Neues Unterhaltsrecht 2007

Transcrição

Neues Unterhaltsrecht 2007
Verein für Humane Trennung und Scheidung - VHTS - Landesvereinigung Bayern
RAe Caroline Kistler und Harro Graf von Luxburg
Neues Unterhaltsrecht 2007
Was bringt das Gesetz zur Änderung des Unterhaltsrechts?
Mit dem neuen Gesetz soll das Unterhaltsrecht den geänderten gesellschaftlichen
Verhältnissen angepasst und sollen die gewandelten Wertvorstellungen berücksichtigt
werden. Die gesellschaftlichen Verhältnisse werden geprägt durch nach wie vor steigende
Scheidungszahlen, die vermehrte Gründung von „Zweitfamilien“ mit Kindern nach
Scheidung einer ersten Ehe und eine zunehmende Zahl von Kindern, deren Eltern in einer
nichtehelichen Lebensgemeinschaft leben oder die alleinerziehend sind. Auch fand eine
erhebliche Veränderung der Rollenverteilung während der Ehe statt. Immer häufiger sind
beide Partner auch mit Kindern berufstätig oder nehmen nach einer erziehungsbedingten
Unterbrechung ihre Erwerbstätigkeit wieder auf.
So werden bereits 56 % der Dreijährigen, 83 % der Vierjährigen und 89 % der Fünfjährigen in
Tageseinrichtungen betreut. Es besteht daher heute Einigkeit, daß die kindliche Entwicklung
zumindest ab dem 3. Lebensjahr durch Fremdbetreuung wegen Berufstätigkeit der Mutter in
der Regel nicht beeinträchtigt wird. Vor diesem Hintergrund verfolgt das neue
Unterhaltsgesetz folgende Ziele:
1.
Beim Kindesunterhalt:
Stärkung des Kindeswohls durch Neuordnung der Rangfrage, Besserstellung
kinderbetreuender, nicht miteinander verheirateter Eltern, Wiedereinführung des
Mindestunterhalts und vereinfachte Kindergeldverrechnung.
2.
Beim Ehegattenunterhalt:
Stärkung der Eigenverantwortung nach der Scheidung.
3.
Vereinfachung des Unterhaltsrechts.
Um diese Ziele zu erreichen, sieht das Gesetz u.a. folgendes vor:
I.
Ehegattenunterhalt
1.
Bestehende Betreuungsmöglichkeiten für die Kinder sind zu nutzen. Nach den
bisherigen Leitlinien der Oberlandesgerichte musste die Mutter erst dann eine
Erwerbstätigkeit aufnehmen, wenn das jüngste Kind in die 3. Grundschulklasse
gekommen ist.
Nach dem neuen Gesetz sind bereits bei einem Kind über drei Jahre tatsächlich
bestehende „verlässliche Möglichkeiten für die Betreuung“ zu nutzen.
Dies hat zur Folge, daß der das Kind betreuende Elternteil bereits ab dem 3.
Lebensjahr des Kindes darlegen und beweisen muß, daß keine zumutbaren und
verlässlichen Betreuungsmöglichkeiten bestehen und er deshalb keiner
Erwerbstätigkeit, auch keiner Teilzeittätigkeit nachgehen kann. Verlässliche
Betreuungsmöglichkeiten sind Tageseinrichtungen, Kindergärten, Kinderhorte,
Schulen, Pflegeeltern und z.B. auch Großeltern. Die Kosten der Kinderbetreuung sind
bei der Unterhaltsberechnung angemessen zu berücksichtigen.
2.
Die Anforderungen an die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit nach der Scheidung
werden erhöht. Neu ist, daß dem Unterhaltsbedürftigen zugemutet wird, seine vor der
Ehe ausgeübte Erwerbstätigkeit wieder auszuüben – Krankenschwester heiratet
Chefarzt. Nach der Scheidung ist ihr zuzumuten, wieder als Krankenschwester zu
arbeiten. Eine Ausnahme gilt bei langjährigen Ehen, sehr guten
Einkommensverhältnissen und wirtschaftlicher Abhängigkeit.
3.
Im neuen Gesetz werden die Begrenzungen des Unterhalts sowohl zeitlich als auch der
Höhe nach vereinfacht bzw. erweitert, insbesondere wenn ehebedingte Nachteile
fehlen.
Die Begrenzungsmöglichkeit des Unterhalts hängt ab von der Kinderbetreuung und
der Ehedauer, insbesondere davon, inwieweit durch die Gestaltung der Ehe, vor allem
Haushaltsführung und Kinderbetreuung, berufliche Nachteile eingetreten sind.
Die Neuregelung wird in der Praxis dazu führen, daß wesentlich mehr Unterhaltsansprüche als bisher zeitlich begrenzt werden bzw. der Höhe nach auf den angemessenen
Bedarf begrenzt werden.
Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gelten derartige
Beschränkungen in der Regel nur für relativ kurze Ehen, also Ehen mit einer Ehedauer
bis zu 10 Jahren, in Ausnahmefällen auch darüber hinaus, z.B. für eine 15-jährige Ehe,
bei der beide Ehegatten berufstätig waren. In allen anderen Fällen war daher bisher
lebenslange Unterhaltspflicht in voller Höhe gegeben.
Falls Kinder betreut werden, wird auch in Zukunft eine Begrenzung des Unterhalts
erst ab dem 15. Lebensjahr des jüngsten Kindes in Betracht kommen. Ist die Mutter
noch jung, kann der Ehegattenunterhalt nach dem 15. Lebensjahr des jüngsten Kindes
zeitlich begrenzt werden, bei älteren und nicht erwerbsfähigen Müttern wird in der
Regel eine Begrenzung der Höhe nach auf den angemessenen Bedarf erfolgen. Unter
angemessenem Bedarf versteht die Rechtsprechung die Lebensstellung vor der Ehe
und in der Ehe.
4.
Neu ist auch, daß der Unterhaltsanspruch nicht erst nach einer zwei- bis dreijährigen
ehelichen Lebensgemeinschaft mit einem neuen Partner verwirkt ist, sondern bereits
früher, wenn eine sogenannte „verfestigte Lebensgemeinschaft“ mit dem neuen
Partner vorliegt. Erfasst werden sowohl die sogenannten Unterhaltsgemeinschaften, in
der der Bedürftige durch die neue Partnerschaft wieder sein volles Auskommen hat,
als auch die eheähnliche Gemeinschaft, die nach außen das Erscheinungsbild einer
Ehe aufweist. Der Begriff „verfestigte Lebensgemeinschaft“ betrifft ein
Zusammenleben und gemeinsames Wirtschaften, aber auch sogenannte
Wochenendbeziehungen aus beruflichen Gründen werden davon erfasst. Maßgebend
ist im Ergebnis, ob sich der geschiedene Ehepartner mit der neuen
Lebensgemeinschaft endgültig aus der ehelichen Solidarität gelöst hat.
II.
Rangordnung der Unterhaltsansprüche
1. Rang:
Minderjährige unverheiratete Kinder und Kinder bis zur Vollendung des
21. Lebensjahres, solange sie im Haushalt der Eltern leben und sich noch in
allgemeiner Schulausbildung befinden.
2. Rang:
Elternteile, die wegen der Betreuung eines Kindes unterhaltsberechtigt sind oder im
Falle einer Scheidung wären, so wie Ehegatten bei einer Ehe von langer Dauer.
3. Rang:
Lt. Koalitionsabsprache vom 20. März 2007, nicht verheiratete Elternteile, die
Betreuungsunterhalt verlangen können.
4. Rang:
Ehegatten, die nicht unter Nr. 2 fallen.
5. Rang:
Kinder, die nicht unter Nr. 1 fallen (= nichtprivilegierte Volljährige, z.B. Studenten).
6. Rang:
Enkelkinder und weitere Abkömmlinge.
7. Rang:
Eltern
8. Rang:
Weitere Verwandte der aufsteigenden Linie.
Entsprechend der geänderten Rangordnung werden nunmehr bei der Berechnung des
Ehegattenunterhaltes nicht nur die Kinder berücksichtigt, die vor der Scheidung
geboren wurden, sondern auch Kinder, die nach der Scheidung aus einer neuen
Partnerschaft hervorgegangen sind. Durch die Berücksichtigung dieser Kinder mindert
sich der Ehegattenunterhalt!
Neu ist die Beseitigung der bisherigen Privilegierung der ersten Ehefrau gegenüber der
zweiten Ehefrau. Betreuen die erste und die zweite Ehefrau Kinder oder ist eine
Ehefrau wegen einer langen Ehedauer (über 15 Jahre) besonders schutzwürdig, haben
ihre Unterhaltsansprüche den gleichen Rang. Der Unterhaltsanspruch der ersten
Ehefrau kann sich also durch die Geburt weiterer Kinder aus einer neuen
Partnerschaft/Ehe des Unterhaltspflichtigen reduzieren. Aufgrund einer Intervention
von CDU-Politikern hat die Koalition den Entwurf noch einmal geändert: Wenn der
Ehemann mit der Mutter des weiteren Kindes nicht verheiratet ist, wird diese Frau der
geschiedenen Ehefrau nicht gleichgestellt, sondern nimmt den 3. Rang nach den
Kindern und der "Erstfrau" ein.
Der Unterhalt wird nach der Additionsmethode berechnet.
III.
Berechnungsbeispiel bei zwei unterhaltsberechtigten Frauen
Ehemann M bezieht ein Erwerbseinkommen von € 2.000,--, seine 1. Ehefrau von
€ 1.000,-- und seine 2. Ehefrau 500,-- €. Sowohl Ehefrau 1 als auch Ehefrau 2
betreuen Kinder von M.
Nach Abzug des jeweiligen Erwerbsbonus von 10 % werden angerechnet
beim Ehemann 2.000,-- € ./. 200,-- € =
1.800,-- €
bei Ehefrau Nr. 1 € 1.000,-- ./. 100,-- € =
900,-- €
bei Ehefrau Nr. 2 € 500,-- ./. 50,-- € =
450,-- €
Der Gesamtbedarf Ehemann und Ehefrau 1 und 2 beträgt:
1.800,-- € + 900,-- € + 450,-- € =
3.150,-- €.
Nach dem Grundsatz der Dreiteilung betragen die Bedarfsbeträge:
Ehemann 3.150,-- € : 3 =
Ehefrau Nr. 1 € 3.150,-- : 3
Ehefrau Nr. 2 € 3.150,-- 3 =
1.050,-- €
1.050,-- €
1.050,-- €
Nach Abzug des Eigeneinkommens ergeben sich die Unterhaltsbeträge wie folgt:
Ehefrau Nr. 1 € 1.050,-- ./. 900,-- € =
Ingesamt hat Ehefrau Nr. 1 zur Verfügung:
Einkommen 1.000,-- € + Unterhalt 150,-- € =
150,-- €
1.150,-- €
Ehefrau Nr. 2 € 1.050,-- ./. 450,-- € =
Insgesamt hat Ehefrau Nr. 2 zur Verfügung:
Einkommen 500,-- € + 600,-- € =
600,-- €
1.100,-- €
Dem Ehemann bleiben 2.000,-- € ./. Unterhalt Ehefrau
Nr. 1 € 150,-- ./. Unterhalt Ehefrau 2 € 600,-- =
1.250,-- €.
IV.
Änderungen beim Kindesunterhalt
1.
Der Mindestkindesunterhalt wird wieder eingeführt. Dies hat zur Folge, dass
bis zur Gruppe 6 der Düsseldorfer Tabelle der Kinderunterhalt künftig
voraussichtlich etwas niedriger sein wird als bisher. Neue Tabellen gibt es
derzeit noch nicht.
Für ein Kind bis zum 5. Lebensjahr beträgt der Mindestunterhalt derzeit 199,-€, künftig 188,-- €.
Kind 6 bis 11 Jahre derzeit 247,-- €, künftig 227,-- €.
Kind 12 bis 17 Jahre derzeit 291,-- €, künftig 279,-- €.
Die Neuregelung hat zur Folge, dass auch die Düsseldorfer Tabelle neu gefasst
werden muss.
2.
Kindergeldverrechnung
Künftig wird das Kindergeld als Einkommen des Kindes behandelt.
Dies hat zur Folge, dass künftig bei der Berechnung des Ehegattenunterhalts
nicht mehr der Tabellenbetrag aus der Düsseldorfer Tabelle für den
Kindesunterhalt abgezogen wird, sondern nur der tatsächliche Zahlbetrag, so
dass sich letztendlich der Ehegattenunterhalt etwas erhöhen wird.
V.
Elterngeld
Die Unterhaltszahlungsverpflichtungen werden durch das Elterngeld nur insoweit berührt, als
die Zahlung € 300,00 monatlich übersteigt. Dies bedeutet, dass nur der Teil des Elterngeldes,
der über € 300,00 hinausgeht, bei der Bemessung des Unterhalts für die Mutter berücksichtigt
wird.
Beispiel:
Ehemann M und Ehefrau F trennen sich. Sie haben ein 10 Tage altes Kind. M hat ein
bereinigtes Nettoeinkommen von € 2.000,00. F verdient € 400,00 und erhält Elterngeld von
ca. € 800,00.
Kindesunterhalt nach neuer Rechtslage € 188,00.
anrechenbares Einkommen des M:
€ 2000,00 ./. € 188,00 = € 1.812,00 x 9/10 =
€ 1.630,00
anrechenbares Einkommen der F: € 400,00 x 9/10 =
€ 360,00
anrechenbares Elterngeld: € 800,00 ./. € 300,00 =
€ 500,00
Bedarf (€ 1.630,00 + € 360,00 + € 500,00) : 2 =
€ 1.245,00
zu zahlender Unterhalt für F:
€ 1.245,00 ./. € 360,00 ./. € 500,00 =
€ 385,00
VI.
Gültige Fassung in Kraft treten:
Nach der derzeitigen Planung tritt das neue Gesetz am 1.07.2007 in Kraft. Änderungen
während des Gesetzgebungsverfahrens sind denkbar. Auch für Altfälle wird es eine Regelung
geben.
München, im März 2007
RAin Caroline Kistler und RA Harro Graf von Luxburg
www.kanzlei-kistler.de / www.ravonluxburg.de