Rahmen des Reichssystems, die flächige Organisation in formellen Städtebünden, Städtetagen und eher informellen Städtenetzen und die
gelegentliche Ausbildung regionaler Identitäten. Im folgenden Kapitel zum „Streit in der Stadt“
werden die realen und imaginierten Handlungsräume der Juden, der städtischen Eliten, der
Bürger/Untertanen, der Geistlichen sowie des Gemeinen Mannes und der Randgruppen behandelt. Das Kapitel „Streit um die Stadt“ betont den hohen symbolischen Wert der Reichsstädte in den Kriegen nach 1648, insofern die einzelne Reichsstadt immer als Stellvertreter des
Reiches gesehen wurde, sei es intern in Gegnerschaft des Kaisers, wie in Konstanz 1548, oder
gegenüber dem revolutionären Frankreich im Falle Frankfurts 1792. Etwas gezwungen wirkt
die Unterordnung des an sich wichtigen Abschnittes zu den Reichsstädten als „Arenen der
Diplomatie“ unter dieses Kapitel, in dem Lau die Funktion der Reichsstädte in den nördlichen
und westlichen Regionen, etwa Köln und Hamburg, als Sitz kaiserlicher Residenten und Gesandten für die Stabilisierung des Reiches als „politische Interaktionsgemeinschaft und als gemeinsam imaginiertes Ordnungssystem“ (S. 126) herausstreicht. Aufgrund der immer wieder
plastisch und prononciert vorgetragenen Beispiele bleibt die abstrakte Gedankenführung des
Autors gut nachvollziehbar, und man stimmt überzeugt zu, dass die „Reichsstädte […] verdichtete Räume des Reichs [waren], in denen das Reich in seiner ganzen Vielfältigkeit präsent
war. Mehr noch: Sie bildeten Räume der Interaktion, in denen die verschiedenen Ebenen des
Reiches zusammentrafen – regionale und transregionale, ökonomische und kulturelle, politische und sakrale Imaginationen wurden hier in soziale Praxis verwandelt und soziale Praxis in
Form von Imaginationen abstrahiert.“ (S. 128)
Allerdings seien auch drei Kritikpunkte erlaubt. Zunächst erschließt sich dem Leser aus der
Darstellung nicht, warum der Untertitel des Bandes „Die Stadt, das Reich und die Reichsstadt“
in der Überschrift des einleitenden Kapitels in umgekehrter Reihenfolge als „Das Reich, die
Stadt und die Reichsstadt“ auftaucht. Angesichts der beständigen, darstellerisch und sachlich
völlig nachvollziehbaren, ja zweifelhaft nötigen Rückgriffe in das 16. Jahrhundert und die erste
Hälfte des 17. Jahrhunderts muss man zudem die Sinnhaftigkeit des gewählten Zeitschnittes
(1648–1806) hinterfragen. Durchaus im Bewusstsein der enormen Masse an einschlägigen
Forschungen und dem nur beschränkt zur Verfügung stehenden Raum vermisst man einige
für das Thema zentral wichtige Monographien – etwa Scott zu Freiburg/Br., Querfurt zu
Braunschweig, Hertner zu Straßburg, Friedrichs zu Nördlingen sowie Hahn und Schieber zu
Wetzlar, de Vries und Hohenberg/Lees zur Urbanisierung und nicht zuletzt Walker zu den
„German Home Towns“. Diese Kritik kann jedoch nicht den Eindruck trüben, dass mit diesem
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Band eine Synthese zur Geschichte der Reichsstädte auf der Grundlage eines erfrischend neuen
Ansatzes gelungen ist.
Marburg
Holger Th. Gräf
David Worthington, British and Irish Experiences and Impressions of Central Europe, c.1560–1688. (Politics and Culture in Europe, 1650–1750.) Ashgate, Farnham
u. a. 2012. 232 S.
Die britischen, schottischen und irischen Netzwerke und deren Entstehen zwischen Exil
und Emigration im mitteleuropäischen Raum sowie die textliche Repräsentation von Mitteleuropa (etwa in Reiseberichten) stellen das deklarierte Forschungsziel des an der University of
the Highlands and Islands (Inverness, Schottland) beschäftigten Autors dar. Die Entstehung
der protestantischen Kirche in Schottland 1560 einerseits und die Glorious Revolution 1688
andererseits setzen dem Thema zeitliche Grenzen, räumlich umspannt das Buch die Habsburgermonarchie sowie Polen/Litauen. Einleitend entwickelt sich das Thema breit von der frühmittelalterlichen iroschottischen Expansion der „Scoti“ über die Welle der mitteleuropäischen
Schottenklöster (1140–1240) hin zu den merkantilen Interessen der Briten/Iren im Mittelalter
und in der Frühen Neuzeit („englische“ Textilien).
Insgesamt fünf Kapitel versuchen das quellenmäßig verstreut angelegte Thema zu umreißen: Reiseberichte (Commentators and Comparisons, S. 19–45), der Hof und der Hofadel
(S. 47–83), die Soldaten der Christenheit (S. 85–124), Calvinisten (etwa am Hof Friedrichs
von der Pfalz, S. 125–150) und katholische Priester (etwa Jesuiten von den Inseln, S. 151–185)
sind Analysefelder. Schon die frühneuzeitlichen Reiseberichte bzw. auch die „Grand Tour“ von
Adeligen von den Inseln belegen, dass Zentraleuropa vor allem als „Bollwerk der Christenheit“
im Focus der Öffentlichkeit („Liegt Böhmen noch am Meer […]“, „Ein Wintermärchen“)
stand, wobei dem Kreis um den Grafen Walter Leslie und anderen Exilierten eine wichtige
Vermittler- bzw. Kulturtransferfunktion zukam. Die periodisch bemerkbaren diplomatischen
Kontakte (verstärkt 1636/37 und um 1665) zwischen den Tudors, den Stuarts und dem Wiener Hof basierten auf einem gemeinsamen Feindbild (Frankreich) und umgekehrt auf der insgesamt naiven Hoffnung nach einer universalistischen Konzeption des Christentums. Bereits
die militärgeschichtlich-biographisch orientierte Dissertation von Ernst Schmidhofer (1971)
belegte das deutlich wahrnehmbare irische, schottische und englische Element in der kaiserlichen Armee und zeigt das Verhältnis von politisch-sozialer Lage und Emigration am Beispiel
von Schottland und Irland deutlich auf. Die bekannte Beteiligung irischer und schottischer
Offiziere (Walter Butler, Johann Gordon und der auch diplomatisch tätige Walter Leslie) an
der Ermordung Wallensteins in Eger 1634 belegt nur deren große Bedeutung für das Heer.
Franz Taaffe (1639–1704) stieg nicht nur 1694 zum Feldmarschall, sondern auch zum Inhaber
des Ordens vom Goldenen Vließ auf; Georg Ernst Wallis (1621–1689) fiel als FeldmarschallLeutnant vor Mainz. Konfessionell verlässliche Namen wie die schottische Familie der Ogilvies
kämpften als kaisertreue Vorposten gegen den „Erbfeind“. Aber auch protestantische Gelehrte,
etwa der von Elbing aus operierende John Dury (1596–1680) und sein auf eine Wiedervereinigung des Christentums abzielendes Netzwerk (darunter Comenius), lassen sich ebenso finden wie Ärzte (etwa Thomas Moffet), Alchemisten (etwa John Dee), Bibliophile wie Sir Henry
Wotton (1568–1639); generell deutet der Autor die enge Verflechtung von „wissenschaftlichen“ und geschäftlichen Interessen an. Das Beispiel des Arztes und Reiseschriftstellers Edward
Browne (1644–1708) belegt das existente englischsprachige Netz in der Habsburgermonarchie.
Katholische Geistliche englischsprachigen Ursprungs lassen sich in fast allen Teilen der Habsburgermonarchie finden (wie eine Liste von Jesuiten S. 163f. zeigt), daneben wirkte Mary
Ward (1585–1645) im Bereich der Bildung von Frauen. Irische Franziskaner und schottische
MIÖG 121 (2013)