NOVE COLLI - Tour Magazin
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NOVE COLLI - Tour Magazin
NOVE COLLI 134 TOUR 7 | 2009 Seit bald 40 Jahren gehört der Nove Colli in den europäischen Marathonkalender. Er ist neben dem DolomitenMarathon das größte (Hobby-) Radsportereignis Italiens. TOUR hat die trotz ihrer Größe immer noch familiäre Veranstaltung besucht Familientreffen ǺǫǾǺ Kristian Bauer ǬǵǺǵǹ Uwe Geißler I n der Emilia Romagna leben wir für Zweiräder: für das Moped oder das Fahrrad“, meint Guido Neri aus Cesena. Der Radsporthändler ist jedes Wochenende im Einsatz bei den Rennen der Region, um technische Unterstützung zu leisten, doch den Höhepunkt des Jahres bildet ohne Zweifel der Nove Colli. Für Freunde von nah und fern ist der Termin Ende Mai gesetzt, der Gran Fondo wird zum Familienfest für den Ort. Im Schaufenster des Uhrmachers in Cesenatico steht ein Rennrad, in der Parfümerie hängt ein Rad von der Decke, und die Eisdiele hat ein Eis extra für Radfahrer im Angebot. Zwischen dem Hotel „Euro“ und der Strandbar „Hawaii“ stellen Pinarello und Co. die neuesten Traummaschinen vor. Cesenatico ist im Rennradfieber. Wenn der Nove Colli eine große Familie ist, dann ist Arrigo Vanzolini ihr Großvater. Am 20. Mai 1971 rief er mit seinen Vereinskameraden das „Brevetto Appennino“ ins Leben, den Vorläufer des Nove Colli. Nur 19 Radsportler folgten dem Aufruf der Gruppo Cicloturistico Fausto Coppi bei der Premiere, doch von Jahr zu Jahr wurden es mehr. Bis in die 80er-Jahre standen am Straßenrand Metzger, Bäcker und Bauern der Region und verpflegten die Fahrer. Heute ist der Nove Colli neben dem Dolomiten-Marathon die wichtigste Radsportveranstaltung Italiens für Hobbysportler. Organisiert wird er immer noch vom GC Fausto Coppi, was angesichts des gewaltigen Aufwands fast überrascht. Ehrenpräsident Arrigo Vanzolini steht im papageienbunten Hemd zwischen großen Kartons und überwacht persönlich die Verteilung der Startpakete. Selbst am Vortag der 39. Austragung bleibt er gelassen, auch wenn Tonnen 7 | 2009 TOUR 135 NOVE COLLI Keine Frage, woher der „Nove Colli“ seinen Namen hat: In der Emilia Romagna warten jedoch noch ein paar mehr als nur „neun Hügel“ auf die Radler von Material bewegt werden müssen. Mehr als 300 Helfer arbeiten ehrenamtlich in der Organisation. Die „Familie Nove Colli“ ist inzwischen gewachsen, 11.000 Teilnehmer haben sich angemeldet, mehr lässt das selbst auferlegte Limit nicht zu. Knapp 10.000 sind es schließlich, die sich am 25. Mai 2009 um fünf Uhr morgens im Hafen von Cesenatico zum Start aufstellen. Die Startblöcke stehen links und rechts in den Seitenstraßen, streng nach den Farben der Startnummern getrennt. Nachdem sich in den vergangenen Jahren immer wieder ein paar Schlaumeier weiter nach vorne geschlichen haben, sind die Startblöcke nun mit Eisenzäunen abgegrenzt. Ein kurzes Gebet über den Lautsprecher, die Hubschrauber kreisen über der ersten Hilft mit: Arrigo Vanzolini, Gründer und Ehrenvorsitzender des GC Fausto Coppi 136 TOUR 7 | 2009 Startgruppe, und schon geht’s los – für die Spitzengruppe. Der Rest muss sich gedulden: Erst um 6.50 Uhr wird die letzte Gruppe auf die Strecke geschickt. Sehenswert: Muskeln & Material Die Gemeinschaft hat in Italien einen besonders hohen Wert, und so stehen am Start fast nur Fahrer, die in Teams organisiert sind. Manche Vereine haben sogar eigene Motorräder für die Unterstützung ihrer Sportler vorausgeschickt und reichen an den Anstiegen gekühlte Getränke. Die Feuerwehr aus Bologna, der Cicli Club Piemonte oder die Amici Pedale aus Messina, sie alle gehen in einheitlicher Teamkleidung auf die Strecke. „Coiffeur Bari“, „Caffeteria Roma“ oder „Pizzeria Sicilia“ lauten die regionalen Sponsorenaufdrucke auf den bunten Trikots. Die rasierten Beine sind braun gebrannt, das Material kann sich sehen lassen: Schicke Carbonrenner von Casati, Bianchi, Pinarello, De Rosa, Willier und Colnago glänzen in der Morgensonne. „Eine wahre Materialschlacht“, sei das in den vergangenen Jahren geworden, meint Wolfgang Zander aus Landsberg am Lech, der die Veranstaltung seit 20 Jahren kennt. Hier gehe es nicht nur um den Sieg, sondern auch um das Rennfahrer-Ego. Gewinnen kann zwar nur einer, aber „bella figura“ machen kann beim Nove Colli jeder. Gewinnen kann zwar nur einer, aber „bella figura“ machen kann beim Nove Colli jeder Irgendwo auf der Strecke stehen Freunde oder Verwandte, und bis dorthin wird getreten, als ob es kein Morgen gäbe. Für manche sei danach die Luft raus, aber das wichtigste Ziel des Tages bereits erreicht. „Als großes Fest“, beschreibt Jakob Guthausen aus München den Nove Colli. Bereits zum achten Mal fährt er mit, nicht immer hat er die Feier über 205 Kilometer durchgehalten. Leckere Nudeln und ein Gläschen Wein auf der Strecke haben seinen Ehrgeiz im Vorjahr besänftigt. Satt der großen wurde es dann nur die „kleine“, 130 Kilometer lange Runde. Offiziell gibt es zehn Verpflegungsstellen, doch entlang der Strecke versorgen viele Privatleute die Teilnehmer zusätzlich. Bereits nach rund 60 Kilometern gibt es am Colle della Fava Nudeln für all jene Radler, die öfter in die Landschaft als auf die Uhr schauen. Die inoffizielle Verpflegungsstelle „Ristoro abusivo“ ist bereits Tradition und für Genießer der erste Tageshöhepunkt. Sogar Rotwein wird hier ausgeschenkt. Die meisten sehnen sich aber nach Wasser. Daher stehen manche Einheimischen mit dem Gartenschlauch neben der Straße und tanken die schwitzenden Radler auf. Die „bella ragazza“ spürt aber auch den Respekt der radelnden Männer über ihre Leistung. Während auf die Fahrer der Langstrecke noch einige Anstiege warten, haben die der kurzen Runde in Barbotto das Gröbste überstanden. Am Straßenrand des Bergdorfs sammeln sich Freunde und Verwandte zum Anfeuern. Guido Neri bietet schnelle Notreparaturen. „Vai, vai, vai!“, immer wieder hetzt der Radhändler vorbeifahrende Radler. Manche halten kurz, um sich von ihm ein Schulterklopfen oder einen ermunternden Kommentar abzuholen. Als Helfer von Rudi Altig ist Neri in den 60er-Jahren die Tour de France gefahren, seit mehr als 30 Jahren betreibt er einen Radladen in Cesena. Kein Wunder, dass er viele kennt – sein Kundenkreis reicht von Sizilien bis zur „Vai, vai, vai!“ In jeder Hinsicht heiß her geht es am Anstieg nach Barbotto. Die Straße ist bis zu 18 Prozent steil, und auf den letzten Metern wird man über Lautsprecher angefeuert. Besonders eifrig beklatscht werden die 600 teilnehmenden Frauen – „vor allem von Zuschauerinnen“, hat Monica Ceccarelli aus Bellaria unterwegs beobachtet. Auf jeden Fall lecker: Ehrenamtliche Helfer und viele Privatleute entlang der Strecke locken die Radsportler mit regionalen Köstlichkeiten aus dem Sattel NOVE COLLI Füllstoff: Wenn gerade keine offizielle Verpflegungsstelle in Sicht ist, helfen Anwohner auch mal mit dem Gartenschlauch aus Nordsee. Zu seinen Stammkunden und Freunden gehören auch die Radfahrer vom ADFC München. Seit 13 Jahren organisiert der ADFC die Radfernfahrt MünchenCesenatico, deren Höhepunkt die Teilnahme am Nove Colli ist. Abenteuerliche Geschichten werden aus den Anfangstagen erzählt, als die Münchner am Brenner bis zu den Knien im Schnee standen. Inzwischen ist die Fahrt fester Bestandteil des Jahreskalenders. 200 bis 300 Teilnehmer radeln im Verband, von der Polizei eskortiert, nach Cesenatico. Organisator Wolfgang Slama fährt sogar ein Rad mit der Aufschrift „München-Cesenatico“, natürlich von Cicli Neri. Längst wurden die Münchner von der Nove-Colli-Familie adoptiert, und das ist auch Neris Verdienst, war er es doch, der die Kontakte nach Cesenatico geknüpft hat. In der Vergangenheit hatte sogar der radsportbegeisterte Bürgermeister von Cesenatico die ADFCGruppe auf dem Weg über die Alpen begleitet. In den vergangenen beiden Jahren übernahm dann Agostino Buratti, Leiter des Wirtschaftsamtes von Cesenatico, diese ehrenvolle Aufgabe. Beide sind natürlich mit dem Rad gefahren. Einen direkten Draht hat der ADFC seit Jahren auch zur Polizei. Giovannino Fattorioi radelt bereits zum 13. Mal mit der Gruppe von „Monaco“ in seine Heimat. Der ehemalige Polizeipräsident hat die Figur eines leichtgewichtigen Kletterkönigs und ist den Nove Colli bereits 20-mal gefahren. Damit die Tradition weiter- Verschwitzt stehen die Teilnehmer im Ziel, schütten Wasser in sich hinein. Jeder stöhnt unter der Hitze 138 TOUR 7 | 2009 Auch er ist Teil der Gran-Fondo-Familie: Ex-Profi Guido Neri leistet technische Unterstützung lebt, hat er erstmals seine Tochter Monica von München nach Cesenatico mitradeln lassen. Pech nur, dass sie nach einem leichten Sturz gerade ohne Rad ist und den Nove Colli diesmal nicht mitfahren kann. Flickzeug gehört ins Gepäck Die Region lebt für, aber auch vom Nove Colli. Radsport hat in den Provinzen Rimini und Cesena-Forli eine ebenso große Tradition wie wirtschaftliche Bedeutung. Für das Frühjahrstraining reisen Rennradfahrer aus der ganzen Welt an, und beim Trainingslager entsteht schnell der Wunsch, einmal am Nove Colli teilzunehmen. Etwa 30.000 Gäste kommen rund um das Gran-FondoWochenende, der Nove Colli ist Höhepunkt einer Reihe von Sportterminen Ende Mai. Am Wochenende zuvor findet der Nove Colli Offroad statt, am Vorabend starten Randonneursfahrer, um die Strecke nachts zu bewältigen, und schließlich gibt es Extremsportler, die laufen die 205 Kilometer über die Hügel. Selbst für die Helfer, die auf der Strecke am Erfolg der Veranstaltung mitwirken, gibt’s eine Woche später einen eigenen Nove Colli. Wer zum Frühjahrstraining an die Adria fährt und aus Erfahrung weiß, dass man angesichts der teils schlechten Straßen unbedingt genug Ersatzschläuche mitnehmen sollte, staunt am Gran-Fondo-Wochenende: Rechtzeitig zum Nove Colli werden die schlimmsten Stellen ausgebessert. Vorsicht ist trotzdem angebracht, denn nur auf den ersten Kilometern ist die Straße komplett gesperrt. Später sichern Streckenposten zwar die Kreuzungen ab, mit Gegenverkehr muss man aber immer rechnen. Doch das funktioniert sehr gut, ebenso wie der Rest. „Super organisiert ist die Veranstaltung“, meint nicht nur Edith Vigl vom ASC Sarntal. Für den Südtiroler Radsportverein gehört der Nove Colli schon zur Tradition. Beim Nove Colli wird zwar die Zeit gestoppt, dennoch ist er kein Rennen, sondern ein Gran Fondo, also ein Radmarathon. Das hat rechtliche Gründe und ändert nichts daran, dass Sieger Fabio Sacchi auch als solcher gefeiert wird. Mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 34 km/h hat er nach 5:48 Stunden die 3.800 Höhenmeter und 205 Kilometer bewältigt. Der ehemalige Milram-Profi bewegt sich mit seinem Sieg auf den Spuren von Marco Pantani, der als 16-Jähriger beim Nove Colli ins Rampenlicht fuhr. Noch heute ist der verstorbene Radprofi aus Cesena überall präsent. Ein Museum in Cesenatico widmet sich seinen größten Erfolgen, und die Fanclubs haben immer noch einen großen Einfluss. Verschwitzt stehen die Teilnehmer im Ziel und schütten Wasser in sich hinein. Jeder stöhnt unter der Hitze. Die Sonne brennt ohne Erbarmen auf den Asphalt entlang der Strandpromenade. Besonders an den Anstiegen entlang der Strecke war die Hitze heute der größte Gegner. Selbst die Green Village Wheelers aus Israel finden es zu heiß. Bei Piadina, Pasta und Dolce erholen sich die ausgelaugten Radfahrer. Nur wenige Meter entfernt stecken die Schirme der Strandbäder im Sand, doch zum glühend heißen Strand zieht es niemanden. Immer noch erreichen erschöpfte Rennradler und Rennradlerinnen das Ziel. Dort steht auch Giovannino Fattorioi ǭǸǧǴ ǬǵǴǪǵ ǴǵǼǫ ǩǵDzDzǯ und verteilt mit anderen Freiwilligen Blumen an die eintref- ǐ Veranstaltungsart: Radmarathon mit fenden Frauen. Im nächsten Zeitnahme Jahr könnte der pensionierte ǐ Strecken: Polizeipräsident hier auch seia) 205 Kilometer und 3.800 Höhenmeter; ner Tochter gegenüberstehen. b) 130 Kilometer und 1.870 Höhenmeter Denn dann will Monica end- ǐ Nächster Termin: 23. Mai 2010 lich den Nove Colli fahren. ǐ Start/Ziel: Cesenatico (Emilia-Romagna) Erst gestern hat sie ihm den ǐ Info: www.novecolli.it Prospekt von einem wunder- ǐ Kosten: 40 Euro schönen Bianchi-Rad gezeigt. Auch wenn der Papa noch über ADFC-Fernfahrt München-Cesenatico den hohen Preis schimpft – ǐ Organisator: ADFC München 2010 will sie damit über die ǐ Dauer: zehn Tage, davon fünf Tage Anfahrt Hügel fliegen. Denn wenn das ǐ Kosten: ca. 1.100 Euro Familientreffen ansteht, muss ǐ Info: www.muenchen-cesenatico.de man natürlich dabei sein! ■ Ride harder. Quäl nicht Dich, sondern Dein Bike. SKINS Cycle, die neuen Kompressions-Radhosen mit BioAcceleration Technology verbessern Kraft, Ausdauer und Regeneration. Ein revolutionärer Schnitt sorgt für mehr Bewegungsfreiheit und weniger Reibung. Speziell entwickelte Sitzpolster mit integrierter Elastic Interface Technology für Männer und Frauen sorgen für eine perfekte Gewichtsverteilung und bieten hohen Tragekomfort. 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