Interview Sendefassung Enno Park

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Interview Sendefassung Enno Park
Interview Sendefassung Enno Park
Christian Grasse (CG): Fühlen Sie sich wie ein Cyborg?
Enno Park (EP): Ja. Ich habe Technik, Elektronik, in meinem Körper eingepflanzt,
sie ist Teil meines Körpers geworden, untrennbar mit mir verbunden – und dadurch
bin ich schon ein Stück weit dieses Mischwesen aus Mensch und Maschine und ganz
sicher ein Cyborg.
Christine Watty (CW): Als Cyborg allerdings haben Sie bemängelt, dass Sie nicht
genügend Autonomie im Umgang mit dem Implantat haben – was würden Sie denn
gerne tun, was Sie jetzt noch nicht tun können?
EP: In erster Linie die Geräte einfach mal einstellen. Man sich das vorstellen wie so
einen Equalizer an der HiFi-Anlage, und wenn man solche Implantate frisch
bekommt, muss man öfter mal in die Klinik fahren und dann werden die Geräte
immer genauer angepasst und man hört mit der Zeit immer besser. Aber das passiert
in einer sterilen, klangneutralen Umgebung und man kann nicht wirklich mal
rausgehen in den Krach und nachjustieren oder beim Musikhören nachjustieren. Das
würde gehen, wenn ich das selber machen könnte. Aber man kommt halt an die
Hard-und Software nicht ran, das ist Medizintechnik, die wird nur an zertifizierte
Stellen ausgegeben – und das würde ich gerne ändern. Ich würde gerne noch mehr
rausholen und auch spielen, Ultraschall hören können oder derlei.
CW: Wer aber würde dann bestimmen, wenn man sagt, solche Implantate sind doch
wie in Ihrem Fall offen, die Software wird geöffnet, so dass der jeweilige Träger auch
selbst damit etwas machen kann - wer kann dann diese Grenzen bestimmen, was
können Sie selber machen, was sollten Sie lieber selber nicht machen, weil dann das
Implantat dann zu offen, das Implantat zu anfällig für das Einschreiten wird von
außen, gar eine Gefährdung darstellen könne für Sie – wie sollten da Regelungen
sein, wenn man Ihrem Wunsch nachkommen könnte, da tatsächlich einen Fortschritt
zu machen in Sachen Öffnung des Implantates, damit Sie selber autonom damit
umgehen können?
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EP: Ich denke, hier ist ein Dialog nötig zwischen den Herstellern und den
Anwendern, der so in dieser Form eigentlich nicht wirklich geführt wird gerade. Weil:
Ich kann natürlich Schaden anrichten. Wenn ich jetzt das Ding komplett
umprogrammiere und dabei Murks mache, kann ich mir zuviel Strom auf meinen
Hörnerv geben, ich kann damit meinen Hörnerv schädigen, ich kann damit sogar
mein Gehirn schädigen – und ich weiß nicht, ob es wirklich stimmt, aber ich hab‘
gehört, in krassen Fällen auch irgendwie ohnmächtig werden oder Lähmungen
bekommen. Das will ich natürlich nicht und deswegen ist das natürlich auch nicht
ganz ungefährlich, wenn wir Hacker jetzt anfangen mit dem Kram rumzuspielen und
wir müssen sehr genau aufpassen, was wir da tun. Aber da würde doch sehr viel
Druck rausgenommen werden, wenn der Hersteller einfach einen kleinen USBAdapter dazugibt und eine Windows-Software, die so, ich sag mal abgespeckt ist,
dass man damit ein paar wesentliche Punkte einstellen kann, im Rahmen eines
Korridors, der dann vorher in der Klinik festgelegt wird. Wo man dann weiß, okay,
das ist schädlich und das nicht und innerhalb dessen dann halt nachjustieren kann.
CG: Eventuelle Sicherheitsbedenken oder auch die Möglichkeit, bestimmte
Technologien, die in oder an unserem Körper sind zu verändern ist eine Sache. Aber
ein anderer große Punkt ist natürlich auch der Fakt, dass wir Menschen nicht so
rasant „update-bar“ sind wie Technologie, im biologischen Sinne. Wenn wir uns jetzt
aber mit Technik ausrüsten, dann bekommen wir sozusagen diese Möglichkeit, uns
sehr schnell zu verändern, wir erhöhen sozusagen die Anpassungsgeschwindigkeit –
entsteht da nicht ein riesiger Normalitätsdruck, weil früher oder später kann vielleicht
ein Druck entstehen, der besagt: Jeder muss sich technisch verändern, technisch
erweitern.
EP: Der Druck wird sehr wahrscheinlich entstehen, es ist ja eigentlich so wie mit
jeder Kultur und jeder Technologie, unsere ganze Gesellschaft ist darauf ausgelegt,
aufs Auto angewiesen zu sein, in sehr vielen Ecken kommt man einfach nicht anders
rum. Ich finde, das ist ein grundsätzliches Problem, das man erstmal losgelöst von
dieser Cyborg-Frage betrachten sollte und da wirklich Forderungen stellen sollte,
dass Leute, die sich bestimmten Dingen verweigern möchten, aber trotzdem ihre
Lebensnische haben möchten, nicht gezwungen werden, Dinge zu tun, die sie nicht
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wollen. Und das ist jetzt egal, ob ich gezwungen sein soll, mir ein Implantat
einpflanzen zu lassen oder ob ich gezwungen sein soll, mir ein Auto anzuschaffen.
Es ist halt unglaublich wichtig, dass wir da die Balance wahren, dass wir auf der
einen Seite diejenigen, die vorangehen, die Lust haben, tolle Sachen zu machen,
dass wir die lassen und auf der anderen Seite immer den Schutzraum anbieten für
diejenigen, die das nicht möchten. Es ist ja verständlich, dass man kein Implantat im
Körper haben will. Und dass dieser Inklusionsgedanke niemals unterwegs irgendwo
verloren geht.
CW: Hat aber diese Cyborgisierung zur Folge – nochmal ganz speziell auf das
Thema Behinderung geschaut – dass diese noch weniger akzeptiert wird, weil viel
schneller gesagt werden ‚da kann man doch was machen, da gibt es doch dieses
oder jenes Implantat, das muss man doch so nicht lassen? Gerade im Fall der
Gehörlosen gibt es ja große Diskussionen darüber, dass man die Kultur quasi der
Gehörlosen zerstört, indem man sagt, das kann man doch alles verbessern, bzw.
reparieren?
EP: Ja, das ist natürlich eine Frage der Perspektive, denn ich empfinde mein Gehör
ja tatsächlich als repariert und gehe von diesem Normalmaß aus, der Mensch kann
hören, und mir hat über 20 Jahre lang unheimlich viel gefehlt und deswegen tue ich
mich extrem schwer damit, das negativ zu sehen, auch wenn ich das verstehen
kann. Ich habe auch noch nie einen behinderten Menschen kennen gelernt, der sich
nicht unglaublich gefreut hätte, wenn er ein tolles technisches Hilfsmittel bekommt,
das ihm den Alltag vereinfacht. Der Streit läuft eigentlich in der Gehörlosenkultur
deswegen so stark, weil sie sich als eigene Kultur mit eigener Sprache entwickelt hat,
und ist deswegen da auch mit anderen Behinderungen auch nicht ganz vergleichbar.
CG: Vielleicht können wir zum Schluss nochmal einen Blick in die Zukunft wagen.
Wie glauben Sie, wie wird für Sie die Cyborg-Gesellschaft aussehen. Könnten Sie da
so eine kleine Skizze für uns entwerfen?
EP: Die Gesellschaft, das ist schwer zu sagen, weil Prognosen sind immer schwer,
weil sie die Zukunft betreffen. Aber ist halt so, dass wir immer Gedankenspiele
haben, was machen wir jetzt mit den tollen Computern und genau das machen wir
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dann nicht, sondern andere Sachen. Ich denke wirklich, dass ein Trend ganz stark in
Richtung Datenbrillen, Google Glass und soweiter geht, gar nicht mal Implantation,
weil die eben auch zu aufwendig ist und es gibt das Problem der Energieversorgung.
Es könnte schon sein, dass wir so in 10, 20 Jahren die ersten Prototypen eines
Reiskorngroßen Mobiltelefons sehen, das wir uns hinters Ohr einpflanzen lassen,
aber die Zeitläufe sind da noch langsam. Das größte Problem wird tatsächlich sein
die große Herstellerabhängigkeit – setzt sich das Schema durch, dass solche
Devices mit der Cloud verbunden sind und dass ein Anbieter wie Google zum
Beispiel die Macht über etwas hat, mit dem ich eine Symbiose eingehe technisch.
Oder schaffen wir es in irgendeiner Form da selber Macht und Kontrolle darüber zu
gewinnen, uns abzukapseln, genau kontrollieren zu können, dass das Ding eben
nicht filmt, während ich das gerade gar nicht will und die Daten nichtmal eben einfach
so zum NSA schickt.
- Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen
wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner
in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.-
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