Neuer Standard für begehbare Gläser
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Neuer Standard für begehbare Gläser
Neuer Standard für begehbare Gläser Architektur lebt. Spannende Hotels, Gewerbe oder Industriebauten sowie innovative Geschäfte wie auch Privatgebäude schießen allerorts aus dem Boden. Und Glas spielt dabei immer häufiger eine tragende Rolle. Glas hat sich längst aus dem Bereich der reinen Nutzung für Wand, Decke und auch als Absturzsicherung gelöst und ist nun auf dem Boden der Tatsachen angelangt - Glas als begehbarer, freitragender Boden oder Treppenbelag. Glasböden und Glastreppen lassen die Räume heller und größer wirken und erlauben dem Tageslicht in mehrstöckigen Gebäuden und Treppenhäusern, auch in die unteren Stockwerke zu gelangen. Neben angenehmen Lichtverhältnissen hilft Glas durch den verminderten Einsatz von künstlichem Licht zudem noch Energie zu sparen. In öffentlichen und halböffentlichen, aber auch im privaten Bereich bestehen hohe gesetzliche und versicherungstechnische Hürden. Doch nur wenige Produkte aus diesem Anwendungsgebiet können alle Hürden nehmen. Der Grund für die strikten Anforderungen ist die Tatsache, dass Stürze, die häufigste Unfallursache darstellen. „Etwa jeder zweite Sturzunfall (44,5%) steht im Zusammenhang mit Gegenständen. Dabei handelt es sich im Vergleich zum gesamten Unfallgeschehen deutlich häufiger um Bodenbeläge und Untergründe.“1 Sowohl die Vorgaben an Statik und Verschleiß als auch die sicherheitstechnischen Anforderungen durch Rutschklassifizierungen sind streng und müssen von begehbaren Gläsern auf Treppen und Böden erfüllt werden. Rutschklassifizierung für Untergründe mit Barfußbenutzung Für Nasszellen wie z.B. Sanitärräume, Bäder, Saunen und Nassbereiche gilt die Rutschklassifizierung nach DIN 51097, da hier der oft nasse Boden häufig barfuß begangen wird. In Abbildung 1 findet sich hierzu eine Auswahl weiterer Anwendungsbereiche nach BGI/GUV-I8527 in Abhängigkeit zu der jeweiligen Bewertungsgruppe nach DIN 51097. 1/9 Bewertungsgruppe nach DIN 51097 A B C Abbildung 1 Auswahl der Anwendungsbereich nach BGI/GUV-I8527 Barfußgänge (weitgehend trocken) Einzel- und Sammelumkleideräume Beckenböden in Nichtschwimmerbereichen, wenn im gesamten Bereich die Wassertiefe mehr als 80cm beträgt Sauna- und Ruhebereiche (weitgehend trocken) Duschräume Beckenumgänge Planschbecken Beckenböden in Nichtschwimmerbereichen, wenn in Teilbereichen die Wassertiefe weniger als 80cm beträgt Sauna- und Ruhebereiche, soweit sie nicht A zugeordnet sind Ins Wasser führende Leitern und Treppen Aufgänge zu Sprunganlagen und Wasserrutschen Durchschreitebecken Geneigte Beckenrandausbildung Bewertungsgruppen und Anwendungsbereiche nach DIN 51097.2 Die Anforderungen an den Bodenbelag im Barfußbereich sind übersichtlich. Bei Barfußbenutzung spielt neben der Rutschsicherheit nur noch die „Trittfreundlichkeit“ eine Rolle. „Die „Trittfreundlichkeit“ der Bodenbeläge ist im Prüfverfahren nach DIN 51097 nicht berücksichtigt und daher im Einzelfall zusätzlich zu bewerten.“3 Doch wie steht es mit den Anforderungen beispielsweise an Treppen im öffentlichen Außenbereich? Rutschklassifizierung für Untergründe mit Schuhwerkbenutzung Zunächst einmal gilt für Treppen im öffentlichen Außenbereich die DIN 51130. Diese Norm beschreibt die Eignungsprüfung zur Klassifizierung der rutschhemmenden Eigenschaften von Bodenbelägen, deren Einsatz in Arbeitsräumen und Arbeitsbereichen mit Rutschgefahr vorgesehen ist. Für viele Arbeitsräume und Arbeitsbereiche mit Rutschgefahr nach BGR 181 gilt, dass der Bodenbelag zusätzlich einen Verdrängungsraum V unterhalb der sogenannten Gehebene aufweist, da hier pastöse oder faserig-zähe Stoffe einen Schmierfilm bilden können, welcher zu Sturzfällen führen kann. Auf Treppen im Außenbereich kann das z.B. feuchtes Laub, Erde oder einfache Straßenverschmutzung sein. Deshalb gilt für Außentreppen hier neben einer Rutschklassifizierung von R10 beispielsweise der Verdrängungsraum mit einer Kennzahl für das Mindestvolumen von V4, was einem Verdrängungsraum zwischen Gehebene und Entwässerungsebene von 4cm³/dm² entspricht.4 (Siehe Abbildung 2 und Abbildung 3) 2/9 Bezeichnung des Verdrängungsraumes V4 V6 V8 V 10 Mindestvolumen des Verdrängungsraumes (cm³/dm²) 4 6 8 10 Abbildung 2 Zuordnung der Bezeichnung des Verdrängungsraumes zu den Mindestvolumina.5 Klasse der Rutschhemmung nach DIN 51130 R9 Verdrängungsraum mit Kennzahl für das Mindestvolumen R10 V4 R11 V4 Auswahl der Anwendungsbereich von Fußböden in Arbeitsräumen und Arbeitsbereichen mit Rutschgefahr R11 V6 R12 V4 R12 R12 R13 V6 V10 V4 R13 V6 R13 V8 R13 V10 Abbildung 3 Für Bodenbeläge mit R9 ist kein Verdrängungsraum vorgesehen Eingangsbereiche außen Außentreppen Verkaufsbereiche im Freien Lagerbereich im Freien Garagen, Hoch- und Tiefgaragen mit Witterungseinfluss Parkflächen im Freien Pausenhöfe Gastronomische Küchen bis 100 Gedecke je Tag Blumenbinderäume und –bereiche Kraftfutterherstellung unter Verwendung von Fett und Wasser Graugussbearbeitung Bereiche mit erhöhter Öl-Schmiermittelbelastung Waschhalle, Waschplätze für Werkstätten der Fahrzeug Instandhaltung Mischer & Pressen (Formgebung) in der Keramischen Industrie (Umgang mit Stoffen, wie Teer, Pech, Graphit, Kunstharzen) Isolierglasfertigung (Umgang mit Trockenmittel) Verpackung & Versand von Flachglas (Umgang mit Antihaftmittel) Gastronomische Küchen über 100 Gedecke je Tag Großküchen für Gemeinschaftsverpflegung in Mensen, Kantinen, Fernküchen Verkaufsbereiche mit ortsfesten Friteusen oder ortsfesten Grillanlagen Spülräume Waschplätze für Werkstätten der Luftfahrzeug Instandhaltung Nichtüberdachte Laderampen Räume, in denen Gemüse für die Verarbeitung vorbereitet wird Arbeits- und Prüfgruben für Werkstätten der Fahrzeug Instandhaltung Nichtüberdachte Laderampen Lagerräume für Öle und Fette Nassschleifbereich für Lackierereien Speiseölraffinerie Mayonnaiseherstellung Fettschmelzen Rohwurstabteilung Geflügelverarbeitung Feinkostherstellung Sauerkrautherstellung Gemüsekonservenherstellung Fleischerzeugung Wurstküche Kochwurstabteilung Schlachthaus Be- und Verarbeitung von Fisch Räume mit Entfleischmaschinen, Leimlederanfall Auswahl der Anwendungsbereiche mit Verdrängungsraum und Klasse der Rutschhemmung nach DIN 511306 3/9 Derzeitige Standards für Rutschhemmungen von Glasscheiben wie keramische Siebdrucke, säuregeätzte Verglasungen oder Lasergravierungen versprechen viel. Wie Untersuchungen zeigten, haben diese hier aber ihre Probleme da nur teilweise die benötigten Klassifizierungen erfüllt werden.7 Klassifizierungen von R13 nach DIN 51130 sind bis dato nur mittels Siebdruck zu erreichen und haben den großen Nachteil, dass die gesamte Glasoberfläche praktisch mit meist mattweißem Siebdruck versehen ist, so dass die eigentliche Glasoberfläche gewissermaßen vollständig verdeckt wird was gestalterisch wiederum eher weniger gewünscht ist. Neben den Anforderungen an die rein rutschhemmenden Eigenschaften wird der Glasoberfläche gerade auf Treppen zusätzlich einiges mehr abverlangt. „Der Treppenbelag sollte dauerhaft sein, da Treppen einem starken Verschleiß ausgesetzt sind.“8 Die Nutzungssicherheit muss nach EG – Bauprodukten – Richtlinien gewährleistet sein. Verschleißklassifizierung für Untergründe Der wichtige Bereich der dauerhaften Gewährleistung der Rutschhemmung wird zwar rechtlich gesehen dank Verschleißklassen von II bis III nach DIN EN ISO 10545-7 für Räume mit häufiger Nutzung durch Schuhwerk meist abgedeckt. (Siehe Abbildung 4) Dies bedeutet aber nur, dass die Siebdruck/Glaskombination einen niedrigen Verschleiß an sich hat. Die ca. 0,1mm dünne Bedruckung hat gesamtheitlich betrachtet einen sehr kurzen Produktlebenszyklus. Nach ca. 8-12 Jahren ist von dem rutschhemmenden Siebdruck unter häufiger Nutzung fast nichts mehr zu sehen, sodass eine Gefährdung durch Ausgleiten nahezu vorprogrammiert ist.9 4/9 Beanspruchungsklasse I Auswahl der Anwendungsbereich Bodenbeläge in Räumen, die mit weichbesohltem Schuhwerk oder Barfuß ohne kratzende Verschmutzungen begangen werden, z.B. Badezimmer und Schlafräume in Wohnungen ohne direkten Zugang von außen. II Bodenbeläge in Räumen, die mit weichbesohltem oder normalem Schuhwerk und höchstens gelegentlicher und geringer kratzender Verschmutzung begangen werden, z.B. Räume im Wohnbereich, ausgenommen Küchen, Dielen und andere häufig begangene Räume. III Bodenbeläge in Räumen, die häufig mit normalem Schuhwerk und geringer Kratzender Verschmutzung begangen werden, z:b: [sic] Hallen, Küchen, Korridore, Balkone, Loggien und Terrassen. IV & V Bodenbeläge in Räumen, die Belastungsbedingungen ausgesetzt sind, die die obere Grenze für die Anwendung glasierter Bodenbeläge darstellen, z.B. Eingänge, Flure, Terrassen (…) und Wirtschaftsräume. Die Definitionen gelten für die beschriebenen Anwendungen bei normalen Bedingungen. Beläge sollten an Gebäudeeingängen durch Zwischenschaltung von Schmutzschleusen angemessen geschützt werden. Abbildung 4 Verschleißklassen nach DIN EN ISO 10545-7 und Anwendungsbereich.10 Als Empfehlung für eine langfristige Gewährleistung der rutschemenden Eigenschaften kann eine Abhängigkeit der Verschleißklasse zum Verdrängungsraum für begehbare Gläser angeregt werden. Somit würde durch die Verschließklasse des Materials die Materialhaltbarkeit beschrieben werden während der Verdrängungsraum in diesem Falle die zeitliche Konstante abbilden würde. Studien haben gezeigt, dass eine Abhängigkeit beider Kenngrößen den Verschleißlebenszyklus für rutschhemende Bodenbelägen, deren Einsatz in Arbeitsräumen und Arbeitsbereichen mit Rutschgefahr vorgesehen ist, gut beschreibt.11 Neues Produkt Die Firma Glas Marte hat in einem zwei Jahre andauernden Forschungsprojekt in Kooperation mit der V-Research GmbH ihr Produkt mit dem Namen ICE-H® Strukturglas weiterentwickelt und optimiert. Neben einer gestalterisch spannenden Oberfläche erfüllt es nun langfristig, dank Strukturtiefen bis 0,8mm und ausgeprägtem Verdrängungsraum, auch bei Verschmutzung die rutschhemmenden Eigenschaften von R11 nach DIN 51130 und die Einstufung in die Bewertungsgruppe A nach DIN 51097. (Siehe Abbildung 5) 5/9 Abbildung 5 Abnutzung der Oberflächenstrukturen im schematischen Vergleich bis 12 V=0cm³/dm². Somit beschreitet das ICE-H® Strukturglas mit seiner natürlichen Oberfläche den Weg vom Glas mit rein gestalterischem Anspruch hin zu einem technischen Glas welches eine ganze Reihe an Sicherheitsaspekten abdeckt. Unter anderem prädestinieren die rutschhemmenden Eigenschaften in Verbindung mit der Beanspruchungsklasse III nach DIN EN ISO 10545-7, diese Glas für den Gebrauch als Bodenbelag in Hallen, Küchen, Sanitärräumen, Korridoren oder auf Terrassen sowie Eingangsberiechen und Treppen auch im Außenbereich. (Siehe Abbildung 6 und Abbildung 7) Abbildung 6 ICE-H® Strukturglas als Glasbodenanwendung im SPA Bereich.13 6/9 Abbildung 7 Anwendungsbeispiel von ICE-H® Strukturglas als freitragende Glasbodenanwendung.14 Langzeitstudien im stark frequentierten Bereich mit hartem Schuhwerk, wie etwa Straßenund Arbeitsschuhe und einem hohen Grad an Verschmutzung in denen ICE-H® als Trittstufen getestet wurde, haben gezeigt, dass die Strukturoberfläche auch nach mehrjähriger Nutzung noch eine ausgeprägte Struktur aufweist.15 (Siehe Abbildung 8) Abbildung 8 ICE-H® Trittstufe nach mehrjähriger Nutzung im stark frequentierten Bereich.16 7/9 Das ICE-H® Strukturglas kann laut DIN EN 1288 Teil 3 wie ein ESG aus Ornamentglas gerechnet werden und eröffnet auch Gestalterisch gänzlich neue Dimensionen. Fugenlose ICE-H® Strukturglasflächen von 2100mm x 4100mm sind in unterschiedlichen Dekoren (Siehe Abbildung 9) problemlos umsetzbar und dank dem Verzicht auf Siebdruck wird ein sehr hoher Lichttransmissionsgrad erreicht. ICE-H® Floor ICE-H® Floor Dot ICE-H® Floor Dot _50% _60% ICE-H® Floor Dot ICE-H® Floor Dot ICE-H® Floor run shadow_60% Abbildung 9 shadow_70% _50% Erhältliche ICE-H® Floor Dekore17 Es bleibt spannend in welchen Bereichen sich das ICE-H® Strukturglas durchsetzt und den neuen Sicherheitsstandard für Glasböden und Treppen vorgeben wird. Wer auf natürliche Schönheit und Sicherheit gleichermaßen setzt wird in Zukunft an ICE-H® Strukturglas kaum vorbeikommen. Mag. (FH) Benjamin Schilbach (Wissenschaftlicher Leiter, Entwickler und Produktmanager / Glas Marte GmbH) 8/9 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 Robert Koch-Institut, Das Unfallgeschehen bei Erwachsenen in Deutschland (2013): S.23. Vgl. DIN 51097 (1992): S.2 und Vgl. BGI/GUV-I8527 (2010): S.6 f. BGI/GUV-I8527 (2010): S.7. Vgl. www.baunetzwissen.de (29.10.2014). BGR 181 (2003): S.6. Vgl. BGR 181 (2003): S.19 ff. Vgl. Glas Marte Studie, B.F.0.1. (2014). www.baunetzwissen.de (29.10.2014). Vgl. Glas Marte Studie, B.F.0.1. (2014). Zentralverband Deutsches Baugewerbe, Verschleißklassen / Beanspruchungsklassen (2004). Vgl. Glas Marte Studie, B.F.4.5. (2014). Archiv Glas Marte (2014). Archiv Glas Marte (2014). Archiv Glas Marte (2014). Vgl. Glas Marte Studie, B.F.4.5. (2014). Archiv Glas Marte (2014). Archiv Glas Marte (2014). 9/9