TSV Erbach/Donau, Abt. Leichtathletik | Nove Colli 2016

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TSV Erbach/Donau, Abt. Leichtathletik | Nove Colli 2016
Nove Colli 2016
Das hätte ich vor 2 Jahren auch noch nicht gedacht:
Dass ich nun hier sitze, an der sonnigen und sommerlich heißen Küste Italiens, mit meinen Bike-Buddies,
glücklich, geschafft, freudig zuschauend und mitwirkend, wie der Turm an leeren Freibier-Bechern immer
größer wird…
Aber von vorne: Ich durfte als Neuling mit zum Nove Colli: das jährliche Radevent der Erbacher TSV-Radler
schlechthin. Ankunft am Donnerstag vor dem Rennen und für die meisten auch der erste Einrolltag fand
leider bei Kälte und strömendem Regen statt, aber tags drauf konnten wir einen Teil der Strecke bei milderen
Temperaturen und am Ende sogar mit Sonne erkunden. Für mich und noch einen Novizen sehr hilfreich,
konnten wir dann doch erahnen, was da am Sonntag eigentlich auf uns zukommt: Die kleine Runde besteht
aus "nur 4 colli" auf gut 130 km und 1871 hm.
Bei der großen Runde müssen die besagten 9 Hügel auf 200 km und 3840 hm bewältigt werden.
Am Ende der Strecke geht´s laut Höhenprofil nur noch bergab, was sich in Wahrheit jedoch als äußerst
wellige Abfahrt herausstellte, so dass wir nun wussten: Achtung! Kräfte einteilen!
Auch wurden wir von den erfahrenen Hasen wirklich gut auf die wesentlichen Dinge hingewiesen:
Der erste Berg besteht nicht nur aus einer Spitze, der hat drei. Der härteste ist der 4. Berg, da geht´s
rampenähnlich hoch und zieht sich am Ende... und auch da kommt nach der ersten Spitze gleich nochmal
eine. Wir sollten uns von Beginn an in den Windschatten anderer Gruppen hängen, um Kräfte zu sparen.
Dieser und noch viele weiter wertvolle Tipps wurden uns gegeben, was die Aufregung vor dem Start jedoch
nicht wirklich minderte.
Ich persönlich hatte einen riesigen Respekt vor dem Massenstart und den Überholmanövern am Berg, runter
sowie rauf, mit italienische Rufen von hinten wie "occhio occhio" oder "sinistra" und dergleichen. Auch der
Gedanke an das Rollen in so einer riesigen Gruppe von fremden Mitfahrern machte mich nervös. In der
Nacht vor dem Rennen war dann auch nicht wirklich viel an Schlaf zu denken. Als um 4 h der Wecker
klingelte, war´s fast schon eine Erlösung. Das Frühstück war um diese unchristliche Zeit viel ruhiger als
sonst, es wurde wenig gesprochen, die meisten waren in sich gekehrt und ich kämpfte darum, wenigsten ein
paar Bissen runter zu bekommen, um ein wenig "Körner" zu haben. Dann rollten wir gemeinsam zum Start, in
die aufgehende Sonne über dem Meer, die Straße neben dem Strand entlang. An jeder Kreuzung wurden es
mehr und mehr Radler, es war eine tolle Stimmung. Es wurde immer gedrängter, nahe des Zentrums von
Cesenatico dann die ersten Einweiser. Wohin muss die rosa Gruppe? Wo ist der Startblock der weißen? Die
Aufregung, die durch die Bewegung weniger geworden war, wuchs wieder.
Dann: Anstehen... anstehen... warten... warten... Ich bin froh, dass mir liebe Menschen aus meiner Erbacher
Gruppe an meiner Seite stehen. Dann der Startschuss um 6:01, nicht zu überhören, aber vorerst passiert da
mal gar nichts.... Anstehen... anstehen... warten... warten
Um 6:26 rollt der ganze Pulk los, rollt und rollt, man fährt einfach mal mit, dann sieht man nach der Kurve
weit vorne das Start-Tor. Man rollt drüber über die Startlinie, rollt im Pulk, in der Masse,
die langsam immschneller wird und sich entzerrt, einige davon fahren langsamer, andere überholen, sich
zwischendrängen, und so geht es fort die ersten 30 km auf der Ebene. Meist gelingt es mir noch, mich an die
eine oder andere Gruppe in den Windschatten zu hängen, aber manchmal lasse ich einfach abreißen oder es
überholen mich richtig Wilde und drängen rein. Aber alles rollt irgendwie doch und ich werde meist irgendwie
mitgezogen. Meine Erbacher sind längst davon. Mein Kopf schaltet aus und meine Beine treten eben einfach
in die Pedale, machen einfach mit.
Irgendwann geht´s dann mal rein in die Hügel, die Sonne strahlt, die Gruppen bilden sich immer wieder neu,
dann kommt (endlich!) der erste Berg, Hügel mein ich: Stau! Schritttempo bis zum Stillstand. Da steht ein
Rettungswagen. Engpass. Absteigen, schieben. Ich denke nicht, ich mach einfach, was alle tun, schieben,
bis es sich wieder etwas lichtet und die ersten wieder auf´s Rad steigen, dann steig ich eben auch wieder
drauf und trete inmitten von fremden ständig in fremden Sprachen redenden Menschen langsam aber stetig
Rad an Rad den Berg hinauf: das war´s wovor ich Angst hatte, aber es lief einfach. Ich war Teil eines
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Organismus, ein in sich passendes und abgestimmtes Gesamtes, das sich da den Berg hochmanövrierte.
Irgendwie war da immer irgendwo eine Lücke, an der man an einem vorbeikam, oder man wurde überholt, es
wurde eng, aber es ging.
Dann kam vor der ersten Abfahrt ein nahezu ebenes Stück, Verschnaufpause und Zeit, die wunderschöne
Landschaft zu bestaunen, wahrhaftig hunderte von grünen Hügeln, die Sonne brillierte, der Blick ging weit
und ich atmete durch: herrlich, wie wunderbar.... glücklich!
Dann die Abfahrt: Sonne, Wind und ein Lächeln im Gesicht ! Bei weitem nicht so dicht gedrängt, wie ich
erwartet hatte. Klar wurde ich überholt, aber nie riskant, und zu meiner Verwunderung: ich selbst überholte
ziemlich viele, fühlte mich trotz des nicht allerbesten Straßenbelags sicher und genoss die Geschwindigkeit.
So ähnlich erging es mir auch an den beiden folgenden Bergen und den Strecken dazwischen: in der Masse
mitgetrieben, Hirn aus, Tunnelblick, sehe nur strampelnde Beine und Speichen und das Hinterrad meines
Vordermannes. Und an den Sequenzen nach den Gipfeln entspannt es sich jedes mal, die Masse entzerrt
sich und ich genieße die Landschaft und das Wetter, das Rennen, die Atmosphäre, mich. Ich bin bei mir,
fühle mich lebendig.
Dann kommt der Barbotto: ich wurde vorgewarnt: der härteste Berg: Ich sollte ca. eine halbe Stunde
benötigen, diesen zu bezwingen. Es gibt eine gesonderte Zeitmessung. Als ich über die Matte fahre, schau
ich auf die Uhr: ok, noch ne halbe Stunde, dann ist da meiste geschafft.
Ich fokusiere auf genau dies: nur noch eine halbe Stunde... der Berg fängt gemächlich an... geht doch,
ich überhole sogar ein paar, Tunnelblick, einfach hoch, ich schau auf die Uhr: 10 Minuten müssten vorbei
sein: es sind 15! Geht doch, ein Lächeln macht sich auf meinem Gesicht breit, ein Italiener neben mir spricht
mit mir... ich schnauf nur: tedesca... Dann freut er sich und muntert mich auf:
solo 2 km... mehr kommt nicht mehr... mir fällt auf, dass so langsam das ganze Gerede um mich rum, das
mich seit beinah 4 Stunden begleitet, langsam verebbt... ich schalte nochmal runter...
Solo 1 km... ich steh mal auf.. raus aus dem Sattel... inzwischen ist es tatsächlich ruhig um mich, da spricht
keiner mehr. Alle schnaufen nur noch. Kein Wort ist mehr zu hören.
Am Straßenrand viel Publikum, klatschend, rufend... ich seh aus den von Schweiß brennenden
Augenwinkeln, dass die ersten absteigen und schieben... Geht gar nicht... Solo 500 m...
Ich trete stehend in die Pedale, es ist eng um mich rum... wenn der vor oder neben mir jetzt einen Fehler
macht, stürz ich... wenn ich jetzt absteigen will, eingeklickt, auch... Will ich absteigen? ... ja... nein... ja... geht
gar nicht! Dann hör ich das Megaphon... italienisch, ich versteh kein Wort, aber da muss er sein, der Gipfel...
das Publikum ruft: (mein italienischer Nebenfahrer ist irgendwo) solo 100 metri... Das schaff ich. ... und
irgendwie bin ich oben, mit brennenden Schenkeln, das Lächeln ist entschwunden.
An der nächsten Verpflegungsstelle hab ich ordentlich Rast gemacht und mich irgendwie schon selbst
gefeiert, war stolz auf mich: ich bin NICHT abgestiegen, wohlwissend: das Rennen ist noch nicht vorbei, aber
Dank des tollen Briefings und der Testfahrt am Freitag wusste ich ja ziemlich genau, was da jetzt noch
kommt: Die Abfahrten waren atemberaubend, die Temperaturen inzwischen hochsommerlich, ja, es war
wellig, aber irgendwie rollte ich das Ding da runter... irgendwann ein Schild: noch 7 km. Ok, das schaff ich... 7
sind aber noch viel... wo kommt eine Gruppe, an die ich mich hängen kann? Manchmal gelingt´s, dann
reißt´s wieder ab... Sind meine Leute alle schon angekommen? Da sind 4, die nehm ich, komm nicht ran,
dann eben allein weiter, ist ja nicht mehr lang... dann irgendwann... endlich: Die Zielgerade, weit vor mir 2
Fahrer, um mich rum keiner, allzu viel Publikum ist nicht mehr da, bei meiner Zeit, aber ein paar klatschen
und irgendwer spricht irgendwas ins Megaphon, ich trete nochmal kräftig, dann bin ich durch den Bogen
durch. Ich bin durch. Geschafft. Ich bin im Ziel. Ich bin da. Ich steig ab, das Lächeln ist zurückgekehrt, schieb
mein mir treues Rad durch die Menge, erhalte von einer adretten Dame die Medaille und werde herzlich
empfangen. Meine Bike-Buddies sind alle wohlbehalten, glücklich, ohne Panne oder gar Sturz im Ziel
angekommen. Wir feiern und sind glücklich, super Stimmung! Und warten auf die, die die große Runde
fuhren. Ein tolles Event, ein schöner Tag. Ciao Italia – wir kommen wieder!
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Veröffentlicht
20:02:07 08.06.2016
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