Katalog der Masterarbeiten 2015

Transcrição

Katalog der Masterarbeiten 2015
Masterarbeiten im Studiengang
ART IN CONTEXT
201 4 / 201 5
Institut für Kunst im Kontext
Fakultät Bildende Kunst
Universität der Künste Berlin
Impressum
Masterarbeiten am Institut für Kunst im Kontext 201 4/201 5
Universität der Künste Berlin, 1 7.–1 9. Juli 201 5
Herausgeber:
Institut für Kunst im Kontext, Universität der Künste Berlin
Redaktionelle Bearbeitung und Ausstellung:
Heike-Karin Föll, Claudia Hummel, Wolfgang Knapp, Kristina Leko, Klaus
Mantze, Christiane Post
Layout:
Ioannis Delagrammatikas, Juan Díaz, Anaïs Senli
Gestaltet mit:
Scribus 1 .4.5 Open Source, Desktop Publishing (Ghostscript-Version: 8.71 )
Gesamtherstellung: Conrad, Berlin
Verlag: Universität der Künste Berlin, Verlagsort: Berlin
© Universität der Künste Berlin und die AutorInnen
ISBN 978-3-89462-268-8
Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen
Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über
http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Dieser Katalog ist zu beziehen über:
Universität der Künste Berlin
Einsteinufer 43–53
D–1 0587 Berlin, Germany
p. 030 31 85 2960
f. 030 31 85 2961
[email protected]
www.kunstimkontext.udk-berlin.de
Institut für Kunst im Kontext
Masterarbeiten im postgradualen Studiengang „Art in Context“
Mit diesem Katalog stellen wir die im Studienjahr 201 4/201 5 im weiterbildenden Masterstudiengang „Art in Context“ an der Universität
der Künste Berlin entstandenen Masterarbeiten vor. Der Katalog gibt,
wie die Ausstellung im Rahmen des Rundgangs 201 5, einen guten
Eindruck über die vielfältigen künstlerischen Ansätze und die höchst
unterschiedlichen Themen, mit denen sich die Studierenden – und
damit auch die am Institut Lehrenden – beschäftigen.
Unter „Art in Context“ verstehen wir eine erweiterte Kunstpraxis, die
gleichermaßen an künstlerischen wie wissenschaftlichen Fragestellungen orientiert ist, sich bewusst und gezielt mit gesellschaftlichen
Phänomenen beschäftigt und sie unter wissenschaftlichen, sozialen,
politischen und ästhetischen Gesichtspunkten reflektiert.
Der Weiterbildungsstudiengang „Art in Context“ mit dem Abschluss
Master of Arts wendet sich an Künstlerinnen und Künstler, die ihre
künstlerische Arbeit in einem gesellschaftlichen Zusammenhang positionieren und darauf bezugnehmend künstlerische Konzepte, Strategien und Arbeitsweisen entwickeln und realisieren wollen. Mit intrinsischem Interesse sollten sie außerkünstlerische Fragestellungen
und Problemlagen erschließen, sie auf einem professionellen Niveau
reflektieren und die Anschlussfähigkeit der eigenen Arbeit begründen können.
3
Als künstlerisch-wissenschaftlicher Studiengang bietet „Art in Context“ eine Qualifizierung in folgenden Berufsfeldern bzw. deren Kombinationen an:
– Künstlerische Arbeit mit gesellschaftlichen Gruppen
– Künstlerische Arbeit in/mit kulturellen Institutionen
– Künstlerische Arbeit im öffentlichen Raum
– Künstlerische Arbeit im Kontext der medialen und wissenschaftlichen Bildproduktion
Das Studium, in dessen Mittelpunkt die Entwicklung künstlerischer
Projekte steht, zielt auf eine Erweiterung der Professionalisierung der
Studierenden ab. Aus den entsprechenden Lehrangeboten entwickeln die Studierenden gemäß ihrer Interessen und in Absprache mit
den Lehrenden ihre jeweils individuellen Studienpläne. Die Entwicklung sozialer und kommunikativer Kompetenzen, die Zusammenarbeit im Team, die theoriegestützte Erarbeitung künstlerischer Strategien sowie die Strukturierung von Studienvorhaben und ihrer
Dokumentation bilden wichtige Inhalte des Studiums.
Der nicht konsekutive Studiengang kann als Vollzeitstudium in vier
Semestern oder als berufsbegleitendes Teilzeitstudium in sechs Semestern absolviert werden. Er ist gebührenfrei und ohne Altersbegrenzung. Die Unterrichtssprache ist Deutsch.
4
Das Institut für Kunst im Kontext verfügt über 30 Studienplätze pro
Jahr, die in einem zweistufigen Auswahlverfahren vergeben werden.
Ein spezifisches Merkmal des Studiengangs ist der hohe Anteil (zwei
Drittel) an internationalen Studierenden. In der Regel hat der größere
Teil der Studierenden zuvor ein künstlerisches Studium abgeschlossen,
während die anderen Studierenden über einen Abschluss in einem gestaltenden Fach (Design, Architektur) oder Kunstpädagogik verfügen.
Da etwa die Hälfte der Studierenden ein Teilzeitstudium wählt, hat das
Institut jährlich insgesamt ca. 80 Studierende, die im postgradualen
Masterstudiengang „Art in Context“ immatrikuliert sind.
Masterarbeiten im Studienjahr 201 4/201 5
am Institut für Kunst im Kontext
Ana Alenso
Zurab Bero Berozashvili
Ievgeniia Bielorusets
Roberta Busechian
Seo Young Chang
An-Chi Cheng
Sandra Dinnendahl López
Dominik Dittberner
Vera Galešev
Sophia Helena Gallbach
María Amparo Gomar Vidal
Christian Heck
Alexis Hyman Wolff
Aleksandar Jestrovic
Teddy François Moarbes
Annesofie Norn
Elena Pascalau
Carolina Pinzón Rivera
Adrian Schindler
Igor Sovilj
Artem Ushan
Valentina Utz
6
8
10
12
14
16
18
20
22
24
26
28
30
32
34
36
38
40
42
44
46
48
5
Until the last drop
Eine künstlerische Annäherung an das Paradox des Erdöls in Venezuela
Until the last drop ist eine Rauminstallation, die das Erdöl als parado-
xes Element darstellt und nach seinem zugleich produktiven und zerstörerischen Charakter befragt. Der aktuelle Ölpreissturz wird als
Ausgangspunkt genommen, um die Instabilität des globalen wirtschaftlichen Systems metaphorisch und ästhetisch zu reflektieren.
Die derzeitige Krise des südamerikanischen OPEC-Lands Venezuela
findet dabei besondere Beachtung. Venezuela ist seit 1 91 4 Erdölerzeugerland und dient als Beispiel für das Paradox, das dem Erdöl innewohnt. Am Beispiel der Darstellung von drei weiteren künstlerischen Positionen werden historische Momente und Implikationen
der venezolanischen Kultur mit dem Rohstoff Erdöl analysiert.
6
Die Installation besteht aus einem Ölfass, zwei Autoscheinwerfern,
einer Struktur aus Holz und aus einer collagierten Field-RecordingAufnahme einer Börsensituation. Dabei sind die Elemente der Installation in der ständigen Gefahr plötzlich zu fallen. Dieser prekäre und
zerbrechliche Zustand will auf ein Ungleichgewicht und auf Spannungsfelder verweisen, die nicht nur in und zwischen den Elementen
der Installation, sondern auch in den Volkswirtschaften vieler ölabhängiger Länder auftreten. Sie stellt damit den Versuch dar, die Verhältnisse der aktuellen venezolanischen und globalen Erdölpolitik im
Zusammenhang mit den Konzepten von Spekulation, Unsicherheit
und Instabilität in Form einer Rauminstallation erfahrbar zu machen.
Ana Alenso
*1 982 in Caracas, Venezuela. 2004 Diplom Bildende Kunst an der
Kunsthochschule Armando Reveron (VE), 2008 Fortbildungskurs für
Hochschullehrende an der Universität José María Vargas, 201 3 MA
Medienkunst an der Bauhaus-Universität Weimar.
[email protected]
www.anaalenso.com
Titel der Masterarbeit:
Until the last drop
Eine künstlerische Annäherung an das Paradox des Erdöls in Venezuela
Betreut von Claudia Hummel
Zweitbetreuer: Dr. Manuel Silva-Ferrer
7
Film-Zensur in Georgien: Auswirkungen aufdie künstlerische Praxis
Schwerpunkt meiner Masterarbeit ist eine Recherche über die Zensur
im Bereich der Filmproduktion in Georgien von 1 920 bis 1 990 und deren Auswirkung auf das Leben und die Werke der Filmemacher. An
ausgewählten Filmbeispielen georgischer Regisseure wie Mikheil Kalatozov (Kalatozishvili), Sergei Parajanov, Otar Iosseliani und Tengis Abuladze beschreibe und analysiere ich Formen, Charakter und Praktiken
der Zensur. Gleichzeitig wird erörtert, wie Filmemacher trotz der ausgeübten Zensur versuchten, ihre künstlerische Arbeit fortzusetzen.
Damit vertrete ich die These, dass die Filmemacher mit ihren Filmen
bei Zensoren und in der Gesellschaft den Wunsch geweckt haben, die
Bilder zu analysieren; quasi als erzwungene genaue Auseinandersetzung mit den Film, bevor er zensiert wurde. Somit führte der Film auf
absurde Weise zu Weiterbildung und unfreiwillig freierem Denken.
8
Die Metaphern, die die Regisseure in den Filmen versteckten, erscheinen als Produkt der künstlerisch freien Arbeit, die von den Behörden häufig als Agitation für Volksaufstände gegen das System gesehen oder absichtlich aus ideologischen Gründen missverstanden
wurden. Zum Abschluss meiner Masterarbeit thematisiere ich die gegenwärtige Filmproduktion in Georgien, um zu analysieren, ob der
erzwungenen Zensur die freiwillige Zensur gefolgt ist.
Fernsehtestbild nach meiner Bearbeitung und Einschränkung der Farben,
Zensur in der Sowjetzeit symbolisierend
Zurab Bero Berozashvili
*1 982 in Georgien. 1 999–2002 Akademie der Künste Tbilissi, Georgien, Bildende Kunst, Bildhauerei. 2006–2009 Universität der Künste
Berlin, Bildende Kunst, Freie Kunst, Multimedia. 2009–201 0 Universität der Künste Berlin, Bildende Kunst, Meisterschüler. 201 0 Diffring
Award – Prize for Sculpture by Jacqueline Diffring Foundation.
[email protected]
www.zurab-bero.com
Titel der Masterarbeit:
Film-Zensur in Georgien: Auswirkungen aufdie künstlerische Praxis
Betreut von Wolfgang Knapp
9
Arbeit als Gegenwehr
Eine Bild-Text-Dokumentation zur Situation im Donbass/Ukraine
im Jahr 201 4
Im Herbst und Winter 201 4 habe ich selbstbeauftragt eine Reihe von
Reisen in die Ost-Ukraine/Donbass unternommen, dabei fotografiert
und dort lebende und arbeitende Menschen interviewt.
Während meiner Reisen entstand eine Freundschaft mit den TeilnehmerInnen einer Initiative von BergwerkarbeiterInnen, die zur Grundlage meiner künstlerischen und auch sozial-aktivistischen Arbeit wurde.
10
Im Rahmen meiner Masterarbeit habe ich das während der Reisen
entstandene Fotoarchiv bearbeitet und reflektiert und daraus eine
Bild-Text-Dokumentation entwickelt. Eine Untersuchung zu den Hintergründen und zur Genese der gegenwärtigen Situation in der
Ukraine sowie ein Vergleich meiner künstlerischen Arbeit mit anderen Formen der Dokumentation werden im schriftlichen Teil der Arbeit ausgeführt. Dazuhin untersuche ich, wie sich meine künstlerische Vorgehensweise von der journalistischen unterscheidet und wie
sie mit dem Kontext der Propaganda umgeht. In weiteren Abschnitten wird einerseits meine Beobachtung, dass in diesem Konflikt Arbeit als Gegenwehr verstanden werden kann, herausgearbeitet und
andererseits meine künstlerische Arbeit repräsentationskritisch reflektiert. Als eine weitere Kontextualisierung stelle ich meine eigene
fotografische Arbeit in den Zusammenhang des Schaffens zeitgenössischer KünstlerInnen, deren Werke sich mit Machtverhältnissen in
der Gesellschaft beschäftigen, wie die Gruppe Chto delat und deren
Video-Arbeiten oder auch die fotografischen Untersuchungen zum
Donbass von Boris Mikhailov.
Aus der Serie: Arbeit als Gegenwehr, 201 4–201 5
Ievgeniia Bielorusets
*1 980 in Kiew, ist eine ukrainische Fotografin, Künstlerin und Autorin.
Sie arbeitet mit Video, Fotografie, Installationen an der Schnittstelle
von Kunst, Literatur und sozialem Aktivismus. Sie hat an zahlreichen
ukrainischen und internationalen Ausstellungen teilgenommen.
[email protected]
www.belorusets.com
Titel der Masterarbeit:
Arbeit als Gegenwehr
Eine Bild-Text-Dokumentation zur Situation im Donbass/Ukraine
im Jahr 201 4
Betreut von Claudia Hummel
11
Bunker in den Dolomiten: Ihre Reaktivierung als Partitur
12
Das Projekt hat in den östlichen Dolomiten in Italien stattgefunden. Als ich 1 5
war, habe ich dort mit meinen Eltern mehrere Exkursionen auf einen Berg –
den Kreuzbergpass – gemacht und auf1 .900 Meter das erstes Mal eine Bunkeranlage (Opera numero 1 0) gesehen. Die Frage, die sich mir stellte, war: Welche
Funktion diese Bunkeranlagen in der Landschaft haben? Jetzt stelle ich mir die
Frage so: Welche Beziehung bildet sich zwischen dem dolomitischen Berg und
der Bunker-Struktur für die BetrachterInnen?
Im Oktober 201 4 habe ich über die Tätigkeit des Konfliktarchäologen Rupert
Gietl gelesen, der in den Dolomiten die Forschung über die Spuren der Anlagen des Ersten Weltkrieges durchgeführt hat (mit Drohnen, 3D-Bearbeitungen
und GPS-Systemen). Die Methode, die Topografie nach den Spuren des Konflikts zu rekonstruieren, eröffnet mir die Möglichkeit, die Bunker als Systeme
dieser Landschaft zu betrachten und zu reaktivieren, nicht durch technologische Messungen, sondern durch die Erfahrung des Bergs bei der Wanderung.
Die Bunkeranlage Opera numero 1 0 gilt in meiner Arbeit als Bunker-BergStruktur, wo sich eine Analogie zur Black-Box-Struktur (als Begriff der Informatik) bildet. Diese Analogie ist nur durch eine nicht notenbasierte Partitur sichtbar: die Black Box stellt die Bunker-Berg-Struktur dar. Man muss die traditionelle
Idee der Partitur in meinem Projekt vergessen, weil diese mit der Musik nur die
Rolle der Angabe für die Ausführung im Zusammenhang hat.
Mein Begriff der Partitur bestimmt die Partitur als grafisches Denken: Sie besteht aus meiner Erfahrung, der Berg- und Bunker-Struktur, die ich – als Künstlerin und Wanderin – durch einen philosophischen und historischen Text rahme und mittels Zeichnungen, grafischen Feststellungen, Fotografien und das
geschriebene Wort entstehen lasse. Die Partitur als Spiegelung der Erfahrung
einer Bunker-Berg-Beziehung ist eine Partitur für die WanderInnen, eine Angabe den Berg hoch bis zur Bunkeranlage Opera 1 0. Die LeserInnen der Partitur
werden das System teilweise als akustisches erfahren. Nach der Philosophie
von Cage: Auch ohne notierte Partitur kann der Klang präsent sein, und was ist
die Musik? Ist Musik Rhythmus? Ist Musik Pause? Ist Musik Riechen, Sehen, Hören? Genauso stelle ich die Frage, was das Akustische ist? Könnte es der Denkprozess selbst sein?
Roberta Busechian
*1 990 in Triest, Italien. Studierte Bildende und Darstellende Kunst in Venedig;
arbeitet im Bereich der sound studies. Künstlerische Residenzen (u.a.): Fondazione Antonio Ratti, Como, Italien, 201 2; Stipendiatin der Salzburg Summer
Academy, 201 2; seit 201 1 Ausstellungen in Italien (u.a. Venedig, Triest, Vicenza);
Soundperformances (Berlin, Graz); Konferenzen (IUAV Universität Venedig).
http://robertabusechian.altervista.org
http://vimeo.com/user9928272
https://soundcloud.com/robinija
[email protected]
Titel der Masterarbeit:
Bunker in den Dolomiten: Ihre Reaktivierung als Partitur
Betreut von Wolfgang Knapp
13
Ein abwesendes Kunstwerk – Mediale Vermittlung als Präsenz
14
Das neue Dogma dieser Zeit heißt: Das Leben muss medial gezeigt
und mitgeteilt werden, damit die damit verbundene Existenz überhaupt anerkannt werden kann. Diese soziale Anerkennung als Existenzbedingung gilt nicht nur in der gegenwärtigen Medienszene, sondern auch in der Kunstszene, in dem Sinn, dass ein Kunstwerk
gezeigt werden muss, um überhaupt Kunstwerk zu sein. Die Medialisierung der Kunstwerke kann Ausstellungsmöglichkeiten erweitern
und einen effizienten Zugang zu den Kunstwerken anbieten.
Die vorliegende Arbeit ist ein Versuch, zu erklären, wie durch mediale
Vermittlung die Präsenz des Originals ersetzt werden kann. Für meine künstlerische Praxis initiiere ich eine paradoxe Situation, in der die
(An-)Erkennung eines Gegenstands seiner Existenz vorangeht: Ein
Kunstwerk wird ohne materielle Präsenz medial vermittelt. Die Behauptung, dass das Werk tatsächlich existiert, wird von Dokumentationen unterstützt, die anstelle des Kunstwerks ausgestellt werden.
Diese Situation wiederholt sich inhaltlich in dem physisch abwesenden Kunstwerk, das eigentlich als Videoinstallation vorgestellt werden soll. In der (abwesenden) Videoarbeit ergibt die Anstrengung
nach Anerkennung der Existenz paradoxerweise die Dekonstruktion
der Existenz. Thematisiert wird dabei, dass durch ständige wechselseitige Beeinflussung zwischen Medienwirklichkeit und außermedialer Wirklichkeit das „Original“ der Lebensform verloren geht. In endloser, wechselseitiger Beeinflussung verwandelt sich die Wirklichkeit
leicht zu einem Format ohne Inhalt, einer Nachahmung ohne Original, einer Schauspielerei ohne Substanz. Meine künstlerische Praxis
ist eine Präsentation eines Gegenstands, der nur aus Format besteht.
Die konkreten, detaillierten Eigenschaften des Gegenstands gehen
verloren und nur das Format bleibt übrig. Dabei soll das Konzept der
Oberflächlichkeit und Inhaltslosigkeit thematisiert werden.
Seo Young Chang
*1 983 in Seoul, Südkorea. 201 0 M.F.A. und 2007 B.F.A. in Bildhauerei
an der Ewha Universität Seoul.
[email protected]
www.changseoyoung.com
Titel der Masterarbeit:
Ein abwesendes Kunstwerk – Mediale Vermittlung als Präsenz
Betreut von Wolfgang Knapp
15
Kontext-Report: Ein Rückblick auf die Geschichte des Instituts für
Kunst im Kontext
Aus der Perspektive eines heutigen Studierenden untersuche ich, inwieweit
die Zielsetzungen der ersten Entwicklungsphase des Instituts für Kunst im
Kontext (des Modellversuchs Künstlerweiterbildung 1 976–1 981 ) für die heutige
Zeit relevant sind.
Was bedeutet es, wenn die Künste im Kontext positioniert werden? Und welcher„Kontext“ ist hier überhaupt relevant? Dies ist die zentrale Fragestellung,
die mich seit drei Jahren bzw. seit Anfang meines Studiums am Institut für
Kunst im Kontext beschäftigt und auf die ich in meiner Abschlussarbeit eingegangen bin.
Der Künstler-Report und der Künstlerkongress (1 971 ) gehören zu den Meilensteinen kulturpolitischer Geschehnisse Deutschlands in den 1 970er Jahren.
Infolgedessen entstand auch der Modellversuch Künstlerweiterbildung
(1 976–1 981 ), der Vorläufer des heutigen Studiengangs Art in Context. Diese
Arbeit möchte einen Rückblick auf die Organisation des Curriculums zur Weiterbildung von KünstlerInnen werfen. Anhand des Werdegangs der Einrichtung und des Curriculums des Modellversuchs Künstlerweiterbildung habe ich
eine Vergleichsanalyse mit dem Institut für Kunst im Kontext bzw. mit dem
Studiengang, wie ich es bzw. ihn im Zeitraum von 201 2 bis 201 5 kennengelernt habe, durchgeführt. Dafür habe ich Lehrinhalte und Methoden verglichen sowie Interviews mit ehemaligen und aktuellen Studierenden, KünstlerInnen und DozentInnen geführt. Dabei habe ich mich auf das Berufsfeld
fokussiert, das im Zentrum meiner künstlerischen Praxis steht, und das kurz
mit dem Idiom Kunst im öffentlichen Interesse anzudeuten ist.
16
Mein Wunsch ist es, erstens einen Text zu verfassen, den man als einen Ausgangspunkt oder sogar als eine Gebrauchsanweisung verstehen kann, um
diesbezüglich relevante Begriffe weiter erörtern zu können, als auch um meine KünstlerInnen-KollegInnen in Taiwan zu motivieren, ein ähnliches Weiterbildungsprojekt dort gemeinsam umzusetzen. Des Weiteren soll diese Arbeit
Interesse bei denjenigen wecken, die sich in Taiwan an sozialen Projekten beteiligen, d.h. die Mitwirkenden der NGO-Szene in Taiwan, um eine alternative
Arbeitsweise kennenzulernen .
An-Chi Cheng
*1 985 in Tainan, Taiwan. Seit 2007 Beginn des künstlerischen Engagements mit thematischen Schwerpunkten – Stadtentwicklung,
landwirtschaftliche Entwicklung und Mitbestimmung von BürgerInnen; kollaborative Projektentwicklung und -arbeit mit NGOs. Seine
Projekte basieren auf interventionistischen und aktivistischen Strategien und finden meistens im öffentlichen Raum statt. In Berlin realisierte Projekte: Gegen Germania – eine nicht stattgefundene Demonstration im Rahmen der Ausstellung Unbequemes Denkmal – Schwerbelastungskörper, 201 3; Das politische Tier: Pandabär im Rahmen der
Ausstellung Unsere Tiere, 201 4.
[email protected]
www.chenganchi.net
Titel der Masterarbeit:
Kontext-Report: Ein Rückblick auf die Geschichte des Instituts für
Kunst im Kontext
Betreut von Kristina Leko
17
Renunciación: Eine Installation-Performance zum Thema Nation
Renunciación ist eine Performance-Installation, die aus der Notwendig-
keit entstanden ist, den paraguayischen nationalistischen Diskurs in Bezug auf meine Positionierung als Künstlerin zu untersuchen. Meine Arbeit basiert auf der Ablehnung nationalistischer Ideologie, die zurzeit
den Mainstream im Land darstellt. Diese Performance schlägt vor, Abschied von den populistischen Ideen von Nation zu nehmen.
Der Nationalismus zelebriert handverlesene Beispiele in der historischen
Vergangenheit, während Unrühmliches beschönigt wird. Er gibt eine
landesweite Einheit vor, während eine Politik ausgeübt wird, die Minderheiten, die dem offiziellen und nationalistischen Diskurs gegenüber unterschiedlicher Auffassung sind, zum Schweigen bringt. Nationalismus
stachelt zu Gewalt an, führt zu Teilung, Fanatismus und Selbstverherrlichung. Er lenkt von den tieferen sozialen, ökonomischen und politischen
Problemen ab, die das Land verwüsten. Letztendlich ist Nationalismus in
einer post- und transnationalen globalisierten Welt von virtuellen und
diasporischen Gemeinschaften und Corporate-Governments obsolet.
18
Im Lichte dieser post-nationalistischen Kritik frage ich mich, ob es möglich ist, sich radikal vom Nationalismus zu lösen. Nationale Identität ist
äußerst fein mit allen anderen Aspekten meiner Identität verwoben, sei
es in Bezug auf mein Gender, mein Alter, meine Ethnizität, Religion, Klasse, politischen und kulturellen Präferenzen. Mein Bewusstsein ist mit nationalistischer Ideologie gesättigt, also bin ich vielleicht einer aussichtslosen Sache verschrieben. Renunciación ist eine Performance, die in
Asunción stattfand und die mein persönliches Dilemma ausdrückt.
Die materiellen Aspekte meiner Performance-Installation beziehen sich
auf vertraute Bilder und Materialien, die (meine) paraguayische nationale Identität ansprechen: rote Erde, ao poi-Textil, ysypo-Weinreben sowie
meine langen Haare. Der Soundtrack widmete sich den Geräuschen der
Natur (Vögel, Insekten und Tiere), um den Begriff des Landeigentums zu
thematisieren.
Sandra Dinnendahl López
*1 988 in Asunción, Paraguay. 201 0 Bachelor in Bildender Kunst und
Creative Writing am Oberlin College (USA). Arbeitet als freie Künstlerin (Installation, Performance, Zeichnung, Fotografie und Video) in
Berlin und Asunción.
[email protected]
www.esedele.com
Titel der Masterarbeit:
Renunciación: Eine Installation-Performance zum Thema Nation
Betreut von Kristina Leko
19
Künstlerische Formen der Unproduktivität und des Nichtagierens
Ein Film in Episoden
In modernen westlichen Gesellschaften können Prozesse einer stetigen
Beschleunigung und Fragmentarisierung von realen wie virtuellen Ereignissen beobachtet werden. Unterbrechungen intentionaler Aktivität,
wie sie im Zustand des Wartens oder der Langeweile erfahrbar werden,
stehen in einem direkten Zusammenhang mit diesen gesellschaftlichen
Entwicklungen. Als mögliche Folge einer Desynchronisation von ökonomisierter Zeit entstehen dabei Intervalle abseits von Effizienz und Produktivität. Formen der Unproduktivität und des Nichtagierens können
aber auch in einer künstlerischen Praxis wirksam werden.
Anhand eines Films in vier Episoden habe ich performative Formen des
Unterlassens und des Geschehenlassens inszeniert, die im Warten, im
Vorgang des Fallens oder auch in der Wiederholung von sich ähnelnden
Bewegungen meines Körpers sichtbar werden. Ein Unterlassen bezeichnet dabei Negationen von Bewegung oder Artikulation, im Geschehenlassen entstehen Momente zwischen Selbstinszenierung und Kontrollverlust. Diese performativen Varianten verbinde ich im Film mit meiner
Präsenz an Transiträumen wie Autobahnen und leeren Parkplätzen sowie urbanen Brachen. Als Zwischenräume einer funktionalen urbanen
Infrastruktur besitzen diese „Unorte“ transitorische Eigenschaften. Die
Tonspur meines Films besteht aus Aufnahmen des akustischen Rauschens, das in Städten hauptsächlich durch monotone und kontinuierliche Schallemissionen von Verkehrsgeräuschen entsteht.
20
Indem ich inszenierte Unterbrechungen intentionaler Aktivität mit transitorischen Räumen der Stadt zusammenführe, entstehen Überlagerungen von Ereignissen und Dynamiken, die sich untereinander verfehlen.
Die performativen, räumlichen und akustischen Ebenen in meinem Film
sind für mich Mittel, die Ambivalenz einer scheinbaren Gleichzeitigkeit
von Stagnation und Beschleunigung im gesellschaftlichen Alltag zu reflektieren und zu hinterfragen.
Dominik Dittberner
*1 982 in München. 2004–2009 Studium Fotodesign an der Hochschule München. Lebt und arbeitet als Filmemacher und Fotograf in
Berlin.
[email protected]
www.dominikdittberner.com
Titel der Masterarbeit:
Künstlerische Formen der Unproduktivität und des Nichtagierens
Ein Film in Episoden
Betreut von Wolfgang Knapp
21
Dickköpfige Schöne – Verzerrung im Fleisch
Plastische Gesichtsmorphologie und künstlerische Praxis
Dickköpfige Schöne – Verzerrung im Fleisch hat die Form einer
künstlerischen Installation. Das Ziel der Arbeit ist es, einen echten
Schweinekopf so zu transformieren, dass ein menschenähnliches Gesicht entsteht und eine verschönernde Verzerrung herbeigeführt
wird. Die Idee dahinter ist, eine derartige Transformation herbeizuführen, bei der ein toter Tierkopf zu einem menschlichen Gesicht
umgestaltet wird und den Punkt zu erreichen, an dem man einen
Gesichtsausdruck erkennen kann. Die Vermutung dabei war, dass
man sich mit etwas Menschlichem direkter verbinden kann als mit
einem Tier und somit eine Art von Mitgefühl entsteht. Die Verzerrung
und Modifizierung eines Wesens/einer Identität ebenso wie die Frage
nach dem Aufhalten der Temporalität des Aussehens ist, was mich in
Bezug auf diese künstlerische Arbeit interessierte.
In meiner Masterarbeit befasse ich mich mit der historischen Entwicklung der Wahrnehmung von menschlichen Missbildungen, der
Entwicklung von Theorien über das Reduzieren von Naturschönheit
auf Zahlen und Formeln und mit dem Versuch, menschliche Emotionen zu klassifizieren und künstliche lebendige Formen zu schaffen.
22
Die Mixed-Media-Installation ist aus einem echten transformierten
Schweinekopf, chirurgischen Instrumenten, die für die Transformation gebraucht wurden, und einer Videodokumentation des Arbeitsprozesses als Handlungsort zusammengestellt.
Vera Galešev
*1 984 in Novi Sad, Serbien. 2007–201 0 MA Visuelle Kunst an der Akademie der Bildenden Künste Brera in Mailand, Italien. 2002–2006 BA
Skulptur an der Akademie der Bildenden Künste in Novi Sad, Serbien.
Lebt und arbeitet als Multimedia-Künstlerin in Berlin.
[email protected]
www.veragalesev.com
Titel der Masterarbeit:
Dickköpfige Schöne – Verzerrung im Fleisch
Plastische Gesichtsmorphologie und künstlerische Praxis
Betreut von Wolfgang Knapp
23
Rua Augusta 350
Ein Park für die Paulistanos
Das Grundstück an der Rua Augusta 350, im Zentrum São Paulos,
Brasilien, besteht aus einer Brache und einem Naturschutzgebiet des
verbliebenen brasilianischen Urwalds, der sogenannten Mata Atlântica. Der Ort hat aufgrund der ursprünglichen Architektur und den seltenen Baum-Gattungen eine große historische Bedeutung für die
Metropole.
Das Zentrum São Paulos wird Schritt für Schritt als Ziel eines steigenden Aufwertungsprozesses deklariert. Das Areal ist als Protagonist eines ständig sich verändernden urbanen Raums zu verstehen, der unter
dem Druck der unablässigen Zusammenstöße der widersprüchlichen
sozialen Kräfte – Investoren, Stadtverwaltung, Bürgerinitiativen – gestaltet und umgestaltet wurde.
Seit vierzig Jahren kämpfen verschiedene Personen und Gruppen für die
Umgestaltung des Areals „Rua Augusta 350“ in einen öffentlichen Park.
Es wird gegenwärtig, auf dem Höhepunkt seines Immobilienwerts, als
eines der Hauptobjekte der öffentlichen Diskussion behandelt.
In meinem Projekt wurde ein digitales Buch entwickelt, das – unter
Berücksichtigung der von der Bevölkerung für das Areal geäußerten
Wünsche – mein urbanistisch-architektonisches Konzept für das Baugrundstück und dessen Urwald darstellt und sich für die lokalen Akteure öffnet.
24
Der angefertigte Entwurf wurde den engagierten lokalen Organisationen angeboten und dient als Rahmen für eine zukünftige multilaterale Entwicklung des Areals von Seiten der Anwohner und der Initiativen.
Sophia Helena Gallbach
*1 985 in São Paulo, Brasilien. Studium der Architektur und des Städtebaus an der Universidade Mackenzie, Studium der Szenografie im
Espaço Cenográfico, São Paulo. 201 2–201 5 Masterstudium im Institut
für Kunst im Kontext der Universität der Künste Berlin. Seit 2008 Projekte in Auseinandersetzung mit dem städtischen öffentlichen Raum.
[email protected]
www.sophiagallbach.com
Titel der Masterarbeit:
Rua Augusta 350. Ein Park für die Paulistanos
Betreut von Kristina Leko
25
Unter deinem Schutz und Schirm
Im schriftlichen Teil meiner Masterarbeit beschäftige ich mich mit der
Parallelität zwischen der Funktion der Schutzmantelmadonna für
Gläubige (als Teil von Religion) und der Funktion gegenwärtiger Markenkleider für KonsumentInnen (als Teil des Kapitalismus). Um das
Mariengewand entstand im ehemaligen Konstantinopel (heute
Istanbul) ein Kult. Ab dem 1 3. Jahrhundert bildete sich dieser Kult in
einem Bildtypus ab, auf welchem die Jungfrau Maria mit ihrem Mantel unterschiedliche Menschengruppen bedeckt und schützt: die
Schutzmantelmadonna.
Meine These lautet: Heutzutage können Markenkleider als eine Art
zeitgenössischer Schutzmantel in einer zunehmend säkularisierten
Gesellschaft angesehen werden. Durch die Marken, welche die Textilindustrie anbietet, können sich Menschen eine Identität schaffen, sich
selbst definieren und sich einer sozialen Schicht zugehörig fühlen.
Markenkleider können somit auch als eine Art Uniformierung gelten.
Letzte Studien aus der experimentellen Psychologie, „Enclothed Cognition“ genannt, haben gezeigt, dass Kleider auch Wirkung auf Gedanken, Gefühle und Verhalten der jeweiligen TrägerInnen haben
können, die von den Assoziationen, die diese mit den Kleidern verbinden, abhängig sind. Ein großer Teil dieser Assoziationen wird
durch Werbung vermittelt. In diesem Sinne können Markenkleider als
käufliche und tragbare Schutzmäntel verstanden werden.
26
Die künstlerische Arbeit besteht aus drei gemalten Triptychen mit
Abbildungen zeitgenössischer Markentextilien.
María Amparo Gomar Vidal
*1 983 in Valencia, Spanien. 2009 Freie Kunst (Diplom) an der Facultad
de Bellas Artes de San Carlos (UPV), Valencia, Schwerpunkt Malerei.
201 1 Continuing Education Program an der School of Visual Arts,
New York. Seit 201 2 Masterstudium „Art in Context“ an der Universität der Künste Berlin.
[email protected]
Titel der Masterarbeit:
Unter deinem Schutz und Schirm
Betreut von Claudia Hummel
27
operational glitches. How To Make Human Machine Readable
operational glitches, zu Deutsch: Betriebsfehler.
Aufgegriffen habe ich diesen Begriff während meiner Recherchearbeit. Ein
Onlineartikel berichtete über den Einsatz von fehlerbehafteten Kamerasystemen in US-amerikanischen Kampfdrohnen.
Ich fragte mich, wie es soweit kommen konnte, dass Menschen als fehlerbehaftete Repräsentationen ihrer Selbst gesehen und durch diese daraufhin in
einzelnen Fällen auch getötet werden?
Mein Blick fokussierte auf diese zentrale Fragestellung, und somit begann ich,
die Ursprünge technischer Bildgebung zu erforschen: den Prozess der Transformation von Menschen zu technischen Bildern.
Denn bevor eine Maschine das technische Bild eines Menschen für mich, den
Menschen, vorinterpretieren kann, muss mein jeweiliges Gegenüber zuerst
für sie lesbar gemacht werden. machine readable.
Die Ursprünge dieser Abstraktion setzte ich an den Beginn des Zerschneidens
von Bewegung. Die cartesianische Trennung und die mechanische Uhr – Zeit.
Mein Fokus auf Zeit ergab sich, da ich während meiner Recherche immer häufiger aufBerichte von Präventivtötungen im Zuge des Drohnenprogramms stieß:
Nachdem der Mensch erst einmal für die Maschine lesbar gemacht wurde,
wird sein zukünftiges Verhalten errechnet und daraufhin für sein Gegenüber
als potentielles Opfer vorinterpretiert. Sprich, die Interpretation des maschinenlesbar gemachten Menschen steuert des zukünftigen Täters Handlung.
predictive killing.
So suchte ich nach Möglichkeiten ästhetischerErfahrung und machte Fehler. glitches
28
Durch Fehler schaffe ich eine Bewusstwerdung von Fehlern.
Fehler in der jeweiligen Bildgenerierung.
Fehler in der automatisierten Geschichtsschreibung von Welt und den Geschichten von Menschen durch Indexierung ihrer Metadaten.
Fehler, die mich letzten Endes zu der Entscheidung führten, zwei unterschiedliche Kunstgenres, die ähnlicher nicht sein können, glitch art und code
poetry, zu vereinen.
Nämlich zur Erfahrung des Codichtes.
Dem eigentlichen Fehler.
Christian Heck
*1 978 in Würzburg. Studium der freien Kunst, „mixed media“ (Hogeschool voor de Kunsten AKI, Enschede, NL). Studium der freien Kunst
„Bildhauerei / Medienkunst“ (Akademie der Bildenden Künste München, D).
Lebt und arbeitet als Medienkünstler und Medienaktivist in Berlin.
[email protected]
http://noparts.org
Titel der Masterarbeit:
operational glitches. How To Make Human Machine Readable
Betreut von Wolfgang Knapp
29
Jenseits der Gegenstände – Kollektives „museum-making“ als
„community-building“ und soziale Praxis
30
Museale Tätigkeiten finden nicht nur in großen Museen statt. Das Projekt
Jenseits der Gegenstände untersuchte die Rolle, die Individuen in der Konservierung von Kultur und Geschichte spielen, indem sie Gegenstände
aufbewahren, die mit persönlicher Erinnerung behaftet sind. Hierzu wurden die EinwohnerInnen der Stadt Bernau bei Berlin eingeladen ein temporäres Museum, basierend auf ihren eigenen Objekten und Geschichten,
zu kreieren. Ausgehend von dem Phänomen, dass sich bei der Betrachtung eines persönlichen Gegenstandes die eigene Vergangenheit darin
widerspiegelt und ein dynamischer Austausch zwischen Innen- und Außenwelten in Gang gesetzt wird, werden durch den Prozess des„museummaking“ diese wahrgenommenen Bereiche zwischen dem Selbst und
dem materiellen Objekt vom Privaten ins Öffentliche übertragen.
Jenseits der Gegenstände dient in der Masterarbeit als Praxisbeispiel, um
die Beziehungen zwischen Menschen, Dingen und Geschichten als Basis
musealer Arbeit zu untersuchen. Dabei richtet sich der Fokus auf die
Schwerpunktverlagerung in den Museumsdiskursen von der Konservierung materiellen Kulturerbes zu der Fragestellung, wie die immateriellen
Bedeutungen und lebendigen Beziehungen zu Artefakten bewahrt werden können. Wie kann darüber hinaus in der Darstellung der Geschichte,
die auf persönlichen Erinnerungen aufbaut, die durchlässige Qualität des
Gedächtnisses in einen Raum für Kontemplation, Reflexion und eigene Erfahrungen übertragen werden?
„Museum-making“ im Rahmen von Kunst als sozialer Praxis erlaubt einen
Freiraum, der auch zu einem Raum der Kritik werden kann, in dem das
Museum und seine Rolle in der Gesellschaft neu konzipiert und strukturiert werden können. Im Kontext einer Kulturindustrie, die Museen unter
einen immer wachsenderen Druck der Objektifizierung und Kommerzialisierung setzt, stellt sich die Forderung nach Möglichkeiten für einen bedeutungsvollen Dialog zwischen dem Museum und der Gesellschaft und
nach einer komplexen und beziehungsreichen Darstellung der lebenden
Kulturgeschichte.
Alexis Hyman Wolff
*1 982, Los Angeles, USA, integriert künstlerische und literarische Praxen
in Museen in die Entwicklung kulturhistorischer und sozialengagierter
Ausstellungen. BA in Kunstgeschichte und Französischer Literatur (Occidental College). Mitarbeit u.a. im Museum of Jurassic Technology; Los
Angeles County Museum of Art; Museum der Dinge, Berlin.
[email protected]
Titel der Masterarbeit:
Jenseits der Gegenstände – Kollektives „museum-making“ als
„community-building“ und soziale Praxis
Betreut von Christiane Post
31
„SNAFU – Situation Normal All Fucked Up“ als künstlerische Position
32
Im Jahr 201 4 haben einige weltbekannte Menschen (Papst Franziskus,
Emir Kusturica …) die Meinung geäußert, dass wir uns im Dritten Weltkrieg befinden. Im selben Jahr wurde ich eingeladen, an dem größten
Ausstellungsprojekt meiner Karriere teilzunehmen: „Put za Evropu. Weg
nach Europa“ mit Stationen in Serbien, Kroatien, Bosnien, Deutschland,
Frankreich. Das Thema war der 1 00. Jahrestag des Beginns des Ersten
Weltkrieges.
Während des Zweiten Weltkrieges eröffnete der französische Maler
Jean Dubuffet in Paris einen Weinladen, mit dem er gut verdiente. Heute befinde ich mich während des Dritten Weltkrieges in Deutschland
und schreibe eine Masterarbeit in Berlin. Mein Bruder und ich spielten
letztes Jahr verschiedene Computerspiele zum Ersten Weltkrieg. Ich las
Romane zum selben Thema („Reise ans Ende der Nacht“ von L. F. Céline
ist meine Empfehlung) und folgte den Neuigkeiten zu den gegenwärtigen Kriegen im Internet und in der Zeitung. Meine serbischen Landsleute finden es zum Beispiel in Ordnung, dass Russland die Krim annektiert, weil sie alle noch vor Augen haben, wie die NATO den Kosovo
annektiert hat.
Die meisten dieser Dinge verstehe ich nicht, daher nenne ich mein Masterprojekt „SNAFU“ – „Situation Normal All Fucked Up“ ist ein Code aus
dem Zweiten Weltkrieg, den die Amerikaner in Vietnam verwendeten.
Um die Dinge für mich selbst klarer werden zu lassen, malte, schrieb
und filmte ich. Unter anderem malte ich ein Bild „Strategija“, auf dem
man Kopien serbischer, österreichischer und deutscher Schlachtenmaler aus dem Ersten Weltkrieg auf einer Leinwand vereint sehen kann.
Diese Situation findet man in keiner anderen Ausstellung, die gerade
zum Thema des Ersten Weltkrieges gezeigt wird. Falls es eine historischdokumentarische Ausstellung ist, kann man zwar Material von allen Seiten finden, falls es aber eine Kunstausstellung ist, wird es diese Zusammenstellung nicht geben. Das Konzept für die Präsentation, in der ich
meine historisch inspirierten Arbeiten in Verbindung mit dem Gefühl
meiner aktuellen Situation zeige, ist das Thema meiner Masterarbeit.
„Strategija“, 201 4, Öl/Lw., 80 x 300 cm, Sammlung Kulturni Centar Mionica, Serbien
Aleksandar Jestrovic
*1 972 in Zagreb, Jugoslawien. 2000 Diplom für Malerei an der Akademie der Bildenden Künste, Belgrad. Seit 2009 in Berlin. Nach dem erfolgreichen Abschluss des Integrationskurses studiert er seit 201 1 am
Institut für Kunst im Kontext der Universität der Künste Berlin.
[email protected]
http://jamesdin.wordpress.com
Titel der Masterarbeit:
„SNAFU – Situation Normal All Fucked Up“ als künstlerische Position
Betreut von Wolfgang Knapp
33
Konstruktion eines fotografischen Panoramas von Beirut
Die Stadt Beirut ist in den Jahren während des Bürgerkriegs von 1 975
bis 1 990 stark zerstört worden. Ein Großteil der kulturell bedeutenden Gebäude und Stadtmerkmale in der Altstadt wurde jedoch nicht
durch Kriegshandlungen vernichtet, sondern bei sogenannten Aufräumaktionen in kurzen Friedensphasen demoliert.
Als Teil der modernen libanesischen Geschichte hat die Stadt bis
heute eine große Bedeutung für alle Libanesen nicht verloren. So
lässt sich das neue Stadtbild der Innenstadt Beiruts als Spiegel der libanesischen Gesellschaft und der noch vorherrschenden inneren
Konflikte ansehen.
Dieses fotografische Werk ist der Versuch mithilfe eines Massenmediums, welches seit Jahrhunderten zur Faszination bei der Betrachtung
von Stadtraum geführt hat, das neue Beirut zu identifizieren und so
einen gesellschaftlichen Diskurs herbeizuführen. Dabei fungiert es
als Spurensuche nach Orientierungspunkten von Heute und Damals.
34
Meine Arbeit setzt sich mit den Gründen der Zerstörung und den
Auswirkungen auseinander, die der Verlust der gewohnten Wohnumgebung und wichtiger Orientierungspunkte für die BewohnerInnen der Stadt mit sich bringt. Durch eine beigefügte Legende sind
die Orte sowie ihre ursprüngliche Bedeutung und Funktion spezifiziert, um eine Spannung zwischen Bild- und Textebene, also Sichtbarem und Dagewesenem, zu erzeugen.
Teddy François Moarbes
*1 979 Beirut, Libanon. BA in Fotografie USEK Universität Libanon, MA
in Visueller und Szenischer Kunst USEK Universität Libanon. 201 4
PROMOS-Stipendium des DAAD.
[email protected]
www.teddymoarbes.com
Titel der Masterarbeit:
Konstruktion eines fotografischen Panoramas von Beirut
Betreut von Wolfgang Knapp
35
Another windless day in space looking down at drifting landscapes –
Eine Erforschung wissenschaftlicher Landschaftsdarstellungen einer
sich wandelnden Umwelt
36
In meiner Masterarbeit untersuche ich die Frage des Verhältnisses zwischen
dem Menschen und der ihn umgebenden Landschaft. Wie gibt die Art der Betrachtung von Landschaft und der Einsatz von Apparaten zur Unterstützung
dieser Betrachtungen Auskunft über die Selbstpositionierung des Menschen in
Bezug zu seiner Umwelt und in Bezug zum Planeten Erde?
Mit der Entstehung des Blicks für die Landschaft und die Darstellung dieser ist
der Mensch als Individuum in das Zentrum seines eigenen Kosmos getreten.
Daraus ergab sich, dass die Landschaft zu einer vielschichtigen Arena geworden
ist, in welcher der Mensch physisch wie auch bildlich seinen Stellenwert erkämpfen konnte. Durch den Fokus auf die horizontale Linie und die Zentralperspektive wurde der menschliche Körper selbst ein Maßstab zur Beherrschung
der Umwelt. Mit einer zunehmenden Vertikalität in der Landschaftsdarstellung
hat der westliche Mensch seine metaphorische Erhabenheit verstärkt. In der extremen Vertikalität der Gegenwart ist diese vollendet. Aus der Sicht der Satelliten
erscheint der Planet Erde als ein Objekt der möglichen Aneignung. Durch diese
Bewegung aber ist unser Körper als Maßstab und wahrnehmendes Instrument
wieder Untergeordnetes geworden.
Der Frage der Körperlichkeit bzw. Entkörperung in visuellen Paradigmen, die die
gegenwärtige Landschaft ausmacht, bin ich durch eigene bildgebende Versuchsanordnungen nachgegangen. Die Bedeutung der vertikalen Sichtachse
für die Selbstpositionierung des Menschen in der umgebenden Landschaft habe ich mit Hilfe einer an mir befestigten Spiegelanordnung in mehreren Spaziergängen untersucht. Die Bedeutung der durch Satelliten ermöglichten vertikalen Sicht auf die Landschaft selbst, habe ich in einer Forschungsstation in Alaska
durch Interviews und Videoexperimente mit Klimaforschern beobachtet.
Daraus ergab sich, dass Landschaft den Menschen nicht mehr in seiner metaphorischen Idee von Ordnung stützen kann und auch nicht seine Erhabenheit
über diese in Form einer Subjekt-Objekt-Relation. Die Landschaft selber ist
durch den Klimawandel und die vertikale Sicht zu einem beweglichen Körper
geworden. Die Versuche sie darzustellen und die daraus entstehenden Bilder
müssen daher eher als temporäre Momente des Dialogs zwischen zwei Subjekten gesehen werden.
Spaziergang mit Spiegelanordnung. Foto: Annesofie Norn
Annesofie Norn
*1 982 in Dänemark. Studium der Bildenden Kunst an der Capellagården Akademie (SE, 2001 –2003), Bachelor of Arts an der „Norske
Scenekunstskole“ (NO, 2003–2006), C.R.A.S.H: The Laboratory of Insurrectionary Imagination (UK/London, 2009), Gendering climate
and sustainability at „KUA“ (DK, 2009), Residenz bei der Northern Initiative (USA/Alaska, 201 3–201 5).
[email protected]/
www.annesofienorn.org
Titel der Masterarbeit:
Another windless day in space looking down at drifting landscapes –
Eine Erforschung wissenschaftlicher Landschaftsdarstellungen einer
sich wandelnden Umwelt
Betreut von Claudia Hummel
37
Vera Carne. Der Versuch einer Rekonstruktion des Verhältnisses
zwischen Maler und Modell anhand von Werkbeispielen
Meine Masterarbeit besteht aus einer Serie von großformatigen
Zeichnungen und einer schriftlichen Untersuchung, die sich auf
einen theoretischen Aspekt meiner zeichnerischen Praxis bezieht:
das Zeichnen bzw. Malen nach dem lebenden Modell. Diese Praxis
hatte eine wichtige Rolle im maltheoretischen Diskurs bis Anfang des
20. Jahrhunderts inne. Weiter stellt sich die Frage, welche Funktion
diese Konstellation in der gegenwärtigen Kunst haben könnte.
Der Versuch, das Verhältnis zwischen Maler und Modell in der frühen
Neuzeit zu rekonstruieren, ist eine nicht geringe Herausforderung, da
dieses Thema bislang ungenügend in der Forschung behandelt worden ist. Daher wurde für die vorliegende Arbeit der Rückgriff auf Primärquellen besonders wichtig. Die neuere kunsthistorische Forschung zu verschiedenen Aspekten eines solchen komplexen Themas ist als unerlässliches Instrument berücksichtigt worden.
In meiner Masterarbeit versuche ich eine Rekonstruktion des lebendigen Verhältnisses zwischen Maler und Modell mit spezifischen kontextuellen Aspekten, die etwa praktische Details, Bezahlung, soziale
Herkunft, Identität, Veränderungen im Status der Modelle betreffen
sowie Stereotypen, Konventionen und Stigmen dieses metiers. Meine
Untersuchung bewegt sich in einem kunsthistorischen Rahmen von
der Renaissance bis in das 1 9. Jahrhundert.
38
Ich habe meine schriftliche Abhandlung, um die Breite eines solchen
Vorhabens zu reduzieren, anhand von drei exemplarischen Diskussionen auf das Begriffspaar „Naturalismus“ und „Realismus“ aufbauend strukturiert. Eine umfangreiche Bildrecherche ist ebenfalls Teil
meiner Masterarbeit, die sich im Kontext der wissenschaftlichen und
medialen Bildproduktion situiert.
„The Blissful Burden of the Bra“, 201 5, Tusche und Gouache auf Papier, 200 x 1 50 cm
Elena Pascalau
*1 985 in Caransebes, Rumänien. 2007 Bachelor in Kunstgeschichte
an der Universität der Künste Bukarest; 201 0 Bachelor in Bildender
Kunst an der Universität der Künste Bukarest; 201 0–201 2 Lehrauftrag
für Zeichnung und Druckgrafik an der Universität der Künste Bukarest; 201 2–201 4 DAAD-Stipendium für Ausländische Künstler, Berlin.
Lebt und arbeitet als freischaffende Künstlerin in Berlin.
www.ileanapascalau.com
[email protected]
Titel der Masterarbeit:
Vera Carne. Der Versuch einer Rekonstruktion des Verhältnisses
zwischen Maler und Modell anhand von Werkbeispielen
Betreut von Heike-Karin Föll
39
Gemeinde – ist Kunst, Bibliothek und Kultur
Ein partizipatorisches Kunstprojekt in Kolumbien
Zurzeit stellt die kolumbianische Regierung tausende kostenlose
Häuser für Gewaltopfer und Menschen, die in extremer Armut leben,
bereit. Um diese Initiative zu unterstützen, hat das Kulturministerium
in Partnerschaft mit den zwei Institutionen, UARIV – Behörde für die
Achtung der Opfer und Wiedergutmachung und ANSPE – Nationale Behörde für die Überwindung der extremen Armut, das soziokulturelle
Großprojekt Gemeinde – ist Kunst, Bibliothek und Kultur initiiert. Zwischen Juli und November 201 4 beteiligte ich mich am Projekt
Gemeinde – ist als Koordinatorin und Kunstvermittlerin im Wohnviertel Altos de Betania. In diesem im Norden der Stadt von Bucaramanga
gelegenen Bezirk entwickelte ich gemeinsam mit vier weiteren
Künstlern, einer Sozialarbeiterin und unter der aktiven Beteiligung
der Gemeinschaft verschiedene kulturelle Strategien. Die Hauptziele
des Projekts waren, das Zugehörigkeitsgefühl der BewohnerInnen zu
ihrem Wohnviertel zu stärken und das Zusammenleben zwischen
den neuen BewohnerInnen zu verbessern.
Aus dieser Erfahrung konnte ich interessante neue Fragestellungen
ableiten: Kann Kunst zur Friedenskonsolidierung beitragen? Welche
Rolle spielen Kunst und Kultur bei der Wiedergutmachung für die
Gewaltopfer? Ist es durch Kunst möglich, das Empowerment der Gemeinschaft zu fördern?
40
Meine Masterarbeit besteht aus einer schriftlichen Arbeit, in der ich
zum einen meine Beteiligung am und meine Erfahrungen mit dem
Projekt Gemeinde – ist dokumentiere und reflektiere. Zum anderen
analysiere ich kritisch dessen künstlerische Potenziale und setze mich
mit den Grenzen solcher soziokulturellen Projekte auseinander.
Carolina Pinzón Rivera
*1 983 in Manizales, Kolumbien. Studium der Bildenden Kunst an der
Universidad Nacional de Colombia, postgraduales Studium Bühnenbild
für Theater am Instituto Europeo de Diseño in Madrid, Spanien.
201 2–201 5 Masterstudium „Art in Context“ an der Universität der Künste
Berlin. Seit 2007 Mitarbeit im Künstlerkollektiv Producciones Invisibles,
das anhand von Workshops, Aktionen und Ausstellungen den öffentlichen Raum in Bezug auf Demokratie und Gemeinschaft hinterfragt.
[email protected]
www.novisibles.org
Titel der Masterarbeit:
Gemeinde – ist Kunst, Bibliothek und Kultur
Ein partizipatorisches Kunstprojekt in Kolumbien
Betreut von Kristina Leko
41
Wandernde Grenze: das deutsche Kriegerdenkmal der französischen
Stadt Sedan. Wege und Umwege eines migrierenden Monuments
42
Inmitten des auf den Höhen von Sedan gelegenen Friedhofs SaintCharles befindet sich eine Säulenhalle aus der Zeit des Ersten Weltkriegs.
Das Monument wurde 1 91 5 als Zentrum eines abgegrenzten deutschen
Soldatenfriedhofs errichtet. Obwohl diese Anlage bereits in den zwanziger Jahren aufgelöst wurde, steht die Säulenhalle bis heute dort, nicht
zuletzt aufgrund ihrer massiven Stahlbetonbauweise. Seit Jahrzehnten
sorgt ihr vernachlässigter Zustand für eine Kontroverse, bei der es um diplomatische Verantwortung, notwendige Sicherheitsmaßnahmen und
historische Ansprüche geht. 201 1 entschied die Stadtverwaltung den Abriss der Konstruktion. Seither bemüht sich eine Gruppe von Historikern
um die Anerkennung des Kriegerdenkmals als UNESCO-Weltkulturerbe,
wohingegen ein Teil der Bevölkerung dem Objekt noch immer Ressentiments entgegenbringt.
Ich habe mich zunächst mit den architektonischen Referenzen des
Denkmals und der Gestaltung seines damaligen Kontextes auseinandergesetzt. Meine Recherche führte über exemplarische antike Architektur, Baurichtlinien für militärische Anlagen und die Geschichte der
Gartenkunst zur Spezifik dieses Monuments und seiner Umgebung.
Anhand einer Analyse von Robert Fillious Projekt Commemor (1 970) –
einem Vorschlag, Kriegerdenkmäler auszutauschen – habe ich dargestellt, dass die architektonische Diskrepanz zwischen dem historischen
Bauwerk und seinem gegenwärtigen Standort seine ideologische Funktion erkennen lässt. Die aktuelle Rezeption des Baus als „Fremdkörper“
zeigt indes, dass diese nach wie vor von u.a. nationalistischen Diskursen
geprägt ist.
Um künstlerisch dekonstruktiv mit diesen Fragen umzugehen, habe ich
mich an Randgebieten, die ich in Zusammenhang mit dem Kriegerdenkmal stelle, bewegt.
Auf diese Weise ist ein dokumentarisches Essay in Buchform entstanden, das verschlungene Wege zu dem untersuchten Monument anbietet und zugleich die Aufmerksamkeit auf dessen Umfeld richtet.
Foto: Adrian Schindler, 201 4
Adrian Schindler
*1 989 in Périgueux, Frankreich. 2007–201 2 BFA + MFA École Nationale
Supérieure des Beaux-Arts, Paris; 201 1 Austauschsemester Columbia
College / School of the Art Institute, Chicago; 201 2 Stipendium der
Fondation Kenza / Institut de France für ein postgraduales Studium
im Ausland. Lebt und arbeitet in Barcelona.
www.adrianschindler.com
[email protected]
Titel der Masterarbeit:
Wandernde Grenze: das deutsche Kriegerdenkmal der französischen
Stadt Sedan. Wege und Umwege eines migrierenden Monuments
Betreut von Heike-Karin Föll
43
Künstlerische Proteste in Bosnien und Herzegowina –
Ein Archiv in progress
Seit 201 0 intensiviert sich in Bosnien und Herzegowina das Bewusstsein seiner BürgerInnen über die realen Ursachen des politischen und wirtschaftlichen Status quo, in dem sich das Land seit dem Kriegsende 1 995 kontinuierlich befindet. In dieser Zeitspanne leistete eine Gruppe von KünstlerInnen
und AktivistInnen einen wichtigen Beitrag zu den erstarkenden bürgerlichen
Protestbewegungen. Sie beteiligten sich aktiv an der Organisation von Protesten mit ihren kreativen Potentialen oder nutzten ihre eigenen Körper, um
die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit für bestimmte Themen hervorzurufen.
All diese künstlerischen Protestformen wurden bisher innerhalb ihrer jeweiligen künstlerischen und kunsttheoretischen Szenen in keiner Weise vorgestellt, beschrieben oder bewertet.
Das Ziel meines Projektes ist, diese Protestformen zu sammeln, zu bearbeiten
und einem breiteren Publikum zu vermitteln. Dafür habe ich das technische
und theoretische Format eines künstlerischen Archivs verwandt, in dem ich
alle Artefakte über diese künstlerischen Proteste gesammelt und kategorisiert habe. Durch eine erste theoretische Bearbeitung habe ich eine diskursive Anfangsbasis für die Weiterbearbeitung dieser Projekte entwickelt. Das
entspricht meinem Bestreben dieses Archiv als in progress ins Leben zu rufen,
d.h. als ein Archiv, dessen Bestand sich ständig ausdehnen wird.
Eine positive Auswirkung dieser Arbeit ist für den bosnischen kulturellen
Kontext gedacht. Das Archiv soll dort die KünstlerInnen vor Ort anregen sich
mit ihrer Arbeit stärker gesellschaftlich zu positionieren. Bei den AktivistInnen
soll es das Interesse an der Verwendung zeitgenössischer künstlerischer Formate in ihren Aktionen und Kampagnen wecken. Eine generell positive Auswirkung soll es im Endeffekt auf das Verständnis der Rolle der KünstlerInnen
in der heutigen Gesellschaft haben.
44
Um das Archiv auf einfachstem und schnellstem Weg in so vielen Städten wie
möglich in Bosnien und Herzegowina präsentieren zu können, habe ich dessen
Bestand an einen Koffer angepasst. Dieses nomadische Ausstellungsformat hat
seinen historischen Vorläufer in der Boîte-en-valise von Marcel Duchamp.
Igor Sovilj
*1 981 in Sanski Most, Bosnien und Herzegowina. 2006 Studium der
Malerei und Kunstgeschichte an der Akademie der Bildenden Künste
in Banja Luka. 2009–201 0 Stipendiat im Programm für Kulturmanager
aus Mittel- und Osteuropa der Robert Bosch Stiftung; tätig in Dresden.
[email protected]
Titel der Masterarbeit:
Künstlerische Proteste in Bosnien und Herzegowina –
Ein Archiv in progress
Betreut von Kristina Leko
45
Filme ausstellen – Aspekte einer filmkuratorischen Praxis
Anhand von meinem zweiten Projekt, das ich während des Interdisziplinären Projekt-Forums am Institut für Kunst im Kontext durchgeführt
habe, beschäftige ich mich in meiner Masterarbeit mit den Aspekten
einer filmkuratorischen Praxis und untersuche folgende Themen:
– die Geschichte der Ausstellungen von Filmen;
– Dispositiv als entscheidender Begriff in der filmkuratorischen Praxis;
– verschiedene Aspekte der Wahrnehmung im Kontext der Präsentationsräume, einschließlich der sozialen, kulturellen und politischen
Eigenschaften des wahrnehmenden Subjektes.
Eines der Ziele meiner Masterarbeit ist es, die filmkuratorische Praxis
als eine selbstständige kuratorische Praxis in der zeitgenössischen
Kunst zu skizzieren und zu definieren. Zu diesem Zweck beschreibe
ich auch die praktischen Seiten der Tätigkeit einer Filmkuratorin/eines Filmkurators bzw. erkläre den Arbeitsraum und die Professionalisierung der Aktivitäten, versuche besondere Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kenntnisse auszusondern. Als Beispiel solcher speziellen
Kenntnisse nehme ich das System der Filmdistribution, das in der
filmkuratorischen Praxis sehr wichtig ist.
46
Der dritte Teil meiner Masterarbeit befasst sich mit der Film-Ausstellung „Das Leben während des Todes: die Kurzfilme von Jewgeny Jufit“, die ich im Rahmen des Interdisziplinären Projekt-Forums entwickelt und realisiert habe. Auf ihrem Beispiel aufbauend, beschreibe
ich meine künstlerischen Ansätze und meine künstlerische Arbeitsweise sowie die verschiedenen Aspekte der Organisation einer FilmAusstellung, wie z.B. das Recht auf die Vorstellung, Versicherung, Logistik und Pressearbeit.
Artem Ushan
*1 978 in Sudak, UdSSR. 1 999–2004 Sozial- und Kulturarbeit im Bereich Film- und Fernsehmanagement an der Moskauer Staatlichen
Universität für Kultur und Kunst
[email protected]
Titel der Masterarbeit:
Filme ausstellen – Aspekte einer filmkuratorischen Praxis
Betreut von Wolfgang Knapp
47
Frau und Tiere: Ohnmacht an Orten der Inszenierung
Zwischen dem Zoologischen Garten und dem Bikini Center Berlin.
Eine Performance
In große Einkaufszentren zu gehen oder einen Spaziergang im Zoo
zu machen, sind attraktive Freizeitaktivitäten, die uns die Großstadt
bietet. In Berlin gibt es die Gelegenheit, beide Einrichtungen in nur
wenigen Minuten zu besuchen. Der Zoologische Garten Berlin und
das Einkaufszentrum „Bikini Berlin“ grenzen physisch direkt aneinander an; sie sind durch ein großes Panoramafenster und eine Dachterrasse mit direktem Blick auf den Affenfelsen miteinander verbunden.
Darüber hinaus nutzen beide Orte Inszenierung, Illusion und Täuschung in Form von Schildern, Schaufenstern, Werbung und Dekorationselementen mit ähnlichen Themen – Exotik, Outdoor, Käfige,
Dschungel, Abenteuer, Erlebnisse – um Kundschaft anzuziehen.
Die ideologisch aufgeladene Präsentation von Frauendarstellungen
in Einkaufsschaufenstern und Tieren in Zookäfigen zeigt auf, wie die
Konsumgesellschaft mit den beiden Gruppen, Frauen und Tieren,
umgeht. So repräsentiert zum Beispiel bis heute der Besitz von „ZooTieren“ anderer Kontinente in Europa Reichtum und Status. Andererseits schreibt die Ecofeministin Carol J. Adams: „We’ve been completely controlled, raped, not given any credibility, not taken seriously. It’s the same thing with animals. [...] Their cycles, their entire
beings are conformed to human’s need.“
48
Diese Gegebenheiten haben mich zu verschiedenen Zeichnungen
zum Thema sowie zu einer Performance vor Ort gebracht. Dabei interessiert mich die Art, wie tierische und menschliche Körper klassifiziert und präsentiert werden, wie sich diese Ideologie der Unterdrückung durch Konsum als komfortable blicken lässt, als auch das
Potential einer ortsbezogenen gesellschaftskritischen Performance
im öffentlichen Raum.
Valentina Utz
*1 986 in Concepción, Chile. Studium der Bildenden Kunst an der Universidad Católica de Chile in Santiago, Kunstpädagogik an der Universidad Andrés Bello Concepción. 201 2–201 5 Masterstudium „Art in
Context“ an der Universität der Künste Berlin. Seit 2007 diverse Ausstellungen, ortsbezogene und kollaborative Kunstprojekte.
[email protected]
Titel der Masterarbeit:
Frau und Tiere: Ohnmacht an Orten der Inszenierung
Zwischen dem Zoologischen Garten und dem Bikini Center Berlin.
Eine Performance
Betreut von Kristina Leko
49