Maut-Daten nur für Maut-Zwecke

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Maut-Daten nur für Maut-Zwecke
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MEINUNG
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WUES - Seite 2
Leitartikel
Die Freiheit ist nicht grenzenlos
Richterspruch zum Sozialmissbrauch in der EU
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Von DETLEF DREWES
[email protected]
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D
as Urteil könnte
Europa verändern. Weil es
denen, die diese
Union so gerne durch
Verzerrungen madig
machen wollen, die
Munition nimmt. Denn der Spruch
der Luxemburger Richter gegen Sozialleistungsmissbrauch in der Gemeinschaft musste so kommen.
Seit Jahren enthält die kritisierte
Richtlinie zur Freizügigkeit eben
diese Bestimmungen, die nun als
Errungenschaft gefeiert werden:
keine Hilfen in den ersten drei
Monaten, danach ohnehin nur,
wenn man zuvor gearbeitet hat.
Eine Gleichstellung mit Einheimischen und deren Ansprüchen frühestens nach fünf Jahren. Das alles
war längst beschlossen. Nun wurde
es bestätigt.
Der Riegel gegen EU-Immigranten inklusive einer Handhabe gegen
unberechtigte Forderungen nach
Geldern zur Unterstützung war im
Unionsrecht immer festgezurrt. Der
Streit war eine Luftnummer zur
Wahlkampfzeit, derer sich viele
Stammtischredner nur allzu gerne
bedient haben.
Nun herrscht die gleiche Klarheit
wie vorher – sieht man davon ab,
dass Deutschland künftig jeden einzelnen Fall prüfen muss, weil ein
pauschaler Ausschluss von Hartz IV
nicht legal ist. Eigentlich könnten
sogar die EU-Kritiker damit zufrieden sein.
Doch das werden sie nicht, weil
die Zerrbilder einer drohenden
Überfremdung, die ein Ausbluten
der Sozialkassen nach sich ziehen
könnten, einfach zu gut in ihr Weltbild passen. Aber es gibt keinen Ausverkauf der Mitgliedstaaten. Schon
bei der Abfassung der FreizügigkeitsRichtlinie, die zu den großen Errun-
genschaften Europas gehört, hat
man Grenzen eingezogen. Sie entsprachen dem, was in den zurückliegenden Monaten an Bedingungen eingefordert wurde.
Dennoch zeigt dieser Richterspruch auf, dass man in einer politisch verantworteten und korrekten
Diskussion Unterschiede machen
muss – zwischen denen, die tatsächlich nur kommen, weil man von
deutscher oder anderer Sozialhilfe
besser leben kann als zu Hause, und
denen, die als Arbeitnehmer dringend gebraucht werden.
Dass dies für die breite Mehrheit
auch der oft geschimpften Bulgaren
und Rumänen zutrifft, sei an dieser
Stelle erwähnt.
Der Streit um dieses Verfahren,
aber auch um die Öffnung der
Grenzen zu den beiden jüngeren
Mitgliedstaaten, dokumentiert ein
ganz anderes, größer werdendes
Problem. Wir brauchen ausländische Zuwanderer. Es gibt schon
heute weite Teile unserer Wirtschaft, unseres Gesundheits- und
Pflegewesens und unserer Dienstleistungsbranche, die zurückgestutzt
werden müssen, weil Stellen nicht
mehr besetzt werden können.
Dass Krankenhäuser ganze Operationstrakte schließen müssen, weil
es an fachlich geschultem OP-Personal mangelt, sollte doch zu denken geben. Es ist richtig, dass diejenigen, denen es nur um das Abgreifen von Sozialhilfe geht, den Ruf
der anderen, die gerne kommen
und arbeiten, ohne dem Staat jemals zur Last zu fallen, beschädigen.
Man vermisst im Streit darüber
allerdings die besonnenen Stimmen, die wenigstens einmal aussprechen, dass es nur eine begrenzte
Zahl von schwarzen Schafen ist. Für
alle anderen sollten wir das hohe
Recht der Freiheit zu leben und zu
arbeiten, wo man will, vereidigen –
und sie dazu ermuntern, dass ihre
Wahl auf Deutschland fällt.
Zitat des Tages
........................
„Die seit 2004 entstandenen
hohen Kaufkraftverluste bei
den Renten werden auch
durch diese Anpassung
nicht ausgeglichen.“
Adolf Bauer, Präsident des
Sozialverbandes Deutschland
........................
Adolf Bauer
FOTO: W. KUMM, DPA
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ZEICHNUNG: ERL
Maut-Daten nur für Maut-Zwecke
Bundesbeauftragte Andrea Voßhoff will Autofahrer vor Überwachung schützen
werden die Daten gespeichert. Damit bleibt Hackern,
BND oder anderen Organisationen Zeit genug, zumindest die „Zechpreller“ auszuspionieren. Sind die
selbst schuld?
VOSSHOFF: Die Bereitstellung einer angemessenen Sicherheitsarchitektur zum Schutz vor unrechtmäßigen Zugriffen auf personenbezogene
Daten ist essenzielle Grundlage für deren Speicherung. Dabei ist es nach meinem Verständnis
eine Selbstverständlichkeit dafür zu sorgen, dass
die gewählten Sicherheitsstandards stets auf dem
aktuellen Stand der Technik gehalten werden.
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Das Gespräch führte
CONNY PULS
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Ende Oktober hat Verkehrsminister Alexander
Dobrindt sein überarbeitetes Konzept zur PkwMaut vorgelegt. Sein Gesetzentwurf sieht vor,
die Maut nicht mittels Vignette, sondern elektronisch per Pkw-Kennzeichen zu erfassen. Somit könnten sozusagen am laufenden Kilometer
Bewegungsprofile erstellt werden. Das ruft die
Datenschützer auf den Plan. Auch Andrea
Voßhoff, Bundesbeauftragte für Datenschutz
und Informationsfreiheit, bewertet das grundsätzlich kritisch.
FRAGE: Wenn Dobrindts Gesetzentwurf zur Maut
beschlossen wird, bedeutet dies für 40 Millionen
Autofahrer in Deutschland eine permanente Überwachung. Wie stehen Sie als Bundesdatenschutzbeauftragte dazu?
ANDREA VOSSHOFF: Elektronische Datenerfassungen, die eine permanente Überwachung
technisch ermöglichen, sind datenschutzrechtlich immer kritisch zu bewerten. Ob eine solche
im vorliegenden Fall aber tatsächlich gegeben
ist, steht nach meinem Verständnis noch gar
nicht abschließend fest. Zum Gesetzentwurf zur
Pkw-Maut hat der Minister angekündigt, den
„härtestmöglichen Datenschutz“ zu garantieren. Ich werde mich dafür einsetzen, dass ein
solcher auch umgesetzt wird.
Sie fordern mindestens die hohen datenschutzrechtlichen Standards der Lkw-Maut. Das heißt, eine
strenge Zweckbindung und die Pflicht zur unverzüglichen Löschung. Wer ist für die Löschung zuständig, und wer soll das kontrollieren? Kann ich als Privatperson überprüfen, ob meine Daten gelöscht wurden? Und wenn, wo?
VOSSHOFF: Dass gespeicherte personenbezogene Daten, die keinen Zweck mehr erfüllen, gelöscht werden müssen, ist ein datenschutzrechtlicher Grundsatz, dessen Einhaltung von den
zuständigen Aufsichtsbehörden kontrolliert
wird. Neben dieser aufsichtsrechtlichen Prüfung
besteht auch für den Einzelnen nach dem Bundesdatenschutzgesetz der Anspruch, von datenverarbeitenden Stellen Auskunft über die dort
über ihn gespeicherten Daten zu erhalten. Mithilfe dieser Auskunft ist feststellbar, ob Daten gespeichert sind, die bereits hätten gelöscht
werden müssen.
Gelöscht wird man angeblich sofort, wenn man seiner Zahlungspflicht nachgekommen ist. So lange
........................
„Ich werde mich für
einen härtestmöglichen
Datenschutz einsetzen.“
Andrea Voßhoff
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Andrea Voßhoff
Die Juristin wurde 1998 in den Deutschen Bundestag gewählt und war bis 2013 Mitglied im
Rechtsausschuss. Zudem war die 56-Jährige von
2010 bis 2013 rechtspolitische Sprecherin der CDU/
CSU-Bundestagsfraktion. Voßhoff wurde am 31.
Juli 1958 in Haren/Ems geboren. Von 1977 bis
1979 studierte sie an der Universität Münster
Rechtswissenschaften, bevor sie 1979 bis 1980 ein
Auslandsstudium in Lausanne absolvierte. Von
1980 bis 1984 setzte sie ihr Studium in Münster
fort und legte das erste Staatsexamen ab, 1987
folgte das zweite. Anschließend war sie als Rechtsanwältin in Haren/Ems tätig, bevor sie 1991 in ein
Notarbüro in Rathenow wechselte. Seit Januar ist
Voßhoff Bundesbeauftragte für den Datenschutz
und die Informationsfreiheit.
TEXT: COP
Die Vergangenheit hat uns gelehrt, dass wir ohnehin
schon gläsern sind und selbst Angela Merkels Handy
wurde von der NSA ausspioniert. Wer soll Dobrindts
Versprechen: „Ich garantiere: Eine Weitergabe an
andere Behörden findet nicht statt“ ernsthaft glauben? Selbst BKA-Chef Jörg Ziercke hat schon Begehrlichkeiten angemeldet. Was antworten Sie ihm?
VOSSHOFF: Mit der Freigabe der Daten könnte
man schließlich vielen organisierten Autobanden den Garaus machen. Auch hier ist für mich
ganz klar, dass die im Zusammenhang mit der
Maut verarbeiteten Daten ausschließlich für diesen Zweck verwendet werden dürfen und auch
nachträgliche Zweckänderungen, zum Beispiel
zur Nutzung für Strafverfolgungszwecke, generell ausgeschlossen werden müssen. Daher begrüße ich auch die Äußerungen von Verkehrsminister Dobrindt und Innenminister Thomas de
Maizière, die öffentlich klargestellt haben, dass
es eine derartige Umnutzung der Mautdaten
nicht geben wird. Zusätzlich ist zu fordern, die
Menge der tatsächlich vorliegenden Daten so gering wie möglich zu halten. Wenn deren Aussagekraft keinen Mehrwert für andere Zwecke als
den gesetzlich vorgesehenen bietet, sollten sich
auch eventuelle Begehrlichkeiten für andere
Nutzungen reduzieren.
In Bayern und Baden-Württemberg können schon
jetzt alle Pkw-Kennzeichen erfasst und die Ergebnisse zur Verbrechensbekämpfung genutzt werden. Gerichte haben dies für zulässig erklärt. Haben Datenschützer da überhaupt eine Chance, gegen die MautPläne von Dobrindt vorzugehen oder ticken in diesen
beiden Bundesländern die Uhren einfach anders?
VOSSHOFF: Die von Ihnen angesprochenen Entscheidungen regeln die Zulässigkeit der gezielten Kennzeichenerfassung zu polizeilichen Zwecken und haben also überhaupt nichts mit der
gegenwärtigen Thematik der im Rahmen der
Mautkontrolle erfassten Daten zu tun.
FOTO: PRESSESTELLE DATENSCHUTZ
Leserforum
Ihre Briefe bitte an: E-Mail: [email protected]; Fax: (0931) 6001-346, Postanschrift: Redaktion Leserbriefe, Berner Straße 2, 97084 Würzburg. Die Redaktion behält sich Kürzungen vor. Leserbriefe werden auch im Internet veröffentlicht.
Haben die Genossen vergessen?
Zum Artikel „Gauck zur Neutralität
ermahnt“ (3.11.):
Ich bin froh darüber, dass der Bundespräsident zu den innenpolitischen Entwicklungen in Thüringen
Stellung bezogen hat. Damit hat er
den über drei Millionen Flüchtlingen aus der DDR eine Stimme gegeben. Drei Millionen Deutsche, die
von der Linken bisher kein Wort des
Bedauerns zu den Umständen, die zu
ihrer Flucht aus der DDR geführt
haben, gehört haben. Und er hat all
denen eine Stimme gegeben, die in
der DDR unter dem Unrecht, welches im Namen der SED geschehen
ist, gelitten haben. Wer anderes als
unser Bundespräsident sollte das
machen? Zumal die Linke als Nachfolgerin der SED so auffällig schweigsam zu all den traumatischen Erfahrungen ist. Und warum muss es gerade die SPD sein, die jetzt den Kommunisten die Steigbügel hält? Haben
sie 1948 nicht genug gelitten, als sie
von den Kommunisten zum Zusammenschluss zur SED gepresst wurden? Haben sie all die Genossen vergessen, die mit diesem Zusammenschluss nicht einverstanden waren
und in den Lagern umkamen?
Wolfgang Peukert, 97076 Würzburg
Gute Entwicklung
Zum Artikel „Kampf der Bilder“
(7.11)
In obigem Bericht schreiben Sie, dass
RT (Russia Today) in Russisch, Englisch, Arabisch und Spanisch sendet.
Sie hätten erwähnen sollen, dass RT
neuerdings auch in Deutsch sendet.
Das ist eine gute Entwicklung. Denn
damit haben auch wir in Deutschland eine Möglichkeit mehr, uns
über aktuelle Ereignisse ausführlich
zu informieren, losgelöst von der
Einseitigkeit der westlichen Medienlandschaft.
Hans Schwinger, 97525 Schwebheim
Sommerzeit als krasse Fehlentscheidung
Zur Zeitumstellung von Sommerauf Winterzeit
Im Hinblick auf die sogenannte Sommerzeit können sich ältere Personen
noch erinnern, dass in den Nachkriegsjahren die Uhr im Sommer um
volle zwei Stunden vorgestellt wurden. Das geschah, um das Tageslicht
künstlich um zwei Stunden zu verlängern, den Wiederaufbau mit den wenigen vorhandenen Männern voranzutreiben. Parallel schufteten die sogenannten Trümmerfrauen, genauso
die weiblichen Hilfskräfte bei den sogenannten Hofbauern künstlich über
die volle Mittagshitze bis zu diversen
Ohnmachtsfällen. Wir Schulkinder
mussten früh um 5.30 Uhr zur Schule, beziehungsweise wurden wir zum
Kartoffelkäfersammeln eingesetzt für
eine Scheibe Brot mit Rübensirup. Mit
großen Milchkannen wurde Wasser –
gerade im Hitze-Katastrophenjahr
1947 – auf die Baustellen und Felder
gefahren, damit man sich mit der
Schöpfkelle Wasser über den Kopf gießen konnte. Wir haben es geschafft,
Deutschland wieder aufgebaut, da es
bis 23.30 Uhr hell war und zehn Jahre
später das Wirtschaftswunder erarbeitet.
Burkard Götz, 97228 Rottendorf
Die Einführung der Sommerzeit war
eine krasse Fehlentscheidung. Sie hat
nicht die beabsichtigte Energie-Einsparung gebracht, sondern viel mehr
zu einem Mehrverbrauch geführt.
Darüber hinaus schadet sie der Gesundheit von Mensch und Tier, weil
sie der biologischen Uhr zuwiderläuft. Trotz dieses Wissens wird der
Wahnsinn der Zeitumstellung Jahr
für Jahr wiederholt. Die Politik muss
endlich handeln und zur mitteleuropäischen Normalzeit, der Winterzeit, zurückkehren.
Dr. Margot Raps-Hölscher,
97070 Würzburg