Predigt über das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg

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Predigt über das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg
Predigt vom 22. September 2013, Thomas Eberhardt, Chrischona-Gemeinde Thun
Predigt über das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg
(Mt 20:1-16)
Am vergangenen Sonntag war die letzte Predigt der 42-Tage-Kampagne. Es ging um die Geschichte
des verlorenen Sohnes und ich habe diese Geschichte ganz einfach aufgezeichnet. Im Kurs sprachen
nochmals über diese Skizze. Es ging um die beiden Söhne, den Jüngeren, der bei den Schweinen
war, und den Älteren, der auf dem Gut seines Vaters arbeitete. Es scheint, als wäre der Jüngere viel
weiter weg vom Vater als der Ältere. Aber die Skizze macht es deutlich: Beide Söhne befinden sich
auf derselben Seite des Trennstriches, beide sind vom Vater getrennt. Beide haben keine
persönliche Beziehung zum Vater. Beim Jüngeren ist das durch die Distanz bloss etwas
offensichtlicher. Aber die Distanz eines jeden zum Trennstrich spielt letztlich keine Rolle. D.h. es
ist letztlich vor Gott kein Unterschied zwischen dem Sexualstraftäter, der im Ausgang eine
Therapeutin ermordet, und einem Menschen, der am Sonntag in den Gottesdienst geht, der Kirche
regelmässig Geld spendet, im Leben „recht“ handelt, betet und sich „religiös“ verhält – d.h.
äusserlich fromm, aber ohne persönliche Beziehung zu Jesus Christus. Vielleicht findest Du diesen
Vergleich extrem. Aber konsequent gedacht stimmt er.
Das Gespräch im Kurs ging dann weiter. Wir sprachen darüber, dass jeder dasselbe braucht, um
zum Vater zu kommen: die Erlösung durch Jesus Christus. Keiner braucht mehr, keiner weniger. Es
ist aber auch so, dass keiner – ob er jetzt dem jüngeren oder dem älteren Sohn gleicht – mehr leisten
muss für diese Erlösung als der andere: nämlich gar nichts. Jeder ist durch die Erlösung Kind
Gottes. Und somit ist er ein Bruder oder ist sie eine Schwester unter Geschwistern. Es gibt keine
Abstufung. Wenn wir als „gestandene Christen“ denken, dass sich ein ehemaliger Sexualstraftäter,
wenn er durch die Bekehrung zu Jesus Christus ein neuer Mensch geworden ist, erst einmal im
Glauben bewähren muss, um in der Gemeinde akzeptiert zu sein, dann sind wir arrogant,
überheblich. Damit sage ich nichts zu möglichen Ängsten, die man vor (ehemaligen) Straftätern
haben kann; ich sage auch nichts zum Thema „geistliche Reife“ oder erworbenen Bibelkenntnissen
usw. Ich meine mehr den Gedanken, dass wir als teilweise langjährige Christen die Erlösung mehr
verdient hätten als ein junger Christ oder ein Frischbekehrter mit einer schlimmen Vergangenheit.
Das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg
Diese Gedanken führten uns zum Gleichnis, das Jesus in Matthäus 20 erzählt: Mt 20:1-16.
Mt 20:1-16 1 »Denn mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Gutsbesitzer, der sich früh am
Morgen aufmachte, um Arbeiter für seinen Weinberg einzustellen. 2 Er ´fand etliche und` einigte
sich mit ihnen auf den ´üblichen` Tageslohn von einem Denar. Dann schickte er sie in seinen
Weinberg. 3 Gegen neun Uhr ging er wieder auf den Marktplatz und sah dort noch andere untätig
herumstehen. 4 ›Geht auch ihr in meinem Weinberg arbeiten!‹, sagte er zu ihnen. ›Ich werde euch
dafür geben, was recht ist.‹ 5 Da gingen sie an die Arbeit. Um die Mittagszeit und dann noch
einmal gegen drei Uhr ging der Mann wieder hin und stellte Arbeiter ein. 6 Als er gegen fünf Uhr
´ein letztes Mal` zum Marktplatz ging, fand er immer noch einige, die dort herumstanden. ›Was
steht ihr hier den ganzen Tag untätig herum?‹, fragte er sie. 7 ›Es hat uns eben niemand
eingestellt‹, antworteten sie. Da sagte er zu ihnen: ›Geht auch ihr noch in meinem Weinberg
arbeiten!‹ 8 Am Abend sagte der Weinbergbesitzer zu seinem Verwalter: ›Ruf die Arbeiter
zusammen und zahl ihnen den Lohn aus! Fang bei den Letzten an und hör bei den Ersten auf.‹
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Die Männer, die erst gegen fünf Uhr angefangen hatten, traten vor und erhielten jeder einen
Denar. 10 Als nun die Ersten an der Reihe waren, dachten sie, sie würden mehr bekommen; aber
auch sie erhielten jeder einen Denar. 11 Da begehrten sie gegen den Gutsbesitzer auf. 12 ›Diese
hier‹, sagten sie, ›die zuletzt gekommen sind, haben nur eine Stunde gearbeitet, und du gibst
ihnen genauso viel wie uns4. Dabei haben wir doch den ganzen Tag über schwer gearbeitet und
die Hitze ertragen! ‹ 13 Da sagte der Gutsbesitzer zu einem von ihnen: ›Mein Freund, ich tue dir
kein Unrecht. Hattest du dich mit mir nicht auf einen Denar geeinigt? 14 Nimm dein Geld und geh!
Ich will nun einmal dem Letzten hier genauso viel geben wie dir. 15 Darf ich denn mit dem, was mir
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gehört, nicht tun, was ich will? Oder bist du neidisch, weil ich so gütig bin?‹ 16 So wird es kommen,
dass die Letzten die Ersten sind und die Ersten die Letzten.«
Neue Genfer Übersetzung
Die Arbeiter
Mit den Arbeitern, die schon frühmorgens und den ganzen Tag über auf dem Markt stehen, sind alle
Menschen gemeint. Die Entscheidung, auf den Weinberg des Gutsbesitzers zu gehen, bedeutet, sich
für Jesus Christus zu entscheiden, also – etwas platt ausgedrückt – Christ zu werden. Es geht nun
immer um diese Arbeiter auf dem Weinberg, um die Christen; an sie ist das Gleichnis in erster Linie
gerichtet.
Diese Arbeiter werden vom Gutsbesitzer zu verschiedenen Tageszeiten zur Mitarbeit eingeladen. So
sind einige schon dort, als die Sonne aufgeht, andere kommen erst im Lauf des Tages und sogar
noch kurz vor Schluss hinzu. Die einen stehen für Menschen, die schon sehr lange Christen sind,
und jene Arbeiter, die noch um 17 Uhr kommen, für Menschen, die nach einer langen Lebenszeit
ohne Christus merken, dass sie ihn brauchen und sich – quasi kurz vor Schluss – noch für ein Leben
mit ihm entscheiden.
Die Arbeiter im Gleichnis arbeiten also bis zum Feierabend. Dann wird der Lohn ausbezahlt. Und
siehe da: jeder erhält den Lohn, den der Gutsbesitzer mit ihm abgemacht hat. Das ist völlig in
Ordnung, denn Vertrag ist Vertrag. Nur: Denen, die am längsten – einen ganzen Tag – gearbeitet
haben, fällt natürlich auf, dass sie gleich viel erhalten wie jene, die nur eine Stunde da waren.
Versetzt Euch einmal in diese verschwitzten, müden Arbeiter. Wie würdet Ihr im Moment der
Auszahlung reagieren?
Die Arbeiter im Gleichnis fangen an zu murren. Sie sind unzufrieden, finden den Gutsbesitzer
ungerecht. Ihr Blick ist böse (so im griechischen Grundtext), d.h. von Bosheit geprägt. Luther
übersetzt diesen Blick mit „scheel“, was so viel bedeutet wie neiderfüllt, missgünstig, eifersüchtig.
Solche Gefühle machen sich bei diesen Arbeitern breit. „Bist du neidisch, weil ich gütig bin?“ fragt
der Gutsbesitzer.
Die Güte des Gutsbesitzers
Da hat sich ein schlimmes Unkraut, ein sehr schlechter Gedanke eingenistet. Wenn wir nämlich
dieses Gleichnis übertragen, sehen wir: Da mögen langjährige Christen einem Menschen, der
vielleicht ein ausschweifendes Leben geführt hat und noch kurz vor dem Lebensende den Weg zu
Jesus gefunden hat, die Erlösung nicht gönnen! Sie haben Jesus lange Jahre, vielleicht ein ganzes
Leben treu gedient, haben für Jesus auf dies und das verzichtet, haben sich hingegeben, erhalten
aber – so denken sie – deswegen keinen Bonus!
Wenn wir nun solche Arbeiter in Gottes Weinberg sind, vielleicht schon seit vielen Jahren, dann
dürfen wir nicht vergessen, dass wir erlöste Männer und Frauen sind! Jesus hat uns erlöst! Wenn
wir uns anfangen einzubilden, dass wir uns durch unsere Leistungen und Verdienste unser ewiges
Leben erwerben, dann sind wir in gesetzlichem Denken gelandet! Das hat dann nichts mehr mit
Erlösung zu tun, sondern mit Erarbeiten. Ein Kind Gottes aber, das gesetzlich denkt, macht einen
Rückschritt, zurück in die Zeit vor der Erlösung durch Jesus Christus; es trennt sich wieder von
dem, was Gott ihm zugesprochen hat. Denn: Als Gotteskinder stehen wir nicht mehr unter dem
Gesetz, sondern unter der Gnade. Wenn wir anfangen zu vergessen, dass auch wir gegenüber
unserem Erlöser schuldig waren und sind, dann sind wir wie die Galater, die im Geist anfingen und
es im Fleisch zu vollenden suchten (Gal 3:3). Oder wie der reiche Jüngling mit seiner Frage: „Was
fehlt mir noch? Ich habe doch alle Gesetzte gehalten.“ (Mt 19:20) Oder wie Petrus, der einen
Anspruch auf Belohnung geltend machen wollte dafür, dass er Jesus nachfolgte: „Was erhalten wir
dafür?“ (Mt 19:27) Oder eben wie die Arbeiter unseres Weinberg-Gleichnisses.
Aber Jesus will keinen gesetzlichen Geist! Er wehrt ihm, auch mit diesem Gleichnis. Wir müssen
uns bewusst sein: Das Eine wie das Andere ist Gnade! Dass wir schon jetzt im Reich Gottes mit
dabei sein und da Mitarbeiter sein dürfen, ist Gnade! Dass Jesus uns schon vor langem eingeladen
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hat, das haben wir nicht verdient oder erarbeitet. Zu Jesus gehören dürfen ist immer Güte
seinerseits. Und das Andere, dass wir ewiges Leben haben, also Erlöste sind, ist ebenfalls Güte!
Die Güte Gottes kommt aber gegenüber den letzten Mitarbeitern des Weinbergs besonders zum
Ausdruck. Es dürfte ihnen bewusst sein: Der Dienst, den sie noch tun können in dieser
verbleibenden Stunde, ist klein. Es war ja schon Güte, dass der Gutsherr sie noch in seinen Dienst
rief trotz dieser kurzen Zeit. Und jetzt, beim Empfangen ihres Lohnes, sind sie vollends auf seine
Güte angewiesen.
Welche Botschaft gibt uns Jesus mit? Dass wir es auf keinen Fall zulassen sollen, dass wir Neid in
uns tragen, weil Gott anderen seine Gnade schenkt. Das wäre ja total widersinnig und würde
tatsächlich Bosheit ans Licht bringen. Genau dies sehen wir ja in der Geschichte des verlorenen
Sohns: der ältere Sohn hat diese Missgunst in sich, als sein jüngerer Bruder vom Vater herzlich
begrüsst und beschenkt wird. Nein, dieses Kraut darf in unseren Herzen nicht wachsen, sonst
werden wir, die wir die Ersten waren, am Schluss die Letzten sein. Vielmehr sollen wir uns freuen
an der Güte Gottes, die er für alle Menschen gleichermassen bereit hält! Dieses „Güte-Päckli“ liegt
auf der himmlischen Poststelle für jeden Menschen bereit. Wer es abholen will – d.h. wer an Jesus
Christus glaubt und ihm sein Leben gibt – der erhält es auch wirklich!
Nebenbei sei bemerkt, dass Gott seine Güte sogar denen schenkt, die nicht nach im fragen. Das
äussert sich z.B. darin, dass er die Sonne über Bösen und Guten aufgehen lässt und Regen schenkt
den Gerechten wie auch den Ungerechten (vgl. Mt 5:45; Apg 14:17; Ps 145:9).
Gottes Gerechtigkeit
Das ist nicht etwa ungerecht, sondern das ist Gottes Gerechtigkeit. Diese ist anders als jene
Gerechtigkeit, die wir uns vorstellen oder die wir aus unserem Alltag kennen.1 Wir sind in unserem
Rechtsdenken bestimmt vom römischen Recht. Dort ist ein Richter gerecht, wenn er jedem das
Angemessene gibt. Dem Übeltäter die Strafe, dem Unschuldigen Freispruch. Ein gerechter Richter
ist nach römischem Recht ein distanzierter Richter, der keine Rücksicht auf die Person nimmt,
sondern nur nach Recht und Unrecht entscheidet, nach Tun und Nicht-Tun. Gott aber macht seine
Gerechtigkeit von der Beziehung abhängig. Wenn sich ein gott-loser, ein christusferner Mensch für
Christus entscheidet, dann entsteht da eine Beziehung. Wenn ein Mensch anfängt an Christus zu
glauben, dann fängt Christus an in diesem Menschen zu leben. Da entsteht ein Wir, das ist zutiefst
Beziehung! Ich wiederhole mich: Diese Beziehung beginnt mit dem Glauben. Da hängt keine
Leistung dran, sondern einfach der Glaube. Paulus schreibt deshalb im Römerbrief:
Römer 10:10 Denn wenn man von Herzen glaubt, so wird man gerecht; und wenn man mit dem
Munde bekennt, so wird man gerettet. ( vgl. auch Römer 4:1-8; 5:1 u.a.)
Und im Titusbrief schreibt er:
Titus 3:4-7 4 Als aber erschien die Freundlichkeit und Menschenliebe Gottes, unseres Heilandes,
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machte er uns selig - nicht um der Werke der Gerechtigkeit willen, die wir getan hatten, sondern
nach seiner Barmherzigkeit - durch das Bad der Wiedergeburt und Erneuerung im heiligen Geist, 6
den er über uns reichlich ausgegossen hat durch Jesus Christus, unsern Heiland, 7 damit wir,
durch dessen Gnade gerecht geworden, Erben des ewigen Lebens würden nach unsrer Hoffnung.
Gottes Gerechtigkeit hängt immer und nur mit Glauben zusammen, anders ausgedrückt: mit der
Beziehung eines Menschen zu ihm. Deshalb ist es von Gott her gerecht, wenn er gegenüber jedem
Menschen, der an ihn glaubt, gütig ist und jedem das ewige Leben schenkt, der Jesus in seinem
Herzen hat – unabhängig davon, wie seine Lebensgeschichte aussieht und wie alt diese
Gottesbeziehung schon ist.
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Tipp: mit einer Konkordanz in der Bibel die Begriffe gerecht und Gerechtigkeit suchen.
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Zusammenfassung
Ich möchte die wichtigsten Punkte zusammenfassen.
• Wir haben auf die Arbeiter im Weinberg geschaut und ihr Verhalten beobachtet. Da hat sich
Neid und Missgunst eingeschlichen gegenüber denen, die nur kurz gearbeitet haben. Achte
darauf, dass Du keine Missgunst in Deinem Herzen zulässt gegenüber Menschen, die sich lange
nach Dir bekehren und doch dieselbe Güte von Gott erfahren. Freue Dich vielmehr darüber,
dass Gott so gütig ist, Dich sein Kind nennt und Dir ewiges Leben verheisst.
•
Somit ist der zweite Punkt schon angetönt. Er betrifft die Güte Gottes, also den Lohn, den der
Gutsbesitzer all seinen Arbeitern austeilt: das ewige Leben.
•
Gott hat ein anderes Verständnis von Gerechtigkeit als wir. Während wir sie ans Gesetz bzw. an
Leistung knüpfen, hängt sie bei Gott mit der Beziehung zusammen. Jeder, der zu ihm eine
persönliche Beziehung hat, ist gerecht in Jesus Christus.
„Denn wenn man von Herzen glaubt, so wird man gerecht.“
Amen.
Einige ergänzende Bibeltexte zum selber nachlesen:
Matthäus 6:22-23
Lukas 13:22-30
Römer 9:14-16
Römer 3:20-28
Römer 4:1-8
Matthäus 5:20
Galater 2:16
Galater 3:11-14
Hiob 4:17
Psalm 25:8
Psalm 116:5
Daniel 9:18
Einige Fragen, z.B. für den Hauskreis:
Kannst Du nachvollziehen, dass die einen Arbeiter neidisch sind? Ginge es Dir ähnlich? Falls
nicht, wie wäre es bei Dir?
Wie würdest Du Gerechtigkeit mit eigenen Worten beschreiben?
Wann oder weshalb findest Du, dass Du gegenüber Gott gerecht bist? Falls Du findest, dass Du
gegenüber Gott nicht gerecht bist, wie kommst Du zu diesem Schluss?
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