Customer Relationship Management bei Banken
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Customer Relationship Management bei Banken
Customer Relationship Management bei Banken Roland E. Schmid, Volker Bach Bericht Nr.: BE HSG / CC BKM / 4 Lehrstuhl: Prof. Dr. Hubert Österle Version: 1.5 Datum: 22.03.00 Universität St. Gallen – Hochschule für Wirtschafts-, Rechtsund Sozialwissenschaften (HSG) Institut für Wirtschaftsinformatik Müller-Friedberg-Strasse 8 CH-9000 St. Gallen Tel.: ++41 / 71 / 224 2420 Fax: ++41 / 71 / 224 2777 Prof. Dr. A. Back Prof. Dr. H. Österle (geschäftsführend) Prof. Dr. R. Winter Inhaltsverzeichnis ii Inhaltsverzeichnis Abstract ....................................................................................................................................1 1 Einleitung........................................................................................................................2 2 Grundlagen.....................................................................................................................3 2.1 Entwicklungen in der Bankenbranche.........................................................................3 2.1.1 Entstehung eines Wertschöpfungsnetzwerkes......................................................4 2.1.2 Rollen von Banken im Informationszeitalter........................................................4 2.2 Begriff „Customer Relationship Management“ ........................................................10 2.2.1 Kundenbindung ..................................................................................................12 2.2.2 Kundenselektion .................................................................................................13 2.2.3 Kundengewinnung..............................................................................................15 3 Kundenprozesszentrierung und Prozessportale .......................................................15 3.1 Vom Produkt zum Kundenprozess............................................................................15 3.2 Prozessportale............................................................................................................18 4 Strategische Aspekte im Customer Relationship Management ..............................23 4.1 Kundensegmentstrategie ...........................................................................................23 4.2 Multikanalstrategie....................................................................................................27 4.3 Servicestrategie .........................................................................................................33 5 CRM-Prozesse..............................................................................................................34 6 Informationssysteme und -technologien ....................................................................38 6.1 Informationskategorien .............................................................................................38 6.1.1 Kundeninformationen.........................................................................................39 6.1.2 Produktinformationen.........................................................................................40 © HSG / IWI / CC BKM / R. Schmid Inhaltsverzeichnis 6.1.3 Kampagneninformationen ..................................................................................41 6.1.4 Serviceinformationen..........................................................................................41 6.2 Informationssysteme .................................................................................................42 6.2.1 Website ...............................................................................................................42 6.2.2 Intranet/Extranet .................................................................................................44 6.2.3 Integrierte CRM-Lösung ....................................................................................46 6.3 7 iii Kommunikation zwischen Bank und Kunde.............................................................47 6.3.1 Vertriebskanäle...................................................................................................49 6.3.2 Multi Channel Management ...............................................................................51 Zusammenfassung .......................................................................................................53 Literatur.................................................................................................................................54 © HSG / IWI / CC BKM / R. Schmid Abkürzungsverzeichnis iv Abkürzungsverzeichnis ATM Automatic Teller Machine: Geldausgabeautomat CRM Customer Relationship Management EFT Electronic Funds Transfer: Elektronischer Geldtransfer ERM Enterprise Relationship Management, Synonym für Customer Relationship Management POS Point of Sale: Kassenterminal für die bargeldlose Bezahlung SMS Short Messaging Service: Schriftliche Kurzmitteilungen über Mobiltelefon WAP Wireless Application Protocol: Protokoll für den Zugriff auf speziell aufbereitete Websites von Mobiltelefonen aus WWW World Wide Web © HSG / IWI / CC BKM / R. Schmid Abstract 1 Abstract Verstärkte Kundenorientierung ist ein explizites Ziel vieler Unternehmen. Dem zunehmenden Konkurrenzdruck soll durch eine Erhöhung der Dienstleistungs- und Servicequalität begegnet werden. Customer Relationship Management scheint das Mittel der Wahl zum Erreichen dieser Ziele zu sein. Hinter diesem Begriff verbergen sich aber heute unterschiedlichste Ideen und Konzepte – für die einen ist Customer Relationship Management eine Unternehmensstrategie, für die anderen ein konkretes Softwareprodukt, um nur zwei Extreme anzudeuten. Dieser Arbeitsbericht betrachtet Customer Relationship Management als Konzept, das Auswirkungen auf alle drei unternehmerischen Gestaltungsebenen Strategie, Prozesse und Informationssysteme hat. Konkrete Anwendungen in der Bankenbranche illustrieren die verschiedenen im Zusammenhang mit Customer Relationship Management relevanten Komponenten. Grundlage für diese Betrachtungen ist die Beschreibung der aktuellen Situation und zukünftiger Entwicklungen in der Bankenbranche sowie eine allgemeine Abgrenzung des Begriffs Customer Relationship Management. Es wird eine vom Kundenprozess ausgehende Sichtweise auf CRM erläutert und der Begriff des Prozessportals eingeführt. Im folgenden werden einzelne dieser Komponenten detailliert beschrieben und anhand von Beispielen – in der Regel aus der Bankenbranche – veranschaulicht. Dabei werden zunächst strategische Aspekte, dann CRM-Prozesse und abschliessend Informationssysteme und -technologien behandelt. © HSG / IWI / CC BKM / R. Schmid Einleitung 1 2 Einleitung Die Kundenbeziehung in den Mittelpunkt zu stellen ist ein klar formuliertes Ziel in immer mehr Unternehmen. Unter dem Überbegriff „Customer Relationship Management“ (CRM) versuchen unter anderem auch Banken, ihre Unternehmensstrategie und Prozesse sowie ihre Produkte und Dienstleistungen vollumfänglich auf die Bedürfnisse der Kunden auszurichten. Durch neue, innovative Informationssysteme und -technologien wie z.B. Intranets oder Data Warehouses soll das Erreichen dieser Ziele unterstützt werden. „Customer Relationship Management“ ist jedoch noch ein relativ neuer Begriff, für den keine universell anerkannte Definition existiert. Je nach Kontext kann damit zum Beispiel eine konkrete verkaufsunterstützende Software bezeichnet werden, die bisher unter dem Titel „Sales Force Automation“ firmierte, oder andererseits ein visionäres, strategisches Konzept zur Ausrichtung des Unternehmens auf Kundenbedürfnisse. Das Ziel dieses Arbeitsberichtes ist es, einen strukturierten Überblick über Customer Relationship Management zu geben. Die verschiedenen dabei relevanten Komponenten werden erläutert sowie die Zusammenhänge aufgezeigt. Mit Fokus auf Banken und andere in diesem Feld tätigen Finanzdienstleister werden Umsetzungsmöglichkeiten und Konsequenzen aufgezeigt und anhand von kurzen Fallbeispielen illustriert. Der Arbeitsbericht richtet sich an: • Praktiker, die bei Finanzdienstleistern in Marketing, Verkauf, Organisation oder IT tätig sind und sich einen Überblick über das Themengebiet und über die Konsequenzen für das eigene Unternehmen verschaffen wollen, • Berater, die im Sinne des Business Engineering (s. [Österle 1995]) CRM-Projekte bei Kunden aus der Finanzdienstleistungsbranche durchführen möchten • Wissenschaftler, die sich einen Überblick über Customer Relationship Management und über die Schnittstellen zu anderen Forschungsbereichen verschaffen wollen. Kapitel 2 behandelt die Grundlagen für Customer Relationship Management. Kapitel 3 erläutert die kundenprozessorientierte Sichtweise auf CRM und erklärt das Konzept der Prozessportale anhand verschiedener Beispiele. Die Kapitel 4-6 gehen auf strategische Aspekte, auf CRM-Prozesse sowie auf Informationssysteme und -technologien ein. © HSG / IWI / CC BKM / R. Schmid Grundlagen 2 2.1 3 Grundlagen Entwicklungen in der Bankenbranche Die Finanzbranche befindet sich in einem radikalen Wandel. Seit über 20 Jahren ist ein kontinuierlicher Rückgang der Marktanteile von Banken im Vermögensverwaltungsgeschäft zu beobachten. Während 1976 noch 25% des Gesamtvermögens amerikanischer Haushalte den Banken anvertraut wurden, waren es 1997 nur noch 12%. Im gleichen Zeitraum konnten Vermögensverwalter ihren Anteil von 37% auf 67% erhöhen (vgl. Abb. 2-1). Vermögensverwalter, welche die Kundenbeziehung in den Vordergrund stellen anstatt wie die meisten Banken in erster Linie eigene Finanzprodukte zu verkaufen, verzeichneten einen signifikanten Zuwachs an Umsatz und Gewinn [Ernst & Young 1998]. 80% 70% 64% 66% 67% 59% 60% 49% 47% 50% 52% 41% 40% 30% 37% 25% 37% 25% 23% 23% 22% 20% 20% 17% 14% 13% 12% 10% 0% 1976 1977 1983 1986 Banken 1987 1989 1992 1995 1996 1997 Vermögensverwalter Abb. 2-1: Verteilung der Vermögenswerte der US-Haushalte [Ernst & Young 1998] Branchenfremde Unternehmen und Nischenanbieter dringen in klassische Geschäftsfelder von Banken vor. Versicherungen bieten beispielsweise immer mehr Investmentfonds und andere Anlageprodukte zur Altersvorsorge an. Direktbanken und Discount Broker spezialisieren sich auf moderne elektronische Vertriebskanäle (Internet, Telefon) und haben so deutliche Kostenvorteile gegenüber etablierten Banken mit grossen Filialnetzen. Softwarehäuser wie Microsoft oder Intuit haben populäre Home-Banking-Software entwickelt und sich so den Einstieg in das Geschäft mit Finanzdienstleistungen geebnet. © HSG / IWI / CC BKM / R. Schmid Grundlagen 4 Kreditkartenunternehmen wie American Express verkaufen ihre Finanzprodukte gekoppelt mit umfangreichen Servicepaketen direkt an die Endkunden. Und nicht zuletzt gründen Unternehmen ganz anderer Branchen spezialisierte Banken, so zum Beispiel die BMW Bank zur Vergabe von Krediten an Autokäufer. 2.1.1 Entstehung eines Wertschöpfungsnetzwerkes In der Wertschöpfungskette klassischer Banken werden dem Kunden Produkte verkauft, die von der eigenen Bank angeboten werden und bei denen auch die Transaktionsabwicklung im eigenen Haus stattfindet. Ernst & Young beschreibt in einer Studie [Ernst & Young 1997] die Aufspaltung dieser Wertschöpfungskette und die Entwicklung von drei spezialisierten Rollen, die in einem wechselseitigen Geschäftsverhältnis stehen und so ein Wertschöpfungsnetzwerk bilden. Gemäss Ernst & Young wird es neu die Rollen des Relationship Managers, des Product Providers und es Transaction Processors geben. Die Kernkompetenz des Relationship Managers ist die Beziehung zum Kunden. Er ist für die Beratung und Zufriedenstellung des Kunden verantwortlich, bezieht die Produkte dafür aber über das Netzwerk von verschiedenen Product Providern. Dabei ist er nicht mehr an die Produkte einer bestimmten Bank gebunden. Der Product Provider bietet verschiedene Finanzprodukte an und verschafft sich einen Wettbewerbsvorteil durch die Kreation neuer, innovativer Produkte. Die eigentliche Abwicklung wird dem Transaction Processor überlassen, der sich auf eine kosteneffiziente Durchführung der erforderlichen Transaktionen spezialisiert. 2.1.2 Rollen von Banken im Informationszeitalter 2.1.2.1 Transaction Processor Die effiziente, kostengünstige und zuverlässige Abwicklung von Transaktionen ist die Kernkompetenz des Transaction Processors. Charakteristisch ist, dass er gegenüber dem Endkunden auf dem Markt nicht mit seinem eigenen Namen auftritt. Er bietet seinen Kunden – dies sind meist Product Provider und Relationship Manager – hoch standardisierte Dienstleistungen an, meist in elektronischer Form als sogenannte „e-Services“. Transaction Processors entstehen häufig durch die Auslagerung operativer Bereiche von Banken in dafür gegründete neue Unternehmen. © HSG / IWI / CC BKM / R. Schmid Grundlagen 5 Beispiel: Telekurs Payserv Ein typischer Transaction Processor ist die schweizerische Telekurs Payserv. Payserv wickelt die Zahlungs- und Kartentransaktionen für die meisten Schweizer Banken ab und betreibt das Netz der Bankomaten und EFT/POS-Zahlungsstellen. Die Banken beziehen diese Dienstleistungen von Payserv und stellen sie ihren Kunden unter ihrem eigenen Namen zur Verfügung. Beispiel: Transpoint Transpoint (www.transpoint.com) bietet in den USA einen Service, der es Kunden von angeschlossenen Unternehmen erlaubt, Rechnungen über das Internet zu empfangen und online zu bezahlen. Üblicherweise erhält der Kunde in den USA eine Rechnung per Post, für die er einen Scheck ausschreibt und diesen per Post an das Unternehmen zurücksendet. Mit Transpoint entfallen beide Postwege sowie das Ausschreiben des Schecks durch den Kunden und das Einlösen des Schecks durch das Unternehmen. Abb. 2-2: Online-Rechnungen von Transpoint Der Kunde meldet sich auf der Website seiner Bank an und erhält dort alle offenen Rechnungen präsentiert. Diese kann er sich im Detail ansehen und auf Knopfdruck bezahlen. Auch Rückfragen sind möglich, die dann automatisch zum Absender der Rechnung weitergeleitet werden. Transpoint tritt dabei nicht mit eigenem Namen gegenüber dem Endkunden auf. Transpoint übernimmt lediglich den Betrieb des Systems und die Abwicklung der Rechnungen und Zahlungen für die Partnerbanken, die unter ihrem eigenen Namen ihren Kunden diesen Dienst anbieten. „Internet bill delivery and payment from TransPoint enhances customer relations while reducing customer service costs for billers. It's more convenient for consumers. And it provides important new revenue and marketing opportunities for financial institutions.“ (TransPoint) © HSG / IWI / CC BKM / R. Schmid Grundlagen 6 Das Beispiel Transpoint zeigt, wie ein innovatives Produkt eines Transaction Providers es Banken bzw. Product Providern ermöglicht, ihren Kunden neuartige Services anzubieten. Möglich wird dies durch ein Netzwerk aus Transpoint, kooperierenden Banken und Unternehmen, die sich an der elektronischen Rechnungsstellung beteiligen. Transpoint ist nicht der einzige Anbieter dieser Dienstleistung. In Europa beispielsweise bietet die schweizerische Europay AG mit PayNet ebenfalls ein Electronic Bill Presentment und Payment System an (www.paynet.ch). 2.1.2.2 Product Provider Das Erstellen und Anbieten von Finanzprodukten ist das klassische Kerngeschäft von Banken. In der Regel vertreiben Banken ihre Produkte jedoch vorwiegend über ihre eigenen Vertriebskanäle. Um bei zunehmendem Konkurrenzdruck im Bereich der Kundenbeziehung den Marktanteil als Product Provider halten zu können, müssen die etablierte Banken ihre Produkte in Zukunft aber auch über andere Finanzdienstleister vertreiben. Im Bereich der Anlagefonds z.B. ist dies heute bereits Realität. Diese sind über spezialisierte „Fond Shops“ häufig sogar preiswerter zu haben als bei der Bank selbst. In letzter Zeit sind verschiedene spezialisierte Product Provider entstanden, die den Vertrieb vorwiegend oder ausschliesslich über Drittunternehmen organisieren. Dies sind häufig branchenfremde Unternehmen, welche ihre Produkte zusammen mit den passenden Finanzdienstleistungen anbieten. Beispiel: AKB-Bank Die AKB-Bank ist auf die Finanzierung von Autos und Motorrädern spezialisiert. Klassische Vertriebspartner sind die Autohändler, die zusammen mit den Autos die passenden Finanzierungs- oder Leasingprodukte der AKB-Bank verkaufen. Der Kunde schliesst den Vertrag zwar direkt mit der AKB-Bank ab, dazu ist allerdings die Vermittlung durch einen Autohändler erforderlich. © HSG / IWI / CC BKM / R. Schmid Grundlagen 7 Abb. 2-3: Online-Kreditangebot der AKB-Bank in Kooperation mit Auto Bild In Kooperation mit der Zeitschrift Auto Bild hat die AKB-Bank das Internet als neuen Vertriebskanal erschlossen. Die gemeinsam aufgebaute „autoboerseonline“ ist einer der grössten deutschen Gebrauchtwagenmärkte im Internet. Hat man dort das gewünschte Fahrzeug gefunden, kann man sich sofort online das passende Finanzierungsangebot von der AKB-Bank erstellen lassen. Im Beispiel der AKB-Bank übernehmen die Autohändler und die Zeitschrift Auto Bild die Funktion des Relationship Managers, während die AKB-Bank sich klar als Product Provider positioniert. Ähnliche Kooperationsmodelle können für Allgemeinbanken eine erfolgversprechende Ergänzung zum Vertrieb ihrer Produkte über eigene Vertriebskanäle sein. 2.1.2.3 Relationship Manager „Relationship managers are the customer service giants that own the customers, know everything about them, manage that knowledge as an asset, and are able to meet the full complement of financial needs.“ [Ernst & Young 1997, S.12] Das Geschäft des Relationship Managers ist die Kundenbeziehung. Im Idealfall ist der Relationship Manager herstellerneutral. Er bietet dem Kunden diejenigen Produkte an, die seine Bedürfnisse bestmöglich befriedigen. Es genügt dabei allerdings nicht, dem Kunden eine Reihe von Finanzprodukten anzubieten, aus denen er auswählen kann. Sowohl bei neuen Finanzdienstleistern als auch bei etablierten Banken besteht aktuell der Trend, Finanzprodukte mit erweiterten Services zu bündeln, um so dem Kunden eine auf seine Bedürfnisse möglichst gut zugeschnittene Leistung anbieten zu können. © HSG / IWI / CC BKM / R. Schmid Grundlagen 8 Beispiel: American Express Gold Card American Express bietet mit der Gold Card eine klassische Kreditkarte in Kombination mit verschiedenen Zusatzleistungen an. Zusätzlich zur normalen Zahlungsfunktionalität erhält der Kunde ein Versicherungspaket und einen Reise-Service, der für ihn Planung und Organisation von Reisen durchführt. Auch bei kurzfristigen Änderungen oder Zwischenfällen unterwegs steht ihm dieser Reise-Service zur Verfügung. Die Gold Card ist auf die Bedürfnisse von Personen ausgerichtet, die viel unterwegs sind und keine Zeit haben, sich um die organisatorischen Details zu kümmern. Durch Zusatzangebote wie zum Beispiel einer US-Dollar-Karte kann der Kunde die Leistung weiter an seine individuellen Bedürfnisse anpassen. Häufig werden diese Produkt-Service-Bündel über elektronische Vertriebskanäle angeboten, insbesondere über das Internet. Dadurch versuchen insbesondere neue Anbieter, mit Hilfe von innovativen Serviceleistungen über kostengünstige Vertriebskanäle einen Vorsprung zu erlangen. Um gleichzeitig die Kundenorientierung zu verbessern, müssen die Banken bzw. Relationship Manager ihre Angebote auf die Kundenprozesse ausrichten. Der Kundenprozess ist der Prozess, in dem sich der Kunde befindet, wenn er bestimmte Produkte und Dienstleistungen in Anspruch nimmt. Ein Kundenprozess kann zum Beispiel der Betrieb eines Autos sein, angefangen bei der Bedarfsermittlung über Evaluation, Suche eines geeigneten Angebotes, Abschluss von Verträgen, Auslieferung bis hin zu regelmässigen Wartungen und Verkauf am Ende der Nutzungsdauer. Bietet ein Relationship Manager umfassende Leistungen an, die einen Kundenprozess ganzheitlich unterstützen, spricht man auch von einem „Prozessportal“ (s. Kapitel 3). Beispiel: financenter.com Financenter.com bietet dem Kunden über das Internet Finanzlösungen für Privatpersonen an. Die Angebote sind dabei grösstenteils kundenprozessorientiert aufgebaut. So werden zum Beispiel die Prozesse Hauskauf oder Autokauf abgedeckt. Für den Autokauf bietet Financenter dem Kunden auf seiner Website diverse Tools und Informationen, die ihm die Planung des Autokaufs erleichtern. So kann der Käufer zum Beispiel online berechnen, ob es günstiger ist, ein Auto zu leasen oder zu kaufen, welche Finanzierungsvariante für ihn am günstigsten ist oder was für ein Auto er sich gemäss seiner eigenen Finanzsituation leisten kann. Ein Glossar zum Thema Auto und diverse andere Hintergrundinformationen ergänzen das Angebot. © HSG / IWI / CC BKM / R. Schmid Grundlagen 9 Abb. 2-4: Unterstützung des Autokaufs bei financenter.com In Kooperation mit verschiedenen Partnern bietet Financenter die Möglichkeit, einen Gebrauchtwagen bei einem Händler in der Nähe des Wohnortes zu finden oder ein Angebot für einen Neuwagen erstellen zu lassen. Ausserdem kann sich der Kunde online Finanzierungsangebote und Versicherungsangebote einholen. Product Provider / Drittanbieter Relationship Manager „Prozessportal“ Kundenprozess Information Evaluation NationsBank Kauf Betrieb Verkauf Abb. 2-5: Wertschöpfungsnetzwerk von financenter.com Financenter versucht mit seinem Angebot, alle Kundenbedürfnisse abzudecken, die im Zusammenhang mit dem Kauf eines Autos stehen. Financenter tritt dabei lediglich als Vermittler zu Autohändlern, Bank und Versicherung auf. Eigene Produkte werden von Financenter nicht angeboten. Kundenprozessorientierte Angebote oder Prozessportale sind heute noch wenig zu finden. Während man jedoch noch Mitte 1999 lediglich in den USA vereinzelte Beispiele finden © HSG / IWI / CC BKM / R. Schmid Grundlagen 10 konnte, sind seither auch in Europa einige Prozessportale entstanden – zumindest in ersten Ansätzen (s. Beispiele in Kapitel 3). Alle Aktivitäten von Banken im Bereich Customer Relationship Management haben zum Ziel, ihre Kompetenz in der Rolle als Relationship Manager auszubauen. Häufig werden zu diesem Zweck Prozessportale aufgebaut. Der Kunde des Relationship Managers ist dabei keineswegs ausschliesslich der Endkunde. Es ist durchaus denkbar, dass der Relationship Manager Intermediäre betreut, die gegenüber ihren Kunden selbst wieder die Rolle eines Relationship Managers einnehmen. Dies ist zum Beispiel bei Fondsgesellschaften der Fall, die ihre Fonds über Partnerbanken oder Fondsshops vertreiben. 2.2 Begriff „Customer Relationship Management“ Es existiert keine allgemein anerkannte Definition des Begriffs „Customer Relationship Management“ (CRM). Verschiedene gängige Definitionen aus Wissenschaft, Literatur und Beratung sind in [ECCS 1999] zusammengefasst. Die meisten dieser Definitionen – insbesondere aus dem wissenschaftlichen Bereich – setzen den Begriff im wesentlichen mit „Relationship Marketing“ gleich. Dabei werden jedoch die Aspekte der Kundenbeziehung vernachlässigt, die z.B. in den Bereichen Verkauf und Service liegen. [Kunz 1996] definiert den Begriff „Kundenbeziehungsmanagement“ sehr allgemein: „Kundenbeziehungsmanagement ist die Summe aller unternehmerischen Entscheidungen und Handlungen, die auf den Aufbau und die Erhaltung von längerdauernden Beziehungen zwischen dem Unternehmen und seinen Kunden abzielen.“ Eine detailliertere und sehr praxisnahe Definition stammt von Robert Shaw [ECCS 1999]: "Customer relationship management is an interactive process achieving the optimum balance between corporate investments and the satisfaction of customer needs to generate the maximum profit. CRM involves: • measuring both inputs across all functions including marketing, sales and service costs and outputs in terms of customer revenue, profit and value. • acquiring and continuously updating knowledge about customer needs, motivation and behaviour over the lifetime of the relationship. • applying customer knowledge to continuously improve performance through a process of learning from successes and failures. • integrating the activities of marketing, sales and service to achieve a common goal. © HSG / IWI / CC BKM / R. Schmid Grundlagen 11 • the implementation of appropriate systems to support customer knowledge acquisition, sharing and the measurement of CRM effectiveness. • constantly flexing the balance between marketing, sales and service inputs against changing customer needs to maximize profits." In Anlehnung an die Definition von Robert Shaw dient die folgende Definition des Begriffs „Kundenbeziehungsmanagement“ bzw. „Customer Relationship Management“ als Grundlage für die vorliegende Arbeit: Kundenbeziehungsmanagement bezeichnet ein interaktives Vorgehen mit dem Ziel, das optimale Gleichgewicht zwischen unternehmensseitigen Investitionen und der Befriedigung von Kundenbedürfnissen zu erreichen, um so den Gewinn zu maximieren. Die wesentlichen Aufgaben von Kundenbeziehungsmanagement sind: • Messung der Aufwendungen für alle Aktivitäten einschliesslich der Marketing-, Verkaufs- und Service-Kosten und der Erträge in Form von Kundeneinnahmen, Kundengewinn und Kundenwert • Gewinnung und laufende Aktualisierung von Wissen über Kunden (Bedürfnisse, Motivation und Verhalten), Produkte und Umfeld (Märkte, Konkurrenten, …) • Laufende Anwendung dieses Wissens in allen Unternehmensprozessen, insbesondere in Marketing, Verkauf und Service mit dem Ziel, für jede individuelle Kundenbeziehung das oben beschriebene optimale Gleichgewicht zu finden • Integration der Aktivitäten in Marketing, Verkauf und Service zur Erreichung gemeinsamer Ziele • Etablierung und zielgerichteter Einsatz verschiedener Vertriebskanäle und Sicherstellung der Konsistenz zwischen den einzelnen Kanälen • Laufende Anpassung der CRM-Aktivitäten an sich ändernde Kundenbedürfnisse • Einsatz von geeigneten Informationssystemen zur Unterstützung aller genannten Aufgaben von CRM, insbesondere der Wissensgewinnung und der Wissensnutzung sowie der Integration und der Messung der Effektivität von Customer Relationship Management © HSG / IWI / CC BKM / R. Schmid Grundlagen 12 Um das primäre Ziel der Gewinnmaximierung zu erreichen, verfolgen CRM-Aktivitäten im wesentlichen drei sekundäre Ziele: Kundenbindung, Kundenselektion und Kundengewinnung. Kundenbindung: Bestehende Kunden halten Kundenselektion: Profitable Kunden identifizieren Gewinnmaximierung Kundengewinnung: Kundenstamm vergrössern Abb. 2-6: Ziele des Customer Relationship Management 2.2.1 Kundenbindung Bis heute ist sowohl bei Banken als auch in anderen Branchen ein Grossteil der Marketinganstrengungen auf die Gewinnung von Neukunden ausgerichtet. Es ist jedoch bekannt, dass die Akquisitionskosten für einen Neukunden den Gewinn aus dieser Geschäftsbeziehung für eine längere Zeit konsumieren [Kunz 1996, S.17]. Mit zunehmender Dauer einer Kundenbeziehung steigt deren Profitabilität (vgl. Abb. 2-7). Dazu kommt die Gefahr, durch günstige Lockangebote Neukunden gegenüber Stammkunden zu bevorteilen und letztere dadurch zu verlieren. Sinkende Preissensibilität Weiterempfehlungen Kosteneinsparung Cross-Selling, Vermögenszuwachs Akquisitionskosten Jahre 0 1 2 3 4 5 Abb. 2-7: Nutzen langfristiger Kundenbeziehungen [Bernet/Held 1998, S.62] © HSG / IWI / CC BKM / R. Schmid Grundlagen 13 Untersuchungen haben gezeigt, dass die Kosten für das Halten von bestehenden Kunden etwa fünf- bis siebenmal niedriger sind als der Aufwand für die Gewinnung eines Neukunden [Kunz 1996, S.18]. Da in der Regel jeder verlorene Kunde durch einen Neukunden ersetzt werden muss, kann ein Unternehmen desto profitabler wirtschaften, je mehr ihrer Kunden Stammkunden sind. Abb. 2-8 veranschaulicht diesen Sachverhalt. Während das Unternehmen mit einer Treuequote von 50% in drei Jahren 150 Neukunden gewinnen muss, um die Kundenzahl konstant zu halten, muss das Unternehmen mit einer Treuequote von 80% im selben Zeitraum nur 60 Neukunden gewinnen. 100 Kunden 50 Kunden Stammkunden bei 50% Treue 1. Jahr 2. Jahr 3. Jahr Stammkunden bei 80% Treue 1. Jahr 2. Jahr 3. Jahr Abb. 2-8: Vergleich zweier Unternehmen mit unterschiedlichen Treuequoten [Kunz 1996] 2.2.2 Kundenselektion Das blinde Binden von möglichst vielen Kunden führt jedoch nicht zwangsläufig zum gewünschten finanziellen Erfolg. „Untersuchungen zeigen, dass rund 60 bis 80 Prozent der Kunden mit einem durchschnittlichen Anlagewert von unter 100 000 DM der Bank einen negativen Deckungsbeitrag I bescheren“ [Bernet/Held 1998, S. 29]. Ziel der Banken ist es also, alle Akquisitions- und Kundenbindungsaktivitäten auf solche Kunden auszurichten, die für die Bank zumindest mittel- bis langfristig profitabel sind. © HSG / IWI / CC BKM / R. Schmid Grundlagen 14 Zur Erreichung dieses Zieles ist es erforderlich, dass die Bank über Ihre Kunden möglichst viele Informationen gewinnt, die Rückschlüsse auf die (zukünftige) Profitabilität des Kunden oder zumindest bestimmter Kundensegmente zulässt. Dabei kommt es nicht auf die Quantität, sondern auf Aussagekraft und Verfügbarkeit der Informationen an. Wertvoll sind für die Bank zum Beispiel folgende Informationen: • Welchen Anteil besitzt die Bank am Kunden? Hat der Kunde weitere Bankbeziehungen? Bei welcher Bank hat der Kunde seine Hauptbankverbindung? Solche Informationen erlauben es der Bank, dem Kunden gezielt Dienstleistungen anzubieten, die er derzeit von einer anderen Bank bezieht. • Welches Verhalten zeigt der Kunde? Tätigt er viele oder wenige Transaktionen? Wie hoch sind die Transaktionsvolumina und die durchschnittlichen Saldi? Derartige Informationen lassen Rückschlüsse auf die Profitabilität zu. • Die Kenntnis von Ereignissen im privaten oder beruflichen Umfeld des Kunden (z.B. Heirat, Kinder, Arbeitslosigkeit etc.) sowie die Kenntnis von persönlichen Interessen (z.B. Urlaubsgewohnheiten, Hobbys etc.) generieren ein grosses Cross-Selling-Potenzial und erlauben Rückschlüsse auf die Rentabilität (vgl. Abb. 2-9). Das heisst, dass die Bank dem Kunden gezielt auf seine Bedürfnisse abgestimmte Produkte anbieten kann. Deckungsbeitrag I Geburt des ersten Kindes Kunde lebt mit Partnerin zusammen (ohne Kinder) Benötigt Geld für Pensionierung Normales Leben Break-even auf Stufe DB I Eltern eröffnen Jugendsparkonto Kinder ziehen aus 0 10 20 30 40 50 60 70 80 Alter Abb. 2-9: Profitabilität eines Kunden nach Lebensereignissen [Dubs 1998] © HSG / IWI / CC BKM / R. Schmid Kundenprozesszentrierung und Prozessportale 2.2.3 15 Kundengewinnung Trotz aller Massnahmen in den Bereichen der Kundenbindung und der Kundenselektion kann nicht verhindert werden, dass auch (potenziell) profitable Kunden abwandern. Eine laufende Akquisition von Neukunden ist also erforderlich, um diese Verluste auszugleichen. In der Regel wird ein wachsender Kundenstamm angestrebt, so dass die Rate der gewonnenen Neukunden die Abwanderungsrate übersteigen muss. Neben der Kundenbindung und der Kundenselektion ist also auch die Kundengewinnung ein wichtiger Bestandteil des Customer Relationship Management. Dabei spielen neben Massenwerbemassnahmen zum Beispiel auch Mailingaktionen und andere Kampagnen oder Weiterempfehlungsprogramme eine Rolle. 3 3.1 Kundenprozesszentrierung und Prozessportale1 Vom Produkt zum Kundenprozess Obwohl Kundenorientierung bereits seit Jahren propagiert wird und ein Leitsatz vieler Unternehmen ist, steht nach wie vor das angebotene Produkt meist im Mittelpunkt der Marketing- und Verkaufsaktivitäten. Die Kundenorientierung erschöpft sich in der Regel darin, den Kunden zuvorkommend und zügig zu bedienen und ihm auch nach dem Kauf bei Fragen und Problemen zur Verfügung zu stehen. Der Kunde hat jedoch normalerweise ein weitergehendes Bedürfnis. Er befindet sich mitten in einem Kundenprozess wie zum Beispiel dem „Autobesitz“ oder dem „Immobilienerwerb“. Im Rahmen dieses Prozesses benötigt er eine Vielzahl von Produkten und Dienstleistungen, die er sich selbst zusammensucht. Dazu muss er in der Regel mehrere Anbieter von Produkten und Dienstleistungen kontaktieren, die Angebote evaluieren und die Koordination des Prozesses übernehmen. Es handelt sich häufig um Prozesse wie z.B. den Immobilienerwerb, die der Kunde vielleicht nur einmal im Leben durchläuft und mit denen er daher sicher wenig Erfahrung hat. Ein Anbieter, der den Kundenprozess vollständig unterstützt, also alle benötigten Leistungen aus einer Hand anbietet und den Kunden in seinem Prozess führt, schafft für ihn einen erheblichen Zusatznutzen [vgl. Kühn/Grandke 1997]. 1 vgl. [Österle 1999, S.45ff] © HSG / IWI / CC BKM / R. Schmid Kundenprozesszentrierung und Prozessportale 16 Bauunternehmer Gartenbau Bauforschung Kartenverlag Möbelhaus Zeitschriftenverlag Architekt Raumgestalter Hausratversicherung Ausbildungszentrum Makler InternetImmobilenbörse Lebensversicherung Vers.makler Bank Steuerberater Behörden Customer A A A Notar Spedition Abb. 3-1: Der Bausektor ist stark produktzentriert. Betrachtet man beispielsweise den Kundenprozess „Immobilienerwerb“ näher, so stellt man fest, dass die gesamte Branche stark produktzentriert aufgebaut ist (s. Abb. 3-1). Der Kunde, der eine Immobilie erwerben oder bauen möchte, muss Leistungen von unzähligen Partnern in Anspruch nehmen. Angefangen beim Immobilienmakler über verschiedene Behörden, Architekt, Bauunternehmer, Bank, Versicherung, Notar bis zu Spedition und Möbelhaus unterhält und koordiniert der Kunde jede einzelne Geschäftsbeziehung. Beispiel: yourhome.ch In letzter Zeit sind verschiedene Angebote entstanden, die zum Ziel haben, diesen Kundenprozess möglichst umfassend zu unterstützen. Die Websites www.immoseek.de von der HypoVereinsbank und www.yourhome.ch (s. Abb. 3-2) von der Credit Suisse zum Beispiel nutzen das Internet, um dem Kunden möglichst viele Services rund um den Immobilienerwerb zur Verfügung zu stellen. Bei yourhome kann sich der Kunde in der Rubrik „Was muss ich wissen?“ zunächst grundlegend informieren. Hier findet er Hintergrundinformationen über die Bedarfsermittlung, die Objektsuche sowie über Rechtsfragen, Steuerthemen, Finanzierungsmöglichkeiten und Versicherungsfragen. Diese Informationen helfen dem Kunden, den Ablauf seines Kundenprozesses optimal zu organisieren. Checklisten und Hinweise, was bei den einzelnen Aktivitäten zu beachten ist, erlauben es, auf einfache Weise Prozess-know-how aufzubauen. © HSG / IWI / CC BKM / R. Schmid Kundenprozesszentrierung und Prozessportale 17 Abb. 3-2: www.yourhome.ch Konkrete Unterstützung der Suche nach einem geeigneten Objekt findet man in der Rubrik „Was gibt es auf dem Markt?“. Der Kunde kann hier in zwei von Drittanbietern zur Verfügung gestellten Immobiliendatenbanken nach geeigneten Objekten suchen. Außerdem hat er Zugriff auf Kartenmaterial, das ihm Auskunft über die Wohnlage und die Umgebung eines gefundenen Objektes gibt. Eine weitere Funktion bietet Unterstützung, wenn der Kunde ein Objekt individuell bewerten lassen möchte. Ausserdem besteht Zugriff auf nützliche Adressen zum Beispiel von Immobilienmaklern und Liegenschaftsbewertern. Geht es um die Finanzierung der Immobilie, bietet yourhome unter der Rubrik „OnlineFinanzierung“ die Möglichkeit der persönlichen Budgetplanung, der Ermittlung von Konditionen für Hypotheken der Credit Suisse sowie der Berechnung von steuerlichen Auswirkungen und von Versicherungsvarianten. Es besteht die Möglichkeit, online einen Antrag für ein Hypothek zu erstellen. Die Rubrik „Rund ums Wohnen“ bietet eine weiterhende Unterstützung des Kundenprozesses. Unter „Bau/Umbau/Renovation“ findet man Informationen über einen typischen Bauablauf sowie diverse Checklisten. Der Umzug wird durch Informationen über Umzugsmöglichkeiten und -kosten sowie durch einen Link auf ein Speditionsunternehmen unterstützt. Zur Planung der Inneneinrichtung stehen Checklisten sowie eine kostenlose Möblierungssoftware zum Download zur Verfügung. Informationsmaterial. © HSG / IWI / CC BKM / R. Schmid Auch für den Gartenbau findet man ausführliches Kundenprozesszentrierung und Prozessportale 18 Archithema ETH yourhome.ch Etzel IAZI CIFI News, Checklisten ImmoPool Geogr. Informationen MVS Baumarketing Nägeli-Umzüge Schweizer Garten Informieren Finanzplanung Objektsuche Limmatdruck Rodrigo & Abegg Kundenprozess Finanzierungsoptionen ImmoTax SwissClick Vertriebskanäle Objekt suchen Online-Finanzierung Finanzierung Umzug Umzug Inneneinrichtung Einrichtung SwissTax Gartenbau Symplan Map AG ... ... Winkler&Richard Wüest&Partner Abb. 3-3: Yourhome.ch integriert externe und eigene Angebote. Das Beispiel yourhome zeigt, wie die eigentliche Kernleistung der Credit Suisse – die Finanzierung – nicht mehr als alleinstehendes Produkt angeboten wird, sondern eingebettet in eine Lösung zur Unterstützung des gesamten Kundenprozesses. Zur Bereitstellung dieses umfassenden Leistungsspektrums kooperiert die Credit Suisse mit verschiedenen Drittanbietern wie zum Beispiel Herstellern von Kartenmaterial, Umzugsunternehmen, Immobilienmaklern, Steuerspezialisten etc. Die Angebote von den Drittanbietern und die eigenen Angebote bündelt die Credit Suisse und stellt sie im wesentlichen über Internet, aber auch teilweise per Telefon oder in der Filiale, dem Kunden zur Verfügung (s. Abb. 3-3). 3.2 Prozessportale Einige innovative Unternehmen – wie zum Beispiel auch die Credit Suisse mit yourhome – sind bereits dazu übergegangen, den gesamten Kundenprozess zu unterstützen. Sie bieten dem Kunden aus einer Hand jedes Produkt, jede Dienstleistung und jede Information, die er braucht, und führen ihn in diesem Prozess. Sie werden zum Leistungsintegrator und Spezialisten für diesen Prozess. Dem Kunden bieten sie diese Leistungen in einem Prozessportal an. In diesem Prozessportal fasst das Unternehmen alle Dienstleistungen und Informationen für einen bestimmten Kundenprozess zusammen. Dabei werden sowohl eigene Leistungen als auch solche von Kooperationspartnern gebündelt [s. Österle 1999, S.45-51; vgl. Schmid/Bach 2000]. Der Kunde greift – je nach Situation und Präferenz – über beliebige Vertriebskanäle auf das Prozessportal zu. Die Leistungen sind also keineswegs etwa auf das WWW als Vertriebskanal beschränkt. Der Kunde kann beispielsweise über das Web auf das Prozessportal zugreifen, um erste Informationen zu erhalten, dann aber möglicherweise eine persönliche Beratung in Anspruch nehmen und schlussendlich telefonisch eine Bestellung © HSG / IWI / CC BKM / R. Schmid Kundenprozesszentrierung und Prozessportale 19 auslösen. Unternehmen können die Leistungen der Prozessportale auch auf bestimmte Vertriebskanäle – beispielsweise das Telefon – beschränken. In der Regel wird jedoch jedes Prozessportal im Internet-Auftritt des Unternehmens zumindest dokumentiert sein. Häufig wird der Internet-Auftritt der Startpunkt für die Inanspruchnahme der Leistungen eines Prozessportals sein. Ein Prozessportal bietet dem Kunden erheblichen Zusatznutzen (s. Abb. 3-4): • Everything: Er bekommt alle Produkte, Dienstleistungen und Informationen aus einer Hand, benötigt nur eine Geschäftsbeziehung. • One-stop: Der Kunde kann das gesamte Geschäft in einem einzigen Vorgang erledigen. Er muss – abgesehen vom physischen Warentransport – nie auf den Lieferanten warten (keine Unterbrechung des Kundenprozesses). • Anyhow: Er erhält Prozessunterstützung gemäss seiner bevorzugten Weise (z. B. per Telefon und Fax). • One-to-one: Die Kommunikation mit dem Lieferanten ist vom Marketing bis zum AfterSales-Service auf seinen Bedarf (Kundenprofil) abgestimmt. • Everywhere und non-stop: Er bekommt die Leistungen überall auf der Welt und jederzeit. ANYHOW ONE-STOP Profile NON-STOP Profile EVERYTHING EVERYWHERE ONE-TO-ONE Abb. 3-4: Nutzen eines Prozessportals für den Kunden Für den Anbieter eines Prozessportals ist es essentiell, über ein überzeugendes, überlegenes Know-how im Kundenprozess zu verfügen. Ein Kunde wird die Leistungen eines Prozessportals nur in Anspruch nehmen, wenn er sicher sein kann, von Spezialisten in © HSG / IWI / CC BKM / R. Schmid Kundenprozesszentrierung und Prozessportale 20 seinem Prozess unterstützt zu werden. Jedes Unternehmen muss selbst entscheiden, für welche Kundenprozesse es selbst als Leistungsintegrator auftreten kann, an welche Prozessportale es zuliefert und / oder an welche Kunden es direkt verkauft. Ein weiterer wichtiger Faktor für die Akzeptanz von Prozessportalen beim Kunden ist das Vertrauen, dass der Kunde dem Prozessportal entgegenbringt. Um die Leistungen in Anspruch zu nehmen, übermittelt der Kunde in der Regel persönliche, teilweise vertrauliche Informationen an den Portalanbieter. Genießt dieser kein Vertrauen, sind wenige Kunden bereit, persönliche Informationen preiszugeben. Die Möglichkeiten des Prozessportals sind damit stark eingeschränkt. Banken genießen beispielsweise in der Regel ein sehr hohes Maß an Vertrauen und haben dadurch einen nicht zu vernachlässigenden Wettbewerbsvorteil beim Aufbau von Prozessportalen. Der Erfolg eines Prozessportal wird auch durch das Erreichen einer kritischen Zahl von Kunden und Anbietern bestimmt [s. Hagel/Singer 1999, S.169ff.]. Der Kunde wird einerseits zu dem Prozessportal gehen, über das er die meisten Anbieter erreicht, andererseits wird ein Anbieter bevorzugt mit solchen Portalke kooperieren, über die er am meisten Kunden erreicht. Eine gewisse kritische Masse ist auch erforderlich, um die hohen Investitionskosten für den Aufbau eines Prozessportals auf möglichst viele Transaktionen umlegen zu können. Neben der Anzahl der Anbieter ist auch die Neutralität gegenüber den Anbietern entscheidend. Kunden erwarten einen möglichst umfassenden und objektiven Vergleich der Leistungen. Dies ist in der Regel kein Problem bei reinen Leistungsintegratoren, die keine eigenen Leistungen erbringen. Ist ein Prozessportalbetreiber jedoch gleichzeitig Anbieter von Produkten oder Dienstleistungen, müsste er, um die Neutralität zu wahren, eigene Produkte mit Konkurrenzprodukten vergleichen. Dies ist heute kaum der Fall. Zum Beispiel müsste also yourhome neben den Finanzierungsprodukten von der Credit Suisse auch solche von der Konkurrenz anbieten und die Konditionen entsprechend vergleichen. Prozessportale mit mangelnder Neutralität laufen Gefahr, ihre Kunden an unabhängige, neutrale Portale zu verlieren. Beispiel: autobytel.com Autobytel.com (s. Abb. 3-5) fasst in einem Prozessportal alle Leistungen rund um Autokauf und -besitz zusammen. Der Kunde kann nach neuen oder gebrauchten Autos suchen, zu jedem Modell stehen technische Daten, Testberichte und Preisinformationen zur Verfügung, die Vergleiche einfach machen. Über das Netzwerk von mehr als 3000 Autohändlern kann der © HSG / IWI / CC BKM / R. Schmid Kundenprozesszentrierung und Prozessportale 21 Kunde Angebote für Neuwagen anfordern oder einen passenden Gebrauchtwagen in der Nähe des Wohnortes lokalisieren. Mit Hilfe von Banken und Versicherungen als weitere Partner bietet Autobytel.com dem Kunden Finanzierung, Autoversicherung und Gebrauchtwagengarantie an. Im Auktionsbereich können Autos ver- oder ersteigert werden. Über die Personalisierungsfunktionalität kann sich der Kunde über Zeitpunkte für notwendige Wartungen oder über Rückrufaktionen für sein Modell per E-Mail informieren lassen. Im „Store“ können Autozubehör und andere Artikel online gekauft werden. Abb. 3-5: Prozessportal von Autobytel.com Für den Kunden wird Autokauf- und besitz deutlich erleichtert. Angeschlossene Händler und andere Partner erreichen über das Prozessportal (s. Abb. 3-6) eine Vielzahl von zusätzlichen potenziellen Kunden. Autobytel.com verdient an Vermittlungsprovisionen und mit Bannerwerbung. Prozessportal World Wide Web als Vertriebskanal Allg. Informationen News Produktinformation Kontaktaufnahme Beratung Produktkonfiguration Angebotserstellung Bestellservice Lieferservice Rechnungsstellung Auktionen Support Problemlösung Reparaturservice Supply Chain Service Zusatzleistungen Personalisierung New cars Used cars Kundenprozess „Autobesitz“ Information Auctions Financing Evaluation Insurance Warranties Kauf Maintenance Store Betrieb For Her Articles Verkauf Affiliates Abb. 3-6: Autobytel.com bietet über das Prozessportal kundenprozesszentrierte Leistungen © HSG / IWI / CC BKM / R. Schmid Kundenprozesszentrierung und Prozessportale 22 Autobytel.com wurde 1995 gegründet. Seither wurden über 3,5 Millionen Kunden beim Autokauf unterstützt. Heute generiert Autobytel.com bei den angeschlossenen Händlern einen Umsatz an Autoverkäufen in Höhe von 1,6 Millionen US$ pro Stunde. Das Beispiel autobytel zeigt ein Prozessportal eines Anbieters, der reiner Leistungsintegrator ist. Dem Kunden von autobytel bietet er Zugang zu Fahrzeugdaten aller namhafter Autohersteller sowie zu einem breiten Spektrum an Händlern. Da autobytel selbst weder Autos herstellt noch verkauft, ist auch die Neutralität gewährleistet. Prozessportale bilden die Schnittstelle von den unternehmensseitigen Customer Relationship Management-Prozessen zu den individuellen Kundenprozessen. Sie stellen dem Kunden idealerweise genau diejenigen Leistungen zur Verfügung, die er beim Durchlaufen seines Kundenprozesses benötigt. Das gesamte Customer Relationship Management eines Unternehmens, insbesondere die CRM-Prozesse (s. Kapitel 5) müssen also auf den Kundenprozess und damit auf die im Prozessportal angebotenen Leistungen ausgerichtet sein. CRMProzesse Prozessportal Vertriebskanäle Kundenprozess News Lieferant Marketing Produktinformation Beratung Lieferant Informieren Evaluieren Verkaufsabwicklung Drittanbieter Verkauf Kaufen Auktionen Support Drittanbieter Service Nutzen Reparaturservice Verkaufen Supply Chain Service Drittanbieter Personalisierung Business Bus eService eService eService eService Abb. 3-7: Zusammenhang zwischen Prozessportalen und CRM Dieser Zusammenhang wird in Abb. 3-7 veranschaulicht. Der Kunde durchläuft einen hier verallgemeinert dargestellten Kundenprozess. Dabei tritt er mehrfach über verschiedene Vertriebskanäle mit einem Prozessportal, das seinen Kundenprozess unterstützt, in Kontakt. Unternehmensseitig sind die CRM-Prozesse Marketing, Verkauf und Service dafür verantwortlich, die Leistungen des Prozessportals bereitzustellen und damit die Kundenkontakte zu unterstützen. Das Unternehmen greift dazu in der Regel auf ein © HSG / IWI / CC BKM / R. Schmid Strategische Aspekte im Customer Relationship Management Netzwerk von Lieferanten und 23 Drittanbietern wie z.B. Versicherungen zurück. Hochstandardisierte Dienstleistungen wie z.B. die Abwicklung des Zahlungsverkehrs werden von darauf spezialisierten e-Service-Anbietern über standardisierte Schnittstellen – den sogenannten Business Bus – bezogen. 4 Strategische Aspekte im Customer Relationship Management Der stetige Wandel von Marktanforderungen und Kundenbedürfnissen erfordert eine regelmässige Überprüfung und Anpassung der Unternehmensstrategie. Im vorliegenden Kontext ist es der Trend zu einer immer grösseren Kundenorientierung, der eine stärkere Gewichtung von Aspekten des Customer Relationship Management in der Unternehmensstrategie erfordert. Das Ziel dieses Kapitels ist es, CRM-spezifische strategische Komponenten zu beschreiben. Die grundsätzlichen Verfahren zur strategischen Unternehmensführung und -planung, wie z.B. in [Kreikebaum 1991] und in [Hinterhuber 1992] beschrieben, werden dadurch nicht berührt und sind daher nicht Thema der folgenden Betrachtungen. Kundensegmentstrategie, Multikanalstrategie und Servicestrategie beeinflussen sich sehr stark gegenseitig. Die Entwicklung muss daher parallel und Hand in Hand erfolgen. 4.1 Kundensegmentstrategie „Das Thema Segmentierung ist für die Banken nicht neu, muss aber vor dem Hintergrund eines Mengengeschäfts mit wenig attraktiver Renditesituation, fortschreitenden technologischen Innovationen und alternativen Vertriebsformen neu überdacht werden“ [Droege & Comp. 1997, S.37]. Unter Marktsegmentierung versteht man die Aufteilung des Gesamtmarktes nach bestimmten Kriterien in Kundensegmente (vgl. [Gabler 1997], Stichwort Marktsegmentierung). Bei der Entwicklung einer Kundesegmentstrategie müssen dabei einerseits die Marktsegmente definiert werden und andererseits segmentspezifische Strategien (z.B. Multikanalstrategie und Servicestrategie) festgelegt werden. Zur Bildung von Kundensegmenten werden im allgemeinen folgende Kriterien herangezogen (vgl. [Gabler 1997] und [Nitsche 1998, S.19f]): • Demographische Kriterien, z.B. Alter, Geschlecht, Haushaltsgrösse, Nationalität © HSG / IWI / CC BKM / R. Schmid Strategische Aspekte im Customer Relationship Management • 24 Geographische Kriterien, z.B. Aufspaltung des Weltmarktes, Segmentierung in regional zusammenhängende Gebiete, Bevölkerungsdichte, Ortgrössenklasse • Sozio-ökonomische Kriterien, z.B. Einkommen, Schulbildung, Beruf • Psychographische Kriterien, z.B. Lebensstil, Persönlichkeitsmerkmale, Interessen • Kaufverhaltens- und Responsemerkmale, z.B. Transaktionshäufigkeit, Preissensitivität, Sonderangebotsresponse Eine differenzierte Segmentierung soll detaillierte Kenntnisse über Kundenbedürfnisse liefern. Die Kenntnis dieser Kundenbedürfnisse ist unbedingte Voraussetzung für die Entwicklung von kundenorientierten Produkten und Dienstleistungen (vgl. Kap. 3). Bei Banken werden meist demographische und sozio-ökonomische Kriterien zur Segmentierung herangezogen (s. [Nitsche 1998, S.40]). Alter, Geschlecht, Einkommen sowie Informationen über die jeweilige Lebensphase (Familienstand, Alter der Ehepartner, Zahl und Alter der Kinder) lassen wichtige Rückschlüsse auf die Kundenbedürfnisse zu. Aufgrund der in Kap. 2 erläuterten neuen Trends in der Finanzbranche erweisen sich diese Segmentierungsansätze mehr und mehr als ungeeignet (s. [Grebe/Kreuzer 1997]). Ein neuerer Ansatz segmentiert die Kunden nach Loyalität und Rentabilität (s. [Bernet 1998, S.26ff]). Danach sind CRM-Aktivitäten vor allem auf Kunden mit hoher Rentabilität und niedriger Loyalität auszurichten. Als schwierig erweist sich bei diesem Ansatz die Messung der Loyalität. Weitere Ansätze beziehen zunehmend psychographische Kriterien ein und versuchen, auf der Basis von Marktforschung Typologien zu entwickeln, in welche die einzelnen Kunden eingeordnet werden können. Typische Kategorien sind dabei zum Beispiel der „konsumfreudige Berufsanfänger“ oder der „spassorientierte Mengenkunde“ (vgl. z.B. [Grebe/Kreuzer 1997]). Derartige Modelle haben sich aber als nicht praxistauglich erwiesen, da innerhalb der einzelnen Segmente keine ausreichende Homogenität besteht (s. [Droege & Comp. 1997, S.43]). Erfolgversprechender ist die Segmentierung auf der Basis verhaltenstypischer Merkmale. Datenmaterial über das Kaufverhalten ihrer Kunden liegt den Banken in der Regel in grossem Umfang vor. Die Transaktionsdaten eines Girokontos, einer Kreditkarte oder eines Wertpapierdepots beispielsweise lassen umfassende Rückschlüsse auf das tatsächliche Kaufverhalten und -potenzial des Kunden zu. Häufig sind diese Daten zwar vorhanden, © HSG / IWI / CC BKM / R. Schmid Strategische Aspekte im Customer Relationship Management werden jedoch nicht genutzt (s. [Droege 25 & Comp. 1997, S.40]). Moderne Informationstechnologie erlaubt es, die verfügbaren Daten zu analysieren und für eine Kundensegmentierung nutzbar zu machen (s. Kap. 0). Damit ist es möglich, jeden Kunden individuell zu behandeln und ihm auf Basis seines Kaufverhaltens und der weiteren über ihn bekannten Merkmale passende Produkt- und Dienstleistungspakete anzubieten (One-to-one Marketing). Jeder Kunde bildet dabei praktisch ein eigenes Kundensegment. Dies ist zwar zum Beispiel im Private Banking und im Firmenkundengeschäft bei einer kleinen Zahl hoch profitabler Kunden praktikabel, häufig verunmöglichen jedoch Anforderungen des Datenschutzes oder Aufwandsüberlegungen im Massengeschäft ein kundenindividuelles Marketing. Bei der mikrogeographischen Marktsegmentierung werden verhaltensorientierte Merkmale mit klassischen Segmentierungskriterien kombiniert und daraus homogene, sehr kleine Kundensegmente abgeleitet (s. [Nitsche 1998]). Stützt sich die Kundensegmentierung ausschliesslich auf Verhaltensdaten, lassen sich daraus kaum Rückschlüsse auf die zukünftige Profitabilität eines Kunden ziehen. Zu Beginn einer Karriere sind die meisten Personen für die Banken noch nicht profitabel. Für die Bank wäre jedoch interessant zu wissen, welche der Berufsanfänger sich innerhalb der nächsten 10 Jahre voraussichtlich zu profitablen Kunden entwickeln (vgl. [Wayland/Cole 1997, S153ff]). Derartige Schlüsse sind durch eine möglichst kundenindividuelle Kombination von Verhaltensdaten mit demographischen und sozio-ökonomischen Kriterien wie Alter, Ausbildung, Beruf, Einkommen möglich. Um die optimale Granularität der Kundensegmente zu bestimmen, ist das Konzept des „Return on Knowledge“ hilfreich (s. [Wayland/Cole 1997, S.132ff]). Je detaillierter die Kundensegmente bestimmt werden sollen, desto mehr Wissen über die Kunden muss dafür aufgebaut werden. Da der Aufbau solchen Wissens mit Kosten verbunden ist, lohnt sich die Segmentierung nur solange der Gewinn durch die individuellere Kundenorientierung diese Kosten übersteigt und damit ein positiver „Return on Knowledge“ erzielt wird. Der Gewinn durch die Segmentierung lässt sich ermitteln, indem man einerseits die Varianz der Kundenbedürfnisse im Gesamtmarkt betrachtet und andererseits die Varianz der Wertschöpfungspotenziale der einzelnen Kundenbeziehungen. © HSG / IWI / CC BKM / R. Schmid Strategische Aspekte im Customer Relationship Management 26 Varianz der Kundenbeziehungswerte Niedrig Hoch Varianz der Kundenbedürfnisse Niedrig Hoch Gruppe nach Wert Individuell nach Wert und Bedürfnis Markt Gruppe nach Bedürfnis Abb. 4-1: Portfolio Management Strategien [Wayland/Cole 1997] Abb. 4-1 illustriert die verschiedenen Abstufungen. Ist der Markt sehr homogen, so kann auf eine Segmentierung ganz verzichtet werden. Variiert der Markt nach beiden Kriterien stark, so ist eine möglichst kundenindividuelle Segmentierung wünschenswert. Variiert der Markt nur in einem der beiden Kriterien stark, so ist eine Segmentbildung nach diesem Kriterium gewinnbringend. Beispiel: Wachovia Bank Die 1 amerikanische Wachovia Bank war führend im Angebot von personalisierten Dienstleistungen und hatte so einen überdurchschnittlichen Kundenstamm angezogen. Die profitabelsten Kunden wurden von Private Bankern betreut, jedem Massenkunden war ein persönlicher Kundenberater zugeordnet. Dies war bei den Kunden sehr beliebt, führte jedoch dazu, dass die notwendigerweise gut ausgebildeten Kundenberater sich einen grossen Teil ihrer Zeit mit Routinetransaktionen und Anfragen beschäftigen mussten. Aus dieser Situation heraus beschloss die Wachovia Bank, eine neue Kundensegmentstrategie zu entwickeln, bei der die potenzielle Rentabilität die Basis für die Segmentierung bildet. Mit Hilfe leistungsfähiger Customer Profiling-Lösungen entwickelte die Bank Modelle, um die zukünftige Rentabilität möglichst gut vorherzusagen. Dies erfolgte basierend auf verhaltensorientierten Kriterien über den gesamten Kundenstamm. Es stellte sich heraus, dass sich in den obersten und in den untersten Rentabilitätssegmenten sowohl Ärzte als auch Fabrikarbeiter befanden. Den entstandenen Kundensegmenten wurden verschiedene Vertriebskanäle zugeordnet (s. Abb. 4-2). Die rentabelsten Kunden mit hohen Wachstumserwartungen werden weiterhin von Private Bankern oder von persönlichen Kundenbetreuern bedient. Ebenso wird potenziell hoch 1 Die Informationen über die Wachovia Bank sind [Wayland/Cole 1997, S.150ff] entnommen. © HSG / IWI / CC BKM / R. Schmid Strategische Aspekte im Customer Relationship Management 27 profitablen Kunden ein persönlicher „Relationship Banker“ zugeordnet. Kundensegmente mit niedrigen Wachstumserwartungen werden in der Regel von Call Centern bedient. Hoch Niedrig Wachstumspotential Aktuelle Rentabilität Niedrig Hoch Relationship Banker Private Banking oder Relationship Banker Call Center Persönlicher Berater oder Call Center Abb. 4-2: Kundensegmente nach Rentabilität und Potenzial [Wayland/Cole 1997] Mit diesem Modell können sich die persönlichen Kundenberater auf den individuellen Aufbau von vielversprechenden Kundenbeziehungen konzentrieren, während Routinetransaktionen weitgehend über das Call Center abgewickelt werden. Erste Erfahrungen haben gezeigt, dass die neue Kundensegmentstrategie sowohl bei Kunden als auch bei Mitarbeitern auf Akzeptanz gestossen ist. 4.2 Multikanalstrategie Während vor 20 Jahren noch die Filiale und in bestimmten Fällen der mobile Aussendienst die einzigen bedeutsamen Vertriebskanäle waren, sind seither aufgrund der rasanten technischen Entwicklungen immer mehr neue Vertriebskanäle hinzugekommen (vgl. Kapitel Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden.). Zunächst haben sich Selbstbedienungsautomaten zum Bargeldbezug etabliert, die nach und nach zu multifunktionalen Kundenterminals erweitert wurden. Anfang der 90er-Jahre etablierte sich das Telefon dank der Verfügbarkeit moderner Call-Center-Technologie als Vertriebskanal – verschiedene darauf spezialisierte Direktbanken wurden gegründet. Gleichzeitig gab es erste Lösungen für die Kontoführung mit dem PC, teilweise auf proprietärer Basis mit Austausch von Disketten, teilweise auf Basis von länderspezifischen Online-Diensten wie BTX in Deutschland oder Videotext in der Schweiz. Ab etwa 1996 kam das Internet mit WWW und E-Mail als Vertriebskanal dazu. Neueste Trends sind die Nutzung von Kurzmitteilungen über Mobiltelefonnetze (SMS) und von „Palmtop“-Computern über das „Wireless Application Protocol“ (WAP). © HSG / IWI / CC BKM / R. Schmid Strategische Aspekte im Customer Relationship Management 28 Bei dieser Vielfalt an Vertriebskanälen stehen die Banken vor dem Problem, ihr Dienstleistungsspektrum auf die verfügbaren Kanäle abzustimmen. Dabei gibt es zwei grundsätzliche Strategien: • Neue Vertriebskanäle werden unabhängig vom bestehenden Bankgeschäft aufgebaut. Dazu werden eigene Tochtergesellschaften gegründet (z.B. Advance Bank, Bank 24 etc.) oder zumindest ein eigener Markenname eingeführt (z.B. youtrade). Für die neuen Vertriebskanäle wird ein eigener Kundenstamm aufgebaut und eine eigenes Produktangebot konzipiert. • Die bestehenden Vertriebskanäle einer Bank werden durch neue Vertriebskanäle ergänzt, wobei über alle Vertriebskanäle ein einheitliches Dienstleistungsangebot zur Verfügung steht. Ein einheitlicher Kundenstamm wird über alle Kanäle bedient. Diese Strategie verfolgt zum Beispiel die neue „Deutsche Bank 24“. Durch die Gründung von Tochterunternehmen zur Bedienung elektronischer Vertriebskanäle sind Mitte der 90er-Jahre viele Direktbanken entstanden. Direktbanken verfügen über kein eigenes Filialnetz. Der Kontakt vom Kunden zur Bank findet in der Regel per Telefon, Internet, Telefax oder Brief statt. Der Zugang zu Geldautomaten wird den Kunden über Kooperationspartner ermöglicht. Zusätzlich haben aber auch die meisten Filialbanken für ihr bestehendes Dienstleistungsangebot neue Vertriebskanäle erschlossen, um auch dem bestehenden Kundenstamm den Zugang über Telefon und Internet zu ermöglichen. Dadurch sind einige Grossbanken heute in der Situation, die neuen Vertriebskanäle sowohl über eine eigene Tochtergesellschaft als auch über die eigene Filialbank zu bedienen. Das folgende Beispiel beschreibt den Weg der Deutschen Bank von einer separierten Multikanalstrategie über eine Mischform zur voll integrierten Multikanalstrategie der Deutschen Bank 24. Beispiel: Der Weg zur Deutschen Bank 24 1 Im September 1995 nahm die Bank 24 als Direktbank-Tochter der Deutschen Bank AG den Betrieb auf. Die Bank 24 wurde gegründet, um im damals stark wachsenden Markt der Direktbanken Marktanteile zu sichern und den neu an Bedeutung gewinnenden Vertriebskanal „Telefon“ zu bedienen. Die damalige Strategie der Deutschen Bank liess das etablierte 1 Die Informationen über die Deutsche Bank 24 sind [von Heydebreck 1999] entnommen. © HSG / IWI / CC BKM / R. Schmid Strategische Aspekte im Customer Relationship Management 29 Filialgeschäft unangetastet und baute den Vertriebskanal Telefon in Form einer rechtlich selbständigen Tochtergesellschaft mit eigenem Kundenstamm auf. Im Oktober 1996 führt die Bank 24 Zahlungsverkehr und Kontoführung via Internet ein, im April 1997 ist die Möglichkeit direkter elektronischer Wertpapieraufträge hinzugekommen. Die Bank 24 positionierte sich damit als Vollbank im Bereich der elektronischen Vertriebskanäle Telefon und Internet. Durch günstige Konditionen und attraktive Leistungen wie z. B. 24-stündige Erreichbarkeit konnte sich die Bank 24 am Markt behaupten und verfügt heute (Juli 1999) über 820 Mitarbeiter und 430 000 Kunden [Bank 24 1999]. Abb. 4-3: Kundenentwicklung der Bank 24 von 1995 bis 1999 [Bank 24 1999] Um den Marktanforderungen im Retail Banking zu entsprechen, hat auch die Deutsche Bank in der Zwischenzeit ihre Produktpalette um Telefon- und Online-Banking ergänzt. Heute werden diese beiden Vertriebskanäle also sowohl vom Privat- und Geschäftskundenbereich der Deutschen Bank als auch von der Bank 24 bedient. Im Mai 1999 beschloss die Deutsche Bank, ihren Privat- und Geschäftskundenbereich auszugliedern und mit der Bank 24 zusammenzuführen. Die neu entstehende Einheit nimmt unter dem Namen „Deutsche Bank 24“ ihren Betrieb am 1. September 1999 auf. Hintergrund dieser Neuausrichtung war die Erkenntnis, dass sich die Kundenwünsche in den letzten Jahren deutlich geändert haben. Im Sinne einer verbesserten Kundenorientierung soll die Deutsche Bank 24 dem Kunden die Wahlfreiheit zwischen den verschiedenen Zugangswegen zu seiner Bank und zwischen einer möglichst umfassenden Palette an Produktbündeln ermöglichen. Die neue Multikanalstrategie der Deutschen Bank 24 erfordert eine höchstmögliche Integration der verschiedenen Vertriebskanäle. Der Kunde kann zu jeder Zeit zwischen folgenden Wegen zu seiner Bank wählen: • 1450 Filialen • 250 Finanz Center für Geschäftskunden und besonders beratungsintensive Dienstleistungen wie z.B. komplexe Baufinanzierungen © HSG / IWI / CC BKM / R. Schmid Strategische Aspekte im Customer Relationship Management • 400 Finanzberater im mobilen Vertrieb • 1800 Kundenterminals und 6000 Geldautomaten • Telefon-Banking mit „7x24“-Erreichbarkeit • Internet/Online-Banking 30 Um den Kunden über alle Vertriebskanäle einheitlich bedienen zu können und um einen transparenten Marktauftritt zu gewährleisten, ist es erforderlich, die verarbeitenden Informationssysteme in der Bank vollständig zu vernetzen und zu integrieren. Des weiteren bestehen hohe Anforderungen an die Koordination der einzelnen Vertriebskanäle, z.B. muss der Beitrag der einzelnen Kanäle zum Gesamterfolg messbar sein. Die Multikanalstrategie der Deutschen Bank hat von 1995 bis 1999 die Entwicklung von einer vollständigen Separierung der elektronischen von den klassischen Vertriebskanäle zu einer vollständigen Integration durchgemacht. Zunächst wurden die neuen Vertriebskanäle Telefon und Internet ausschliesslich von der Bank 24 bedient, der Kunde musste wählen. Später bot die Deutsche Bank durch Telefon- und Online-Banking eine erste integrierte Lösung an, die aber parallel zur Bank 24 bestand. Erst mit der Gründung der Deutschen Bank 24 wird das volle Potenzial der Kombination verschiedener Vertriebskanäle mit einem möglichst leistungsfähigen Dienstleistungsangebot ausgeschöpft. Einen gegensätzlichen Weg ging die Credit Suisse, die ihr über alle Vertriebskanäle integriertes Bankgeschäft erst in jüngster Vergangenheit durch eine neue Marke zur vollkommen separaten Nutzung von Telefon und Internet im Wertpapiergeschäft ergänzt hat. Beispiel: Credit Suisse Youtrade Bei der Erschliessung der neuen Vertriebskanäle Telefon und Internet verfolgte die Credit Suisse von Anfang an die Strategie, bestehende und neue Kanäle in einem einheitlichen Angebot zu integrieren. Bestehende Konto- und Anlageprodukte wurden sukzessive um Zugriffsmöglichkeiten über Telefon und Internet erweitert. Das Angebot umfasst heute eine breite Palette an Funktionen zur Kontoführung, Depotverwaltung und Abwicklung von Wertpapiertransaktionen. Am 12. April 1999 lancierte die Credit Suisse mit „youtrade“ als erste Bank in der Schweiz den kostengünstigen, direkten Wertpapierhandel über Internet und Telefon. Damit verfügt die Credit Suisse über ein zweites Angebot für Wertpapiertransaktionen und Depotverwaltung über die Vertriebskanäle Internet und Telefon. Von den anderen Produkten und Dienstleistungen der Credit Suisse ist youtrade jedoch vollkommen unabhängig. Es verfügt über einen eigenen, separaten Kundenstamm, über ein eigenes Dienstleistungsangebot und über eigene Konditionen. Beratungsleistungen werden bei youtrade nicht angeboten. Das Angebot richtet sich an Kunden, die keine Beratungsleistungen benötigen, dafür jedoch günstigere Konditionen in Anspruch nehmen möchten. © HSG / IWI / CC BKM / R. Schmid Strategische Aspekte im Customer Relationship Management 31 Die Credit Suisse rechnet damit, dass nur ein kleiner Teil der youtrade-Kunden vorher bereits Credit Suisse-Kunden im Wertpapiergeschäft waren. Das Ziel ist es, durch die günstigen Konditionen Kunden anzuziehen, die vorher noch nicht im Wertpapierbereich engagiert waren oder ihr Depot bei anderen Banken geführt haben, aber keine Beratungsleistungen in Anspruch genommen haben. Der Gesamtkundenbestand soll so erweitert werden. Das Beispiel der Credit Suisse zeigt eine mögliche Multikanalstrategie auf, in der ein über alle Vertriebskanäle integriertes Dienstleistungsangebot parallel zu einem auf Internet und Telefon beschränktes, vollkommen eigenständiges Dienstleistungsangebot besteht. Durch eine gezielte Gestaltung der angebotenen Leistungen und eine klare Ausrichtung auf verschiedene Zielgruppen wird versucht, eine interne Konkurrenzierung zu vermeiden. Bei der Entwicklung einer Multikanalstrategie stehen verschiedene Fragen im Vordergrund, welche die Marktpositionierung der Bank betreffen. Ausgangslage für eine solche Strategieentwicklung ist eine Bestandsaufnahme der angebotenen Produkte, der angesprochenen Kundensegmente sowie der bedienten Vertriebskanäle. Sind bereits verschiedene Marken oder mehrere eigenständige Unternehmenseinheiten vorhanden, so sollte die Gesamtheit aller Produkte und Kundensegmente betrachtet werden. Auf dieser Basis kann anhand der folgenden Fragestellungen eine Multikanalstrategie entwickelt werden: • Welche Vertriebskanäle sollen abgedeckt werden? Durch die Analyse der Kundensegmente sowie der Produkte auf Eignung für bestimmte Vertriebskanäle kann ermittelt werden, welche Vertriebskanäle ein Potenzial für die Bank haben. Universalbanken im Retailgeschäft werden in der Regel alle Vertriebskanäle bedienen wollen, um für einen möglichst breiten Kundenkreis attraktiv zu sein. Direktbanken spezialisieren sich auf einzelne Vertriebskanäle (z.B. Telefon+Internet oder ausschliesslich Internet, wie die erste europäische reine Internetbank „first-e“), in denen sie ihre Kernkompetenz sehen und Dienstleistungen zu günstigen Konditionen anbieten können. In der Vermögensverwaltung tätige Banken sehen häufig persönlichen Kontakt und individuelle Beratung als wichtigsten Wettbewerbsvorteil an und verzichten daher ganz auf den Aufbau elektronischer Vertriebskanäle. • Welche Produkte sollen welchen Kunden über welche Vertriebskanäle angeboten werden? Zunächst stellt sich die Frage, ob neue technische Möglichkeiten genutzt werden sollen, um neue Produkte anzubieten und auf diesem Weg neue Kundensegmente anzusprechen, © HSG / IWI / CC BKM / R. Schmid Strategische Aspekte im Customer Relationship Management 32 oder ob lediglich die bestehende Produktpalette den bestehenden Kundensegmenten über zusätzliche Vertriebskanäle angeboten werden soll. Jede mögliche Kombination aus Produkt(bündel), Kundensegment und Vertriebskanal muss nun auf geschäftliches Potenzial und Kompatibilität zu anderen strategischen Vorgaben überprüft werden. Dabei können gängige Methoden der Strategieplanung angewendet werden. Insbesondere muss auch die interne Konkurrenzsituation zwischen den verschiedenen Angeboten beachtet werden (vgl. [Holmsen et al. 1998]). • Integration oder Separation der Vertriebskanäle? Aus den identifizierten Kombinationen kann abgeleitet werden, welche Produkte integriert über mehrere Vertriebskanäle angeboten werden müssen und welche Produkte separat für bestimmte Vertriebskanäle aufgebaut werden müssen. Die aktuelle Marktsituation und die individuelle Marktpositionierung der Bank spielen dabei eine grosse Rolle. • Zentrale oder dezentrale Kanalsteuerung? Ein wichtiger organisatorischer Aspekt der Multikanalstrategie ist die Fragestellung, ob der Kanal zentral oder dezentral gesteuert werden soll. [Holmsen et al. 1998] unterscheidet drei Varianten der Kanalsteuerung: Im „koordinierten Kanalmodell“ gibt es eine zentrale Stelle, welche die Zuordnung von Kanälen, Produkten und Kundensegmenten vornimmt. Im „gesteuerten Konkurrenzmodell“ werden an einer zentralen Stelle klare Verantwortlichkeiten und Richtlinien, insbesondere für einige kritische Produkt-Kanal-Zuordnungen getroffen. Für die detaillierte Kanalsteuerung gibt es jedoch mehrere dezentrale verantwortliche Stellen. Im „Modell der konkurrierenden Kanäle“ findet überhaupt keine zentrale Steuerung mehr statt. Das Angebot von Produkten über die einzelnen Kanäle erfolgt dezentral und der Markt entscheidet über den Erfolg der einzelnen Angebote. Für ein detaillierte Beschreibung und Beurteilung dieser Varianten sei auf [Holmsen et al. 1998] verwiesen. Die Entwicklung einer Multikanalstrategie muss auf die Ziele des Customer Relationship Management ausgerichtet sein. Die verfügbaren Kanäle müssen so kombiniert und eingesetzt sein, dass sie im Sinne der Kundenbindung und Kundengewinnung höchstmöglichen Nutzen bringen. Im Sinne der Kundenprozesszentrierung sollten die Vertriebskanäle daher so ausgewählt und gestaltet werden, dass sie sich möglichst gut in die Kundenprozesse eingliedern und diese dadurch vereinfachen. Ein Firmenkunde beispielsweise, der bereits sein © HSG / IWI / CC BKM / R. Schmid Strategische Aspekte im Customer Relationship Management 33 gesamtes Bestellwesen über das Internet abwickelt, erfährt durch einen integrierten, internetbasierten Zahlungsverkehr einen grossen Nutzen. Ein vielreisender Aussendienstmitarbeiter zieht es vermutlich vor, seine privaten Bankgeschäfte von jedem beliebigen Standort aus per Telefon zu erledigen. 4.3 Servicestrategie 1 Die Servicequalität ist neben der Produktqualität und dem Preis ein wesentlicher Faktor, der den subjektiven Wert aus Kundensicht beeinflusst. Eine gängige Wettbewerbsstrategie – insbesondere für etablierte Banken, die dem Preiswettbewerb der Direktbanken begegnen müssen – ist die Erhöhung der Servicequalität mit dem Ziel einer hohen Kundenzufriedenheit und Kundenbindung. „Aus der Umsetzung der Strategie ergeben sich zwei wesentliche Aufgaben der Servicepolitik. Zum einen gilt es, eine Servicekultur zu schaffen, in der die Mitarbeiter kundenorientiert denken und handeln. Zum anderen muss das gesamte System eine kundenfreundliche Arbeitsweise bzw. Bedienung ermöglichen“ [Brinkmann 1998, S.6]. Im Kontext des Customer Relationship Management ist eine serviceorientierte Unternehmensstrategie ein wichtiges Mittel, um die Kundenzufriedenheit zu erhöhen und damit die genannten Ziele des CRM, insbesondere die Kundenbindung und indirekt auch die Kundengewinnung zu erreichen. Für eine ausführliche Abhandlung der Thematik sei auf weiterführende Literatur wie z.B. [Brinkmann 1998] verwiesen. Beispiel: Dresdner Bank. Die Beraterbank. Im Geschäftsbericht der Dresdner Bank [Dresdner Bank 1999] wird die strategische Ausrichtung unter anderem folgendermassen beschrieben: „Kundenorientierung und Kundenbindung sind Leitlinien unseres Geschäfts, in Deutschland wie auch international. Mit dem Ausbau unserer Beratungskapazitäten streben wir an, den Provisionsüberschuß deutlich stärker zu steigern als den Zinsüberschuß. Unser Ziel ist ein Gleichgewicht dieser beiden Ertragssäulen, deren Relation derzeit 74 % beträgt.“. In allen Geschäftsbereichen ist eine „Hohe Service- und Beratungsqualität“ als wesentliches Ziel genannt. Weiteres Indiz für den hohen Stellenwert der Serviceorientierung sind Aussagen wie „Als einem Instrument zur nachhaltigen Sicherung der Kundenzufriedenheit und Kundenbindung messen wir dem 1 vgl. [Brinkmann 1998, S.4ff] © HSG / IWI / CC BKM / R. Schmid CRM-Prozesse 34 Beschwerdemanagement große Bedeutung bei.“, die man ebenfalls an prominenter Stelle im Geschäftsbericht findet. 5 CRM-Prozesse Customer Relationship Management findet in den Prozessen Marketing, Verkauf und Service statt. In der Regel können alle Kundenkontakte unternehmensseitig einem dieser drei Prozesse zugeordnet werden [vgl. ECCS 1999]. Auf der Kundenseite ist jeder Kundenkontakt im Customer Buying Cycle einer der Phasen Anregung, Evaluation, Kauf und After-Sales zuzuordnen [s. Muther 1999, S.14ff]. Eine eindeutige Zuordnung dieser Phasen zu den Prozessen Marketing, Verkauf und Service ist nicht möglich. Im wesentlichen wird der Kunde aber in de Anregungsphase durch den Marketingprozess bedient, die Kontakte während der Evaluationsphase und der Kaufphase finden im Verkaufsprozess statt, ein Teil der Kaufphase sowie die After-Sales-Phase werden vom Serviceprozess abgedeckt (s. Abb. 5-1). Einkauf ke ar M g ti n Ser vic e Leistungserstellung After-Sales Anregung Kauf Evaluation Qualitätsmanagement f kau r e V Produktentwicklung Abb. 5-1: Prozesse im Customer Relationship Management Auch Backofficeprozesse wie z.B. Einkauf, Produktentwicklung, Qualitätsmanagement und Leistungserstellung sind im Zusammenhang mit Customer Relationship relevant. Hier finden zwar normalerweise keine direkten Kundenkontakte statt, ein Informationsaustausch mit den CRM-Prozessen ist jedoch unbedingt notwendig. So müssen zum Beispiel alle relevanten Produktinformationen aus der Produktentwicklung den Mitarbeitern in Marketing, Verkauf und Service zur Verfügung stehen. Umgekehrt müssen Beschwerden und Anregungen der Kunden aus dem Serviceprozess an die Produktentwicklung weitergeleitet werden. © HSG / IWI / CC BKM / R. Schmid CRM-Prozesse 35 CRMProzesse Zielgruppen Markt Marketing Kontakt vorhanden Verkauf Interessent Vertragsabschluss Service Kunde Abb. 5-2: Abgrenzung der CRM-Prozesse Zur Abgrenzung der Prozesse Marketing, Verkauf und Service voneinander werden einerseits die Zielgruppen der Prozessaktivitäten und andererseits die Ereignisse Kundenkontakt und Vertragsabschluss betrachtet (s. Abb. 5-2), [vgl. Stender/Schulz-Klein 1998, S.11ff]. Der Marketing-Prozess hat prinzipiell den gesamten Markt als Zielgruppe. In der Regel wird diese Zielgruppe anhand verschiedener Kriterien eingegrenzt, um einen Kreis potenzieller Kunden mit hoher Erfolgswahrscheinlichkeit anzusprechen. Für die Abgrenzung ist es irrelevant, ob ein breites Massenmarketing oder ein stark individualisiertes Marketing durchgeführt wird. Ziel des Marketing-Prozesses ist es in jedem Fall, beim potenziellen Kunden Interesse für ein bestimmtes Produkt zu erzeugen. Die Zielgruppe kann dabei durchaus bestehende Kunden umfassen, denen ein zusätzliches Produkt angeboten wird. Marketingaktivitäten können auch allein auf die Bindung bestehender Kunden abzielen (Kundenbindungsmarketing). Sobald ein Kunde in einem individuellen Kontakt konkretes Interesse an dem angebotenen Produkt bekundet, geht der Marketingprozess in den Verkaufsprozess über. Abb. 5-3 zeigt die wichtigsten Aufgaben im Marketingprozess sowie die IT-Funktionalitäten, die diese Aufgaben unterstützen. © HSG / IWI / CC BKM / R. Schmid CRM-Prozesse 36 CRM-Funktionalitäten CRMProzesse Prozessportal Database Marketing News Marketing Product Management Produktinformation Kampagneninitialisierung Kontaktaufnahme Kampagnendurchführung Campaign Management Kampagnenauswertung Opportunity Management Opportunities generieren Contact Management Personalisierung Marketing Know-how Abb. 5-3: CRM-Prozess Marketing Der Verkaufsprozess umfasst alle Aktivitäten, die im Kontakt mit einem interessierten Kunden zu einem Vertragsabschluss führen sollen. Dies können zum Beispiel Beratungsgespräche oder die Bereitstellung von Informationsmaterial sein. Mit dem Vertragsabschluss endet der Verkaufsprozess. Es schliessen sich einerseits der Serviceprozess und andererseits der Prozess Leistungserstellung an. Die Leistungserstellung ist ein Backoffice-Prozess ohne direkten Kundenkontakt. Hier werden die vertraglich vereinbarten Leistungen erbracht und z.B. im Falle eines Bankkontos die Transaktionen abgewickelt. Abb. 5-4 zeigt die wichtigsten Aufgaben im Verkaufsprozess sowie die ITFunktionalitäten, die diese Aufgaben unterstützen. © HSG / IWI / CC BKM / R. Schmid CRM-Prozesse 37 CRM-Funktionalitäten CRMProzesse Opportunity Management Prozessportal Verkauf Beratung Produktinformation Beratung Account Management Contact Management Produktpräsentation Produktkonfiguration Produktkonfiguration Angebotserstellung Konditionenvereinbarung Product Management Angebotserstellung Sales Know-how Vertragsabschluss Auftragsabwicklung ERP: Sales & Distribution Bestellservice Lieferservice Rechnungsstellung Auktionen Personalisierung Abb. 5-4: CRM-Prozess Verkauf Alle weiteren Kundenkontakte finden im Service-Prozess statt, über den der Kunde Auskünfte und Hilfestellungen erhält, aber auch z.B. Transaktionsaufträge erteilen kann. Aus dem Serviceprozess heraus kann ein Potenzial für den Verkauf eines weiteren Produktes entstehen, das dann wiederum vom Marketing- oder Verkaufsprozess weiterverfolgt wird. Abb. 5-5 zeigt die wichtigsten Aufgaben im Serviceprozess sowie die IT-Funktionalitäten, die diese Aufgaben unterstützen. CRMProzesse CRM-Funktionalitäten Contact / Account Management Prozessportal Service Kundenanfragen bearbeiten Product Management Service Request Management Allg. Informationen Support Kunden benachrichtigen Problemlösung Probleme lösen Reparaturservice Reparaturen / Service durchführen Solution Management Beschwerden managen Complaint Management Kundenbindungsprogramme abwickeln Customer Loyalty Management Abb. 5-5: CRM-Prozess Service © HSG / IWI / CC BKM / R. Schmid Zusatzleistungen Personalisierung Informationssysteme und -technologien 38 Ein wesentlicher Bestandteil des Customer Relationship Management ist die integrierte Betrachtung der Prozesse Marketing, Verkauf und Service. Um das volle Potenzial von CRM ausschöpfen zu können, muss der Informationsfluss zwischen diesen Prozessen sichergestellt werden. In jedem dieser drei Prozesse müssen den Mitarbeitern alle relevanten Kundeninformationen zur Verfügung stehen. 6 Informationssysteme und -technologien Die moderne Informationstechnologie ist der Enabler für die Umsetzung innovativer Konzepte im Customer Relationship Management. Die Verbreitung des Internet beispielsweise erlaubt ganz neue Möglichkeiten, mit dem Kunden zu kommunizieren; die Verfügbarkeit leistungsfähiger Data Warehouses ermöglicht die gezielte Nutzung vorhandener Datenbestände zur Gestaltung der Kundenbeziehung. Dieses Kapitel erläutert einerseits auf inhaltlicher Ebene, mit welchen Informationen man im CRM umgeht und andererseits, welche Informationssysteme die Nutzung dieser Informationen ermöglichen. 6.1 Informationskategorien Zur Durchführung der Aufgaben in den CRM-Prozessen Marketing, Verkauf und Service sind umfassende, detaillierte Informationen erforderlich. So benötigt zum Beispiel der Kundenberater im Beratungsgespräch Informationen über den Kunden (Stammdaten, Vermögen, Kundenstatus, Hintergrundinformationen, …), über Produkte (Konditionen, Leistungen, Verkaufsargumente, Konkurrenzprodukte, …), über relevante politische Ereignisse und Markteinschätzungen usw. Häufig ist in Unternehmen eine Vielzahl dieser Informationen bereits vorhanden oder kann leicht beschafft werden, wird aber bisher in den Prozessen nicht oder nur unzureichend genutzt. Durch die Bildung der vier groben Informationskategorien Kundeninformationen, Produktinformationen, Kampagneninformationen und Serviceinformationen ist es möglich, die Informationsbedarfe aus den Prozessen unabhängig von den konkreten Informationssystemen zu erfassen und zu beschreiben. Die Informationsbedarfe, die z.B. der Kategorie Kundeninformationen zugeordnet werden, können dann durch eine Kombination verschiedener Informationssysteme abgedeckt werden. So ist es zum Beispiel denkbar, dass dem Kundenberater neben den Daten aus einem zentralen Kundeninformationssystem auch relevante Dokumente aus einem Dokumentenmanagementsystem sowie Reports aus einem © HSG / IWI / CC BKM / R. Schmid Informationssysteme und -technologien 39 Data Warehouse und verschiedene externe Informationsquellen im Internet zur Verfügung stehen. Zusätzlich könnte ihm ein Expertenverzeichnis zur Verfügung stehen, aus dem er entnehmen kann, an wen er sich bei bestimmten Detailfragen wenden kann. Bei der Bildung und Strukturierung der Informationskategorien kommen Methoden aus dem Knowledge Management zum Einsatz (vgl. [Bach et al. 1999]). In den folgenden Abschnitten werden die vier Kategorien jeweils kurz beschrieben. 6.1.1 Kundeninformationen Zur Kategorie Kundeninformationen gehören sämtliche Informationen, die eine Bank über ihre Kunden hat. Der Begriff Kunde umfasst dabei sowohl bestehende als auch potenzielle und ehemalige Kunden. Kundeninformationen kann man in drei Kategorien unterteilen, vgl. [Davenport 1998]: • Datenbasierte Kundeninformationen: Dazu gehören alle in klassischen Transaktionssystemen und Datenbanken vorliegenden Kundeninformationen wie z.B. Stammdaten, Kontobewegungen, Depotstruktur, Daten über die Nutzung von Geldausgabeautomaten etc. Im Sinne des Customer Relationship Management relevante Kundeninformationen entstehen daraus jedoch erst, wenn die Daten statistisch ausgewertet und intelligent interpretiert werden. Damit ist es z.B. möglich, eine Kundenbewertung durchzuführen und den Kunden bestimmten (Teil-)Segmenten zuzuordnen. Dazu sind entsprechende Lösungen erforderlich, die in die Bereiche Data Mining und Customer Profiling fallen. • Informationen aus Kundeninteraktionen: Bei jeder Interaktion eines Kunden mit der Bank erhält die Bank Informationen über den Kunden. Dabei handelt es sich in der Regel um qualitative Fakten wie z.B. Informationen über bestimmte Interessensgebiete des Kunden, über die familiäre oder berufliche Situation, über persönliche Ziele des Kunden oder auch über Geschäftsbeziehungen des Kunden zu anderen Finanzinstituten. Beim persönlichen Kontakt entstehen diese Informationen zunächst im Kopf des Bankmitarbeiters, der seine Beobachtungen, Einschätzungen und Kommentare in einem adäquaten System verfügbar machen sollte. Ähnliche Informationen können aber beispielsweise auch durch Analyse des Navigationsverhaltens des Kunden auf der Homepage der Bank im WWW gewonnen werden. © HSG / IWI / CC BKM / R. Schmid Informationssysteme und -technologien • 40 Implizite, unstrukturierte Kundeninformationen: Bei einer persönlichen Interaktion eines Kunden mit einem Bankmitarbeiter entsteht bei diesem Wissen über den Kunden, das er nicht wie oben beschrieben in entsprechenden Systemen explizit verfügbar machen kann. Der Mitarbeiter „kennt“ den Kunden, ist in der Lage, sein Verhalten einzuschätzen ohne jedoch dieses Wissen explizit formulieren oder weitergeben zu können. Über ein CRMSystem kann diese Art von Kundeninformation nicht direkt zugänglich gemacht werden. Es ist jedoch möglich, in Form eines „Expertenverzeichnisses“ festzuhalten, wer über solche impliziten Informationen über bestimmte Kunden oder Kundensegmente verfügt und diese Metainformationen verfügbar zu machen. Stark strukturierte Kundendaten sind in Datenbanken und Transaktionssystemen in grossen Mengen verfügbar. Die Herausforderung besteht darin, diese Daten systematisch auszuwerten, zielgerichtet zu interpretieren und zu nutzen. Mit der Einführung von Data Warehouses sind viele Banken auf dem besten Weg dazu, die entsprechenden Voraussetzungen zu schaffen. Die weitaus grössere Herausforderung besteht darin, die Kundeninformationen unternehmensweit und prozessübergreifend zu integrieren. Die Mitarbeiter in den verschiedenen CRM-Teilprozessen Marketing, Verkauf und Service müssen Zugriff auf einen einheitlichen Bestand an Kundeninformationen haben. Zudem müssen die verschiedenen Informationsbestandteile über einen Kunden in einem Frontend abrufbar sein, d.h. der Mitarbeiter muss über eine Oberfläche Zugriff auf Stammdaten, Transaktionen, Kundenbewertung, Kontakthistorie, Hintergrundinformationen etc. über den Kunden haben. 6.1.2 Produktinformationen Die Kategorie Produktinformationen umfasst sämtliche in der Bank verfügbare Informationen über deren Produkte. Dazu gehören Informationen für Kundenberater wie Produktbeschreibungen, aktuelle Konditionen, Verkaufsargumente und Konkurrenzprodukte, aber auch Informationen für Kunden wie Broschüren oder Produktinformationen auf der Website. Zusätzlich relevant sind auch Absatzzahlen, Verkaufserfahrungen (z.B. welche Zielgruppen sprechen auf das Produkt am besten an) etc. Wie die Kundeninformationen müssen auch die Produktinformationen den Prozessen, in denen sie genutzt werden, integriert zur Verfügung stehen. Neben den CRM-Kernprozessen spielt hierbei vor allem auch der Prozess Produktentwicklung eine grosse Rolle. Dieser stellt © HSG / IWI / CC BKM / R. Schmid Informationssysteme und -technologien 41 einerseits einen Grossteil der Produktinformationen zur Verfügung und ist andererseits auf Feedback z.B. über Akzeptanz etc. angewiesen, um die Produktpalette bedarfsorientiert weiterentwickeln zu können. Idealerweise liegen die Produktinformationen in einer einheitlichen Datenbasis vor. Die Informationen sind dabei so strukturiert, dass für jedes Nutzungsszenario eine adäquate Sicht auf die Produktinformationen zur Verfügung steht. So können kundengerechte Darstellungen und Erläuterungen in Prospekte und Website einfliessen während ausführlichere Verkaufsargumente nur dem Kundenberater zur Verfügung stehen und Absatzzahlen vor allem Produktentwicklung und Controlling präsentiert werden. 6.1.3 Kampagneninformationen Die Kampagneninformationen betreffen die im CRM-Teilprozess Marketing durchgeführten Kampagnen. Sie umfassen alle mit der Kampagne im Zusammenhang stehenden Informationen. Dazu gehören Ziele der Kampagne, angesprochene Zielgruppen, beworbene Produkte, verwendetes Medium (Telefon, Web, Post, …) und Werbematerial sowie Auswertungsinformationen (Responsequote, Abschlussquote, Kundenfeedback etc.). Die Durchführung von Marketingkampagnen erfordert auch den Einbezug von Produkt- und Kundeninformationen. Bei der Strukturierung von Kampagneninformationen ist darauf zu achten, dass Verbindungen zu den entsprechenden anderen Informationskategorien hergestellt werden können, ohne die verwendeten Produkt- und Kundeninformationen redundant bei den Kampagnen zu erfassen. 6.1.4 Serviceinformationen Serviceinformationen werden vor allem im CRM-Teilprozess Service genutzt und erzeugt. Es handelt sich dabei einerseits um Informationen über bestehende Kundenbeziehungen, die zum Beispiel die mit dem Kunden vereinbarten Serviceleistungen spezifizieren, andererseits um Informationen, die aus Servicekontakten mit Kunden entstehen wie zum Beispiel Beschwerden. Ein Beschwerdemanagement muss dafür sorgen, dass die Beschwerden an die richtige Stelle weitergeleitet werden, z.B. an die Produktenwicklung oder an eine Abwicklungsabteilung. © HSG / IWI / CC BKM / R. Schmid Informationssysteme und -technologien 42 Diese Informationen können in der Regel entweder bestimmten Kundeninformationen oder bestimmten Produktinformationen zugeordnet werden und bilden damit eigentlich nur eine spezielle Sicht auf diese beiden Kategorien. Daneben gibt es auch davon unabhängige Serviceinformationen wie zum Beispiel Know-How-Datenbanken zur Lösung von Kundenproblemen. Bei der Strukturierung der Serviceinformationen ist es ähnlich wie bei den Kampagneninformationen wichtig, auf eine klare und redundanzfreie Verbindung zu den anderen Informationskategorien zu achten. 6.2 Informationssysteme Die meisten Informationssysteme, die in einer Bank existieren, bieten irgendwelche im Customer Relationship Management relevanten Funktionalitäten. So kann zum Beispiel ein Management Information System Kennzahlen für Kundenbindung und Kundenprofitabilität zur Verfügung stellen oder ein Call Center-Mitarbeiter greift auf ein Transaktionssystem zu, um dem Kunden Auskunft über seine Kontobewegungen zu geben. Das Ziel dieses Kapitels ist es, einen groben Überblick über diejenigen Informationssysteme zu geben, die im Zusammenhang mit Customer Relationship Management eine besondere Bedeutung haben. Für eine allgemeinere Abhandlung über Informationssysteme bei Banken sei z.B. auf [Weinhardt et al. 1998] verwiesen. 6.2.1 Ein Website Internet-Auftritt ist heute in der Bank-Kunden-Kommunikation nicht mehr wegzudenken. Ein (potenzieller) Kunde mit Internet-Zugang kann sich auf diesem Weg anonym über die Bank, ihre Produkte, Konditionen etc. informieren, ohne auf Öffnungszeiten Rücksicht nehmen zu müssen. Das Stadium der reinen Präsentation von Prospekten im Internet haben die meisten Banken bereits hinter sich gelassen. Man findet eine Vielzahl von interaktiven Lösungen, z.B. zur Erstellung von Modellrechnungen für Kredite oder Sparpläne usw. Viele Banken bieten auf Ihrer Website auch Internet-Banking an. Dabei können bestehende Bankkunden eine mehr oder weniger grosse Zahl von Bankgeschäften online abwickeln. Dazu Zahlungstransaktionen und Anlagegeschäfte. © HSG / IWI / CC BKM / R. Schmid gehören in der Regel vor allem Informationssysteme und -technologien 43 Möchte man sich im Internet-Auftritt von der Konkurrenz abheben, steht man heute vor einer grossen Herausforderung. Eine neue Komponente von Internet-Auftritten sind sogenannte Business Communities. Dabei wird versucht, die Benutzer zu Interessensgruppen zusammenzufassen, indem man ihnen Diskussionsforen, Chat-Möglichkeiten, Linksammlungen etc. zu bestimmten Themen anbietet. Eines der ersten solchen Beispiele im deutschsprachigen Bankenbereich wird im folgenden beschrieben. Beispiel: Community der Direkt Anlage Bank Die Direkt Anlage Bank AG startete im Mai 1994 als erster Discount-Broker in Deutschland. Als hundertprozentige Tochter der HypoVereinsbank AG bietet sie ihren Kunden ausschliesslich Dienstleistungen im Bereich der Wertpapieranlage an. Als Direktbank verfügt sie über kein Filialnetz und bietet auch keine Anlageberatung an. Die Kunden können ihre Wertpapiertransaktionen per Telefon oder per Internet durchführen. Im Frühjahr 1999 hat die Direkt Anlage Bank ihren Internet-Auftritt durch eine Business Community ergänzt, die mit gewissen Einschränkungen auch Nichtkunden nutzen können. Das Ziel dieser Community ist es, den informellen Informationsaustausch zwischen den Kunden zu fördern und damit einerseits die Informationsversorgung der Kunden zu verbessern, denen die Bank ja keine eigentliche Anlageberatung anbietet, und andererseits eine gewisse Kundenbindung zu erzielen. Abb. 6-1: Business Community der Direkt Anlage Bank Die Community gliedert sich in fünf Bereiche: • Chat: Hier haben die Benutzer die Möglichkeit, sich in Echtzeit mit anderen Anwesenden auszutauschen. Wieviele Benutzer gerade im Chat aktiv sind, sieht man jederzeit in der Fusszeile. Am Chat können nur Kunden teilnehmen. © HSG / IWI / CC BKM / R. Schmid Informationssysteme und -technologien • 44 Foren: Zu verschiedenen Börsenrelevanten Themen existieren Diskussionsforen, in denen jeder Benutzer mit eigenen Diskussionsbeiträgen teilnehmen kann. Abb. 6-1 zeit ein Forum zum Thema Internet-Werte. • Board: An einem virtuellen schwarzen Brett kann jeder Benutzer beliebige Notizen anbringen, z.B. Mitteilungen, Fragen, Kommentare allgemeiner Art. • Top-List: Durch bestimmte Aktivitäten auf der Web-Site der Direkt Anlage Bank können die Benutzer Punkte sammeln. In der Top-List werden diejenigen Benutzer mit den höchsten Punktezahlen aufgelistet. • Mail-Center: Hier besteht die Möglichkeit, anderen Benutzern persönliche Nachrichten zu senden. Da die Benutzer unter einem Pseudonym auftreten können und die E-MailAdressen in der Regel nicht bekannt sind, können Nachrichten nicht per gewöhnlicher EMail geschickt werden. Etwa zwei Monate nach dem Start der Community sind über 30 000 Benutzer (Kunden und Nichtkunden) registriert. Insgesamt hat die Direkt Anlage Bank Mitte 1999 etwa 80 000 Kunden. Die Frequenz und Qualität der Diskussionsbeiträge sowie die Nutzung der anderen Bereiche der Community wird in nächster Zeit viel über den Erfolg der Lösung aussagen. 6.2.2 Intranet/Extranet Zur Verteilung von Informationen und für den Zugriff auf bestimmte Applikationen wird heute häufig Internet-Technologie eingesetzt. Ist der Zugriff auf ein solches Informationssystem dabei auf die Mitarbeiter des Unternehmens beschränkt, so spricht man von einem Intranet, sind zusätzlich auch externe Geschäftspartner zugriffsberechtigt, so handelt es sich um ein Extranet. Neben der plattformübergreifenden Verfügbarkeit liegt einer der Hauptvorteile in der Möglichkeit, sowohl externe und interne Informationsquellen als auch den Zugriff auf Applikationen unter einer Oberfläche integriert zur Verfügung zu stellen (vgl. [Kaiser et al. 1996]). Ein ausführliches Beispiel für den Einsatz eines Intranets zur Unterstützung der Kundenberater einer Bank ist in [Kaiser/Beck 1998] beschrieben. Das folgende Beispiel der Union Investment beschreibt den Einsatz eines Extranets zur Informationsversorgung der Vertriebspartner. Beispiel: Extranet der Union-Investment Die Union-Investment-Gruppe gehört zu den führenden Kapitalanlagegesellschaften Deutschlands. Mit einer Produktpalette von 151 Fonds verwaltet sie derzeit (Stand März 1999) ein Fondvermögen von 35 Milliarden Euro in knapp 2 000 000 Investmentdepots. Der Vertrieb der Fonds erfolgt ausschliesslich über Vertriebspartner, hauptsächlich sind dies die Volks- und Raiffeisenbanken in Deutschland. © HSG / IWI / CC BKM / R. Schmid Informationssysteme und -technologien 45 Aus einem Beschluss heraus, das Internet in der Kommunikation mit Kunden und Beratern verstärkt zu nutzen, entstand das Projekt „Comuter Aided Selling“ (CAS). Dabei wurde in drei Stufen ein Online-Angebot für die Endkunden und für die Berater bei den Vertriebspartnern erstellt. Die erste Stufe umfasst ein umfassendes Informationsangebot für Endkunden, das in den Internet-Auftritt der Union-Investement integriert wurde. In der zweiten Stufe wurde ein Beratungssystem für die Kundenberater bei den Vertriebspartnern realisiert. Über ein Extranet können diese auf ein Beratungsinformationssystem zugreifen und online in die Depots ihrer Kunden einsehen. Die dritte Stufe erlaubt es den Kundenberatern, über das Extranet online Kauf- und Verkaufstransaktionen durchzuführen. Das Beratungsinformationssystem integriert unter einer Browser-Oberfläche umfassende Informationen für den Kundenberater. Diese sind in verschiedene Bereiche gegliedert: • Fonds: Produktinformationen, Fondpreise, Performance, Charts, … • Märkte: Hintergrundinformationen zu Kapitalmärkten, Branchen, Ländern und Fundamentaldaten • Depot-Abwicklung: Abwicklungsanweisungen, Formulare, Abrechnungen, … • Basiswissen: Grundlagen über Fonds, Märkte und Investment • Kontakte: Ansprechpartner, Feedback- und Diskussionsmöglichkeiten • Beratung: Beratungswerkzeuge, Modellrechner, Präsentationshilfen, … • Anlagekonzepte: Informationen zur Strategie der Union Investment • Verkauf und PR: Marketingmaterial und Pressemitteilungen • Downloads: Dokumente und Formulare zum Ausdrucken, Offline-Beratungstools • UnionDepotOnline: Depoteinsicht und Analyse für Berater Der Kundenberater kann also über das Extranet jederzeit auf sämtliche Informationen zugreifen, die er für seine Beratungstätigkeit benötigt. Durch den Einsatz der InternetTechnologie benötigt er dazu lediglich einen PC mit Web-Browser sowie einen Internet-Zugang bei einem lokalen Provider. Es fallen also weder Kosten für die Verteilung von Spezialsoftware an, noch sind teure Datenleitungen von den Vertriebspartnern zur Union erforderlich. In der dritten Ausbaustufe wird die Funktionalität zur Depoteinsicht durch die Möglichkeit ergänzt, Kauf- und Verkaufstransaktionen online durchzuführen. Das bisher reine Informationssystem wird dadurch zu einem kombinierten Informations- und Transaktionssystem. Dem Berater stehen unter einer einheitlichen Oberfläche Hintergrundinformationen, aktuelle Marktdaten, Zugriff auf die Kundendepots und die Auslösung von Transaktionen zur Verfügung. © HSG / IWI / CC BKM / R. Schmid Informationssysteme und -technologien 6.2.3 46 Integrierte CRM-Lösung 1 Die Verbreitung von integrierten CRM-Lösungen wie z.B. Siebel ist stark zunehmend. Sie nehmen für sich in Anspruch, die CRM-Prozesse vollständig abzudecken und so den FrontOffice-Bereich mit einer integrierten Lösung vollständig zu unterstützen. Die Vorläufer der heutigen CRM-Lösungen sind spezifische Anwendungen zur Unterstützung des Marketings (Enterprise marketing automation, EMA), der Verkaufs (Sales force automation, SFA) bzw. des Services (Customer service and support applications, CSS), vgl. [Ernst & Young 1999, S.77ff]. In der Regel bildet ein Data Warehouse die Datenbasis für integrierte CRM-Systeme. Sämtliche erforderlichen Informationen werden dort abgelegt und für die einzelnen Komponenten der CRM-Lösung verfügbar gemacht. Der Hauptvorteil integrierter CRMLösungen besteht darin, dass über alle CRM-Prozesse hinweg eine einheitliche Applikation und eine einheitliche Datenbasis zur Verfügung steht. Diesem Vorteil gegenüber stehen relativ hohe Kosten und bisher vergleichsweise wenig Erfahrung bei der Einführung von CRM-Systemen und bei der Ablösung bestehender Systeme. Beispiel: NSE FINAS Enterprise NSE ist ein im deutschsprachigen Raum aktiver Anbieter von Branchensoftware für Banken mit ca. 350 Mitarbeitern (1. Quartal 1999) und einem Umsatz von 29,9 Mio. € (1998). Wichtigstes Produkt ist FINAS Enterprise, eine integrierte CRM-Lösung für Banken, die mit verschiedenen Komponenten den gesamten CRM-Prozess abdeckt. Die wichtigsten Funktionalitäten sind in Abb. 6-2 dargestellt. In der Pre-Sales-Phase bietet FINAS Enterprise auf Basis eines Kundeninformationssystems und Kundenbetreuungssystems umfassende Kundenselektion, Kampagnenmanagement Enterprise Basis auf eines usw. Funktionalitäten Die für Sales-Phase Produktmanagement-Systems mit Kundenanalyse, unterstützt FINAS Funktionen zur Verkaufsunterstützung, die spezifisch auf die einzelnen Produkte ausgerichtet sind. Zusätzlich sind Offertverwaltung, Provisionsabrechnung etc. verfügbar. Die Post-Sales-Phase umfasst im wesentlichen verschiedene Funktionalitäten zur Unterstützung administrativer Abläufe. 1 vgl. http://www.siebel.com © HSG / IWI / CC BKM / R. Schmid Informationssysteme und -technologien 47 Abb. 6-2: Das FINAS Enterprise Komponentenprinzip [NSE 2000] FINAS Enterprise unterstützt verschiedene Vertriebskanäle. Verkaufsargumente und Produktinformationen können in der zentralen Produktdatenbank gespeichert werden, wobei die Spezifika der einzelnen Vertriebskanäle berücksichtigt werden können. Die Koordination der Vertriebskanäle wird also durch FINAS Enterprise stark erleichtert. 6.3 Kommunikation zwischen Bank und Kunde Die Vielfalt der verfügbaren Vertriebskanäle hat in den letzten Jahren drastisch zugenommen (vgl. Kapitel 4.2). Die Bedeutung der verschiedenen Vertriebskanäle unterscheidet sich jedoch deutlich. Ernst & Young hat den Anteil der einzelnen Vertriebskanäle an den gesamten Finanztransaktionen im Retail Banking untersucht (s. Abb. 6-3). Der weitaus grösste Teil der Transaktionen wird heute über Geldausgabeautomaten (ATM) und Kassenterminals (POS) abgewickelt. Der Anteil der in Filialen durchgeführten Transaktionen nimmt stetig zugunsten aller anderen Kanäle ab. Die Anteile von PC/Internet und Telefon scheinen 1997 mit je 2% eher unbedeutend. Auch für 2001 werden lediglich 5% bzw. 4% prognostiziert. Es darf allerdings nicht übersehen werden, dass sich damit von 1997 bis 2001 die Zahl der Transaktionen über diese beiden Kanäle mehr als verdoppelt. © HSG / IWI / CC BKM / R. Schmid Informationssysteme und -technologien 48 41% 45% 40% 35% 35% 27% 30% 33% 29% 25% 20% 1997 21% 2001 15% 10% 5% 2% 5% 2% 4% 0% ATMs POS Filialen PC Telefon Abb. 6-3: Finanztransaktionen im Retail Banking nach Vertriebskanal [Ernst & Young 1998] In der selben Untersuchung wurden Verantwortliche in Banken befragt, in welche Technologie sie mit höchster Priorität investieren wollen (s.Abb. 6-4). Das Internet positioniert sich dabei klar als Favorit der kommenden Jahre. Während 1996 lediglich 1% der befragten dem Internet höchste Priorität zusprachen, planen 57% der befragten für 2001, den grössten Teil der Ressourcen in Internet-basierte Lösungen zu investieren. 57% 60% 50% 40% 40% 20% 10% 1996 29% 30% 24% 18% 14% 11% 10% 8% 3% 5% 1998 2001 16% 9% 3% 27% 22% 9% 1% 0% ATMs POS Schalterautomatisierung PC proprietär PC/Internet Telefon Abb. 6-4: Wichtigkeit von Technologie-Investitionen [Ernst & Young 1998] Bei der Abgrenzung der verschiedenen Vertriebskanäle muss zwischen einer Banksichtweise und einer Kundensichtweise unterschieden werden. Aus Banksicht ist es z.B. relevant, ob ein Kunde über eine Filiale oder über ein Call Center bedient wird, es spielt aber keine Rolle, ob der Kunde die Filiale besucht oder nur dort anruft. Aus Kundensicht hingegen ist es ausschlaggebend, ob er per Telefon mit der Bank Kontakt aufnimmt, oder in die Filiale geht. Ob sein Telefonanruf aber in der Filiale oder in einem Call Center bedient wird, ist dem © HSG / IWI / CC BKM / R. Schmid Informationssysteme und -technologien 49 Kunden egal – sofern ihn die Dienstleistung zufrieden stellt. Für den Kunden relevant sind zunächst die Medien, über die er die Bank kontaktiert. Im folgenden ist mit dem Begriff Vertriebskanäle die Banksichtweise und mit dem Begriff Medien die Kundensichtweise gemeint. Prozessportal Vertriebskanäle Filiale, Geschäft Aussendienst Direct Mailing Contact Center World Wide Web Propriet. E-Commerce Selbstbedienung Medien Kundenprozess Persönlicher Kontakt Telefon Brief/ Fax E-Mail PC, Web Browser Mobil (SMS,WAP) ATM, POS, Automaten Intermediär Abb. 6-5: Vertriebskanäle aus Banksicht und aus Kundensicht (Medien) 6.3.1 Vertriebskanäle Aus Sichtweise der Bank existieren heute die folgenden Vertriebskanäle: • Filiale Die Bankfiliale ermöglicht dem Kunden den persönlichen Kontakt zu seiner Bank. Während Standardtransaktionen zunehmend über andere Kanäle statt am Bankschalter abgewickelt werden, entwickelt sich die Filiale immer mehr auf Beratungsleistungen. Neben dem persönlichen Besuch hat der Kunde prinzipiell auch die Möglichkeit, per Brief, Fax, Telefon oder E-Mail mit der Filiale in Kontakt zu treten. • Aussendienst Der mobile Aussendienst ist vorwiegend im Firmenkundengeschäft und im Private Banking anzutreffen. Auch hier ist ein persönlicher Kontakt des Kunden zu seiner Bank vorhanden. Nachdem Versicherungen, die traditionell den Aussendienst sehr stark als Vertriebskanal nutzen, immer mehr auch Bankprodukte anbieten, ist zu erwarten, dass auf diesem Weg in Zukunft auch Leistungen des Retailgeschäfts vertrieben werden. Auch © HSG / IWI / CC BKM / R. Schmid Informationssysteme und -technologien 50 den Aussendienstmitarbeiter kann der Kunde möglicherweise über Telefon oder E-Mail erreichen. • Direct Mailing Direct Mailing ist ein Vertriebskanal, bei dem in der Regel der Brief, evtl. auch E-Mail als Medium genutzt wird. Von einem eigenen Vertriebskanal kann man dabei nur sprechen, wenn ein Geschäft vollständig darüber abgewickelt werden kann, wenn also der Kunde zum Beispiel einen beiliegenden Coupon ausfüllt und zurückschickt und damit eine Reiseversicherung oder eine Sondermünze erwirbt. • Contact Center Ein Contact Center kann vom Kunden in der Regel per Telefon erreicht werden. Ist dies die einzige Möglichkeit, so handelt es sich um ein Call Center. Häufig werden in einem Contact Center auch eingehende Briefe, Faxe und E-Mails bearbeitet. Charakteristisch für ein Contact Center ist, dass es nur an einem oder an wenigen zentralen Orten angesiedelt ist und von dort aus eine grosse Zahl von Kunden bedient. Der Kunde kann ein Contact Center nicht wie eine Filiale physisch besuchen. Unterscheidungsmerkmale sind die Verfügbarkeit (z.B. 7x24h oder zu Bürozeiten), die Erreichbarkeit (mit welcher Wahrscheinlichkeit ist besetzt wenn der Kunde anruft) und das Leistungsspektrum, das über Telefon angeboten wird. • Web Beim Online-Banking greift der Kunde heute in der Regel über das World Wide Web (WWW) auf die Banksysteme zu, um bestimmte Transaktionen durchzuführen. Der Kunde kann dabei den Web Browser auf seinem stationären PC oder Notebook verwenden, oder z.B. mittels WAP (Wireless Application Protocol) von seinem Mobiltelefon aus zugreifen. • Proprietäres Electronic Banking Der Vorläufer des Internet-Banking über WWW waren verschiedene proprietäre Lösungen für electronic Banking. Der Kunde greift dabei mit seinem PC entweder über ein Netz wie T-Online in Deutschland oder per Modem direkt auf den Server der Bank zu. Sind bankseitig der Server für das electronic Banking und der Server für InternetBanking integriert, so handelt es sich dabei nur um einen Vertriebskanal. © HSG / IWI / CC BKM / R. Schmid Informationssysteme und -technologien • 51 Selbstbedienung Als erste Selbstbedienungslösung im Bankenbereich haben sich die Geldausgabeautomaten (ATM) durchgesetzt. Der Kunde kann dort unabhängig von Schalteröffnungszeiten Bargeld beziehen. Diese Automaten wurden teilweise zu multifunktionalen Kundenterminals erweitert, an denen auch z.B. Überweisungen getätigt und Kontostände abgefragt werden können. Während die Geldausgabeautomaten ursprünglich vorwiegend in den Bankfilialen selbst zu finden waren, werden sie heute immer mehr an anderen Orten wie z.B. Bahnhöfen oder Einkaufszentren platziert. Der Kunde hat so die Möglichkeit, das Geld dort zu beziehen, wo er es braucht. Eine weitere Möglichkeit der Selbstbedienung sind Kassenterminals (POS), die es dem Kunden erlauben, direkt an der Kasse im Geschäft mit seiner Kreditkarte, Debitkarte oder elektronischen Geldbörse zu bezahlen, ohne dazu Bargeld oder Schecks zu benötigen. Der Kunde spart sich dadurch den Vorgang des Bargeldbezuges, dem Verkäufer wird die Kassenabrechnung erleichtert, da er weniger Bargeldbestände verwalten muss. Durch internationale Netzwerke kann man viele Karten heute weltweit an POS-Kassen einsetzen. • Intermediäre Immer häufiger werden Bankprodukte über Intermediäre vertrieben. Als Beispiel seien Fond-Shops genannt, welche die Investmentfonds verschiedener Banken vertreiben. Aus Sicht der Bank handelt es sich beim Intermediär um einen eigenen Vertriebskanal. Der Intermediär selbst kann wiederum im Kontakt zu seinen Kunden verschiedene Vertriebskanäle nutzen. 6.3.2 Multi Channel Management Bis zu Beginn der neunziger Jahre war die Filiale der primäre Vertriebskanal der Banken. In den achtziger Jahren kam als erster elektronischer Vertriebskanal die Selbstbedienung in Form von Geldausgabeautomaten dazu. Die darüber angebotenen Dienstleistungen beschränkten sich aber auf den Bargeldbezug, die Koordination der beiden Kanäle war denkbar einfach. Erst durch die Etablierung neuer, meist elektronischer Vertriebskanäle in den neunziger Jahren ist die Koordination der einzelnen Vertriebskanäle zu einer komplexen ManagementAufgabe geworden. In [Stäger 1999, S.11f] wird definiert: „Die Aufgabe des Multi Channel © HSG / IWI / CC BKM / R. Schmid Informationssysteme und -technologien 52 Management ist es (…), für die Konsumenten denjenigen Absatzmix, d.h. die optimale Allokation der Produkte und Kanäle, bereitzustellen, der von den Kunden gewünscht wird, gleichzeitig aber die Kostenstruktur der Bank so wenig wie nötig belastet.“ Eine weitere Aufgabe des Multi Channel Managements muss es sein sicherzustellen, dass sowohl der Kunde über alle Kanäle eine einheitliche Sicht auf die Bank hat, als auch dass die Bankmitarbeiter über alle Kanäle eine einheitliche Sicht auf den Kunden hat. Erteilt zum Beispiel ein Kunde über Call Center oder über Internet einen Auftrag, den er zu einem späteren Zeitpunkt in der Filiale ändern möchte, muss also der Filialmitarbeiter kanalunabhängig Zugriff auf alle Aufträge des Kunden haben, um diesen bedienen zu können. Während die optimale Bereitstellung eines Absatzmixes im wesentlichen die Multikanalstrategie sowie das Kundenmanagement betreffen (vgl. hierzu [Stäger 1999]), ist für die Sicherstellung der Integrität der Vertriebskanäle die Bereitstellung organisatorischer und technischer Lösungen erforderlich. Beispiel: Brokat Twister Die Firma Brokat bietet mit ihrem Produkt Twister eine Lösung zur integrierten Anbindung verschiedener Vertriebskanäle an die Backendsysteme an. Den Kern bildet dabei ein systemunabhängiger Teil, in dem die einzelnen Geschäftsprozesse, Geschäftsobjekte und technischen Objekte abgebildet sind (s. Abb. 6-6). Von diesem Kern aus bestehen Schnittstellen zu verschiedenen Backend-Systemen wie z.B. Host-Systeme, SQL-Datenbanken oder SAP R/3. Verschiedene Vertriebskanäle werden an das System über Frontend-Module angebunden. Diese enthalten lediglich Darstellungsinformationen, greifen aber auf die im Kern abgebildete Geschäftslogik zu. Eine konsistente Sicht über alle Vertriebskanäle ist somit gewährleistet. Durch den modularen Aufbau können jederzeit weitere Vertriebskanäle ergänzt werden, indem ein weiteres Frontend-Modul hinzugefügt wird. © HSG / IWI / CC BKM / R. Schmid Zusammenfassung 53 Abb. 6-6: Architektur von Brokat Twister [Brokat 1999] 7 Zusammenfassung Die Bedeutung der Kundenorientierung als Wettbewerbsfaktor nimmt immer mehr zu. Immer mehr Unternehmen messen der kundenorientierten Ausrichtung von Produkten und Dienstleistungen höchste Priorität bei. Zur Erreichung dieser Ziele ist eine konsequente Umsetzung auf den Ebenen Strategie, Prozess und Informationssystem erforderlich. In diesem Arbeitsbericht wurde der breite Themenbereich des Customer Relationship Management strukturiert und die einzelnen Blöcke anhand von Beispielen aus der Bankenbranche erläutert. Es bleibt jedoch anzumerken, dass ein grösstmöglicher Nutzen nur durch eine ganzheitliche Betrachtung des Customer Relationship Management über die einzelnen Prozesse, Abteilungen und Unternehmensbereiche hinweg erzielt werden kann. Die isolierte, unkoordinierte Umsetzung einzelner Bausteine führt nicht zum gewünschten Erfolg. Offen bleibt wie sich die Umsetzung von Customer Relationship Management in der Praxis weiterentwickeln wird. Es ist zu erwarten, dass sich Standardsoftware wie z.B. Siebel oder NSE FINAS Enterprise durchsetzen wird. Solche Integrierte Lösungen haben insbesondere das Potenzial, die Integrationsprobleme sowohl auf System- als auch auf Prozessebene zu lösen, vorausgesetzt es stehen die passenden Schnittstellen zu bestehenden Systemen zur Verfügung. © HSG / IWI / CC BKM / R. Schmid Literatur 54 Literatur [Bach et al. 1999] Bach, V., Vogler, P., Österle, H. 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