Phobien – wenn aus Angst Panik wird Quelle
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Phobien – wenn aus Angst Panik wird Quelle
Phobien – wenn aus Angst Panik wird Vor einiger Zeit rief mich die Halterin eines Kakadus an und berichtete mir völlig verzweifelt, dass ihr Papagei seit zwei Tagen in Panik ausbreche, wenn sie sich dem Käfig auch nur nähere. An Freiflug sei nicht zu denken, und die Fütterung sei für beide Beteiligten eine einzige Tortur. Wir führten ein langes Gespräch, und ich versuchte herauszufinden, was sich zwei Tage zuvor ereignet haben könnte. Endlich fanden die Halterin und ich gemeinsam den Grund: Sie hatte sich die Haare rot färben lassen, und ihr Kakadu hatte panische Angst vor dieser Farbe. Die Halterin musste daheim nun so lange eine Mütze tragen, bis sich die Farbe wieder ausgewachsen hatte. Ähnliche Erlebnisse könnte ich auch von Nymphensittichen, Wellensittichen, Graupapageien, Mohrenkopfpapageien, Amazonen usw. erzählen. Phobien oder panische Angstzustände findet man bei nahezu allen Papageienarten, und die Geschichte dieser Vögel und deren Halter ist häufig traurig und meistens sehr leidvoll. Wie kann es zur Ausbildung eines krankhaften Angstzustandes bei Papageien kommen und was kann der Halter tun, um seinem Papagei zu helfen? Um sich dieser Thematik zu nähern, muss man sich zunächst mit dem natürlichen Verhalten von Papageien auseinander setzen. Papageien sind Beutetiere und besitzen daher ein ausgeprägtes Fluchtverhalten. Viele Papageien leben in Schwärmen oder Familienverbänden, die ihnen ein hohes Maß an Schutz bieten. Vielfach werden diese großen Aggregate als soziale Paradiese dargestellt, in denen der Papagei wie in einer Kommune lebt. Zweifelsohne ist diese Vorstellung sehr romantisch, doch sie verfälscht die Realität, da Papageien in der Gemeinschaft zuallererst eines suchen: Schutz. Papageien besitzen also ein sehr hohes Sicherheitsbedürfnis und befriedigen dieses in der Gruppe. Das Prinzip ist recht einfach, denn viele Augen sehen mehr als zwei, und Jungvögel profitieren von der Erfahrung der Altvögel. Kehren Quelle: WP-Magazin 4/2007 wir nun zu unserem krankhaft ängstlichen Papagei zurück. Es fällt auf, dass Phobien vermehrt bei den Papageien auftreten, die im Freiland in besonders großen Gemeinschaften leben, zum Beispiel bei Wellensittichen, Graupapageien und Kakadus (hier besonders der Rosakakadu). Bei Kakadus ist weiterhin zu beobachten, dass Phobien zwischen dem sechsten Lebensmonat und dem Ende des dritten Lebensjahres gehäuft auftreten. Arten, die am Boden fressen, haben ein sehr großes Sicherheitsbedürfnis. Wird dieses aus irgendeinem Grund erschüttert, kann es zu massiven Panikreaktionen kommen, deren Folge eine dauerhafte Phobie sein kann. Ein klassisches Beispiel findet man häufig bei Jungvögeln, die daheim ihre ersten Flugübungen machen und dabei abstürzen. Meist ist dieser Sturz etwas schmerzhaft, aber der Schreck überwiegt und im Grunde ist nichts passiert. Der Jungvogel sitzt „verdattert“ auf dem Boden, und nun eilt der besorgte Halter schnell zu ihm, um ihn zu „retten“. Versetzen Sie sich einmal in die Lage des kleinen Papageis: Er ist in einem neuen Zuhause, hat sich gerade gestoßen und empfin- det Schmerzen, und von oben schnellen zwei wirklich große Hände auf ihn zu. Was wird er wohl tun? Er rennt weg, so schnell er kann (die Flucht nach oben ist unmöglich, denn dort lauert sein Halter), und der besorgte Halter läuft mit ausgestreckten Armen hinterher. Endlich wird der Jungvogel eingefangen und in den Käfig gesetzt, um sich zu erholen. Am nächsten Tag weigert sich der Jungvogel, auf die Hand seines Halters zu steigen oder den Käfig zu verlassen. Was ist passiert? Jungvögel sind sehr vertrauensselig und schließen sich einem neuen Halter schnell an. Neugierig untersuchen sie ihre Umgebung und fliegen und klettern, so viel sie können. Ein Unfall wie der oben beschriebene ist nicht ungewöhnlich, doch die Reaktion des Halters hat den Papagei zutiefst verängstigt. Er befand sich auf dem Boden wie auf dem Präsentierteller, und der Halter hat mit seinen ausgestreckten Armen und geöffneten Händen sowie mit seinem schnellen Lauf auf den Jungvogel zu eine Greifvogelattacke täuschend echt nachgeahmt. Dass der Halter seinem Vogel nur helfen wollte, konnte der kleine Papagei nicht wissen. Die Erfahrung aber, von oben gegriffen zu werden, wird in ihm Existenzängste ausgelöst haben. Wird er diesen Händen noch einmal vertrauen? Vermutlich nicht. Der Käfig ist nun der bevorzugte Aufenthaltsort für unseren Jungvogel, und er weigert sich standhaft, diesen wieder zu verlassen. Versucht man, sich dem Vogel zu nähern, wird man gebissen oder der Papagei flattert panisch im Käfig umher und erhöht damit wieder die Verletzungsgefahr. Die Angst vor Händen wird dadurch noch gesteigert. Papageien, die sich so verhalten, leiden unter einem Syndrom, das als „Cage-Bonding“ bezeichnet wird. Die Vögel fühlen sich nur noch in oder auf ihrem Käfig sicher und sind nicht mehr in der Lage, diesen zu verlassen. Kleinste Veränderungen im oder am Käfig oder in desse näherer Umgebung führen zu massiven Panikattacken. Hände scheinen für viele Papageien (und vor allem für Sittiche) mit derartig traumatischen Erfahrungen verbunden zu sein, dass die Vögel schon panisch reagieren, wenn der Halter lediglich das Futter im Käfig wechselt. Auch hier müssen wir nicht lange nach der Ursache für die Phobie suchen. Sittiche sind kleine Papageien, die sich schnell und einfach mit der Hand fangen lassen. Der Schnabel wird mit Daumen und Zeigefinger fixiert, um einen Biss zu verhindern, und der restliche Körper wird mit den anderen Fingern festgehalten. Wie wird sich ein mittelgroßer Sittich wohl fühlen, wenn er derart fixiert in eine Box gesetzt und seinem neuen Halter überreicht wird? Ich würde keiner Hand mehr über den Weg trauen, und ich verüble es auch keinem Sittich, wenn er vor der Hand zurückweicht, sich schlank macht, alle Federn anlegt und bei der erstbesten Gelegenheit flieht. Papageien können gegen viele verschiedene Dinge oder Situationen Phobien entwickeln. Die Farbe Rot ist für Tiere eine Signalfarbe, und viele Papageien fürchten sich vor dieser Farbe, auch wenn sie im eigenen Gefieder vorkommt. Schwarz-Gelb deutet auf ein giftiges oder wehrhaftes Tier hin, und Streifen (zum Beispiel in Pullovern oder Handtüchern) findet man bei sehr vielen Räubern. Neue Gegenstände oder neue Möbel in der Wohnung werden von Graupapageien und Rosakakadus nicht selten als potentiell gefährlich eingestuft, und der Transportkäfig wird immer nur dann herausgeholt, wenn es zum Tierarzt geht. Gründe für eine Phobie gibt es also reichlich, doch wie geht man als Halter mit dieser Situation um? Es ist herzzerreißend, wenn der eigene Papagei, mit dem man gestern noch gespielt und geschmust hat, in Panik ausbricht, sobald man den Käfig auch nur ansieht. Man möchte dem verschreckten Wesen, das nur noch reglos in der Ecke hockt und nur dann frisst, wenn man den Raum verlässt, helfen. Doch wie? [...] Copyright: Hildegard Niemann, PBC Der vollständige Artikel ist im WP-Magazin 4/2007 erschienen. Diese Ausgabe ist gegen Einsendung von EUR 4,– in Briefmarken der Deutschen Post beim ArndtVerlag, Brückenfeldstraße 28, 75015 Bretten, bestellbar.