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Inhaltsverzeichnis/Sommaire AJP/PJA 3/2009 Aufsätze / Articles Seite / page Nathalie Voser / Sonja Stark-Traber / Andrea Dorjee-Good: Qualitätssicherungsvereinbarungen 251 Roland Müller / Stefan Rieder: Retentionsrecht des Arbeitnehmers – Konsequenzen für den Arbeitgeber 267 Sandrine Giroud-Roth/ Laurent Moreillon: Restitution spontanée de fonds bloqués à des États défaillants: les cas Duvalier et Mobutu 275 Marnie Engewald-Dannacher: Aufarbeitung von Staatsunrecht in rechtstaatlichen Grenzen? 288 Andrea Mondini / Manuel Liatowitsch: Jederzeitige Kündbarkeit von Aufträgen schadet dem Dienstleistungsstandort Schweiz 294 Daniel Trachsel / Margherita Bortolani-Slongo: «Scheidungsvereinbarungen auf Vorrat»: Taugliches Instrument familienrechtlichen Risikomanagements? 301 Urs Feller: Offenlegung von Management-Transaktionen im europäischen Umfeld 323 Franco Lorandi / Michael Erismann: Nachlassvertrag im Konkurs (Art. 332 SchKG) 331 Chronik der Rechtsetzung / Législation Daniel Füllemann, St. Gallen 346 Rechtsprechungsübersicht / Répertoire de jurisprudence Rebekka Keller, St. Gallen 353 Entscheidungen / Jurisprudence AJP 03_2009.indb 249 (1) Mit Bemerkungen von Dominika Blonski: Die unbeschränkte Aufbewahrung von Zellproben, DNA-Profilen und Fingerabdrücken von einst verdächtigten jedoch nicht verurteilten Personen ist mit Art. 8 EMRK nicht vereinbar. Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Grosse Kammer, 4. Dezember 2008, 363 S. und Marper gegen das Vereinigte Königreich, Nr. 30562/04 und 30566/04. (2) Mit Bemerkungen von Alfred Koller: Art. 965 ZGB, Art. 24 Abs. 1bis lit. a GBV, Art. 164 Abs. 1 und 2 OR. Die Vereinbarung, wonach die Übertragung eines selbständigen und dauernden Baurechts der Genehmigung durch die Grundeigentümerin bedarf, hat keine dinglich wirkende Verfügungsbeschränkung zur Folge. Wird das Baurecht veräussert, hat demnach der Grundbuchverwalter nicht zu prüfen, ob der dienstbarkeitsbelastete Grundeigentümer seine Zustimmung zur Veräusserung erteilt hat. Bundesgericht, II. Zivilrechtliche Abteilung, Urteil 5A_614/ 2008 vom 26. November 2008 i.S. Burgergemeinde Bern gegen Justiz-, Gemeinde- und 369 Kirchendirektion des Kantons Bern, Beschwerde in Zivilsachen (BGE 134 III …). (3) Mit Bemerkungen von Alfred Koller: Vorzeitige Kündigung des Mietverhältnisses (Art. 257 f. Abs. 3 OR); Untervermietung ohne Zustimmung des Vermieters (Art. 262 OR). Der Mieter, der das Mietobjekt untervermietet, ohne die Zustimmung des Vermieters einzuholen, riskiert eine vorzeitige Auflösung des Mietverhältnisses, wenn er auf eine schriftliche Abmahnung des Vermieters nicht reagiert und dieser sich aus einem der in Art. 262 Abs. 2 OR genannten Gründe der Untervermietung hätte widersetzen können. Bundesgericht, I. Zivilrechtliche Abteilung, Urteil 4A_516/ 2007 vom 6. März 2008 371 (BGE 134 III 300 = Pra 2008 Nr. 130). 10.3.2009 9:11:52 Uhr Inhaltsverzeichnis/Sommaire AJP/PJA 3/2009 (4) Mit Bemerkungen von Christof Riedo / Matthias Zurbrügg: Der Jetlag dauert an oder Neue Unwägbarkeiten im Recht der strafrechtlichen Verjährung. Bundesgericht, Urteil der Strafrechtlichen Abteilung vom 16. Oktober 2008, 6B_686/2008 (BGE 134 IV 328). 372 Literaturübersicht / Bibliographie Rebekka Keller, St. Gallen 381 Mitteilungen / Communications Veranstaltungskalender / Calendrier des manifestations Impressum Autorenverzeichnis / Adresse des auteurs Vorschau AJP / Aperçu PJA 4 /2009 388 391 392 392 Impressum Schriftleitung / Direction: Prix de l'abonnement: Prof. Dr. Ivo Schwander, Bodanstrasse 4, 9000 St. Gallen Tel. 071 224 22 42, Fax 071 224 28 70, E-Mail: [email protected] Frs. 352.–/année, TVA incluse; – pour les étudiants (prière de joindre une copie de la carte de légitimation) frs. 228.–/année, TVA incluse. – Prix à la vente au numéro frs. 39.– (numéro spécial frs. 55.–), TVA incluse. – Pour les abonnements à l'étranger, les frais de port effectifs s'ajoutent à ces montants. – Les commandes doivent être exclusivement adressées à l'éditeur (Service des abonnements). 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Begriff und Erscheinungsformen von Qualitätssicherungsvereinbarungen 3. Funktion von Qualitätssicherungsvereinbarungen 3.1 Präventionsfunktion 3.2 Rationalisierungsfunktion 3.3 Perpetuierungsfunktion 3.4 Haftungsverteilungsfunktion 4. Typischer Inhalt von QS-Vereinbarungen 4.1 Qualitätssicherungsmassnahmen 4.2 Spezifikation 4.3 Freigabe durch Abnehmer bzw. Erstmusterprüfung 4.4 Informationsaustausch 4.5 Geheimhaltung 4.6 Verlagerung der Warenkontrolle 4.7 Haftungsregelung 5. Rechtliche Qualifikation von QS-Vereinbarungen 6. Vergütungsanspruch des Zulieferers 7. Auflösung von QS-Vereinbarungen 8. Wechselwirkungen zwischen QS-Vereinbarungen und gesetzlichem Gewährleistungsrecht 8.1 Ausgangslage 8.2 Übersicht über das werkvertragliche Gewährleistungsrecht 8.2.1 Allgemeines 8.2.2 Der Begriff des Werkmangels 8.2.3 Die Mängelrüge 8.2.4 Die einzelnen Mängelrechte 8.3 Auswirkungen von QS-Vereinbarungen auf die werkvertragliche Mängelhaftung 8.3.1 Allgemeines 8.3.2 Gewährleistungspflicht trotz Einhaltung des vereinbarten QS-Systems? 8.3.2.1 Grundsatz: Die Pflicht zur Lieferung mängelfreier Produkte gilt unabhängig vom Vorliegen einer QS-Vereinbarung 8.3.2.2 Ausnahme: Einschränkung der Gewährleistungspflicht infolge Mitverantwortung des Bestellers AJP 03_2009.indb 251 8.3.3 Mängelhaftung infolge Nichteinhaltung des vereinbarten QS-Systems? 8.3.3.1 Allgemeines 8.3.3.2 Verfahrensbezogene QS-Massnahmen als vereinbarte oder vorausgesetzte Eigenschaften 8.3.3.3 Verfahrensbezogene QS-Massnahmen als vertragliche Haupt- oder Nebenpflichten 8.4 Ersatz des Mangelfolgeschadens 9. Zusammenfassende Bemerkungen SONJA STARK-TRABER ANDREA DORJEE-GOOD PD Dr. iur. LL.M. lic. iur., Rechtsanwäl- lic. iur., Rechtsanwältin Zürich (Columbia Univertin Zürich sity), Rechtsanwältin Zürich, Lehrbeauftragte an der Universität Basel 251 1. Einleitung Sowohl in der Industrie wie auch im Dienstleistungssektor ist in den vergangenen Jahren eine zunehmende Tendenz festzustellen, einzelne Schritte im Rahmen der Produktion eines Gutes an spezialisierte Drittunternehmen auszulagern (Stichwort: Outsourcing bzw. Abnahme der eigenen Fertigungstiefe). Gründe hierfür sind in erster Linie erwartete Kosteneinsparungen, aber auch die Möglichkeit, eigene Überlastungssituationen besser auffangen zu können. Gleichzeitig sind die Ansprüche an die Qualität der Produkte stark gestiegen und das Thema Qualitätsmanagement ist mehr und mehr zu einem wesentlichen Bestandteil der Unternehmenspolitik geworden1. Diese beiden Entwicklungen haben die Notwendigkeit mit sich gebracht, mit der Qualitätssicherung nicht erst im eigenen Betrieb, sondern bereits auf der Stufe des Drittunternehmens anzusetzen. Als Instrument hierzu dienen sogenannte Qualitätssicherungsvereinbarungen zwischen Drittunternehmer (Zulieferer) und Besteller (Abnehmer). Solche Vereinbarungen ermöglichen es, die Leistung des Drittunternehmens schon früh im Fertigungsprozess zu überprüfen und eventuell auftretende Fehler, die sich im Endprodukt fortsetzen könnten, bereits in diesem Stadium festzustellen und zu beseitigen2. 1 2 Einen Überblick über den Stand und die Effekte von Out- und Insourcing im verarbeitenden Gewerbe Deutschlands bieten Steffen Kinkel/Gunter Lay, Fertigungstiefe – Ballast oder Kapital?; Fraunhofer-Institut für Systemtechnik und Innovationsforschung (ISI), Mitteilungen aus der Produktionsinnovationserhebung, 30/2003, abrufbar unter http://www.publica. fraunhofer.de. Horst Franke, Qualitätsmanagement und Bauvertrag, in: Jürgen Doerry (Hrsg.), FS für Wolfgang Heiermann zum 60. Geburtstag, Wiesbaden, Berlin 1995, 63; Maximilian Teichler, Qualitätssicherung und Qualitätssicherungsvereinbarungen, Wirtschaftliche und rechtliche Auswirkungen, Versicherungsaspekte, Betriebs-Berater 1991, 428. 10.3.2009 9:11:54 Uhr N a t h a l i e Vo s e r / S o n j a S t a r k - Tr a b e r / A n d r e a D o r j e e - G o o d AJP/PJA 3/2009 252 Trotz der erheblichen Bedeutung, welche Qualitätssicherungsvereinbarungen in der Praxis erlangt haben, sind sie bislang nur vereinzelt Gegenstand der schweizerischen Rechtsliteratur gewesen3. Der vorliegende Aufsatz soll einen Beitrag leisten, um diese Lücke zu füllen und einen Überblick über verschiedene Aspekte der Qualitätssicherungsvereinbarungen geben. Der Fokus liegt dabei auf Qualitätssicherungsvereinbarungen im Rahmen von industriellen Lieferbeziehungen. In solchen treten Qualitätssicherungsvereinbarungen primär im Zusammenhang mit Kauf- und Werkbzw. Werklieferungsverträgen auf. Überwiegend dürften die Vertragswerke zwischen Besteller und Zulieferer dabei als Werklieferungsverträge zu qualifizieren sein, denn Qualitätssicherungsvereinbarungen enthalten zumeist umfassende Anforderungen an das zu liefernde Produkt sowie Vorgaben hinsichtlich des Herstellungs- und Prüfungsverfahrens, was gerade für den Werklieferungsvertrag typisch ist. Trotzdem sind Abgrenzungsschwierigkeiten zum Kaufvertrag durchaus denkbar4. Im Rahmen der nachfolgenden Untersuchung wird indessen vom Regelfall des Werklieferungsvertrages ausgegangen. Im Mittelpunkt der vorliegenden Untersuchung steht der Einfluss von Qualitätssicherungsvereinbarungen auf die Haftungssituation zwischen dem Besteller (Abnehmer) und dem Drittunternehmen (Zulieferer), wobei insbesondere die Wechselwirkungen zwischen Qualitätssicherungsvereinbarungen und Gewährleistungsrecht näher untersucht werden sollen. nach qualitativ hochstehenden Produkten bestmöglich zu gewährleisten6. Das gesamte QS-System verfolgt primär das Ziel, die Erfüllung der Spezifikationen (vgl. dazu hinten, Ziff. 4.2) zuverlässig und andauernd zu erfüllen7. Ein Hersteller von Gütern oder auch ein Erbringer von Dienstleistungen kann zur Verbesserung der Qualität seiner Produkte und zur Reduzierung seiner Haftungsrisiken aus eigenem Antrieb geeignete QS-Massnahmen ergreifen. Daneben kann sich ein Unternehmen gegenüber dem Besteller aber auch vertraglich hierzu verpflichten. Dies geschieht in Form von sog. QS-Vereinbarungen8. QS-Vereinbarungen werden in den allermeisten Fällen zwischen unmittelbar aufeinanderfolgenden Gliedern einer Wertschöpfungskette geschlossen, also zwischen Unternehmen, die im Rahmen des Produkteherstellungsprozesses aufeinanderfolgende Beiträge leisten. Typischerweise treten QS-Vereinbarungen deshalb in Branchen auf, welche die Serienfertigung von Gütern oder deren Absatz zum Gegenstand haben9. Vertragspartner sind in der Regel Teile- und Endhersteller, in der Fertigung aufeinanderfolgende Teilehersteller untereinander oder auch Endhersteller und Händler10. In vielen Fällen handelt es sich bei QS-Vereinbarungen sodann um vorformulierte Regelwerke, die zur Verwendung gegenüber allen bzw. noch nicht konkretisierten mehreren Zulieferern vorgesehen sind11. Es handelt sich mithin sehr oft 6 2. Begriff und Erscheinungsformen von Qualitätssicherungsvereinbarungen Unter Qualitätssicherung (im Folgenden «QS» genannt)5 werden im allgemeinen Massnahmen bzw. ein System an Massnahmen verstanden, die von einem Unternehmen eingesetzt werden, um die Erfüllung der Kundenanforderungen 7 3 4 5 Dies im Gegensatz zur deutschen Rechtsliteratur, die sich sehr umfassend mit der Thematik beschäftigt hat. Namentlich bei serienmässig hergestellten Produkten, welche unter Einhaltung eines allgemeinen Qualitätssicherungssystems (z.B. Qualitätsmanagement nach ISO 9000 ff.) produziert werden, kann sich u.E. im Einzelfall die Anwendung der kaufrechtlichen Bestimmungen aufdrängen. Für Einzelheiten zu den Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen Kaufvertrag und Werklieferungsvertrag kann auf die umfangreiche Literatur verwiesen werden; vgl. insbesondere: Walter Grob, Qualitätsmanagement, Sachverhalt und schuldrechtliche Aspekte, Diss., Freiburg 1995, 175; Claire Huguenin, Obligationenrecht Besonderer Teil, 3. A., Zürich 2008, N 51; Heinrich Honsell, Schweizerisches Obligationenrecht, Besonderer Teil, 8. A., Bern 2006, 271; Roland Hürlimann/Thomas Siegenthaler, in: Marc Amstutz (et al.) (Hrsg.), Handkommentar zum Schweizer Privatrecht, Zürich 2007, Art. 363 OR N 3. Der Begriff «Qualitätssicherung» wird in der Literatur häufig mit dem Begriff «Qualitätsmanagement» gleichgesetzt. AJP 03_2009.indb 252 8 9 10 11 Rainer Schumacher, Vertragsgestaltung, Systemtechnik für die Praxis, Zürich 2004, N 2141. Durch den Erlass der ISONormenreihe 9000 ff. im Jahre 1987 seitens der International Organization for Standardization (ISO) wurde das Qualitätsmanagement international einheitlich definiert, normiert und zertifiziert. Die Schweiz hat die Normen 1990 unverändert übernommen. Die ISO-Normenreihe definiert in einem umfassenden Regelungswerk den Qualitätsbegriff, gibt mögliche Modelle für die Qualitätssicherung vor und leistet Hilfe für das interne Qualitätsmanagement; vgl. dazu Grob (FN 4), 37 ff.; Anton Henninger, Die Qualitätssicherung beim Bauen, BRT 1995, Bd. II, Freiburg 1995, 49 f. Hans-Joachim Hess/Hasso Werk, Qualitätssicherung und Produktehaftung, Zürich 1994, 242. Grob (FN 4), 149. QS-Vereinbarungen können durchaus auch in anderen Bereichen abgeschlossen werden, beispielsweise in der Bau- oder Dienstleistungsbranche; siehe dazu Henninger (FN 6), 45 ff.; Martin Moser, Die Haftung für Dienstleistungen im Lichte eines zertifizierten Qualitätsmanagementsystems, AJP/PJA 1997, 181 ff. Axel Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen: Zulieferverträge, Vertragstypologie, Risikoverteilung, AGB-Kontrolle, Köln 1992, 155 f.; Grob (FN 4), 150. Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 157; Jürgen Ensthaler (Hrsg.), Gemeinschaftskommentar zum Handelsgesetzbuch mit UN-Kaufrecht, 7.A., Neuwied 2007, nach § 377 HGB N 5; Peter Sina, Qualitätssicherungsvereinbarung – Einordnung und Rechtsfolgen, Monatsschrift für Deutsches Recht 48, 1994, 332. Zur Verwendung vorgeschlagen werden QS-Vereinbarungen denn auch regelmässig vom Besteller; Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 10.3.2009 9:11:55 Uhr Qualitätssicherungsvereinbarungen AJP/PJA 3/2009 253 um Allgemeine Geschäftsbedingungen. Teilweise werden QS-Vereinbarungen jedoch auch an das jeweilige spezifische Einzellieferverhältnis und die individuellen Interessen der beteiligten Parteien angepasst12. Die Unterscheidung von QS-Vereinbarungen als Individualvertrag im Gegensatz zu Allgemeinen Geschäftsbedingungen hat im Anwendungsbereich des schweizerischen Rechts zwar nicht die gleiche Bedeutung wie beispielsweise im deutschen Recht13. Trotzdem sind bei allgemeinen Geschäftsbedingungen die von der Praxis entwickelte Unklarheitenregel sowie die Ungewöhnlichkeitsregel zu beachten. Nach Art. 8 UWG handelt zudem unlauter, wer Allgemeine Geschäftsbedingungen verwendet, die in irreführender Weise zum Nachteil einer Vertragspartei von der unmittelbar oder sinngemäss anwendbaren gesetzlichen Ordnung erheblich abweichen oder eine der Vertragsnatur erheblich widersprechende Verteilung von Rechten und Pflichten vorsehen14. Neben der Frage, ob es sich bei den massgebenden QSVereinbarungen um Allgemeine Geschäftsbedingungen oder um Individualverträge handelt, muss sodann auch stets untersucht werden, in welcher Form QS-Vereinbarungen Eingang in die konkrete Lieferbeziehung finden. In der Praxis geschieht dies im Wesentlichen auf zwei Arten: Einerseits können QS-Vereinbarungen in Einkaufs-, Liefer-, Prüf- oder Abnahmebedingungen eingebettet sein, die Bestandteil des 12 13 14 158 f.; Detlef Schmidt, Qualitätssicherungsvereinbarungen und ihr rechtlicher Rahmen, NJW 1991, 145. Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 157; Sina (FN 11), 332. Gemäss Hess/Werk (FN 7), 278 f., sollten QSVereinbarungen stets individuell ausgehandelt und den Gegebenheiten der jeweiligen Geschäftsbeziehung angepasst werden. Diese Forderung dürfte indessen schon deswegen nicht realistisch sein, weil ein Besteller die Qualität und Sicherheit seiner Produkte häufig generell wird regeln wollen und nicht nur im Einzelfall. Dies gilt insbesondere in Fällen, in denen der Besteller ein just-in-time-delivery System eingeführt hat; vgl. dazu Schmidt (FN 11), 146. Im Anwendungsbereich des deutschen Rechts sind die Bestimmungen der §§ 305 bis 310 BGB zu berücksichtigen, mit welchen im Rahmen des Schuldrechtmodernisierungsgesetzes die Vorschriften des früheren AGB-Gesetzes weitgehend unverändert in das BGB überführt wurden. Besondere Beachtung verdient dabei § 307 BGB, der eine Inhaltskontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen vorsieht. Danach sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Art. 8 UWG lehnt sich zwar eng an § 307 Abs. 2 BGB an, unterscheidet sich jedoch durch das Erfordernis der Irreführung. Eine generelle Inhaltskontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen findet im Anwendungsbereich des schweizerischen Rechts trotz entsprechender Forderungen aus der Lehre bislang nicht statt; vgl. dazu Ingeborg Schwenzer, Schweizerisches Obligationenrecht Allgemeiner Teil, 4. A., Bern 2006, N 44.01 ff.; Peter Gauch/Walter R. Schluep/Jörg Schmid/ Heinz Rey, Schweizerisches Obligationenrecht Allgemeiner Teil, Band I, 9. A., Zürich/Basel/Genf 2008, N 1118 ff. AJP 03_2009.indb 253 Zuliefervertrags und/oder jedes einzelnen konkreten Liefergeschäfts sind15. Andererseits können QS-Vereinbarungen als äusserlich verselbständigte Vertragswerke ausgestaltet sein16. Letztere stellen häufig Rahmenvereinbarungen dar, welche typischerweise dazu dienen, die gleichbleibenden Modalitäten künftiger Beschaffungsverträge vorab (umfassend oder teilweise) festzulegen. Sie sind demzufolge in ihrer Wirkung in der Regel vom Bestand eines konkreten Zuliefervertrags abhängig17. Allerdings finden sich in solchen QS-Vereinbarungen oftmals auch Rechte und Pflichten, die unabhängig von einem konkreten Geschäft bestehen, so z.B. die Verpflichtung zum Aufbau und zur Aufrechterhaltung eines QS-Systems18. Dadurch wird insbesondere versucht, die generelle Qualitätsfähigkeit des Lieferanten zu beeinflussen und die Voraussetzungen für das Zustandekommen und die komplikationslose Abwicklung künftiger Geschäfte zu schaffen19. Vorvertragliche Elemente, d.h. die Verpflichtung zum Abschluss nachfolgender Einzelverträge, sind in QSVereinbarungen demgegenüber eher unüblich20. 3. Funktion von Qualitätssicherungsvereinbarungen QS-Vereinbarungen erfüllen im Wesentlichen die folgenden vier Funktionen21: 3.1 Präventionsfunktion Die primäre Funktion von QS-Vereinbarungen ist es, die Voraussetzungen für sichere Fertigungsprozesse beim Zu15 16 17 18 19 20 21 Michael Martinek, Zulieferverträge und Qualitätssicherung, Köln 1991, 133; Joachim Quittnat, Qualitätssicherungsvereinbarungen und Produkthaftung, Betriebs-Berater 1989, 571 f.; Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 158; Sina (FN 11), 332. Martinek (FN 15), 133; Quittnat (FN 15), 571 f.; Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 158 und 217; Grob (FN 4), 150. Gemäss Hess/Werk (FN 7), 243, sollten Beschaffungsvertrag sowie QS-Vereinbarung stets in zwei unabhängigen Vereinbarungen festgeschrieben werden. Dadurch soll eine Vermengung der beiden unterschiedlichen juristischen Materien verhindert und die Übersichtlichkeit erhöht werden. Dies gilt beispielsweise für Haftungsregelungen oder konkrete Prüfungspflichten; vgl. Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 218 f.; Grob (FN 4), 151 und 163 f. Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 220 ff.; Grob (FN 4), 151 f. und 164 f., bezeichnet solche QS-Vereinbarungen als systembezogen. Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 220. Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 225 ff.; Grob (FN 4), 163. Jürgen Ensthaler, Haftungsrechtliche Bedeutung von Qualitätssicherungsvereinbarungen, NJW 1994, 817 f.; Ensthaler, Gemeinschaftskommentar (FN 11), nach § 377 HGB N 6; Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 196 ff. 10.3.2009 9:11:55 Uhr N a t h a l i e Vo s e r / S o n j a S t a r k - Tr a b e r / A n d r e a D o r j e e - G o o d AJP/PJA 3/2009 254 lieferer und damit eine effiziente Prävention gegenüber jeder Art von Qualitätsabweichung zu schaffen. Durch ein geeignetes QS-System wird die Qualität eines Produktes während des gesamten Produktionsprozesses laufend überprüft. Auf diese Weise sollen Abweichungen in der vorangehenden Fertigungsstufe möglichst frühzeitig und effizient vermieden oder zumindest entdeckt werden22. 3.2 Rationalisierungsfunktion Durch die Einführung von Qualitätssicherungsmassnahmen auf der Stufe des Zulieferers und gleichzeitiger Reduktion des Umfangs und der Häufigkeit der Wareneingangskontrollen beim Abnehmer sollen die Qualitätskontrollkosten gesenkt werden23. 3.3 Perpetuierungsfunktion Mittels QS-Vereinbarungen soll die generelle Qualitätsfähigkeit des Zulieferers gefördert und damit zugleich die Grundlage für eine langfristige Geschäfts- bzw. Lieferbeziehung geschaffen werden, die sich jederzeit kurzfristig aktivieren lässt24. 3.4 Haftungsverteilungsfunktion QS-Vereinbarungen bezwecken schliesslich regelmässig, die Verantwortungsbereiche und Haftungsrisiken von Abnehmer und Zulieferer festzulegen und abzugrenzen. Dies geschieht beispielsweise durch einen Verzicht auf die Einrede der verspäteten Mängelrüge, durch eine Verlängerung der Gewährleistungsfristen, durch Freizeichnungsklauseln oder durch eine Vereinbarung der Haftungsverteilung im Innenverhältnis25. 4. Typischer Inhalt von QS-Vereinbarungen In Bezug auf ihren Inhalt lassen sich QS-Vereinbarungen grundsätzlich in produktbezogene, organisatorische (insbesondere verfahrensbezogene) und rechtliche Aspekte unter- 22 23 24 25 Vgl. im Einzelnen Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 196 ff.; Grob (FN 4), 161. Vgl. im Einzelnen Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 206 ff.; Ensthaler, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 21), 818; Grob (FN 4), 161. Vgl. im Einzelnen Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 208 f.; Ensthaler, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 21), 818; Grob (FN 4), 161 f. Vgl. im Einzelnen Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 210 ff.; Ensthaler, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 21), 818.; Grob (FN 4), 162. AJP 03_2009.indb 254 teilen26. Die Ausgestaltung variiert dabei je nach Art der Zusammenarbeit und des zu liefernden Produkts. Im Folgenden werden einige der in QS-Vereinbarungen typischerweise vereinbarten Inhalte dargestellt. 4.1 Qualitätssicherungsmassnahmen Den eigentlichen Kern von QS-Vereinbarungen bildet naturgemäss die Verpflichtung des Zulieferers, bestimmte QSMassnahmen zu treffen bzw. ein ganzes QS-System einzurichten. Dabei können die einzelnen QS-Massnahmen in der QS-Vereinbarung selbst oder in einer separat beigefügten Anlage enthalten sein oder sie werden durch eine Bezugnahme auf externe Regelwerke, wie z.B. die ISO Normenreihe 9000 ff. konkretisiert27. Nebst der Vereinbarung von QS-Massnahmen, die unmittelbar den Fertigungsvorgang betreffen, bestimmte Prüfverfahren vorschreiben (z.B. Warenausgangskontrollen) oder verwaltungsorganisatorische (insbesondere Dokumentations- und Änderungswesen) oder personalwirtschaftliche Massnahmen (Bestellung eines betrieblichen QS-Beauftragten) vorsehen, regeln QS-Vereinbarungen häufig auch die dem eigentlichen Fertigungsprozess vor- und nachgelagerten Bereiche (z.B. Werkstoffbeschaffung, Art der Verpackung und Lagerung, Modalitäten der Anlieferung)28. Daneben können auch generelle Massnahmen vereinbart werden. Sie dienen in erster Linie dem Aufbau einer längerfristigen Geschäftsbeziehung29. 4.2 Spezifikation In QS-Vereinbarungen finden sich sodann häufig Spezifikationen, d.h. detaillierte technische Beschreibungen des zu liefernden Produktes. Sie legen seine vertraglich geforderten Eigenschaften fest und sind als vereinbarte «Soll-Beschaffenheit» insbesondere massgeblich für die Beurteilung der Frage, ob ein Sach- oder Werkmangel vorliegt (dazu nachfolgend Ziff. 8.2.2)30. Wird eine QS-Vereinbarung als Rahmenvertrag für künftige Einzelverträge abgeschlossen, werden die Produktspezifikationen in der Regel in eigenständigen Spezifikationsvereinbarungen festgelegt, deren Einhaltung die QSVereinbarung vorschreibt. 26 27 28 29 30 Ensthaler, Gemeinschaftskommentar (FN 11), nach § 377 HGB N 7. Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 198; siehe auch FN 6. Vgl. im Einzelnen Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 199 ff.; Grob (FN 4), 152. Grob (FN 4), 152 f. Grob (FN 4), 153.; Schmidt (FN 11), 144. 10.3.2009 9:11:56 Uhr Qualitätssicherungsvereinbarungen AJP/PJA 3/2009 255 4.3 Freigabe durch Abnehmer bzw. Erstmusterprüfung Häufig ist in QS-Vereinbarungen eine Erstmusterprüfung durch den Abnehmer vorgesehen. Sog. Bemusterungsverfahren finden in der Regel vor dem Beginn der Serienlieferungen (Serienphase) statt31. Die sog. Erstmuster werden ausschliesslich mit den für die Serienfertigung vorgesehenen Einrichtungen und Verfahren unter den entsprechenden Rahmenbedingungen gefertigt. Sie werden dem Abnehmer zusammen mit den sog. Erstmusterprüfberichten zur Prüfung hinsichtlich ihrer Anforderungskonformität unterbreitet. Gelangt der Abnehmer bei seiner Prüfung zum Ergebnis, dass die Erstmuster den Anforderungen entsprechen, erteilt er die «technische Freigabe». Vorserienphase und Serienphase bilden zwar einen einheitlichen wirtschaftlichen Vorgang, rechtlich sind die beiden Stufen aber klar zu trennen. In der Regel handelt es sich bereits bei der ersten Stufe (Vorserienphase) um einen eigenständigen Kauf- oder Werk(lieferungs)vertrag, in welchem sich der Lieferant verpflichtet, ein Muster zu übergeben bzw. herzustellen, und zwar meist gegen entsprechende Vergütung32. Um einen eigenständigen Kauf- oder Werk(lieferungs)vertrag handelt es sich sodann auch bei der zweiten Stufe (Serienphase)33. In der Regel wird die Wirksamkeit dieses Liefervertrages vom positiven Ergebnis des Bemusterungsverfahrens abhängen34. Es handelt sich mithin regelmässig um einen suspensiv bedingten Vertrag35. Bei Vorliegen einer Erstmusterprüfung stellt sich die Frage, ob das Erstmuster ausschliesslich zur Ermittlung der vom Lieferanten geschuldeten Sollbeschaffenheit der zu liefernden Ware herangezogen werden kann oder ob daneben auch die ursprünglichen Spezifikationen und Begleitabreden für Mängel in der zweiten Stufe (Serienphase) weiterhin massgeblich sind. Diese Frage ist in der deutschen Lehre strittig36. Es empfiehlt sich daher, bei Erteilung der 31 32 33 34 35 36 Ein Bemusterungsverfahren kann infolge von Produkt- oder Verfahrensänderungen allerdings auch während eines laufenden Liefervertrages notwendig werden; vgl. Merz (FN 10), 100. Denkbar ist grundsätzlich auch ein Kauf auf Probe gemäss Art. 223 ff. OR; vgl. Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 103 ff. Die Erstmusterpräsentation kann gemäss Merz sodann auch lediglich Teil der Vertragsanbahnung hinsichtlich eines Liefervertrages sein und damit Aquisitionszwecken dienen. Diesfalls liegt kein selbständiges Erwerbsgeschäft vor; vgl. zum Ganzen auch Grob (FN 4), 154. Grob (FN 4), 154. Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 107; Grob (FN 4), 154 f. Grob (FN 4), 155. Gemäss Ensthaler Gemeinschaftskommentar (FN 11), nach § 377 HGB N 21, berechtigt die Durchführung einer Erstmusterprüfung ohne deutliche, gegenteilige Anhaltspunkte nicht zur Annahme, dass mit der Freigabeerteilung die Spezifikationsvor- AJP 03_2009.indb 255 technischen Freigabe eine entsprechende Klarstellung anzubringen. 4.4 Informationsaustausch Des Weiteren sind in QS-Vereinbarungen regelmässig auch Bestimmungen über die Dokumentationspflichten des Zulieferers enthalten37. Der Abnehmer strebt damit in der Regel die Einrichtung eines Frühwarnsystems an, mit welchem bereits frühzeitig kontrolliert und beurteilt werden kann, ob die Lieferqualität den Vorgaben entspricht. So können Fehler systematisch ausgeschaltet werden38. Der Zulieferer wird beispielsweise verpflichtet, seinen Lieferungen Dokumente beizulegen, welche dem Abnehmer Auskunft über Durchführung und Ergebnis von an den gelieferten Produkten vorgenommenen Prüfungen erteilen39. Diese Pflicht ist oft verbunden mit einer Aufbewahrungs- und Offenbarungspflicht des Zulieferers hinsichtlich Dokumenten, welche die einzelnen Schritte der Qualitätssicherung aufzeichnen40. Sie sollen dem Abnehmer in einem etwaigen Haftungsstreit mit einem Endabnehmer ermöglichen, den Beweis zu erbringen, dass sämtliche Sorgfaltsanforderungen eingehalten worden sind41. Diese lieferungsbezogenen Informationspflichten des Zulieferers werden häufig mit dem Recht des Abnehmers kombiniert, die Produktionsstätten des Zulieferers zu betreten, Einsicht in dessen Unterlagen zu nehmen und Kontrol- 37 38 39 40 41 gaben bzw. Begleitabreden gegenstandslos sein sollen. Demgegenüber wertet Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 108 ff., die vorbehaltlose Freigabeerklärung als umfassende Billigung aller vom Abnehmer erkannten sowie – verschuldet oder unverschuldet – nicht erkannten Abweichungen von den zuvor als verbindlich zugrunde gelegten Spezifikationen. Dies jedenfalls insoweit, als die vereinbarten Leistungsmerkmale überhaupt im Erstmuster verkörperungsfähig sind (als weitergeltend erachtet werden bspw. die in den Spezifikationen festgelegten Toleranzen). Im Gegenzug anerkennt Merz allerdings ein (sehr stark eingeschränktes) Anfechtungsrecht des Abnehmers hinsichtlich seiner Freigabeerklärung. Im Übrigen geht Merz (FN 10), 115, von einem Kauf nach Muster aus, wobei sich die als zugesichert geltenden Eigenschaften aus den mitgelieferten Erstmusterprüfberichten ergeben würden. Vgl. zum Ganzen Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 202 ff.; Grob (FN 4), 155; Ensthaler, Gemeinschaftskommentar (FN 11), nach § 377 HGB N 30 ff., N 39 ff.; Martinek (FN 15), 139 ff. Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 202; Ensthaler, Gemeinschaftskommentar (FN 11), nach § 377 HGB N 39. Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 202; zu Umfang und Inhalt der Dokumentation vgl. Ensthaler, Gemeinschaftskommentar (FN 11), nach § 377 HGB N 45 ff. Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 203; siehe auch Ensthaler, Gemeinschaftskommentar (FN 11), nach § 377 HGB N 50 ff. und N 54 ff. Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 203; vgl. auch Hess/Werk (FN 7), 270. 10.3.2009 9:11:56 Uhr N a t h a l i e Vo s e r / S o n j a S t a r k - Tr a b e r / A n d r e a D o r j e e - G o o d AJP/PJA 3/2009 256 len durchzuführen (sog. Audits oder Auditierungen)42. Diese Massnahmen dienen der Überwachung und Sicherung der generellen (d.h. nicht lediglich produktbezogenen) Qualitätsfähigkeit des Zulieferers43. Im Gegenzug ist der Abnehmer in der Regel verpflichtet, den Zulieferer über die Ergebnisse der Audits zu informieren44. 4.5 Geheimhaltung Die gegenseitigen Informationspflichten und die Zutritts-, Einblick- und Kontrollrechte des Abnehmers im Speziellen führen in der Regel zur Vereinbarung einer gegenseitigen Geheimhaltungspflicht45. 4.6 Verlagerung der Warenkontrolle Wie bereits ausgeführt wurde, bezwecken QS-Massnahmen unter anderem die Rationalisierung der Betriebsabläufe und insbesondere die Minimierung der Qualitätskontrollkosten beim Abnehmer (vgl. dazu vorstehend Ziff. 3)46. Letzteres soll vor allem mit Durchführung geeigneter Zwischen- und Endprüfungen beim Zulieferer erreicht werden, so dass die Wareneingangskontrolle beim Abnehmer reduziert werden kann. Auf diese Weise werden einerseits doppelte Prüfungen vermieden. Andererseits wird aber auch sichergestellt, dass dieselben möglichst frühzeitig im Produktionsprozess durchgeführt werden. Die Wahrscheinlichkeit, Fehler zu entdecken ist dadurch grösser und die Möglichkeiten zur Beseitigung der Fehler sind einfacher und billiger47. Vor diesem Hintergrund enthalten die meisten QS-Vereinbarungen Bestimmungen, wonach der Abnehmer berechtigt ist, seine eigene Wareneingangskontrolle hinsichtlich Prüfschärfe und -intensität48 zu reduzieren oder gar ganz darauf zu verzichten49. Die Eingangskontrolle des Bestellers wird auf diese Weise auf den Zulieferer verlagert. Die Reduzierung der Wareneingangskontrolle seitens des Bestellers birgt für diesen trotz vorgeschalteter QS-Massnahmen allerdings ein schwer kalkulierbares Fehlerrestrisiko. Namentlich wenn sich herausstellt, dass das vereinbarte QS-System Qualitätsmängel nicht verhindern oder rechtzeitig aufdecken konnte, muss sich der Besteller die Möglichkeit offen halten, erst später aufgedeckte Mängel ungeachtet der zeitlichen Verzögerung ohne Verlust seiner Gewährleistungsrechte rügen zu können. Ergänzend wird in QS-Vereinbarungen deshalb regelmässig vereinbart, dass der Zulieferer auf die Einrede der verspäteten Mängelrüge verzichtet50. Es handelt sich dabei mithin um eine Modifikation oder gar eine Abbedingung von Art. 367 Abs. 1 OR (bzw. Art. 201 Abs. 1 OR). Aufgrund der dispositiven Natur dieser Bestimmungen sind solche Klauseln in QS-Vereinbarungen unter Schweizer Recht grundsätzlich zulässig51. Gemäss Bundesgericht ist allerdings zu verlangen, dass solche Regelungen ausdrücklich und klar verfasst sind52. 4.7 Nebst der Modifizierung der gesetzlichen Bestimmungen über die Prüf- und Rügeobliegenheiten sind es vorab Haftungsfreizeichnungsklauseln, welche die Verteilung der vertraglichen Haftungsrisiken beeinflussen. Gemäss Art. 100 Abs. 1 OR kann die Haftung allerdings nur für leichte Fahrlässigkeit, nicht aber für rechtswidrige Absicht oder grobe Fahrlässigkeit ausgeschlossen werden53. Da QS-Vereinbarungen indessen regelmässig vom Abnehmer vorformuliert werden, der naturgemäss kein Interesse an einer Haftungsfreizeichnung zu seinen eigenen Lasten hat, sind solche Freizeichnungsklauseln zu Gunsten des Zulieferers in QS-Vereinbarungen eher selten zu finden. 50 42 43 44 45 46 47 48 49 Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 204; Grob (FN 4), 155; Quittnat (FN 15), 573; Hess/Werk (FN 7), 272. Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 204 f.; Grob (FN 4), 155. Grob (FN 4), 156; vgl. auch Hess/Werk (FN 7), 272. Grob (FN 4), 156; Hess/Werk (FN 7), 273. Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 206 f. Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 207; Grob (FN 4), 157; Schmidt (FN 11), 148. Siehe dazu Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 207: Die «Prüfschärfe» bezeichnet den Anteil der untersuchten im Verhältnis zur ungeprüft entgegen genommenen Ware; die «Prüfintensität» bezeichnet den Umfang der durchgeführten Untersuchung (Sichtprüfung, Funktionsprüfung, Lebensdauerprüfung etc.). Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 207; Grob (FN 4), 157; Quittnat (FN 15), 572; Schmidt (FN 11), 148. Denkbar ist insbesondere eine Beschränkung der Wareneingangsprüfung auf äusserlich erkennbare Transport- und Verpackungsschäden sowie auf die Menge und Identität der gelieferten Ware. AJP 03_2009.indb 256 Haftungsregelung 51 52 53 Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 212 f.; Grob (FN 4), 157; Quittnat (FN 15), 572; Schmidt (FN 11), 148. Heinrich Honsell, in: Heinrich Honsell/Nedim Peter Vogt/ Wolfgang Wiegand (Hrsg.), Basler Kommentar, Obligationenrecht I, 4. A., Basel/Genf/München 2007, Art. 201 N 13; Gaudenz G. Zindel/Urs Pulver, in: Heinrich Honsell/Nedim Peter Vogt/Wolfgang Wiegand (Hrsg.), Basler Kommentar, Obligationenrecht I, 4. A., Basel/Genf/München 2007, Art. 367 N 29. Unter deutschem Recht ist stark umstritten, ob solche Regelungen in QS-Vereinbarungen, die als AGB zu qualifizieren sind, gültig sind; siehe dazu bspw. Ensthaler, Gemeinschaftskommentar (FN 11), nach § 377 N 8 ff.; Schmidt (FN 11), 148. Siehe BGE 4C.401/1999, E. 4b. Ebenfalls zulässig ist ein Ausschluss der Haftung für Hilfspersonen, der sich gemäss Art. 101 Abs. 2 OR grundsätzlich auch auf Absicht und grobe Fahrlässigkeit erstrecken kann. Ob der bei Kaufverträgen zu beachtende Art. 199 OR auch bei Werk- und Werklieferungsverträgen anwendbar ist, ist in der Lehre umstritten. Für eine Übersicht zum momentanen Meinungsstand; vgl. Honsell, Schweizerisches Obligationenrecht (FN 4), 291. 10.3.2009 9:11:56 Uhr Qualitätssicherungsvereinbarungen AJP/PJA 3/2009 257 Hinsichtlich der Haftungsrisiken im Aussenverhältnis sind QS-Vereinbarungen insoweit relevant, als die Parteien darin eine Regelung treffen können, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang die von einem Geschädigten belangte Partei auf den Vertragspartner Rückgriff nehmen kann54. 5. Rechtliche Qualifikation von QS-Vereinbarungen Merz legt für das deutsche Recht dar, dass die Pflichten des Zulieferers unter einer QS-Vereinbarung funktional mit denjenigen eines Architekten vergleichbar seien. Gleich wie der Zulieferer übernehme auch der Architekt Aufgaben der Qualitätsplanung, Qualitätslenkung, Qualitätssicherung und Qualitätskontrolle. Aufgrund der in hohem Masse geforderten Verlässlichkeit dieser Qualitätssicherungsmassnahmen geht Merz von einer Erfolgsbezogenheit derselben aus und schliesst deshalb – in Übereinstimmung zum Architektenvertrag – insoweit auf die Anwendbarkeit von Werkvertragsrecht55. Der Vergleich der Qualitätssicherungsaufgaben des Zulieferers mit denjenigen des Architekten vermag zwar zu überzeugen, führt aber nach schweizerischem Recht zur Anwendbarkeit von Auftragsrecht56, denn die vom Zulieferer geschuldeten Qualitätssicherungsmassnahmen entsprechen funktional in der Tat weitgehend den Bauleitungspflichten des Architekten, die gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung dem Auftragsrecht zuzuordnen sind57. Der Erfolg der eingeführten Qualitätssicherungsmassnahmen wird denn auch vielfach nicht anhand objektiver Kriterien überprüft werden können. Dies schliesst indessen nicht aus, dass eine QS-Vereinbarung nach Schweizer Recht auch werkvertragliche Elemente enthält, beispielsweise die Pflicht des Zulieferers zur Abgabe einer umfassenden schriftlichen Dokumentation seiner Massnahmen. QS-Vereinbarungen haben zudem häufig auch gesellschaftsähnlichen Charakter58. Die Implementierung von feh- ler- bzw. schadenspräventiven Massnahmen liegt nämlich im Interesse beider Parteien. Während Qualitätssicherungsmassnahmen im Aussenverhältnis zur Senkung des Haftungsrisikos beitragen, führen sie im Innenverhältnis zu Kosteneinsparungen59. Aufgrund dieser Interessenparallelität kann sich zur Beantwortung von Einzelfragen die (analoge) Anwendung der Regeln der einfachen Gesellschaft anbieten60. Nach dem Gesagten sind QS-Vereinbarungen deshalb in der Regel als Innominatverträge, und zwar als gemischte Verträge, zu qualifizieren61. Zu beachten ist indessen, dass QS-Massnahmen, welche lediglich für einen einzelnen Beschaffungsvertrag vereinbart werden und damit keine Wirkungen haben, die über das betreffende Geschäft hinausgehen, zumeist als vertragliche Nebenpflichten zu qualifizieren sind und somit grundsätzlich den Bestimmungen des entsprechenden Einzelvertrages unterliegen62. 6. Die Verpflichtung des Zulieferers zum Aufbau und Betrieb eines QS-Systems stellt regelmässig eine eigenständige wirtschaftliche Leistung dar, da die in der QS-Vereinbarung festgelegten Pflichten über die im eigentlichen Liefergeschäft vereinbarte Herstellung und Lieferung eines bestimmten Produktes hinausgehen63. Daraus wird mangels gegenteiliger Vereinbarung der Parteien ein eigenständiger Entschädigungsanspruch des Zulieferers für die zusätzlichen, unter der QS-Vereinbarung erbrachten Leistungen abgeleitet64. 59 60 61 54 55 56 57 58 Grob (FN 4), 160; Hess/Werk (FN 7), 256. Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 242 f.; Axel Merz, in: Dr. Friedrich Graf von Westphalen (Hrsg.), Produkthaftungshandbuch, Band 1: Vertragliche und deliktische Haftung, Strafrecht und Produkt-Haftpflichtversicherung, 2. A., München 1997, § 44 N 11; ebenfalls für die Anwendbarkeit von Werkvertragsrecht spricht sich für das Schweizer Recht Theodor Bühler, in: Jörg Schmid/Peter Gauch (Hrsg.), Zürcher Kommentar, V. Band Obligationenrecht, Teilband V 2d, Art. 363–379 OR, 3. A., Zürich 1998, Art. 363 N 189 aus, dies allerdings ohne weitere Begründung. Von der weitgehenden Anwendbarkeit von Auftragsrecht geht wohl auch Grob (FN 4), 169 f., aus. Vgl. BGE 109 II 462, 465 f. Siehe dazu Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 257 ff. und insbesondere 260 f.; Grob (FN 4), 170; Bühler AJP 03_2009.indb 257 Vergütungsanspruch des Zulieferers 62 63 64 (FN 55), Art. 363 N 189; vgl. auch Hans Caspar von der Crone, Rahmenverträge: Vertragsrecht, Systemtheorie, Ökonomie, Habil., Zürich 1993, 322 ff. zur Qualifikation von Rahmenverträgen, die transaktionsbezogene Investitionen beinhalten, als einfache Gesellschaft. Siehe dazu insbesondere Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 231 ff. und Grob (FN 4), 170. Siehe z.B. nachfolgend FN 68 zum Investitionsersatz und Ziff. 7 zur Auflösung von QS-Vereinbarungen. Gl.M. Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 261; Merz, Produkthaftungshandbuch (FN 55), § 44 N 6. Grob (FN 4), 151. Merz, Produkthaftungshandbuch (FN 55), § 44 N 7 f.: Während der Zulieferer aufgrund des Liefervertrages die Produktion und Lieferung eines mangelfreien, näher spezifizierten Produktes schuldet (ergebnisbezogene Pflicht), ist er aufgrund der QS-Vereinbarung verpflichtet, einen qualitätsgesicherten Produktionsvorgang einzurichten und aufrecht zu erhalten (verfahrensbezogene Pflicht). Auch wenn die beiden Elemente in der Regel eng miteinander verflochten sind, handelt es sich um inhaltlich unterschiedliche Pflichtenkreise, die je einen eigenständigen (Dienstleistungs-)Wert darstellen. Dieser Ansicht ist beizupflichten. Vgl. dazu auch Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 261; Grob (FN 4), 168, mit Bezug auf systembezogene QS-Vereinbarungen. Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 244 f.; Merz, Produkthaftungshandbuch (FN 55), § 44 N 9 ff; Grob 10.3.2009 9:11:57 Uhr N a t h a l i e Vo s e r / S o n j a S t a r k - Tr a b e r / A n d r e a D o r j e e - G o o d AJP/PJA 3/2009 258 Dem ist unseres Erachtens jedenfalls für eigenständige QS-Vereinbarungen beizupflichten. Hier übernimmt der Zulieferer unter anderem Pflichten zur Implementierung eines QS-Systems, die unabhängig von konkreten Beschaffungsverträgen geschuldet sind. Deshalb wird ein Vergütungsanspruch des Zulieferers auch ohne ausdrückliche Vereinbarung häufig zu bejahen sein. Dies gilt insbesondere, wenn die Übernahme der betreffenden Pflichten nach den Umständen nur gegen Entgelt zu erwarten war. Diesfalls ist von einer stillschweigenden Vergütungsabrede auszugehen (vgl. auch Art. 394 Abs. 3 OR)65. Als Kriterien für die Frage, welche QS-Massnahmen der Besteller vom Zulieferer nur gegen gesonderte Vergütung erwarten darf, werden etwa die folgenden genannt66: • Grad der Abnehmerspezifität der QS-Leistungen des Zulieferers bzw. Umfang der notwendigen Zusatzleistungen; • Ausmass der Kosteneinsparungsmöglichkeiten beim Abnehmer als Folge der QS-Leistungen des Zulieferers; • Deckungsgrad zwischen der Betriebsorganisation des Zulieferers mit den organisationsbezogenen Vorgaben des Abnehmers. Nebst dem Anspruch des Zulieferers auf eine Vergütung für die vertragsgemäss erbrachten QS-Massnahmen ist in der genannten Konstellation auch ein Ersatzanspruch für die vereinbarten oder tatsächlich notwendigen Investitionen, die der Zulieferer für den konkreten Fall getätigt hat (sog. vertragszweckbedingte transaktionsspezifische Investitionen67), zu bejahen68. In der Regel dürfte dieser Ersatzanspruch nach dem Willen der Parteien indessen in die für die QS-Massnahmen zu bezahlende Vergütung integriert sein69. 65 66 67 68 69 (FN 4), 168 und 170 ff.; wohl auch Ensthaler, Gemeinschaftskommentar (FN 11), nach § 377 HGB N 43 (im Zusammenhang mit Dokumentationsregelungen in QS-Vereinbarungen). Gl.M. Grob (FN 4), 172, FN 130; Walter Fellmann, Berner Kommentar, VI/2/4, Bern 1992, Art. 394 N 369 f. m.w.H., welcher darauf hinweist, dass die Vergütung in solchen Fällen gewöhnlich als «üblich» zu bezeichnen ist. Siehe Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 244 f. Siehe dazu von der Crone (FN 58), 254 ff. und 277 ff.; Grob (FN 4), 170 f. Dabei ist mit von der Crone (FN 58, 311 ff., insbesondere 320 f.) und Grob (FN 4, 171) von der Anwendbarkeit der Regeln der einfachen Gesellschaft auszugehen, die zu einem sachgerechteren Resultat führen als die Bestimmungen des Auftragsrechts (insbesondere Art. 402 Abs. 1 OR). Abzulehnen ist demgegenüber ein Entschädigungsanspruch für Investitionen, die auf einseitigen Entscheid des Zulieferers zurückgehen, vgl. von der Crone (FN 58), 320; Grob (FN 4), 170. Vgl. zu dieser Möglichkeit Rolf H. Weber, in: Heinrich Honsell/Nedim Peter Vogt/Wolfgang Wiegand (Hrsg.), Basler Kommentar, Obligationenrecht I, 4. A., Basel/Genf/München 2007, Art. 402 N 16; Fellmann (FN 65), Art. 402 N 64. AJP 03_2009.indb 258 Ohnehin dürfte die geschuldete Vergütung für die Pflicht des Zulieferers, ein QS-System zu unterhalten, kaum je als zusätzliches Fixum bezahlt werden, sondern von den Vertragsparteien regelmässig in die vereinbarten Stückpreise einberechnet werden70. Ist die QS-Vereinbarung daher in einen konkreten Liefervertrag integriert, d.h. beispielsweise in den Lieferbedingungen enthalten, oder wird sie zumindest im Zusammenhang mit einem oder mehreren bereits konkreten Lieferverträgen abgeschlossen, so besteht unseres Erachtens die Vermutung, dass die Vergütung für die vereinbarten QS-Massnahmen durch den Werklohn (bzw. Kaufpreis) abgegolten ist71. 7. Auflösung von QS-Vereinbarungen Verletzt der Zulieferer qualitätssichernde Pflichten, die lediglich für einen einzelnen, konkreten Beschaffungsvertrag vereinbart wurden, und hat diese Vertragsverletzung die Mangelhaftigkeit des Produktes zur Folge, so führt dies vorab zur Anwendbarkeit der Gewährleistungsbestimmungen des entsprechenden Vertragstyps (dazu nachfolgend Ziff. 9.3)72. Die Verletzung von produktbezogenen Pflichten kann unter Umständen aber auch die Auflösung des betreffenden Beschaffungsvertrages rechtfertigen73, und zwar gestützt auf die auf den Beschaffungsvertrag anwendbaren Bestimmungen74. Gleiches gilt auch für die Verletzung von Pflichten, die nicht produktbezogen sind75 und deren Nichtbeachtung deshalb keinen Produktmangel zur Folge haben. Verletzt der Zulieferer demgegenüber qualitätssichernde Pflichten, die in einer eigenständigen, als Rahmenvertrag zu qualifizierenden QS-Vereinbarung und damit für eine Vielzahl von Beschaffungsverträgen oder gar unabhängig von solchen festgelegt wurden (vgl. vorstehend Ziff. 2), so stellt sich die Frage, nach welchen Bestimmungen sich das Recht zur Auflösung der QS-Vereinbarung beurteilt76. Aufgrund der Natur der QS-Vereinbarung als Dauerschuldverhältnis kommt nur ein Kündigungsrecht, nicht aber ein Rücktrittsrecht in Betracht77. Da QS-Vereinbarungen dar70 71 72 73 74 75 76 77 Merz, Produkthaftungshandbuch (FN 55), § 44 N 17. Vgl. auch Grob (FN 4), 172. Grob (FN 4), 173. A.M. wohl Grob (FN 4), 173. Wie vorstehend (Ziff. 5) ausgeführt, unterliegen Qualitätssicherungsmassnahmen, die für einen Einzelvertrag vereinbart wurden, grundsätzlich dessen Bestimmungen. Als Grundlage für die Vertragsauflösung kann beispielsweise Art. 366 Abs. 2 OR dienen. Beispielsweise Informations- und Dokumentationspflichten. Die Verletzung von produktbezogenen Pflichten, die zur Mangelhaftigkeit des Produktes führt, ist gleich wie bei Einzelverträgen vorab nach den Gewährleistungsbestimmungen zu ahnden. Grob (FN 4), 173; Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 301. 10.3.2009 9:11:57 Uhr Qualitätssicherungsvereinbarungen AJP/PJA 3/2009 259 auf ausgerichtet sind, die Grundlagen für eine längerfristige Geschäftsbeziehung zu schaffen, befriedigt das jederzeitige Kündigungsrecht nach Auftragsrecht (Art. 404 OR) nicht. Aufgrund der gegebenen Interessenparallelität78 anerbietet sich vielmehr die Anwendung der Auflösungsregel der einfachen Gesellschaft79. Danach kann eine auf unbestimmte Dauer geschlossene QS-Vereinbarung mit einer Frist von sechs Monaten gekündigt werden (Art. 546 Abs. 1 OR)80. Daneben muss aber auch ein jederzeitiges Auflösungsrecht aus wichtigem Grund bejaht werden, das bei Dauerschuldverhältnissen allgemein gilt81. Die Auflösung einer QS-Vereinbarung führt nicht automatisch auch zur Beendigung bereits laufender Beschaffungsverträge. Eine solche wird sich aber in der Regel aufdrängen, da mit dem Verlust des Vertrauens in die Qualitätsfähigkeit des Zulieferers auch die Geschäftsgrundlage für einzelne Lieferverträge entfällt82. Haben es die Parteien versäumt, eine ausdrückliche Regelung für diesen Fall zu treffen83, ist durch Auslegung der einzelnen Beschaffungsverträge zu ermitteln, ob die Parteien beabsichtigten, deren Wirksamkeit vom Bestand der QS-Vereinbarung abhängig zu machen84. 8. Wechselwirkungen zwischen QS-Vereinbarungen und gesetzlichem Gewährleistungsrecht 8.1 Ausgangslage Das primäre Ziel von QS-Vereinbarungen besteht nach dem Gesagten regelmässig darin, mittels gezielter QS-Massnahmen bestmögliche Voraussetzungen zu schaffen, damit jeg78 79 80 81 82 83 84 Siehe dazu vorstehend Ziff. 5. Gl.M. Grob (FN 4), 173; von der Crone (FN 58), 323; Rolf H. Weber, Rahmenverträge als Mittel zur rechtlichen Ordnung langfristiger Geschäftsbeziehungen, ZSR 106/1987, I, 430. Art. 546 OR ist dispositiver Natur und kann deshalb vertraglich abgeändert werden. Wird indessen eine bestimmte vertragliche Mindestdauer vereinbart, so treffen die Parteien für die davon erfasste Zeit eine abschliessende Beendigungsordnung, die die Anwendung der ordentlichen gesetzlichen Kündigungsregel ausschliesst (BGE 106 II 229). BGE 128 III 429 m.w.H. Das Klageerfordernis gemäss Art. 545 Abs. 1 Ziff. 7 OR ist für QS-Vereinbarungen abzulehnen. Vgl. auch Weber, Rahmenverträge (FN 79), 430, der eine ausserordentliche Auflösung eines Rahmenvertrages aus wichtigem Grund z.B. bei permanenter Verletzung der Einzelverträge bejaht. Grob (FN 4), 174. Denkbar ist z.B., dass die Beschaffungsverträge auflösend bedingt geschlossen werden, vgl. Grob (FN 4), 174. Möglich ist aber auch eine Regelung, wonach bereits eingegangene Einzelverträge vollständig abgewickelt werden, und zwar mit bisherigem Vertragsinhalt und unter Zugrundelegung der Regelungen der QS-Vereinbarung. Grob (FN 4), 174. AJP 03_2009.indb 259 liche Arten von Qualitätsabweichungen vermieden werden können und das bestellte Produkt bei seiner Ablieferung letztlich vollumfänglich den vertraglich vereinbarten Eigenschaften entspricht (vgl. auch vorstehend Ziff. 3.1)85. Kein noch so durchdachtes QS-System vermag in der Praxis indessen die völlige Fehlerfreiheit der Produkte zu gewährleisten, weshalb immer wieder Mängel am zu liefernden Produkt zu Tage treten, welche durch eben diese QS-Massnahmen hätten verhindert werden sollen86. Die Ursachen für Mängel können dabei sehr vielfältig sein. Denkbar ist einerseits, dass das vereinbarte QS-System fehlerhaft bzw. unzureichend ist oder aber, dass es der Zulieferer mangelhaft umgesetzt hat. Daneben können aber auch gänzlich ausserhalb des QS-Systems anzusiedelnde Faktoren für die Fehlerhaftigkeit der Produkte mitursächlich sein87. In der Praxis ist es zumeist schwierig, die effektiv massgeblichen Fehlerquellen zu eruieren. Interessant und in der Schweizer Literatur bis anhin wenig diskutiert ist in diesem Zusammenhang die Frage, wer das Risiko für solche Mängel zu tragen hat, die trotz oder möglicherweise gerade infolge des vereinbarten QS-Systems eingetreten sind, und ob bzw. inwieweit sich der Zulieferer allenfalls durch den Nachweis einer vertragsgemässen Durchführung des vereinbarten QS-Systems von seiner Haftung entlasten kann88. Die nachfolgenden Ausführungen wollen diese Frage mit Blick auf das werkvertragliche Gewährleistungsrecht im Sinne von Art. 367 ff. OR näher beleuchten. Da die Pflicht des Zulieferers zur Ablieferung mangelfreier Ware nach der Konzeption des schweizerischen Obligationenrechts als verschuldensunabhängige Garantiehaftung ausgestaltet ist, ist diese Anspruchsgrundlage für den Besteller äusserst interessant. Gleichzeitig birgt die Gewährleistungspflicht für den Zulieferer ein nicht zu unterschätzendes Haftungsrisiko. Es würde den Rahmen des vorliegenden Aufsatzes sprengen, auch die Aspekte der verschuldensabhängigen Vertragshaftung sowie der ausservertraglichen Haftung, insbesondere der Produktehaftpflicht, in die Untersuchung miteinzubeziehen. Es sei diesbezüglich auf die einschlägige Literatur verwiesen89. 85 86 87 88 89 Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 196; Peter Gauch, Der Werkvertrag, 4. A., Zürich 1996, N 2560; Hess/Werk (FN 7), 242. Grob (FN 4), 41. Ensthaler, Gemeinschaftskommentar (FN 11), nach § 377 HGB N 18. Grob (FN 4), 176. Vgl. insb. Hess/Werk (FN 7), 256; zum deutschen Recht vgl. sodann auch Quittnat (FN 15), 571 ff.; Teichler (FN 2), 428 ff.; Merz, Produkthaftungshandbuch (FN 55), § 44 N 27 ff.; Ensthaler, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 21), 817 ff. 10.3.2009 9:11:57 Uhr N a t h a l i e Vo s e r / S o n j a S t a r k - Tr a b e r / A n d r e a D o r j e e - G o o d AJP/PJA 3/2009 260 8.2 Übersicht über das werkvertragliche Gewährleistungsrecht 8.2.1 Allgemeines Ähnlich wie im Kaufvertragsrecht (Art. 197 ff. OR) gilt auch im Werkvertragsrecht eine verschuldensunabhängige Garantiehaftung des Unternehmers für allfällige Werkmängel im Zeitpunkt der Ablieferung (vgl. Art. 367 ff. OR)90. Mit einem überwiegenden Teil der Lehre ist davon auszugehen, dass sich die kaufvertraglichen Gewährleistungsbestimmungen nach Art. 197 OR und die werkvertraglichen Bestimmungen nach Art. 368 OR hinsichtlich des Mangelbegriffes und der Prüfungs- und Rügeobliegenheiten weitgehend entsprechen. Die unterschiedliche Formulierung des Sachmangel- bzw. Fehlerbegriffs in den entsprechenden Bestimmungen hat im Ergebnis daher kaum praktische Relevanz91. Entsprechend sind auch allfällige Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen Werklieferungs- und Kaufvertrag mit Blick auf die Gewährleistungspflicht des Zulieferers nur von untergeordneter Bedeutung (vgl. vorstehend die einleitenden Bemerkungen in Ziff. 1)92. 8.2.2 Der Begriff des Werkmangels Art. 368 OR unterscheidet zwischen «erheblichen Mängeln» und sonstigen Abweichungen vom Vertrag, die das Werk für den Besteller unbrauchbar machen oder aufgrund welcher ihm die Annahme des Werkes billigerweise nicht zugemutet werden kann. Ungeachtet dieser Differenzierung handelt es sich bei einem Werkmangel nach schweizerischer Rechtsauffassung ganz allgemein um einen vertragswidrigen Zustand, der darin besteht, dass der gelieferten Ware eine vertraglich geforderte Eigenschaft fehlt, sei diese vertraglich vereinbart bzw. zugesichert oder aber vertraglich vorausgesetzt93. Vertraglich vorausgesetzt sind Eigenschaften, welche von den Parteien zwar nicht besonders vereinbart wurden, deren Vorhandensein der Besteller im Sinne einer gewöhnlich vorausgesetzten Beschaffenheit aufgrund des Vertrauensprinzips jedoch erwarten darf. Vereinbarte Eigenschaften sind demgegenüber Vertragsabreden, in denen die Parteien (ausdrück- lich oder konkludent) übereinkommen, dass das geschuldete Werk bestimmte Eigenschaften aufweisen muss. Daraus ergibt sich, dass immer dann ein Werkmangel vorliegt, wenn die «Ist-Beschaffenheit» des Werkes nicht mit der «Soll-Beschaffenheit» übereinstimmt, sei diese nun vertraglich festgelegt oder vorausgesetzt94. Die Frage, was ein Mangel im Rechtssinne darstellt, hängt damit jeweils vom konkreten Vertrag ab und fällt nicht notwendigerweise mit dem zusammen, was unter technischen Gesichtspunkten als «Mangel» anzusehen ist95. Ein Mangel kann beispielsweise körperlicher, ästhetischer oder auch wirtschaftlicher Natur sein (z.B. zu hoher Energieverbrauch). Sodann wird gemeinhin anerkannt, dass auch ausserhalb der physischen und technischen Beschaffenheit liegende Sachverhalte für die Sachmängelhaftung relevante Eigenschaften sein können96. Erfasst werden beispielsweise auch innere Eigenschaften (z.B. Funktionsfähigkeit, Sparsamkeit oder Unterhaltsfreiheit)97. Kein Mangel liegt indessen vor, wenn ein völlig anderes Werk als das geschuldete geliefert wird (Aliudlieferung)98. 8.2.3 Die Mängelrüge Die Gewährleistungspflicht setzt sowohl nach Kaufvertrag als auch nach Werkvertrag voraus, dass der Besteller die Sache, sobald es nach dem üblichen Geschäftsgang tunlich ist, prüft und dem Zulieferer allfällige Mängel unverzüglich anzeigt (vgl. Art. 201 OR und Art. 367 OR). Unterbleibt die Rüge offenkundiger Mängel, so gilt die Ware grundsätzlich als genehmigt und der Besteller verliert seine Mängelrechte. Versteckte Mängel, d.h. Mängel, die bei Abnahme und ordnungsmässiger Prüfung nicht erkennbar waren oder erst später zu Tage getreten sind, müssen sofort nach Entdecken gerügt werden (Art. 370 Abs. 3 OR). 94 95 96 90 91 92 93 Ausführlich zur werkvertraglichen Mängelhaftung Gauch (FN 85), N 1352 ff. Huegenin (FN 4), N 637; Honsell, Schweizerisches Obligationenrecht (FN 4), 281; für eine «eigenständige Begriffsbestimmung» des Werkmangels dagegen Gauch (FN 85), N 1352 ff. Honsell, Schweizerisches Obligationenrecht (FN 4), 281; Thomas Siegenthaler, Die Mängelhaftung bei der Lieferung von Maschinen: Nach schweizerischem Obligationenrecht und unter Berücksichtigung der Liefer- und Montagebedingungen des Vereins schweizerischer Maschinen-Industrieller, Diss. Zürich 2000, 19; Zindel/Pulver (FN 51), Art. 367 N 2; Grob (FN 4), 193; BGE 104 II 355. Gauch (FN 85), N 1356; Hürlimann/Siegenthaler (FN 4), Art. 367 OR N 3; Siegenthaler (FN 92), 19. AJP 03_2009.indb 260 97 98 Bühler (FN 55), Art. 368 N 28; vgl. auch Huguenin (FN 4), N 637: Werkmangel als Differenz zum vereinbarten Leistungsprogramm. Honsell, Schweizerisches Obligationenrecht (FN 4), 77 und 281; Hürlimann/Siegenthaler (FN 4), Art. 367 OR N 3; Gauch (FN 85), N 919 und 1357; Bühler (FN 55), Vorbemerkungen zu Art. 367–371 N 2; Grob (FN 4), 192. Grob (FN 4), 178. Gauch (FN 85), N 1358. Zur Abgrenzung Schlechterfüllung vs. Aliud vgl. Gauch (FN 85), N 1443 ff.; sehr weitgehend BGE 4C.204/2002 Erw. 5.1, wonach immer dann, wenn die Vertragsparteien das Vertragsobjekt detailliert definieren, das Fehlen eines Elementes dieser Definition zur Folge hat, dass dieses als aliud zu qualifizieren ist. Diese Auffassung ist u.E. abzulehnen, zumal das vertragliche Gewährleistungsrecht gerade im Anwendungsbereich von QS-Vereinbarungen, welche oft umfassende Produktspezifikationen enthalten, andernfalls weitgehend obsolet würde. Nach herrschender Lehre treten bei einer Aliudlieferung ausschliesslich die Rechtsfolgen der Nichterfüllung bzw. der nicht gehörigen Erfüllung nach Art. 97 ff OR ein und nicht diejenigen der Gewährleistung; vgl. Bühler (FN 55), Art. 368 N 35. 10.3.2009 9:11:58 Uhr Qualitätssicherungsvereinbarungen AJP/PJA 3/2009 261 8.2.4 Die einzelnen Mängelrechte Die einzelnen Mängelrechte des Bestellers ergeben sich aus Art. 368 OR. Es sind dies Nachbesserung, Wandelung, Minderung und Schadenersatz99. 8.3 Auswirkungen von QS-Vereinbarungen auf die werkvertragliche Mängelhaftung 8.3.1 Allgemeines Aufgrund des Werklieferungsvertrages verpflichtet sich der Zulieferer zur Produktion und Ablieferung eines näher spezifizierten Werkes bzw. Produktes. Im Rahmen von QS-Vereinbarungen bzw. den zugehörigen Spezifikationsvereinbarungen werden die einzelnen Qualitätsmerkmale, welchen das zu liefernde Produkt entsprechen soll, von den Parteien mehr oder weniger umfassend festgelegt (sog. Spezifikationen, vgl. vorstehend Ziff. 4.2). Gleichzeitig wird der Zulieferer im Rahmen von QS-Vereinbarungen regelmässig zur Einrichtung und Aufrechterhaltung eines bestimmten QSSystems verpflichtet, welches sich in aller Regel allein auf die Ausgestaltung des Fertigungs- und Qualitätsprüfungsverfahrens bezieht, um sicherzustellen, dass das zu liefernde Produkt letztlich tatsächlich den vereinbarten Qualitätsmerkmalen entspricht. Für die Behandlung der Auswirkungen von QS-Vereinbarungen auf das Gewährleistungsrecht sollten die produktbezogenen QS-Vereinbarungen (Spezifikationen bzw. Qualitätsmerkmale des zu liefernden Produktes) einerseits und die verfahrensbezogenen QS-Vereinbarungen (einzelne QS-Massnahmen bzw. QS-System) andererseits grundsätzlich stets auseinander gehalten werden, da es jeweils um einen ihrer Natur nach grundsätzlich anderen Regelungsinhalt geht100. In der Praxis lässt sich die Grenze zwischen verfahrens- und produktbezogenen Vorgaben allerdings kaum je ganz klar ziehen101. Auch wenn der Abschluss von QS-Vereinbarungen zweifellos zu einer stärkeren Zusammenarbeit der Vertragspartner führt, als es dem klassischen Austausch- oder Werklieferungsvertrag entspricht, rechtfertigt eine entsprechende Vereinbarung, wie nachfolgende Ausführungen zeigen wer- 99 100 101 Für weitergehende Ausführungen zu den werkvertraglichen Mängelrechten vgl. Gauch (FN 85), N 1352 ff. Merz, Produkthaftungshandbuch (FN 55), § 45 N 1 ff. Dabei ist im Einzelfall zu untersuchen, wie detailliert die Parteien die Anforderungen an das QS-System definiert haben. Denkbar ist, dass die Parteien sich lediglich auf die Einführung und Aufrechterhaltung eines «geeigneten» QS-Systems geeinigt haben, auf ein genormtes QS-System (z.B. durch Bezugnahme auf den umfassende Regelungswert der DIN ISO 9000 bis 9004) oder aber die Parteien arbeiten gemeinsam ein detailliertes fallspezifisches QS-System aus. Ausführlich Merz, Produkthaftungshandbuch (FN 55), § 44 N 6 ff. AJP 03_2009.indb 261 den, unseres Erachtens keine prinzipielle Verdrängung des klassischen Gewährleistungsrechts102. Indessen lässt der Abschluss von QS-Vereinbarungen das werkvertragliche Gewährleistungsrecht nicht gänzlich unberührt. Häufig erfährt das Gewährleistungsrecht im Rahmen von QS-Vereinbarungen sodann eine umfassende Regelung, sei es, dass die dispositiven gesetzlichen Bestimmungen modifiziert werden oder dass deren Anwendbarkeit gänzlich ausgeschlossen wird. So wird namentlich die Wareneingangskontrolle des Bestellers häufig auf den Zulieferer vorverlagert (vgl. vorstehend Ziff. 4.6)103. Überdies wird der Zulieferer regelmässig versucht sein, seine Haftung für verbleibende Mängel im Rahmen von QS-Vereinbarungen soweit als möglich auszuschliessen (vorstehend Ziff. 3.4)104. Es versteht sich von selbst, dass entsprechende Individualabreden aufgrund des dispositiven Charakters der gesetzlichen Bestimmungen den nachfolgenden, allgemeinen Ausführungen vorgehen. 8.3.2 Gewährleistungspflicht trotz Einhaltung des vereinbarten QS-Systems? 8.3.2.1 Grundsatz: Die Pflicht zur Lieferung mängelfreier Produkte gilt unabhängig vom Vorliegen einer QS-Vereinbarung Die Kernfrage im Rahmen der Wechselwirkung zwischen QS-Vereinbarungen und werkvertraglichem Gewährleistungsrecht ist, ob dem Besteller auch dann Gewährleistungsansprüche offenstehen, wenn der Zulieferer sämtliche verfahrensbezogenen Vorgaben der QS-Vereinbarung eingehalten hat, die abgelieferte Ware aber dennoch einen Mangel aufweist und somit nicht den vereinbarten produktbezogenen Qualitätsmerkmalen entspricht, oder ob sich der Zulieferer diesfalls durch den Nachweis der Befolgung des vereinbarten QS-Systems von seiner vertraglichen Mängelhaftung befreien kann. Auf den ersten Blick könnte man dem Gedanken verfallen, dass die Festlegung der vom Zulieferer zu erbringenden QS-Massnahmen das Gewährleistungsrecht verdrängt, zumal der Besteller durch sein Einverständnis bzw. allenfalls seine eigenen Vorgaben hinsichtlich der anzuwendenden QSMassnahmen implizit zu erkennen gibt, dass er das Auftreten fehlerhafter Teile unter Einhaltung des entsprechenden QSSystems selbst nicht mehr für möglich hält. Daraus wieder- 102 103 104 Ebenso Franke (FN 2), 68; Gauch (FN 85), N 2560 f. Grob (FN 4), 157; Zindel/Pulver (FN 51), Art. 367 N 29; Schmidt (FN 11), 148; ebenso Quittnat (FN 15), 572. Für arglistig verschwiegene Mängel ist eine vertragliche Beschränkung oder Aufhebung der Haftung nach h.L. generell unzulässig (Art. 199 OR); vgl. Huguenin (FN 4), N 634; Bühler (FN 55), Art. 368 N 249; a.M. Honsell, Schweizerisches Obligationenrecht (FN 4), 290 f.; vgl. auch Hess/Werk (FN 7), 253 f. 10.3.2009 9:11:58 Uhr N a t h a l i e Vo s e r / S o n j a S t a r k - Tr a b e r / A n d r e a D o r j e e - G o o d AJP/PJA 3/2009 262 um könnte der Schluss gezogen werden, dass der Zulieferer für dennoch eintretende Mängel an der abgelieferten Ware nicht zu haften braucht, wenn er nachzuweisen vermag, dass er sich vollumfänglich an das vertraglich vereinbarte QSSystem gehalten hat105. Eine solche pauschale Verdrängung des Gewährleistungsrechts durch die Vereinbarung eines QS-Systems oder einzelner QS-Massnahmen ist indessen abzulehnen. Vielmehr ist mit der überwiegenden Lehre vom Grundsatz auszugehen, dass die Pflicht zur Lieferung mängelfreier Ware unabhängig davon besteht, ob zwischen den Parteien eine QS-Vereinbarung abgeschlossen wurde106. Andernfalls würde der Abschluss einer QS-Vereinbarung indirekt implizieren, dass die Fertigungsprozesse durch Einhaltung entsprechender QS-Massnahmen 100 %ig sicher gestaltet werden und folglich letztlich eine Nullfehlerquote erzielt werden könnte, was indessen nicht der Realität entspricht107. In aller Regel kann sich der Zulieferer deshalb nicht durch den Nachweis, dass er das vereinbarte QS-System eingehalten hat, von seiner Pflicht zur Lieferung mängelfreier Ware entlasten108. Produktmängel, welche trotz des vereinbarten Qualitätssicherungssystems eintreten, unterliegen deshalb grundsätzlich weiterhin der Untersuchungs- und Rügepflicht109. Anders lautende Vereinbarungen der Parteien bleiben selbstverständlich vorbehalten110. 8.3.2.2 Ausnahme: Einschränkung der Gewährleistungspflicht infolge Mitverantwortung des Bestellers 8.3.2.2.1 Allgemeines Auch bei Geltung des soeben dargelegten Grundsatzes muss indessen berücksichtigt werden, dass die beim abgelieferten Produkt festgestellte Abweichung der Ist-Beschaffenheit von der Soll-Beschaffenheit auf unterschiedliche Ursachen zurückzuführen sein kann. Wie bereits dargelegt wurde (vgl. Ziff. 8.1 vorstehend), können sich die aufgetretenen Mängel 105 106 107 108 109 110 Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 265. Franke (FN 2), 68; ebenso Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 265 f., mit dem Hinweis, dass auch das Argument der doppelten Vergütung (für die Herstellung des Sachgutes einerseits und die Qualitätssicherungsleistung andererseits) gegen eine Beschränkung auf die Haftung für die Qualität des QS-Systems spricht. Merz, Produkthaftungshandbuch (FN 55), § 44 N 22. Gauch (FN 85), N 2560; Henninger (FN 6), 65. Ensthaler, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 21), 820. So wäre beispielsweise eine Abrede, wonach der Zulieferer nicht verpflichtet ist, mängelfreie Ware zu liefern, sondern einzig, das vereinbarte QS-System zu befolgen, durchaus denkbar. Allein aufgrund des Umstandes, dass sich der Lieferant zur Durchführung einzelner QS-Massnahmen verpflichtet hat, darf indessen nicht auf eine solche (stillschweigende) Abrede geschlossen werden; vgl. Gauch (FN 85), N 2561. AJP 03_2009.indb 262 am gelieferten Produkt namentlich deshalb eingestellt haben, weil das vereinbarte QS-System von den Parteien unzureichend ausgestaltet wurde. Denkbar ist aber auch, dass die Mängel gerade durch die Einhaltung eines vom Besteller abverlangten QS-Systems bedingt sind111. Haben sich Mängel gerade deshalb eingestellt, weil der Zulieferer sich an gemeinsam vereinbarte oder allenfalls vom Besteller alleine aufgezwungene QS-Massnahmen gehalten hat, wäre es in der Regel stossend, wenn sich der Besteller bei Mängeln an der gelieferten Ware auf die Alleinverantwortlichkeit des Zulieferers berufen könnte112. Je weitreichender die Einwirkungsherrschaft des Bestellers ist, umso weitreichender muss nach dem Grundsatz der Parallelität von Herrschaft und Haftung deshalb auch seine Mitverantwortung für eingetretene Mängel sein113. 8.3.2.2.2 Einschränkung der Gewährleistung infolge Anweisung Erteilt der Besteller im Rahmen der QS-Vereinbarung verbindlich Anweisungen, wie der Zulieferer das Werk in dieser oder jener Hinsicht auszuführen bzw. eine Ware herzustellen hat, so handelt es sich aus Sicht des Schweizer Rechts regelmässig um werkvertragliche Ausführungsanweisungen im Sinne von Art. 369 OR. Resultiert aus der Befolgung einer derartigen Weisung (z.B. über das anzuwendende Arbeitsverfahren, den zu verwendenden Werkstoff oder den Beizug eines bestimmten Subunternehmers) folglich ein Mangel, so kann der Zulieferer nach Massgabe des Art. 369 OR von seiner Gewährleistungspflicht befreit sein. Es muss jedoch stets im Einzelfall geprüft werden, ob sich die Einflussnahme des Bestellers effektiv auf den eingetretenen Sachmangel ausgewirkt hat. Wird ein Sachmangel beispielsweise aufgrund des vom Besteller angeordneten Sicherungskonzepts lediglich nicht frühzeitig aufgedeckt, so hat dies nicht ohne weiteres einen Verlust der Gewährleistungsansprüche zur Folge, da zwischen der Anweisung des Bestellers und der Mangelentstehung kein Kausalzusammenhang besteht114. Damit sich der Zulieferer entlasten kann, wird zudem vorausgesetzt, dass dieser den Besteller rechzeitig abgemahnt und unmissverständlich darauf hingewiesen hat, dass die erteilte Weisung seines Erachtens zu einem Werkmangel führen könnte und er die Verantwortung für die entsprechende Ausführung ablehne115. Nur ausnahmsweise, wenn die Weisung des Bestellers sachverständig erteilt wurde und der Zulieferer deren Fehler- 111 112 113 114 115 Vgl. auch Ensthaler, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 21), 820 f. Ensthaler, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 21), 820; Merz, Produkthaftungshandbuch (FN 55), § 44 N 25. Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 267; vgl. auch Merz, Produkthaftungshandbuch (FN 55), § 44 N 45. Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 280. Zindel/Pulver (FN 51), Art. 369 N 9. 10.3.2009 9:11:58 Uhr Qualitätssicherungsvereinbarungen AJP/PJA 3/2009 263 haftigkeit weder erkannt hat noch hat erkennen müssen, kann letzterer auch ohne Abmahnung von der Sachgewährleistung befreit sein. Als sachverständig gilt eine Weisung, wenn der Besteller oder sein Berater über jene fachlichen Kenntnisse verfügen, die es ihnen gestatten, die erteilten Weisungen auf ihre Richtigkeit hin zu durchschauen und ihre Fehlerhaftigkeit zu erkennen116. Indessen muss der Zulieferer den Besteller auch im Falle einer sachverständig erteilten Weisung unverzüglich abmahnen, nachdem er deren Fehlerhaftigkeit erkannt hat oder hätte erkennen müssen117. Schliesslich setzt ein haftungsausschliessendes Selbstverschulden des Bestellers im Sinne von Art. 369 OR nach h.L. voraus, dass die Verursachung des Mangels ausschliesslich dem Besteller zuzurechnen ist118. An dieser Voraussetzung fehlt es, wenn daneben auch Ursachen aus der Pflicht- und Risikosphäre des Unternehmers zur Entstehung des Mangels beigetragen haben119. Im Rahmen einvernehmlich festgelegter QS-Massnahmen trägt der Zulieferer in aller Regel ebenfalls zur Entstehung des Mangels bei und er dürfte sich deshalb kaum je gänzlich von der Gewährleistungspflicht befreien können. Durch die analoge Anwendung von Art. 99 Abs. 3 OR i.V.m. Art. 44 Abs. 1 OR kann der Zulieferer aber immerhin teilweise entlastet werden, soweit den Besteller ebenfalls ein gewisses Selbstverschulden trifft120. 8.3.2.2.3 Einschränkung der Gewährleistung infolge Datentransparenz Neben der Weisungsbefugnis des Bestellers führt namentlich auch die im Rahmen von QS-Vereinbarungen erhöhte Datentransparenz (siehe auch vorstehend Ziff. 4.4) häufig zu einer Mitverantwortung des Bestellers. Durch den erhöhten Informationsaustausch zwischen den Parteien befindet sich der Besteller regelmässig in einer im Vergleich zur gesetzlichen Regelung verbesserten Informationslage: Während er im Normalfall erst nach Ablieferung des Werkes eine Prüfung desselben vornehmen kann, erlauben es ihm die vereinbarten Informationsrechte, Mängel früher und leichter festzustellen121. Jede vorwerfbar nicht ausreichend verwertete Information (z.B. auch Erkenntnisse, die im Rahmen einer Auditierung erlangt werden oder hätten erlangt werden können), welche objektiv erkennbar auf Mängel im QS-System oder auf drohende bzw. bereits realisierte Qualitätsmängel hinweist, führt letztlich zu einer Mitverantwortung des Bestellers infolge Untätigkeit und entlastet im Ergebnis den Zulieferer von seiner alleinigen Haftung122. Insbesondere wird durch die dem Besteller eingeräumten Informationsrechte auch die Grenze zwischen erkennbaren und verborgenen Mängeln verschoben: Mängel, die aufgrund herkömmlicher Prüfung kaum feststellbar sind, können allenfalls aufgrund der dem Abnehmer verfügbaren Information erkennbar werden123. Daraus folgt, dass der Abnehmer dem Zulieferer ausnahmsweise124 noch vor der Ablieferung der Ware Mängel anzuzeigen hat, die er beispielsweise aufgrund eines durchgeführten Audits oder aufgrund von Prüfberichten des Zulieferers festgestellt hat oder hätte feststellen können. Andernfalls verliert er seine Mängelrechte125. 8.3.3 8.3.3.1 Allgemeines Nachdem vorstehend untersucht wurde, inwieweit der Zulieferer trotz Einhaltung des vereinbarten QS-Systems für die Mängelfreiheit seiner Produkte Gewähr zu leisten hat (vgl. vorstehend Ziff. 8.3.2), soll nachfolgend geprüft werden, welche Auswirkungen die Nichteinhaltung des vereinbarten QS-Systems auf die Gewährleistungspflichten des Zulieferers haben. In diesem Zusammenhang sind wiederum verschiedene Fallkonstellationen denkbar. Einerseits ist es möglich, dass das vereinbarte QS-System nicht eingehalten wurde und das vom Zulieferer abgelieferte Produkt darüber hinaus auch nicht den in der QS-Vereinbarung festgelegten Qualitätsanforderungen bezüglich Güte und Beschaffenheit entspricht (produktbezogene QS-Vereinbarungen, vgl. vorstehend Ziff. 8.3.1). Solche in den technischen Spezifikationen festgelegten Eigenschaftsmerkmale fliessen zweifellos in die Definition dessen ein, was nach dem Willen der Vertragsparteien als «mangelfreie Ware» anzusehen ist («Soll-Beschaffenheit»)126. Fehlen entsprechende produktbezogene Qualitätsmerkmale am gelieferten Produkt, liegt folglich ein mangelhaftes Produkt vor. Hinsichtlich der Gewährleistungspflichten des Zulieferers kann nichts anderes gelten als 123 116 117 118 119 120 121 122 Zindel/Pulver (FN 51), Art. 369 N 14. Hürlimann/Siegenthaler (FN 4), Art. 369 OR N 5. Zindel/Pulver (FN 51), Art. 369 N 3. Hürlimann/Siegenthaler (FN 4), Art. 369 OR N 7. Huguenin (FN 4), N 634; Hürlimann/Siegenthaler (FN 4), Art. 369 OR N 7. Merz, Produkthaftungshandbuch (FN 55), § 44 N 47. Parallelität von Informationsherrschaft und Haftung; vgl. auch Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 268; sie- AJP 03_2009.indb 263 Mängelhaftung infolge Nichteinhaltung des vereinbarten QS-Systems? 124 125 126 he auch 278; Merz, Produkthaftungshandbuch (FN 55), § 44 N 42 ff.; vgl. auch Peter Gauch, Garantie pour les défauts – Application par analogie de CO 200?, in: BR 1992, 96, der sich für eine analoge Anwendung von Art. 200 OR nach teleologischen Kriterien ausspricht. Merz, Produkthaftungshandbuch (FN 55), § 44 N 47; Ders., Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 297. Im Grundsatz besteht vor der Ablieferung des beendeten Werkes für den Besteller weder eine Prüfungs- noch eine Anzeigepflicht; vgl. Roman Bögli, Der Übergang von der Leistungspflicht zur Mängelhaftung beim Werkvertrag – Zeitpunkt und Voraussetzungen, Diss., St. Gallen 1996, N 140; Zindel/ Pulver (FN 51), Art. 367 N 5; BGE 4C.190/2003, E. 5.2. Überzeugend Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 297 ff.; Grob (FN 4), 158. Franke (FN 2), 69. 10.3.2009 9:11:59 Uhr N a t h a l i e Vo s e r / S o n j a S t a r k - Tr a b e r / A n d r e a D o r j e e - G o o d AJP/PJA 3/2009 264 bei Mängeln, die sich trotz Einhaltung des vereinbarten QSSystems eingestellt haben. Der Zulieferer hat vorbehaltlich eines Mitverschuldens des Bestellers deshalb vollumfänglich für die eingetretenen Mängel einzustehen; es kann insoweit auf die voranstehenden Ausführungen verwiesen werden (vgl. Ziff. 8.3.2). Vorbehalten bleiben sodann allfällige Schadenersatzansprüche infolge Nichteinhaltung des QS-Systems (vgl. sogleich). Schwieriger ist die Frage zu beantworten, ob der Besteller auch dann in den Genuss der Gewährleistungsrechte kommen soll, wenn er zwar ein einwandfreies Produkt erhält, mithin also die produktbezogenen Bestimmungen der QS-Vereinbarung eingehalten wurden, das vom Zulieferer im Rahmen des Herstellungsprozesses gemäss QS-Vereinbarung einzuhaltende QS-System (verfahrensbezogene QSVereinbarung, vgl. Ziff. 8.3.1 vorstehend) aber mangelhaft umgesetzt wird127. Dies kann beispielsweise dann zutreffen, wenn sich aus den abzuliefernden Dokumentationen ergibt, dass bestimmte Testverfahren nicht im vereinbarten Rahmen durchgeführt wurden (es fanden z.B. nur 10 anstatt wie vereinbart 50 Testläufe zur Überprüfung der Widerstandsfähigkeit eines Produktes statt), das abgelieferte Produkt aber dennoch die vereinbarte Widerstandsfähigkeit aufweist. Ob und in welchem Umfang den Zulieferer diesfalls eine Gewährleistungspflicht trifft, muss je nach Inhalt der konkreten QS-Vereinbarung gesondert bestimmt werden und hängt insbesondere davon ab, wie die entsprechende QS-Vereinbarung im Einzelfall rechtlich zu qualifizieren ist128. Wie im Folgenden dargelegt wird, sind verschiedene Lösungsansätze denkbar. 8.3.3.2 Verfahrensbezogene QS-Massnahmen als vereinbarte oder vorausgesetzte Eigenschaften Wie bereits dargelegt wurde (vgl. Ziff. 8.2.2), ist gemeinhin anerkannt, dass nicht nur die physische und technische Beschaffenheit des zu liefernden Produkts als relevante Eigenschaft von den Parteien vereinbart oder vorausgesetzt sein kann, sondern auch innere Eigenschaften129. In diesem Zusammenhang drängt sich die Frage auf, ob neben den im Rahmen von Spezifikationen festgelegten Produktanforderungen130 auch verfahrensbezogene Bestimmungen von QS-Vereinbarungen über unmittelbar fertigungsbezogene Vorgänge (Fertigungs-, Ablauforganisation und -planung), über Qualitätskontrollmechanismen (z.B. Prüfplanerstellung, Warenausgangskontrollen etc.) oder über den der Fertigung nachgelagerten Bereich (so z.B. im Zusammenhang mit der Art der Verpackung und der Lagerung, der Kennzeichnung der fertigen Lieferteile, Modalitäten der Anlieferung) Eigenschaften im Sinne von Art. 368 OR darstellen können131. Grundsätzlich ist es durchaus denkbar, dass auch der Umstand, wonach eine Sache unter Anwendung bestimmter QS-Massnahmen hergestellt werden soll, nach dem Willen der Parteien derart mit der Sache verknüpft wird, dass er zur Eigenschaft der Sache wird. Ob die QS-Massnahmen im Einzelfall auch tatsächlich vorausgesetzt werden durften bzw. zugesichert wurden, ist aufgrund des Vertrages und der konkreten Umstände des Einzelfalles zu entscheiden132. Namentlich wenn aus den Umständen des Vertragsschlusses für den Zulieferer klar erkennbar ist, dass die Einhaltung eines bestimmten QS-Systems aufgrund der individuellen Interessen des Bestellers einen massgebenden Einfluss auf den Wert oder die Gebrauchstauglichkeit der Lieferung hat, insbesondere etwa weil er das Produkt unter Hinweis auf die QSMassnahmen weiterverkaufen will, so muss die Anwendung der entsprechenden QS-Massnahmen als vorausgesetzte oder vereinbarte Eigenschaft gelten133. Die Parteien sind jedoch gut beraten, die Nichteinhaltung sämtlicher QS-Massnahmen ausdrücklich als Mangel im Sinne des Gewährleistungsrechts zu definieren und auf diese Weise das gesamte Qualitätsmanagement durch Vereinbarung der Mängelhaftung zu unterstellen, falls dies ihrem Willen entspricht134. Die blosse Bezugnahme im Vertrag der Parteien auf von der Industrie aufgestellte allgemeine Qualitätssicherungsnormen (z.B. ISO-Normen) berechtigt nach nicht unumstrittener Rechtsprechung des deutschen Bundesgerichtshofes – sofern keine besonderen Umstände dazukommen – indessen regelmässig nicht zur Annahme, der Zulieferer wolle für die Einhaltung dieser Normen im Sinne einer Zusicherung oder Eigenschaftsvereinbarung nach den Bestimmungen des Gewährleistungsrechts einstehen135. 8.3.3.3 Verfahrensbezogene QS-Massnahmen als vertragliche Haupt- oder Nebenpflichten Fehlt es an einer ausdrücklichen Vereinbarung und ist für den Zulieferer auch aus den Umständen des Vertragsschlusses 131 127 128 129 130 Ausführlich hierzu Merz, Produkthaftungshandbuch (FN 55), § 44 N 18 ff. Ausführlich hierzu Merz, Produkthaftungshandbuch (FN 55), § 44 N 18 ff. Grob (FN 4), 178. Die in Spezifikationen festgelegten Eigenschaftsmerkmale fliessen ohne weiteres in die Definition dessen ein, was nach dem Willen der Vertragsparteien als «mangelfreie Ware» anzusehen ist; vgl. auch Ziff. 4.2). AJP 03_2009.indb 264 132 133 134 135 Grob (FN 4), 176; Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 199 f. Grob (FN 4), 181. Grob (FN 4), 183; Siegenthaler (FN 92), 54. Beispiel nach Siegenthaler (FN 92), 54: «Diese Qualitätssicherungsvereinbarung ist Bestandteil der gültigen und vom Lieferer bestätigten Prüf- und Lieferspezifikationen». Kritiker wollen die Bezugnahme auf allgemeine technische Normen für eine schlüssige Eigenschaftszusicherung bereits genügen lassen; vgl. Birgit Franz, Qualitätssicherungsvereinbarungen und Produkthaftung, Diss., München 1994, 84 f. 10.3.2009 9:11:59 Uhr Qualitätssicherungsvereinbarungen AJP/PJA 3/2009 265 nicht klar erkennbar, dass die Einhaltung der QS-Massnahmen als vorausgesetzte Eigenschaft gelten soll, stellt die Einhaltung der entsprechenden Massnahmen unseres Erachtens in aller Regel lediglich eine vertragliche Pflicht dar, für deren Erfüllung der Zulieferer nach Art. 97 OR einzustehen hat. Ob es sich dabei um eine Haupt- oder eine blosse selbstständige Nebenpflicht handelt, ist aufgrund der Umstände des Einzelfalles zu entscheiden. Eine Hauptpflicht dürfte namentlich dann vorliegen, wenn die Pflicht zur Errichtung und Aufrechterhaltung eines QS-Systems unabhängig von einem konkreten Liefergeschäft besteht. Die Frage ist aber insofern von untergeordneter Bedeutung, als sich die Haftung in beiden Fällen nach Art. 97 OR richtet. Die Verletzung der entsprechenden Massnahmen führt diesfalls nicht zu einem Werkmangel am Produkt im vorne dargelegten Sinne und lässt die Bestimmungen über die Mängelhaftung unberührt. Dem Besteller stehen folglich regelmässig keine Gewährleistungsansprüche offen – zumindest soweit die Ware im Übrigen den vertraglich getroffenen Vereinbarungen entspricht – und der Zulieferer haftet nur, wenn ihn ein Verschulden trifft136 und ein Schaden eingetreten ist137. Soweit das vereinbarte QS-System indessen auch werkvertragliche Elemente enthält, wie beispielsweise eine Pflicht zur Dokumentation der vorgenommenen Massnahmen, ist eine selbständige werkvertragliche Gewährleistungspflicht gestützt auf die QS-Vereinbarung ausnahmsweise denkbar, so dass für den Besteller folglich zwei Anspruchssysteme gleichzeitig nebeneinander bestehen: Ansprüche aus der QSVereinbarung einerseits und Ansprüche aus dem Werklieferungsvertrag andererseits (differenziertes Gewährleistungssystem), wobei selbständige Gewährleistungsansprüche aus der QS-Vereinbarung namentlich in den Fällen interessant sind, in denen rein verfahrensbezogene Verhaltenspflichten der QS-Vereinbarung verletzt werden, ohne dass sich diese unmittelbar in Gestalt eines Produktemangels auswirken138. 8.4 Ersatz des Mangelfolgeschadens Gesondert muss schliesslich die Frage untersucht werden, ob auch für Mangelfolgeschäden – also für Schäden, die nicht im Mangel selbst gründen, aber auf das mangelhafte Produkt zurückzuführen sind139 – gehaftet wird. Sowohl Art. 208 136 137 138 139 Franke (FN 2), 68; ebenso Sina (FN 11), 332 f. Zur Verstärkung der Pflicht zur Einhaltung von QS-Massnahmen kann es sich daher aufdrängen, schadensunabhängige Konventionalstrafen für deren Nichteinhaltung zu vereinbaren. Ausführlich hierzu Merz, Produkthaftungshandbuch (FN 55), § 44 N 18 ff. Auf eine detaillierte Darlegung des Lehrmeinungsstreites hinsichtlich der Frage, welche Schäden nach schweizerischer Rechtsauffassung als Mangelschäden und welche als Mangelfolgeschäden qualifiziert werden müssen, wird vorliegend AJP 03_2009.indb 265 Abs. 3 OR als auch Art. 368 Abs. 1 OR setzen für eine entsprechende Haftung ein Verschulden des Zulieferers für die Mangelhaftigkeit des Werkes und damit ein pflichtwidriges Verhalten voraus. Wurde ein vereinbartes QS-System vom Zulieferer nicht eingehalten, dürfte dem Zulieferer eine Exkulpation in der Regel schwer fallen140. Demgegenüber lässt umgekehrt die Einhaltung des massgebenden QS-Systems die Vermutung entstehen, dass der Zulieferer seiner Sorgfaltspflicht nachgekommen ist und ihm somit kein Verschulden vorgeworfen werden kann. Dem Besteller steht es jedoch offen, nachzuweisen, dass der Zulieferer trotz Einhaltung der Qualitätssicherungsvereinbarung seine Sorgfaltspflichten verletzt und er folglich ein Recht auf Ersatz des Mangelfolgeschadens hat141. 9. Zusammenfassende Bemerkungen QS-Vereinbarungen werden in der Regel zwischen aufeinanderfolgenden Gliedern einer Wertschöpfungskette geschlossen, insbesondere im Rahmen industrieller Lieferbeziehungen. Sie verpflichten den Zulieferer zur Ergreifung gezielter Massnahmen zur Qualitätssicherung und bezwecken primär, Qualitätsabweichungen des bestellten Produktes von den vertraglich geschuldeten Eigenschaften möglichst zu vermeiden oder wenigstens deren frühzeitige Erkennbarkeit sicherzustellen. Die Einhaltung vereinbarter verfahrensbezogener QSMassnahmen bzw. des vereinbarten QS-Systems führt indessen grundsätzlich nicht zu einer Verdrängung des Gewährleistungsrechts, falls am gelieferten Endprodukt trotzdem Mängel auftreten (Nichteinhaltung von produktbezogenen QS-Vereinbarungen). Allerdings kann der Abschluss einer QS-Vereinbarung zu gewissen Modifikationen des gesetzlichen Gewährleistungsrechts führen, sei es durch Abänderung dispositiver gesetzlicher Gewährleistungsbestimmungen, sei es zufolge typischer Mitverantwortung des Bestellers. Daneben ist es denkbar, dass der Zulieferer ein grundsätzlich mangelfreies Endprodukt abliefert, gleichzeitig aber das vereinbarte QS-System bzw. die verfahrensbezogenen QS-Vereinbarungen, nicht eingehalten hat. Ob der Besteller auch in solchen Fällen Gewährleistungsansprüche geltend machen kann, hängt primär davon ab, ob die Einhaltung der QS-Massnahmen gestützt auf die konkreten Umstände des Einzelfalles als vereinbarte oder vorausgesetzte Eigenschaft des zu liefernden Produktes qualifiziert werden kann. 140 141 verzichtet. Es sei hierzu auf die Ausführungen in Honsell, Schweizerisches Obligationenrecht (FN 4), 104 ff. verwiesen. Grob (FN 4), 194. Henninger (FN 6), 65; Moser (FN 9), 191 f. 10.3.2009 9:11:59 Uhr N a t h a l i e Vo s e r / S o n j a S t a r k - Tr a b e r / A n d r e a D o r j e e - G o o d AJP/PJA 3/2009 266 Um möglichen Unklarheiten und Missverständnissen vorzubeugen, empfiehlt es sich im Ergebnis, die Bedeutung der vereinbarten qualitätssichernden Massnahmen hinsichtlich der Gewährleistungsansprüche vertraglich eindeutig zu regeln. Les conventions d’assurance qualité jouent aujourd’hui un rôle important dans le cadre des relations de livraison industrielles. Par de telles conventions, le fournisseur s’engage en premier lieu à prendre des mesures destinées à assurer la qualité. Celles-ci permettent d’écarter autant que possible des pertes de qualité sur le produit commandé et donc d’éviter, ou au moins reconnaître à temps, des écarts par rapport aux qualités dues par contrat. Outre le problème de la qualification juridique des conventions d’assurance qualité, la question de l’interaction avec la garantie légale en raison des défauts en particulier se pose quelle est la situation juridique si le produit livré présente des défauts malgré le respect des mesures d’assurance qualité convenues? Comment apprécier la responsabilité, si les mesures d’assurance qualité n’ont pas été respectées, mais qu’aucun défaut ne survient? Il faut de manière générale partir du principe que les conventions d’assurance qualité ne supplantent pas la garantie légale pour les défauts. Mais chaque cas particulier pourra appeler une solution différente. (trad. LT LAWTANK, Fribourg) AJP 03_2009.indb 266 10.3.2009 9:12:00 Uhr Retentionsrecht des Arbeitnehmers – Konsequenzen für den Arbeitgeber AJP/PJA 3/2009 Retentionsrecht des Arbeitnehmers – Konsequenzen für den Arbeitgeber ROLAND MÜLLER STEFAN RIEDER Prof. Dr. iur., Rechtsanwalt, Staad/SG M.A. HSG, St.Gallen 267 Arbeitsvertrag überlassen. Es erstaunt nicht, dass es in der Praxis oft zu Auseinandersetzungen über die Rückgabe solcher Gegenstände kommt, wie es zahlreiche kantonale und eidgenössische Gerichtsurteile belegen.1 Die Rechtslage scheint auf den ersten Blick klar: Gemäss Art. 339 Abs. 1 OR werden mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses alle Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis fällig. Dann hat jede Vertragspartei der anderen alles herauszugeben, was sie für die Dauer des Arbeitsverhältnisses von ihr oder Dritten für deren Rechnung erhalten hat.2 Explizit sieht Art. 339a Abs. 2 OR die Rückgabepflicht von Fahrzeugen und Fahrausweisen vor, soweit sie die Forderungen des Arbeitnehmers übersteigen. Jedoch bleiben allfällige Retentionsrechte der Vertragsparteien gemäss Art. 339a Abs. 3 OR ausdrücklich vorbehalten. Diese ausführliche gesetzliche Regelung dürfte wohl der Hauptgrund dafür sein, dass es zum Thema «Retentionsrecht des Arbeitnehmers» keine Spezialliteratur gibt und zur Beantwortung von allfälligen Fragen auf die zahlreiche Literatur zum Retentionsrecht im Allgemeinen zurückgegriffen werden muss. Inhaltsübersicht A. Einleitung I. Gesetzliche Regelung aber fehlende Spezialliteratur II. Vielfältige Retentionsprobleme 1. Übersicht über die Retentionsprobleme 2. Unberechtigte Retention 3. Unberechtigte Nutzung des Retentionsobjektes 4. Untergang oder Beschädigung des Retentionsobjektes 5. Die Haftung des retinierenden Arbeitnehmers B. Rechtsgrundlagen des Retentionsrechts I. Voraussetzungen des Retentionsrechts II. Unselbständiger Besitzer oder Besitzdiener C. Retentionsprobleme in der Praxis I. Retention eines Geschäftswagens als Beispiel 1. Ausgangslage des konkreten Falles 2. Gerichtliche Hinterlegung einer hinreichenden Sicherheit 3. Fortsetzung der Retention trotz Hinterlegung einer Sicherheit 4. Urteil und Rückgabe des Fahrzeuges ohne strafrechtliche Folgen II. Erkenntnisse aus dem konkreten Fall III. Verwertung eines retinierten, geleasten Geschäftswagen D. Zusammenfassung und Empfehlungen A. I. Einleitung II. Vielfältige Retentionsprobleme 1. Übersicht über die Retentionsprobleme In der Praxis kann das Retentionsrecht des Arbeitnehmers trotz der anscheinend klaren gesetzlichen Regelung zu vielerlei Problemen führen, die für den Arbeitgeber erhebliche Konsequenzen haben können. Dabei geht es hauptsächlich um die Frage, ob die Voraussetzungen eines Retentionsrechts gegeben sind und der zurückbehaltene Gegenstand überhaupt für eine Retention geeignet ist. Für den Arbeitgeber ist allerdings die Rechtsfrage, ob der Gegenstand rechtmässig oder unberechtigt retiniert wurde, sekundär. Ihm entstehen durch die Retention i.d.R. erhebliche Zusatzkosten, da der retinierte Gegenstand nicht mehr zur Verfügung steht. Allenfalls muss ein Ersatz beschafft werden, bis die Retention auf dem aufwändigen gerichtlichen Weg rückgängig gemacht werden kann. Im Überblick können folgende Retentionsprobleme unterschieden werden: 1 Gesetzliche Regelung aber fehlende Spezialliteratur In vielen Unternehmen werden Arbeitnehmern firmeneigene Muster, Geräte oder Fahrzeuge im Zusammenhang mit dem AJP 03_2009.indb 267 2 Z.B. ArbGer. ZH 28.2.2003, in: JAR 2004, 591–594; ArbGer. ZH 27.1.1995, in: ZR 97 (1998) Nr. 81, S. 193–195; App. BE 19.9.1962, in: ZBJV 1964, 127–130; KG ZG 30.12.1988, in: JAR 1989, 239–242; OGer. SO 3.6.1988, in: SJZ 1990, 287 f.; OGer. ZH 1.2.1996, in: JAR 1998, 256–261; BGE 4P.83/2003; BGE 67 II 20. Art. 339a OR. 10.3.2009 9:12:00 Uhr Roland Müller/Stefan Rieder AJP/PJA 3/2009 268 Abbildung 1: Darstellung der Retentionsprobleme Retentionsprobleme Retention nach dem Arbeitsverhältnis Retention während dem Arbeitsverhältnis Unberechtigte Retention – ZGB 927 – StGB 141 2. Unberechtigte Nutzung – SVG 94 Ziff. 2 Untergang oder Beschädigung – OR 321e – ZGB 890 – StGB 144 – StGB 172ter Unberechtigte Retention Sowohl während als auch nach dem Arbeitsverhältnis kann sich ergeben, dass der Arbeitnehmer nicht Besitzer sondern blosser Besitzdiener3 des Retentionsobjektes ist, weshalb er zur Retention gar nicht berechtigt ist.4 Dieses Problem dürfte wohl häufig vorkommen, zumal sich der Arbeitnehmer nicht für die Unterscheidung zwischen unselbständigem Besitzer und Besitzdiener interessiert. Er geht davon aus, dass er den Gegenstand «besitzt». Daher wird der Arbeitnehmer, der eine offene Forderung gegenüber seinem Arbeitgeber hat und zeitgleich «im Besitz» eines entsprechenden Wertgegenstandes ist, diesen ohne weiteres retinieren. Eine unberechtigte Retention kann aber beispielsweise auch dann entstehen, wenn zuerst eine berechtigte Retention vorliegt und als Abwehrmittel dagegen eine hinreichende Sicherheitsleistung gerichtlich hinterlegt wurde, der retinierte Gegenstand im Anschluss daran aber nicht zurückgegeben wird. 3 4 Der Besitzdiener ist nicht Besitzer, denn in Bezug auf die Sache hat er kein Recht gegen den Besitzer (Emil Stark, Berner Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht, 3. A., Bern 2001, N 34 zu Art. 919 ZGB). Beim Arbeitsvertrag kommt es für die Abgrenzung zum Besitzer darauf an, wie selbständig die Stellung des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber und Dritten ist (Paul Eitel/Ruth Arnet, Handkommentar zum Schweizerischen Privatrecht, Zürich 2007, N 3 zu Art. 919 ZGB). AJP 03_2009.indb 268 Unberechtigte Retention – ZGB 927 – StGB 141 Unberechtigte Nutzung – SVG 94 Ziff. 2 Untergang oder Beschädigung – OR 321e – ZGB 890 – StGB 144 – StGB 172ter Dieser Problematik kann mittels zivilrechtlichen und strafrechtlichen Lösungsansätzen begegnet werden. Zivilrechtlich steht die Klage aus Besitzentziehung nach Art. 927 ZGB zur Verfügung und nach Art. 141 StGB kann eine Strafklage wegen Sachentziehung Abhilfe schaffen. Verweigert der Arbeitnehmer die Rückgabe von Vermögenswerten an den Arbeitgeber, die er für die Dauer des Arbeitsverhältnisses erhalten hat, und ist die Retention von Beginn an unberechtigt, richtet sich die Haftung für allfällige daraus resultierende Schäden5 nach Art. 321e OR. Dabei ist zu bedenken, dass bei einer Haftung nach Art. 321e OR ihre Höhe von den Gerichten je nach Grad der Fahrlässigkeit auf ein, zwei oder drei Monatslöhne begrenzt und nur bei Vorsatz darüber hinausgegangen wird.6 3. Unberechtigte Nutzung des Retentionsobjektes Das Retentionsrecht umfasst grundsätzlich zwei Rechte: ein Zurückbehaltungsrecht und ein Verwertungsrecht. Sein Zweck ist, dem Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber zur Sicherung seiner Retentionsforderung ein Druckmittel zur Verfügung zu stellen. Der Arbeitnehmer ist im Rahmen der Retention berechtigt, das Retentionsobjekt bis zur Begleichung der Forderung zurückzubehalten, nicht aber es 5 6 Beispielsweise die Kosten für einen Ersatzgeschäftswagen. Vgl. Roland Müller, Aktuelle Rechtsprechung zur Haftung des Arbeitnehmers, ArbR 2006, 38 f. 10.3.2009 9:12:00 Uhr Retentionsrecht des Arbeitnehmers – Konsequenzen für den Arbeitgeber AJP/PJA 3/2009 269 zu nutzen. Damit ihm dies auch klar ist, sollte der Arbeitgeber nach Bekanntwerden der Retention unverzüglich und ausdrücklich ein Benützungsverbot aussprechen und ihn gleichzeitig auf die Verpflichtung zur angemessenen Nutzungsentschädigung hinweisen. Wenn der Arbeitnehmer den retinierten Gegenstand trotzdem nutzt, kann je nach Art des Retentionsobjektes gegen ihn vorgegangen werden. Wird beispielsweise ein Geschäftswagen retiniert und auch weiterhin benutzt, kann Art. 94 Ziff. 2 SVG als praktische Waffe für den Arbeitgeber herangezogen werden.7 Nach dieser Bestimmung wird auf Antrag mit Haft oder Busse bestraft, wer ein ihm anvertrautes Motorfahrzeug zu Fahrten verwendet, zu denen er offensichtlich nicht ermächtigt ist. Grundsätzlich kann eine angemessene Nutzungsentschädigung auf zwei verschiedenen Haftungsgrundlagen geltend gemacht werden: aufgrund von Art. 321e OR, der eine Haftung des retinierenden Arbeitnehmers für die Wertverminderung des Retentionsgegenstandes statuiert, andererseits kann der Arbeitnehmer hierfür auch nach Art. 890 Abs. 1 ZGB zur Verantwortung gezogen werden. Der Arbeitnehmer haftet als Retentionsgläubiger für eine Wertverminderung oder den Untergang der retinierten Vermögenswerte grundsätzlich gleich wie ein Faustpfandgläubiger nach Art. 890 ZGB.8 4. Untergang oder Beschädigung des Retentionsobjektes Der Retinierende ist verpflichtet, die zurückbehaltenen Sachen sorgfältig zu behandeln und so zu lagern, dass daran kein Schaden entsteht.9 Allerdings können durch die sorgfältige Aufbewahrung Kosten entstehen, vor allem ab einer gewissen Grösse der zurückbehaltenen Sache. Diese kann der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber zurückfordern. Die Höhe des Anspruches wird meist im Rahmen dessen liegen, was eine reguläre Drittaufbewahrung gekostet hätte. Wäre die Sache nicht beim Retinierenden untergebracht, müsste der Arbeitgeber eine andere Unterbringung bezahlen.10 Wenn der retinierte Gegenstand beschädigt wird oder gar untergeht, dann haftet der Arbeitnehmer hierfür entweder nach Art. 321e OR oder nach Art. 890 ZGB.11 Zusätz7 8 9 10 11 Zum Tatbestand von Art. 94 Ziff. 2 SVG vgl. Philippe Weissenberger, Gebrauchsanmassung von Motorfahrzeugen, in: AJP 1999, 31–40. Vgl. auch Karl Oftinger/Rolf Bär, Zürcher Kommentar, 3. A., Zürich 1981, N 159 zu Art. 895 ZGB, welche sich bei der Haftung im Rahmen des allgemeinen Retentionsrecht ebenfalls für die Anwendung von Art. 890 ZGB aussprechen. Corrado Rampini/Hermann Schulin/Peter Nedim Vogt, in: Honsell/Vogt/Wiegand (Hrsg.), Basler Kommentar, 3. A., Basel 2003, N 60 und 62 zu Art. 895 ZGB. Vgl. dazu OGer Luzern, Urteil vom 27. September 1961, in: ZBJV 1962, 201–202. Die Anwendung von Art. 890 ZGB beim Retentionsrecht wird in der Lehre einhellig bejaht. Vgl. dazu Thomas Bauer, in: Honsell/Vogt/Wiegand (Hrsg.), Basler Kommentar, 3. A., Basel 2003, N 3 zu Art. 890 ZGB; Karl Oftinger/Rolf Bär, Zürcher AJP 03_2009.indb 269 lich kann der Arbeitgeber auch strafrechtlich aufgrund von Art. 144 StGB oder Art. 173ter StGB gegen den Arbeitnehmer vorgehen. Für den Arbeitgeber ist eine Retention durch den Arbeitnehmer dann von Bedeutung, wenn der retinierte Gegenstand für den Geschäftsbetrieb unbedingt benötigt wird oder einen erheblichen Wert aufweist. Insbesondere gilt es zu beachten, dass ein Arbeitnehmer, selbst wenn sich seine Forderung lediglich auf ein paar tausend Franken beziffert, auch einen Gegenstand mit erheblichem Wert, etwa einen teuren Geschäftswagen, retinieren kann, wenn kein anderes geeignetes Retentionsobjekt zur Verfügung steht.12 5. Die Haftung des retinierenden Arbeitnehmers Während der Arbeitnehmer für Schäden aus der unberechtigten Retention nur aufgrund von Art. 321e OR haftet, kann er bei der unberechtigten Nutzung sowie beim Untergang oder Beschädigung des Retentionsobjektes sowohl aufgrund von Art. 321e OR als auch Art. 890 ZGB belangt werden. Die Haftung nach Art. 321e OR wird von den Gerichten in der Höhe je nach Grad der Fahrlässigkeit auf ein, zwei oder drei Monatslöhne begrenzt und nur bei Vorsatz wird darüber hinausgegangen.13 Im Rahmen von Art. 890 ZGB wird die Haftung des retinierenden Arbeitnehmers dagegen nicht begrenzt. Der Arbeitnehmer kann sich lediglich durch den Nachweis befreien, dass ihn am Untergang bzw. an der Wertverminderung des Retentionsgegenstandes kein Verschulden trifft. Der Arbeitgeber beruft sich also mit Vorteil auf Art. 890 ZGB, zumal die arbeitsvertragliche Haftung nach Art. 321e OR durch richterliches Ermessen begrenzt werden kann. Die Haftung nach Art. 890 ZGB stellt gegenüber derjenigen nach Art. 321e OR eine Überlagerung und Erweiterung dar, welche sich schematisch wie folgt darstellen lässt: Abb. 2: Darstellung der Haftung des retinierenden Arbeitnehmers Unberechtigte Retention OR 321e 12 13 Unberechtigte Nutzung OR 321e Untergang oder Beschädigung OR 321e ZGB 890 ZGB 890 Kommentar, 3. A., Zürich 1981, N 3 zu Art. 890 ZGB; Dieter Zobl, Berner Kommentar, Bern 1982, N 6 zu Art. 890 ZGB. ArbGer. ZH vom 27.1.1995 in: ZR 97 (1998) Nr. 81: Der beklagte Arbeitnehmer fuhr einen Mercedes-Benz 300 E als Geschäftswagen, welcher der Arbeitgeberin (Klägerin) gehörte. Mit Schlussrechnung vom 10. Juni 1993 verlangte die Klägerin die Rückgabe des Fahrzeugs. Der Beklagte behielt ihn und machte daran Retention geltend. Vgl. Roland Müller, Aktuelle Rechtsprechung zur Haftung des Arbeitnehmers, ArbR 2006, 38 f. 10.3.2009 9:12:01 Uhr Roland Müller/Stefan Rieder AJP/PJA 3/2009 270 B. Rechtsgrundlagen des Retentionsrechts I. Voraussetzungen des Retentionsrechts Die allgemeine Rückgabepflicht bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses gemäss Art. 339 Abs. 1 OR wird durch das in Art. 339a Abs. 3 OR vorbehaltene Retentionsrecht eingeschränkt. Im Rahmen des arbeitsvertraglichen Retentionsrechts gelten die allgemeinen Bestimmungen betreffend Retentionsrecht gemäss den Art. 895 ff. ZGB. Ein Arbeitnehmer kann demnach ein Retentionsrecht an beweglichen Sachen oder Wertpapieren, die dem Arbeitgeber gehören, ausüben, sofern nachfolgende Voraussetzungen kumulativ gegeben sind: 1. Der Arbeitnehmer hat eine fällige Forderung gegen den Arbeitgeber. 2. Er ist im Besitz von beweglichen Sachen oder Wertpapieren, die dem Arbeitgeber gehören. 3. Er hat diese beweglichen Sachen bzw. Wertpapiere mit dem Einverständnis des Arbeitgebers erhalten. 4. Er hat diese beweglichen Sachen bzw. Wertpapiere im Rahmen der Erfüllung des Arbeitsvertrages erhalten. Retinierbar ist also nur eine verwertbare fremde bewegliche Sache. Verwertbar ist eine Sache dann, wenn sie übertragbar, d.h. verkehrsfähig ist und einen Vermögenswert aufweist.14 Demnach sind Ausweise, Akten, Zeugnisse oder Schlüssel15 aufgrund fehlender Verwertbarkeit nicht retinierbar. Der Arbeitnehmer muss mit Willen des Arbeitgebers im Besitz des betreffenden Gegenstandes sein. Weiter muss eine Forderung bestehen, welche mit dem zurückbehaltenen Gegenstand im Zusammenhang steht, d.h. sie muss aus dem Arbeitsverhältnis, aufgrund dessen der Arbeitnehmer den Gegenstand zu Besitz erhalten hat, herrühren.16 Bei der Beurteilung dieser Voraussetzungen problematisch ist insbesondere die Frage, ob der Arbeitnehmer Besitzer des retinierten Gegenstandes ist. II. Unselbständiger Besitzer oder Besitzdiener Eine rechtmässige Retention durch den Arbeitnehmer kann nur erfolgen, wenn er Besitzer des Retentionsobjektes ist. Nach den Regeln des ZGB ist das derjenige, welcher die tatsächliche Gewalt über eine Sache innehat, wobei «Sachherrschaft» eine feste, auf Dauer berechnete Beziehung einer Person zu einer Sache bedeutet.17 Nach Art. 920 ZGB kann der Besitz selbstständig oder unselbständig sein. In aller Regel ist der Arbeitnehmer lediglich unselbständiger Besitzer, das heisst, dass er, nachdem ihm der selbständige Besitzer, der Arbeitgeber, den Besitz übertragen hat, diesen sozusagen stellvertretend ausübt. Häufig besitzt er den Gegenstand unmittelbar und kann darüber direkt verfügen. Neben den Formen des selbstständigen und unselbständigen Besitzes nach Art. 920 ZGB gibt es auch den Fall des Besitzdieners, in welchem ein Arbeitnehmer vom Arbeitgeber zwar Gewalt über einen Gegenstand erhält, aber im Gegensatz zum unselbständigen Besitzer keinerlei eigene Rechte am Gegenstand hat, er ist vielmehr verpflichtet, den Anweisungen des Arbeitgebers als Besitzer des Gegenstandes zu folgen. Wenn der Arbeitnehmer also blosser Besitzdiener ist, steht ihm kein Retentionsrecht zu. Die Frage, ob der Arbeitnehmer unselbständiger Besitzer oder Besitzdiener ist, beschäftigt auch die Gerichte regelmässig. Unter anderem musste entschieden werden, ob ein Arbeitnehmer von einem durch den Arbeitgeber geleasten Fahrzeug überhaupt Besitzer sein kann. Das Arbeitsgericht Zürich hatte einen Fall zu beurteilen, in welchem die Arbeitgeberin ein Auto für den ausschliesslichen Gebrauch durch den Arbeitnehmer geleast hat. Das Fahrzeug durfte unbestrittenermassen sowohl für geschäftliche als auch für private Zwecke benutzt werden. Weil der Arbeitnehmer das Fahrzeug nach freiem Ermessen benutzen durfte, war er unselbständiger Besitzer und nicht bloss Besitzdiener. Das Arbeitsgericht Zürich entschied mit Urteil vom 28. Februar 2003 folgerichtig, dass der Arbeitnehmer ein Retentionsrecht am Geschäftsfahrzeug geltend machen kann.18 Im Vergleich zum Arbeitnehmer, der den geleasten Geschäftswagen auch für Privatzwecke nutzen darf und somit unselbständiger Besitzer ist, hat ein Chauffeur, der den Lastwagen nur weisungsgemäss einsetzen darf, kein Retentionsrecht, weil er eben nur Besitzdiener ist.19 C. Retentionsprobleme in der Praxis I. Retention eines Geschäftswagens als Beispiel 1. Ausgangslage des konkreten Falles Rainer Renitent20 hatte seine juristischen Studien abgeschlossen und trat am 1. Januar 2007 eine Stelle als Verkaufsleiter 18 14 15 16 17 Vgl. Dieter Zobl, Berner Kommentar, Bern 2003, N 4 zu Art. 896 ZGB. Vgl. Chambre d’appel des prud’hommes du Canton de Genève, Urteil vom 13.2.2003, in: JAR 2004, 471 ff. Vgl. Oskar Brander, Das Retentionsrecht nach schweizerischem Zivilrecht, Diss., Zürich 1933, 87. Art. 919 Abs. 1 ZGB. AJP 03_2009.indb 270 19 20 JAR 2004, 591–594. Ullin Streiff/Adrian von Kaenel, Arbeitsvertrag, Praxiskommentar zu Art. 319–362 OR, 6. A., Zürich 2006, N 4 zu Art. 339a OR. Der Name des Arbeitnehmers wurde aus Gründen des Datenund Persönlichkeitsschutzes geändert, die Datumsangaben wurden zur Verdeutlichung der Problematik jedoch unverändert übernommen. 10.3.2009 9:12:01 Uhr Retentionsrecht des Arbeitnehmers – Konsequenzen für den Arbeitgeber AJP/PJA 3/2009 271 an. Für die Ausübung seiner Tätigkeit und auch zur privaten Nutzung wurde ihm ein repräsentativer Geschäftswagen zur Verfügung gestellt. Schon nach einem Jahr kündigte Rainer Renitent jedoch per 31. August 2008 das Arbeitsverhältnis. Es endete, ohne dass der Arbeitnehmer den vom Arbeitgeber geleasten Geschäftswagen zurückgegeben hätte. Nach schriftlicher Aufforderung (eingeschrieben und per E-Mail) des Arbeitgebers zur unverzüglichen Rückgabe macht Rainer Renitent unter Hinweis auf sein Retentionsrecht eine Lohnforderung und Ferienentschädigung in Höhe von rund CHF 11 100.– geltend. Die geltend gemachten Forderungen waren zwar offensichtlich übersetzt, doch dem Arbeitgeber blieb zur Wahrung seiner Rechte nichts anderes übrig, als einen Rechtsanwalt einzuschalten und die gerichtliche Herausgabe des retinierten Wagens zu verlangen. Ursprünglich hegte er die Hoffnung, dieser Prozess werde relativ rasch abgeschlossen sein, da es sich doch um ein arbeitsgerichtliches Verfahren handle. Dies sollte sich aber als verfehlt erweisen. 2. Gerichtliche Hinterlegung einer hinreichenden Sicherheit Weil der Arbeitgeber den Geschäftswagen im Hinblick auf die laufenden Leasingkosten möglichst rasch zurückerhalten wollte und die geltend gemachte Forderung bestritt, entschied sich der Rechtsanwalt für die gerichtliche Hinterlegung einer hinreichenden Sicherheitsleistung. Zuvor verbot er Rainer Renitent im Namen des Arbeitgebers ausdrücklich die weitere Nutzung des Geschäftswagens mit dem Hinweis auf eine angemessene Nutzungsentschädigung bei Missachtung des Benützungsverbotes. Grundsätzlich dient dem Arbeitgeber die Sicherstellung der geltend gemachten Forderung in erster Linie als geeignetes Abwehrmittel der Retention. Sobald die Forderung des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber oder einen Dritten hinreichend sichergestellt ist, darf der Arbeitnehmer den retinierten Gegenstand nicht mehr zurückbehalten und schon gar nicht verwerten.21 Falls die Sicherstellung nicht die ganze Forderung abdeckt, ist der Gläubiger verpflichtet, einen Teil der retinierten Sache zurückzugeben, sofern diese teilbar ist.22 Damit eine ausreichende Sicherstellung gewährleistet ist, muss die Forderung inklusive Zinsen und Kosten tatsächlich gerichtlich hinterlegt werden. Eine blosse persönliche Garantie des Arbeitgebers reicht nicht aus.23 Um eine Sicherheitsleistung hinterlegen zu können, ist vorab ein entsprechender Gerichtsbeschluss nötig. Dieser wiederum bedingt zuerst ein Gesuch an das örtlich und sachlich zuständige Gericht. Rainer Renitent hatte nach Er- 21 22 23 Art. 898 Abs. 1 ZGB; vgl. auch Rampini/Schulin/Vogt (FN 8), N 53 zu Art. 895 ZGB. Oftinger/Bär (FN 7), N 141 zu Art. 895 ZGB. Streiff/von Kaenel (FN 18), N 4 zu Art. 339a OR. AJP 03_2009.indb 271 halt des Benützungsverbotes vorsorglich seinen Wohnsitz in die französischsprachige Schweiz verlegt. Damit sollte dem Arbeitgeber wohl ein zusätzlicher Aufwand bei der Durchsetzung seines Anspruches verursacht werden. Doch der Rechtsvertreter des Arbeitgebers machte den Fall einer freiwilligen Gerichtsbarkeit im Sinne von Art. 11 GestG geltend und klagte beim Gericht am Sitz des Gesuchsstellers. Rainer Renitent bestritt vorab die örtliche und sachliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts sowie in einer zusätzlichen Prozessschrift die grundsätzliche Möglichkeit einer Sicherstellung. Dies führte zu weiteren Prozessverzögerungen und Anwaltskosten, musste doch auch zur zusätzlichen Prozesseingabe eine Stellungnahme abgegeben werden. Schliesslich verfügte das Gericht am 19.11.2007, knapp drei Monate nach Beginn der Retention, die Zulässigkeit der Hinterlegung einer hinreichenden Sicherheitsleistung. Im Gerichtsbeschluss wurde festgehalten, dass es sich bei der Hinterlegung tatsächlich um einen Anwendungsfall der freiwilligen Gerichtsbarkeit handle. Allerdings komme diese Gesetzesbestimmung nach ihrem Wortlaut nur zur Anwendung, «sofern das Gesetz nichts anderes bestimmt». Der Anspruch auf Hinterlegung einer Sicherheitsleistung wird aus Art. 898 ZGB hergeleitet, weshalb insbesondere zu prüfen war, ob es sich beim Gesuch um Hinterlegung einer Sicherheitsleistung, um eine Klage über dingliche Rechte an beweglichen Sachen im Sinn von Art. 20 GestG handelt. Dies wurde verneint, zumal Art. 20 GestG ausdrücklich von «Klagen» spricht, ein Hinweis dafür, dass eine Anwendung nur bei streitigen Angelegenheiten Anwendung findet. Zudem geht es bei der Hinterlegung einer Sicherheitsleistung nicht um einen materiellen Entscheid über ein dingliches Recht an einer beweglichen Sache. Die rechtlichen Erwägungen des Gerichts lassen erkennen, dass die örtliche und sachliche Zuständigkeit zur Hinterlegung einer Sicherheit im Falle einer Retention nicht leicht zu bestimmen ist. 3. Fortsetzung der Retention trotz Hinterlegung einer Sicherheit Nach Ablauf der Rechtsmittelfrist und Zugang der Rechtskraftbestätigung hinterlegte der Arbeitgeber am 17.12.2007 die Summe von rund CHF 20 000.– zur Sicherstellung aller möglichen Ansprüche des Arbeitnehmers. Doch Rainer Renitent machte geltend, der hinterlegte Betrag reiche zur Sicherstellung seiner Ansprüche nicht aus und liess sich trotz gerichtlicher Bestätigung der Hinterlegung am 20.12.2007 nicht davon abhalten, das Fahrzeug weiter zu behalten. Der Arbeitgeber hatte nun die Wahl, einen weiteren personell und finanziell aufwändigen Gerichtsprozess auf Herausgabe des Firmenwagens anzustrengen oder einen Teil der geltend gemachten Forderung zu bezahlen und so hoffentlich rasch wieder in den Besitz des Firmenwagens zu gelangen. Am 1.3.2008 wurde schliesslich eine aussergerichtliche Vereinbarung zwischen den Parteien geschlossen, wonach sich der Arbeitgeber zur Bezahlung eines Teilbetrages der geltend 10.3.2009 9:12:02 Uhr Roland Müller/Stefan Rieder AJP/PJA 3/2009 272 gemachten Forderung per saldo aller Ansprüche verpflichtete und Rainer Renitent die Rückgabe des Firmenwagens sowie die Freigabe der Sicherheitsleistung versprach. Die Forderung wurde im anerkannten Umfang fristgerecht vom Arbeitgeber bezahlt. Doch noch immer fühlte sich Rainer Renitent nicht verpflichtet, den Geschäftswagen herauszugeben. Nun machte er stattdessen plötzlich eine weitere Forderung von rund CHF 42 000.– wegen angeblich missbräuchlicher Kündigung geltend. Dem Arbeitgeber blieb deshalb nichts anderes übrig, als Strafklage gegen Rainer Renitent wegen Sachentziehung und zeitgleich ein zivilrechtliches Gesuch um vorsorgliche Massnahmen wegen Besitzesentziehung am 31.3.2008 einzureichen. 4. Urteil und Rückgabe des Fahrzeuges ohne strafrechtliche Folgen Aufgrund der zivilrechtlichen Klage wurde Rainer Renitent mit richterlichem Entscheid vom 13. Mai 2008 angewiesen, den Geschäftswagen bis zum 19. Mai 2008 herauszugeben. Nachdem Rainer Renitent dagegen zuerst das Rechtsmittel der Appellation ergriffen, dann jedoch wieder zurückgezogen hatte, retournierte er am 19. Juni 2008 endlich das bis auf einige Kratzer unbeschädigte Firmenfahrzeug. Die Kosten des Gerichtsentscheides und die ausseramtliche Entschädigung an den Rechtsanwalt des Arbeitgebers bezahlte er ohne weiteres. Am 22.10.2008 stellte die Staatsanwaltschaft das Verfahren gegen Rainer Renitent unter Kostenfolge zu Lasten des Staates ein. Begründet wurde die Einstellungsverfügung damit, dass die gesetzliche Strafantragsfrist vom Arbeitgeber nicht eingehalten worden sei. Tatsächlich handelt es sich bei der Sachentziehung nach Art. 141 StGB um ein Antragsdelikt, weshalb der Strafantrag gemäss Art. 31 StGB innert drei Monaten seit dem Tag, an welchem der antragsberechtigten Person die Tat und der Täter bekannt sind, gestellt werden muss.24 Durch die Hinterlegung von CHF 20 000.– zur Sicherstellung aller möglicher Ansprüche des Arbeitnehmers, endete nach Auffassung der Staatsanwaltschaft die rechtmässige Retention schon am 20.12.200725, weshalb die Strafantragsfrist am 21.3.2008 abgelaufen sei. Im konkreten Fall hatte der Renitent aber vorerst die örtliche und sachliche Zuständigkeit des Gerichts bestritten, weshalb die Hinterlegung der Sicherheit erst am 29.1.2008 rechtswirksam wurde. Weil aber die Rechtmässigkeit der Hinterlegung auch hätte verneint werden können, kann für die Berechnung der Antragsfrist nicht das Datum der Hinterlegungsmitteilung, 24 25 Bei der Sachentziehung ist zu beachten, dass es sich nicht um ein Dauerdelikt handelt und die Frist somit nicht erst mit der Beendigung der Entziehung zu laufen beginnt (Philippe Weissenberger in: Honsell/Vogt/Wiegand (Hrsg.), Basler Kommentar, Strafrecht II, 2. A., Basel 2007, N 30 zu Art. 141 StGB). Datum der Bekanntgabe der Hinterlegung einer Sicherheitsleistung durch das zuständige Gericht. AJP 03_2009.indb 272 sondern erst dasjenige der Bekanntgabe der rechtmässigen Hinterlegung entscheidend sein. Der Arbeitgeber verzichtete jedoch auf die Ergreifung eines Rechtsmittels, um unnötige und nicht mehr einbringliche Kosten zu vermeiden. Da der Betrag von CHF 20 000.– noch immer gerichtlich hinterlegt war, war damit der Fall noch nicht abgeschlossen. Dem Arbeitgeber blieb nichts anderes übrig, als selbst eine negative Feststellungsklage einzureichen, um den gerichtlich hinterlegten Betrag zurückzuerhalten, da Rainer Renitent selbst keine Klage einreichte. Er verzichtete dabei vorsorglich auf die Geltendmachung der kleinen Schäden am Fahrzeug und der gefahrenen Zusatzkilometer. Jetzt zahlte sich der abgeschlossene Vergleich doch noch aus, denn Rainer Renitent konnte nun keine zusätzlichen Forderungen mehr geltend machen. Die als Sicherheit hinterlegten CHF 20 000.– wurden dem Arbeitgeber anschliessend zurückbezahlt, allerdings unverzinst. II. Erkenntnisse aus dem konkreten Fall Die Analyse des geschilderten Retentionsfalles zeigt, dass mit dem Retentionsrecht des Arbeitnehmers u.U. ernsthafte Konsequenzen für den Arbeitgeber verbunden sein können. Selbst die gerichtliche Hinterlegung eines Betrages, welcher weit über der geltend gemachten Forderung liegt, muss nicht zwingend dazu führen, dass der Arbeitgeber wieder in den Besitz des Retentionsobjektes gelangt. Dieser Fall veranschaulicht zudem die derzeit noch unbefriedigende Rechtswirkung von Vergleichen, welche sich hoffentlich mit der neuen schweizerischen ZPO ändern wird. Nach dem aktuellen Entwurf wird es gemäss Art. 345 die sog. vollstreckbare öffentliche Urkunde geben.26 Anstatt einer gewöhnlichen Vereinbarung, wie sie im vorliegenden Fall getroffen wurde, könnte zukünftig eine vollstreckbare öffentliche Urkunde abgefasst werden, in welcher eine ausdrückliche Anerkennung der unmittelbaren Vollstreckung durch die verpflichtete Partei festgehalten werden kann. Dann wäre kein materieller Entscheid mehr notwendig, weil die Vollstreckung aufgrund des Vergleiches bzw. der entsprechenden Urkunde verlangt werden könnte und die Durchsetzung von Besitzesansprüchen würde dadurch eine erhebliche Zeit- und Kostenreduktion erfahren. Die Retention durch den Arbeitnehmer hat im vorliegenden Fall dazu geführt, dass der Arbeitgeber eine Sicherheitsleistung von rund CHF 20 000.– erbringen und Gerichts- sowie Anwaltskosten in Höhe von über CHF 25 000.– ausgeben musste, um erst nach knapp 10 Monaten wieder in den Besitz des Geschäftswagens zu gelangen. Zudem musste er während der ganzen Zeit die laufenden Leasingkosten tragen, ohne daraus einen Nutzen ziehen zu können. Weitere Kosten sind im Zusammenhang mit dem Strafverfahren und der 26 Vgl. hierzu Dominik Gasser, Die Vollstreckung nach der Schweizerischen ZPO, in: Anwaltsrevue 2008, 340–346. 10.3.2009 9:12:02 Uhr Retentionsrecht des Arbeitnehmers – Konsequenzen für den Arbeitgeber AJP/PJA 3/2009 273 negativen Feststellungsklage zur Rückerstattung der hinterlegten Sicherheitsleistung angefallen. III. Verwertung eines retinierten, geleasten Geschäftswagen Im konkreten Retentionsfall stellte sich die Frage der Verwertungsmöglichkeit des retinierten Geschäftswagens nicht, weil der Arbeitgeber genügend Sicherheit leistete und Rainer Renitent den Geschäftswagen schliesslich unberechtigt retinierte. Insbesondere wenn es sich beim Retentionsgegenstand um ein geleastes Geschäftsfahrzeug handelt, ist die Verwertungsmöglichkeit von Bedeutung. Sofern der Arbeitnehmer wie im vorliegenden Retentionsfall nicht nur blosser Besitzdiener sondern Besitzer des Retentionsgegenstandes ist, kann er ihn auch verwerten. Dies gilt auch dann, wenn er weiss, dass der Geschäftswagen lediglich geleast ist.27 Vor diesem Hintergrund ist der Arbeitnehmer gutgläubig im Sinne von Art. 895 Abs. 3 ZGB und kann den retinierten Geschäftswagen in der Folge auch verwerten. Die Geltendmachung des Verwertungsrechts muss beim Retentionsrecht grundsätzlich durch Betreibung auf Faustpfandverwertung nach Art. 151 ff. SchKG erfolgen, zumal es sich beim Retentionsrecht um ein Besitzpfandrecht handelt und der Besitz des Retentionsgläubigers gleich geschützt ist wie derjenige des Faustpfandgläubigers.28 Bei einem geleasten Geschäftswagen hat dies zur Folge, dass der Leasinggeber die Stellung eines Dritteigentümers einnimmt. Will der Dritteigentümer die Verwertung des Retentionsgegenstandes verhindern, so hat er das Recht, den Gläubiger zu befriedigen und so die verpfändete Sache einzulösen. Dann kann er gegenüber dem Leasingnehmer Regress nehmen. Das Verwertungsverfahren richtet sich nach Art. 151 SchKG, sodass der Zahlungsbefehl auch an den Dritteigentümer auszustellen ist. Das ist i.d.R. kein Problem, da im Fahrzeugausweis vom Strassenverkehrsamt ein Hinweis auf die Leasinggesellschaft angebracht wird. Für die Leasinggesellschaft kann die Verwertung erhebliche negative Konsequenzen haben. Fraglich ist allerdings, ob dies in der Praxis überhaupt als Problem wahrgenommen wird, weil ein Arbeitgeber in aller Regel den geleasten Geschäftswagen so schnell als möglich wieder in seinem Besitz haben will und deshalb wohl Sicherheit für den Retentionsgegenstand leisten wird. Zudem ist ein geleaster Geschäftswagen dann nicht retentionstauglich und somit auch nicht verwertbar, wenn er dem Arbeitnehmer nicht zur privaten Nutzung überlassen wurde. Die Leasinggesellschaften sind jedenfalls gut beraten, im Leasingvertrag eine entsprechende Klausel aufzunehmen, dass der Arbeitgeber in einem Reten- 27 28 Vgl. Franz Studer, Das Retentionsrecht in der Zwangsvollstreckung, Diss., Zürich 2000, 29 f. Vgl. Dieter Zobl, Berner Kommentar, N 17 f. zu Art. 895 ZGB. AJP 03_2009.indb 273 tionsfall verpflichtet ist, umgehend eine hinreichende Sicherheit zu leisten, um die Verwertung zu verunmöglichen. D. Zusammenfassung und Empfehlungen Das Retentionsrecht des Arbeitnehmers kann für den Arbeitgeber unangenehme zeitliche und finanzielle Kosten haben. Leider lässt es sich nicht einfach ausschliessen, da es zwingender Natur und daher durch Vertrag nicht abänder- oder wegbedingbar ist.29 Das Retentionsrecht soll dem Arbeitnehmer ermöglichen, Druck auf den Arbeitgeber auszuüben und gleichzeitig verhindern, dass der Arbeitgeber den retinierten Gegenstand zurückverlangen kann, ohne die finanziellen Forderungen des Arbeitnehmers erfüllt oder anderweitig sichergestellt zu haben. Um dem Retentionsrecht seines Arbeitnehmers zumindest bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses auszuweichen, hat ein Arbeitgeber die Möglichkeit, den potentiellen Retentionsgegenstand bereits bei der Kündigung zurückzunehmen. Dies ist allerdings bei einem Geschäftswagen, der vom Arbeitnehmer auch für private Zwecke verwendet werden darf, nicht ohne weiteres möglich. In einem solchen Falle müsste der wegfallende private Nutzen bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses entschädigt werden. Es ist zulässig, in den Arbeitsvertrag eine Klausel aufzunehmen, wonach dem Arbeitnehmer in gekündigter Stellung keine private Nutzung des Geschäftwagens mehr zusteht. Dadurch wird der Arbeitnehmer in gekündigter Stellung automatisch zum Besitzdiener und eine rechtmässige Retention demzufolge ausgeschlossen. Gleichzeitig erlischt damit auch eine Verwertungsmöglichkeit, was bei geleasten Geschäftsfahrzeugen negative Konsequenzen für die Leasinggesellschaft ausschliesst. Wenn nach Inkrafttreten von Art. 345 der neuen Schweizer ZPO zukünftig eine Vereinbarung über die Rückgabe eines retinierten Gegenstandes zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber abgeschlossen wird, so sollte sie als vollstreckbare öffentliche Urkunde abgefasst werden. Dies wird die rechtliche Durchsetzung einer solchen Vereinbarung wesentlich vereinfachen, auch wenn die unangenehmen Konsequenzen einer Retention des Arbeitnehmers für den Arbeitgeber nicht vollständig verhindert werden können. Bei einer allfälligen Strafanzeige wegen Sachentziehung nach Art. 141 StGB ist zu beachten, dass es sich dabei um ein Antragsdelikt handelt, weshalb der Strafantrag gemäss Art. 31 StGB innert drei Monaten seit dem Tag, an welchem der Arbeitgeber von der unrechtmässigen Retention 29 Vgl. auch Adrian Staehelin/Frank Vischer, Zürcher Kommentar, 3. A., Zürich 1996, N 9 zu Art. 339a OR, und Streiff/ Von Kaenel (Fn 18), N 6 zu Art. 339a OR. 10.3.2009 9:12:02 Uhr Roland Müller/Stefan Rieder AJP/PJA 3/2009 274 Kenntnis hat, gestellt werden muss. Die Staatsanwaltschaft wird diesen Zeitpunkt sehr früh annehmen. Der Arbeitgeber ist deshalb gut beraten, den Zeitpunkt der Hinterlegung als massgebenden Zeitpunkt für die Berechnung der Antragsfrist zu verwenden. En pratique, la restitution des modèles, instruments, outils ou véhicules propres à l’entreprise lorsque les rapports de travail prennent fin donne souvent lieu à des discussions. L’art. 339a al. 3 CO accorde au travailleur un droit de rétention pour les créances découlant du rapport de travail; toutefois, il doit avoir obtenu la possession de l’objet grevé du droit de rétention par la volonté de l’employeur. Il est donc important en pratique de distinguer la position du travailleur en tant que possesseur ou simple auxiliaire de la possession. Comme le montre le cas de rétention traité, le droit de rétention du travailleur peut avoir des conséquences financières désagréables ou entraîner des coûts en termes de temps pour l’employeur. Comme le droit de rétention a un caractère impératif, il ne peut être exclu par contrat. L’employeur devrait dès lors reprendre les objets pouvant faire l’objet d’un droit de rétention dès la résiliation. Mais même lorsque le travailleur n’a pas le droit d’exercer de droit de rétention, un tel droit exercé à tort peut entraîner différents problèmes. Que le droit de rétention soit justifié ou non, l’employeur est confronté à des questions de responsabilité si l’objet du droit de rétention a été endommagé ou détruit. (trad. LT LAWTANK, Fribourg) AJP 03_2009.indb 274 10.3.2009 9:12:03 Uhr Restitution spontanée de fonds bloqués à des États défaillants: les cas Duvalier et Mobutu AJP/PJA 3/2009 Restitution spontanée de fonds bloqués à des États défaillants: les cas Duvalier et Mobutu SANDRINE GIROUD-ROTH LAURENT MOREILLON lic. iur., avocate, Lausanne Prof. Dr. iur., avocat, Doyen de la Faculté de droit de l’Université de Lausanne Plan I. Introduction II. Les affaires Duvalier et Mobutu A. L’affaire Duvalier B. L’affaire Mobutu III. Les récentes décisions Duvalier et Mobutu A. Les décisions des 2 juillet 2008 et 12 février 2009 B. Les décisions des 12 décembre 2008 et 25 février 2009 C. Deux États «défaillants» IV. La pratique suisse en matière de restitution spontanée de fonds à la lumière des récentes décisions Duvalier et Mobutu A. Cadre légal 1. Personnes exposées politiquement 2. La confiscation a. Absence de confiscation autonome b. La confiscation internationale c. La voie de l’entraide internationale 3. Le blocage «politique»: l’art. 184 al. 3 Cst. B. Les décisions Duvalier et Mobutu: un équilibre périlleux des intérêts juridiques en jeu 1. Garantie d’accès au juge 2. Respect du principe de la légalité a. Garantie de la propriété b. Bases légales fondant la restitution anticipée 3. Respect du principe de la proportionnalité 4. La charge du fardeau de la preuve au regard de la présomption d’innocence V. Propositions pour un projet de loi VI. Conclusion 2 juillet 20081 et 12 février 2009,2 de maintenir le blocage, respectivement de restituer, les fonds Duvalier à Haïti dans le cadre d’une nouvelle procédure d’entraide judiciaire. De même, dans une affaire remontant à 1997, le Conseil fédéral (CF) a décidé, en date des 12 décembre 20083 et 25 février 2009,4 de prolonger le blocage des fonds Mobutu, le dernier délai courant jusqu’au 30 avril 2009. Si ces décisions sont à saluer pour l’esprit de justice qui les anime, elles soulèvent toutefois certaines interrogations quant à leur légalité, notamment concernant le fameux renversement du fardeau de la preuve qu’elles mettent en œuvre, ainsi que l’utilisation répétée du blocage «politique». Elles ne sont cependant que le reflet d’une situation tenue par quelques bouts de ficelle en ce qui concerne la confiscation des avoirs des criminels internationaux lorsque des États «défaillants» sont impliqués. La législation et la jurisprudence dans ce domaine font clairement apparaître les lacunes de la réglementation suisse que les autorités d’application, animées des intentions les plus honorables, ne peuvent contourner qu’au prix d’acrobaties juridiques se concluant souvent par une pirouette politique. C’est pour mettre fin à cette situation que le Conseil fédéral (CF) a chargé le Département fédéral des affaires étrangères (DFAE) d’établir un projet de loi qui permette la confiscation des avoirs d’origine illicite de personnes exposées politiquement (PEP).5 Le présent article retrace d’abord l’historique des affaires Duvalier et Mobutu et explique le contenu des récentes décisions de l’OFJ et du CF y relatives. Il met ensuite en évidence les interrogations et les problèmes suscités par la pratique actuelle des autorités suisses en la matière et, à la lumière de ces deux affaires, en examine les conséquences sous l’angle des garanties caractérisant un État de droit. Enfin, il dessine quelques pistes de réflexion en vue de la rédaction du futur projet de loi. 1 2 3 4 I. Introduction 5 Dans un ultime rebondissement d’une saga qui date déjà de 1986, l’Office fédéral de la justice (OFJ) a décidé, en date des AJP 03_2009.indb 275 275 Communiqué de presse de l’OFJ du 2 juillet 2008, disponible à l’adresse électronique: http://www.bj.admin.ch/bj/fr/home/dokumentation/medieninformationen/2008/2008-07-02.html. Communiqué de presse de l’OFJ du 12 février 2009, disponible à l’adresse électronique: http://www.ejpd.admin.ch/ejpd/fr/ home/dokumentation/mi/2009/ref_2009-02-12.html. Communiqué de presse du DFAE du 12 décembre 2008, disponible à l’adresse électronique: http://www.news.admin.ch/message/index.html?lang=fr&msg-id=24042. Communiqué de presse du DFAE du 25 février 2009, disponible à l’adresse électronique: http://www.eda.admin.ch/eda/fr/ home/recent/media/single.html?id=25544. Communiqué de presse du DFAE du 5 décembre 2008, disponible à l’adresse électronique: http://www.news.admin.ch/message/index.html?lang=fr&msg-id=23694. 10.3.2009 9:12:03 Uhr Sandrine Giroud-Roth/Laurent Moreillon AJP/PJA 3/2009 276 II. Les affaires Duvalier et Mobutu A. L’affaire Duvalier Succédant en 1971 à son père à la tête de l’État haïtien, JeanClaude Duvalier, mieux connu sous le nom de «Baby Doc», resta au pouvoir jusqu’en 1986. Sous sa présidence, Haïti fut le lieu de nombreux crimes et violations des droits de l’homme: arrestations arbitraires, torture, disparitions forcées, exécutions extrajudiciaires, etc.6 À cela s’ajoutèrent des détournements massifs de biens publics.7 Suite au départ forcé de Duvalier en 1986, le gouvernement haïtien demanda au CF l’entraide judiciaire relative aux avoirs ayant disparu sous sa présidence. Après avoir identifié plusieurs comptes bancaires de la famille Duvalier dans les cantons de Vaud, Zurich et Genève, le CF transmit l’affaire aux cantons respectifs qui donnèrent l’ordre aux banques de bloquer les fonds. Un montant d’environ 7,5 millions de francs fut ainsi bloqué à titre provisoire en vertu de l’art. 18 EIMP.8 Durant plus d’une décennie, l’affaire n’avança pas, notamment du fait des graves dysfonctionnements internes que connut Haïti dans les années 90. La procédure d’entraide semblant vouée à l’échec, le CF décida, en 2002, de bloquer les avoirs en Suisse de Duvalier sur la base de la compétence que lui confère l’art. 184 al. 3 Cst.9 («blocage politique») en matière de sauvegarde des intérêts du pays.10 Le DFAE fut alors chargé d’assister les parties dans la recherche d’une solution transactionnelle. Une telle issue semblait à portée de main avant l’échéance du premier blocage en 2005. Sa finalisation nécessitait cependant de réunir tous les ayants droit de la famille Duvalier, ce qui ne se réalisa pas par manque de volonté des intéressés. Dans ce contexte, le CF décida de prolonger la mesure de blocage.11 Les représentants de la famille Duvalier ont, par la suite, perdu tout intérêt à la conclusion d’un accord en raison de l’arrêt du 27 avril 2006 du Tribunal fédéral (TF) dans l’affaire Mobutu.12 Bien que reconnaissant la légitimité du blocage, le TF en critiqua la proportionnalité dans la mesure où le créancier n’était manifestement pas disposé à collaborer 6 7 8 9 10 11 12 Amnesty International, Haïti: Les visages de la Répression, Paris 1985; Commission Inter-Américaine des Droits de l’Homme, Rapports annuels: 1971–1987; Patrick Lemoine, Fort-Dimanche, Fort-La-Mort, New York 2006. Rapport de la Banque de la République d’Haïti du 15 janvier 1987. Loi fédérale sur l’entraide internationale en matière pénale (EIMP, RS 351.1). Constitution fédérale (Cst., RS 101). Communiqué de presse du DFAE du 14 juin 2002. Pierre-Yves Morier, Is Autonomous Confiscation the Acme of Asset Recovery?, in: Mark Pieth (édit.), Recovering Stolen Assets, Berne 2008, p. 265. Morier (n. 11), p. 274 ss; ATF 1A.150/2004 du 27 avril 2006. AJP 03_2009.indb 276 pour trouver une solution négociée. Ainsi confortée dans son attitude non conciliante, la famille Duvalier se contenta d’attendre l’échéance de la mesure de blocage fixée au 3 juin 2007. Le 1er juin 2007, le CF, s’appuyant une fois de plus sur sa compétence en matière de politique extérieure, ordonna un nouveau blocage politique des fonds pour trois mois supplémentaires. Contre toute attente, cette mesure fut renouvelée en date du 22 août 2007, pour une nouvelle période de douze mois.13 Cette mesure se fondait sur les assurances données par le Président haïtien quant à la volonté de son État d’introduire des poursuites contre Duvalier. Cet ultime répit devait laisser au gouvernement haïtien la possibilité de concrétiser ses promesses. La décision de prolongation du blocage des fonds fit toutefois l’objet d’un recours auprès du Tribunal administratif fédéral (TAF) qui donna lieu à un arrêt limité à la recevabilité de la cause.14 Ce recours devint par la suite sans objet, consécutivement à la décision du 2 juillet 2008 de l’OFJ.15 B. L’affaire Mobutu Président de 1965 à 1997 de la République démocratique du Congo (RDC) – qu’il avait lui-même rebaptisée Zaïre – Joseph Désiré Mobutu Sese Seko instaura un régime fondé sur la corruption et les violations massives des droits de l’homme. On estime à plusieurs milliards les fonds détournés par lui et son clan.16 Suite à l’éviction du pouvoir de Mobutu, la RDC présenta, le 13 mai 1997, une demande d’entraide judiciaire à la Suisse en vue du blocage, à titre conservatoire, d’une propriété à Savigny (Vaud). Le blocage fut prononcé à titre de mesure conservatoire au sens de l’art. 18 EIMP. Des mesures visant d’autres biens ne purent être prises car la demande ne contenait pas une description suffisante des avoirs à geler et présentait un caractère trop général pour qu’il puisse y être donné suite. Dans l’attente d’une demande d’entraide plus complète, le CF édicta, le 17 mai 1997, une ordonnance17 fondée directement sur l’art. 102 ch. 8 aCst. (art. 184 al. 3 nCst.) afin de sauvegarder les avoirs appartenant à la RDC en Suisse pour une durée d’une année. Des avoirs pour un montant d’envi- 13 14 15 16 17 Morier (n. 11), p. 275. ATAF C-7589/2007 du 14 mars 2008 et décision C-7589/2007 du 17 juillet 2008 du TAF. Notons qu’il existe une procédure parallèle, intentée par des particuliers, visant également les biens de Jean-Claude Duvalier en Suisse (Arrêt Juste c. Fondation Brouilly et Duvalier ACJC/1521/2007 du 13 décembre 2007 de la Cour de justice de Genève = SJ 2008 I 369). Banque Mondiale, World Development Report 2002, Washington D.C. 2002, p. 232. RO 1997 p. 1149. 10.3.2009 9:12:03 Uhr Restitution spontanée de fonds bloqués à des États défaillants: les cas Duvalier et Mobutu AJP/PJA 3/2009 277 ron six millions de francs furent répertoriés.18 Peu après, la RDC compléta sa demande d’entraide et l’OFJ ordonna le gel des avoirs appartenant au clan Mobutu dans la mesure où ils n’étaient pas déjà visés par l’ordonnance du CF. Ces mesures furent confirmées par le TF sur recours des hoirs de Mobutu.19 Par la suite, l’OFJ étendit encore la procédure d’entraide aux comptes déclarés conformément à l’ordonnance du CF. Le montant finalement gelé par la Suisse s’éleva à environ 7,7 millions de francs. Pour faire aboutir la requête d’entraide, la RDC devait encore démontrer l’existence d’un lien direct entre les infractions reprochées à Mobutu et les biens bloqués en Suisse.20 Malgré de nombreux rappels successifs du côté suisse, les autorités congolaises ne montrèrent aucun empressement à fournir les preuves nécessaires à l’octroi de l’entraide.21 En conséquence, l’OFJ, constatant qu’il n’était pas possible d’établir qu’une procédure pénale était encore ouverte en RDC contre Mobutu et ses proches et que les faits faisant l’objet de cette procédure semblaient prescrits au regard du droit suisse, dut finalement se résoudre, en décembre 2003, à rendre une décision négative terminant la procédure d’entraide. Le CF ordonna alors un blocage «politique» des avoirs sur la base de l’art. 184 al. 3 Cst. pour une durée de trois ans. Durant cette période, le CF confia au DFAE un mandat de facilitateur pour assister les parties dans la recherche d’une issue aussi satisfaisante que possible. Le blocage, renouvelé en 2006, devait échoir le 15 décembre 2008. C’est dans ce contexte qu’intervinrent les décisions des 12 décembre 2008 et 25 février 2009.22 III. Les récentes décisions Duvalier et Mobutu A. Les décisions des 2 juillet 2008 et 12 février 2009 traide judiciaire.23 Dans le même temps, il a invité les détenteurs des comptes à prouver, pour la fin septembre 2008, que ces avoirs – totalisant environ sept millions de francs – n’étaient pas d’origine délictueuse.24 Sans réponse des intéressés dans ce délai, les fonds seraient restitués à Haïti. Cette décision ayant rendu caduc le blocage politique des fonds en vigueur jusque là, le CF a, dans le même temps, mis fin à cette mesure.25 Le 12 février dernier, l’OFJ a ordonné la remise des fonds bloqués à Haïti, les détenteurs des comptes n’ayant pu démontrer que ces avoirs ne sont pas d’origine criminelle. Conformément à cette décision, les avoirs doivent être affectés à des projets de développement au profit de la population haïtienne.26 La décision du 12 février 2009 est une décision de clôture de la procédure d’entraide27 et reste sujette à recours devant la Cour des plaintes du Tribunal pénal fédéral (TPF) dans un délai de 30 jours.28 B. Dans la perspective de l’échéance du délai, au 15 décembre 2008, du blocage des fonds Mobutu, le gouvernement suisse a relancé une dernière fois les autorités congolaises. Donnant suite à la proposition suisse, la RDC a finalement mandaté un avocat suisse afin d’entreprendre les procédures utiles en vue de la confiscation des avoirs de l’ancien dictateur en Suisse. Vu les signes de bonne volonté de la part de la RDC, le CF a décidé, en date du 12 décembre 2008, de prolonger une «ultime» fois la mesure de blocage jusqu’au 28 février 2009 afin de permettre la concrétisation des démarches projetées par la RDC.29 23 En date du 2 juillet 2008, l’OFJ a maintenu le blocage des fonds Duvalier dans le cadre d’une nouvelle procédure d’en24 18 19 20 21 22 Alvaro Borghi, Le blocage et la restitution internationale des biens illicitement acquis, Lausanne 2006, p. 188. Hoirs de feu Mobutu Sese Seko c. Office fédéral de la police, arrêt non publié du 28 janvier 1998, rés. in: Maurice Harari/ Corinne Corminboeuf, EIMP révisée: Considérations critiques sur quelques arrêts récents, AJP/PJA 1999, p. 145. Communiqué de presse de l’OFJ du 11 mai 1998. Borghi (n. 18), p. 190. Notons encore que les fonds Mobutu en Suisse ont fait l’objet d’une procédure parallèle de poursuite de la part d’un de ses créanciers (ATF 132 I 229). Cette procédure a donné lieu à des réflexions intéressantes sur la hiérarchie entre une mesure «politique» de blocage et un jugement définitif et exécutoire allouant une partie de ces fonds au créancier. AJP 03_2009.indb 277 Les décisions des 12 décembre 2008 et 25 février 2009 25 26 27 28 29 Il s’agit d’une décision incidente fondée sur l’art. 74a EIMP (remise en vue de confiscation ou de restitution) sujette à recours dans le délai de dix jours, conditionné toutefois à l’existence d’un «préjudice immédiat et irréparable». En l’espèce, aucun recours n’a été interjeté par le clan Duvalier. OFJ (n. 1). Relevons que, sur suggestion du gouvernement suisse, c’est un avocat suisse, mandaté par Haïti, qui a rédigé la nouvelle requête d’entraide. Ses honoraires sont pris en charge par la Direction du développement et de la coopération (DDC). Cette décision a été suivie d’une décision de clôture de la procédure de recours contre la prolongation du blocage des fonds du 22 août 2007 pendante devant le TAF (Décision C-7589/2007 du 17 juillet 2008 du TAF). Notons que les modalités imposées de restitution soulèvent de nombreuses questions quant au respect de la souvraineté étatique, d’une part, et à la manière d’éviter que l’argent vienne à nouveau alimenter un État victime de corruption, d’autre part. Art. 80d EIMP. Art. 80e et 80k EIMP. DFAE (n. 3). Comme dans l’affaire Duvalier, les frais de procédure et les honoraires de cet avocat sont supportés par la Suisse. 10.3.2009 9:12:04 Uhr Sandrine Giroud-Roth/Laurent Moreillon AJP/PJA 3/2009 278 La RDC a déposé une dénonciation pénale auprès du Ministère public de la Confédération (MPC) le 23 janvier 2009. Suite à ce nouveau développement, le CF a estimé nécessaire d’ordonner une extension de deux mois de la prolongation du blocage, soit jusqu’au 30 avril 2009.30 La nature juridique de la mesure du CF du 12 décembre 2008, respectivement du 25 février 2009, est une question qui, déjà par le passé, a soulevé un certain nombre de problèmes.31 Il s’agit d’une mesure fondée sur l’art. 184 al. 3 Cst. prise en vue de la sauvegarde des intérêts du pays. Selon cet article, ces mesures revêtent la forme de l’ordonnance lorsqu’elles constituent des règles de droit au sens de l’art. 22 al. 4 LParl32 et celle de décision lorsqu’elles visent des cas particuliers.33 La mesure du 12 décembre 2008, respectivement du 25 février 2009, s’apparente donc à une ordonnance puisqu’elle présente un caractère général et abstrait propre à une règle de droit.34 Cette mesure s’adresse en effet à une pluralité de personnes et à différents biens, y compris ceux non encore connus. C. Deux États «défaillants» part, parce que que la «défaillance» commune de ces deux États et les problèmes en résultant sont à l’origine de l’initiative du législateur de rédiger un projet de loi en vue de compléter sa législation sur l’entraide internationale en matière de confiscation d’avoirs des PEP. D’autre part, bien que l’affaire Mobutu semble s’être engagée sur la voie pénale, la voie de l’entraide reste une alternative valable dans le cas où le MPC viendrait à classer l’affaire. IV. La pratique suisse en matière de restitution spontanée de fonds à la lumière des récentes décisions Duvalier et Mobutu A. Cadre légal Le blocage, respectivement la confiscation, d’avoirs appartenant à des PEP et leur restitution à des «États défaillants» est une configuration qui pose de nombreux problèmes. Nous y reviendrons plus loin, après avoir situé la question qui nous occupe dans le cadre légal existant et en avoir défini certaines notions. Les affaires Duvalier et Mobutu présentent plusieurs points communs. Premièrement, elles concernent deux États «défaillants». L’instabilité politique, ainsi que les difficultés institutionnelles, économiques et logistiques propres à ces pays, compliquent les relations qu’ils ont avec d’autres États, notamment en matière d’entraide pénale internationale. La longueur et l’embourbement des procédures relatives à ces deux affaires en sont une illustration. Deuxièmement, ces affaires portent sur la confiscation et la restitution d’avoirs, situés en Suisse, en possession de leurs anciens dirigeants et dont l’origine, selon toute vraisemblance, est illicite. Bien que partant d’une situation initiale similaire, ces États ont emprunté des voies différentes en vue de la restitution des fonds de PEP. Dans le cas haïtien, le gouvernement, après avoir introduit des procédures judiciaires contre Duvalier en Haïti, a procédé par la voie de l’entraide afin de demander la confiscation des fonds bloqués sur la base de l’EIMP. De son côté, le gouvernement congolais a choisi la voie du droit interne, en application de l’art. 72 CP,35 en déposant plainte pénale auprès du MPC. Le présent article considère toutefois ces deux affaires dans la perspective de l’entraide internationale sans s’attarder sur les voies traditionnelles de confiscation offertes par la législation domestique suisse. Ce choix se justifie, d’une D’une manière générale, les PEP sont «des personnes qui exercent, ou qui ont par le passé exercé des fonctions publiques de premier plan dans un pays donné».36 L’art. 1 OBA-FINMA 137 apporte une définition plus précise de cette notion et qualifie de PEP: «(1) les personnes suivantes qui occupent des fonctions publiques importantes à l’étranger: les chefs d’État ou de gouvernement, les politiciens de haut rang au niveau national, les hauts fonctionnaires de l’administration, de la justice, de l’armée et des partis au niveau national, les plus hauts organes des entreprises étatiques d’importance nationale; (2) les entreprises et les personnes qui, de manière reconnaissable, sont proches des personnes précitées pour des raisons familiales ou personnelles ou pour des raisons d’affaires».38 De part leurs fonctions et leurs activités, Duvalier et Mobutu sont à qualifier de PEP. 30 37 31 32 33 34 35 DFAE (n. 4). ATAF C-7589/2007 du 14 mars 2008 consid. 4.5; ATF 132 I 229 consid. 4.3 et les réf. citées. Loi sur l’Assemblée fédérale (LParl, RS 171.10). ATAF C-7589/2007 du 14 mars 2008 consid. 4.5; ATF 132 I 229 consid. 4.3 et les réf. citées. Ibid. Code pénal suisse (CP, RS 311.0). AJP 03_2009.indb 278 1. 36 38 Personnes exposées politiquement GAFI, Les quarante recommandations (2003), disponibles à l’adresse électronique: http://www.fatf-gafi.org/document/ 23/0,3343,fr_32250379_32236920_34920215_1_1_1_1,00. html#lesquarante. Ordonnance de l’Autorité fédérale de surveillance des marchés financiers sur la prévention du blanchiment d’argent et du financement du terrorisme dans le domaine des banques, des négociants en valeurs mobilières et des placements collectifs (Ordonnance 1 de la FINMA sur le blanchiment d’argent, OBA-FINMA 1, RS 955.022). V. aussi Carlo Lombardini, Banques et blanchiment d’argent, Zurich 2006, p. 28. 10.3.2009 9:12:04 Uhr Restitution spontanée de fonds bloqués à des États défaillants: les cas Duvalier et Mobutu AJP/PJA 3/2009 279 2. La confiscation a. Absence de confiscation autonome Relevons tout d’abord qu’il n’existe pas en Suisse de confiscation autonome. En droit suisse, la confiscation implique que la juridiction helvétique soit compétente.39 Ainsi, en dehors de toute coopération internationale requise de la Suisse par un État étranger ou de tout rattachement de l’infraction à la Suisse, des valeurs patrimoniales ne sauraient, en l’état du droit actuel, faire l’objet d’une confiscation. Comme l’a relevé le TF, il appartient au législateur fédéral de définir à quelles conditions une mesure de confiscation autonome pourrait intervenir.40 Les art. 70 ss CP – en particulier l’art. 72 CP – prévoient certes la confiscation de valeurs patrimoniales qui sont le résultat d’une infraction. Mais celle-ci doit résulter d’une procédure pénale suisse, ce qui requiert que le juge suisse soit compétent.41 Ce rattachement reste néanmoins difficile à établir.42 b. La confiscation internationale Parmi les instruments internationaux en matière de restitution de biens,43 la Convention de l’ONU contre la corruption joue un rôle clé. Pour la première fois, un instrument multilatéral pose de manière contraignante le principe de la restitution des avoirs acquis illicitement.44 Cette convention n’ayant pas encore été ratifiée par la Suisse, elle est toutefois exclue du cadre légal analysé dans le présent article. c. La voie de l’entraide internationale i. Champ d’application En l’absence de confiscation autonome et internationale, la confiscation de biens sur le territoire suisse appartenant à des PEP passe, pour l’heure, principalement par la voie de l’entraide judiciaire pénale. Les affaires Marcos,45 Abacha46 39 40 41 42 43 44 45 46 Mark Pieth, Die Herausgabe illegal erworbener Vermögenswerte an sog. «Failing States», in: Marcel Niggli/José Pozo Hurtado/Nicolas Quelloz (édit.), Festschrift für Franz Riklin, Zurich 2007, p. 503. ATF 128 IV 145. ATF 6B.722/2007 du 9 mai 2008. C’est toutefois l’une des voies empruntées, avec succès, dans l’affaire Abacha. C’est également la voie actuellement privilégiée par la RDC. Convention de l’OCDE sur la lutte contre la corruption d’agents publics étrangers dans les transactions commerciales internationales (RS 0.311.21); Convention pénale du Conseil de l’Europe sur la corruption (RS 0.311.55); Convention du Conseil de l’Europe relative au blanchiment, au dépistage, à la saisie et à la confiscation des produits du crime (RS 0.311.53). La Convention contient un chapitre entier consacré au recouvrement d’avoirs et aux mesures connexes (Chapitre V, art. 51 à 59). ATF 113 Ib 257 = JdT 1989 IV 29. ATF 1A.215/2004 du 7 février 2005. AJP 03_2009.indb 279 et Montesinos47 en sont quelques exemples. Avant de nous pencher sur les modalités de cette confiscation, il convient d’abord de bien circonscrire le champ d’application de l’entraide. Conformément à l’art. 1er al. 4 EIMP, la loi ne confère aucun droit à un État requérant d’exiger une coopération internationale en matière pénale, sous réserve de l’obligation qui lui serait faite de fournir l’entraide en vertu d’un traité qui le lierait avec l’État demandeur. Or, dans le cas des avoirs Duvalier et Mobutu, ce traité fait précisément défaut. Traditionnellement, la Suisse s’est toutefois montrée disposée à procéder à des actes d’entraide en faveur d’États étrangers, même en l’absence d’un traité d’entraide.48 La coopération judiciaire internationale que la Suisse peut apporter à des États requérants est une procédure à vocation administrative qui ne porte ni sur une accusation en matière pénale, ni sur une contestation concernant des droits de nature civile au sens de l’art. 6 ch. 1 CEDH.49 Elle ne représente pas non plus un simple prolongement, sur le territoire de l’État requis, de la procédure pénale ouverte dans l’État requérant.50 Cependant, cette coopération présuppose – en particulier dans l’examen du contrôle de la double incrimination – que l’État requis vérifie que l’infraction motivant la demande soit punissable selon son droit pénal matériel interne.51 Par ailleurs, même si l’État requis prête assistance à l’État requérant, son bon vouloir est limité par la loi. Rappelons à cet égard l’existence de l’art. 67a EIMP (transmission spontanée de moyens de preuve et d’informations). C’est dans ce cadre-là que doivent être examinés les récents développements doctrinaux et jurisprudentiels en matière de restitution spontanée de fonds. En outre, même si la Suisse est liée par des conventions, la restitution «spontanée» est soumise à des conditions strictes. On en veut pour preuve l’art. 18 ch. 4 let. f de la Convention du Conseil de l’Europe relative au blanchiment, au dépistage, à la saisie et à la confiscation des produits du crime. Selon cette disposition, la Suisse peut refuser la coopération si la demande de confiscation de fonds se rapporte «à une décision de confiscation rendue en l’absence de la personne visée par la décision et si, selon la partie requise, la procédure engagée par la partie requérante et qui a conduit à cette décision n’a pas satisfait aux droits minima de la défense reconnus à toute personne accusée d’une infraction». 47 48 49 50 51 ATF 1A.70/2003 du 8 septembre 2003. Ces actes ont pu prendre la forme de blocages de fonds (art. 18 et 63 EIMP), de remises de moyens de preuves (art. 74 EIMP) et, dans la mesure où il existe un jugement définitif et exécutoire conforme aux droits de l’homme et aux garanties fondamentales, de remises en vue de confiscation ou de restitution (art. 74a EIMP). ATF 123 II 161 consid. 3a = JdT 1999 IV 55. ATF 127 II 104 consid. 3d. ATF 124 II 120 consid. 4c = SJ 1998 I 487. 10.3.2009 9:12:04 Uhr Sandrine Giroud-Roth/Laurent Moreillon AJP/PJA 3/2009 280 ii. Remise en vue de confiscation ou de restitution: l’art. 74a EIMP Depuis la révision de l’EIMP,52 la législation suisse permet une remise anticipée d’objets ou de valeurs saisis à titre confiscatoire par le biais de l’art. 74a EIMP. L’alinéa 1 énonce le principe selon lequel, sur demande de l’autorité étrangère compétente, les objets ou valeurs saisis à titre conservatoire peuvent lui être remis au terme de la procédure d’entraide en vue de confiscation ou de restitution de l’ayant droit. Cela implique, d’une part, que la remise de tels biens à l’État requérant ne peut avoir lieu que dans un but précis et, d’autre part, que cet État doit avoir ouvert une procédure interne tendant à leur confiscation ou à leur restitution à l’ayant droit.53 L’alinéa 3 laisse à l’autorité un large pouvoir d’appréciation pour décider si et à quelles conditions la remise peut avoir lieu.54 «En règle générale», les autorités de l’État requis doivent attendre «une décision définitive et exécutoire de l’État requérant», puis examiner si cette décision a été rendue à l’issue d’une «procédure répondant aux exigences des art. 4, 58 [a]Cst. et 6 CEDH et si elle est conforme à l’ordre public suisse par son contenu, sans pour autant faire application des art. 94 ss EIMP».55 Cette formulation laisse penser que l’absence de décision exécutoire et définitive relève de l’exception, ce que porte d’ailleurs à croire le Message du CF.56 Partant, des indices relativement forts sont nécessaires pour justifier son application. Faute d’une décision définitive et exécutoire, l’autorité compétente doit décider de la remise après avoir pris en compte toutes les particularités du cas.57 52 53 54 55 56 57 Message du 29 mars 1995 (MCF EIMP), FF 1995 III 1. La révision du 4 octobre 1996 avait essentiellement pour but de simplifier et d’accélérer la procédure d’entraide en vue, notamment, de renforcer la collaboration internationale entre autorités de poursuite pénale. L’essentiel des modifications proposées portait sur la partie générale ainsi que la troisième partie de l’EIMP consacrée à l’entraide accessoire. L’une des nouveautés de cette révision a été l’introduction d’une disposition séparée relative à la remise d’objets ou de valeurs en vue de leur confiscation ou de leur restitution à l’ayant droit dans l’État requérant (art. 74a EIMP). Borghi (n. 18), p. 175. Id., p. 108. Maurice Harari, Remise internationale d’objets et valeurs: réflexions à l’occasion de la modification de l’EIMP, in: Christian-Nils Robert/Bernhard Sträuli (édit.), Procédure pénale, droit pénal international, entraide pénale: Études en l’honneur de Dominique Poncet, Chêne-Bourg 1997, p. 198; MCF EIMP (n. 52), p. 8. Sur la question du rapport de l’art. 74a EIMP et de l’art. 94 EIMP v. Robert Zimmermann, La coopération judiciaire internationale en matière pénale, Berne 2004, p. 108. MCF EIMP (n. 52), p. 14 s. ATF 123 II 595 consid. 4 et 5. Dans cet arrêt relatif aux fonds Marcos, le TF a considéré que «compte tenu de l’intérêt de la Suisse à une restitution immédiate des valeurs et de la provenance manifestement délictueuse de ces dernières, une remise immédiate se justifie, pour autant que les Philippines garantis- AJP 03_2009.indb 280 Si l’affaire n’est pas claire, la remise anticipée n’est pas accordée.58 La Suisse dépend ainsi, dans une large mesure, de la bonne volonté et de la coopération des autorités judiciaires de l’État d’origine des fonds.59 La remise de nature confiscatoire est une mesure définitive.60 Puisqu’elle atteint plus lourdement la personne concernée et les tiers, elle suppose davantage de circonspection de la part de l’État requis et ne peut être prononcée qu’en présence de solides éléments de preuve. 61 Cela est d’autant plus vrai lorsqu’il s’agit d’une remise intervenant en l’absence d’une décision définitive et exécutoire de l’État requérant. Les affaires Duvalier et Mobutu posent justement la question des éléments de preuve nécessaires à la motivation d’une telle requête. iii. La jurisprudence Abacha Dans son fameux arrêt du 7 février 2005 concernant la restitution des fonds Abacha au Nigéria, le TF a conclu que l’art. 74a al. 3 EIMP devait être interprété à la lumière de l’art. 72 CP (art. 59 ch. 3 aCP).62 Le TF fonda son argumentation sur la volonté du CF, par l’introduction de cette nouvelle norme, de déroger à la règle – prévalant tant en droit interne qu’en matière d’entraide judiciaire internationale – selon laquelle une valeur ne peut être confisquée que s’il est possible d’établir l’infraction dont elle provient. Le but était ainsi de faciliter l’entraide judiciaire et l’exécution de confiscations étrangères portant sur des valeurs patrimoniales acheminées en Suisse par des organisations criminelles. Le TF alla même plus loin en déclarant que «même si le Message ne le dit pas, l’art. 59 ch. 3 deuxième phrase [a]CP, s’applique aussi dans le domaine de l’entraide judiciaire».63 Il en résulte qu’un PEP et son entourage peuvent recevoir la qualification d’organisation criminelle. Partant, leurs fonds sont présumés d’origine délictueuse à moins qu’ils n’apportent la preuve du contraire. À défaut d’avoir renversé la présomption de l’art. 59 ch. 3 deuxième phrase aCP, la remise est ordonnée en application de l’art. 74a al. 3 EIMP, sans autre examen de la provenance des fonds réclamés.64 58 59 60 61 62 63 64 sent une procédure de restitution ou de confiscation conforme au Pacte ONU II». Zimmermann (n. 55), p. 201. Morier (n. 11), p. 273. Id., p. 196. Harari (n. 55), p. 197. ATF 1A.215/2004 du 7 février 2005 consid. 9.1. Dans ce sens également: Harari (n. 55), p. 185; Florian Baumann, in: Marcel Niggli/Hans Wiprächtiger (édit.), Basler Kommentar StGB, Bâle 2003, ad art. 59 aCP, n. 75, est plus réticent: tout en soulignant que l’art. 74a EIMP vise la remise du produit de l’infraction et non pas les valeurs soumises au pouvoir de disposition d’une organisation criminelle, il admet une telle remise pour autant que les droits des tiers de bonne foi soient sauvegardés. ATF 1A.215/2004 du 7 février 2005 consid. 9.1. 10.3.2009 9:12:04 Uhr Restitution spontanée de fonds bloqués à des États défaillants: les cas Duvalier et Mobutu AJP/PJA 3/2009 281 Le TF a conclu en donnant instruction à l’OFJ d’offrir aux détenteurs des comptes visés la possibilité de faire valoir les arguments propres à renverser la présomption posée à l’art. 59 ch. 3 deuxième phrase aCP, c’est-à-dire de démontrer que les fonds saisis ne sont pas d’origine criminelle. La qualification d’organisation criminelle de certains PEP et leur entourage, de même que le renversement du fardeau de la preuve qui en découle, ont marqué un tournant dans la réflexion juridique relative à la confiscation des avoirs de criminels internationaux. 3. Le blocage «politique»: l’art. 184 al. 3 Cst. L’art. 184 al. 3 Cst. (art. 102 ch. 8 aCst.) prévoit la compétence explicite du CF d’adopter des ordonnances et de prendre des décisions lorsque la sauvegarde des intérêts du pays l’exige. Une deuxième phrase précise que les ordonnances doivent être limitées dans le temps.65 Cet article permet ainsi au CF d’ordonner le blocage de biens situés en Suisse lorsque leur remise pourrait être contraire aux intérêts de la Suisse, afin notamment de préserver la sécurité et l’intégrité de la place financière helvétique. La première mesure de blocage de biens à titre de mesure de politique extérieure fut prise en 1986 à l’encontre des avoirs de l’ancien président philippin Marcos.66 Par la suite, s’appuyant à nouveau sur l’art. 184 al. 3 Cst., le CF édicta l’ordonnance relative à la sauvegarde des avoirs de la RDC en Suisse. Les décisions des 12 décembre 2008 et 25 février 2009 reposent également sur cette norme. L’affaire Duvalier est un autre cas d’application de l’art. 184 al. 3 Cst. dont le CF usa à de nombreuses reprises. B. Les décisions Duvalier et Mobutu: un équilibre périlleux des intérêts juridiques en jeu Malgré l’efficacité de la législation actuelle en matière de restitution des avoirs de PEP, les affaires Duvalier et Mobutu testent les limites du système prévu par l’EIMP qui présuppose la remise d’une requête d’entraide par un État étranger. Or, dans les cas d’Haïti et de la RDC, c’est précisément l’absence d’une requête d’entraide qui a conduit à la paralysie du système existant. Que faire donc lorsque l’État censé être requérant ne veut, respectivement ne peut, formuler de requête d’entraide demandant la restitution des fonds aux conditions exigées par la législation suisse? C’est là tout le problème des «États défaillants» qui, soit par manque de volonté politique (corruption, climat d’impunité, etc.), soit par impossibilité matérielle (système judiciaire inexistant ou faible, incapacité technique ou logistique, etc.), ne sont pas en mesure d’utiliser la voie de l’entraide internationale. Dans un tel contexte, les récentes décisions Duvalier et Mobutu mettent en évidence l’exercice d’équilibriste auquel doivent s’adonner les autorités d’exécution confrontées à des fonds revenant à des États défaillants. Ces autorités se trouvent en effet tiraillées entre leur devoir de fidélité aux principes de l’État de droit et leur bonne volonté d’aider des États nécessiteux. Cet exercice se révèle d’autant plus complexe que les exigences de l’État de droit sont rigoureuses. Les mesures prises à titre de confiscation – au contraire de la procédure d’entraide proprement dite – consistent, en effet, en une «contestation sur des droits ou obligations de caractère civil» au sens de l’art. 6 ch. 1 CEDH.67 Celles-ci doivent donc, sauf exception expressément prévue par la loi, respecter les garanties procédurales qui en découlent, notamment la garantie d’accès au juge (1). De plus, l’exercice du pouvoir d’appréciation de l’autorité compétente reste limité par les principes généraux de la procédure administrative, à savoir ceux de la légalité (2) et de la proportionnalité (3), ainsi que les garanties de procédure fondamentales telle la répartition du fardeau de la preuve au regard de la présomption d’innocence (4). 1. Une décision gelant des fonds équivaut à une saisie et touche directement la personne concernée par la mesure dans ses droits de caractère civil. Celle-ci dispose en conséquence du droit d’accès au juge (art. 6 ch. 1 CEDH).68 Dans le cas d’une confiscation au sens de l’art. 74a EIMP (affaire Duvalier), les voies de droit sont clairement réglées par l’EIMP et ne soulèvent aucun problème particulier quant au respect du droit d’accès au juge. Ce n’est par contre pas le cas d’un blocage ordonné sur la base de l’art. 184 al. 3 Cst. (affaire Mobutu), respectivement d’une décision d’exécution fondée sur une telle ordonnance. Ici, il faut distinguer entre une mesure prise sous la forme d’une ordonnance et une mesure prise sous la forme d’une décision du CF. S’agissant d’une ordonnance, aucune voie de recours n’est ouverte contre celle-ci. La possibilité de se prévaloir du droit à ce que sa cause soit jugée par une autorité judiciaire (art. 29a Cst.) a été rejetée par la jurisprudence qui y a opposé l’exception expresse prévue à l’art. 189 al. 4 Cst.69 De même, l’art. 6 ch. 1 CEDH ne permet pas de déduire un droit à voir sa cause examinée par un juge dans le cadre d’une ordonnance confiscatoire. Cette disposition implique l’existence d’une contestation réelle et précise; un lien ténu ou des répercussions lointaines ne suffisent pas. L’issue de la 67 65 66 Borghi (n. 18), p. 132. Id., p. 133; Pascal Mahon/Jean-François Aubert, Petit Commentaire de la Constitution fédérale de la Confédération suisse du 18 avril 1999, Zurich 2003, ad art. 18, rem. 13 ss. AJP 03_2009.indb 281 Garantie d’accès au juge 68 69 Convention de sauvegarde des droits de l’homme et des libertés fondamentales (CEDH, RS 0.101). ATAF C-7589/2007 du 14 mars 2008 consid. 11.6; ATF 132 I 229 consid. 6.3. ATAF C-7589/2007 du 14 mars 2008 consid. 9. 10.3.2009 9:12:05 Uhr Sandrine Giroud-Roth/Laurent Moreillon AJP/PJA 3/2009 282 procédure doit être directement déterminante pour le droit en question.70 Or, la seule existence d’une ordonnance ne met pas encore en jeu les droits et obligations protégés par la disposition conventionnelle. Le lien concret fait dans ce cas défaut.71 L’autorité a toutefois le devoir de publier cette ordonnance à caractère confiscatoire. Le CF n’a pas semblé très soucieux du respect de cette formalité, ce qui a obligé tant le TF que le TAF à des exercices divinatoires pour conclure à la qualification d’ordonnance.72 La situation est différente dans le cas d’une décision d’exécution d’une mesure ordonnée sur la base de l’art. 184 al. 3 Cst. Cette décision est susceptible de recours auprès du TAF puisqu’il s’agit d’une décision au sens de l’art. 5 PA émanant d’une autorité figurant à l’art. 33 let. d LTAF73 – en règle générale du DFAE – et sujette à recours selon l’art. 31 LTAF. En outre, l’exception prévue à l’art. 32 al. 1 let. a LTAF ne s’applique pas puisque l’on est en présence de droits de caractère civil au sens de l’art. 6 ch. 1 CEDH. Il est vrai que l’application de cette disposition a été niée lorsque l’autorité dispose d’un libre pouvoir d’appréciation tel qu’en matière de prérogatives discrétionnaires ou d’actes de gouvernement.74 Ces derniers n’échappent toutefois au contrôle judiciaire que s’ils relèvent de questions politiques pures comme, par exemple, la question de la reconnaissance d’un État étranger. Or, la composante politique d’une mesure se fondant sur l’art. 184 al. 3 Cst. réside uniquement dans la sauvegarde de l’image de la Suisse et de sa place financière à l’étranger. Ce but est en principe garanti par l’EIMP ainsi que par la loi sur le blanchiment d’argent.75 Ce n’est que dans le cas d’États défaillants que l’art. 184 al. 3 Cst. intervient et que le gel des biens s’opère à titre de mesures exceptionnelles de politique extérieure. Or «[i]l ne serait pas conforme aux principes régissant un État de droit qu’en présence d’un même état complexe de faits, les parties se trouvent privées d’une voie de droit dans un cas (blocage basé sur des motifs politiques) alors qu’elles en bénéficient dans l’autre (blocage basé sur l’entraide)».76 Dès lors, il n’y a pas de raison de nier l’application de l’art. 6 ch. 1 CEDH. Partant, la voie du recours administratif auprès du TAF est ouverte. 70 71 72 73 74 75 76 ATF 130 I 388 consid. 5.1; ATF 127 I 115 consid. 5b; Cour européenne des droits de l’homme (Cour eur. DH), Arrêt Athanassoglou et autres c. Suisse du 6 avril 2000, Recueil des arrêts et décisions, 2000 IV p. 217, par. 43; Cour eur. DH, Arrêt Werner c. Autriche du 24 novembre 1997, Recueil, 1997 VII p. 2496, par. 34; Cour eur. DH, Arrêt Balmer-Schafroth et autres c. Suisse du 26 août 1997, Recueil, 1997 IV p. 1346, par. 32 et les arrêts cités. ATAF C-7589/2007 du 14 mars 2008 consid. 9.3. Id., consid. 5.1; ATF 132 I 229 consid. 4.4. Loi sur le Tribunal administratif fédéral (LTAF, RS 173.32). ATAF C-7589/2007 du 14 mars 2008 consid. 12.2 et les réf. citées. Loi sur le blanchiment d’argent (LBA, RS 955.0). ATAF C-7589/2007 du 14 mars 2008 consid. 12.5. AJP 03_2009.indb 282 2. Respect du principe de la légalité Ancré à l’art. 5 al. 1 Cst., le principe de la légalité implique que le droit soit la base et la limite de l’activité de l’État. La restriction à un droit fondamental est permise aux conditions de l’art. 36 Cst. a. Garantie de la propriété Incontestablement, la mesure de blocage, respectivement de confiscation, porte atteinte au droit fondamental qu’est la garantie de la propriété (art. 26 Cst.).77 Une telle restriction doit être fondée sur une base légale, poursuivre un intérêt public, respecter le principe de la proportionnalité et ne doit, en principe, pas porter atteinte au noyau dur de la propriété (art. 36 al. 1 Cst.).78 La base légale doit en outre présenter une certaine «densité normative», à savoir qu’elle soit suffisamment claire et précise. L’exigence découle non seulement du principe général de la légalité mais également de la sécurité du droit.79 Ainsi, plus la gravité est importante, plus la base légale doit être claire et la restriction revêtir une forme qualifiée, c’est-à-dire une loi adoptée par le législateur formellement institué par la Constitution.80 Enfin, comme le relève le TF, «pour déterminer quel degré de précision on est en droit d’exiger de la loi, il faut tenir compte du cercle de ses destinataires et de la gravité des atteintes qu’elle autorise aux droits fondamentaux (...). Une atteinte grave exige en principe une base légale formelle claire et précise, alors que les atteintes plus légères peuvent, par le biais d’une délégation législative, figurer dans des actes de niveau inférieur à la loi, ou trouver leur fondement dans une clause générale (...)».81 Il découle de ce qui précède que, s’il n’existe pas de base légale claire et suffisante, l’autorité pourrait tout au plus invoquer la «clause générale de police» pour justifier une dérogation aux droits fondamentaux. Cependant, celle-ci n’est admise en jurisprudence que pour prévenir ou faire cesser une «atteinte sérieuse et imminente à l’ordre public, atteinte qui ne saurait être écartée d’une autre manière».82 Concrètement, l’EIMP ne contient aucune disposition claire et précise justifiant une dérogation aux principes de l’entraide tels que contenus aux art. 1 et 67a EIMP. Il n’y a 77 78 79 80 81 82 Mahon/Aubert (n. 66), ad art. 26 Cst. et les réf. citées. Id., ad art. 26 Cst., rem. 10 et les réf. citées; Bernhard Ehrenzeller/Philippe Mastronardi/Rainer Schweizer/Klaus Vallender, Die Schweizerische Bundesverfassung, St. Galler Kommentar, Zurich 2002, ad art. 26 Cst., rem. 38 ss et les réf. citées. Mahon/Aubert (n. 66), ad art. 36 Cst., rem. 9 et les réf. citées. Id., ad art. 26 Cst., rem. 10 et les réf. citées; ATF 119 1a 362, en particulier p. 366. ATF 123 I 112, en particulier p. 124, cité expressis verbis par Mahon/Aubert (n. 66), ad art. 36 Cst., rem. 9. ATF 103 Ia 310, en particulier p. 311 s.; v. aussi Mahon/ Aubert (n. 66) ad art. 36 Cst., rem. 10 et les réf. citées. 10.3.2009 9:12:05 Uhr Restitution spontanée de fonds bloqués à des États défaillants: les cas Duvalier et Mobutu AJP/PJA 3/2009 283 donc pas de base légale formelle permettant non seulement de renverser le fardeau de la preuve, mais également d’accorder l’entraide de façon plus spontanée et facilitée à l’égard d’États requérants défaillants – tels Haïti et la RDC – qu’à l’égard d’autres États respectant les conditions posées par les autorités suisses. Ni la loi ni le Message du CF ne permettent une telle interprétation. Dans la mesure où l’EIMP ne contient aucune base légale expresse permettant de justifier les décisions des 2 juillet 2008 et 12 février 2009 ainsi que des 12 décembre 2008 et 25 février 2009, des doutes persistent quant à la légalité de ces mesures. Il s’agit toutefois d’examiner si d’autres dispositions peuvent remplir avec satisfaction la condition de la légalité. b. Bases légales fondant la restitution anticipée i. L’art. 184 al. 3 Cst. Comme nous l’avons vu, l’art. 184 al. 3 Cst. permet au CF de prendre des mesures, sous la forme d’ordonnances ou de décisions, lorsque la sauvegarde des intérêts du pays l’exige, pour autant que celles-ci soient «nécessaires» et «limitées dans le temps». Lorsque ces conditions sont remplies, l’art. 184 al. 3 Cst. peut constituer une base légale provisoire suffisante pour la restriction des libertés fondamentales, pour autant qu’elles soient justifiées par un intérêt public et qu’elles soient proportionnées au but visé.83 Toutefois, compte tenu de son caractère limité dans le temps, cette disposition ne saurait justifier à elle seule une confiscation – et encore moins une restitution anticipée – des fonds bloqués dans les affaires Duvalier et Mobutu. ii. L’art. 74a EIMP L’art. 74a EIMP prévoit expressément la restitution anticipée d’objets ou de valeurs. Comme indiqué, cette disposition potestative laisse un large pouvoir d’appréciation à l’autorité. L’alinéa 3 esquisse toutefois un garde-fou: une saisie confiscatoire n’intervient en règle générale que sur décision définitive et exécutoire de l’État requérant. En l’absence de cette décision, l’autorité compétente doit procéder à une évaluation au cas par cas, afin d’établir l’opportunité d’une restitution. Sans préjuger des conclusions de cette évaluation dans les deux affaires qui nous occupent, nous nous bornons à relever deux points dont doit tenir compte l’autorité compétente lors d’une éventuelle décision de remise anticipée: d’une part, l’existence d’un lien entre des crimes avérés et les fonds visés et, d’autre part, l’absence de prescription de ces crimes. La confiscation des biens saisis n’est justifiée que si ceuxci appartiennent bel et bien à Duvalier, respectivement à Mobutu, et que ceux-ci les ont acquis illégitimement. Une telle mesure ne peut viser que le produit résultant d’une infraction. L’autorité compétente doit être satisfaite des éléments 83 Art. 36 al. 2 et 3 Cst.; ATF 132 I 229 consid. 10.1; ATF 129 II 193 consid. 5.3.3. AJP 03_2009.indb 283 de preuve à disposition. Ceux-ci doivent être d’autant plus convaincants qu’aucune décision de confiscation, définitive et exécutoire, n’a été rendue en Haïti, respectivement en RDC. La question de la prescription s’avère plus épineuse. Selon la jurisprudence du TF, la prescription absolue est une cause d’irrecevabilité de la requête d’entraide, lorsque, en particulier, la Suisse n’est liée à l’État requérant par aucun traité. Pour le TF, ce sont des raisons d’ordre public qui ont conduit le législateur à faire de la prescription absolue une cause d’irrecevabilité,84 sous réserve de règles plus souples résultant de droits conventionnels, notamment de la Convention européenne d’entraide judiciaire en matière pénale (CEEJ).85 Dans l’affaire Duvalier, les faits remontent au temps de sa présidence (1971 à 1986). Il s’agit, pour la plupart, de crimes d’origine patrimoniale dont la prescription est aujourd’hui acquise. Il en va de même dans le cas Mobutu dont les faits remontent à 1997 et dont la prescription a déjà été relevée par l’OFJ.86 L’exercice consiste donc à relier ces avoirs à des crimes imprescriptibles tels que des crimes contre l’humanité. Reste que cette infraction n’est pas encore reconnue en tant que telle en droit suisse. Quant à son imprescriptibilité, l’art. 101 al. 1 let. a CP n’est guère utile à l’heure actuelle. Rappelons en effet que la Suisse a tout au plus ratifié la Convention de 1948 pour la prévention et la répression du crime de génocide,87 après avoir auparavant ratifié les quatre conventions de Genève.88 Il n’existe pas de convention concernant les crimes contre l’humanité. Dès lors, le droit positif suisse demeure aujourd’hui lacunaire. La partie générale du CP et du Code pénal militaire (CPM) 89 ne donne que quelques solutions – notamment sous l’angle de l’art. 6 CP – en relation avec la compétence des tribunaux pénaux suisses. La notion de crime contre l’humanité demeurant encore vague en droit suisse, le CF a jugé utile, en août 2005, de mettre en consultation un avant-projet portant sur la Loi fédérale relative à la modification du CP, du CPM ainsi que d’autres lois fédérales en vue de la mise en œuvre du Statut de Rome de la Cour pénale internationale.90 En avril 2008, le CF a diffusé un nouveau projet (ci-après: Projet) accompagné d’un Message.91 L’idée est de rendre imprescriptibles, outre le génocide, les crimes contre l’humanité (art. 264a al. 1 et 2 Projet), les crimes de guerre (art. 264c al. 1 à 3, 264d al. 1 et 2, 264e al. 1 84 85 86 87 88 89 90 91 ATF 116 Ib 452 consid. 4a = JdT 1993 IV 159.3. RS 0.351.1. S’agissant de la CEEJ, rappelons que, selon le TF, il s’agit d’une lacune proprement dite (ATF 118 Ib 266). ATF 132 I 229 consid. C. RS 0.311.11. RS 0.518.12; RS 0.518.23; RS 0.518.42; RS 0.518.51. RS 321.0. Laurent Moreillon, La Suisse et les crimes contre l’humanité, in: Laurent Moreillon/Aude Bichovsky/Maryam Massrouri (édit.), Droit pénal humanitaire, 2e éd., Genève 2009, p. 459 ss, en particulier p. 460 et les réf. citées. Message du 23 avril 2008, FF 2008 p. 3461 ss. 10.3.2009 9:12:05 Uhr Sandrine Giroud-Roth/Laurent Moreillon AJP/PJA 3/2009 284 et 2, 264f al. 2, 264g al. 1 et 2 et 264h Projet), ainsi que les crimes commis en vue d’exercer une contrainte ou une extorsion et qui mettent en danger – ou menacent de mettre en danger – la vie et l’intégrité corporelle d’un grand nombre de personnes, notamment par l’utilisation de moyens d’extermination massive, par le déclenchement d’une catastrophe ou par une prise d’otages.92 Notons encore que, dans le cas d’Haïti, l’OFJ a tenté de contourner l’obstacle de la prescription en réactivant la requête d’entraide initiale. En effet, la requête présentée par le gouvernement haïtien en juillet 2008 ne semble pas avoir été considérée comme une nouvelle requête mais comme un nouvel épisode de la procédure de 1986, avec pour conséquence l’interruption de la prescription à la date de la requête initiale. Il est vrai qu’en vertu des principes inhérents à la procédure administrative – notamment celui de l’absence d’exception de chose jugée – l’autorité peut se ressaisir du dossier, mais il n’est pas sûr que ce raisonnement résiste à l’épreuve du juge. iii. Application analogique de l’art. 72 CP En l’absence de confiscation autonome, le TF a fait preuve d’innovation lorsqu’il a qualifié la structure mise en place par Abacha et ses complices d’organisation criminelle, ouvrant ainsi la voie à l’application analogique de l’art. 72 CP dans le cadre de l’entraide internationale (cf. IV.A.2.c.iii). Ce raisonnement soulève toutefois plusieurs questions. Dans un arrêt récent, le TF a rappelé qu’une mesure de confiscation en Suisse requiert que la juridiction suisse soit compétente, soit sur la base d’un rattachement à la Suisse, soit sur la base d’une requête d’entraide. Il a indiqué qu’il n’y avait pas lieu de s’écarter de cette ligne s’agissant de la confiscation des fonds d’une organisation criminelle pour soumettre celle-ci au principe de l’universalité.93 Or, en l’absence de rattachement à la Suisse, cette compétence fait précisément défaut dans le cas des États défaillants comme Haïti ou la RDC, soit que ce rattachement n’existe tout simplement pas, soit qu’il soit prescrit. Qui plus est, la légalité de la confiscation pénale au sens de l’art. 72 CP (art. 59 ch. 3 aCP) est controversée. Pour le CF, le renversement du fardeau de la preuve n’est pas incompatible avec l’art. 6 ch. 2 CEDH dans la mesure où il n’a pas pour objet la question de l’innocence ou de la culpabilité d’une personne déterminée, mais porte uniquement sur le point de savoir à qui appartient le pouvoir de disposition sur des valeurs patrimoniales déterminées.94 La doctrine suisse n’est pas unanimement convaincue de la conformité de la disposition avec la CEDH. Trechsel ne la met pas en doute, en se référant en particulier à des arrêts de la CEDH rendus dans des affaires italiennes.95 Afin de respecter les garanties de la CEDH, il lui paraît toutefois nécessaire que les autorités pénales ne se montrent pas trop strictes sur la contre-preuve offerte au détenteur des biens, en tout cas lorsque la personne concernée n’est pas elle-même membre d’une organisation criminelle.96 Il est en outre essentiel que les éléments constitutifs visés à l’art. 260ter ch. 1 al. 2 CP soient réalisés, ce qui suppose, en principe, que la personne sache que sa contribution pourrait servir à la poursuite du but criminel de l’organisation, ou qu’elle prévoie cette possibilité et l’accepte dans le cas où elle se réaliserait. En revanche, dans le cas de l’administration de valeurs patrimoniales, les éléments constitutifs du soutien à une organisation criminelle ne supposent pas que la personne sache ou doive supposer que ces valeurs proviennent d’une infraction concrète.97 Si des doutes existent quant à la conformité de l’art. 72 CP à la CEDH, ceux-ci sont d’autant plus grands s’agissant d’une application analogique de cette disposition, par voie de jurisprudence, à l’entraide internationale. Les considérations qui précèdent montrent que l’utilisation de l’art. 72 CP dans le cadre de l’entraide internationale n’est pas sans soulever des problèmes. Son application aux affaires Duvalier et Mobutu nous paraît difficile. La question de la compétence, tout d’abord, présente un obstacle insurmontable en l’absence d’une requête d’entraide. La requête d’entraide déposée par Haïti, ainsi que la plainte intentée par la RDC, ont permis, provisoirement, de passer outre cette difficulté. Toutefois, il reste encore la fragilité de l’exigence de la contre-preuve compte tenu de son origine jurisprudentielle. Enfin, cet article suppose, comme condition première, la qualification d’organisation criminelle. Or, il n’est pas avéré que cette qualification puisse s’appliquer à la famille Duvalier et au clan Mobutu. 3. Une mesure de blocage, respectivement de confiscation, doit obéir au principe de la proportionnalité.98 Celui-ci s’impose tant au regard de l’art. 184 al. 3 Cst. (affaire Mobutu) qu’au regard des art. 74a EIMP et 72 CP (affaire Duvalier).99 Pour qu’une mesure soit conforme au principe de la proportionnalité, il faut qu’elle soit apte à atteindre le but visé, que ce dernier ne puisse être atteint par une mesure moins incisive et qu’il existe un rapport raisonnable entre les effets de la mesure sur la situation de l’administré et le résultat 95 96 97 92 93 94 Moreillon (n. 90), p. 476 s. ATF 6B.722/2007 du 9 mai 2008. FF 1993 III 311. AJP 03_2009.indb 284 Respect du principe de la proportionnalité 98 99 Stefan Trechsel, Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937, Kurzkommentar, 2e éd., Zurich 2005, ad art. 59 CP, n. 23 et les nombreuses réf. citées. Ibid. ATF 132 IV 132 consid. 4.1.4; ATF 131 II 235 consid. 12.2 = JdT 2007 IV p. 29; ATF 128 II 355 consid. 2.4 = JdT 2005 IV p. 270. Art. 36 al. 3 Cst. ATF 132 I 229 consid. 10.1; ATF 123 IV 29 consid. 3a. 10.3.2009 9:12:06 Uhr Restitution spontanée de fonds bloqués à des États défaillants: les cas Duvalier et Mobutu AJP/PJA 3/2009 285 escompté du point de vue de l’intérêt public.100 Il n’est jamais inutile de rappeler que, au sens de la proportionnalité, le but doit être assez important et doit pouvoir être atteint de manière assez efficace pour justifier, dans son ampleur, la restriction imposée à la liberté.101 Savoir si une mesure est nécessaire à la sauvegarde des intérêts de la Suisse dans les relations avec l’étranger est une question de droit qui, au vu de ses implications politiques, comporte une importante marge d’appréciation. Par conséquent, le TF, outre qu’il ne saurait procéder à un contrôle de l’opportunité de la mesure, fait preuve d’une grande retenue dans l’appréciation des faits et la pesée des intérêts en présence qu’il ne revoit, pratiquement, que sous l’angle de l’arbitraire.102 Ainsi, au regard de la proportionnalité, une mesure de blocage qui perdure depuis plus de vingt ans peut s’apparenter à une confiscation portant atteinte à la garantie de la propriété protégée par l’art. 26 Cst.103 Il s’ensuit que les blocages des fonds Duvalier et Mobutu, qui ont duré vingt-trois, respectivement onze ans, mettent ce principe à rude épreuve. Qui plus est, le fait que les États concernés n’aient, durant longtemps, montré aucun intérêt à la procédure de confiscation, remet en cause l’intérêt public de cette mesure. Il est donc légitime de se demander si une restitution, au nom de l’intégrité de la place financière suisse, à un État qui n’est pas à même de présenter une requête dans ce sens, est vraiment proportionnée. L’implication des victimes directes de la spoliation, dont les avoirs confisqués sont le fruit, de même que des garanties relatives à l’utilisation de ces biens pour des tâches d’utilité publique, permettraient de rétablir l’équilibre d’une mesure de confiscation. 4. La charge du fardeau de la preuve au regard de la présomption d’innocence Comme relevé précédemment, la règle de l’art. 72 CP demeure douteuse s’agissant de sa conformité à l’art. 6 ch. 2 CEDH. Certes, l’intéressé peut se voir attribuer la charge de prouver qu’il n’est pas lié à une organisation criminelle pour pouvoir revendiquer, en droit suisse, la restitution des fonds. Cependant, la règle se heurte à une autre, plus fondamentale, selon laquelle nul n’a l’obligation de s’auto-incriminer. Finalement, si le tiers n’arrive guère à faire la démonstration qu’il est un propriétaire légal et licite des fonds, ne court-il pas le risque d’être recherché pour participation active à une organisation criminelle? Comme relevé ci-dessus, la procédure d’entraide judiciaire a une vocation purement administrative. Dès lors, l’application de l’art. 6 ch. 2 CEDH pourrait paraître douteuse, s’agissant de l’interprétation telle que conférée par le TF à l’art. 74a EIMP. À supposer que l’on soit dans une procédure pénale, il faut encore se demander comment les juges de Strasbourg règlent la question du fardeau de la preuve. Celle-ci a été tranchée par la Cour européenne des droits de l’homme (Cour eur. DH) dans l’affaire Salabiaku c. France.104 Pour la Cour, la règle du fardeau de la preuve n’est pas absolue. Tout système juridique connaît nécessairement des présomptions de fait ou de droit. La CEDH n’y met pas obstacle en principe. En matière pénale, «elle oblige les États contractants à ne pas dépasser à cet égard un certain seuil». Plus particulièrement, si l’art. 6 ch. 2 CEDH «se bornait à énoncer les garanties à respecter par les magistrats pendant le déroulement des instances judiciaires, ces exigences se confondraient en pratique, dans une large mesure, avec le devoir d’impartialité qu’impose l’art. 6 ch. 1 CEDH».105 Dans ce contexte, le grief de la violation de l’art. 6 ch. 2 CEDH doit être examiné de façon concrète. L’art. 6 CEDH «ne s’intéresse donc pas aux présomptions de fait ou de droit qui se rencontrent dans les lois répressives. Il commande aux États de les enserrer dans des limites raisonnables prenant en compte la gravité de l’enjeu et préservant les droits de la défense».106 Plus particulièrement, si le renversement du fardeau de la preuve n’est pas un crime en soi, tout va dépendre de la gravité de la sanction et de la faculté, pour l’intéressé, de pouvoir participer efficacement et activement au procès équitable.107 Pour la Cour, il s’agit de rechercher dans chaque cas si les limites de la présomption ont été franchies au détriment de l’accusé.108 Dans la mesure où l’intéressé a la faculté d’apporter la preuve qu’il n’est pas l’auteur de l’infraction, qu’il peut amener des éléments établissant qu’il y a doute sur sa participation, qu’il peut invoquer le bénéfice de circonstances atténuantes ou qu’il peut faire état d’un cas de force majeure, il n’y a nulle trace de violation de l’art. 6 CEDH.109 En l’espèce, la contre-preuve qui incombe à la famille Duvalier, respectivement au clan Mobutu, porte sur des années d’activités à la tête d’un État, les faits s’étant en outre déroulés il y a plus de quinze ans. La difficulté de cette tâche doit toutefois être relativisée en comparaison de celle des États, spoliés et vidés de leurs ressources – avec les conséquences matérielles et humaines qui en découlent – de venir démontrer l’origine illicite des fonds bloqués. 104 105 106 100 101 102 103 ATF 125 I 474 consid. 3 et les arrêts cités. Mahon/Aubert (n. 66), ad art. 36 Cst., rem. 16 et les réf. citées. ATF 132 I 229 consid. 10.3; ATF 129 II 193 consid. 5.1. ATF 1A.335/2005 du 18 août 2006 consid. 6.1. AJP 03_2009.indb 285 107 108 109 Cour eur. DH, Arrêt Salabiaku c. France du 7 octobre 1988, Recueil, Série A n° 141 par. 28. Ibid. Ibid. Laurent Moreillon, La recherche des preuves dans l’instruction pénale: maxime inquisitoire et droit de la défense, RPS 2004, p. 140 ss, en particulier p. 146 et les réf. citées. Arrêt Salabiaku c. France (n. 104). Ibid. 10.3.2009 9:12:06 Uhr Sandrine Giroud-Roth/Laurent Moreillon AJP/PJA 3/2009 286 V. Propositions pour un projet de loi L’analyse des décisions des 2 juillet 2008 et 12 février 2009, ainsi que des 12 décembre 2008 et 25 février 2009, a montré que la pratique actuelle en matière de restitution anticipée, dans le cas d’États défaillants, soulève des doutes en terme de légalité, de proportionnalité et de garanties procédurales. La confiscation ne s’impose que faiblement et sans convaincre, par des applications analogiques de la loi et des fondements jurisprudentiels fragiles. Si la jurisprudence Abacha a ouvert la porte à de nouveaux développements en matière de restitution anticipée de fonds, il est maintenant primordial de pouvoir les ancrer dans une base légale solide qui adresse formellement la problématique des États défaillants. La question d’une réforme législative en matière de confiscation des avoirs des PEP a déjà donné lieu à de nombreux objets parlementaires.110 C’est à la suite du Postulat Gutzwiller du 21 juin 2007 sur l’entraide judiciaire avec les États défaillants111 que le CF a décidé d’agir sur le plan législatif en mandatant le DFAE de rédiger un projet de loi réglementant la confiscation des avoirs d’origine illicite déposés en Suisse par des PEP.112 L’ambition du présent article se limite à suggérer quelques éléments de réflexion à considérer lors de l’élaboration de la nouvelle loi. Il est évident que le projet de loi ne peut échapper à la formulation de règles claires et précises concernant la confiscation et la restitution anticipée. Trois voies sont possibles: la voie de l’entraide (modification de l’EIMP), la voie pénale (modification du CP) ou la voie administrative (introduction d’une nouvelle norme législative). Les avis sont partagés. Pieth privilégie une modification de la législation pénale. Dans ce sens, il propose l’adoption d’une norme de confiscation autonome – à l'exemple des législations autrichienne et liechtensteinoise – combinée à un renversement du fardeau de la preuve.113 Relevant les difficultés liées à une application étendue de l’art. 72 CP, il favorise un renversement du fardeau de la preuve spécifiquement adapté au cas des PEP. Il s’agirait ainsi, d’une part, de délimiter de manière adéquate le concept de PEP et, d’autre part, d’établir un catalogue des actes incriminés. Tel n’est pas l’avis de Morier qui considère que le CP ne peut pallier les dysfonctionnements d’États étrangers et rejette la voie pénale. Selon lui, le but d’une adaptation législative doit viser l’introduction d’une norme de confiscation et non la criminalisation de certains comportements. Il préconise, 110 111 112 113 Interpellation Remo Gysin (07.3324 du 13 juin 2006); Question Luc Recordon (07.5168 du 11 juin 2007); Interpellation Didier Berberat (07.3336 du 14 juin 2007); Interpellation Dick Marty (07.3499 du 22 juin 2007); Initiative parlementaire Groupe socialiste, porte-parole Carlo Sommaruga (07.445 du 22 juin 2007); Question Didier Berberat (08.1049 du 12 juin 2008). Postulat Felix Gutzwiller (07.3459 du 21 juin 2006). DFAE (n. 5). Pieth (n. 39), p. 505. AJP 03_2009.indb 286 en conséquence, une solution administrative qui reposerait sur la compétence du CF en matière d’«affaires étrangères» octroyée par l’art. 54 Cst.114 Il rejoint toutefois Pieth en combinant cette norme administrative à un renversement du fardeau de la preuve. Enfin, tous les deux excluent la voie de l’entraide qui pose comme condition essentielle l’existence d’une requête de l’État étranger. Cette troisième voie a certes fait ses preuves dans le cas d’États requérants réactifs,115 mais l’incapacité ou le manque de volonté de certains États («défaillants») à produire les éléments de preuve nécessaires – voire même à formuler une requête d’entraide – a bien montré les limites du système. Le choix entre la voie pénale, la voie administrative et celle de l’entraide internationale, dépend essentiellement de deux éléments. Le premier est le degré de preuve exigé pour l’établissement de l’origine illicite des fonds. Le deuxième concerne la latitude que l’on compte laisser à l’autorité compétente dans l’application de la norme. La voie pénale permettrait une application plus systématique d’une telle norme mais exigerait, en retour, un degré de preuve plus élevé et précis, ôtant une partie de son pouvoir d’appréciation à l’autorité compétente. Or, le cas d’un État défaillant comporte toujours une dimension politique (pauvreté extrême, catastrophes naturelles, corruption endémique, etc.) qui nécessite un pouvoir d’appréciation adéquat, ce que la voie administrative permettrait de préserver au mieux. Quant à la voie de l’entraide, elle suppose une aide inter États qui semble illusoire dans le cas d’États défaillants, puisqu’une telle coopération ne peut exister lorsqu’un État requérant ne veut ou ne peut agir. Quelle que soit la voie choisie, il nous paraît nécessaire que le nouveau projet de loi incorpore certains éléments indispensables au bon déroulement de la confiscation, à commencer par le renversement du fardeau de la preuve. D’autres problèmes comme celui de la prescription des actes incriminés doivent également être adressés. Il s’agira de fixer clairement le départ du délai de prescription ainsi que sa durée, voire l’imprescriptibilité de tels actes. Se pose en outre la question du rôle des victimes directes. En effet, les crimes patrimoniaux à l’origine des fonds vont souvent de pair avec des violations crasses des droits de l’homme, la mise en place d’un régime de terreur dans un pays favorisant la corruption et le pillage des ressources.116 Il existe donc un lien entre ces violations des droits de l’homme et ces fonds. Il s’ensuit que les victimes de ces violations devraient également pouvoir participer à la procédure, en tant que partie pénale ou civile.117 114 115 116 117 Morier (n. 11), p. 277 s. V. les affaires Marcos, Abacha et Montesinos citées précédemment (n. 45 ss). Cette réalité apparaît d’autant plus clairement lorsque la qualification d’«organisation criminelle» est utilisée. L’art. 53 de la Convention de l’ONU contre la corruption pourrait servir de source d’inspiration. En effet, la portée de cet ar- 10.3.2009 9:12:06 Uhr Restitution spontanée de fonds bloqués à des États défaillants: les cas Duvalier et Mobutu AJP/PJA 3/2009 287 Ces pistes de réflexion ne sont pas exhaustives et se limitent à la question de la confiscation. Les modalités de restitution de ces fonds ainsi que la supervision de leur utilisation, afin d’éviter que les fonds restitués ne viennent alimenter la corruption endémique de certains États bénéficiaires, demeurent une question délicate qui devra être abordée avec grand soin. VI. Conclusion Comme l’affaire Marcos en son temps, les affaires Duvalier et Mobutu servent aujourd’hui de cas d’école au législateur helvétique. Le système actuel de confiscation et de restitution des biens illicites de PEP repose sur la bonne volonté de l’État requérant. Que cet État, supposé requérant, vienne à faillir et la machine s’enraie. Loin des tergiversations politiques et des bricolages juridiques, il s’agit, à présent, d’apporter une solution claire à la problématique des biens illicites revenant à des États défaillants. Cette démarche permettra à la Suisse de préserver au mieux ses intérêts, notamment en terme de réputation, dans les domaines financiers et de politique internationale. En effet, l’absence – voulue ou non – de coopération de la part de certains États peut faire de la Suisse le coffre-fort international involontaire de ces fonds litigieux, menaçant son image de place financière propre, déjà mise à mal ces derniers temps. Qui plus est, les citoyens de ces États défaillants sont souvent ceux à qui ces biens seraient les plus nécessaires. Dans la mesure où leur État n’est pas à même ou ne veut pas entreprendre les démarches utiles, il serait temps d’offrir à ces victimes la possibilité de faire valoir leur droit à la restitution de ces biens illégitimement acquis. Souhaitons que le législateur saura relever ce défi dans le respect des principes d’un État de droit et de justice. ticle qui prévoit la possibilité, pour l’ayant droit légitime, de recouvrer par le biais d’une action civile les avoirs dissimulés à l’étranger par un agent public corrompu, n’est pas limitée au seul État lésé, mais s’étend également à chaque particulier qui fait valoir un droit légitime. AJP 03_2009.indb 287 Die Beschlagnahme und Rückgabe von Vermögenswerten, die von politisch exponierten Personen widerrechtlich angeeignet und in der Schweiz deponiert worden sind, haben im Zusammenhang mit den Affären Duvalier und Mobutu neue rechtliche Entwicklungen erfahren. Der vorliegende Aufsatz wirft einen kritischen Blick auf die heutige Rechtspraxis und zeigt die Grenzen des geltenden Rechts auf. Obwohl die heutigen Regelungen denjenigen Staaten, die sogleich ihre korrupten Potentaten zur Verantwortung ziehen, einen effektiven Schutz bieten, erweisen sie sich aber bei «Säumnis» dieser Staaten als weitgehend unwirksam. In diesen Fällen tun sich die schweizerischen Behörden schwer, Gerechtigkeit mit Rechtsstaatlichkeit zu vereinbaren. Nur grundlegende Gesetzesänderungen können diese Probleme, die dem Ansehen der Schweiz aussenpolitisch und mit Bezug auf den Finanzplatz schaden könnten, lösen. Der Aufsatz schliesst mit einigen Vorschlägen für eine neue Gesetzgebung. 10.3.2009 9:12:07 Uhr Marnie Engewald-Dannacher AJP/PJA 3/2009 Aufarbeitung von Staatsunrecht in rechtstaatlichen Grenzen? 288 Zum Revisionsbedarf des Schweizerischen Einziehungrechts im Hinblick auf Potentatengelder MARNIE ENGEWALDDANNACHER lic. iur., Basel Inhaltsübersicht I. Einleitung II. Der Präzedenzfall Abacha und der Nachfolgefall Duvalier 1. Art. 260ter StGB, Staatsregime als kriminelle Organisation a) Allgemeine Überlegungen zu Art. 260ter StGB b) Organisation c) Geheimhaltung d) Kriminelles Staatsregime als gefährliche Subkultur? e) Räumlicher und zeitlicher Geltungsbereich 2. Anwendung von Art. 72 StGB a) Allgemeine Überlegungen zu Art. 72 StGB b) Einziehung von Vermögenswerten eines kriminellen Regimes mittels Art. 72 StGB? c) Auslegung des Art. 74a IRSG im Lichte von Art. 72 StGB III. Voraussetzungen einer Gesetzesrevision IV. Diskutierte Lösungsvorschläge 1. Straftatbestand illicit enrichment, Art. 20 UNCAC 2. Selbständige Einziehung/Civil forfeiture 3. Vorschlag Pieth 4. Neuer Lösungsvorschlag V. Fazit genswerte politisch exponierten Personen zugeordnet werden können – sogenannte Potentatengelder –, scheint sie häufig in Bedrängnis zu geraten. Obwohl die Schweiz in der Rückführung solcher Gelder an das geschädigte Land zweifellos eine Vorreiterrolle spielt1, zeigen etwa die noch hängigen Fälle Duvalier oder Mobutu die Grenzen des Schweizer Rechtssystems auf. Wenn ein ausländischer Staat den Voraussetzungen eines Rechtshilfeverfahrens nicht nachkommen kann oder will, bleiben Potentatengelder zum Teil jahrzehntelang eingefroren, ohne dass es zu einer Rückgabe kommt2. Da die Schweizer Rechtsordnung keine taugliche autonome Einziehungsnorm für Potentatengelder kennt, strapazieren die Schweizer Behörden momentan das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit enorm mit ihren beinahe akrobatischen Gesetzesauslegungen und Argumentationen, um eine Herausgabe solcher Gelder an den berechtigten Staat zu erwirken. Der BGE3 über die Herausgabe der Vermögenswerte des ehemaligen nigerianischen Staatschefs General Sani Abacha scheint für den Ruf der Schweiz nicht nur ein Erfolg gewesen zu sein, sondern auch zum Präzendenzfall für weitere in der Schweiz gesperrte Potentatengelder zu werden. Auch im Nachfolgefall Duvalier wird vom Bundesamt für Justiz eine ähnliche Strategie vertreten. Bei genauer Betrachtung der Erwägungen dieses Abacha-Urteils stellen sich jedoch erhebliche Rechtsfragen. Politische Zwänge haben beim Entscheid des Bundesgerichts wohl eine grössere Rolle gespielt als die Einhaltung gesetzlicher Grenzen. Im Folgenden soll anhand der vorne erwähnten Fälle die aktuelle Rechtslage, insbesondere bezüglich der Anwendung des Art. 260ter StGB und der dazugehörigen Einziehungsnorm Art. 72 StGB kritisch betrachtet werden. Hier werden Probleme deutlich, die es mittels einer allfälligen Gesetzesrevision zu lösen gilt. Im Anschluss sollen bisher diskutierte Lösungsmöglichkeiten und eine neue mögliche – weitgehend friktionsfreie – Lösung dargestellt werden. 1 I. Einleitung Die Schweiz als führender internationaler Finanzplatz droht immer wieder zum safe haven für deliktisch erworbene Vermögenswerte zu werden. Insbesondere wenn solche Vermö- AJP 03_2009.indb 288 2 3 Wissenschaftliche Assistentin von Prof. Dr. iur. Mark Pieth, Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozessrecht und Kriminologie, Juristische Fakultät der Universität Basel; Dissertationsprojekt: Einziehung von Potentatengelder. Pierre-Yves Morier, Is autonomous confiscation the acme of asset recovery?, in: Mark Pieth (ed.), Recovering Stolen Assets, Bern/Bruxelles/Frankfurt am Main/New York/Oxford/Wien 2008, 269. Die Vermögenswerte von Duvalier wurden im Jahre 1986 eingefroren, jene von Mobutu im Jahre 1997. BGE 131 II 196. 10.3.2009 9:12:07 Uhr Aufarbeitung von Staatsunrecht in rechtstaatlichen Grenzen? AJP/PJA 3/2009 289 II. Der Präzedenzfall Abacha und der Nachfolgefall Duvalier Das Bundesgericht hat im Fall Abacha4 erstmals – durchaus kühn – folgende Linie vertreten: Das Abacha-Regime wurde als kriminelle Organisation im Sinne von Art. 260ter StGB qualifiziert. Darauf aufbauend wurde die in Art. 72 StGB statuierte Beweislastumkehr analog auch im Rechtshilfeverfahren angewendet5. Da der Beweis über die allfällig legale Herkunft der Vermögenswerte von den Erben Abachas gar nicht erst angetreten wurde, konnte auf diese Weise eine Summe von ca. CHF 700 Mio. an Nigeria herausgegeben werden6. Im nun aktuellen Fall Duvalier wurde der gleiche Weg eingeschlagen. Nach einer jahrzehntelangen Kontosperre, die der Bundesrat gestützt auf seine aussenpolitischen Kompetenzen7 immer wieder verlängert hat, hat das Bundesamt für Justiz das Rechthilfeverfahren am 2. Juli 2008 wieder aufgenommen und die Vermögenswerte seinerseits gesperrt. Am 11. Februar 2009 hat das Bundesamt für Justiz folgende Verfügung erlassen: «Die haitianischen Behörden werfen dem ehemaligen Staatspräsidenten Jean-Claude Duvalier vor, von seinem Amtsantritt im Jahr 1971 bis zu seiner Flucht im Jahr 1986 mit Hilfe von Personen aus seiner Entourage die Staatskasse geplündert und die veruntreuten Gelder in Höhe von mehreren hundert Millionen USD im Ausland angelegt zu haben. Der Duvalier-Clan ist dabei wie eine kriminelle Organisation im Sinne von Art. 260ter des Schweizerischen Strafgesetzbuches vorgegangen, hält das BJ in seinem Entscheid fest. Damit ist nicht nur die Voraussetzung der beidseitigen Strafbarkeit erfüllt, um in diesem Fall Rechtshilfe gewähren zu können. Darüber hinaus sind gemäss der Rechtsprechung des Bundesgerichts im Fall Abacha die Einziehungsbestimmungen des StGB anwendbar, was eine Umkehr der Beweislast zur Folge hat. Da die Konteninhaber in ihren Stellungnahmen keinerlei Hinweise oder Klärungen auf die rechtmässige Herkunft der in der Schweiz gesperrten Vermögenswerte in Höhe von rund 7 Millionen Franken vorlegen konnten, ordnete das BJ deren Herausgabe an Haiti an.8» 1. Art. 260ter StGB, Staatsregime als kriminelle Organisation a) Allgemeine Überlegungen zu Art. 260ter StGB 1981 wurde ein erster Versuch, einen Straftatbestand für sogenannte kriminelle Organisationen zu schaffen, abgelehnt. Die Gegner kritisierten insbesondere dessen präventiven Charakter, welcher der Funktion des Strafrechts als Mittel der Aufarbeitung von Unrecht zuwiderläuft.9 13 Jahre später wurde dann doch ein Organisationstatbestand, der sogenannte Mafia-Artikel, ins Strafgesetzbuch aufgenommen10. Offensichtlich hielt der Gesetzgeber dies für nötig, weil die Konstruktion von Verbrechensorganisationen den einzelnen Täter scheinbar als austauschbares Element in einer «bis zur Undurchdringlichkeit abgeschotteten Vereinigung darstellt»11. Einerseits aufgrund des präventiven Charakters, andererseits durch den Versuch, eine dem Vernehmen nach hermetisch abgeschottete Vereinigung in einer Norm zu definieren, treten zwangsläufig grosse Probleme auf. Dies wird bereits beim Versuch deutlich, die einzelnen Tatbestandsmerkmale zu präzisieren. Gemäss Art. 260ter StGB macht sich schon derjenige strafbar, der sich an einer Organisation bloss beteiligt oder eine Organisation unterstützt, die ihren Aufbau und ihre personelle Zusammensetzung geheimhält und den Zweck verfolgt, Gewaltverbrechen zu begehen oder sich mit verbrecherischen Mitteln zu bereichern. Im Zusammenhang mit einem kriminellen Regime soll hier vor allem das Element der geheimen Organisation genauer betrachtet werden. b) Eine Organisation im Sinne des Art. 260ter StGB ist ein Zusammenschluss mehrerer Personen, der festen Regeln der Willensbildung und Aufgabenteilung unterliegt, der auf eine dauerhafte Struktur ausgelegt und dessen Mitglieder jederzeit austauschbar sind, ohne den Bestand der Organisation zu gefährden12. Diese Elemente müssen zwar nicht kumulativ gegeben sein, die angeblich kriminelle Vereinigung muss aber nach Qualität und Quantität ein «mafiaähnliches» Gebilde darstellen, das ein ausserordentliches Gefährdungspotential aufweist13. Ist dies nicht der Fall, wäre eine Strafandrohung im Dienste eines Sicherheitskonzepts keinesfalls zu rechtfertigen. 9 10 11 4 5 6 7 8 BGE 131 II 169. BGE 131 II 169, 183 ff. Enrico Monfrini, The Abacha Case, in: Mark Pieth (ed.), Recovering Stolen Assets, Bern/Bruxelles/Frankfurt am Main/ New York/Oxford/Wien 2008, 59. Art. 184 Abs. 3 BV. Medienmitteilung des Bundesamts für Justiz vom 12. Februar 2009. AJP 03_2009.indb 289 Organisation 12 13 Botschaft über die Änderung des Schweizerischen Strafgesetzbuches und des Militärstrafgesetzes (Gewaltverbrechen) vom 10. Dezember 1979, BBl 1980 I 1241, 1252 ff. Art. 260ter StGB wurde mit dem Bundesgesetz 18. März 1994 ins Schweizerische Strafgesetzbuch eingeführt und trat am 1. August 1994 in Kraft. Botschaft über die Änderung des Schweizerischen Strafgesetzbuches und des Militärstrafgesetzes (Revision des Einziehungsrechts, Strafbarkeit der kriminellen Organisation, Melderecht des Financiers), BBl 1993 III 277, 295. Vgl dazu etwa Günther Stratenwerth, Schweizerisches Strafrecht, Besonderer Teil II: Straftaten gegen Gemeininteressen, 5. A., Basel 2000, § 40 N 21; Florian Baumann, in: Marcel Alexander Niggli/Hans Wiprächtiger (Hrsg.), Basler Kommentar, Strafrecht II, Art. 111–392 StGB, 2. A., Basel 2007, Art. 260ter StGB, N 6. Baumann (FN 12), Art. 260ter StGB, N 6. 10.3.2009 9:12:07 Uhr Marnie Engewald-Dannacher AJP/PJA 3/2009 290 Gemäss der Praxis des Bundesgerichts fallen unter den Organisationsbegriff mafiaähnliche Verbrechersyndikate und hochgefährliche terroristische Gruppierungen14. Bereits bei dieser ersten Konkretisierung treten massive Abgrenzungschwierigkeiten auf. So werden wohl terroristische Organisationen und organisierte Freiheitskämpfer kaum voneinander zu unterscheiden sein15, beide sind auf eine gewaltsame Durchsetzung ihrer politischen Ziele ausgerichtet. Nur bei letzteren wird dieses Ziel aus dem Blickwinkel der Schweiz positiv bewertet und soll daher nicht zu einem strafbaren Verhalten führen. c) Geheimhaltung Ein zusätzliches Merkmal, das den Begriff der Organisation eingrenzen soll, ist die Geheimhaltung. Mit der Geheimhaltung von Aufbau und personeller Zusammensetzung soll die kriminelle Organisation von erlaubten Unternehmungen abgegrenzt werden, selbst wenn in deren Bereich auch gelegentlich Delikte verübt werden16. Dieses Merkmal wurde in Anlehnung an die sizilianische Mafia in den Tatbestand aufgenommen17. Geheim muss nicht die Existenz einer solchen Organisation sein, sondern deren interner Aufbau und der Kreis der Mitbeteiligten und Helfer. Diese geheime Struktur trägt angeblich wesentlich zur Gefährlichkeit von kriminellen Organisationen bei, da sie sich dadurch von der Aussenwelt, insbesondere vor den Strafverfolgungsbehörden systematisch abschotten kann18. Es wird also vermutet, dass solche geheimen kriminellen Organisationen eine gefährliche Subkultur bilden – eine Art Parallelwelt, vor der die Bürger geschützt werden müssen. d) Kriminelles Staatsregime als gefährliche Subkultur? Bezüglich eines kriminellen Staatsregimes fällt auf, dass zwar offensichtlich organisationsähnliche Strukturen vorliegen und ein solches Regime zumindest für die dortige Zivilbevölkerung eine grosse Gefährdung darstellt. Ob ein kriminelles Regime jedoch einer geheim arbeitenden, kriminellen Organisation gleichgestellt werden kann, ist mehr als fraglich. Ein grosser Teil der internen Struktur eines kriminellen Regimes ist bekannt, mindestens der Head of state, die Minister, die leitenden Amtsträger, Familienmitglieder, oft auch die Befehlshabenden von sogenannten Pri- 14 15 16 17 18 Baumann (FN 12), Art. 260ter StGB, N 7. Mark Pieth, Criminalizing the Financing of Terrorism, Journal of International Criminal Justice, Vol. 4, 2006, 1074, 1080 ff.; Baumann (FN 12), Art. 260ter StGB, N 7. Botschaft 1993 (FN 11), 298. Mark Pieth, «Das zweite Paket gegen das Organisierte Verbrechen», die Überlegungen des Gesetzgebers, ZStrR 1995, 235. Baumann (FN 12), Art. 260ter StGB, N 7. AJP 03_2009.indb 290 vatarmeen (etwa die Tonton Macoutes19). Natürlich arbeitet ein kriminelles Regime auch mittels diverser Handlanger und Strohmänner. Dies scheint aber noch nicht der qualifizierten Geheimhaltung, die in Art. 260ter StGB gefordert wird, zu entsprechen. Auch stimmt wohl die Gesamtsituation einer kriminellen Staatsführung nicht mit der einer kriminellen Organisation überein. Während die kriminelle Organisation offensichtlich im Untergrund arbeitet und die Strafverfolgungsbehörde zu unterwandern versucht, so wird diese von einem kriminellen Regime direkt kontrolliert, weil dessen Vertreter eben auch in einer formalrechtlichen Machtposition stehen. Während das Handeln einer kriminellen Organisation einen Angriff auf den Staat ist, liegt beim Handeln eines kriminellen Regimes eher ein Angriff des Staates selber auf die Zivilbevölkerung vor. e) Räumlicher und zeitlicher Geltungsbereich Der räumliche Geltungsbereich des Schweizerischen Strafgesetzbuches (Art. 3–8 StGB) wird durch die Formulierung in Ziff. 3 des Art. 260ter StGB für den Tatbestand der kriminellen Organisation ausgedehnt. So findet Art. 260ter StGB schon dann Anwendung, wenn die kriminelle Organisation ihre verbrecherische Tätigkeit ganz oder teilweise in der Schweiz ausübt. Der räumliche Geltungsbereich wird bei der Anwendung dieses Artikels auf kriminelle Regime, die deliktisch erworbene Vermögenswerte über den Finanzplatz Schweiz waschen, keine Probleme bereiten. Problematisch scheint in diesem Zusammenhang der zeitliche Geltungsbereich dieses Artikels. Dies zeigt sich vor allem im aktuellen Fall Duvalier. Gemäss Art. 2 Abs. 1 StGB wird nur bestraft, wer nach Inkrafttreten des Gesetzes Verbrechen oder Vergehen begangen hat. Das Bundesamt für Justiz hat den Duvalier-Clan in der vorne zitierten Medienmitteilung als kriminelle Organisation im Sinne von Art. 260ter StGB qualifiziert und die Beweislastumkehr von Art. 72 StGB angewendet. Beide Artikel sind am 1. August 1994 in Kraft getreten. Jean-Claude Duvalier war allerdings von 1971–1986 Staatschef Haitis, seine Vermögenswerte auf Schweizer Bankkonten wurden ebenfalls bereits im Jahre 1986 eingefroren. Folglich hatte der in Frankreich im Exil lebende Duvalier, während der Zeit zwischen 1987 und 2009 weder die Möglichkeit, in Haiti Vermögens- oder Gewaltdelikte zu begehen, noch konnte er, da sein Vermögen in der Schweiz bereits auf Eis gelegt wurde, auch hier keine weiteren Vermögensdelikte, wie etwa Geldwäscherei verüben. Die Anwendung des Art. 260ter StGB ist in diesem konkreten Fall unzulässig, da sie dem strafrechtlichen Prinzip des Rückwirkungsverbots entgegensteht. Es wird im Ergebnis auch keinen Unterschied machen, dass die Subsumierbarkeit unter den Art. 260ter StGB nur als Vorfrage beantwortet wird, 19 Haitianische Miliz, offiziell bekannt als die MVSN, Milice de Volontaires de la Sécurité. 10.3.2009 9:12:08 Uhr Aufarbeitung von Staatsunrecht in rechtstaatlichen Grenzen? AJP/PJA 3/2009 291 damit die dazugehörige Einziehungsnorm, Art. 72 StGB, angewendet werden kann. Das Rückwirkungsverbot gilt sowohl für Strafen wie auch für Massnahmen20. 2. Anwendung von Art. 72 StGB a) Allgemeine Überlegungen zu Art. 72 StGB Gemäss Art. 72 StGB können Vermögenswerte, die der Verfügungsmacht einer kriminellen Organisation unterliegen, eingezogen werden. Bei Vermögenswerten einer Person, die sich an einer solchen Organisation beteiligt oder sie unterstützt, wird die Verfügungsmacht der Organisation bis zum Beweis des Gegenteils vermutet. In diesem Artikel geht es nicht, wie in der Einziehung üblich, um das Abschöpfen deliktisch erworbener Vermögenswerte, sondern um die Wegnahme des Betriebskapitals einer kriminellen Organisation, weil dieser eine ausserordentliche Sozialgefährlichkeit zugeschrieben wird.21 Diese Norm hat also in erster Linie einen präventiven Charakter: Die Vermögenswerte müssen eingezogen werden, weil es zu gefährlich wäre, sie in den Händen der kriminellen Organisation zu belassen. Gemäss dem zweiten Satz dieser Bestimmung muss die Verfügungsmacht einer kriminellen Organisation bei Vermögenswerten eines ihrer Mitglieder nicht mehr bewiesen werden – eine solche Person kann aber ihrerseits den Gegenbeweis führen. Diese Beweislastumkehr bricht mit einem fundamentalen strafrechtlichen Prinzip: in dubio pro reo wird missachtet. Bei einem derartigen Wechsel der Beweislast auf eine private Person, muss die Schwelle des Gegenbeweises freilich sehr tief angesetzt werden. Allerdings scheinen die Überlegungen der herrschenden Lehre, was inhaltlich als Gegenbeweis gelten soll, der Zielrichtung des Art. 72 StGB entgegenzustehen. So soll der Gegenbeweis auch darin bestehen, dass die betroffene Person die legale Herkunft der Vermögenswerte darlegen kann22. Jedoch ist für eine Einziehung nach Art. 72 StGB die legale oder illegale Herkunft der Vermögenswerte gerade nicht wesentlich: Die Vermögenswerte sollen eingezogen werden, weil sie sich in gefährlichen Händen befinden. Auf der Ebene des Gegenbeweises müsste also nicht die Herkunft thematisiert werden, sondern die Verfügungsmacht; wird die Verfügungsmacht der Organisation widerlegt, ist das Vermögen ja ungefährlich und daher freizugeben. 20 21 22 Günther Stratenwerth, Schweizerisches Strafrecht, Allgemeiner Teil I, 2. A., Bern 2006, § 4 N 13; Kurt Seelmann, Strafrecht Allgemeiner Teil, 3. A., Basel 2007, 28. Florian Baumann, in: Marcel Alexander Niggli/Hans Wiprächtiger (Hrsg.), Basler Kommentar, Strafrecht I, Art. 1–110 StGB, 2. A., Art. 72 StGB, N 2; Botschaft 1993 (FN 11), 316. Botschaft (FN 11), 319–320; Baumann (FN 21), Art. 72 StGB, N 11, m.w.H. AJP 03_2009.indb 291 b) Einziehung von Vermögenswerten eines kriminellen Regimes mittels Art. 72 StGB? Auch das Konzept dieses Artikels passt grundsätzlich nicht auf den Missstand eines kriminellen Staatsregimes. Sogenannte Potentatengelder sollen zurückgegeben werden können, weil sie der Zivilbevölkerung «gestohlen» wurden. Hier geht es um die Aufarbeitung von Unrecht, es besteht ein Restitutionsinteresse. Art. 72 StGB dient jedoch der Gefahrenabwehr. Dass eine sozialgefährliche – weil kriminell ausgerichtete – Organisation Zugriff auf Vermögenswerte hat, soll unterbunden werden. Ob aber beispielsweise ein im Exil lebender Diktator wie Duvalier diese Gefährlichkeit noch aufweist, ist höchst unwahrscheinlich. Ausserdem wurde zu den Fällen Abacha23 und Duvalier24 erklärt, dass die betroffenen Personen die Einziehung verhindern können, wenn sie die legale Herkunft dieser Vermögenswerte beweisen. Wie vorne bereits erklärt, ist dies konzeptionell verfehlt, da der Gegenbeweis gegen die Verfügungsmacht der kriminellen Organisation, aber nicht gegen die illegale Herkunft der Vermögenswerte geführt werden müsste. c) Auslegung des Art. 74a IRSG im Lichte von Art. 72 StGB Bezüglich des zeitlichen und räumlichen Geltungsbereichs des Art. 72 kann grundsätzlich auf die Überlegungen in II.1.e) verwiesen werden. Das Bundesgericht hat in seinem AbachaUrteil25 diesen Artikel aber nicht direkt angewendet, sondern das Rechtshilfegesetz, insbesondere die Herausgabe von Vermögenswerten nach Art. 74a IRSG im Lichte des Artikels 72 StGB ausgelegt. In seinen Erwägungen argumentiert es folgendermassen: Gemäss der Botschaft vom Bundesrat26 hatte die neue Einziehungsnorm für Vermögen einer kriminellen Organisation (Art. 59 Abs.3 aStGB, heute Art. 72 StGB) das Ziel, die Regel umzustossen, nach der eine Einziehung sowohl im innerstaatlichen Recht wie auch in der internationalen Rechtshilfe nur angeordnet werden kann, wenn auch die Einzeltat, aus der die Vermögenswerte stammen, bewiesen werden kann.27 Bei unbefangener Lektüre der Botschaft stellt man aber fest, dass die neue Norm vor allem Erleichterungen bringen sollte, soweit bisher verfahrensstrukturelle Unterschiede die Rechtshilfefähigkeit von Urteilen verhindert hat. So war etwa die Einziehung im Zusammenhang mit einem «guilty plea»-Urteil in einem angloamerikanischen plea bargaining- 23 24 25 26 27 Vgl. FN 4. Siehe Medienmitteilung des Bundesamtes für Justiz vom 2. Juli 2008. Vgl. FN 4. Botschaft (FN 11). BGE 131 II 169, 183. 10.3.2009 9:12:08 Uhr Marnie Engewald-Dannacher AJP/PJA 3/2009 292 Verfahren in der Schweiz nicht vollziehbar, da die Schweiz bisher keine schuldunabhängige Einziehung kannte28. Ob die in der Botschaft angesprochenen Erleichterungen bei einem «early release» gemäss Art. 74a Abs. 3 IRSG, nach dem Vermögenswerte in jedem Verfahrensstadium herausgegeben werden können, Bedeutung haben soll, ist zweifelhaft: Auch diese beiden Artikel passen konzeptionell einfach nicht zusammen. Art. 74a IRSG stellt klar auf die deliktische Herkunft von Vermögen ab, während Art. 72 StGB, wie vorne erläutert, die Einziehung dann zulässt, wenn sich Vermögenswerte unabhängig von ihrer Herkunft in ausgesprochen gefährlichen Händen befinden. Auch die Tatsache, dass bei der Revision des IRSG im Jahre 1997, als die Neuerung des early release ins Gesetz aufgenommen wurde, weiterhin auf die deliktische Herkunft von Vermögenswerten abgestellt und die Idee des Art. 72 StGB nicht übernommen wurde, steht der Argumentation des Bundesgerichts entgegen. Grundsätzlich sind zwar Analogieschlüsse zur Auslegung des IRSG gemäss Art. 12 Abs. 1 IRSG bei Gesetzeslücken zulässig. Hier scheint aber eine bestehende Norm des IRSG durch eine anders ausgerichtete Bestimmung des Strafgesetzbuchs ersetzt worden zu sein. III. Voraussetzungen einer Gesetzesrevision Die rechtlichen Probleme, die im Zusammenhang mit der Rückführung von Potentatengeldern zu erkennen sind und die das rechtstaatliche Handeln unserer Behörden bisweilen an Grenzen oder darüber hinaus führen, drängen eine Revision des Einziehungsstrafrechts geradezu auf. Der politische Druck bezüglich der Rückführung von Potentatengeldern ist in der Schweiz jetzt – leider nicht schon vor 30 Jahren – massiv. Gerade deshalb sollte bei einer Revision versucht werden, den Ansprüchen der Rechstaatlichkeit gerecht zu werden. Die Praxis hat gezeigt, dass in Fällen von Potentatengeldern insbesondere der lückenlose paper trail zwischen einzelnen Delikten und den Vermögenswerten in der Regel nicht vorliegt. Diesbezüglich scheint eine Beweiserleichterung angebracht und vertretbar. Diese Einschränkung des strafrechtlichen Prinzips in dubio pro reo ist allerdings nur zu rechtfertigen, wenn gegenüber den übrigen Tatbestandselementen die volle Beweislast beim Staat bleibt. Es bedarf eines Einziehungsartikels, der an die deliktische Herkunft anknüpft, da die betreffenden Gelder der Zivilbevölkerung entwendet wurden – und diese Tatsache gilt es aufzuarbeiten. Das Tatbestandsmerkmal der Verfügungsmacht verfehlt diese Schutzrichtung jedoch, da zumindest vom ehemaligen Head of state keine Gefährlichkeit mehr ausgeht. Eventuell muss sich die Schweiz eingestehen, dass Fälle wie Duvalier mit den jetzigen gesetzlichen Möglichkeiten nicht lösbar sind. Sie sind ein trauriges Kapitel des Erfolges der Schweiz als internationaler Finanzplatz. Die Vermögenswerte trotz entgegenstehender Gesetzeslage einzuziehen, scheint insofern stossend, als dass den Staatsregimes ja gerade massiver Machtmissbrauch vorgeworfen wird. Natürlich kann dieser nicht aufgearbeitet werden, indem die Schweizer Behörden nun ihrerseits ihre nicht durch das Gesetz gestützte Machtposition gegenüber einem Beschuldigten missbrauchen. IV. Diskutierte Lösungsvorschläge 1. Straftatbestand illicit enrichment, Art. 20 UNCAC29 Eine Möglichkeit diesen Missstand zu beheben, wäre etwa die Einführung eines neuen Straftatbestandes oder einer Einziehungsnorm unter dem Titel illicit enrichment. Gemäss Art. 20 UNCAC sollen die Vertragsstaaten vorbehaltlich ihrer Verfassung sowie der Grundprinzipien ihrer Rechtsordnungen in Erwägung ziehen, die erforderlichen gesetzgeberischen und sonstigen Massnahmen zu treffen, um die unerlaubte Bereicherung, d.h. eine erhebliche Zunahme der Vermögenswerte eines Amtsträgers, die er im Verhältnis zu seinen rechtmässigen Einkünften nicht angemessen erklären kann, als Vorsatzstraftat zu umschreiben. Diese offene Formulierung würde zu weit führen. Sie ist unbestimmt und widerspricht dem fragmentarischen Charakter des Strafrechts. 2. Verschiedene Rechtsordnungen kennen ein Instrument der selbständigen Einziehung. So sind nach dem österreichischen Recht (§ 20b Abs. 2 öStGB)30 etwa Vermögenswerte als verfallen zu erklären, die aus einer mit Strafe bedrohten Handlung stammen, wenn die Tat, aus der sie herrühren, auch durch die Gesetze des Tatorts mit Strafe bedroht ist, aber nicht den österreichischen Strafgesetzen unterliegt. In einigen Common Law Rechtsordnungen finden wir eine ähnliche Konstruktion, das sogenannte civil forfeiture, nach dem Vermögenswerte eingezogen werden können, wenn festgestellt wird, dass sie aus einem Verbrechen stammen oder der Ausführung von weiteren Verbrechen dienen, auch wenn kein strafrechtliches Urteil vorliegt. Der Vorteil dieser Lösung wäre die Anwendung der (leichter zu erfüllenden) zivilrechtlichen statt der strafrechtlichen Beweisanforderungen. 29 28 Botschaft (FN 11), 317. AJP 03_2009.indb 292 Selbständige Einziehung/ Civil forfeiture 30 United Nations Convention against Corruption (UNCAC) of 31 Oktober 2003. Vgl. in Liechtenstein, § 20b Abs. 2 LiStGB. 10.3.2009 9:12:08 Uhr Aufarbeitung von Staatsunrecht in rechtstaatlichen Grenzen? AJP/PJA 3/2009 293 Beide Lösungswege helfen im Grunde aber nicht weiter, da sie den Beweis der direkten Verbindung zwischen Vermögenswerten und einzelnen Delikten verlangen. In diesem Punkt wäre aus den erwähnten praktischen Gründen eine Beweiserleichterung angebracht. 3. Delikten, stellt aber weiterhin auf den deliktischen Ursprung der Vermögenswerte ab: Art. 72bis 1 Wenn Vertreter eines ausländischen Staatsregimes in ihrer Funktion systematisch Amts- oder Vermögensdelikte begangen haben, sind Vermögenswerte einzuziehen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit aus einem solchen Delikt stammen. Die von der Einziehung betroffene Person kann diese verhindern, wenn sie die legale Herkunft der Vermögenswerte glaubhaft machen kann. 2 Die Einziehung der Vermögenswerte nach Abs. 1 erfolgt auch dann, wenn die schweizerische Zuständigkeit nach Art. 3 bis 8 StGB nicht gegeben ist. Vorschlag Pieth Ein differenzierterer Vorschlag liegt von Pieth vor. In der Festschrift Riklin31 hat er folgende mögliche Einziehungsnorm publiziert: 1 Bis zum Beweis des Gegenteils wird vermutet, dass Vermögenswerte durch eine Straftat erlangt worden sind, die in der Verfügungsmacht eines ehemaligen oder aktuellen, leitenden ausländischen Amtsträgers eines Regimes stehen, dessen Vertreter auf systematische Weise schwere Vermögens- oder Amtsdelikte begangen haben, oder sich schwere Menschenrechtsverletzungen haben zuschulden kommen lassen. Misslingt der Gegenbeweis, sind die Vermögenswerte einzuziehen. 2 Die Einziehung der Vermögenswerte nach Abs. 1 erfolgt auch dann, wenn die schweizerische Zuständigkeit nach Art. 3 bis 8 StGB nicht gegeben ist. Vorausgesetzt ist aber, dass die Taten auch am Begehungsort strafbar sind oder dass der Begehungsort keiner Strafgewalt unterliegt. Die Herausgabe der Vermögenswerte gemäss IRSG geht der Einziehung nach Art. 72bis vor. Diese Norm ist sehr eng und präzise formuliert. Der Rechtstaatlichkeit wird genüge getan, zudem ist die erwünschte Beweiserleichterung bezüglich der direkten Verbindung zwischen einzelnen Verbrechen und Vermögenswerten enthalten. Allerdings wird auch in dieser Norm auf die Verfügungsmacht abgestellt, worauf es doch nicht ankommen kann, da das Interesse der Schweiz, diese Vermögenswerte zurückzugeben, nicht daran liegt, dass sie aufgrund ihrer Gefährlichkeit eingezogen werden müssen: Es soll vergangenes Unrecht aufgearbeitet werden. Weiter scheint das Verhältnis dieser Norm zu der Herausgabe von Vermögenswerten gemäss dem IRSG nicht klar zu sein. So könnte etwa der letzte Satz des Abs. 2 bedeuten, dass die Norm gegenüber Mobutu und Duvalier keine Anwendung finden würde, da in diesen beiden Fällen der Rechtshilfeweg bereits eingeschlagen wurde. 4. Neuer Lösungsvorschlag Ein möglicher Lösungsweg mit einem rein repressiven Charakter und einer genügend bestimmten Formulierung soll im Folgenden vorgestellt werden. Er schafft eine Beweiserleichterung (keine Beweislastumkehr) für den direkten Zusammenhang zwischen Vermögenswerten und einzelnen 31 Mark Pieth, Die Herausgabe illegal erworbener Vermögenswerte an sog. «Failing States», in: Marcel Alexander Niggli/José Hurtado Pozo/Nicolas Queloz (Hrsg.), Festschrift für Franz Riklin, Zürich 2007, 497–507. AJP 03_2009.indb 293 Um eine Einziehung nach dieser Norm zu erwirken, müsste der ehemalige kriminelle modus operandi des Staatsregimes als solcher ohne Abstriche des strafrechtlichen Beweisniveaus festgestellt werden: mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit. Zusätzlich müsste der Richter sämtliche Anhaltspunkte für den direkten Zusammenhang zwischen den Vermögenswerten und den begangenen Delikten umfassend würdigen. Nur wenn sich daraus – zusätzlich zur Kriminalisierung des Regimes – eine hohe Wahrscheinlichkeit der kriminellen Herkunft ergibt, können die Vermögenswerte eingezogen werden. Die betroffene Person kann den Gegenbeweis antreten. Die Schwelle dieses Beweises muss allerdings entsprechend tief sein, dies soll mit der Formulierung «glaubhaft machen» erreicht werden. V. Fazit Es bleibt zu hoffen, dass der Gesetzgeber bei einer allfälligen Gesetzesrevision dem politischen Druck standhält und eine Lösung findet, die die gewünschte Praktikabilität bringt, ohne in Konflikt mit der Rechtsstaatlichkeit zu geraten. La place financière suisse apparaît régulièrement comme un safe haven pour des valeurs patrimoniales de personnes exposées politiquement et acquises de manière délictueuse. La Suisse joue un rôle de précurseur à l’échelle mondiale en remettant de tels biens aux états qui y ont droit. Dans le précédent Abacha, un régime étatique étranger a pour la première fois été qualifié d’organisation criminelle au sens de l’art. 260ter CP, de sorte que le renversement du fardeau de la preuve selon l’art. 72 CP s’appliquait concernant la provenance délictuelle des biens. Ce procédé soulève quelques questions de droit. Afin d’offrir à l’avenir une base plus solide pour la résolution de tels cas, une révision de la confiscation pénale s’impose. Il conviendra de trouver une solution qui évite autant que possible les frictions avec les principes d’un état de droit, vu qu’il s’agit justement de corriger l’injustice étatique et l’abus d’autorité. (trad. LT LAWTANK, Fribourg) 10.3.2009 9:12:09 Uhr Andrea Mondini/Manuel Liatowitsch AJP/PJA 3/2009 Jederzeitige Kündbarkeit von Aufträgen schadet dem Dienstleistungsstandort Schweiz 294 Zeit für eine Praxisänderung zu Art. 404 OR ANDREA MONDINI MANUEL LIATOWITSCH LL.M., Rechtsanwalt, Zürich Dr. iur., Rechtsanwalt, Zürich Inhaltsübersicht 1. Ausgangslage 2. Tragweite von Art. 404 Abs. 1 OR 2.1 Bundesgerichtliche Rechtsprechung 2.2 Kantonale Rechtsprechung 2.3 Doktrin 3. Rechtsvergleichung 3.1 Deutschland 3.2 Österreich 3.3 Frankreich 3.4 Italien 4. Art. 404 sollte nur auf typische Aufträge zwingend angewendet werden 1. Ausgangslage Art. 404 Abs. 1 des Schweizerischen Obligationenrechts (OR) sieht vor, dass Auftraggeber und Beauftragter das zwischen ihnen bestehende Auftragsverhältnis jederzeit widerrufen oder kündigen können. Im Unterschied zu anderen Verträgen wird beim Auftrag die Beendigung nicht von einem bestimmten Termin oder einer bestimmten Frist abhängig gemacht, sondern als jederzeit zulässig erachtet. Beschränkt wird dieses Widerrufs- bzw. Kündigungsrecht allein durch Art. 404 Abs. 2 OR, wonach die zur Unzeit erfolgende Beendigung den zurücktretenden Vertragspartner zur Zahlung von Schadenersatz verpflichtet1. 1 Andrea Mondini, LL.M., und Dr. Manuel Liatowitsch sind Partner bei Schellenberg Wittmer Rechtsanwälte in Zürich. Die Verfasser danken Herrn Dr. Roland Ryser für die wertvolle Mitarbeit. Vgl. BGE 104 II 116. AJP 03_2009.indb 294 Im Auftragsrecht gilt Art. 404 Abs. 1 OR als eine der problematischsten Regelungen. Umstritten ist in Lehre und Rechtsprechung insbesondere die Frage, ob und vor allem inwiefern das jederzeitige Beendigungsrecht zwingender oder dispositiver Natur ist. Ebenso unklar ist die Tragweite der Regelung: Findet Art. 404 OR nur auf Verträge Anwendung, die sich als reine Aufträge i.S.v. Art. 394 ff. OR qualifizieren oder erstreckt sich die Bestimmung auch auf gemischte Verträge mit auftragsrechtlichen Elementen oder gar auf gewisse Verträge sui generis? Fraglich ist schliesslich, ob dem jederzeitigen Widerrufs- bzw. Kündigungsrecht auch Verträge unterliegen, die als Dauerschuldverhältnisse einzuordnen sind. Die entsprechende Problematik manifestiert sich namentlich bei den gerade in internationalen Geschäftsverhältnissen oft anzutreffenden Management-, Beratungs-, Versicherungsbroker-, Forschungs- und Entwicklungs-, Outsourcing- und IT-Dienstleistungsverträgen, welche aus schweizerischer Optik einerseits als Dauerschuldverhältnisse gelten und andererseits über bestimmte auftragsrechtliche Merkmale verfügen. Aufgrund der bestehenden Rechtsunsicherheiten können die Parteien solcher und weiterer Verträge nicht darauf vertrauen, dass die vertraglich vereinbarten Beendigungsmodalitäten vor Art. 404 OR auch tatsächlich standhalten. Im internationalen Verhältnis führt dies oft dazu, dass die Vertragsparteien von einer Unterstellung entsprechender Verträge unter Schweizer Recht absehen und eine Rechtsordnung wählen, welche keine diesbezüglichen Unklarheiten kennt. Dies schmälert die Attraktivität der schweizerischen Rechtsordnung und wirkt sich als Standortnachteil aus. Eine weitere Negativkonsequenz betrifft die Attraktivität der Schweiz für die internationale Schiedsgerichtsbarkeit. Wenn ausländische Parteien für den Streitfall ein Schiedsgericht in der Schweiz vorsehen, treffen sie häufig ohne längere Abklärungen auch eine Rechtswahl zugunsten schweizerischen Rechts – ohne sich im Detail darüber im Klaren zu sein, was dies für ihr Vertragswerk bedeutet. Gross ist die Überraschung dann, wenn sich im Streitfall die sorgfältig ausgehandelten Vertragsbeendigungs-Bestimmungen wegen Art. 404 OR plötzlich als Makulatur erweisen. Im Rahmen des vorliegenden Beitrags gilt es, vor diesem Hintergrund zunächst Lehre und Rechtsprechung zu Art. 404 OR abzubilden und die entsprechenden Rechtsunsicherheiten zu benennen (hinten Ziff. 2). Im Anschluss an einen Blick auf die Rechtsordnungen unserer Nachbarländer (hinten Ziff. 3) soll ein Vorschlag zu einer engen zwingenden Anwendung von Art. 404 OR erarbeitet werden (hinten Ziff. 4). 10.3.2009 9:12:09 Uhr Jederzeitige Kündbarkeit von Aufträgen schadet dem Dienstleistungsstandort Schweiz AJP/PJA 3/2009 295 2. Tragweite von Art. 404 Abs. 1 OR 2.1 Bundesgerichtliche Rechtsprechung Das Bundesgericht erachtet das freie Widerrufs- und Kündigungsrecht i.S.v. Art. 404 OR in ständiger Rechtsprechung als zwingend; es darf weder vertraglich ausgeschlossen noch eingeschränkt werden2. Selbst eine mittelbare Sanktionierung der Unwiderruflichkeit durch Konventionalstrafe (Art. 160 OR) wird für unzulässig erklärt3. Diesen zwingenden Charakter von Art. 404 OR rechtfertigt das Bundesgericht mit der Begründung, dass Beauftragte meist eine besondere Vertrauensstellung einnehmen und es im Falle einer Störung des Vertrauensverhältnisses keinen Sinn mache, den Vertrag aufrecht erhalten zu wollen4. Dem so verstandenen Art. 404 OR kommt nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung ein relativ breiter Anwendungsbereich zu: Die Regelung beschlägt nämlich nicht nur typische, namentlich unentgeltliche oder höchstpersönliche Aufträge, sondern wird durch das Bundesgericht auf sämtliche Auftragsverhältnisse angewendet5. Dem zwingenden jederzeitigen Auflösungsrecht werden darüber hinaus sogar gemischte Verträge unterstellt, «für welche hinsichtlich der zeitlichen Bindung der Parteien die Bestimmungen des Auftragsrechtes als sachgerecht erscheinen»6. Entsprechend wird also auch ein Architektenvertrag mit werkvertrags- und auftragsrechtlichen Elementen dem zwingenden freien Beendigungsrecht nach Art. 404 OR unterworfen7. Als zwingend widerruflich gelten laut Bundesgericht auch Liegenschaftsverwaltungs-8, Musikmanagement-9 und Internatsverträ2 3 4 5 6 7 8 BGE 59 II 261, 95 I 25, 98 II 307, 103 II 130, 104 II 111/115, 106 II 159 f., 109 II 467, 115 II 466 ff., 117 II 478; BGer vom 23.5.1989, SJ 1989, 523; BGer vom 6.10.1992, 4C.31/1992, NZZ vom 5.10.1993; BGer vom 31.3.2005, 4C.447/2004, E. 5.4; BGer vom 29. Juli 2008, 4A.213/2008, E. 5.2; vgl. auch die Hinweise auf weitere unveröffentlichte Urteile bei Peter Münch, Die jederzeitige Auflösbarkeit des Auftrages bleibt zwingend, ZBJV 1997, 333 f. BGE 103 II 130, 104 II 116, 109 II 467, 110 II 383. BGE 104 II 115 f., 115 II 466; ferner BGE 98 II 308, 109 II 466, 110 II 382; BGer vom 10.4.2002, 4P.28/2002, E. 3. C.cc; BGer vom 31.3.2005, 4C.447/2004, E. 5.2. BGE 115 II 466 f.; in BGE 109 II 467 wurde die Frage, ob auch atypische Auftragsverhältnisse dem jederzeitigen Beendigungsrecht unterliegen, noch offengelassen. BGE 115 II 466 f.; ferner BGE 109 II 466, 110 II 382. Nach früherer Rechtsprechung wurde Art. 404 OR hinsichtlich solcher Verträge dadurch zur Anwendung gebracht, dass Verträge auf Arbeitsleistung, welche keinem gesetzlichen Vertragstypus zugeordnet werden konnten, unter Berufung auf Art. 394 Abs. 2 OR integral dem Auftragsrecht unterstellt wurden; vgl. BGE 104 II 115 f., 106 II 159. BGE 109 II 462 ff., 110 II 382. BGE 106 II 159 f.; BGer vom 23.5.1989, SJ 1989, 523; a.M. noch BGE 83 II 530 mit Hinweis auf dessen dauervertragliche Rechtsnatur; vgl. eingehend dazu Willi Fischer, Der Liegenschaftsverwaltungsvertrag, AJP/PJA 2000, 399 ff. AJP 03_2009.indb 295 ge10 oder Kooperationsverträge zwischen Depotbanken und externen Vermögensverwaltern11. Dagegen qualifiziert das Bundesgericht Charterverträge als Verträge sui generis, deren Auflösung nicht der Vorschrift von Art. 404 OR untersteht12. Ebenfalls ausgeschlossen wird durch die bundesgerichtliche Rechtsprechung eine analoge Anwendung von Art. 404 OR auf Dauerverträge; so wird in einem neueren Entscheid festgehalten, dass ein Franchisevertrag aufgrund seiner dauerschuldvertraglichen Rechtsnatur nicht frei widerrufen werden könne13. Diese Begründung erstaunt indes vor dem Hintergrund, dass das Bundesgericht wiederholt auch Dauerschuldverträge als einfache Aufträge qualifiziert und dem freien Beendigungsrecht unterstellt hat14 und ungeachtet dieses Entscheides weiterhin festhält, der Dauerschuldcharakter eines Vertrages hindere dessen auftragsrechtliche Einordnung nicht15. Im Ergebnis wendet das Bundesgericht damit Art. 404 OR unmittelbar auf Dauerverträge an, sobald es diese als einfache Aufträge qualifiziert, lehnt aber gleichzeitig eine bloss sinngemässe Anwendung auf andere Dauerverträge mit Hinweis auf deren Dauerschuldcharakter ab16. 2.2 Kantonale Rechtsprechung Die kantonale Rechtsprechung hat verschiedentlich versucht, durch Qualifikation der zu beurteilenden Verträge als gemischte Verträge oder Veträge sui generis dem breiten Anwendungsbereich von Art. 404 OR gemäss der dargestellten Bundesgerichtspraxis auszuweichen. Nach kantonaler Rechtsprechung wurden mit dieser Begründung insbesondere Factoringverträge17, Fitnessverträge18, Verträge über 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 BGE 104 II 115 f. BGer vom 4.10.1982, C.171/82, E. 3 (zit. bei Arnold F. Rusch/Michael Hochstrasser, Verträge mit Kinderkrippen, Jusletter vom 22. Oktober 2007, N 43 Fn. 89); vgl. auch KGer SG vom 26.2.1982, SJZ 1983, 247 f. BGer vom 31.3.2005, 4C.447/2004, E. 5.2 f. («contrat de collaboration»); Christoph Gutzwiller, Rechtsfragen der Vermögensverwaltung, Züirch 2008, 82. BGE 115 II 111. BGer vom 11.10.2000, 4C.228/2000, E. 4; OGer ZH vom 24.6.2003, ZR 2004, 233; vgl. auch bereits BGE 83 II 530, 98 II 308, 120 V 305; ferner BGer vom 11.2.2003, 4C.270/2002, E. 2.4; BGer vom 11.6.2002, 4C.66/2002, E. 2.1; BGer vom 30.5.2005, 5C.252/2004, E. 5; OGer ZH vom 10.6.1988, ZR 1988, 310. Vgl. BGE 104 II 115 f., 106 Ib 150, 106 II 159, 108 Ib 192, 100 II 370 f., 110 II 284 f., 111 II 449, 126 III 21 f. BGer vom 7.2.2002, 4C.316/2001, E. 1b; BGer vom 10.4.2002, 4P.28/2002, E. 3.c; BGer vom 27.9.2002, 4C.125/2002, E. 2.1; BGer vom 31.3.2005, 4C.447/2004, E. 5.2 und 5.3. Ausführlich dazu Peter Gauch, Der Auftrag, der Dauervertrag und Art. 404 OR, Ein Kurzbeitrag zur Rechtsprechung des Bundesgerichts, SJZ 2005, 520 ff. OGer ZH vom 10.6.1988, ZR 1988, 310; OGer ZH vom 25.3.1985, ZR 1986, 29 f.; a.M. im konkreten Fall aber HandelsGer ZH vom 17.12.1990, ZR 1990, 151 ff. BezGer Arlesheim BL vom 15.10.1993, BJM 1994, 137 f.; KassGer NE vom 21.10.1999, SJZ 2000, 396 f. 10.3.2009 9:12:09 Uhr Andrea Mondini/Manuel Liatowitsch AJP/PJA 3/2009 296 die Erbringung von buchhaltungsbezogenen IT-Dienstleistungen19, IT-Serviceverträge20, Betreuungsverträge21 Beratungsverträge22. vom Anwendungsbereich von Art. 404 OR ausgenommen. 2.3 Doktrin23 In der Literatur wird die bundesgerichtliche Rechtsprechung bisweilen stark kritisiert. Für wenig überzeugend gehalten wird insbesondere die Begründung des zwingenden jederzeitigen Widerrufsrechts mit dem «besonderen Vertrauensverhältnis»; ein solches sei eben gerade nicht für jeden Auftrag typisch24. Indem das Bundesgericht aber auch solchen Verträgen fast jegliche Bindungswirkung abspricht, obwohl sie nicht durch ein besonderes Vertrauensverhältnis geprägt sind, werde gegen die ratio legis von Art. 404 OR verstossen25. Überdies könne der Auftraggeber bei fehlender Vertrauensbasis ohnehin jederzeit kündigen; es müsse bloss das Honorarinteresse des Beauftragten beachtet werden, wenn kein wichtiger Grund für die Kündigung vorliege. Art. 404 OR sei indessen auf unentgeltliche Aufträge zugeschnitten und trage dem nicht Rechnung26. Die bundesgerichtliche Rechtsprechung tangiere zudem den im Obligationenrecht geltenden Satz «pacta sunt servanda»27. Das Bundesgericht verkenne, dass das Vertrauen immer gegenseitig sei und primär zum Halten des gegebenen Wortes verpflichte28. Sodann sei die zwingende Natur von Art. 404 OR kaum zu begründen, wenn keine Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts (Art. 27 ZGB) vorliege. Im Obligationenrecht herrsche Vertragsfreiheit und entsprechend seien alle Vorschriften, die nicht gegen den ordre public verstossen, dispositiver Natur29,30. 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 KGer SG vom 6.01.1988, SJZ 1990, 125 f. KGer SZ vom 28.11.1989, SJZ 1990, 380. Vgl. KGer ZG vom 14.7.2005, ZGGVP 2005, 178 f. OGer LU vom 14.12.1988, SJZ 1989, 215 f., ZBJV 1990, 585 ff. Vgl. auch die Übersicht bei Josef Hofstetter, in: Josef Hofstetter/Wolfgang Wiegand (Hrsg.), Schweizerisches Privatrecht, Band VII/6: Obligationenrecht – Besondere Vertragsverhältnisse, Der Auftrag und die Geschäftsführung ohne Auftrag, Basel 2000, 58 f. Claire Huguenin, Obligationenrecht Besonderer Teil, 3. A., Zürich/Basel/Genf 2008, N 835; Pierre Engel, Contrats de droit suisse, 2. A., Bern 2000, 508; Rolf H. Weber, in: Heinrich Honsell/Nedim Peter Vogt/Wolfgang Wiegand (Hrsg.), Basler Kommentar, Obligationenrecht I, Art. 1–529 OR, 4. A., Basel 2007, Art. 404 N 9; Peter Gauch, Art. 404 OR – Sein Inhalt, seine Rechtfertigung und die Frage seines zwingenden Charakters, recht 1992, 14. Vgl. Engel (FN 24), 508. Heinrich Honsell, Schweizerisches Obligationenrecht, Besonderer Teil, 8. A., Bern 2006, 325. Vgl. Honsell (FN 26), 325; ferner Huguenin (FN 24), N 835. Honsell (FN 26), 325. Honsell (FN 26), 325 f. Vgl. auch die weiteren Argumente gegen die Rechtsprechung des Bundesgerichts bei Gauch (FN 24), 13 ff. AJP 03_2009.indb 296 Vor diesem Hintergrund wird nach der Mehrheitsauffassung in der Lehre31 sowie neueren kantonalen Gerichtsentscheiden32 zwischen sog. typischen und atypischen Aufträgen unterschieden. Als «typisch» und damit zwingend frei widerruflich gilt ein Vertrag dann, wenn er unentgeltlich33 oder im Falle der Vereinbarung eines Honorars höchstpersönlicher Natur ist (so z.B. Verträge mit Ärzten, Rechtsanwälten oder Treuhändern) bzw. wenn ihm ein besonderes Vertrauensverhältnis zugrunde liegt34. Bei Fehlen dieser Merkmale wird der Auftrag als «atypisch» aufgefasst und die Parteien können das jederzeitige Auflösungsrecht dementsprechend wegbedingen35 (in der Literatur wird diese Möglichkeit insbesondere bei Aufträgen mit Dauercharakter befürwortet36). Vor dem Hintergrund der Unterscheidung von typischen und atypischen Verträgen werden etwa Factoring-37, Outsourcing-38, Facility-Management-39, Franchise-40, Sponsoring-41, 31 32 33 34 35 36 37 38 Emmanuel Piaget, Les règles du mandat face aux contrats innomés, AJP/PJA 2005, 988 ff.; Eric Homburger, Zwingende Natur des jederzeitigen Widerrufsrecht nach Art. 404 Abs. 1 OR, SZW 1991, 35; Pierre Tercier, Les contrats spéciaux, 4. A., Genève/Zürich 2009, N 4940 ff.; Walter Fellmann, Berner Kommentar, Bd. VI/2, 4. Teilbd., Der einfache Auftrag, Art. 394–406 OR, 4. A., Bern 1992, Art. 404 N 115 ff.; Eugen Bucher, Obligationenrecht Besonderer Teil, 3. A., Zürich 1988, 228; Leo R. Gehrer, Die Gestaltung von Architekturverträgen – praktische Hinweise, in: Alfred Koller (Hrsg.), Recht der Architekten und Ingenieure, St. Gallen 2002, 111 f.; Huguenin (FN 24), N 834 f.; Ueli Sommer, Die rechtliche Qualifikation von Verwaltungsrats- und anderen Organverträgen – Eine Entgegnung auf die bundesgerichtliche Absage an das Konzerninteresse in BGE 130 III 213, AJP/PJA 2004, 1063; ferner Theo Guhl/Anton K. Schnyder, Das Schweizerische Obligationenrecht, 9. A., Zürich 2000, § 49 N 32; Honsell (FN 26), 325 f.; a.M. Hofstetter (FN 23), 60 f., 67 ff. KGer ZG vom 14.7.2005, ZGGVP 2005, 178 f.; OGer LU vom 14.12.1988, SJZ 1989, 215 f., ZBJV 1990, 587; offengelassen in BezGer Höfe SZ vom 10.8.1994, SJZ 1996, 67. Vgl. Thomas Schneeberger, Der Einfluss des Entgelts auf die rechtliche Stellung des Beauftragten, Diss. Bern 1992, 232; BezGer Höfe SZ vom 10.8.1994, SJZ 1996, 67; OGer LU vom 14.12.1988, SJZ 1989, 215 f.; ZBJV 1990, 587. Engel (FN 24), 510; Franz Werro, in: Luc Thévenoz/Franz Werro (Hrsg.), Commentaire romand, Code des obligations I, Art. 1–529, Basel 2003, Art. 404 N 7; Huguenin (FN 24), N 834; Weber (FN 24), Art. 404 OR N 10; BezGer Höfe SZ vom 10.8.1994, SJZ 1996, 67; OGer LU vom 14.12.1988, SJZ 1989, 215 f., ZBJV 1990, 587. Vgl. Weber (FN 24), Art. 404 OR N 10. Weber (FN 24), Art. 404 OR N 10; Franz Werro, Le mandat et ses effets, Habil. Fribourg 1993, N 371 ff.; Sommer (FN 31), 1063; ähnlich Guhl/Schnyder (FN 31), § 49 N 32 («atypische, auf längere Dauer angelegte Vertragsverhältnisse»). Marc Amstutz/Walter R. Schluep, in: Heinrich Honsell/ Nedim Peter Vogt/Wolfgang Wiegand (Hrsg.), Basler Kommentar, Obligationenrecht I, Art. 1–529 OR, 4. A., Basel 2007, Einl.. vor Art. 184 OR ff. N 125. Vgl. Thomas Brändli, Outsourcing, Vertrags-, Arbeits- und Bankrecht, Diss. Bern 2001, N 255 ff.; Roland M. Ryser, 10.3.2009 9:12:10 Uhr Jederzeitige Kündbarkeit von Aufträgen schadet dem Dienstleistungsstandort Schweiz AJP/PJA 3/2009 297 Fitness-42, Internats-43 oder Krippenverträge44 vom Anwendungsbereich von Art. 404 OR ausgenommen45. Umgekehrt wird indessen z.B. der Spitalaufnahmevertrag als Vertrag mit einem besonderen Vertrauensverhältnis qualifiziert und demnach ein voraussetzungsloses auftragsrechtliches Kündigungsrecht des Patienten zugelassen46. Hinsichtlich der praktisch wichtigen IT-Verträge würden bei dieser Unterscheidung höchstens reine IT-Beratungsverträge als «typische» Aufträge dem jederzeitigen Widerrufsrecht nach Art. 404 OR unterliegen. Die übrigen IT-Verträge (insbesondere die Wartungs- und Pflegeverträge) wären hingegen als «atypische» Aufträge zu qualifizieren.47 Andere Lehrmeinungen propagieren eine Unterscheidung zwischen «Macht» und «Recht». Demnach sollen beide Vertragsparteien jederzeit und ungeachtet vertraglicher Bindungen die «Macht» haben, den Auftrag zu widerrufen bzw. zu kündigen; das «Recht» soll hingegen durch vertragliche Abreden einschränkbar sein und entsprechend mache eine Vertragsbeendigung gemäss Art. 404 Abs. 2 OR schadenersatzpflichtig, wenn sie in Verletzung einer bindenden Vertragsdauerbestimmung (sprich: «zur Unzeit») erfolgt48. Nach einer weiteren Auffassung besteht ein freies Widerrufsrecht angesichts der in Art. 404 OR vorgesehenen Schadenersatzpflicht bei unzeitiger Kündigung nur dann, wenn dem Vertragspartner dadurch keine besonderen Nachteile entstehen oder der widerrufende Teil stichhaltige Gründe für eine fristlose Vertragsauflösung geltend machen kann49. 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 Outsourcing – Eine unternehmensstrafrechtliche Untersuchung, Diss. Zürich 2007, N 64 FN 175. Peter Burkhalter, Facility Management, Ganzheitliches Immobilienmanagement – erste rechtliche Lösungsansätze, BR 2004, 41. Amstutz/Schluep (FN 37), Einl. vor Art. 184 OR ff. N 170. Amstutz/Schluep (FN 37), Einl. vor Art. 184 OR ff. N 426; Peter Philipp, Rechtliche Schranken der Vereinsautonomie und der Vertragsfreiheit im Einzelsport, Diss. Zürich 2004, 156. Arnold F. Rusch, Verträge mit Fitnessstudios, Jusletter vom 27. November 2006, N 14 (mit Hinweis auf das Urteil des Bezirksgerichtspräsidenten Arlesheim BL vom 15. Oktober 1993, BJM 1994, 138). Vgl. die Hinweise bei Amstutz/Schluep (FN 37), Einl. vor Art. 184 OR ff. N 408. Rusch/Hochstrasser (FN 10), N 42. Uneinigkeit herrscht in der Lehre indes v.a. beim Fernkursvertrag, vgl. m.w.H. Amstutz/Schluep (FN 37), Einl. vor Art. 184 OR ff. N 396. Amstutz/Schluep (FN 37), Einl. vor Art. 184 OR ff. N 357. Bernhard Heusler/Roland Mathys, IT-Vertragsrecht, Zürich 2004, 254. Franz Werro, La distinction entre le pouvoir et le droit de résilier: la clé de l’interprétation de l’art. 404 CO, BR 1991, 55 ff.; vgl. auch Tercier (FN 31), N 5282 f.; ähnlich im Ergebnis Weber (FN 24), Art. 404 OR N 10 (mit Hinweis auf LGVE 1990 I 25 ff.), nach welchem es denkbar ist, eine fristlose Vertragsauflösung gestützt auf Art. 404 OR bei anders lautender Vertragsabsprache als rechtsmissbräuchlich zu erachten. Fellmann (FN 31), Art. 404 OR N 113. AJP 03_2009.indb 297 Gauch schliesslich geht sogar soweit, dass er Art. 404 OR als rein dispositive Norm auslegen will50. 3. Rechtsvergleichung Dem Auftrag kommt im Recht unserer Nachbarländer eine geringere Bedeutung zu als in der schweizerischen Rechtsordnung51. Begründet liegt dieser Umstand wohl in erster Linie im unterschiedlichen Rechtsverständnis. So geht das deutsche Recht etwa von der Unentgeltlichkeit des Auftrages aus (§ 662 BGB), während es entgeltliche Geschäftsbesorgungsverträge dem Dienst- oder Werkvertragsrecht zuordnet (vgl. § 675 BGB). Im österreichischen (§§ 1002 ff. ABGB), französischen (Art. 1984 ff. CCfr.) und italienischen (Art. 1703 ff. CCit.) Recht wird der Auftrag hingegen primär als Rechtsgeschäftsbesorgung in direkter Stellvertretung aufgefasst, die entgeltlich oder unentgeltlich sein kann. Während nach österreichischem und italienischem Recht auch die Geschäftsbesorgung in indirekter Stellvertretung möglich ist, stellt das französische Recht auf den Kommissionsvertrag ab52. Unentgeltliche Verträge auf Arbeitsleistung werden nach österreichischem Recht dem Auftrag zugerechnet53. Wegen solch abweichender Definitionen des Auftrages ist ein Vergleich mit den gesetzlichen Regelungen unserer Nachbarländer nur bedingt gewinnbringend. Gleichwohl soll indessen nachfolgend kurz auf die Art. 404 OR entsprechenden Regelungen eingegangen werden. 3.1 Deutschland Art. 404 OR findet seine Entsprechung in § 671 des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Nach Abs. 1 dieser Vorschrift kann der Auftrag vom Auftraggeber jederzeit widerrufen und vom Beauftragten jederzeit gekündigt werden. Der Beauftragte darf indessen gemäss Abs. 2 nur «in der Art kündigen, dass der Auftraggeber für die Besorgung des Geschäfts anderweit Fürsorge treffen kann, es sei denn, dass ein wichtiger Grund für die unzeitige Kündigung vorliegt. Kündigt er ohne solchen Grund zur Unzeit, so hat er dem Auftraggeber den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen». In der deutschen Doktrin wird das Widerrufsrecht des Auftraggebers grossmehrheitlich als unverzichtbar erachtet, wenn der Auftrag im ausschliesslichen Interesse des Auftraggebers liegt54. Soweit der Auftrag allerdings auch im 50 51 52 53 54 Gauch (FN 24), 15 ff. Hofstetter (FN 23), 9. Hofstetter (FN 23), 7 f.; Weber (FN 24), vor Art. 394–406 OR N 8. Weber (FN 24), vor Art. 394–406 OR N 8. Vgl. etwa Otto Palandt/Hartwig Sprau, in: Otto Palandt (Hrsg.), Bürgerliches Gesetzbuch, 67. A., München 2009, § 671 N 2. 10.3.2009 9:12:10 Uhr Andrea Mondini/Manuel Liatowitsch AJP/PJA 3/2009 298 Interesse des Beauftragten erteilt wird und dessen Interesse demjenigen des Auftraggebers zumindest gleichwertig ist, kann auf das Widerrufsrecht des Auftraggebers wirksam verzichtet oder in eine Einschränkung eingewilligt werden55. Stets unverzichtbar ist das Widerrufsrecht im Falle des Vorliegens eines wichtigen Grundes56. Im Unterschied zu dem nur unter bestimmten Voraussetzungen einschränkbaren Widerrufsrecht des Auftraggebers, wird eine vertragliche Beschränkung bzw. ein Verzicht auf das Kündigungsrecht des Beauftragten ohne weiteres als zulässig erachtet. Vorbehalten bleibt indessen gemäss ausdrücklicher Anordnung in § 671 Abs. 3 BGB das Beendigungsrecht aus wichtigem Grund. Es soll an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass die skizzierte Widerrufs- und Kündigungsregelung aufgrund der gesetzlichen Definition des Auftrages gemäss § 662 BGB grundsätzlich nur auf unentgeltliche Rechtsverhältnisse Anwendung findet57. Einzugehen ist deshalb vorliegend auch auf die Widerrufs- bzw. Kündigungsmodalitäten des mit dem entgeltlichen Auftrag des schweizerischen Rechts vergleichbaren Dienstvertragsrechts i.S.v. §§ 611 ff. BGB. Bei der Auflösung des Dienstvertrages sind die Kündigungsfristen gemäss § 621 (allgemeine Kündigungsfristen) bzw. gemäss § 622 BGB (Kündigungsfristen bei Arbeitsverhältnissen) zu beachten, wenn «die Dauer des Dienstverhältnisses weder bestimmt noch aus der Beschaffenheit oder dem Zwecke der Dienste zu entnehmen» ist (§ 620 Abs. 2 BGB). § 626 BGB sieht daneben ein jederzeitiges Kündigungsrecht aus wichtigem Grund vor. Für «Dienste höherer Art», welche aufgrund eines besonderen Vertrauensverhältnisses übertragen werden, sieht § 627 BGB sodann zusätzlich ein jederzeitiges fristloses Kündigungsrecht vor, wenn der zur Dienstleistung Verpflichtete nicht in einem dauernden Dienstverhältnis mit Festbezügen steht. Dieses Kündigungsrecht wird durch § 627 Abs. 2 BGB allerdings insofern eingeschränkt, als der Dienstverpflichtete nur in der Art kündigen darf, «dass sich der Dienstberechtigte die Dienste anderweit beschaffen kann, es sei denn, dass ein wichtiger Grund für die unzeitige Kündigung vorliegt. Kündigt er ohne solchen Grund zur Unzeit, so hat er dem Dienstberechtigten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen». Im Ergebnis begründet damit das deutsche Dienstvertragsrecht für die typischen Dienstleistungen der freien Berufe wie etwa der Ärzte, Rechtsanwälte, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder der Privatlehrer die gleiche Lösung, wie sie Art. 404 OR im schweizerischen Recht vorsieht. Der Unterschied liegt indes darin, dass § 627 BGB nach einhel- liger Auffassung dispositiver Natur ist58. Begründet wird dies dadurch, dass den Vertragspartnern immer noch das Recht zur ausserordentlichen fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund bliebe59. 55 58 56 57 M.w.H. Palandt/Sprau (FN 54), § 671 N 2. Vgl. die Nachweise bei Fellmann (FN 31), Art. 404 OR N 3. Vgl. aber für entgeltliche Geschäftsbesorgungsverträge § 675 Abs. 1 BGB, wonach für den Fall, dass dem Verpflichteten das Recht zusteht, ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist zu kündigen, die Vorschrift von § 671 Abs. 2 BGB entsprechend angewendet wird. AJP 03_2009.indb 298 3.2 Österreich Im österreichischen Recht entspricht Art. 404 OR den §§ 1020 und 1021 des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB), welche zwischen dem Widerrufsrecht des Geschäftsherrn (§ 1020) und dem Kündigungsrecht des Beauftragten (§ 1021) unterscheiden. Nach § 1020 ABGB kann der Auftraggeber die Vollmacht nach Belieben widerrufen. Allerdings muss er dem Beauftragten nicht nur «die in der Zwischenzeit gehabten Kosten und den sonst erlittenen Schaden ersetzen, sondern auch einen der Bemühung angemessenen Teil der Belohnung entrichten». Dieses Widerrufsrecht wird insofern als dispositiv erachtet, als seine Ausübung im Rahmen der «Guten Sitten» an Fristen und/oder Termine sowie an das Vorliegen bestimmter Gründe gebunden werden kann. Stets gewahrt bleibt indessen das ausserordentliche Widerrufsrecht des Geschäftsherrn aus wichtigem Grund60. Der Auftrag kann nach § 1021 ABGB auch durch den Beauftragten gekündigt werden. Soweit er den Vertrag aber «vor Vollendung des ihm insbesondere aufgetragenen, oder vermöge der allgemeinen Vollmacht angefangenen Geschäftes aufkündet, so muss er, dafern nicht ein unvorhergesehenes und unvermeidliches Hindernis eingetreten ist, allen daraus entstandenen Schaden ersetzen». Daraus wird gemeinhin geschlossen, dass der Beauftragte im Unterschied zum Auftraggeber nicht berechtigt ist, den Auftrag jederzeit nach Belieben folgenlos zu kündigen. Wenn kein unvorhergesehenes und unvermeidliches Hindernis vorliegt, stellt die einseitige Vertragsauflösung folglich eine Vertragsverletzung dar, die zwar keinen Erfüllungsanspruch begründet, wohl aber Schadenersatzfolgen zeitigt61. § 1021 ABGB gilt indessen – ebenso wie § 1020 ABGB – als dispositiv. Die Vertragsparteien können deshalb ein jederzeitiges freies Kündigungsrecht des Beauftragten vorsehen. Umgekehrt können bei befristeten und unbefristeten Daueraufträgen Kündigungsfristen und Kündigungstermine oder auch Kündigungsgründe vereinbart werden. Bei unbefristeten Aufträgen können die Parteien überdies den Ausschluss der grundlosen Kündigung vorsehen. Beschränkt wird die Dispositionsfreiheit der Parteien durch die «Gute-Sitten-Klausel»62. 59 60 61 62 Statt vieler: Walter Weidenkaff, in: Otto Palandt (Hrsg.), Bürgerliches Gesetzbuch, 67. A., München 2009, § 627 N 5. Vgl. zum Ganzen auch Fellmann (FN 31), Art. 404 OR N 127 ff. Vgl. die Nachweise bei Fellmann (FN 31), Art. 404 OR N 3. M.w.H. Fellmann (FN 31), Art. 404 OR N 3. M.w.H. Fellmann (FN 31), Art. 404 OR N 3. 10.3.2009 9:12:10 Uhr Jederzeitige Kündbarkeit von Aufträgen schadet dem Dienstleistungsstandort Schweiz AJP/PJA 3/2009 299 3.3 Frankreich Das französische Recht erlaubt dem Auftraggeber grundsätzlich, den Auftrag jederzeit zu widerrufen (Art. 2004 des Code civil français [CCfr.]). Dabei gilt nach Art. 2006 CCfr. als Widerruf bereits die Mitteilung an den Beauftragten, es sei in der betreffenden Angelegenheit ein neuer «mandataire» ernannt worden. Nach französischer Rechtspraxis ist Art. 2004 CCfr. dispositiver Natur; entsprechend wird der Verzicht auf den freien Widerruf oder die Vereinbarung einer Konventionalstrafe als zulässig erachtet63. Vorbehalten bleibt indessen das Widerrufsrecht aus wichtigem Grund64. Der Mandatar kann das Mandat in jedem Fall kündigen, wird jedoch gemäss Art. 2007 Abs. 2 CCfr. schadenersatzpflichtig. 3.4 Italien Auch der italienische Codice civile (CCit.) differenziert zwischen dem Widerrufsrecht des Auftraggebers und dem Kündigungsrecht des Beauftragten. Nach Art. 1723 Abs. 1 CCit. kann der Auftraggeber den Auftrag jederzeit widerrufen. Er wird dem Beauftragten gegenüber jedoch schadenersatzpflichtig, wenn Unwiderruflichkeit vereinbart worden ist und für den Widerruf kein wichtiger Grund vorliegt. Ist der Auftrag indessen auch im Interesse des Beauftragten oder Dritter eingegangen worden, führt der Widerruf gemäss Art. 1723 Abs. 2 CCit. nicht zum Erlöschen des Auftrages, es sei denn, es liege eine abweichende vertragliche Vereinbarung oder ein berechtigter Widerrufsgrund vor. Für entgeltliche Aufträge sieht Art. 1725 CCit. sodann eine Sonderregelung vor: Wurde der Auftrag für eine bestimmte Zeit oder für ein bestimmtes Geschäft erteilt, trifft den Auftraggeber gemäss Abs. 1 eine Schadenersatzpflicht, wenn der Widerruf vor Ablauf der vereinbarten Zeit oder vor Abschluss des Geschäfts erfolgt. Der Auftrag kann in diesem Fall nur widerrufen werden, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Bei auf unbestimmte Zeit abgeschlossenen Aufträgen tritt die Schadenersatzpflicht gemäss Abs. 2 hingegen nur dann ein, wenn der Widerruf ohne angemessene Vorankündigungsfrist erfolgt und für den Widerruf kein berechtigter Grund angerufen werden kann. Art. 1727 Abs. 1 CCit. statuiert sodann für den Beauftragten eine Schadenersatzpflicht, wenn die Kündigung ohne berechtigten Grund erfolgt. Bei unbefristeten Aufträgen macht sich der Beauftragte indessen nur dann schadenersatzpflichtig, wenn er – bei Kündigung ohne wichtigen Grund – eine angemessene Vorankündigungsfrist nicht einhält. Art. 1727 Abs. 2 CCit. beschränkt das Kündigungsrecht schliesslich in jedem Falle insofern, als der Beauftragte den Auftrag nur 63 64 Vgl. Georges Wiederkehr et al. (Hrsg.), Code Civil, 103. A., Paris 2004, Art. 2004 CC N 6 ff. M.w.H. Fellmann (FN 31), Art. 404 OR N 3. AJP 03_2009.indb 299 auf solche Art und Weise und zu einer solchen Zeit kündigen kann, dass der Auftraggeber anderweitig Vorsorge treffen kann. 4. Art. 404 sollte nur auf typische Aufträge zwingend angewendet werden Die bundesgerichtliche Rechtsprechung begründet das zwingende Widerrufs- und Kündigungsrecht nach Art. 404 OR für sämtliche Auftragsverhältnisse mit der «besonderen Vertrauensstellung» des Beauftragten. Ein besonderes Vertrauensverhältnis liegt allerdings nur den «typischen» Auftragsverhältnissen (so z.B. mit Ärzten, Rechtsanwälten oder Treuhändern) zugrunde. Demgegenüber wird in einer modernen Dienstleistungsgesellschaft bei vielen «atypischen» Aufträgen kein besonderes Vertrauensverhältnis vorausgesetzt: Oft sind die geschuldeten Dienstleistungen bei solchen Aufträgen weitgehend standardisiert und die Leistungserbringer austauschbar (man denke etwa an IT-Dienstleistungsverträge). Im Vordergrund steht dabei nicht das Vertrauen in die Person der Gegenpartei, sondern das Vertrauen, dass die Gegenpartei die Dienstleistung effektiv während der bindenden Vertragsdauer erbringen wird. Die Regelung von Art. 404 Abs. 2 OR, welche die zur Unzeit zurücktretende Partei zu Schadenersatz verpflichtet, gewährt keinen tauglichen Ausgleich für die fehlende zeitliche Bindungswirkung: In der Dienstleistungsgesellschaft vertraut der Auftraggeber darauf, dass er die Dienstleistung erhält. Bleibt die Dienstleistung aus, kann er seinerseits nicht produzieren, erleidet er Imageverluste gegenüber seinen Kunden usw. Um Schadenersatz zu erhalten, müsste er in einem Zivilprozess den (oft schwer zu beweisenden) Schaden, den adäquaten Kausalzusammenhang und die «Unzeit» der Kündigung beweisen. Da Schadenersatzprozesse notorisch zeit- und kostenintensiv sind und die Erfolgsaussichten schwer zu schätzen sind, sehen die geschädigten Parteien oft von der Geltendmachung von Schadenersatz ab und erhalten keinen Ausgleich für den erlittenen Schaden. Die breite, zwingende Anwendung von Art. 404 OR birgt ein erhebliches Missbrauchspotential: Nicht selten wird ein Auftragsverhältnis gestützt auf Art. 404 OR aufgelöst, weil der Auftrag für die kündigende Partei wirtschaftlich uninteressant geworden ist, und nicht etwa weil das Vertrauensverhältnis gestört wäre. Rechtlich unkundige (ausländische) Parteien schliessen nicht selten langfristige «atypische» Aufträge im Vertrauen darauf, dass die fragliche Dienstleistung für die gesamte Vertragsdauer erbracht wird, und werden dann damit überrascht, dass ihr Vertragspartner ohne Konsequenzen den Vertrag mit sofortiger Wirkung kündigen kann. Die breite zwingende Anwendung von Art. 404 OR auf alle Aufträge ist somit ein Fremdkörper des ansonsten sehr liberalen schweizerischen Vertragsrecht und führt dazu, dass das schweizerische Recht gerade für Dienstleistungsverträge unattraktiv wird. 10.3.2009 9:12:11 Uhr Andrea Mondini/Manuel Liatowitsch AJP/PJA 3/2009 300 Die Versuche der kantonalen Gerichte, die zu beurteilenden Verträge als Innominatverträge zu qualifizieren und so dem breiten Anwendungsbereich von Art. 404 OR gemäss obiger Bundesgerichtspraxis zu entziehen, haben zwar in Einzelfällen zu sachgerechten Resultaten geführt, schaffen aber keine Rechtssicherheit, so lange das Bundesgericht an der breiten zwingenden Anwendung von Art. 404 OR festhält. Das Bundesgericht hätte es in der Hand, Art. 404 OR nur auf «typische Aufträge» zwingend anzuwenden. Dem Wortlaut von Art. 404 OR ist nicht zu entnehmen, dass diese Bestimmung zwingend angewendet werden muss. Eine zwingende Anwendung von Art. 404 OR ist nur dann gerechtfertigt, wenn aufgrund des effektiv bestehenden besonderen Vertrauensverhältnisses eine zeitliche Bindung die Persönlichkeitsrechte (Art. 27 ZGB) der betreffenden Partei verletzen würde, oder wenn der Auftrag unentgeltlich ist. In allen übrigen Fällen ist kein Schutzbedürfnis auszumachen. Es ist nicht einzusehen, weshalb juristische Personen für ITVerträge, Outsourcing-Verträge usw. keine ihren Bedürfnissen angepasste Bestimmungen über Vertragsdauer und Kündigungsfristen vereinbaren sollen. Eine breite zwingende Anwendung von Art. 404 OR ist somit durch die ratio legis keineswegs geboten. Art. 404 OR wäre nach der hier vertretenen Meinung dahingehend restriktiv anzuwenden, dass Aufträge nur dann zwingend jederzeit frei widerrufen bzw. gekündigt werden sollen, wenn sie unentgeltlich sind oder wenn ihnen (wie bei Verträgen mit Ärzten, Anwälten und Treuhändern) ein besonderes persönlichkeitsbezogenes Vertrauensverhältnis zugrunde liegt. Bei den übrigen Auftragsverhältnissen sollen die Parteien frei sein, eine bindende Vertragsdauer oder Kündigungsfrist zu vereinbaren, wobei wie bei allen Dauerschuldverhältnissen eine Kündigung aus wichtigem Grund möglich wäre. Eine derartige Auslegung von Art. 404 OR, die mit dessen Wortlaut durchaus vereinbar ist, würde den Dienstleistungsstandort Schweiz stärken und der «Flucht aus dem Auftragsrecht», die sich zunehmend zu einer Flucht aus dem schweizerischen Recht entwickelt, ein Ende setzen. Der internationale Standortwettbewerb wird in der globalisierten Gegenwart immer härter; die dargelegte unnötige Selbstbenachteiligung allein aus – u.E. unzutreffenden – dogmatischen Überlegungen sollte deshalb dringend behoben werden. AJP 03_2009.indb 300 Dans une jurisprudence constante, le Tribunal fédéral considère que l’art. 404 CO a un caractère impératif pour tous les mandats en raison de la relation de confiance particulière qui s’établit entre les parties au mandat. La jurisprudence cantonale tente de s’écarter du vaste champ d’application de l’art. 404 CO en qualifiant les contrats qu’elle a à juger de contrats sui generis ou de contrats mixtes. La jurisprudence du Tribunal fédéral fait l’objet de vives critiques dans la littérature. Selon l’opinion présentée ici, il conviendrait d’appliquer l’art. 404 CO de manière restrictive, en ce sens que les mandats ne pourraient impérativement être révoqués ou répudiés librement et en tout temps que s’ils sont gratuits ou s’ils reposent sur une relation de confiance spéciale de caractère personnel (comme dans les contrats avec les médecins, avocats et agents fiduciaires). Pour les autres mandats (comme p. ex. les contrats IT), les parties doivent être libres de convenir de manière contraignante de la durée du contrat ou du délai de résiliation. Une telle interprétation de l’art. 404 CO, tout à fait compatible avec sa teneur, renforcerait la Suisse comme lieu de prestations de service et mettrait un terme à la «fuite hors du droit du mandat» qui devient de plus en plus une fuite hors du droit suisse. (trad. LT LAWTANK, Fribourg) 10.3.2009 9:12:11 Uhr S c h e i d u n g s v e r e i n b a r u n g e n a u f Vo r r a t AJP/PJA 3/2009 «Scheidungsvereinbarungen auf Vorrat»: Taugliches Instrument familienrechtlichen Risikomanagements? 301 8.2 DANIEL TRACHSEL Dr. iur., Rechtsanwalt und Mediator, Zürich Vereinbarungen zur Rechtswahl und zur Zuständigkeit 8.2.1 Zur Rechtswahl 8.2.2 Vereinbarungen über die Zuständigkeit 9. Vorausvereinbarungen mit erbrechtlichem Charakter 9.1 Im innerstaatlichen Verhältnis 9.2 Zuständigkeit und Rechtswahl 10. Vorausvereinbarungen über den ehelichen (insbesondere den Trennungs-) Unterhalt 10.1 Im innerstaatlichen Verhältnis 10.1.1 Vereinbarungen über die Beiträge der Ehegatten an den Unterhalt der Familie (Art. 163 ZGB) 10.1.2 Vereinbarungen über die Geldbeiträge, die der eine Ehegatte dem anderen schuldet (Art. 173 Abs. 1, 176 Abs. 1 Ziff. 1, 137 Abs. 2 ZGB) 10.2 Rechtswahl 10.3 Gerichtsstands- und Schiedsvereinbarungen 10.3.1 Im Rahmen des IPRG 10.3.2 Im Bereich des LugÜ 11. Vorausvereinbarungen über den nachehelichen Unterhalt 11.1 Im innerstaatlichen Verhältnis 11.2 Zuständigkeit 11.3 Rechtswahl 12. Das Rechtsmissbrauchverbot als Rettungsanker der Vorausvereinbarungen? 13. Ausweichen auf eine dem Gericht nicht vorgelegte Zusatzvereinbarung als Ausweg? 14. Sich gegenseitig bedingende ehe-, erbvertragliche und scheidungsrechtliche Abmachungen als Lösung? 15. «Ehe light» – vertragliche Gestaltung einer nichtehelichen Gemeinschaft als Alternative? 16. Ergebnis 17. Formulierungsvorschläge für Scheidungskonventionen auf Vorrat MARGHERITA BORTOLANISLONGO lic. iur., Rechtsanwältin und Mediatorin, Zürich Inhaltsübersicht 1. Einleitung 2. Begriff und Zweck der «Scheidungsvereinbarung auf Vorrat» 3. Allgemeine Überlegungen zur Tragweite von Scheidungsvereinbarungen auf Vorrat 4. Vorausvereinbarungen über die Aufhebung des gemeinsamen Haushaltes und die Auflösung der Ehe (Trennungs- und Scheidungspunkt) 4.1 Im innerstaatlichen Verhältnis 4.2 Vereinbarungen über die Zuständigkeit 4.3 Rechtswahl 5. Vorausvereinbarungen über die Kinder (Sorgerecht und persönlicher Verkehr) 5.1 Im innerstaatlichen Verhältnis 5.2 Zuständigkeit und Rechtswahl 6. Vorausvereinbarungen bezüglich der ehelichen Wohnung 6.1 Im innerstaatlichen Verhältnis 6.1.1 Im Bereich von Art. 169 ZGB 6.1.2 Im Bereich des Eheschutzes 6.1.3 Bei Scheidung 6.1.4 Zum Stellenwert ehevertraglicher oder sachenrechtlicher Dispositionen betreffend der Familien- bzw. ehelichen Wohnung 6.2 Zuständigkeit 6.3 Rechtswahl 7. Vorausvereinbarungen im Zusammenhang mit dem Vorsorgeausgleich nach Art. 122 ff. ZGB 7.1 Im innerstaatlichen Verhältnis 7.2. Zuständigkeit 7.3 Rechtswahl 8. Vorausvereinbarungen güterrechtlicher Art 8.1 Im innerstaatlichen Verhältnis 8.1.1 Eheverträge 8.1.2 Vereinbarungen über die güterrechtliche Auseinandersetzung 8.1.3 Verfahrenstechnische Aspekte 8.1.4 Rechtsgeschäfte zur Milderung einer den einen Ehegatten benachteiligenden güterrechtlichen Disposition AJP 03_2009.indb 301 1. Einleitung Seit Jahren werden in der Schweiz jährlich mehr als 20 000 Ehen geschieden. In grossstädtischen Verhältnissen liegt die Scheidungsquote (im Verhältnis zu den in einem Kalenderjahr eingegangen neuen Ehen zu den Scheidungen im jeweiligen Jahr) bei 50 Prozent. Die «klassische» ehe- und erbrechtliche Planung, die an die «reguläre» Auflösung der Ehe durch den Tod anknüpft, erweist sich damit zunehmend als ergänzungsbedürftig: Eine Scheidung und die Scheidungsfolgen beeinflussen vermehrt den Lebensentwurf. In der Schweiz wird seit längerem über das Thema Scheidungsplanung kontrovers diskutiert1, und in der täglichen Beratungs- 1 Vgl. dazu die Hinweise bei Heinz Hausheer/Daniel Steck, Eheverträge und Scheidungsvereinbarungen – mehr Privatautonomie bei verstärkter Inhaltskontrolle ein dringendes Reformanliegen?, ZBJV 2008, 922 ff. 10.3.2009 9:12:11 Uhr D a n i e l Tr a c h s e l / M a r g h e r i t a B o r t o l a n i - S l o n g o AJP/PJA 3/2009 302 praxis ist vermehrt das Bedürfnis festzustellen, den ökonomischen Folgen einer allfälligen späteren Scheidung schon bei der Eheschliessung Beachtung zu schenken und diese, wenn immer möglich, im Voraus vertraglich zu regeln. Dieser Wunsch besteht vor allem in so genannt «gehobenen Verhältnissen» mit einem erheblichen finanziellen Spielraum, wobei – so unsere Beobachtung – es weniger darum geht, die wirtschaftlich schwächere Seite zu benachteiligen (obwohl auch dies ein Motiv sein kann), als darum, den «worst case» berechenbar zu machen. Es ist deshalb sicher zutreffend, von einem eigentlichen Bedürfnis nach «familienrechtlichem Risikomanagement» zu sprechen. Diese Arbeit versucht, den Gestaltungsspielraum auszuloten und – im Sinne von Hinweisen zweier Praktiker für Praktikerinnen – konkrete, auf die neuere Literatur und herrschende Lehre abgestützte Handlungsanleitungen und Formulierungsvorschläge zu entsprechenden Vereinbarungen zu liefern. Die Globalisierung und die Personenfreizügigkeit im Rahmen der bilateralen Verträge zwischen der Schweiz und der EU führen vermehrt zu internationalen Verhältnissen im Familienrecht: Seit Jahren haben bei knapp der Hälfte aller in der Schweiz geschlossenen Ehen beide oder mindestens ein Ehegatte eine ausländische Staatsangehörigkeit.2 Aufgrund der generellen Zunahme der Mobilität sind Wohnsitzverlegungen ins Ausland oder vom Ausland in die Schweiz immer häufiger zu beobachten. Dies legt es nahe, nachfolgend auch die einschlägigen Gesichtspunkte des internationalen Privatund Zivilprozessrechtes, die sich im Hinblick auf eine Ausweitung des Gestaltungsspielraumes als fruchtbar erweisen, in die Überlegungen einzubeziehen. 2. Begriff und Zweck der «Scheidungsvereinbarung auf Vorrat» 2.1 Unter einer «Scheidungsvereinbarung auf Vorrat» wird hier eine vor oder nach der Heirat ohne konkreten Scheidungshorizont zum Voraus in den dafür gesetzlich vorgeschriebenen Formen abgeschlossene rechtsgeschäftliche Abmachung verstanden, mit der – nebst allfälligen ehe- und/ oder erbvertraglichen Dispositionen – die gesetzlich vorgesehene Regelung der scheidungsrechtlichen Nebenfolgen im Hinblick auf eine Scheidung im In- oder Ausland konkretisiert, modifiziert oder ersetzt werden soll.3 2 3 Quelle: Bundesamt für Statistik: Scheidungen nach Staatsangehörigkeit vor der Heirat und nach Zahl der unmündigen Kinder, 1960–2007, 01/06/blank/key/06/06.Document.20619.xls>. Vgl. auch Philippe Meier, Planification du divorce: une illusion? Les conventions anticipées d’entretien en droit suisse, in: Denis Piotet/Denis Tappy (édit.), Recueil de travaux à l’honneur du Professeur Suzette Sandoz, Genève/Zurich/Bâle 2006, 290; Maurice Courvoisier, Voreheliche und eheliche Scheidungsfolgenvereinbarungen – Zulässigkeit und Gültigkeitsvoraussetzungen, Eine rechtsvergleichende Studie unter Berücksich- AJP 03_2009.indb 302 2.2 Soweit sich eine Partei an eine solche Vereinbarung später nicht mehr gebunden fühlen sollte, ist deren Verbindlichkeit in einem diesfalls stattfindenden gerichtlichen Verfahren (bei dem es sich entweder um ein Eheschutz- oder ein Scheidungsverfahren handelt) möglichst zu gewährleisten. Es wird mithin – als ganz zentrales Element – regelmässig volle Bindungswirkung angestrebt. 3. Allgemeine Überlegungen zur Tragweite von Scheidungsvereinbarungen auf Vorrat 3.1 Dass eine Scheidungsvereinbarung bereits vor der Heirat abgeschlossen werden kann, ergibt sich aus dem allgemeinen Prinzip der Vertragsfreiheit; für die Zeit nach der Eheschliessung steht es den Ehegatten nach Art. 168 ZGB und gemäss der herrschenden Lehre4 ohne weiteres frei, im Rahmen der gesetzlichen Schranken beliebige Rechtsgeschäfte miteinander abzuschliessen. Auch das Bundesgericht geht in BGE 121 III 393 ff. von der selbstverständlichen generellen Zulässigkeit derartiger Vereinbarungen aus. 3.2 Welchen Stellenwert hat die «Scheidungsvereinbarung auf Vorrat» bezüglich des nachehelichen Unterhaltes, wenn sie dem Gericht vorgelegt wird? 3.2.1 Unter der Bedingung, dass die Scheidung ausgesprochen und die Vereinbarung der Ehegatten genehmigt wurde, hatte eine Vereinbarung der Ehegatten über den nachehelichen Unterhalt unter dem Scheidungsrecht von 1907/1912 entsprechend den allgemeinen Regeln des Vertragsrechtes grundsätzlich bindende Wirkung. Der einseitige Widerruf der Vereinbarung durch eine scheidungswillige Partei war demzufolge unzulässig. Die Bindungswirkung entfiel nur dann, wenn ein Ehegatte das Scheidungsbegehren zurückzog, der beklagte Ehegatte die Zustimmung zur Scheidung widerrief oder eine Partei mit Erfolg entweder die Nichtgenehmigung der Vereinbarung beantragte oder sich erfolgreich auf einen Willensmangel berufen konnte.5 3.2.2 Dies änderte sich mit Inkrafttreten des Scheidungsrechts von 1998/2000 wesentlich, weil ein Ehegatte die Scheidungskonvention nun trotz der vorbestehenden vertraglichen Bindung durch die blosse (ausdrückliche oder stillschweigende) Verweigerung der Bestätigung gemäss Art. 111 Abs. 2 ZGB zu Fall bringen kann. 4 5 tigung des US-amerikanischen und schweizerischen Rechts; Juristische Fakultät der Universität Basel, Schriftenreihe für Internationales Recht, Bd. 99, Basel 2002, 5. Vgl. die Nachweise bei Ingeborg Schwenzer, Grenzen der Vertragsfreiheit in Scheidungskonventionen und Eheverträgen, FamPra.ch 2005, 6 m.w.H. Vgl. Hausheer/Steck (FN 1), 940. 10.3.2009 9:12:12 Uhr S c h e i d u n g s v e r e i n b a r u n g e n a u f Vo r r a t AJP/PJA 3/2009 303 Die Scheidungsvereinbarung ist ein familienrechtlicher Vertrag sui generis.6 Sie kann allein nach den bundesrechtlichen Verfahrensbestimmungen von Art. 111 ff. ZGB zustande kommen und bedarf zu ihrer Rechtsgültigkeit der gerichtlichen Genehmigung im Urteil über die Auflösung der Ehe. 3.2.3 Die Bindungswirkung von Scheidungsvereinbarungen variiert je nach Zeitpunkt und Verfahren, in dem sie abgeschlossen worden sind: – Eine während eines Klageverfahrens gemäss Art. 114 bzw. 115 ZGB oder strittigen Nebenfolgenprozesses im Sinne von Art. 112 ZGB abgeschlossene Vereinbarung kann nicht einseitig widerrufen werden, sondern sie entfaltet vielmehr unmittelbar mit ihrem Abschluss Bindungswirkung. Sie unterliegt keiner zweimonatigen Bedenkfrist.7 Eine Scheidungsvereinbarung auf Vorrat wird per definitionem vor einem strittigen Verfahren abgeschlossen, und kann deshalb an dieser Bindungswirkung nicht teilhaben. – Wird eine zum Voraus abgeschlossene Konvention im Rahmen einer Streitscheidung nach Art. 114/115 ZGB eingereicht und entsteht mit Bezug auf die Scheidung als solche nachträgliche Einigkeit, so findet gemäss Art. 116 ZGB das Verfahren betreffend die Scheidung auf gemeinsames Begehren sinngemäss Anwendung. Gemäss dem Bundesgerichtsentscheid vom 14. Juli 2005 (5C.270/2004, E. 3.2) soll sich diesfalls die Bedenkfirst nach Art. 111 ZGB nur dann auf die Scheidungsfolgenvereinbarung beziehen, wenn diese gemeinsam eingereicht oder wenigstens ihre gerichtliche Genehmigung gemeinsam beantragt wird. Soweit die Scheidungsfolgenvereinbarung aber strittig ist, bleibt sie bindend und kann nicht widerrufen werden, weil – so das Bundesgericht – nach Art. 112 Abs. 2 ZGB die Bedenkfrist nur auf die Scheidungsfolgen anwendbar sei, über die Einigkeit besteht.8 Jedenfalls kann aus dieser eher singulären Fallkonstellation in grundsätzlicher Hinsicht nichts zugunsten von Scheidungsvereinbarungen auf Vorrat abgeleitet werden. 3.2.4 Bei der Scheidung auf gemeinsames Begehren mit umfassender Einigung nach Art. 111 ZGB sind drei Phasen zu unterscheiden:9 Erste Phase: Nach erfolgter Anhörung und während laufender Bedenkfrist kann eine Partei die Vereinbarung einseitig widerrufen oder sie nach Ablauf der Bedenkzeit nicht bestätigen; insoweit fehlt jede vertragliche Bindung, und dies unabhängig davon, ob die Konvention lange zum Voraus oder erst im Vorfeld einer konkreten Scheidung abgeschlossen wurde.10 Zweite Phase: Nach erfolgter Bestätigung durch die Ehegatten – aber vor der im Scheidungsurteil zu erfolgenden gerichtlichen Genehmigung – besteht Bindungswirkung zwischen den Parteien; es kann nur noch die Nichtgenehmigung verlangt werden (ist dies ausnahmsweise der Fall, so kann das Gericht auch gegen den Willen einer Partei die Scheidungsvereinbarung genehmigen und die Scheidung aussprechen). Dritte Phase: Nach der gerichtlichen Genehmigung ist die Scheidungskonvention uneingeschränkt wirksam (vorbehältlich der erfolgreichen Anfechtung in einem Rechtsmittelverfahren, in welchem Rahmen auch eine gerichtlich genehmigte Scheidungskonvention wegen Willensmängeln angefochten werden kann; vgl. etwa BGE 117 II 218 ff.). Es wird deshalb in aller Regel dabei bleiben, dass sich die Bindungswirkungen einer «Scheidungsvereinbarung auf Vorrat» an den Kriterien wird messen lassen müssen, die allgemein für Vereinbarungen im Verfahren auf gemeinsames Begehren gelten. Die insoweit geltenden bundesrechtlichen Verfahrensbestimmungen von Art. 111 ff. ZGB können rechtsgeschäftlich nicht modifiziert werden. 3.4 Das Gericht darf die Genehmigung der Konvention nur aus wichtigen Gründen verweigern (BGE 5C.270/2004, E. 5.1): Wenn diese nicht aus freiem Willen und nach reiflicher Überlegung geschlossen wurde oder nicht klar ist und dann, wenn es die Vereinbarung als offensichtlich unangemessen erachtet. Bei der Prüfung der Angemessenheit ist «ein Vergleich anzustellen zwischen der Vereinbarung und dem Entscheid, den das Gericht ohne sie treffen würde». Er- 6 7 8 Daniel Steck, Gedanken zur Rechtsnatur der Scheidungskonvention im neuen Scheidungsrecht, in: Andreas Donatsch et al. (Hrsg.), Festschrift 125 Jahre Kassationsgericht des Kantons Zürich, Zürich 2000, 557 f.; Marion Jakob, Die Scheidungskonvention, Diss. St. Gallen, Zürich 2008, 113 ff. Alexandra Rumo-Jungo, Reformbedürftiges Scheidungsrecht: ausgewählte Fragen, in: Alexandra Rumo-Jungo/Pascal Pichonnaz (Hrsg.), Scheidungsrecht: Aktuelle Probleme und Reformbedarf, Zürich/Basel/Genf 2008, 11 m.w.H. Diese Praxis ist zu Recht kritisiert worden; vgl. Rumo-Jungo (FN 7), 12 f.; Hausheer/Steck (FN 1), 17. AJP 03_2009.indb 303 3.3 Nach dem Gesagten hat die «Scheidungsvereinbarung auf Vorrat» grundsätzlich zwei Hürden zu nehmen: Zum einen die Bestätigung durch beide Ehegatten im Rahmen des geltenden Art. 111 Abs. 2 ZGB und zum anderen die gerichtliche Genehmigung nach Art. 140 ZGB (soweit der scheidungsrechtliche Vorsorgeausgleich in Frage steht: gemäss Art. 141 ZGB). Auch durch die Integration scheidungsrechtlicher Nebenfolgen (also nachehelicher Unterhalt, Vorsorgeausgleich, güterrechliche Auseinandersetzung) in einen Ehevertrag können solche Vereinbarungen der Genehmigung durch den Scheidungsrichter nicht entzogen werden (BGE 121 III 395). 9 10 Thomas Geiser, Bedürfen Eheverträge der gerichtlichen Genehmigung?, in: Thomas Geiser et al. (Hrsg.), Festschrift für Heinz Hausheer zum 65. Geburtstag, Bern 2002, 221. Sollte die vorgesehene Novelle zu Art. 111 ZGB [vgl. im einzelnen Rumo-Jungo (FN 7), 13 f.] angenommen werden und das Erfordernis der Einhaltung der zweimonatigen Bedenkfrist wegfallen, besteht das einseitige Widerrufsrecht bis nach Abschluss der Anhörung [welche aus mehreren Sitzungen bestehen kann]. 10.3.2009 9:12:12 Uhr D a n i e l Tr a c h s e l / M a r g h e r i t a B o r t o l a n i - S l o n g o AJP/PJA 3/2009 304 gibt sich «eine eklatante, sofort erkennbare Differenz», ist die Genehmigung zu verweigern.11 Dass die Intensität der gerichtlichen Überprüfung in der Praxis nicht einheitlich ist,12 ist zutreffend, ändert indessen aus unserer Perspektive nichts daran, dass eine Vorausvereinbarung, die massiv vom normierten Regelfall abweicht (z.B. einen vollen Unterhaltsverzicht der wirtschaftlich schwächeren Partei nach langer, lebensprägender Ehe vorsieht) diese Hürde kaum nehmen würde. Das Genehmigungserfordernis engt den Planungsspielraum zusätzlich ein. 3.5 Ein erstes Fazit ist einigermassen ernüchternd: Soweit eine Vorausvereinbarung von beiden Ehegatten bestätigt wird und sich in dem von Art. 140 und 141 ZGB abgesteckten Rahmen hält, wird sie zum Inhalt eines Scheidungsurteils werden können. Soweit die Bestätigung eines Ehegatten im späteren Scheidungsverfahren aber ausbleibt, ist es der anderen Partei unbenommen, im dann nach Art. 112 Abs. 3 ZGB Platz greifenden kontradiktorischen Verfahren eine Gestaltung der scheidungsrechtlichen Nebenfolgen entsprechend der nicht bestätigten Vorausvereinbarung zu beantragen. Der Vereinbarung – da zumindest Ausdruck eines früher einmal vorhandenen Konsenses – kommt dann allenfalls eine gewisse präjudizielle Wirkung zu (soweit sich die damaligen Verhältnisse nicht wesentlich verändert haben); dies ist indessen eine zu fragile Basis, um darauf verlässlich disponieren zu können. Nachdem es sich nun nicht (mehr) um eine «Vereinbarung» im Sinne von Art. 140 ZGB handelt, kann auch nicht einseitig die Genehmigung verlangt werden. Der Prüfungsmassstab ist damit nicht mehr die «offensichtliche Unangemessenheit», sondern das Gericht wird im Sinne von Art. 112 Abs. 3 ZGB eigenes Recht anwenden, womit in den meisten Fällen eine ins Gewicht fallende Abweichung vom Inhalt der Vorausscheidungsvereinbarung vorprogrammiert sein wird. 3.6 Stellt also das schweizerische Recht – insbesondere dort, wo andere als besonders gute wirtschaftliche Verhältnisse vorliegen – keine tauglichen Instrumente für eine Scheidungsplanung zur Verfügung? So allgemein lässt sich die Frage nicht beantworten. Bis anhin sind zwar erhebliche Schwierigkeiten lokalisiert worden; es macht indessen trotzdem Sinn, in einer differenzierten Betrachtungsweise die verschiedenen in Frage kommenden Regelungsmaterien je einzeln daraufhin zu überprüfen, ob es sich dabei um eine scheidungsrechtliche Nebenfolge (mit Bestätigungs- und Genehmigungserfordernis) handelt oder um ein anderes Rechtsgeschäft, dem a) eine vertragliche Bindungswirkung zukommt und das b) nicht der gerichtlichen Genehmigung nach Art. 140 ZGB unterliegt. 3.7 Die nachfolgende Untersuchung (Ziff. 4 ff.) erfolgt für jeden (im Kontext einer Scheidung einer Vereinbarung zugänglichen) Regelungsgegenstand aus drei verschiedenen Blickwinkeln: 1. Kann – bei schweizerischer Zuständigkeit und bei Anwendung schweizerischen Rechts – mit bindender Wirkung überhaupt zum Voraus disponiert werden? 2. Sind – zur Vermeidung hiesiger Restriktionen – Vorausvereinbarungen zur direkten (internationalprivatrechtlichen) Zuständigkeit oder Schiedsgerichtsvereinbarungen mit der Folge, dass der Regelungsgegenstand entweder von einem Schiedsgericht oder einem ausländischen Gericht beurteilt wird, möglich? 3. Kann zum Voraus ein anderes Recht gewählt werden, das den Parteien mehr entspricht als das schweizerische? 4. Vorausvereinbarungen über die Aufhebung des gemeinsamen Haushaltes und die Auflösung der Ehe (Trennungs- und Scheidungspunkt) 4.1 Im innerstaatlichen Verhältnis Bei Fragen der Aufhebung des gemeinsamen Haushaltes und der Eheauflösung handelt es sich um höchstpersönliche Entscheidungen, bei denen aufgrund von Art. 27 ZGB von einem absoluten Bindungsverbot auszugehen ist.13 Einer Vorausverpflichtung, der Aufhebung des gemeinsamen Haushaltes oder der Scheidung auf gemeinsames Begehren zuzustimmen, d.h. auf die Anrufung der Art. 175, 114 und 115 ZGB zu verzichten, geht mithin jegliche Bindungswirkung ab. 4.2 4.2.1 Für die direkte internationalprivatrechtliche Scheidungszuständigkeit existieren weder multi- noch bilaterale Übereinkommen.14 Die Zuständigkeitsvorschriften der Art. 59 ff. IPRG sind zwingend und ausschliesslich; die Scheidungszuständigkeit ist nicht derogierbar. Soweit bei Eheschutzmassnahmen personenbezogene Wirkungen in Frage stehen, sind die Zuständigkeitsvorschriften der Art. 46 und 47 IPRG nicht derogierbar.15 13 14 11 12 Hausheer/Steck (FN 1), 938 m.w.H. auf Literatur und Rechtssprechung in Fn. 83. Was auch vielfach kritisiert wird; vgl. Hausheer/Steck (FN 1), 941 mit Hinweisen in Fn 98. AJP 03_2009.indb 304 Vereinbarungen über die Zuständigkeit 15 Heinz Hausheer, Neuere bundesgerichtliche Rechtssprechung zu Umfang und Grenzen der Privatautonomie im Familienrecht: insbesondere zu Unterhaltsvereinbarungen ohne konkreten Scheidungshorizont, zum Vorsorgeausgleich und zur Wahlfreiheit beim Güterstand, in: ZBJV 2004, 875. Lukas Bopp, in: Heinrich Honsell/Nedim Peter Vogt/Anton K. Schnyder/Stephen V. Berti (Hrsg.), Basler Kommentar Internationales Privatrecht, 2. A., Basel 2007, Art. 59 N 3. Maurice Courvoisier, in: Heinrich Honsell/Nedim Peter Vogt/Anton K. Schnyder/Stephen V. Berti (Hrsg.), Basler Kommentar Internationales Privatrecht, 2. A., Basel 2007, Art. 46 N 25. 10.3.2009 9:12:12 Uhr S c h e i d u n g s v e r e i n b a r u n g e n a u f Vo r r a t AJP/PJA 3/2009 305 4.2.2. Ob binnenstaatlich eine Gerichtsstandsvereinbarung möglich ist, ist umstritten. Art. 15 Abs. 1 lit. a GestG (für Eheschutzmassnahmen, inkl. Begehren um Abänderung, Ergänzung oder Aufhebung von solchen) sowie Art. 15 Abs. 1 lit. b GestG (für Scheidungsklagen, inkl. gemeinsame Scheidungsbegehren nach Art. 111 und 112 ZGB) begründen einen ausschliesslichen, zwingenden Gerichtsstand am Wohnsitz eines Ehegatten.16 Im Rahmen von Art. 15 Abs. 1 lit. a und b GestG sollten die Parteien u.E. aber frei sein, eine Gerichtsstandsvereinbarung abzuschliessen mit der Wirkung, dass der benachteiligte Ehegatte im Widerhandlungsfalle unter Berufung auf die Vorausgerichtsstandsvereinbarung die Unzuständigkeitseinrede erheben könnte. Denn mit Blick auf teilweise erhebliche Unterschiede in der kantonalen Gerichtspraxis kann durchaus ein legitimes Bedürfnis bestehen, den Gerichtsstand zu fixieren, etwa wie folgt: «Die Parteien vereinbaren, dass für sämtliche Verfahren im Zusammenhang mit dieser Vereinbarung, insbesondere für ein Eheschutzverfahren gemäss Art. 175 ff. ZGB oder ein Scheidungsverfahren gemäss Art. 111 ff. ZGB, die ordentlichen Gerichte am letzten gemeinsamen Wohnsitz der Ehegatten zuständig sind, sofern im Zeitpunkt des Anhängigmachens mindestens ein Ehegatte weiterhin dort seinen Wohnsitz hat.» 4.3 Rechtswahl Eine Rechtswahl ist im Bereich des Scheidungs- oder Trennungspunktes nicht möglich. 5. Vorausvereinbarungen über die Kinder (Sorgerecht und persönlicher Verkehr) 5.1 Im innerstaatlichen Verhältnis Für sämtliche Kinderbelange gilt die uneingeschränkte Untersuchungsmaxime.17 Vereinbarungen der Eltern haben sich am Massstab des Kindeswohls messen zu lassen; auch im Bereich von Art. 133 Abs. 2 ZGB ist auf elterliche Vereinbarungen lediglich Rücksicht zu nehmen.18 Vereinbarungen der Eltern über die Kinderbelange (insbesondere hinsichtlich gar noch nicht geborener Kinder) fehlt eine Verbindlichkeit in dem Sinne, dass das Gericht davon nicht abweichen könnte. Breitschmid weist indessen zu Recht darauf hin, dass das Gericht im Rahmen der Würdigung, ob einem Antrag eines Elternteils noch gefolgt wer- 16 17 18 Christoph Leuenberger, in: Heinrich Honsell/Nedim Peter Vogt/Thomas Geiser (Hrsg.), Basler Kommentar Zivilgesetzbuch I, 3. A., Basel 2006, Art. 135 N 4. Vgl. Botschaft über die Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches vom 15. November 1995, BBl 1996 I 1–227, 123. Schwenzer (FN 4), 3. AJP 03_2009.indb 305 den könne, ein früheres (vertraglich festgelegtes) Einvernehmen der Beteiligten nicht einfach ausser Acht lassen wird. Es wird diese Vereinbarung vielmehr in die pflichtgemässe Abwägung der Gegebenheiten einzubeziehen haben, und dies vor allem dann, wenn eine solche Absprache der effektiv gelebten Elternverantwortung während einer gewissen Zeit entsprochen hat.19 Sinnvoll kann die Aufnahme einer Klausel sein, in der sich die Parteien bereit erklären, für den Fall von Differenzen im Bereich der Kinderbelange die «guten Dienste» kompetenter Drittpersonen in Anspruch zu nehmen.20 Wie bei einer Mediationsklausel ist die Durchsetzbarkeit indessen fraglich;21 zudem bleibt die gerichtliche Genehmigung der im Schlichtungsverfahren erzielten Übereinkunft vorbehalten, widrigenfalls ihr jegliche Bindungswirkung abgeht. 5.2 Zuständigkeit und Rechtswahl Die Möglichkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung oder einer Rechtswahl besteht im Bereich der Kinderbelange nicht: Innerhalb des Anwendungsbereiches des Haager Übereinkommens über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen (MSA) ist die Zuständigkeit zur Regelung der elterlichen Sorge- und Besuchsrechte ausschliesslich und abschliessend geregelt (Art. 63 Abs. 2 IPRG i.V.m. Art. 1 MSA). Die Primärzuständigkeit knüpft an den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes an; subsidiär (und bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 4 MSA) sind die Heimatbehörden zuständig.22 Nach dem neuen Haager Kindesschutzübereinkommen vom 19. Oktober 1996 (HKsÜ) – das für die Schweiz Mitte 2009 in Kraft treten soll und das MSA ersetzt (Art. 51 HKsÜ) – ändert sich an der primären Zuständigkeit der Gerichte und Behörden am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Kindes grundsätzlich nichts. Hingegen ergeben sich gestützt auf Art. 8 f. HKsÜ neuartige Möglichkeiten zur Übertragung von Kompetenzen an andere Vertragsstaaten. Neu ist auch, dass das Scheidungsgericht – neben der Behörde am Ort des gewöhnlichen Aufenthaltes des Kindes – über eine alternative Zuständigkeit zur Regelung der Kinderbelange verfügt, wenn die Voraussetzungen von Art. 10 HKsÜ erfüllt sind, d.h. wenn ein Elternteil zu Beginn des Scheidungsverfahrens seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Scheidungsstaat «und ein Elternteil die elterliche Verantwortung für das Kind hat» (Art. 10 Abs. 1 lit. a HKsÜ), sowie wenn beide Eltern diese Zuständigkeit anerkennen (bzw. mit ihr einverstanden sind) 19 20 21 22 Peter Breitschmid, «Scheidungsplanung»?, Fragen um «Scheidungskonventionen auf Vorrat», AJP/PJA 1999, 1612. Vgl. dritter Teil der Formulierungsvorschläge, lit. B Ziff. 6.2. ZR 99 (2000) Nr. 29. BSK IPRG-Bopp (FN 14), Art. 63 N 22. 10.3.2009 9:12:12 Uhr D a n i e l Tr a c h s e l / M a r g h e r i t a B o r t o l a n i - S l o n g o AJP/PJA 3/2009 306 und diese dem Kindeswohl entspricht (Art. 10 Abs. 1 lit. b HKsÜ). Gemäss Art. 15 HKsÜ wenden die Behörden der Vertragsstaaten ihr eigenes Recht an, ersatzweise – wenn es zum Schutz des Kindes oder seines Vermögens erforderlich ist – das Recht eines anderen Staates. Diese neuen Aspekte dienen mit Sicherheit dem Erfordernis der Einheit des Scheidungsurteils und einheitlicher Rechtsanwendung; die Möglichkeit des Abschlusses weitergehender Vorausvereinbarungen über die Zuständigkeit eröffnen sie aber nicht. 6. Vorausvereinbarungen bezüglich der ehelichen Wohnung 6.1 Im innerstaatlichen Verhältnis 6.1.1 Im Bereich von Art. 169 ZGB Gemäss Art. 169 Abs. 1 ZGB kann ein Ehegatte nur mit der ausdrücklichen Zustimmung des andern einen Mietvertrag kündigen, das Haus oder die Wohnung der Familie veräussern oder durch andere Rechtsgeschäfte die Rechte an den Wohnräumen der Familie beschränken. Kann zum Voraus, also ohne dass eine konkrete Kündigungs- oder Veräusserungsabsicht besteht, die verbindliche Zustimmung zu einem solchen die Rechte an der Familienwohnung betreffenden Rechtsgeschäft abgegeben werden? Die herrschende Lehre geht davon aus, dass dies wegen des zwingenden Charakters des Art. 169 ZGB und des besonderen Normzweckes nicht möglich ist. Vielmehr ist sie zu jedem genügend konkretisierten und terminierten Rechtsgeschäft neu und separat erforderlich.23 6.1.2 Im Bereich des Eheschutzes Kann zum Voraus darauf verzichtet werden, gemäss Art. 176 Abs. 1 Ziff. 2 ZGB bei einer Aufhebung des gemeinsamen Haushaltes die Zuweisung der ehelichen Wohnung an sich selbst zu verlangen? Soweit ein solcher Verzicht ohne konkreten Trennungshorizont abgegeben wird und sich später herausstellt, dass er inzwischen veränderten Verhältnissen – neuen Bedürfnissen und Lebensumständen der Ehegatten und der Kinder – nicht mehr entspricht, wird er nach der hier vertretenen Auffassung nicht bindend vereinbart werden können. Auch wenn die Rechte und Pflichten der Ehegat- ten – etwa bezüglich der Zuweisung der ehelichen Wohnung bei Aufhebung des gemeinsamen Haushaltes – im Voraus schriftlich fixiert worden sind, verliert eine solche Verständigung den Charakter einer durch den Eheschutzrichter jederzeit abänderbaren Vereinbarung nicht.24 6.1.3 Bei Scheidung Ist ein Ehegatte wegen der Kinder oder aus anderen wichtigen Gründen auf die Wohnung der Familie angewiesen, so räumt ihm Art. 121 ZGB die Möglichkeit ein, die Übertragung der Rechte und Pflichten aus dem Mietvertrag oder (gegen eine angemessene Entschädigung) ein befristetes Wohnrecht zu verlangen. Auch dieser Anspruch ist zwingend und kann nicht zum Voraus vertraglich wegbedungen werden.25 6.1.4 Zum Stellenwert ehevertraglicher oder sachenrechtlicher Dispositionen betreffend der Familien- bzw. ehelichen Wohnung Die Wahl eines Güterstandes und der geeigneten Eigentumsform (Alleineigentum oder eine Form gemeinschaftlichen Eigentums, also Miteigentum oder Gesamteigentum infolge Gütergemeinschaft oder einfacher Gesellschaft) ist die wichtigste Weichenstellung, um langfristig bezüglich der ehelichen Wohnung zu disponieren. 6.1.4.1 Steht die eheliche Wohnung im Alleineigentum eines Ehegatten, entzieht sich eine sachenrechtliche Neuzuordnung der Kompetenz des Scheidungsgerichtes. Allerdings ist die Immobilie nicht davor geschützt, Objekt von Massnahmen im Sinne der Art. 121, 169 und 176 Abs. 1 Ziff. 2 ZGB zu werden. 6.1.4.2 Steht die eheliche Wohnung im Mit- oder Gesamteigentum, so kann ein Ehegatte im Rahmen der güterrechtlichen Auseinandersetzung bei Nachweis eines überwiegenden Interesses verlangen, dass ihm die eheliche Wohnung gegen Entschädigung des andern Ehegatten umgeteilt zugewiesen wird (Art. 205 Abs. 2 ZGB). Analoge Bestimmungen finden sich im Bereich der Gütergemeinschaft (Art. 244 Abs. 3 ZGB, welche ihrerseits einen Anwendungsfall von Art. 245 ZGB darstellt) und der Gütertrennung (Art. 251 ZGB). Beim Zuweisungsanspruch gemäss Art. 205 ZGB handelt es sich um dispositives Recht, auf das die Ehegatten bei einer bereits bestehenden Form gemeinschaftlichen Eigentums zum Voraus verzichten können.26 Ein solcher Verzicht be- 24 23 Ivo Schwander, in: Heinrich Honsell/Nedim Peter Vogt/Thomas Geiser (Hrsg.), Basler Kommentar Zivilgesetzbuch I, 3. A., Basel 2006, Art. 169 N 17 m.w.H; a.M. Andreas Bucher, Die Wohnung der Familie im neuen Recht, in: Horst Albert Kaufmann/Bruno Huwiler (Hrsg.), Das neue Ehe- und Erbrecht des ZGB mit seiner Übergangsordnung, BTJP 1987, 37 ff., 51 f. AJP 03_2009.indb 306 25 26 Verena Bräm/Franz Hasenböhler, Kommentar zum Schweizerischen Zivilrecht, 2. Bd., 3. A., Zürich 1998, Art. 176 ZGB N 10 f. Urs Gloor, in: Heinrich Honsell/Nedim Peter Vogt/Thomas Geiser (Hrsg.), Basler Kommentar Zivilgesetzbuch I, 3. A., Basel 2006, Art. 121 N 3. Heinz Hausheer/Regina e. Aebi-Müller, in: Heinrich Honsell/Nedim Peter Vogt/Thomas Geiser (Hrsg.), Basler Kommentar Zivilgesetzbuch I, 3. A., Basel 2006, Art. 205 N 21. 10.3.2009 9:12:13 Uhr S c h e i d u n g s v e r e i n b a r u n g e n a u f Vo r r a t AJP/PJA 3/2009 307 darf – da er keine Abänderung des Güterstandes bedeutet – nicht der Form des Ehevertrages.27 Demgegenüber ist ein Verzicht gegenüber allem erst inskünftig zu begründendem Mit- oder Gesamteigentum nicht möglich, weil eine unzulässige Änderung der Errungenschaftsbeteiligung darstellend (a.a.O.). Auch im Bereich der Gütergemeinschaft ist Art. 245 ZGB nicht zwingend28, wobei dieser Güterstand kaum je im Rahmen einer antizipierten Scheidungsplanung vereinbart werden dürfte. Bezüglich des Güterstandes der Gütertrennung gehen Hausheer/Aebi-Müller29 davon aus, dass im konkreten Einzelfall zum Voraus – aber nicht generell hinsichtlich erst zukünftig zu begründenden gemeinschaftlichen Eigentums – auf den Zuweisungsanspruch verzichtet werden kann. Breitschmid30 hält entsprechende Absprachen für «unbedenklich», weil «die Absehbarkeit für alle Beteiligten ein Vorteil» sei; auch er geht aber nicht von einer vollen Bindungswirkung aus und stellt sie unter den Vorbehalt einer Anfechtung für den Fall, dass bei wesentlicher Veränderung der Verhältnisse, etwa durch die spätere Geburt von Kindern oder gesundheitliche Entwicklungen (Invalidität), eine massgebliche Verschiebung der Bedürfnislage eintritt. 6.2 Zuständigkeit Gerichtsstandvereinbarungen erscheinen im Bereich der in Frage stehenden Materie nicht möglich. 6.3 Rechtswahl Auch wenn die Ehegatten ihre güterrechtlichen Verhältnisse einem ausländischen Recht unterstellt haben, das einen Zuweisungsanspruch analog zu Art. 205 Abs. 2, 244 Abs. 3 oder 251 ZGB nicht kennt, bleiben die zwingenden Bestimmungen der Art. 169, 176 Abs. 1 Ziff. 2 (und insbesondere Art. 121 ZGB) beachtlich; sowohl bezüglich der Eheschutzmassnahmen als auch bei Scheidung ist bei schweizerischer Zuständigkeit grundsätzlich schweizerisches Recht anwendbar (Art. 48, 61 und 63 IPRG). 27 28 29 30 Heinz Hausheer/Ruth Reusser/Thomas Geiser, Berner Kommentar, Kommentar zum schweizerischen Privatrecht, Bd. II/1/3/1, Das Güterrecht der Ehegatten, Allgemeine Vorschriften, Art. 181–195a ZGB, Der ordentliche Güterstand der Errungenschaftsbeteiligung, Art. 196–220 ZGB, Bern 1992, Art. 205 ZGB N 58. Hausheer/Reusser/Geiser (FN 27), Art. 245 ZGB N 7. Hausheer/Aebi-Müller (FN 26), Art. 251 N 4. Breitschmid (FN 19), 1612. AJP 03_2009.indb 307 7. Vorausvereinbarungen im Zusammenhang mit dem Vorsorgeausgleich nach Art. 122 ff. ZGB 7.1 Im innerstaatlichen Verhältnis 7.1.1 Das Bundesgericht hat in seinem Entscheid vom 4. Februar 2008 (BGE 5A.623/207) den in einem deutschen Ehevertrag vereinbarten vorsorglichen Ausschluss des Vorsorgeausgleichs (auf den sich der Ehemann auch hinsichtlich der in der Schweiz angesparten Austrittsleistung berufen wollte) als rechtswidrig – nämlich als gegen zwingendes Recht verstossend und damit als von Anfang an unzulässig – bezeichnet. Die Sicherstellung einer angemessenen Alters-, Invaliden- und Hinterlassenenvorsorge liegt auch im öffentlichen Interesse. Die Art. 122 ff. ZGB sind deshalb insoweit zwingend, als das Gesetz die Dispositionsbefugnis der Ehegatten über ihre Ansprüche aus der beruflichen Vorsorge einschränkt. Auf seinen Anspruch kann ein Ehegatte nur verzichten, wenn seine Alters- und Invalidenvorsorge auf andere Weise gewährleistet ist (Art. 123 Abs. 1 ZGB); die Erfüllung dieser Voraussetzung hat das Gericht von Amtes wegen zu überprüfen (Art. 141 Abs. 2 ZGB).31 Die ganz überwiegende herrschende Lehre teilt diese Betrachtungsweise.32 Auch wenn mit guten Gründen geltend gemacht wird, eine Vereinbarung könne entgegen BGE 129 III 481 nicht nur im Vorfeld einer konkreten Scheidung, sondern auch zum Voraus abgeschlossen werden,33 so ändert dies nichts am (auch für die übrigen Vorausvereinbarungen über die Nebenfolgen der Scheidung geltenden) Grundsatz, dass es mit der rechtsgeschäftlich herbeizuführenden Planungssicherheit für den Scheidungsfall nicht weit her ist, wenn die Einigung der dann tatsächlich Scheidungswilligen erst nach gerichtlicher Überprüfung und Genehmigung Verbindlichkeit und schliesslich Rechtskraft erlangen kann.34 Zudem: Prüfungsmassstab gemäss Art. 141 ZGB ist im Unterschied zu Art. 140 ZGB nicht die «offensichtliche Unbilligkeit», sondern es sind die Kriterien gemäss Art. 123 Abs. 1 ZGB massgebend.35 Die Messlatte liegt damit deutlich höher, was zur Folge hat, dass nur in Ausnahmefällen von der hälftigen Teilung abgewichen werden darf. Selbst wenn zum Zeitpunkt des Abschlusses einer Vorauskonvention die wirtschaftlichen Verhältnisse derart sind, dass von einer Sicherung der Alters- und Invalidenvorsorge auch bei einem Teilungsverzicht ausgegangen werden kann, stehen solche Vereinbarungen unter dem Vorbehalt wesentlich ver- 31 32 33 34 35 BGE 129 III 481 E. 3.3. Hausheer (FN 13), 877. Vgl. Rumo-Jungo (FN 7), 20. Hausheer (FN 13), 878. Hausheer (FN 13), 878. 10.3.2009 9:12:13 Uhr D a n i e l Tr a c h s e l / M a r g h e r i t a B o r t o l a n i - S l o n g o AJP/PJA 3/2009 308 änderter Verhältnisse, so dass nicht von einer Bindungswirkung im gewünschten Sinne ausgegangen werden kann. 7.1.2 Eine Reihe von Dispositionen im Rahmen der zweiten Säule bedürfen der Zustimmung beider Ehegatten. Das gilt für Barauszahlungen gemäss Art. 5 Abs. 2 FZG und Vorbezüge zur Finanzierung selbstbewohnten Wohneigentums gemäss Art. 30 c Abs. 5 BVG sowie für den Entscheid, ob bei Eintritt ins Pensionsalter die Altersguthaben anstelle einer Rente in Form einer Kapitalauszahlung bezogen werden sollen (Art. 37 Abs. 5 BVG). Alle diese Bestimmungen stellen zwingendes öffentliches Recht dar und sind damit der Dispositionsbefugnis der Parteien in einer Vorauskonvention entzogen. Auch der Anspruch des überlebenden Ehegatten auf eine Witwen- oder Witwerrente oder eine Abfindung im Sinne von Art. 19 BVG beruht auf öffentlichem, zwingendem Recht, das der Privatautonomie der Parteien keinen Raum lässt.36 7.2. Zuständigkeit Die Zulässigkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen ist zu verneinen. Die Ansparung von Vorsorgeguthaben im Ausland zum Zweck der Vermeidung der Teilung im Scheidungsfall dürfte kaum weiterhelfen. Gemäss dem Bundesgerichtsentscheid vom 4. Februar 2008 (BGE 5A_623/2007) wird zwar das zuständige schweizerische Gericht das schweizerische Recht in der Regel nicht direkt auf eine ausländische Vorsorgeeinrichtung anwenden und die im Ausland gelegenen Vorsorgeguthaben unmittelbar aufteilen oder den ausländischen Vorsorgeträger in das schweizerische Verfahren einbinden können. Aber es wird eine angemessene Entschädigung nach Art. 124 Abs. 1 ZGB festzusetzen sein,37 sofern eine Ergänzung des schweizerischen Scheidungsurteils im Ausland nicht möglich ist. 7.3 Rechtswahl Es ist nicht zulässig, Ansprüche bezüglich in der Schweiz gelegenen Vorsorgeguthaben durch Rechtswahl einem ausländischen Recht zu unterstellen. 8. te können ihren Güterstand innerhalb des gesetzlichen Numerus clausus wählen, aufheben oder ändern. Die Ehevertragsfreiheit unterliegt den allgemeinen schuldrechtlichen Schranken.38 In seinem Entscheid vom 4. Dezember 2003 (BGE 5C.114/2003 E. 3.2.2) hielt das Bundesgericht fest: «Der Ehevertrag, mit dem einzig ein besonderer Güterstand gewählt wird und der keine Abmachungen über die konkrete güterrechtliche Auseinandersetzung, insbesondere aber auch keine Vereinbarungen über die Nebenfolgen der Scheidung, enthält, bedarf keiner Genehmigung durch den Scheidungsrichter (......). Müsste jeder Ehevertrag im Scheidungsfall gerichtlich genehmigt werden, gäbe es keine verbindlichen Eheverträge mehr. Es bliebe stets die Bestätigung durch die Ehegatten im Verfahren nach Art. 111 f. ZGB vorbehalten (......). Seit der am 1. Januar 1988 in Kraft getretenen Teilrevision des Zivilgesetzbuches vom 5. Oktober 1984 sind Eheverträge im Übrigen in keinem Fall mehr von der Vormundschaftsbehörde zu genehmigen (vgl. aArt. 181 Abs. 2 aZGB). Es kann nicht Sinn und Zweck von Art. 140 ZGB sein, sie einer (nachträglichen) Genehmigung im Scheidungsverfahren zu unterwerfen.» Diese Rechtsprechung ist als rein formal kritisiert worden.39 Verschiedene Autoren fordern eine Inhaltskontrolle anlässlich der Scheidung.40 Schwander bezeichnet die heutige Rechtslage als offensichtlich unbefriedigend: «Während einer 10-, 20- oder 30-jährigen Ehe können sich die Verhältnisse grundlegend ändern. Eine früher zu wenig durchdachte oder ursprünglich angemessene ehevertragliche Regelung erweist sich infolge veränderter Einkommens- und Vermögensverhältnisse nachträglich als einseitig.»41 Der Autor postuliert eine pointiertere Anwendung der clausula rebus sic stantibus (z.B.: Gütertrennung für solange, als beide Eheleute einer Erwerbstätigkeit nachgehen; Beschränkung der zeitlichen Bindung an Verträge nach Art. 27 ZGB, beispielsweise auf die Dauer von 10 Jahren, oder eben eine gerichtliche Inhaltskontrolle, welche die ursprüngliche Angemessenheit der ehevertraglichen Regelung zu überprüfen hätte).42 Hubert Stöckli spricht sich zum Schutz der Vertragsparteien für eine «zweckmässig ausgestaltete Anfechtungsbefugnis» früher abgeschlossener Eheverträge aus.43 So verständlich diese – teilweise de lege ferenda vorgetragenen – Postulate auf den ersten Blick erscheinen, so klar steht ihnen aus praktischer Sicht das Interesse an Vertrauens- Vorausvereinbarungen güterrechtlicher Art 38 8.1 Im innerstaatlichen Verhältnis 8.1.1 Eheverträge Nach Art. 182 Abs. 1 ZGB kann ein Ehevertrag vor oder nach der Heirat abgeschlossen werden. Braut- oder Eheleu- 39 40 41 42 36 37 Hausheer/Steck (FN 1), 12. BGE 5A_623/2007 E. 2 a.E. mit Hinweisen auf die Literatur. AJP 03_2009.indb 308 43 Hubert Stöckli, Die Ehevertragsfreiheit und ihre Schranken, in: Alexandra Rumo-Jungo/Pascal Pichonnaz (Hrsg.), Scheidungsrecht: Aktuelle Probleme und Reformbedarf: Symposium zum Familienrecht 2007, Zürich/Basel/Genf 2008, 85 ff. Schwenzer (FN 4), 7. Schwenzer (FN 4), 9. Ivo Schwander, Eheverträge – zwischen «ewigen» Verträgen und Inhaltskontrolle, AJP/PJA 2003, 572 f. Schwander (FN 41), 573; ähnlich Thomas Sutter-Somm/ Felix Kobel, FamPra.ch 2004, 775, 795 ff. Stöckli (FN 38), 100. 10.3.2009 9:12:13 Uhr S c h e i d u n g s v e r e i n b a r u n g e n a u f Vo r r a t AJP/PJA 3/2009 309 schutz und Berechenbarkeit gegenüber. Bindende ehevertragliche Abmachungen (beispielsweise die Vereinbarung der Gütertrennung; die Erklärung von Vermögenswerten der Errungenschaft, die für die Ausübung eines Berufes oder den Betrieb eines Gewerbes bestimmt sind, zu Eigengut gemäss Art. 199 Abs. 1 ZGB; der Ausschluss der Mehrwertbeteiligung nach Art. 206 Abs. 3 ZGB oder eine von Art. 215 ZGB abweichende Teilung des während der Ehe erzielten Vorschlages nach Art. 216 Abs. 1 ZGB) stellen in der Regel die Grundlage für weitere Dispositionen dar, die etwa ein selbständig Erwerbender oder ein Unternehmerehegatte im Vertrauen auf den Bestand des Ehevertrages trifft. Dieses Vertrauen ist zu schützen; es kann nicht sein, dass darüber – möglicherweise gar während Jahrzehnten – die Damoklesschwerte einer Inhaltskontrolle gemäss Art. 140 ZGB im Rahmen eines zukünftigen strittigen Scheidungsprozesses oder bislang nicht existierende Anfechtungs- oder gar Nichtigkeitsgründe schweben. Folgte man den Überlegungen der eine spätere Überprüfung oder Anfechtung befürwortenden Autoren, stellte sich auch die nicht unwesentliche Frage, unter welchen Voraussetzungen denn ein Ehevertrag als offensichtlich unangemessen zu betrachten sei. Es trifft sicher zu, dass früher vereinbarte ehevertragliche Abmachungen im Ergebnis – verglichen mit dem Resultat einer späteren güterrechtlichen Auseinandersetzung nach den Regeln des ordentlichen Güterstandes – zu einer Benachteiligung des einen oder anderen Ehegatten führen können. Zutreffend ist wohl auch, dass vorab Brautleute und Ehegatten in intakter Ehe bei Vertragsschluss die Möglichkeit einer Scheidung kaum in Betracht ziehen werden oder wollen und entsprechende Überlegung zu diesem Zeitpunkt daher nur untergeordnete Bedeutung haben. Demgegenüber steht aber das Erfordernis der öffentlichen Beurkundung des Ehevertrages zweier handlungsfähiger Parteien, mit welcher sichergestellt werden soll, dass ihnen die Tragweite ihrer Vereinbarung bewusst ist. Nachdem Ehegatten bewusst auf Vorteile des gesetzlichen Güterstandes verzichten können, kann ein solcher Verzicht auch nicht ethisch verpönt sein. Diese Konsequenz hat der Gesetzgeber, indem er den Parteien die Möglichkeit eines Ehevertrages (allerdings in den relativ engen Schranken des Art. 182 Abs. 2 ZGB) zur Verfügung stellte, vielmehr bewusst in Kauf genommen. Breitschmid44 weist in diesem Zusammenhang ferner darauf hin, dass das Gesetz den späteren Scheidungsfall in verschiedener Hinsicht bereits berücksichtigt, etwa dort, wo die Ehegatten in Anwendung von Art. 217 oder 242 ZGB Vereinbarungen über die Abänderung der gesetzlichen Beteiligung am Vorschlag bzw. Gesamtgut in Abweichung von der gesetzlichen Vermutung auch auf den Scheidungsfall ausdehnen (was der Ehevertrag indes ausdrücklich vorzusehen hat, Art. 217, 242 Abs. 3 ZGB). Die Gegenüberstellung dieser Argumente für und wider eine Überprüfung des Ehevertrages im Rahmen eines nachfolgenden Scheidungsverfahrens ergibt u.E., dass das Interesse an der Rechtssicherheit jenes an einer späteren richterlichen Überprüfung bei weitem überwiegt, zumal im Rahmen der Festsetzung anderer scheidungsrechtlicher Nebenfolgen dem vorteilhaften oder nachteiligen (bzw. im Falle der Gütertrennung gänzlich ausbleibenden) Ergebnis der güterrechtlichen Auseinandersetzung Rechnung getragen werden kann: So bei der Bestimmung der nachehelichen Eigenversorgungskapazität im Sinne von Art. 125 Abs. 1 ZGB,45 und – etwa im Falle einer Gütertrennung mit zugleich unterlassener beruflicher Vorsorge – bei der Festsetzung nachehelicher Unterhaltsbeiträge, welche nicht nur für die Zukunft entsprechend erhöht werden, sondern für deren Finanzierung auch das Vermögen des pflichtigen Ehegatten herangezogen werden kann.46 Damit erweist sich der formgültig abgeschlossene Ehevertrag (neben erbvertraglichen Vereinbarungen) als sehr wichtiges und wohl zentrales Instrument einer rechtsverbindlichen Scheidungsplanung. 44 48 Breitschmid (FN 19), 1608. AJP 03_2009.indb 309 8.1.2 Vereinbarungen über die güterrechtliche Auseinandersetzung Die konkrete Durchführung der güterrechtlichen Auseinandersetzung, die aufgrund des gesetzlichen oder eines vertraglichen Güterstandes erfolgt, unterliegt demgegenüber der gesetzlichen Genehmigungspflicht durch das Scheidungsgericht im Sinne von Art. 140 ZGB. Diese betrifft nicht mehr den Güterstand als solchen und ist deshalb nicht mehr Inhalt eines «Ehevertrages» (und dies auch dann, wenn sie im gleichen Dokument vorgenommen wird) und nimmt daher an dessen Wirkungen nicht teil.47 Soweit aber die güterrechtliche Auseinandersetzung ohne konkreten Scheidungshorizont – etwa im Rahmen der Aufhebung des gesetzlichen Güterstandes der Errungenschaftsbeteiligung oder der Gütergemeinschaft und gleichzeitiger Begründung des Güterstandes der Gütertrennung – und gestützt auf eine in den Ehevertrag aufgenommene Vereinbarung (oder wohl auch im Rahmen eines separaten schriftlichen Teilungsvertrages oder gar nur in Form blosser Realteilung) erfolgt, wirkt diese sofort48 und ist sie deshalb der Genehmigung durch den Scheidungsrichter entzogen. Diese unterschiedliche Behandlung der güterrechtlichen Auseinandersetzung unter dem Aspekt von Art. 140 ZGB ruft nach Beantwortung der Frage, wie der Begriff des «konkreten Scheidungshorizontes» zu definieren sei. Kann von einem solchen bereits dann gesprochen werden, wenn die Ehegatten – etwa im Zusammenhang mit vermögensrechtlichen Meinungsverschiedenheiten, aber während noch mehr 45 46 47 Hausheer (FN 13), 877. BGE 129 III 7 ff. und BGE 129 III 257 ff. BGE 5C.114/2003 E. 3.2.2; Geiser (FN 9), 225, 230; Hausheer/Reusser/Geiser (FN 27), N 15 zu Art. 182 ZGB. Geiser (FN 9), 226. 10.3.2009 9:12:14 Uhr D a n i e l Tr a c h s e l / M a r g h e r i t a B o r t o l a n i - S l o n g o AJP/PJA 3/2009 310 oder weniger intakter Ehe – ihren Güterstand wechseln und die güterrechtliche Auseinandersetzung vornehmen? Wie verhält es sich, wenn sich Ehegatten im Rahmen der Aufhebung des gemeinsamen Haushaltes auf die Gütertrennung verständigen – oder wenn diese durch das Eheschutzgericht auf Begehren eines Ehegatten angeordnet wird – und sie sich alsdann über die güterrechtliche Auseinandersetzung einigen? Die im Zusammenhang mit einem Wechsel des Güterstandes in einen Ehevertrag aufgenommene güterrechtliche Auseinandersetzung bei anschliessend während Jahren fortdauerndem Zusammenleben der Ehegatten im Rahmen eines später stattfindenden Scheidungsverfahrens unterliegt unseres Erachtens keiner Genehmigungspflicht nach Art. 140 ZGB. Weniger klar ist dies aber bei Vornahme der güterrechtlichen Auseinandersetzung im Rahmen einer vertraglich vereinbarten oder gerichtlich angeordneten Gütertrennung im Zusammenhang mit oder als Folge der Aufhebung des gemeinsamen Haushaltes. Hier wird man sich an der (uneinheitlichen) Praxis, welche für die gerichtliche Anordnung der Gütertrennung nach Art. 176 Abs. 1 Ziff. 3 i.V.m. Art. 185 ZGB angewendet wird, zu orientieren haben und im Zweifel damit rechnen müssen, dass die in diesem Kontext vorgenommene güterrechtliche Auseinandersetzung als der Scheidungsvorbereitung dienend betrachtet und mithin der Genehmigungspflicht unterstellt werden wird – mit der Konsequenz, dass das Ausbleiben der Bestätigung im Rahmen von Art. 111 f. ZGB die zuvor vereinbarte güterrechtliche Auseinandersetzung wieder in Frage stellt. Die Praxis ist indessen nicht einheitlich: Das Obergericht des Kantons Aargau qualifizierte in seinem Urteil vom 18. Oktober 2007 (ZOR.2007.54) eine sechs Jahre vorher, nämlich im Rahmen eines Mediationsverfahrens im Jahre 2001, durchgeführte güterrechtliche Auseinandersetzung als eine vor der Rechtshängigkeit des Scheidungsprozesses abgeschlossene Vereinbarung über eine Scheidungsfolge, die im Rahmen von Art. 111 f. ZGB bestätigt und gerichtlich genehmigt werden müsse. Demgegenüber hat das Obergericht des Kantons Bern in einem Entscheid vom 27. März 200849 den Widerruf der im Rahmen einer Scheidungskonvention getroffenen und bereits vor der ersten Anhörung der Parteien vollständig vollzogenen güterrechtlichen Auseinandersetzung nicht zugelassen. Häufig wird indessen das Ergebnis einer bereits vor Rechtshängigkeit durchgeführten güterrechtlichen Auseinandersetzung im Scheidungsverfahren von keiner Partei mehr thematisiert. Die Genehmigung der «Saldoklausel» trägt dann rein formale Züge; denn dem Gericht sind in den meisten Fällen die güterrechtlichen Bemessungsfaktoren (anders als beim nachehelichen Unterhalt, wo sie gemäss Art. 143 ZGB offen zu legen sind) nicht bekannt, und sie werden in der Regel auch nicht erfragt. 8.1.3 Verfahrenstechnische Aspekte Möglich ist demgegenüber eine bindende Verständigung zum Voraus über «verfahrenstechnische» Aspekte. So können beispielsweise die Kriterien, nach welchen ein Unternehmen geschätzt werden soll («Praktikerformel»; «Swiss Gaap FER», etc.) definiert oder die Experten bestimmt werden, welche abschliessend ein Unternehmen oder eine Liegenschaft bewerten (etwa: «Massgebend für die Bestimmung des güterrechtlichen Anrechnungswertes ist der Mittelwert je einer Schätzung des Hauseigentümerverbandes sowie der Kantonalbank in jeweiligem Lagekanton»). Nachdem sich die Parteien in der güterrechtlichen Auseinandersetzung über solche Aspekte nach Belieben einigen können50, kann dies auch zum Voraus geschehen. Solche Abmachungen unterliegen nicht der gerichtlichen Genehmigung nach Art. 140 ZGB.51 8.1.4 Rechtsgeschäfte zur Milderung einer den einen Ehegatten benachteiligenden güterrechtlichen Disposition Unterstellen sich die Ehegatten dem Güterstand der Gütertrennung oder erklären sie wesentliche Vermögenswerte gemäss Art. 199 Abs. 1 ZGB zu Eigengut, besteht häufig das Bedürfnis, den auf den gesetzlichen Güterstand verzichtenden Ehegatten mit einer Leistung aus dem Vermögen des anderen für die nachteiligen wirtschaftlichen Folgen der gewählten ehevertraglichen Modifikation zu entschädigen (ein Beispiel einer entsprechenden Abmachung findet sich im zweiten Teil der Formulierungsvorschläge, lit. E.). Solche Vereinbarungen sind, soweit es sich um Schenkungsversprechen handelt, in der von Art. 243 OR jeweils geforderten Form abzuschliessen. Ob nun vereinbart wird, dass nach jedem Jahr des Bestehens eines gemeinsamen Haushaltes eine Zahlung in bestimmter Höhe erfolgt, oder ob die Zahlung (oder eine andere in Aussicht genommene Zuwendung) und deren Fälligkeit an die Voraussetzung einer rechtskräftigen Scheidung geknüpft werden; es kann kein Zweifel daran bestehen, dass solche Rechtsgeschäfte unbedenklich und bindend sind. Breitschmid52 weist darauf hin, dass Schenkungen unter Ehegatten nicht allein wegen der Tatsache einer nachfolgenden Scheidung der Ehe widerrufen werden können (anders, wenn eine entsprechende Rückfallklausel ausdrücklich vereinbart worden ist). Auch sofern solche Rechtsgeschäfte im Zusammenhang mit einer ehevertraglich vereinbarten Gütertrennung abgeschlossen werden, handelt es sich per se nicht um die konkrete Durchführung der güterrechtlichen Auseinandersetzung (welche unter dem Güterstand der Gütertrennung ohnehin entfällt), also nicht um eine scheidungsrechtliche Nebenfolge, womit nach der 50 49 Obergericht des Kantons Bern, Entscheid vom 27. März 2008 in FamPra.ch 4/2008 Nr. 87. AJP 03_2009.indb 310 51 52 Hausheer (FN 13), Art. 214 N 7. Meier (FN 3), 294. Breitschmid (FN 19), 1609. 10.3.2009 9:12:14 Uhr S c h e i d u n g s v e r e i n b a r u n g e n a u f Vo r r a t AJP/PJA 3/2009 311 hier vertretenen Ansicht diesbezüglich weder ein Bestätigungserfordernis noch eine Genehmigungspflicht besteht. Bei Schenkungen muss steuerlichen Gegebenheiten Rechnung getragen werden: Im Kanton Zürich etwa sieht § 7 lit. c ESchG vor, dass der Schenkungssteueranspruch bei Vermögensübergängen aus Schenkung im Zeitpunkt des Vollzuges der Schenkung entsteht. Erfolgt die Zahlung mithin erst nach Eintritt der Rechtskraft des Scheidungsurteils, können sich Steuerfolgen ergeben. Dies soll gemäss Zürcherischer Praxis dann nicht der Fall sein, wenn ihr Rechtsgrund in der gerichtlich genehmigten Scheidungskonvention liegt. Ist das Schenkungsversprechen hingegen nicht in der dem Gericht zur Genehmigung vorgelegten Vereinbarung abgegeben worden, sollte die Zahlung sicherheitshalber vor Eintritt der Rechtskraft erfolgen (beispielsweise innerhalb von drei Arbeitstagen nach Vorlage des Nachweises des Versandes der Bestätigungserklärung i.S.v. Art. 111 Abs. 2 ZGB an das Gericht, unter der Bedingung des Eintritts der Rechtskraft des Scheidungsurteils). 8.2 Vereinbarungen zur Rechtswahl und zur Zuständigkeit 8.2.1 Zur Rechtswahl Angesichts der Wichtigkeit ehevertraglicher Dispositionen als Planungsinstrument und der Zunahme der Zahl multinationaler Ehen soll auf einige Besonderheiten des Internationalen Privat- und Zivilprozessrechtes des Ehegüterrechts hingewiesen werden, auf die Schwander53 vor kurzem aufmerksam gemacht hat. In methodischer Hinsicht empfiehlt Schwander in einem ersten Schritt die Prüfung der objektiven Anknüpfung (d.h. Rechtslage ohne Rechtswahl), wobei diese aus der Sicht der Gerichte jedes möglicherweise zuständigen Staates (Heimatstaat, Wohnsitzstaat, Staat der gelegenen Sache) untersucht werden muss. Erst in einem zweiten Schritt ist zu entscheiden, ob mit einer ausdrücklichen Rechtswahl die objektive Anknüpfung verstärkt oder abgeändert werden soll. Art. 52 IPRG ermöglicht den Gatten die Wahl zwischen dem Recht des Staates, in dem beide ihren Wohnsitz haben oder nach der Eheschliessung haben werden, und dem Recht eines ihres Heimatstaaten (bei dem es sich nicht um das effektive Heimatrecht, mit dem die Person am engsten verbunden ist, handeln muss). Wer eine bestimmte Rechtslage zumindest auf absehbare Zeit hin stabilisieren möchte, dem muss zu einem Ehevertrag geraten werden, der die güterrechtlichen Verhältnisse einer bestimmten Rechtsordnung unterstellt und zudem die Erklärung enthält, dass der gewählte Güterstand auch bei Wohnsitzwechsel beibehalten werden soll.54 (Die Wandelbarkeit des Güterrechtsstatutes gemäss Art. 55 IPRG kann wegbedungen werden.) Gleichwohl erfordert jeder Wohnsitzwechsel neue Abklärungen der Rechtslage im Hinblick darauf, ob – die Zuständigkeiten der Gerichte und Behörden ändern (und damit ein anderes IPR zum Zuge kommt), – die objektiv (d.h. ohne Rechtswahl) anwendbare Rechtsordnung wechselt, – eine bisher bestehende Rechtswahlmöglichkeit oder andere Rechtsgestaltung (wie Rückwirkung oder Nichtrückwirkung bzw. solche Wirkungen ausschliessende Erklärungen; Schenkung; Ehevertrag) wegfällt, oder ob – nach dem Wohnsitzwechsel neue Rechtswahl- und Gestaltungsmöglichkeiten entstehen.55 Von einer Rechtswahlerklärung in einfacher Schriftlichkeit (was gemäss Art. 53 Abs. 1 IPRG genügt) ist abzuraten, nachdem die meisten ausländischen Staaten eine Rechtswahl zum Güterrecht – wenn überhaupt – nur in der Form bzw. im Rahmen eines Ehevertrages anerkennen.56 8.2.2 Vereinbarungen über die Zuständigkeit Schwander57 weist mit beachtlichen Gründen darauf hin, dass die güterrechtliche Planung für den Scheidungsfall ohne Zuständigkeitsvereinbarung auf halber Strecke stehen bleibt. Art. 51 lit. a, b, und c, IPRG schliessen eine abweichende Zuständigkeitsvereinbarung nach Art. 5 IPRG nicht aus, da es sich beim Güterrecht um eine vermögensrechtliche Materie handelt. Auch eine Schiedsvereinbarung ist zulässig.58 Die Lehre rät von solchen Dispositionen für die güterrechtliche Auseinandersetzung mehrheitlich ab.59 In der Tat können sich Fragen im Verhältnis zum Grundsatz der Einheit des Scheidungsurteils und der daraus abgeleiteten Zuständigkeit des Scheidungsgerichtes stellen. Zur Vorsicht mahnen auch Erwägungen der Prozessökonomie: Für die Festsetzung des nachehelichen Unterhaltes muss das Ergebnis der güterrechtlichen Auseinandersetzung bekannt sein. Art. 278 Abs. 1 E BZPO hält den Grundsatz der Einheit des Scheidungsurteils ausdrücklich fest; indessen ist auch vorgesehen, dass komplizierte güterrechtliche Auseinandersetzungen in ein separates Verfahren verwiesen werden können Art. 278 Abs. 2 E BZPO). Das Scheidungsgericht wird diesfalls den bei ihm hängigen Prozess sistieren, bis das Ergebnis der güterrechtlichen Auseinandersetzung bekannt ist. In gleicher Weise ist vorzugehen, wenn die Parteien mit einer Gerichtsstandsvereinbarung oder einer Schiedsklausel den Entscheid über das Güterrecht einem anderen Gericht zugewiesen haben. 55 56 53 54 Ivo Schwander, Internationales Privat- und Zivilprozessrecht des Ehegüterrechts, AJP/PJA 2008, 1055 ff. Schwander (FN 53), 1059. AJP 03_2009.indb 311 57 58 59 Schwander (FN 53), 1060. Schwander (FN 53), 1061. Schwander (FN 53), 1069. Schwander (FN 53), 1069. Schwander (FN 53), 1069 mit Hinweisen in Fn. 20, 1061. 10.3.2009 9:12:14 Uhr D a n i e l Tr a c h s e l / M a r g h e r i t a B o r t o l a n i - S l o n g o AJP/PJA 3/2009 312 Das Urteil des prorogierten Gerichts oder des Schiedsgerichts unterliegt nicht der Genehmigung nach Art. 140 ZGB, da es sich dabei nicht um eine Scheidungsfolgenvereinbarung handelt. 9. Vorausvereinbarungen mit erbrechtlichem Charakter 9.1 Im innerstaatlichen Verhältnis Geschiedene Ehegatten haben zueinander kein gesetzliches Erbrecht mehr. Diese Bestimmung ist indessen dispositiver Natur, wie das Bundesgericht noch unter der Herrschaft von Art. 154 Abs. 2 aZGB festgestellt hat (BGE 122 III 308 ff.). Daran hat die Scheidungsnovelle nichts geändert.60 Den Scheidungsfall einbeziehende erbrechtliche Absprachen unter Ehegatten ausserhalb eines konkreten Scheidungsverfahrens sind mithin ohne Weiters möglich. Die Verbindlichkeit von Verfügungen von Todes wegen, welche die Ehegatten nach der Rechtshängigkeit des Scheidungsverfahrens errichtet haben, wird im Gesetz sogar explizit erwähnt (Art. 120 Abs. 2 ZGB e contrario). Entsprechende Vereinbarungen müssen in den gesetzlich vorgeschriebenen Formen abgeschlossen werden, wobei Bedingungen (etwa der Eintritt der Rechtskraft eines Scheidungsurteils) möglich sind.61 Nichtig – weil unvereinbar mit dem Schutz der Persönlichkeit (Art. 27 Abs. 2 ZGB) – ist indessen das im Rahmen einer Vorauskonvention abgegebene Versprechen, dereinst einen Erbvertrag abzuschliessen.62 Im leider nicht veröffentlichten Entscheid vom 4. Dezember 2003 (BGE 5C.114/2003) hatte das Bundesgericht eine Konstellation zu beurteilen, bei der ein Ehepaar vor der Ehe einen Ehevertrag auf Gütertrennung, einen Erbvertrag und eine Scheidungskonvention auf Vorrat abgeschlossen hatte. Die Ehefrau verlangte eine Überprüfung des Vertragswerkes als Einheit, mithin auch des Erbvertrages, unter dem Gesichtspunkt von Art. 140 ZGB. Dem hielt das Bundesgericht (mit den beiden kantonalen Vorinstanzen) entgegen, dass die Verträge nicht derart miteinander verknüpft seien, als dass einer von den andern abhängig sei; keiner der Verträge setze das Bestehen eines andern Vertrages oder eine Gegenleistung aus einem solchen voraus, und durch die Aufhebung eines Vertrages würden die Wirkungen der beiden andern nicht tangiert. Die Gültigkeit und Verbindlichkeit der in Frage stehenden drei Verträge wurden deshalb je einzeln überprüft. Im Zusammenhang mit dem Erbvertrag hielt das Bundesgericht fest, dieser enthalte nichts, was für das Scheidungsverfahren relevant sei, weshalb eine Überprüfung sub specie von Art. 140 ZGB nicht stattfinde. 60 61 62 Breitschmid (FN 19), 1608. ZR 89 Nr. 99 sowie ZR 96 Nr. 10. BGE 108 II 407. AJP 03_2009.indb 312 Auch aus diesem Grund erweist sich der Erbvertrag als taugliches Planungsinstrument. Die erbvertragliche Vereinbarung kann – im Sinne eines Systems aufeinander einwirkender Planungsinstrumente – auf andere scheidungsrechtliche Nebenfolgen, insbesondere den nachehelichen Unterhalt, ausstrahlen. Art. 125 Abs. 1 ZGB weist der Sicherung einer angemessenen Altersvorsorge bei der Gestaltung des nachehelichen Unterhaltes eine grosse Bedeutung zu. Die erbvertragliche Begünstigung kann dazu führen, dass eine nacheheliche Unterhaltsregelung, die der Altersvorsorge keine Rechnung trägt, trotzdem genehmigungsfähig wird. Dies war der Fall im erwähnten Bundesgerichtsentscheid vom 4. Dezember 2003 (BGE 5C.114/2003), wo der Ehefrau höhere Unterhaltsbeiträge als in der Vorauskonvention vorgesehen auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Altersvorsorge zugesprochen werden konnten, da ihr nach dem Erbvertrag erhebliche Anwartschaften (in casu knapp CHF 4 Mio.) zustanden. Werden erbvertragliche Dispositionen in Betracht gezogen, dann sind die steuerlichen Rahmenbedingungen sorgfältig zu analysieren: Während in den meisten Kantonen die Ehegatten von Erbschaftssteuern befreit sind, trifft dies für geschiedene Eheleute nicht mehr zu. Vor allem deswegen sollte immer auch geprüft werden, ob nicht die (unwiderrufliche) Begünstigung in einer (Todesfallrisiko-)Lebensversicherung die sachgerechtere Lösung sein könnte. 9.2 Zuständigkeit und Rechtswahl Eine detaillierte Darstellung von planerischen Möglichkeiten im Bereich internationalprivatrechtlicher erbvertraglicher Dispositionen sprengt den Rahmen dieser Arbeit. Ein Hinweis erscheint uns indes als wichtig: Soweit bei grenzüberschreitenden Sachverhalten mit Erbverträgen gearbeitet wird, ist zu beachten, dass etliche Staaten des romanischen und des iberoamerikanischen Rechtskreises einen Erbvertrag im Sinne einer vertraglichen Bindung des Erblassers nicht anerkennen. Dem ist bei der Planung Rechnung zu tragen.63 10. Vorausvereinbarungen über den ehelichen (insbesondere den Trennungs-) Unterhalt 10.1 Im innerstaatlichen Verhältnis 10.1.1 Vereinbarungen über die Beiträge der Ehegatten an den Unterhalt der Familie (Art. 163 ZGB) Es steht den Ehegatten frei, bezüglich der von ihnen im Rahmen von Art. 163 Abs. 2 ZGB vorzunehmenden Verständi63 Vgl. die Hinweise bei Schwander (FN 53), 1055 ff., insbesondere 1060 ff. 10.3.2009 9:12:15 Uhr S c h e i d u n g s v e r e i n b a r u n g e n a u f Vo r r a t AJP/PJA 3/2009 313 gung eine schriftliche Vereinbarung über ihre Lebensentwürfe, die Rollenverteilung und deren Folgen abzuschliessen. Solche Abmachungen über die Aufgabenteilung können auch bei einer Aufhebung des gemeinsamen Haushaltes Bestand haben und das Ergebnis der dann konkret vorzunehmenden Berechnung des ehelichen und nachehelichen Unterhalts wesentlich beeinflussen, ist doch eine spätere einseitige Abänderung derselben nicht ohne weiteres möglich.64 Einer Verständigung über die Rollenverteilung, Feststellungen zur zukünftig beabsichtigten beruflichen Tätigkeit im Sinne einer Konkretisierung der Eigenversorgungskapazität u.a. im Rahmen einer Vorausvereinbarung kommt u.E. ein deutlich grösseres Gewicht zu als einer antizipierenden Quantifizierung von Unterhaltszahlungen, die sich angesichts veränderter Verhältnisse nach Jahr und Tag kaum noch als sachgerecht erweisen könnten.65 10.1.2 Vereinbarungen über die Geldbeiträge, die der eine Ehegatte dem anderen schuldet (Art. 173 Abs. 1, 176 Abs. 1 Ziff. 1, 137 Abs. 2 ZGB) Auch aussergerichtliche Vereinbarungen der Ehegatten über den ehelichen Unterhalt sind auf der Grundlage von Art. 168 ZGB zulässig und jederzeit möglich. Solche Abreden sind jedoch jederzeit einseitig widerrufbar. Für die gelebte Vergangenheit behalten sie zwar Geltung (mit der Folge, dass Unterhaltsleistungen – entgegen Art. 173 Abs. 3 und 137 Abs. 2 ZGB – nicht mehr für ein Jahr vor Einreichung des Begehrens gefordert werden können).66 Ist ein Ehegatte mit der einst getroffenen mündlichen oder schriftlichen Absprache aber nicht mehr einverstanden und erfolgt keine neue Einigung, hat das Eheschutzgericht den Unterhalt auf Begehren eines Ehegatten festzulegen. Dies erfolgt indes ungeachtet der bisherigen Vereinbarung i.S.v. Art. 163 Abs. 2 i.V.m. Art. 176 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB, weshalb nicht geprüft wird, ob sich die ihr zugrunde liegenden Verhältnisse erheblich, dauerhaft und in unvorhersehbarer Weise geändert haben. Wurde demgegenüber über den ehelichen Unterhalt (im Eheschutzoder Massnahmeverfahren) entschieden (oder eine von den Parteien dem Gericht vorgelegte Vereinbarung genehmigt) und verlangt ein Ehegatte eine Abänderung der Beiträge, kann diese durch den Eheschutz- oder Massnahmerichter nur 64 65 66 Franz Hasenböhler/Andrea Opel, in: Heinrich Honsell/ Nedim Peter Vogt/Thomas Geiser (Hrsg.), Basler Kommentar Zivilgesetzbuch I, 3. A., Basel 2006, Art 163 N 36 f.; Heinz Hausheer/Thomas Geiser/Regina E. Aebi-Müller, Das Familienrecht des Schweizerischen Zivilgesetzbuches: Eheschliessung, Scheidung, allgemeine Wirkungen der Ehe, Güterrecht, Kindesrecht, Vormundschaftsrecht, eingetragene Partnerschaft, 3. A., Bern 2007, Rz 08.18a ff. Vgl. zu den beachtenden Gesichtspunkten die Formulierungsvorschläge unter Ziff. 17.4, 2. Teil, lit. E. Vgl. ZR 104 Nr. 58. AJP 03_2009.indb 313 nach Massgabe von Art. 179 ZGB erfolgen, d.h. erst bei Vorliegen der bekannten Abänderungsgründe.67 Mit Blick auf entsprechende Vereinbarungen sind in Zukunft überdies Art. 267 f. E BZPO zu beachten, die für Massnahmen zum Schutz der ehelichen Gemeinschaft nach Art. 172 bis 179 ZGB – also auch für den Ehegattenunterhalt – den Untersuchungsgrundsatz vorschreiben68; dieser wird daher in noch weitergehendem Mass der Dispositionsfreiheit der Ehegatten entzogen sein. Auch aus diesem Grund dürfte – nebst der einseitigen Widerrufbarkeit – eine quantifizierende Vorausvereinbarung zum ehelichen Unterhalt kein zuverlässiges Planungsinstrument darstellen. 10.2 Rechtswahl Für die Unterhaltspflicht zwischen Ehegatten gilt im internationalen Verhältnis gemäss Art. 49 IPRG das Haager Übereinkommen vom 2. Oktober 1973 über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht (SR 0.211.213.01; HUntÜ). Dieses Abkommen, das in der Schweiz erga omnes gilt, sieht keine Rechtswahlmöglichkeit vor.69 Zu beachten ist, dass – aufgrund eines von der Schweiz angebrachten Vorbehaltes – immer dann schweizerisches Recht angewendet wird, wenn sowohl Unterhaltsschuldner als auch Unterhaltsgläubiger die schweizerische Staatsangehörigkeit besitzen und (kumulativ) der Unterhaltsschuldner seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Schweiz hat. Klagt also die im Ausland wohnende Ehefrau den in der Schweiz lebenden Ehemann ein und besitzen beide die schweizerische Staatsbürgerschaft, findet demnach nicht das Recht des ausländischen Aufenthaltes der Ehefrau Anwendung (Art. 4 HUntÜ), sondern die schweizerische lex fori (Art. 15 i.V.m. Art. 24 HUntÜ).70 10.3 Gerichtsstands- und Schiedsvereinbarungen Im innerstaatlichen Verhältnis sollte u.E. eine Prorogation im eng umschriebenen Rahmen von Art. 15 Abs. 1 GestG zulässig sein; nicht aber eine Schiedsabrede.71 Im internationalen Kontext sind demgegenüber nach herrschender Auffassung nicht nur Gerichtsstandsvereinbarungen, sondern auch Schiedsklauseln möglich. 10.3.1 Im Rahmen des IPRG Im Bereich der ehelichen Unterhaltspflicht – als vermögensrechtlichem Anspruch – kann die Zuständigkeit eines Ge67 68 69 70 71 Hausheer/Steck (FN 1), 937. Hausheer/Steck (FN 1), 937. BGE 119 II 167 ff., 171; BSK IPRG-Courvoisier (FN 15), Art. 49 N 22. BSK IPRG-Courvoisier (FN 15), Art. 49 N 19. Vgl. vorne Ziff. 4.2. 10.3.2009 9:12:15 Uhr D a n i e l Tr a c h s e l / M a r g h e r i t a B o r t o l a n i - S l o n g o AJP/PJA 3/2009 314 richtes für einen bestehenden oder einen künftigen Rechtsstreit zunächst kraft ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmung durch eine Gerichtsstandsvereinbarung nach Art. 5 IPRG oder durch Einlassung (Art. 6 IPRG) begründet werden; Schiedsvereinbarungen sind gestützt auf Art. 7 IPRG zulässig. Diese Dispositionsbefugnis wird als problematisch erachtet, weil wichtige gesetzgeberische Anliegen (rascher Rechtsschutz zu Gunsten des klagenden Gatten durch Schaffung des Klägergerichtsstandes nach Art. 15 Abs. 1 GestG, Aufgabe der Koordination der personen-, kindes- und vermögensrechtlichen Wirkungen der Ehe, zweifelhafte Befugnis eines Schiedsgerichtes zur Anordnung von Vollstreckungsmassnahmen gemäss Art. 177 f. ZGB) dadurch unterlaufen werden könnten.72 10.3.2 Im Bereich des LugÜ Das LugÜ bietet Parteien, die ihren Wohnsitz in einem Vertragsstaat haben, für «Unterhaltssachen» neben dem allgemeinen Gerichtsstand des Art. 2 LugÜ am Wohnsitz des Beklagten eine besondere Zuständigkeit vor dem Gericht des Ortes, an dem der Unterhaltsberechtigte seinen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, an (Art. 5 Ziff. 2 LugÜ). Gemäss Art. 17 LugÜ können Parteien, von denen mindestens eine ihren Wohnsitz in einem Vertragstaat hat, nicht nur über eine bereits entstandene, sondern auch über zukünftige aus einem bestimmten Rechtsverhältnis entspringende Rechtsstreitigkeiten Vereinbarungen über die Zuständigkeit abschliessen. Dies gilt auch für Unterhaltsvereinbarungen zwischen Ehegatten, gehören diese doch nicht zu den in Art. 16 LugÜ bezeichneten Klagen, bezüglich welcher eine Prorogation unzulässig ist.73 Im Resultat sind Gerichtsstandsvereinbarungen und Schiedsklauseln daher zwar nicht im innerstaatlichen Bereich, wohl aber im internationalen Verhältnis zulässig, was planerische Möglichkeiten eröffnet, wenn und solange mindestens ein Ehegatte seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in einem Vertragsstaat behält. 11. Vorausvereinbarungen über den nachehelichen Unterhalt 11.1 Im innerstaatlichen Verhältnis Einmal abgesehen von den grundsätzlichen Bedenken zur Bindungswirkung von Vorauskonventionen74 tendiert die neuere und neueste Lehre mehr oder weniger eindeutig dazu, deren Wirksamkeit und Zulässigkeit schon mit Blick auf das Verbot übermässiger Bindung gemäss Art. 27 Abs. 2 ZGB zu verneinen, weil es dabei «um das Übermass an Bindung in eine ungewisse Zukunft hinein und damit um einen nicht hinnehmbaren Verlust an unverzichtbarer Gestaltungsfreiheit» geht. Denn: «Zentral ist im Zusammenhang mit einer scheidungsunabhängig eingegangenen Scheidungsfolgenvereinbarung die Ungewissheit darüber, auf was man gegenüber dem in der Zukunft liegenden gesetzlichen Scheidungsunterhalt verzichtet hat.»75 Darüber hinaus dürften insbesondere jene Scheidungskonventionen auf Vorrat, die ohne konkreten Scheidungshintergrund und Jahre zum Voraus abgeschlossen worden sind, dann einen (sich grundsätzlich nur zurückhaltend anbietenden) Anwendungsfall der auf Art. 2 ZGB abgestützten clausula rebus sic stantibus darstellen, wenn die ursprünglich vereinbarten Unterhaltsbeiträge durch nachträgliche, nicht voraussehbare Umstände in einem derart offenbaren Missverhältnis zu jenen stehen, die zur Zeit des Scheidungsurteils zugesprochen werden würden oder müssten, dass das Beharren des unterhaltspflichtigen Ehegatten auf den vertraglich vereinbarten Unterhaltsbeiträgen als rechtsmissbräuchlich erscheint. Da hilft auch die z.T. widersprüchliche Praxis des Bundesgerichtes76 nicht weiter. Bleibt es im Resultat dabei, dass bereits Scheidungsvereinbarungen, die im Vorfeld einer Scheidung oder im Rahmen von Art. 111 ZGB abgeschlossen wurden, bis zur Bestätigung durch die Parteien nach Ablauf der Bedenkfrist bzw. bis zur gerichtlichen Genehmigung keine Bindungswirkung entfalten,77 so gilt dies nach dem Gesagten insbesondere für Vorausscheidungskonventionen ohne konkreten Scheidungshorizont. Darauf sind die immer zahlreicheren Klienten, die aufgrund ihres Bedürfnisses nach möglichst nachhaltiger Lebensplanung eine Scheidungskonvention auf Vorrat mit Regelung des (ehelichen oder) nachehelichen Unterhaltes nachfragen, in der anwaltlichen Beratungspraxis mit aller Deutlichkeit hinzuweisen. 11.2 Zuständigkeit Im Anwendungsbereich des Lugano-Übereinkommens kann für die Beurteilung von ehelichen und nachehelichen Unterhaltsansprüchen gemäss Art. 17 LugÜ eine Vereinbarung über die Zuständigkeit abgeschlossen werden (womit eine Differenz zum innerstaatlichen Recht besteht, wo Gerichtstandsvereinbarungen im Bereich des Eherechtes nicht zulässig sind).78 Wird über den Unterhalt in einem Scheidungsverfahren entschieden, ist nach Art. 5 Ziff. 2 LugÜ auch dasjenige Gericht kompetent, welches nach seinem Recht für dieses Verfahren zuständig ist (es sei denn, diese 75 76 72 73 74 BSK IPRG-Courvoisier (FN 15), Art. 46 N 25. BSK IPRG-Courvoisier (FN 15), Art. 46 N 31, m.w.H. Vgl. vorne Ziff. 3.2. AJP 03_2009.indb 314 77 78 Hausheer/Steck (FN 1), 956, 922 mit Hinweisen; insbes. auch Geiser (FN 9), z.B. 233. Vgl. dazu Hausheer/Steck (FN 1), 957 f. Vgl. vorne Ziff. 3.2.3. Karl Spühler/Dominik Vock, Gerichtsstandsgesetz (GestG), Zürich 2000, Art. 15 N 2. 10.3.2009 9:12:15 Uhr S c h e i d u n g s v e r e i n b a r u n g e n a u f Vo r r a t AJP/PJA 3/2009 315 Zuständigkeit beruhe einzig auf der Staatsangehörigkeit einer der Parteien). Von Bedeutung ist, dass die Einrede der Rechtshängigkeit gemäss Art. 21 LugÜ dazu führt, dass der schweizerische Scheidungsrichter das Verfahren betreffend die Unterhaltsklage auszusetzen beziehungsweise sich unzuständig zu erklären hat, wenn sie – etwa gestützt auf eine Gerichtsstandsvereinbarung – in einem anderen Vertragsstaat früher anhängig gemacht worden ist und die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichtes feststeht.79 Allerdings muss sorgfältig überprüft werden, welche Auswirkungen eine Gerichtsstandsvereinbarung auf das auf den nachehelichen Unterhalt zur Anwendung gelangende Recht haben wird: Das prioritär (also vor Rechtshängigkeit eines schweizerischen Scheidungsverfahrens) aufgrund einer Gerichtsstandsvereinbarung nach Art. 17 LugÜ angerufene ausländische Gericht wird nicht das auf die Ehescheidung anzuwendende Recht gemäss Art. 8 HUntÜ anwenden, sondern wird diesfalls nach den Art. 4 bis 6 HUntÜ anknüpfen. Primär untersteht damit der Unterhaltsanspruch dem Recht des Staates, in dem der Unterhaltsberechtigte seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (Art. 4 HUntÜ), subsidiär ist das gemeinsame Heimatrecht der Ehegatten anzuwenden (Art. 5 HUntÜ) und subsubsidiär gelangt die lex fori zur Anwendung.80 Es kann mithin sehr wohl sein, dass das nach Art. 4 bis 6 HUntÜ zu bestimmende Recht letztlich jenes ist, welches gemäss Art. 8 HUntÜ auf die Ehescheidung anzuwenden ist, womit in der Sache nichts gewonnen wird. 11.3 Rechtswahl Im Bereich des in der Schweiz erga omnes angewendeten HUntÜ besteht keine Rechtswahlmöglichkeit. Der nacheheliche Unterhalt des berechtigten Ehegatten folgt nach Art. 8 HUntÜ dem auf die Scheidung angewandten Recht. Art. 8 HUntÜ gilt in den Vertragsstaaten auch für alle künftigen Änderungen von Unterhaltsentscheiden; das Scheidungsstatut bleibt damit auf Jahre hinaus massgebend für die Regelung und Anpassung des Unterhaltes zwischen den geschiedenen Ehegatten.81 Gewährt das von Art. 8 HUntÜ bestimmte Recht dem geschiedenen Ehegatten keinen Unterhaltsanspruch, bleibt es – unter Vorbehalt des ordre public nach Art. 11 Abs. 1 HUntÜ – bei diesem Ergebnis. Gemäss dem ausdrücklichen Wortlaut der Bestimmung gilt die für solche Fälle vorgesehene Stufenanknüpfung gemäss Art. 4 bis 6 HUntÜ nicht für den nachehelichen Unterhalt.82 79 80 81 82 Andreas Bucher, Internationales Scheidungsrecht in der Praxis, in: Ingeborg Schwenzer/Andrea Büchler (Hrsg.), Vierte Schweizer Familienrechtstage: 31. Januar/1. Februar 2008 in Zürich, Bd. 10, Bern 2008, 48. Haager Übereinkommen über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht vom 2.10.1973, SR 0.211.213.01. Vgl. im Einzelnen BSK IPRG-Courvoisier (FN 15), Art. 49 N 10 ff. Bucher (FN 79), 51. BSK IPRG-Bopp (FN 14), Art. 63 N 14. AJP 03_2009.indb 315 Wegen dieser Koppelung von Unterhaltsrecht und Scheidungsstatut ist genau zu überlegen, ob die Scheidung nach Art. 61 Abs. 1 IPRG dem schweizerischen oder nach Art. 61 Abs. 2 IPRG dem gemeinsamen ausländischen Heimatrecht untersteht. Allenfalls kann es auch von Interesse sein, die Scheidungsklage im Ausland einzureichen, wenn dort der Unterhalt nach der Scheidung einem andern Recht untersteht.83 12. Das Rechtsmissbrauchverbot als Rettungsanker der Vorausvereinbarungen? Setzt sich eine Partei, die irrtumsfrei und in voller Kenntnis aller relevanten Umstände in einer «Scheidungsvereinbarung auf Vorrat» beispielsweise auf nachehelichen Unterhalt und den Vorsorgeausgleich verzichtet hat, dem Vorwurf des Rechtsmissbrauches aus, wenn sie sich später im konkreten Scheidungsverfahren bei ihrem Verzicht nicht mehr behaften lassen will? Das Bundesgericht hat am 4. Februar 2008 (BGE 5A_ 623/2007 E. 4.2) einer solchen Betrachtungsweise eine klare Abfuhr erteilt: «Im Widerspruch zwischen der Zustimmung zu einer Vereinbarung und der nachträglichen Geltendmachung ihrer Ungültigkeit unter Berufung auf zwingendes Recht ist nur dann ein Rechtsmissbrauch zu erblicken, wenn zusätzlich besondere Umstände gegeben sind. Solche Umstände können vorliegen, wenn diejenige Partei sich auf zwingendes Recht beruft, welche die dagegen verstossende Vereinbarung in eigenem Interesse und in Kenntnis ihrer Unzulässigkeit selber vorgeschlagen und damit beim Rechtserwerb unredlich gehandelt hat. Besondere Umstände, welche die Berufung auf zwingendes Recht als missbräuchlich erscheinen lassen, sind auch zu bejahen, wenn die von der angerufenen Norm zu schützenden Interessen entfallen oder sonst wie gewahrt wurden oder wenn die Partei mit der Geltendmachung der Nichtigkeit der Vereinbarung derart lange zuwartet, dass der andern Partei dadurch verunmöglicht wurde, ihre eigenen Interessen zu wahren.» Das Bundesgericht hat diese Grundsätze im Zusammenhang mit einem zum Voraus vereinbarten Verzicht auf den Vorsorgeausgleich für anwendbar erklärt, weil nicht allein der Schutz des Ehegatten, sondern auch das öffentliche Interesse an der Sicherstellung einer angemessenen Alters-, Invaliden- und Hinterlassenenvorsorge in Frage steht. Mutatis mutandis gilt dies auch für den nachehelichen Unterhalt, wo ein gänzlicher oder teilweiser Verzicht zu einer Fürsorgeabhängigkeit führen kann, die ebensowenig im öffentlichen Interesse liegt. Auch wenn das Bundesgericht einen offenbaren Rechtsmissbrauch nicht völlig ausschliessen will, dürfte 83 Andreas Bucher (FN 79), 51. 10.3.2009 9:12:16 Uhr D a n i e l Tr a c h s e l / M a r g h e r i t a B o r t o l a n i - S l o n g o AJP/PJA 3/2009 316 gestützt auf Art. 2 Abs. 2 ZGB die Rettung einer Vorauskonvention auf diesem Wege kaum je zu erreichen sein. 13. Ausweichen auf eine dem Gericht nicht vorgelegte Zusatzvereinbarung als Ausweg? Eine Zusatzvereinbarung (in der Praxis oft «Side Letter» genannt), die vor rechtskräftiger Scheidung abgeschlossen und die dem Gericht zur Genehmigung vorgelegte Scheidungsvereinbarung abändert, ergänzt oder aufhebt, ist nur dann verbindlich, wenn sie von den Parteien nach eingetretener Rechtskraft neu bestätigt wird.84 Erfolgt keine nachträgliche Bestätigung, geht der Zusatzvereinbarung jegliche Wirksamkeit ab. Angesichts dieser Unsicherheit handelt es sich auch hierbei um kein verlässliches Planungsinstrument. 14. Sich gegenseitig bedingende ehe-, erbvertragliche und scheidungsrechtliche Abmachungen als Lösung? Arnaud Philippe85 schlägt vor, die «fragile» Scheidungsvereinbarung auf Vorrat in der Weise mit einer erbvertraglichen Begünstigung zu verbinden, dass letztere nur dann gelten soll, wenn die Scheidung gestützt auf die beidseits bestätigte Vorauskonvention ausgesprochen wird. Oder es wird eine ehevertraglich vereinbarte Gütertrennung mit einem Schenkungsversprechen für den Fall der Auflösung der Ehe durch Scheidung ergänzt, welches an die weitere Bedingung geknüpft wird, dass die Vorauskonvention bestätigt wird.86 Bei solchen Konstruktionen ist allerdings der Entscheid vom 4. Dezember 2003 (BGE 5C.114/2003) zu bedenken, wo – wie erwähnt – das Vorliegen eines einheitlichen Vertragswerkes, das insgesamt der richterlichen Genehmigungspflicht unterliegt, nur deshalb verneint wurde, weil nicht ge- 84 85 86 BGE 127 III 357, insbesondere 361 lit. c; Walter Bühler/ Karl Spühler, in: Arthur Meier-Hayoz (Hrsg.), Berner Kommentar. Kommentar zum schweizerischen Privatrecht, Familienrecht/Die Ehescheidung. Art. 137–158 ZGB, Bern 1986, Art. 158 aZGB N 166 ff.; Thomas Sutter/Dieter Freiburghaus, Kommentar zum neuen Scheidungsrecht, Zürich 1999, Art. 140 ZGB N 9; wobei nach der hier vertretenen Meinung der nachträgliche Verzicht nicht genehmigungsbedürftig ist [was von Marcel Leuenberger/Ingeborg Schwenzer, in: Ingeborg Schwenzer (Hrsg.), Familienrechts-Kommentar Scheidung, 2. A., Bern 2005, Art. 140 N 8 postuliert wird]. Arnaud Philippe, Planification du divorce et conventions, AJP/PJA 2007, 1241 ff. Vgl. vorne Ziff. 8.1.4 sowie den Formulierungsvorschlag Ziff. 17. AJP 03_2009.indb 316 sagt werden konnte, «die Verträge seien derart miteinander verknüpft, dass einer von dem andern abhängig sei». Stehen mithin verschiedene Verträge in einem Bedingungs- und Abhängigkeitsverhältnis, dann riskieren die Parteien, dass auch der Erbvertrag und/oder andere ehevertragliche oder obligationenrechtliche Rechtsgeschäfte in die Angemessenheitsprüfung einbezogen werden, was sonst nicht der Fall wäre. Diesen Zusammenhängen ist durch eine sorgfältige Formulierung und gegebenenfalls durch eine Redaktion der einzelnen Verträge in verschiedenen Dokumenten Rechnung zu tragen. 15. «Ehe light» – vertragliche Gestaltung einer nichtehelichen Gemeinschaft als Alternative? Angesichts der erheblichen rechtlichen und ökonomischen Risiken, die ein Paar – bereits mit der Eheschliessung an sich, aber auch – mit dem Abschluss von Vorausvereinbarungen bezüglich der Scheidungsfolgen eingeht, mag die Begründung oder Fortdauer einer nichtehelichen Gemeinschaft für jenen Partner, den die wirtschaftlichen Folgen einer Trennung oder Scheidung stärker belasten, auf den ersten Blick als verlockend erscheinen. Die Nachteile gegenüber der Ehe sind indessen evident; dies trifft etwa hinsichtlich der Elternrechte, der hohen Steuerfolgen bei Schenkungen und erbrechtlichen Zuwendungen an den Partner, aber auch in sozialversicherungsrechtlicher Hinsicht zu. Zudem bietet auch die Liquidation eines Konkubinates immer wieder juristische Knacknüsse und vermögensrechtliche Risiken, die im Bewusstsein der Partner der nichtehelichen Gemeinschaft nur in den wenigsten Fällen verankert sind. Mit Blick auf die Begründung vertraglicher Vereinbarungen – z.B. die Verpflichtung zur Zahlung von Unterhaltsbeiträgen an den anderen Partner – ist auch hier das Verbot übermässiger Bindung nach Art. 27 ZGB zu beachten. Im Schatten dieser Bestimmung stehen nicht nur etwa die Verpflichtung zur Aufrechterhaltung oder Fortsetzung der Beziehung, sondern auch jene zur Zahlung einer Entschädigung bei Auflösung der nichtehelichen Gemeinschaft, so dass eine Verpflichtung zur Zahlung von Unterhaltsbeiträgen ausserhalb einer Ehe höchstens nur sehr beschränkt vereinbart werden kann.87 Mangels gesetzlicher Grundlage für den «vertraglichen» Unterhaltsanspruch gelten die Regeln des Schenkungsversprechens; auch steuerlich werden entsprechende Leistungen als Schenkung qualifiziert. Ob vor dem Hintergrund dieser Problematik die vertragliche Gestaltung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft der Ehe vorzuziehen ist, wird von den betroffenen Paaren jeweils einzeln und sorgfältig abzuwägen sein. 87 Vgl. zum Ganzen Hausheer/Geiser/Aebi-Müller (FN 64), Rz 03.25, Rz 03.28 ff. 10.3.2009 9:12:16 Uhr S c h e i d u n g s v e r e i n b a r u n g e n a u f Vo r r a t AJP/PJA 3/2009 317 16. Ergebnis 16.1 Die Ausbeute der Untersuchung ist bescheiden: Abgesehen von ehevertraglichen Dispositionen, die – vorab im internationalen Verhältnis – möglicherweise mit Schiedsklauseln oder Zuständigkeitsvereinbarungen verstärkt werden können, Einigungen über die güterrechtliche Auseinandersetzung ohne konkrete Scheidungsabsicht sowie erbvertraglichen Vereinbarungen bleibt wenig, was im Rahmen einer Scheidungsvereinbarung auf Vorrat mit Bindungswirkung zuverlässig vereinbart werden kann. 16.2 Ergeben sich daraus rechtspolitische Forderungen de lege ferenda – etwa in dem Sinne, dass nicht nur Ehegatten, die vor einer Zweit- oder Drittehe stehen, sondern auch solchen, die ihre erste Ehe eingehen, eine vermehrte scheidungsrechtliche Planungssicherheit eingeräumt werden soll? Naturgemäss würde dies in der täglichen Beratungsarbeit neue und faszinierende Facetten ermöglichen. Aber würde in der Sache selbst etwas gewonnen? Hausheer/Steck haben mit Blick auf die Rechtslage in Deutschland überzeugend nachgewiesen, dass eine mehr oder weniger uneingeschränkt zugelassene Privatautonomie (sich im Extremfall äussernd im bekannten «Dreierpack», nämlich: Vereinbarung des Güterstandes der Gütertrennung, beidseitiger Verzicht auf Vorsorgeausgleich und beidseitiger Unterhaltsverzicht)88 zwangsläufig zu einer gerichtlichen Nachkontrolle führen muss. Diese kann dazu führen, dass – je nach der im Scheidungszeitpunkt rückwirkend erfolgenden Beurteilung der konkreten Umstände beim Abschluss des fraglichen Ehevertrages – die Wahl der Gütertrennung, der Ausschluss des Versorgungsausgleiches und der Verzicht auf nachehelichen Unterhalt – von allem Anfang schon sittenwidrig und damit rechtlich gar nie verbindlich geworden ist.89 Eine solche nachträgliche umfassende Inhaltskontrolle trägt indessen die Gefahr in sich, dass die Planungssicherheit dort, wo sie heute noch besteht (nämlich insbesondere in ehe- und erbvertraglicher Hinsicht), dahinfällt. Mit Hausheer/Steck ist deshalb davon auszugehen, dass das mit der Scheidung auf gemeinsames Begehren verbundene Erfordernis der Bestätigung einer rechtsgeschäftlichen Scheidungsfolgenregelung (zu welchem Zeitpunkt auch immer sie abgeschlossen wurde) und «die gerichtlich auf «offensichtliche Unbilligkeit» hin gebändigte Privatautonomie» zwar nicht zur besten aller denkbaren Scheidungsfolgenregelungen führen mögen; sie verdient aber gegenüber einer (nur vordergründig!) erweiterten Privatautonomie, deren Kehrseite eine «vollumfassende» und «griffige» Gerichtskontrolle im Scheidungszeitpunkt darstellt, dennoch klar den Vorzug.90 16.3 Aufschlussreich ist ein Blick auf die Rechtslage in England (und den meisten Teilstaaten der USA). Als Vor88 89 90 Schwenzer (FN 4), 5. Hausheer/Steck (FN 1), 954. Hausheer/Steck (FN 1), 958. AJP 03_2009.indb 317 aussetzungen, die eine Verbindlichkeit von «pre-nuptial agreements» unterstützen können und daher zu beachten sind, werden etwa genannt: «At present, full financial disclosure is required together with independent legal advice. The pre-nup should be signed ideally at least 21 days before the marriage. The most difficult test is that the terms of the prenup must be fair in the eyes of the judge at the time of the divorce.» 91 Angesichts der darin zum Ausdruck kommenden Unwägbarkeiten können wir uns über die ehevertraglichen Planungsinstrumente, die uns hierzulande zur Verfügung stehen, nur freuen. 17. Formulierungsvorschläge für Scheidungskonventionen auf Vorrat 17.1 Die beste «Garantie» dafür, dass eine Scheidungsvereinbarung zum Voraus nach Jahr und Tag von beiden Ehegatten bestätigt wird, liegt nicht in der Anwendung möglichst ausgeklügelter juristischer Formulierungskniffe, sondern darin, dass die Vereinbarung mit Blick auf das spezielle Gepräge dieser Ehe die legitimen Interessen beider Ehegatten wahrt. Wer demgegenüber gestützt auf eine ursprüngliche Verhandlungsmacht ein für ihn «vorteilhaftes» Ergebnis (etwa die voreheliche Vereinbarung der Gütertrennung, verbunden mit einem Erbverzicht o.ä.) durchsetzen kann, erzielt oft nur einen Pyrrhussieg. Die solchen Vertragswerken immanente Ungerechtigkeit kann eine erhebliche Sprengkraft entfalten und – wie in der Praxis mehrfach zu beobachten ist – letztlich eine wesentliche (Mit-) Ursache für das Scheitern einer Ehe sein. Dass sich gewisse finanzielle Vorteile sichern liessen, dürfte dann ein schwacher Trost für denjenigen sein, der den Ehepartner, «Haus und Herd» (und meist auch noch die Kinder) verloren hat. 17.2 Da einer Vorauskonvention, die ohne konkreten Scheidungshorizont und damit in eine ungewisse Zukunft hinein abgeschlossen worden ist, bekanntlich das Verbot übermässiger Bindung des Art. 27 Abs. 2 ZGB oder gar Art. 2 ZGB entgegenstehen kann – zumal im Falle eines vollständigen oder wesentlichen Verzichtes auf nachehelichen Unterhalt – dürften am ehesten jene Konventionen auf Vorrat Chancen haben, einer richterlichen Überprüfung stand zu halten, welchen besonders gute wirtschaftliche Verhältnisse zugrunde liegen.92 Mit anderen Worten ist der Einsatzbereich von Scheidungsvereinbarungen auf Vorrat eher im Bereich ausgesprochen gehobener Verhältnisse anzusiedeln, etwa dort, wo eine substantielle Kapitalabfindung für nachehelichen Unterhalt geleistet oder sonst für eine komfortable Eigenversorgungskapazität der berechtigten Partei gesorgt wird. Damit kann zwar möglicherweise nicht mehr die bisherige – sehr gehobene – Lebenshaltung fortgesetzt werden, aber es ist 91 92 Withers LLB, Family News, February 2008. Vgl. dazu Hausheer/Steck (FN 1), 955 f. 10.3.2009 9:12:16 Uhr D a n i e l Tr a c h s e l / M a r g h e r i t a B o r t o l a n i - S l o n g o AJP/PJA 3/2009 318 immer noch ein Standard gewährleistet, der unter dem Gesichtspunkt von Art. 140 ZGB unbenklich ist. In «normalen» oder gar beengten Verhältnissen wird eine Abweichung von den in Art. 125 ZGB normierten Grundsätzen demgegenüber eher auf das Verdikt «offensichtlicher Unangemessenheit» treffen als in luxuriöseren Verhältnissen. 17.3 Dass bei der Beratung auf die teilweise eingeschränkte Bindungswirkung der nachstehenden Bestimmungen, bei welchen es sich naturgemäss oftmals nicht um mehr als rechtlich unverbindliche Absichtserklärungen handeln kann, ausdrücklich (und im Interesse der Vermeidung späterer Haftpflichtansprüche: schriftlich!) hinzuweisen ist, wurde bereits mehrmals betont. 17.4 Formulierungsvorschläge (Die nachstehenden Vorschläge dienen ausschliesslich Informationszwecken; sie enthalten keinerlei Rechtsauskünfte, und die Autoren lehnen jede Haftbarkeit aus diesen ab.) Öffentliche Beurkundung Ehevertrag sowie Vereinbarung über die Folgen einer allfälligen Trennung oder Scheidung zwischen Zustimmung erfolgt nach reiflicher Überlegung und frei von jeder ungebührlichen Beeinflussung durch den anderen Ehegatten. 3. Die Parteien haben sich überdies je einzeln durch rechtskundige Personen ihrer Wahl und ihres Vertrauens über Inhalt, Tragweite und Verbindlichkeit dieser Vereinbarung aufklären lassen. 4. Die Parteien bestätigen, dass ihnen der vorliegende Vertragstext in allen wesentlichen Teilen mindestens drei Wochen vor Unterzeichnung dieser Vereinbarung bzw. vor der Eheschliessung vorlag. Kommentar: Diese Bestimmungen sind vor allem wichtig, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Vertragswerk einem Gericht des angelsächsischen Rechtskreises vorgelegt werden muss. Unabhängig davon wird die Vereinbarung durch spätere Einwendungen einer Partei auch bei einem schweizerischen Gerichtsverfahren weniger gefährdet, wenn die massgebenden unterhalts- und vermögensrechtlichen Bemessungsfaktoren offen gelegt (und allenfalls in einem Annex dokumentiert) werden und sich die Parteien je unabhängig über Inhalt und Tragweite der Vereinbarung aufklären liessen. Mit Blick auf die der Urkundsperson obliegenden Aufklärungspflicht ist stets eine öffentliche Beurkundung zu prüfen, auch wenn dies wegen Fehlens ehe- und/oder erbvertraglicher Bestimmungen nicht notwendig sein sollte. D. Verhältnis der heute eingegangenen Vereinbarung zu von den Parteien früher abgeschlossenen Verträgen (Sofern solche Vereinbarungen existieren, ist zu klären, in welchem Verhältnis sie zur Vorauskonvention stehen.) XX und YY 1. Teil: Absicht der Ehegatten und Feststellungen A. Feststellungen 1. Die Ehegatten haben am ………… in ………… geheiratet. 2. Aus ihrer Ehe sind … Kinder hervorgegangen, nämlich – ……, geb. …………, – ……, geb. ………… 3. Die Ehegatten leben im gemeinsamen Haushalt in …………………… 4. Die Ehegatten leben unter dem Güterstand der ………… Der ausserordentliche Güterstand der Gütertrennung ist nicht eingetreten. B. Absicht In der Absicht und im Bestreben, unter allen Umständen allfällige eheliche Konflikte einvernehmlich zu lösen, vereinbaren die Ehegatten bereits jetzt, was im Falle einer Trennung oder Scheidung ihrer Ehe gelten soll. Sie lassen sich dabei insbesondere von der Erkenntnis leiten, dass negative Auswirkungen eines Scheiterns ihrer Ehe für die aus ihrer Ehe hervorgegangenen Kinder dann am geringsten sind, wenn sich die Eltern über sämtliche Nebenfolgen einer allfälligen Trennung oder Scheidung verständigen und ein strittiges gerichtliches Verfahren vermieden werden kann. C. Gegenseitige Information über die finanziellen Verhältnisse 1. Die Parteien schliessen diese Vereinbarung in Kenntnis der gegebenen finanziellen Bemessungsfaktoren, insbesondere in Kenntnis der beidseits vorhandenen Vermögen und Einkünfte sowie der Lebenshaltungskosten der Familie. 2. Jede Partei hat diesen Vertrag eingehend studiert und ist sich über den Inhalt und dessen Tragweite vollständig im Klaren. Die AJP 03_2009.indb 318 2. Teil: Ehevertragliche Vereinbarungen Kommentar: Der Ehevertrag ist hier der Einfachheit halber in die Vorauskonvention integriert worden. In jedem Fall ist aber unter Berücksichtigung der Überlegungen unter Ziffer 14 zu entscheiden, ob der Ehevertrag und die Vorauskonvention nicht in separaten Dokumenten stipuliert werden sollten. A. Rechtswahl 1. Wir unterstellen unsere güterrechtlichen Verhältnisse im Sinne von Art. 52 f. IPRG dem schweizerischen Recht. Diese Rechtswahl bleibt gemäss Art. 53 Abs. 3 IPRG bestehen, wenn wir unseren Wohnsitz ins Ausland verlegen. 2. Wir sind darauf aufmerksam gemacht worden, dass wir bei einer Verlegung unseres Wohnsitzes ins Ausland selber abklären müssen, ob die vorstehenden Rechtswahlerklärungen und die nachstehenden Vereinbarungen nach Massgabe unseres neuen Wohnsitzrechtes gültig bleibt. B. Gerichtstands- oder Schiedsgerichtsvereinbarung (siehe vorne unter Ziff. 8.2.2) Variante 1 C. Vereinbarung eines neuen Güterstandes 1. Wir heben den bisherigen Güterstand auf und begründen rückwirkend auf den Beginn unserer Ehe als unseren Güterstand die Gütertrennung im Sinne von Art. 247 ff. des schweizerischen Zivilgesetzbuches. Die Gütertrennung bezieht sich auf das gesamte Vermögen beider Ehegatten, einschliesslich des später durch Erbgang, Schenkung usw. anfallenden Vermögens, sowie auf die Einkünfte aus Vermögen und den Erwerb aus Arbeit. Innerhalb der gesetzlichen Schranken verwaltet und nutzt jeder Ehepartner sein Vermögen und verfügt darüber. Jeder Gatte haftet für seine eigenen Schulden. 10.3.2009 9:12:17 Uhr S c h e i d u n g s v e r e i n b a r u n g e n a u f Vo r r a t AJP/PJA 3/2009 319 2. Art. 248 ZGB ist uns bekannt. Danach hat derjenige, der behauptet, ein bestimmter Vermögenswert sei sein Eigentum, dies zu beweisen (beispielsweise mit auf seinen Namen lautenden Rechnungen, Quittungen, Bankbelegen o.ä.). Misslingt der Beweis, so wird von Gesetzes wegen Miteigentum beider Gatten vermutet. 3. Ferner wissen wir, dass als Folge dieses Ehevertrages auf Gütertrennung die Gesetzesbestimmungen des ordentlichen Güterstandes der Errungenschaftsbeteiligung, beispielsweise über den Mehrwertanteil und die gegenseitige hälftige Vorschlagsbeteiligung, für uns nicht anwendbar sein werden. D. Durchführung der güterrechtlichen Auseinandersetzung Kommentar: Diese ist vorzunehmen in den Fällen, da der Vertrag nicht vor der Heirat abgeschlossen wurde oder wenn die Gütertrennung nicht auf den Zeitpunkt der Eheschliessung zurückwirkt. E. Schenkungsversprechen des Ehemannes 1. Für den Fall, dass die Ehe der Parteien durch Scheidung oder Ungültigerklärung aufgelöst wird, erhält die Ehefrau – vollständig unabhängig von den Umständen, die zur Auflösung der Ehe geführt haben – für jedes volle Jahr, welches die Ehe gedauert hat, einen Betrag von CHF …… .–, mindestens jedoch CHF …… .–, maximal jedoch CHF …… .–, zahlbar innerhalb von zwei Arbeitstagen gegen den Nachweis des Eingangs der Bestätigung des anspruchsberechtigten Ehegatten gemäss Art. 111 Abs. 2 ZGB beim Scheidungsgericht, jedenfalls aber vor Eintritt der Rechtskraft des Scheidungsurteils. Kommentar: Vgl. Ziffer 8.1.4 zu den zu beachtenden steuerlichen Aspekten. 2. Die vorstehenden Beträge beruhen auf dem Index der Konsumentenpreise vom … von … Punkten (Basis …… = 100 Punkte) und werden auf den Fälligkeitstermin hin an die Teuerung angepasst. 3. Die Zahlungspflicht des Ehemannes entfällt in denjenigen Kalenderjahren, in denen sein jährliches Nettoeinkommen aus Erwerbstätigkeit und Vermögensertrag gemäss der jeweiligen Steuererklärung den Betrag von CHF …… .– nicht erreicht hat. Dieser Betrag unterliegt der Indexierung gemäss vorstehend Ziff. 2. 4. Die Zahlungspflicht des Ehemannes entfällt zudem ersatzlos, wenn die Ehefrau die Vereinbarung im 3. Teil (mit Ausnahme «Kinderbelange» gemäss lit. B) vor Gericht und nach Ablauf der Bedenkfrist des Art. 111 Abs. 2 ZGB nicht bestätigt, sie anficht oder andere Anträge bezüglich der Gestaltung der Nebenfolgen einer allfälligen Trennung oder Scheidung stellt. Kommentar: Vgl. zur Problematik eines Bedingungsverhältnisses zwischen Vorauskonvention und zusätzlichen Leistungen die Bemerkungen vorne unter Ziffer 14. Variante 2 C. Ehevertragliche Modifikation des ordentlichen Güterstandes Wir behalten den ordentlichen Güterstand der Errungenschaftsbeteiligung im Sinne der Art. 196 ff. ZGB bei, vereinbaren aber die folgenden Modifikationen: 1. Sofern der Güterstand aus einem der in Art. 217 ZGB genannten Gründe aufgelöst wird, behält jeder Ehegatte seinen eigenen Vorschlag. Eine Beteiligung des anderen Ehegatten findet ausdrücklich nicht statt. 2. Sofern unsere Ehe durch den Tod eines Gatten aufgelöst wird, fällt die Gesamtsumme der Vorschläge beider Ehegatten an den überlebenden Ehegatten. AJP 03_2009.indb 319 3. Teil: Vereinbarung über die Gestaltung der Nebenfolgen im Falle einer Trennung oder Scheidung in der Schweiz A. Erfordernis der gerichtlichen Genehmigung dieser Vereinbarung im Falle einer Trennung oder Scheidung in der Schweiz 1. Die Ehegatten werden ihre Vereinbarung betr. Aufhebung des gemeinsamen Haushaltes dem zuständigen Eheschutzrichter zur Vormerknahme bzw. Genehmigung vorlegen. Sofern ein Ehegatte diese Vereinbarung vor Gericht nicht bestätigt, ist der andere berechtigt, eine gerichtliche Regelung der Modalitäten des Getrenntlebens entsprechend dieser Vereinbarung zu beantragen. 2.1 Die Eheleute wissen weiter, dass sie im Falle einer Scheidung ihre Vereinbarung zunächst anlässlich des gerichtlichen Anhörungstermins und anschliessend ein weiteres Mal nach Ablauf der zweimonatigen Bedenkfrist gemäss Art. 111 Abs. 2 ZGB bestätigen müssen. Die Ehegatten sichern sich verbindlich zu, die heute abgeschlossene Vereinbarung, die sie aus freiem Willen getroffen haben und an die sie sich gebunden erklären, in diesem Sinne zu bestätigen. 2.2 Den Parteien ist weiter bekannt, dass ihre Vereinbarung der richterlichen Genehmigung im Sinne von Art. 140 ZGB bedarf, welche das Gericht dann ausspricht, wenn es sich davon überzeugt hat, dass die Vereinbarung klar, vollständig und nicht offensichtlich unangemessen ist. Die Parteien sichern sich weiter zu, dass sie gemeinsam um gerichtliche Genehmigung ihrer Scheidungsvereinbarung im Sinne von Art. 140 ZGB ersuchen werden, falls ein Scheidungsverfahren gestützt auf ein gemeinsames Scheidungsbegehren anhängig gemacht wird. 2.3 Sofern ein Ehegatte entgegen dieser Abmachung die vorliegende Vereinbarung nicht bestätigt, ist der andere Ehegatte berechtigt, eine gerichtliche Regelung der scheidungsrechtlichen Nebenfolgen entsprechend dieser Vereinbarung zu beantragen. Kommentar: Die Parteien sind unmissverständlich darauf hinzuweisen, dass es sich um eine unverbindliche Absichtserklärung handelt. Eine Pflicht, die Vereinbarung zu bestätigen, kann nicht wirksam vereinbart werden. B. Kinderbelange 1. Elterliche Sorge Die Eltern vereinbaren, dass sie das Sorgerecht über ihre gemeinsamen Kinder auch nach der Scheidung gemeinsam ausüben werden. 2. Wohnsitz der Kinder Die Kinder werden bei der Mutter wohnen und dort ihren zivilrechtlichen Wohnsitz haben. 3. Betreuungszeiten Über die Betreuungszeiten werden sich die Ehegatten dannzumal auf einvernehmlicher Basis und unter Rücksichtnahme auf die Interessen und Bedürfnisse sämtlicher Familienmitglieder verständigen. 4. Kinderunterhalt 4.1 Der Vater verpflichtet sich, der Mutter an die Kosten des Unterhalts und der Erziehung je Kind, welches seinen Wohnsitz der Mutter hat, mit Wirkung ab dem ersten Tage desjenigen Monats, in welchem der gemeinsame Haushalt aufgehoben wird, bis zum dem Zeitpunkt, in welchem jedes Kind eine Erstausbildung ordentlicherweise abgeschlossen hat, mithin auch über die Mündigkeit hinaus, einen monatlichen, jeweils auf den Ersten eines jeden Monats zum Voraus zahlbaren und gerichtsüblich indexierten Unterhaltsbeitrag 10.3.2009 9:12:17 Uhr D a n i e l Tr a c h s e l / M a r g h e r i t a B o r t o l a n i - S l o n g o AJP/PJA 3/2009 320 (zuzüglich Kinderzulagen, sondern der Vater solche bezieht) zu bezahlen, der – bei einem Kind 17 %; – bei zwei Kindern 27 %, sowie – bei drei Kindern insgesamt 35 % des vom Ehemann dannzumals erzielten Nettoeinkommens beträgt, maximal je Kind indessen CHF …… .– beträgt. Kommentar: Diese Regelung, die sich an der «Berner Praxis» orientiert und zugleich einen «Cap» vorsieht, dürfte mit Sicherheit genehmigungsfähig sein. 4.2 Darüber hinaus übernimmt der Vater unter vollständiger Entlastung der Mutter sämtliche ausserordentlichen Auslagen für die Kinder (z.B. für Zahnkorrekturen, schulische Fördermassnahmen u.ä.) wie auch sämtliche mit dem Besuch von Privatschulen verbundenen Kosten, sofern er dazu vorgängig seine schriftliche Zustimmung erteilt hat. Wenn und solange ein Kind ein Internat besucht und unter der Woche nicht mehr bei der Mutter lebt, reduziert sich der monatliche Unterhaltsbeitrag gemäss Ziffer 4.1 auf Fr. … .– für dieses Kind. 5. Information der Kinder Die Eltern werden die Gestaltung der zukünftigen Eltern-/Kindbeziehung bei Aufhebung des gemeinsamen Haushaltes mit den Kindern besprechen. 6. Abweichende Regelung und Vereinbarung eines Vermittlungsverfahrens 6.1 Das Recht eines jeden Ehegatten, aus unter dem Gesichtspunkt des Kindeswohles beachtenswerten Gründen eine andere Gestaltung der Kinderbelange zu beantragen, bleibt von dieser Vereinbarung unberührt. Vorbehalten bleibt auch der Fall, dass ein Kind aus beachtenswerten Gründen eine andere Lösung, die dem Kindeswohl entspricht, wünscht. Die Eltern wissen, dass die Gestaltung der Kinderbelange der Untersuchungsmaxime unterliegt und das Gericht im Interesse des Kindeswohls Anordnungen treffen kann, die von der von ihnen getroffenen Vereinbarungen abweichen. 6.2. Die Eltern werden bei allfälligen Schwierigkeiten im Zusammenhang mit den Kinderbelangen im Interesse der Kinder möglichst rasch eine Lösung suchen, und dies gegebenenfalls unter Beizug einer gemeinsam zu bestimmenden Drittperson, die sich über die erforderlichen Fachkenntnisse ausweist. Falls sie sich über die beizuziehende Fachperson nicht verständigen können, wird diese durch …… bestimmt. C. Güterrechtliche Auseinandersetzung 1. Die Parteien unterstehen dem Güterstand der Gütertrennung (vgl. den 2. Teil dieser Vereinbarung). Eine güterrechtliche Auseinandersetzung entfällt damit. 2. Den Hausrat und das Mobiliar werden die Parteien bei Aufhebung des gemeinsamen Haushaltes einvernehmlich aufteilen. D. Scheidungsrechtlicher Vorsorgeausgleich Die von den Ehegatten während der Ehe angesparten Vorsorgeguthaben sind (unter Berücksichtigung allfälliger Vorbezüge für die Finanzierung selbstbewohnten Wohneigentums oder allfälliger Einlagen, die nach dem Recht der Errungenschaftsbeteilung als Eigengut eines Ehegatten zu qualifizieren sind) auf den Zeitpunkt einer allfälligen Scheidung hin zu aktualisieren. Die so festgestellten Austrittsleistungen sind gemäss Art. 122 ZGB zu teilen. E. Nachehelicher Unterhalt Variante 1: Vereinbarung bei einem kinderlosen Brautpaar 1. Sofern ein Ehegatte innerhalb von fünf (5) Jahren nach der Heirat beim zuständigen Richter ein Begehren um Aufhebung des AJP 03_2009.indb 320 gemeinsamen Haushaltes (Trennung) im Sinne von Art. 175 ZGB anhängig macht, verzichten die Parteien beidseitig auf (eheliche) Unterhaltszahlungen im Sinne von Art. 176 Abs. 1 Ziff. 1 in Verbindung mit Art. 163 ZGB für die Dauer des Getrenntlebens. 2. Sofern ein Ehegatte innerhalb von sieben (7) Jahren nach der Heirat beim zuständigen Richter ein Scheidungsbegehren im Sinne von Art. 111 ff. ZGB anhängig macht, verzichten die Parteien beidseitig auf (nacheheliche) Unterhaltszahlungen im Sinne von Art. 125 ZGB. 3. Der beidseitige Verzicht auf ehelichen und nachehelichen Unterhalt gilt indessen nur, sofern 3.1 die Ehe der Parteien kinderlos geblieben ist, und 3.2 die auf Seiten des Ehemannes und der Ehefrau derzeit gegebene vollumfängliche Erwerbsfähigkeit nicht aus schwerwiegenden gesundheitlichen Gründen in erheblichem Ausmasse beeinträchtigt ist. 4. Diese Vereinbarung gilt auch dann, wenn das Trennungs- oder Scheidungsbegehren im Ausland anhängig gemacht wird. Variante 2: Vereinbarung, bei der anstelle einer quantifizierten Unterhaltsregelung eine Verständigung über die Aufgabenteilung und die Lebensentwürfe, insbesondere auch über die Eigenversorgungskapazität, erfolgt Angestrebt wird, dass sich die Partner Klarheit über ihre Lebensentwürfe und die daraus resultierende Aufgabenteilung zu verschaffen. Dies setzt in der Regel eine Auseinandersetzung und Einigung über folgende Gesichtspunkte voraus: 1. Erwerbstätigkeit – Welche beruflichen Ziele hat jeder Ehegatte? – Ist noch einer der Partner in Ausbildung? – Weiterbildung/Wiedereinstieg: Sind bereits Projekte vorhanden? – Ist ein Wechsel zu selbstständiger Erwerbstätigkeit geplant? – Ist aus anderen als Kinderbetreuungsgründen eine Reduktion der Erwerbstätigkeit geplant? Wenn ja, und in welchem Umfang und für wie lange? – Ist ein Wohnortswechsel/Auswanderung absehbar? Wer wird deswegen die Berufstätigkeit zurückstecken/aufgeben? 2. Haushaltstätigkeit: – Wer übernimmt Haushaltsarbeiten in welchem Umfang? – Wird Erwerbstätigkeit wegen Haushaltsarbeit reduziert? Wenn ja, in welchem Umfange und für wie lange? 3. Falls aus der Beziehung Kinder hervorgehen: – Wer übernimmt die Betreuung in welchem Umfang? Wird deswegen Erwerbstätigkeit reduziert? Wenn ja, in welchem Umfange und für wie lange? – Ist eine (Mit-)Betreuung durch Dritte (Au Pair, Nanny etc.) vorgesehen? – Besuchen die Kinder Tagesschulen oder Internate? – Falls ein gänzlicher oder partieller Ausstieg aus der Erwerbstätigkeit beabsichtigt ist: In welchem Alter der Kinder wird ein Wiedereinstieg geplant? 4. Altersvorsorge – Wie erfolgt die Altersvorsorge? – Sind Erbanwartschaften vorhanden? 5. Vorgesehenes Sparverhalten – Welche Auswirkungen ergeben sich daraus für den Lebensstandard? 6. Periodische Überprüfung und Bestätigung insbesondere der Verständigung über Rollenverteilung vorsehen. 10.3.2009 9:12:17 Uhr S c h e i d u n g s v e r e i n b a r u n g e n a u f Vo r r a t AJP/PJA 3/2009 321 Variante 3: Vereinbarung über eine konkrete Unterhaltsregelung bei langer, lebensprägender Ehe: 1. Der Ehemann verpflichtet sich, der Ehefrau im Falle einer Scheidung gestützt auf Art. 125 ZGB (respektive gestützt auf Art. 163 ZGB in Verbindung mit Art. 176 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB im Falle einer Aufhebung des gemeinsamen Haushaltes für die Dauer einer solchen Trennung) die folgenden, gerichtsüblich indexierten Unterhaltsbeiträge zu bezahlen: 1.1. Fr. ………… pro Jahr, zahlbar in 12 monatlichen, gleich hohen Teilbeträgen, jeweils auf den Ersten eines jeden Monates zum Voraus, zahlbar ab dem ersten Tag desjenigen Monates, in dem der eheliche Haushalt aufgehoben wird bis zum letzten Tag desjenigen Monates, in welchem das jüngste gemeinsame Kind der Ehegatten das ………… Altersjahr vollendet hat, 1.2. Danach Fr. ………… pro Jahr, zahlbar in 12 monatlichen, gleich hohen Teilbeträgen, jeweils auf den Ersten eines jeden Monates zum Voraus, bis zum letzten Tag desjenigen Monates, in welchem die Ehefrau das ordentliche Pensionierungsalter erreicht hat. 2. Der Ehemann kann, falls er dies wünscht, nach einer Scheidung zu jedem ihm richtig scheinenden Zeitpunkt in Tilgung sämtlicher periodischer Unterhaltsansprüche gemäss den Ziffern 1.1 und 1.2 der Ehefrau eine einmalige Kapitalabfindung bezahlen. Deren Berechung erfolgt abschliessend anhand der Barwerttafeln von Stauffer/Schaetzle, Zürich 2001, Tafel 48 (Barwert einer Zeitrente), Zinssatz 2.5 %/3.5 % und im Übrigen entsprechend der dannzumals gegebenen Restlaufzeit der Unterhaltsbeiträge. Der so berechnete Betrag wird pauschal um … % reduziert in teilweiser Kompensation der steuerlichen Vorteile, die sich für die Ehefrau aus der Kapitalisierung der Unterhaltsbeiträge ergeben sowie mit Blick auf die auf ihrer Seite gegebene statistische Wiederverheiratungswahrscheinlichkeit, resp. die Wahrscheinlichkeit, eine neue (aussereheliche) Lebenspartnerschaft einzugehen. Kommentar: Wird der Unterhalt in Kapitalform ausgerichtet, fällt er in den meisten Kanton und im Bund unter die einkommensteuerfreien Leistungen; als Korrelat zur Steuerfreiheit kann die Kapitalleistung vom Pflichtigen nicht abgezogen werden. Dies gilt indessen nur, wenn die Kapitalform (wenn auch nur als Eventualmöglichkeit) bereits in der Scheidungsvereinbarung vorgesehen ist (Richner/Frei/Kaufmann/Meuter, Kommentar zum harmonisierten Zürcher Steuergesetz, 2. A., Zürich 2006, § 31 N. 56).Es macht deshalb Sinn, den Parteien diese Option offenzuhalten. 3. Die von den Ehegatten vereinbarte Unterhaltsregelung beruht im Sinne von Art. 143 ZGB auf folgenden Bemessungsfaktoren. 3.1. Der Unterhaltsbeitrag beruht auf dem heute gegebenen einem unterhaltsrechtlich massgebenden jährlichen Nettoeinkommen des Ehemannes von CHF …… .–. Sofern sich im Zeitpunkt der Aufhebung des gemeinsamen Haushaltes die unterhaltsrechtlich massgebenden Einkünfte des Ehemannes um mindestens … % gegenüber dem dieser Vereinbarung zugrunde liegenden Betrag von Fr. ……. reduziert haben sollten (wofür er die Beweislast trägt), wird auf der Basis des dannzumaligen effektiven Einkommens des Ehemannes im Vorjahr der Unterhaltsbeitrag der Ehefrau nach folgender Formel berechnet: Neuer Unterhalts= beitrag bisheriger Beitrag x Einkünfte im Vorjahr CHF … (Referenzeinkommen im Zeitpunkt des Abschlusses der Vorausvereinbarung) Der Unterhaltsbeitrag beträgt jedoch maximal CHF ……… .–, mindestens jedoch CHF ………… .– pro Monat (welche Beträge an die Teuerung angepasst werden). AJP 03_2009.indb 321 3.2. Die Ehefrau erzielt derzeit keine Erwerbseinkünfte. Die Parteien gehen davon aus, dass die Ehefrau spätestens nachdem das jüngste Kind das ………… Lebensjahr vollendet hat, ein jährliches Nettoeinkommen von CHF ………… .– erzielen kann. 3.3 Auf dem auf ihrer Seite vorhandenen Vermögen lässt sich die Ehefrau einen jährlichen Ertrag von .... % anrechnen, der bei der Unterhaltsberechnung im Zeitpunkt der Trennung/Scheidung von den Unterhaltsbeiträgen gemäss Ziffer 1.1. und 1.2. in Abzug zu bringen ist. 3.4. Die Ehegatten gehen von folgendem gebührenden Unterhalt der Ehefrau gemäss Art. 125 ZGB (ohne Lebenshaltungskosten der Kinder, die aus den Kinderunterhaltsbeiträgen beglichen werden) aus: Wohnkosten CHF Ernährung zu Hause, Einladungen und Getränke CHF Mobilität CHF Kleider, Schuhe, Accessoires CHF Ferien CHF Freizeit, Kultur, Bücher, etc. CHF Coiffeur, Kosmetika CHF Drogerie, chem. Reinigung, Kleinanschaffungen für Haushalt CHF Kommunikation CHF Gesundheit, Zahnarzt, Optik CHF Zwischentotal CHF Steuern (approximativ) CHF Total CHF 3.5 Die Ehefrau verzichtet auf höhere Unterhaltsbeiträge auch dann, wenn ihre Lebenshaltungskosten in der einer Trennung oder Scheidung unmittelbar vorhergehenden Phase des gemeinsamen Haushaltes höher als hier dargestellt gewesen sein sollten. Variante 4: Vereinbarung, mit Tilgung sämtlicher Unterhaltsansprüche durch ein einmalige Kapitalzahlung In vollständiger und abschliessender Tilgung sämtlicher Unterhaltsansprüche der Ehefrau gemäss Art. 163 und Art. 125 ZGB (insbesondere auch in Tilgung des Vorsorgeunterhaltes gemäss Art. 125 Abs. 1 ZGB) bezahlt der Ehemann der Ehefrau eine einmalige Kapitalabfindung von – CHF …… wenn der gemeinsame Haushalt weniger als fünf Jahre gedauert hat; – CHF …… wenn der gemeinsame Haushalt weniger als zehn Jahre gedauert hat; – CHF …… wenn der gemeinsame Haushalt weniger als zwanzig Jahre gedauert hat; – CHF …… wenn der gemeinsame Haushalt nach Eintritt der Ehefrau ins ordentliche Pensionierungsalter aufgehoben wird; zahlbar innerhalb von dreissig Tagen nach Eintritt der Rechtskraft des Scheidungsurteils. Unterhaltszahlungen, die der Ehemann ab Aufhebung des gemeinsamen Haushaltes bis zum Eintritt der Rechtskraft des Scheidungsurteils erbringt, erfolgen à conto der oben vereinbarten Kapitalzahlung. Die vorstehenden Kapitalzahlungen beruhen auf dem Index der Konsumentenpreise vom …… von ……… Punkten (Basis ……… = 100 Punkte) und werden auf den Fälligkeitstermin hin an die Teuerung angepasst. 10.3.2009 9:12:18 Uhr D a n i e l Tr a c h s e l / M a r g h e r i t a B o r t o l a n i - S l o n g o AJP/PJA 3/2009 322 F. Vereinbarungen im Hinblick auf das gerichtliche Verfahren 1. Der Ehemann übernimmt die Gerichtskosten eines allfälligen Eheschutz- oder Scheidungsverfahrens, in welchem die Parteien gemeinsam um Genehmigung dieser Vereinbarung ersuchen. Die Ehegatten verzichten diesfalls beidseits auf Umtriebs- und Prozessentschädigung. 2. Die Ehegatten sind sich ausdrücklich einig darüber, dass die getroffenen Vereinbarungen (mit Ausnahme von lit. B «Kinderbelange») eine Einheit darstellen und deshalb nur insgesamt bestätigt oder verworfen werden können. G. Schlussbestimmungen 1. Diese zum Voraus abgeschlossene Trennungs- und Scheidungsvereinbarung umfasst und regelt sämtliche gegenseitigen Ansprüche bezüglich Unterhalt, Altersvorsorge und Güterrecht gemäss schweizerischem Recht, welchem eine allfällige Scheidung oder Trennung unterstehen wird. Sie umfasst und regelt abschliessend auch sämtliche weiteren Ansprüche, die nach dem Recht anderer Länder, welches allenfalls zur Anwendung gelangen könnte, existieren. 2. Mit der Erfüllung dieser Scheidungsvereinbarung erklären sich beide Ehegatten als per Saldo aller gegenseitigen Ansprüche aus – Ehe-, – Scheidungs-, – Vermögens- und Güterrecht sowie – Vorsorgerecht auseinandergesetzt. Demzufolge behält jede Partei mit Aktiven und Passiven zu Alleineigentum, was sie gegenwärtig besitzt bzw. was auf ihren Namen lautet. Keine Partei hat nach Vollzug dieser Vereinbarung von der anderen noch etwas zu fordern. 3. Die Parteien beabsichtigen eine Mediation durchzuführen, falls – Meinungsverschiedenheiten im Zusammenhang mit dieser Vereinbarung entstehen, – die Notwendigkeit entsteht, diese Vereinbarung veränderten Verhältnissen anzupassen, und wenn sie sich darüber nicht einigen können. Sofern sich die Parteien über den/die MediatorIn nicht einig sind, wird diese(r) durch den Präsidenten des kantonalen Anwaltsverbandes, bei Verhinderung desselben durch den Präsidenten des Obergerichtes des Kantons Zürich, bestimmt. Ort / Datum: (die Ehefrau) AJP 03_2009.indb 322 (der Ehemann) Dans l’activité de conseil quotidienne, on constate de plus en plus le besoin de régler à l’avance par contrat les conséquences économiques d’un éventuel divorce. Cet article tente – sous forme d’indications de deux praticiens à des praticiennes – de livrer des instructions concrètes pour agir et des propositions pour formuler de telles «conventions de divorce en réserve» en se basant sur la littérature récente et la doctrine dominante tout en tenant compte des aspects correspondants du droit international privé et de la procédure civile. Bien que le droit suisse révèle d’importantes difficultés en matière de planification du divorce – d’une part, la confirmation par les deux époux dans le cadre de l’art. 111 al. 2 CC et d’autre part, la ratification par le juge selon l’art. 140 CC – il est judicieux d'examiner les questions réglées préalablement par une approche différenciée pour déterminer s’il s'agit d’effets accessoires du divorce (soumis à l’exigence de confirmation et de ratification) ou d’autres actes juridiques entraînant un lien contractuel (sans exigence de ratification). Le résultat de cette recherche montre qu’il n’y a que peu de marge pour des conventions de divorce convenues préalablement avec effet obligatoire. (trad. LT LAWTANK, Fribourg) 10.3.2009 9:12:18 Uhr O f f e n l e g u n g v o n M a n a g e m e n t - Tr a n s a k t i o n e n i m e u r o p ä i s c h e n U m f e l d AJP/PJA 3/2009 Offenlegung von Management-Transaktionen im europäischen Umfeld URS FELLER Dr. iur., Rechtsanwalt, Solicitor (England & Wales), Zürich Inhaltsübersicht I. II. III. IV. Zur Verlegung des Aktienhandels von London nach Zürich Weshalb Offenlegung von Management-Transaktionen? Anwendbare Regeln Inhalt der Regeln A. Grundsätzliches B. Betroffene Führungspersonen C. Verbundene Personen D. On Own Account E. Transaktionen F. Details zum Inhalt und zum Verfahren der Offenlegung V. Durchsetzung der Regeln im Vereinigten Königreich I. Zur Verlegung des Aktienhandels von London nach Zürich Verschiedene SMI- bzw. SLI-Emittenten, deren Aktien an der SWX Europe gehandelt werden, unterliegen auch den europäischen Offenlegungsregeln. Nachdem für die meisten Emittenten das Vereinigte Königreich der sogenannte Home Member State ist, sind die Marktmissbrauchsrichtlinie («MAD») und deren Umsetzung im Vereinigten Königreich massgebend. Nachstehend werden die aktuellen Regeln im Vereinigten Königreich vor dem Hintergrund dargelegt, dass die SIX den Handel in SMI- und SLI-Titeln Mitte 2009 von London zurück nach Zürich verlegen wird. 1. Der kürzlich angekündigte Rückzug des Handels aus London erfolgt – so die Schweizer Börse – aus Kostengründen und um sicherzustellen, dass die Emittenten nur noch die Regeln der SIX und nicht mehr die Vorgaben von Grossbritannien bzw. der EU einzuhalten haben. Dies überrascht. Zunächst ist zu erwähnen, dass die SIX ihre Regeln in den AJP 03_2009.indb 323 323 letzten Jahren bereits weitgehend den europäischen Normen angepasst hat. Dank der kontinuierlichen Anpassung an das regulatorische Umfeld in Europa in der Vergangenheit erfüllen etliche schweizerische Emittenten heute die Anforderungen, um auf einem geregelten Markt europäischen Zuschnitts zu bestehen. Für einige Schweizer Emittenten wird der Rückzug auch deshalb wenig verändern, weil sie nebst der Kotierung an der SIX auch noch auf einer europäischen Börse zugelassen sind und damit ohnehin unter die entsprechende europäische Regelung fallen. 2. Unbestrittenermassen bestehen aber dennoch gewisse Unterschiede, der wohl grösste besteht im Zusammenhang mit der Offenlegung von Management-Transaktionen1. Die europäischen Regeln sind in diesem Bereich umfassender als die schweizerischen. Die weniger strenge Regelung in der Schweiz erscheint aus Sicht der SIX als Hauptvorteil für die Emittenten; darauf ist näher einzugehen. 3. Im Folgenden werden vorerst einige Überlegungen zu den potentiellen Nachteilen für den Finanzplatz Schweiz bzw. die Emittenten erläutert. Anschliessend wird dargelegt, weshalb die Offenlegung von Management-Transaktionen als wichtiges Element eines reifen Kapitalmarkts erachtet wird und schliesslich, inwiefern die Regeln im Vereinigten Königreich über die Bestimmungen in der Schweiz hinausgehen. 4. Für den einzelnen Emittenten können sich die potentiellen Nachteile ganz unterschiedlich präsentieren. Was für den einen wünschenswert ist, ist für einen anderen unwesentlich oder gar eine Last. Ohne einen spezifischen Fokus einzunehmen, ergeben sich zumindest folgende Überlegungen mit mehr oder weniger Allgemeingültigkeit. 5. Aus der Sicht des schweizerischen Finanzplatzes ist es schwierig zu begründen, weshalb betreffend Transparenz und Offenlegung im gesamten europäischen Umfeld strengere Regeln gelten sollen als in der Schweiz. Es erscheint merkwürdig, dass in der Schweiz für die Blue Chips geringere Standards als beispielsweise in den neuen EU-Ländern wie Rumänien oder Bulgarien als genügend erachtet werden. Verschiedene Ereignisse in der Vergangenheit lassen annehmen, dass eine Verminderung der Transparenz oder ein Zurückstehen hinter diesbezüglichen Entwicklungen sich für 1 Zu weiteren Unterschieden zwischen der schweizerischen Regelung und der Praxis im Vereinigten Königreich siehe Urs Feller, Relevanz der EU-Finanzmarktrichtlinien für Schweizer Unternehmen, deren Aktien an der SWX Europe gehandelt werden, in: Jusletter 19. Mai 2008; Stefan R. Sulzer, Insiderverzeichnisse, in: Thomas U. Reutter/Thomas Werlen (Hrsg.), Kapitalmarkttransaktionen III, Zürich 2008, 153 ff. 10.3.2009 9:12:18 Uhr Urs Feller AJP/PJA 3/2009 324 einen Finanzplatz kaum als vorteilhaft erweisen2. Transparenz im Bereich von Management-Transaktionen ist deshalb genügend Aufmerksamkeit zu schenken. 6. Aus Sicht der einzelnen Emittenten ist zu erwähnen, dass offen ist, ob die schweizerischen Emittenten ohne weiteres auf die Vorteile der Zulassung auf einem geregelten Markt der EU verzichten möchten. So erlaubt ein von der FSA (oder einer anderen europäischen Aufsichtsbehörde) genehmigter Prospekt den Vertrieb von Aktien in ganz Europa. Zweitens bestehen Anzeichen dafür, dass wichtige Investoren wie beispielsweise ausländische Pensionskassen in ihren Investments in Aktien, die nicht auf einem geregelten Markt der EU zugelassen sind, beschränkt sind. Drittens ist nicht auszuschliessen, dass sich aufgrund geringerer Liquidität die Kapitalkosten für die Emittenten verteuern. Viertens gilt die Zulassung zu einem geregelten Markt der EU als Gütesiegel betreffend die Einhaltung von anerkannten Standards guter Unternehmensführung in Europa. Insbesondere diejenigen Emittenten, deren Aktien heute auf einem geregelten Markt der EU gehandelt werden und die eine gewisse Erfahrung im Umgang mit den europäischen Normen gesammelt haben, werden prüfen wollen, ob mit dem Rückzug der SIX aus der europäischen Plattform ihren langfristigen Interessen gedient ist. 7. Je nach Konstellation für den einzelnen Emittenten ist offen, ob die Vorteile oder die Nachteile des Rückzugs überwiegen. Anderseits sichert sich die SIX mit der Konzentration in der Schweiz ein grösseres Mass an operativer Freiheit. II. Weshalb Offenlegung von Management-Transaktionen? 1. Was sind die Gründe, welche die EU bewegt haben, ein vergleichsweise strenges Offenlegungsregime zu implementieren? Mit dem Erlass der Marktmissbrauchsrichtlinie3 («MAD») soll nach Auffassung der Mitgliedstaaten der Marktmissbrauch verhindert und parallel dazu der Insiderhandel auf allen regulierten Märkten der EU so weit wie möglich unterbunden werden. Die früher vorhandenen gesetzlichen Regeln der einzelnen Mitgliedstaaten zur Gewährleistung der Marktintegrität erschienen als verzettelt, basierten auf unterschiedlichen Definitionen und Konzepten und boten nur ungenügenden Schutz4. Die Gewährleistung der Integrität der Finanzmärkte einerseits und die Verbesserung 2 3 4 Christoph B. Bühler unter Mitarbeit von Conradin Cramer, Gesellschaftsrechtliche Governance, Offenlegung von Management-Transaktionen: Neue Leitplanken und Bodenwellen auf der Corporate-Governance-Schnellstrasse, in: Ernst A. Kramer/ Peter Nobel/Robert Waldburger (Hrsg.), Festschrift für Peter Böckli zum 70. Geburtstag, Zürich 2006, 497 ff., 517 f. 2003/6/EC. 2003/6/EC, Einleitung, para. 11. AJP 03_2009.indb 324 des Vertrauens der Investoren in diese Märkte sind die primären Ziele, denen die MAD dienen soll5. Dies wird erreicht durch die umgehende Offenlegung von «inside information» (Art. 6 Ziff. 1 MAD), die Führung von Insiderlisten (Art. 6 Ziff. 3 MAD) und die Offenlegung von Management-Transaktionen (Art. 6 Ziff. 4 MAD). Gemäss Ziffer 7 der Einleitung der MAD implementierenden Richtlinie6 besteht der Zweck der Offenlegung von Management-Transaktionen in der Überzeugung, dass diese Information für Marktteilnehmer wertvoll ist und es zusätzlich der Aufsichtsbehörde erlaubt, den Finanzmarkt besser zu überwachen. 2. Das erste Argument für die Offenlegung basiert auf der Theorie des effizienten Marktes, wonach unternehmensrelevante Informationen möglichst frei und allen in gleicher Weise zugänglich sein sollen. Ökonomische Studien zeigen, dass Führungspersonen mit ihren Transaktionen in Aktien des Emittenten wiederholt höhere Renditen erwirtschaften konnten, als dies die Markttheorie erlauben würde7. Anders gesagt verfügen Führungspersonen (wenig überraschend) über Wissen, das ihnen erlaubt, grössere Gewinne zu erwirtschaften als Marktteilnehmer ohne dieses zusätzliche Wissen. Die Offenlegung dieser Transaktionen bezweckt also, dass die übrigen Marktteilnehmer möglichst über gleiche Voraussetzungen verfügen und zumindest indirekt am Wissen der Führungspersonen teilhaben können. 3. Zur Gewährleistung grösstmöglicher Effizienz eines Markts ist somit u.a. die Offenlegung von ManagementTransaktionen erforderlich. Wenn sich bei Investoren der Eindruck bestätigt, dass andere Marktteilnehmer regelmässig über mehr Informationen verfügen bzw. der Zugang zu diesen Informationen nicht in gleicher Weise offen steht (Informationsasymmetrien), bleiben sie am Ende dem Markt fern8. Damit aber werden die Kosten für die Aufnahme von Kapital verteuert. Die Märkte gelten deshalb dort als besonders effizient und liquide, wo strenge Offenlegungs- und Insidernormen durchgesetzt werden9. 5 6 7 8 9 2003/6/EC, Einleitung, para. 12. 2004/72/EC. Nejat Seyhun (Chair of Finance und Professor der University of Michigan Business School) kommt in seiner breiten Untersuchung unter anderem zum Schluss, dass (i) Aktienkurse nach Käufen durch das Management zum Steigen tendieren und den Markt um 4.5 % übertreffen, (ii) Käufe durch das Management in den meisten Jahren profitabel sind, (iii) Management-Transaktionen typischerweise nicht auf die Veröffentlichung von ad-hoc-Meldungen ausgerichtet sind, sondern auf die Langzeiterwartungen des Managements, und (iv) die Signale von Management-Transaktionen besonders stark sind, wenn das Management in den letzten 12 Monaten keine gegenteiligen Transaktionen getätigt hat (H. Nejat Seyhun, Investment Intelligence from Insider Trading, MIT Press, 1998, 63 ff.) Jonathan Marsh/Brian McDonnell, A Practitioner’s Guide to Inside Information: Managing the legal and regulatory risks, Surrey 2006, 2. Marsh/Mc Donnell (FN 8), 2. 10.3.2009 9:12:19 Uhr O f f e n l e g u n g v o n M a n a g e m e n t - Tr a n s a k t i o n e n i m e u r o p ä i s c h e n U m f e l d AJP/PJA 3/2009 325 4. Als zweites Argument wird ausgeführt, dass die Arbeit der Aufsichtsbehörde vereinfacht werden soll10. Setzt ein Emittent beispielsweise eine Ad-hoc-Meldung ab, die zu einer erheblichen Preisänderung der Wertpapiere führt, dann erleichtert es die Durchsetzung des Verbots des Insiderhandels massgeblich, wenn Insider ihre Transaktionen bereits offengelegt haben. Mit der geltenden Regelung kann ein Computerprogramm die Überprüfung vornehmen, ob und von wem im Zeitraum vor einer Ad-hoc-Meldung Transaktionen vorgenommen wurden. 5. Zusätzlich zu den vorerwähnten Punkten ist der Aspekt der Reputation zu erwähnen. Das Ausnützen von Insiderwissen zum persönlichen Vorteil von Führungspersonen kann zu schwerwiegenden Reputationsschäden sowohl der betreffenden Führungsperson als auch des Emittenten führen. Die Bemühungen des schweizerischen Gesetzgebers in diesem Zusammenhang zeigen sich unter anderem in der Revision der Insiderstrafnorm (Art. 161 StGB). Die Insiderstrafnorm stellt das Ausnützen vertraulicher kursrelevanter Informationen unter Strafe. Bis anhin war der Begriff der vertraulichen kursrelevanten Tatsache auf eine bevorstehende Emission neuer Beteiligungsrechte, auf eine Unternehmensverbindung oder auf ähnliche Sachverhalte von vergleichbarer Tragweite beschränkt. Mit der ersatzlosen Streichung der Ziffer 3 des Artikels 161 StGB wird diese Einschränkung aufgehoben. Damit wird das Verbot des Ausnützens vertraulicher Tatsachen auf praktisch alle kursrelevanten Tatsachen (einschliesslich Gewinnwarnungen) ausgedehnt. Die revidierte Vorschrift wurde per 1. Oktober 2008 in Kraft gesetzt11. III. Anwendbare Regeln 1. Für schweizerische Emittenten, deren Aktien an der SWX Europe Ltd. (früher virt-x, nachfolgend «SWX Europe») gehandelt werden, sind die europäischen Offenlegungsregeln dann von Bedeutung, wenn diese Emittenten von der Ausnahmebestimmung gemäss Art. 9 Abs. 3 der MAD keinen Gebrauch machen können12. Alle am 1. Juli 2005 an der SWX kotierten und bereits zum Handel auf der SWX Europe zugelassenen Beteiligungsrechte wurden dem sog. EU-kompatiblen Segment der SWX zugewiesen, sofern der Emittent 10 11 12 2004/72/EC, Einleitung, para. 7. Auch der SIX scheint dies ein Anliegen zu sein, wird doch am Monatsende pro meldepflichtige Person eine Meldung für diejenigen Transaktionen erwartet, die unterhalb des Schwellenwerts von CHF 100 000 getätigt wurden. Die entsprechenden Transaktionen, die den Schwellenwert von CHF 100 000 pro Kalendermonat nicht überschreiten, werden allerdings nicht veröffentlicht; siehe http://www. six-swiss-exchange.com/admission/being_public/management_transactions_de.html. AS 2008, 4501 f. Vgl. im Detail: Feller (FN 1) Rz. 1 ff. und Sulzer (FN 1), 165 f. AJP 03_2009.indb 325 nicht eine besondere Erklärung abgab, ins UK Exchange Regulated Market Segment wechseln zu wollen13. Die Mehrheit der Emittenten gab keine solche Erklärung ab und wurde daraufhin dem EU-kompatiblen Segment zugeteilt14. Nach bereits früher dargelegter Auffassung dürfte eine nicht geringe Anzahl von Emittenten des EU-kompatiblen Segments den Normen des europäischen Offenlegungsrechts unterstehen15 und weil für die meisten Emittenten das Vereinigte Königreich der sog. «Home Member State» ist16, werden nachstehend die diesbezüglichen Pflichten der Emittenten und ihrer Führungskräfte unter den anwendbaren Normen des Vereinigten Königreichs näher dargestellt. 2. Die Umsetzung der MAD-Bestimmungen im Vereinigten Königreich erfolgte vorab in den Disclosure and Transparency Rules («DTR») der Financial Services Authority («FSA») gestützt auf die Ermächtigung in Section 96A und 96B der Financial Services and Markets Act («FSMA»). Das dritte Kapitel der DTR, zugleich das kürzeste, befasst sich ausschliesslich mit der Offenlegung von ManagementTransaktionen und implementiert Art. 6 Abs. 4 der MAD17. 3. Vorab ist auf eine Besonderheit hinzuweisen: Art. 9 Abs. 3 der MAD gewährt unter bestimmten Voraussetzungen eine Ausnahme von den an die Emittenten gerichteten Verpflichtungen wie die Offenlegung von «inside information» und das Führen von Insiderlisten. Die Ausnahmeklausel verweist in ihrem Wortlaut allerdings nur auf Artikel 6 Abs. 1 – Abs. 3 der MAD, Art. 6 Abs. 4 der MAD wird nicht erwähnt. Dies wirft die Frage auf, ob die Verpflichtungen gemäss Art. 6 Abs. 4 MAD (also die Offenlegung der Management-Transaktionen) nicht ohnehin anwendbar sind, unabhängig davon, ob ein Emittent für sich die Ausnahmebestimmung von Art. 9 Abs. 3 MAD in Anspruch nehmen kann. 4. Eine Analyse der einschlägigen Umsetzungsbestimmungen lässt aber den Schluss zu, dass auch die Offenlegung der Management-Transaktionen von der Ausnahmebestimmung erfasst wird. Die Anwendbarkeit des Kapitels 3 der DTR umfasst ausländische Unternehmen, für die das Vereinigte Königreich der Home Member State unter den Bestimmungen der EU Prospektrichtlinie ist18. Der FSA Glossar definiert einen «issuer» für die Zwecke von Kapitel 1–3 der DTR allerdings als einen Emittenten, dessen Aktien zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind oder der eine entsprechende Zulassung beantragt hat und schliesst damit Emittenten aus, welche dem Handel ihrer Aktien auf einem 13 14 15 16 17 18 Art. 38 des Zusatzreglements für die Kotierung im EU-kompatiblen Segment der SWX. Siehe http://www.swx.com/admission/listing/equity_market/ eu_compatible/issuer_list_de.html. Feller (FN 1), Rz. 19 ff. Art. 23 und Art. 30 Ziff. 2 des Zusatzreglements für die Kotierung im EU-kompatiblen Segment der SWX. Siehe http://fsahandbook.info/FSA/html/handbook/DTR/3/1. Siehe DTR 1.1.1(4) und dazu List! 11, Sept. 2005, 10. 10.3.2009 9:12:19 Uhr Urs Feller AJP/PJA 3/2009 326 geregelten Markt weder verlangt noch ihm zugestimmt haben19. Diese analoge Formulierung, die möglicherweise Art. 9 Abs. 3 MAD entlehnt ist, ermöglicht den Emittenten auch die Management-Transaktionen analog zu den Verpflichtungen im Zusammenhang mit der Ad-hoc-Publizität bzw. der Führung von Insiderlisten zu behandeln. Es macht durchaus Sinn, dass Emittenten, welche keine Pflicht trifft, «inside information» gemäss den Regeln der DTR offenzulegen, auch von der Mitteilungspflicht von Management-Transaktionen ausgenommen sind. Solange sich Emittenten auf die Ausnahmebestimmung von Art. 9 Abs. 3 MAD berufen können, weil sie den Handel ihrer Aktien auf einem geregelten Markt weder verlangt noch ihm zugestimmt haben, spricht nichts dagegen, gestützt auf die Definition von «issuer» im Glossary dieselbe Ausnahme mit Bezug auf die Offenlegung von ManagementTransaktionen in Anspruch zu nehmen20. 5. Durch DTR 3.1.8 wird der Anwendungsbereich des Kapitels 3 auf Emittenten ausgeweitet, für welche das Vereinigte Königreich nicht der Home Member State ist21. Entsprechend gilt die Offenlegungspflicht von Management-Transaktionen im Vereinigten Königreich beispielsweise auch für die UBS AG, obwohl die UBS AG Deutschland als Home Member State gewählt hat. IV. Inhalt der Regeln A. Grundsätzliches 1. DTR 3.1.3 verlangt, dass Führungskräfte und mit ihnen verbundene Personen alle Transaktionen in Aktien des Emittenten oder in Finanzinstrumenten, die die Aktien betreffen, innert vier Geschäftstagen dem Emittenten gegenüber zu melden haben. DTR 3.1.4 wiederum verlangt vom Emittenten diese Meldungen umgehend (spätestens aber am folgenden Geschäftstag nach Eintreffen der Meldung) via ein Regulatory Information Service22 («RIS») der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Nachfolgend werden die Einzelheiten dieser Regelung, insbesondere die angesprochenen Personen, der Handel «on own account», die Art der Transaktionen und das Verfahren der Offenlegung dargelegt. 19 20 21 22 http://fsahandbook.info/FSA/glossary-html/handbook/Glossary/I?definition=G627; das gleiche ergibt sich auch aus der Definition des PDMR im FSA Glossar. Die DTR Definition basiert auf der Ermächtigung in FSMA 96A(1)(c). Allerdings dürften nach hier vertretener Auffassung nur wenige Emittenten, deren Aktien im EU-kompatiblen Segment gehandelt werden, nach wie vor unter die Ausnahmebestimmung von Art. 9 Abs. 3 MAD fallen; vgl. vorne III.1. List! 11 Sept. 2005, 10 f. Derzeit gibt es acht verschiedene Provider, welche über die Zulassung der FSA verfügen, «regulatory information» zu verbreiten, vgl. http://www.fsa.gov.uk/pages/Doing/UKLA/RIS/ Contact/index.shtml. AJP 03_2009.indb 326 B. Betroffene Führungspersonen 1. Zur Umschreibung der betroffenen Führungspersonen verwenden sowohl die MAD als auch die DTR den Begriff der «Persons Discharging Managerial Responsibilities» («PDMR»). Art. 96B FSMA definiert PDMR a) als Verwaltungsräte eines Emittenten und b) als jene hochrangigen Manager («senior executives»), die regelmässig Zugang zu «inside information» haben, die den Emittenten betrifft23 und die befugt sind, Managemententscheidungen zu treffen, die die zukünftige Entwicklung und die Geschäftsaussichten des Emittenten beeinflussen24. 2. Mit dieser umständlichen Definition soll sichergestellt werden, dass nur solche Topmanager unter die Offenlegungspflicht fallen, deren Transaktionen für andere Investoren einen Informationswert haben. Es wird allerdings davon ausgegangen, dass (neben den Verwaltungsräten) zumindest diejenigen Führungskräfte, die in einem Executive Committee tätig sind, davon erfasst werden25. Wer nur Informationen aufbereitet und analysiert fällt nicht unter den Begriff des PDMR, wenn er nicht selber an der Entscheidfindung des Emittenten beteiligt ist26. Entsprechend dürfte der Legal Counsel nur selten ein PDMR sein27. Ferner können auch Manager, die nicht Angestellte des Emittenten sondern einer anderen Gruppengesellschaft sind, als PDMR qualifizieren, sofern die anderen Voraussetzungen erfüllt sind28. Es obliegt dem Emittenten und den entsprechenden Führungskräften zu bestimmen, welche Führungspersonen im Unternehmen die Kriterien erfüllen und als PDMR qualifizieren. Es gibt auch keine Maximalzahl an PDMR, sondern die Anzahl PDMR bestimmt sich je nach Unternehmen unterschiedlich29. Selbstverständlich ist, dass jeder PDMR auf den einschlägigen Insiderlisten erscheint30. C. Verbundene Personen 1. Die Offenlegungspflicht betrifft nicht nur PDMR, sondern auch mit ihnen verbundene Personen (sog. «connected persons»). 23 24 25 26 27 28 29 30 Mit dieser Einschränkung werden Manager von Investmentabteilungen der Banken von der Definition ausgenommen, die durch ihre Arbeit regelmässig Zugang zu «inside information» haben, die aber in der Regel andere Emittenten betreffen und nicht die Bank, für die sie arbeiten. Die entsprechende Definition findet sich auch im Glossary der FSA unter dem Stichwort «person discharging managerial responsibilities»: http://fsahandbook.info/FSA/glossary-html/handbook/Glossary/P?definition=G1689. Market Watch, Issue 12, June 2005, 8. List! 16, July 2007, 15. List! 16, July 2007, 15. Market Watch, Issue 12, June 2005, 9. List! 16, July 2007, 16. Marsh/McDonnell (FN 8), 93. Betreffend die Führung von Insiderlisten wird auf die umfassende Darstellung von Stefan R. Sulzer (FN 1), 153 ff. verwiesen. 10.3.2009 9:12:19 Uhr O f f e n l e g u n g v o n M a n a g e m e n t - Tr a n s a k t i o n e n i m e u r o p ä i s c h e n U m f e l d AJP/PJA 3/2009 327 2. Art. 96B (2) FSMA bezeichnet hiefür drei Gruppen von Personen: 2.1. Zunächst wird auf die Definition in sec. 346 des Companies Act 1985 verwiesen, wonach folgende Personen als mit dem PDMR verbunden erachtet werden: der Ehepartner31, Kinder32 und Stiefkinder unter 18 Jahren33, Gesellschaften, bei denen PDMR oder dessen Ehepartner, Kind oder Stiefkind 20 % des Aktienkapitals beherrschen34, und Trustees von Trusts, in welchen PDMR oder dessen Ehepartner, Kind oder Stiefkind Begünstigte oder potentiell Begünstigte sind35. 2.2. Zweitens fallen unter die Gruppe der verbundenen Personen auch Verwandte von PDMR, die zum Zeitpunkt der Transaktion seit mindestens 12 Monaten mit dem PDMR im gleichen Haushalt wohnen36. 2.3. Schliesslich werden auch Gesellschaften vom Begriff der verbundenen Person erfasst, in welchen ein PDMR oder eine mit dem PDMR verbundene Person (gemäss den vorstehenden ersten beiden Personengruppen), Verwaltungsrat ist oder eine Managementposition innehat, die es ihm erlaubt, Managemententscheidungen zu treffen, welche die zukünftige Entwicklung und die Geschäftsaussichten der Gesellschaft beeinflussen37. 3. Nachdem die Offenlegungspflicht auch eine persönliche Pflicht der verbundenen Personen (mit entsprechenden Sanktionsmöglichkeiten) ist, erscheint eine Information der betreffenden Personen über ihre Pflichten als dringend angezeigt. Diese Information kann durch den PDMR oder den Emittenten vorgenommen werden. 31 32 33 34 35 36 37 Einschliesslich des Partners gemäss dem Civil Partnership Act 2004. Nicht geklärt ist, wie eingetragene Partner aus anderen Jurisdiktionen behandelt würden. Meines Erachtens sprechen gute Gründe für die Annahme, dass beispielsweise eine eingetragene Partnerschaft nach Schweizer Recht unter den Anwendungsbereich von DTR 3 fällt. Das britische Parlament hat auch illegitime Kinder ausdrücklich eingeschlossen, Companies Act 1985 section 346 para. 3(a). Diskutiert wurde, ob die erweiterte Definition von «connected person» aus dem neuen Companies Act 2006, welche auch Kinder über 18 Jahre und Eltern, Geschwister, etc. umfasst, auch für DTR 3 gelte. Die Definition der FSA verwies 2007 kurzfristig auf den neuen Companies Act 2006, wechselte dann aber wieder zurück zur engeren Definition gemäss Companies Act 1985. Siehe auch FSMA section 96B. Entsprechend zu verstehen sind die Ausführungen von Stephen Mathews betreffend dem Companies Act 2006 in Stephen Mathews, Continuing Obligations, in: Maurice Button (ed.), A Practitioner’s Guide to The Financial Services Authority Listing Regime 2008/2009, London 2008, 196. Für die zahlreichen Details siehe Companies Act 1985 section 346. Ob und inwieweit diese Regeln im Zusammenhang mit den Anwartschaften von PDMR gegenüber Stiftungen der beruflichen Vorsorge beachtlich sein können, wird in D.2. dargelegt. Art. 96B (2) FSMA. Art. 96B (2) FSMA. AJP 03_2009.indb 327 D. On Own Account 1. Der Meldepflicht unterliegen lediglich Transaktionen, die «on own account» gemacht werden. Gemäss der Auffassung der FSA erfolgt eine Transaktion «on own account», wenn sie das Ergebnis einer Handlung des PDMR ist (z.B. in dessen Auftrag) oder anderweitig mit seiner Zustimmung erfolgte, wenn die Vorteile der Transaktion hauptsächlich beim PDMR anfallen und diese eine wesentliche Auswirkung auf die Beteiligung des PDMR am Emittenten hat38. Nach Auffassung der FSA gibt es allerdings keine abschliessende Definition des Begriffs «on own account», weshalb bei jeder Transaktion zu überprüfen ist, ob die Qualifikation erfüllt ist39. 2. Für den Fall von Transaktionen mit vorsorgerechtlichem Hintergrund, etwa im Zusammenhang mit Mitarbeiterbeteiligungsplänen (scheme administered by an «employee benefit trust») gilt, dass Transaktionen eines solchen Trusts dann nicht offenzulegen sind, wenn der Trust für alle Berechtigten handelt40. Anders wäre zu entscheiden, wenn Transaktionen auf einen Auftrag eines PDMR zurückgeführt werden können – beispielsweise der Verkauf von Aktien beim Austritt der Führungskraft aus dem Mitarbeiterbeteiligungsplan41. 3. An dieser Stelle ist anzumerken, dass der Begriff der «wesentlichen Auswirkung» (material impact) nicht dazu verwendet werden kann, kleinere Transaktionen, beispielsweise den Kauf einer einzigen Aktie, von der Meldepflicht auszunehmen42. Das Merkmal der «wesentlichen Auswirkung» dürfte vielmehr lediglich bei komplexen Geschäften wie der Beurteilung von Mitarbeiterbeteiligungsplänen herangezogen werden, bei welchen eine Vielzahl von Begünstigten es schwierig macht zu bestimmen, ob die Transaktion noch einem oder mehreren PDMR zugeordnet werden kann oder nicht. E. Transaktionen 1. Der Begriff der Transaktion ist in DTR 3 nicht näher umschrieben. Sowohl die EU (CESR) als auch die FSA scheinen auf eine Definition darauf verzichtet zu haben. Allerdings hält DTR 3.1.2 fest, dass alle Geschäfte erfasst werden, welche «shares of the issuer, derivatives or other financial instruments relating to those shares» betreffen. Diese Formulierung macht hinreichend klar, dass der Anwendungsbereich weit gesteckt ist. Darunter fallen neben Aktienkäufen und -verkäufen auch der Handel mit Differenzgeschäften wie den im Vereinigten Königreich sehr populären Contracts for Difference oder spread bets43, weiter alle Derivative, die 38 39 40 41 42 43 List! 11, Sept. 2005, 11. List! 11, Sept. 2005, 11. Marsh/McDonnell (FN 8), 95. Marsh/McDonnell (FN 8), 95; List! 11, Sept. 2005, 11. Es sind ausnahmslos alle Transaktionen mitzuteilen, vgl. nachstehend E.9. List! 11, Sept. 2005, 11. 10.3.2009 9:12:20 Uhr Urs Feller AJP/PJA 3/2009 328 sich auf die Aktie beziehen (z.B. Optionen, Swaps, Futures und Forwards). Zusätzlich dürften auch Positionen in Anleihen mit einem convertible-Element darunterfallen, weil auch diesbezüglich die Verbindung zu den Aktien des Emittenten hinreichend eng erscheint44. 2. Bei Index- und Basketprodukten kann aufgrund der relativen Gewichtung des einzelnen Titels recht einfach ausgerechnet werden, in welchem Umfang die Transaktion Aktien des Emittenten betrifft. Es besteht Grund zur Annahme, dass auch Transaktionen mit Index- und Basketprodukten unter besonderen Umständen ebenfalls meldepflichtig werden können. So wäre es ein Leichtes, ein Indexprodukt «short» zu verkaufen und gleichzeitig alle im Index enthaltenen Titel ausser der Aktie des Emittenten zu kaufen. Ökonomisch würde dieses Arrangement auf den Verkauf nur gerade der Aktien des Emittenten hinauslaufen. Die FSA hat sich soweit ersichtlich noch nie zu dieser Problematik im Zusammenhang mit DTR 3 geäussert. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass das analoge Problem beim gegenwärtigen Verbot des short selling von Finanztiteln im dargelegten Sinne beurteilt wurde45. Wird also ein Index- oder Basketprodukt praktisch zur Umgehung der Meldepflicht benutzt, ist diese trotzdem anwendbar. Als sehr weitgehend erschiene demgegenüber Index- oder Basketkäufe, die nicht der Umgehung dienen, ebenfalls vollumfänglich der Meldepflicht zu unterstellen. 3. Mit dem Begriff der «weiteren Finanzinstrumente» wird gemäss dem FSA Glossar beabsichtigt sicherzustellen, dass nichts durch die engen Maschen fällt. 4. Im Vereinigten Königreich ist der Begriff der Transaktion zudem vor dem Hintergrund des Model Code46 zu betrachten. Der Model Code gilt für Emittenten, die ein Primärlisting ihrer Aktien im Vereinigten Königreich haben. Auf Schweizer Emittenten, deren Aktien nur an der SWX kotiert sind, ist der Model Code somit nicht anwendbar. Im Gegensatz zu DTR 3 beinhaltet der Model Code keine Offenlegungspflicht, sondern Handelsverbote zu gewissen Zeiten sowie ein umfassendes Zustimmungssystem. In der Quintessenz schreibt der Model Code vor, dass PDMR vor einem «dealing» die Zustimmung einer übergeordneten Instanz einholen müssen. Zusätzlich ist ein «dealing» vor der Bekanntgabe von gewissen Finanzzahlen sowie immer dann verboten, wenn das Unternehmen über inside information verfügt. Zudem wird genau aufgezählt, welche Handlungen unter den Begriff des «dealings» fallen. Von «dealing» wird nicht nur das Verfügungs-, sondern bereits das Verpflichtungsgeschäft erfasst. Zusätzlich umfasst der Begriff auch stock lending agreements47. Zu beachten ist auch der Umgang mit dem Stellen von Sicherheiten. Gemäss Model Code gilt als «dealing», wenn ein PDMR Aktien als Sicherheiten stellt, da dadurch ökonomisch gesehen Wert aus den Aktien herausgenommen wird48. Dies liegt auf der Hand, wenn die Aktien die einzige Sicherheit bilden, die einer Kredit gewährenden Bank zur Verfügung stehen. Falls neben den Aktien der PDMR auch persönlich haftet (was häufig der Fall sein dürfte), ist der Zusammenhang mit einem «normalen» Aktienverkauf allerdings deutlich schwächer. 6. In den allgemeinen Geschäftsbedingungen der Banken wird regelmässig vorgesehen, dass die Bank bei Nichtbezahlung von Gebühren etc. auf das Depot zurückgreifen kann. Diese Konstellation allein dürfte kaum als Stellen einer Sicherheit im Sinne des Model Code qualifizieren. Dies gilt umso mehr, solange der PDMR liquide ist. Es wäre auch schwierig darzulegen, in welchem Umfang der PDMR gehandelt hat. Anders wäre der Fall zu beurteilen, wenn der PDMR speziell für die Absicherung eines Kredites ein Aktienpaket an eine Bank überträgt. In diesem Fall liegt ein «dealing» im Sinne des Model Code vor und die Wahrscheinlichkeit, dass dies auch als Transaktion gemäss DTR 3 qualifiziert würde, ist nicht gering49. 7. Nunmehr erklärte die FSA – unter Hinweis auf den Model Code – in einer Pressemitteilung vom 9. Januar 2009, dass Verpfändungen («pledge, mortgage or charge») von Aktien des Emittenten durch PDMR in gleicher Weise der Offenlegung unterstehen wie der Handel mit Aktien50. Zugleich wurde auf eine Frist bis zum 23. Januar 2009 hingewiesen, innert welcher allfällige Verpfändungen aus der Vergangenheit nachzumelden waren. 8. Ein weiteres Abgrenzungsproblem zwischen DTR 3 und Model Code zeigt sich bei denjenigen Transaktionen, die 47 48 49 5. Im Gegensatz zu DTR 3 verwendet der Model Code nicht den Begriff der Transaktion sondern spricht von «dealing». 44 45 46 Vgl. dazu E.10. Siehe Frage 15 der FSA FAQ Version 2 zum Short Selling (No. 5) Instrument 2009 vom 19. Januar 2009; http://www.fsa. gov.uk/pubs/other/Short_selling_FAQs_V2.pdf. Der Model Code findet sich in Annex 1 von Kapitel 9 der Listing Rules: http://fsahandbook.info/FSA/html/handbook/LR/9/ Annex1. AJP 03_2009.indb 328 50 Model Code 1(c)(iv). Model Code 1(c)(v). Siehe diesbezüglich beispielsweise die Offenlegungsmeldung durch die FTSE 250 Gesellschaft Carphone Warehouse vom 8. Dezember 2008, die zum Rücktritt eines Verwaltungsrates führte, da er die Verpfändung seiner Aktien nicht offengelegt hatte: http://www.investegate.co.uk/Article.aspx?id=200812080 700106904J und die anschliessende Pressekommentierung beispielsweise durch die Financial Times: http://www.ft.com/cms/ s/0/ccc678d8-c4f9-11dd-b516-000077b07658.html?nclick_ check=1. http://www.fsa.gov.uk/pages/Doing/UKLA/company/disclosure/index.shtml, sowie http://www.fsa.gov.uk/pages/Library/Communication/PR/2009/005.shtml. Dies im Gegensatz zur Regelung in der Schweiz, wonach die Verpfändung von der Meldepflicht ausdrücklich ausgeschlossen ist; vgl. Rz 17 der Richtlinie betreffend Offenlegung von Management-Transaktionen; RLMT. 10.3.2009 9:12:20 Uhr O f f e n l e g u n g v o n M a n a g e m e n t - Tr a n s a k t i o n e n i m e u r o p ä i s c h e n U m f e l d AJP/PJA 3/2009 329 gemäss Model Code kein «dealing» darstellen, indessen gemäss DTR 3 meldepflichtig sind, wie dies beispielsweise beim Kauf von Aktien im Rahmen einer Kapitalerhöhung der Fall ist51. Aufgrund der unterschiedlichen Natur der Regelwerke (Model Code verbietet gewisse Transaktionen, DTR 3 verlangt nur deren Offenlegung), ist der Model Code nicht einschlägig und somit der Kauf von Aktien im Rahmen einer Kapitalerhöhung gemäss DTR 3 offenzulegen. 9. Im Vereinigten Königreich wurde darauf verzichtet, Kleinsttransaktionen von der Meldepflicht auszunehmen. Gemäss Art. 6 Abs. 1 der MAD implementierenden Richtlinie52 sind Mitgliedstaaten berechtigt, Transaktionen unter EUR 5000 von der Meldepflicht auszunehmen. Eine entsprechende Einschränkung ist nicht erfolgt, damit sind auch minimale Transaktionen offenzulegen. 2. Die Transaktion ist seitens der betreffenden Personen innerhalb von vier Werktagen dem Emittenten zu melden56. Der Emittent muss unverzüglich, spätestens aber bis zum Ende des darauffolgenden Werktages die Transaktion via ein Regulatory Information Service (RIS) veröffentlichen57. Damit ist den Anforderungen der die MAD implementierenden Richtlinie (worin eine Meldung innert fünf Tagen verlangt wird) Genüge getan58. Die FSA hat ein Meldeformular59 veröffentlicht, welches für die Meldungen der Emittenten gebraucht werden kann, aber nicht gebraucht werden muss60. Die Veröffentlichung des Emittenten hat zudem die Information zu enthalten, wann der Emittent über die Transaktion informiert wurde61. 10. Welche Transaktionen sind von einer Offenlegungspflicht ausgenommen? Dazu gehört beispielsweise der Kauf oder Verkauf einer Schuldverschreibung des Emittenten53. Ebenfalls ausserhalb des Anwendungsbereich von DTR 3 sind Transaktionen mit Credit Default Swaps (CDS)54. 3. Schliesslich ist noch darauf hinzuweisen, dass der zusätzliche Meldetatbestand, der in DTR 3.1.4(1)(c) erwähnt wird (Offenlegung der gehaltenen Aktien gemäss sec. 793 Companies Act 2006), auf Schweizer Emittenten nicht anwendbar ist. Im Meldeformular für die Emittenten ist bereits vorgesehen, dass nicht in jedem Fall auch eine Meldung gemäss Companies Act zu erfolgen hat. F. V. Details zum Inhalt und zum Verfahren der Offenlegung 1. Art. 6(3) der die MAD implementierenden Richtlinie55 umfasst eine abschliessende Liste der Informationen, welche an den Emittenten zu melden sind. Diese Liste wurde in DTR 3.1.3 direkt übernommen. Sie umfasst • den Namen des PDMR bzw. der mit ihm verbundenen Person, • den Grund für die Offenlegungspflicht, • den Namen des Emittenten, • eine Beschreibung des Finanzinstruments, • die Natur der Transaktion (z.B. Kauf oder Verkauf), • Ort und Zeit der Transaktion, sowie • Preis und Volumen der Transaktion. 51 52 53 54 55 Model Code 2(a). 2004/72/EC. Ausser es handelt sich um einen Convertible. Der Hinweis auf «Debentures» im Meldeformular der FSA dürfte in diesem Sinne verstanden werden (zum Formular siehe unten mehr), da gewöhnliche Unternehmensanleihen nicht mit den Aktien des Emittenten verbunden sind, was gemäss DTR 3.1.2 eine Voraussetzung der Offenlegungspflicht ist. Diese Instrumente spiegeln das Konkursrisiko eines Emittenten wieder und eignen sich sehr gut, sich gegen den Ausfall eines Emittenten abzusichern. Handelt ein PDMR kurz vor dem Konkurs des Emittenten mit CDS, so dürften aber die Verbote des Insiderhandels und des Marktmissbrauchs gemäss sec. 118 FSMA in Frage stehen, obwohl diese Instrumente m.E. ausserhalb der Offenlegungspflicht liegen (siehe Market Watch Issue No. 30, 13). 2004/72/EC. AJP 03_2009.indb 329 Durchsetzung der Regeln im Vereinigten Königreich 1. Die FSA ist zuständig für die Einhaltung einer Vielzahl unterschiedlicher Regeln mit unterschiedlichem Wichtigkeitsgrad. Eine Durchsicht der publizierten Urteile der FSA bzw. der zuständigen gerichtlichen Organe zeigt, dass DTR 3 nicht im Zentrum der Vollstreckungsbemühungen zu liegen scheint. Vielmehr liegt der Fokus auf der Durchsetzung des Verbots des Insiderhandels und des Marktmissbrauchs. 2. Die Offenlegungsregeln von DTR 3 erscheinen daher in einem gewissen Mass subsidiär zu anderen Regeln. Die FSA dürfte nur dort wirklich interessiert sein, Verletzungen von DTR 3 zu verfolgen, wo zugleich starke Hinweise auf Insiderhandel vorliegen bzw. eine Ad-hoc-Meldung nicht rechtzeitig abgesetzt wurde. Dies mag damit zu tun haben, dass Emittenten nicht selten gesellschaftsinterne Sanktionen für Verstösse im Zusammenhang mit DTR 3 vorsehen und sich die FSA damit auf grobe Verletzungen konzentrieren kann.62 3. Beachtenswert bleibt jedenfalls, dass die möglichen Konsequenzen einer Nichtbeachtung von DTR 3 beträchtlich 56 57 58 59 60 61 62 DTR 3.1.2. DTR 3.1.4 (2). Siehe Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2004/72/EC. http://www.fsa.gov.uk/pubs/forms/DR_responsibility.pdf. DTR 3.1.7. DTR 3.1.5. Vgl. FN 49 betreffend den Rücktritt von David Ross aus dem Verwaltungsrat von Carphone Warehouse vom 8. Dezember 2008 als Folge einer unterbliebenen Offenlegung. 10.3.2009 9:12:20 Uhr Urs Feller AJP/PJA 3/2009 330 sind. Zunächst fällt auf, dass im Gegensatz zur Regelung in der Schweiz nicht nur der Emittent selber, sondern auch die entsprechenden Führungspersonen (und auch die mit ihr verbundenen Personen) persönlich zur Rechenschaft gezogen werden können63. Dabei sind im Extremfall Bussen in unlimitierter Höhe vorgesehen. Wegen der Nähe der DTR 3 zu den Tatbeständen des Insiderdealings ist neben einer allfälligen Busse auch immer ein möglicher Reputationsverlust zu beachten – der sowohl für den Emittenten als auch für die entsprechende Führungsperson mit nicht geringen Nachteilen verbunden sein kann. 63 DTR 1.5.3.G und FSMA sec. 91. AJP 03_2009.indb 330 Différents émetteurs SMI ou SLI, dont les actions sont négociées sur SWX Europe, sont soumis aux règles européennes relatives à la publicité. La directive sur les abus de marché («MAD») et sa mise en œuvre dans le Royaume-Uni sont déterminantes, presque tous les émetteurs ayant ce pays comme Etat membre d’origine (Home Member State). Le présent article expose les règles en vigueur au Royaume-Uni, ayant en vue que la SIX transfèrera le négoce des titres SMI et SLI à la mi-2009 de Londres à Zurich. Les normes européennes sont incontestablement plus complètes; elles s’appliquent, par exemple, aussi au négoce d’instruments dérivés et elles ne connaissent pas de franchise de CHF 100 000 par mois à l’inverse de la Suisse. (trad. LT LAWTANK, Fribourg) 10.3.2009 9:12:21 Uhr Nachlassvertrag im Konkurs (Art. 332 SchKG) AJP/PJA 3/2009 Nachlassvertrag im Konkurs (Art. 332 SchKG) 331 I. FRANCO LORANDI MICHAEL ERISMANN Prof. Dr. iur., LL.M., Lehrbeauftragter an der Universität St. Gallen, Rechtsanwalt, Zürich MLaw, Muri bei Bern Inhaltsübersicht I. Einleitung II. Zustandekommen des Nachlassvertrages im Konkurs A. Antragsrecht B. Gläubigerversammlung 1. Einberufung 2. Aufgaben der Konkursverwaltung 3. Teilnahmeberechtigung 4. Wahlen und Wahlberechtigung 5. Zustimmung zum Nachlassvertrag 6. Antrag der Konkursverwaltung an den Nachlassrichter C. Einstellung der Verwertung D. Bestätigungsverhandlung und Entscheid des Nachlassrichters (Homologation) 1. Zustimmung der Gläubiger a. Quoren b. Berechnung der Quoren 2. Hinlängliche Sicherstellung a. Beim ordentlichen Nachlassvertrag b. Beim Liquidationsvergleich III. Folgen bei Bestätigung des Nachlassvertrages A. Widerruf des Konkurses B. Folgen beim ordentlichen Nachlassvertrag 1. Folgen für das Konkursverfahren 2. Dividendenberechtigung 3. Bedeutung des Kollokationsplans 4. Auswirkungen auf Abtretungen gemäss Art. 260 SchKG und gestützt darauf eingeleitete Prozesse 5. Auswirkungen auf sonstige Prozesse C. Folgen beim Liquidationsvergleich 1. Folgen für das Konkursverfahren/Fortsetzung des Vollstreckungsverfahrens 2. Bedeutung des Kollokationsplans/ Dividendenberechtigung 3. Schicksal hängiger Kollokationsprozesse 4. Auswirkungen auf Abtretungen gemäss Art. 260 SchKG und gestützt darauf eingeleitete Prozesse 5. Auswirkungen auf sonstige Prozesse AJP 03_2009.indb 331 Einleitung Das Gesetz regelt den Nachlassvertrag im Konkurs nur partiell1. Viele Fragen bei der praktischen Handhabung bleiben daher offen. Nachfolgend soll aufgezeigt werden, welche Normen gelten und wo besondere Regeln Platz greifen müssen. Dabei ist zuweilen zu unterscheiden, ob ein ordentlicher Nachlassvertrag2 oder ein Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung3 in Frage steht. II. Zustandekommen des Nachlassvertrages im Konkurs A. Antragsrecht Legitimiert, während eines Konkursverfahrens einen Nachlassvertrag vorzuschlagen, ist nach dem Wortlaut des Gesetzes einzig der Schuldner4. Dies ist auf ein gesetzgeberisches Versehen zurückzuführen5. Das Antragsrecht ist deshalb – analog dem Nachlassverfahren ausser Konkurs6 – auch jedem Gläubiger zuzugestehen, der ein Konkursbegehren stellen kann7. Der Schuldner bzw. der antragsberechtigte Gläubiger hat einen Nachlassvertrag auszuarbeiten8. Dabei genügt der 1 2 3 4 5 6 7 8 Art. 238 Abs. 2, Art. 252 Abs. 2, Art. 332 SchKG. Art. 314 ff. SchKG. Art. 317 ff. SchKG. Soweit eine Kombination von Dividendenvergleich und Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung abgeschlossen wird, gelten in aller Regel die Bestimmungen über den Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung. Art. 332 Abs. 1 Satz 1 SchKG. Daniel Hunkeler, Das Nachlassverfahren nach revidiertem SchKG, Diss. Freiburg 1996, Rz. 182. Art. 293 Abs. 2 SchKG. Hunkeler (FN 5), Rz. 184; Alain Winkelmann/Laurent Lévy/Yvan Jeanneret/Olivier Merkt/Francesca Birchler, in: Adrian Staehelin/Thomas Bauer/Daniel Staehelin (Hrsg.), Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, Basel/Genf/München 1998, Art. 332 SchKG N 6; Karl Wüthrich/Fritz Rothenbühler, in: Daniel Hunkeler (Hrsg.), Kurzkommentar zum Schuldbetreibungs- und Konkursgesetz, Basel 2008, Art. 332 SchKG N 9; BlSchK 2008, 153. Die Expertengruppe Nachlassverfahren schlägt deshalb vor, den Gesetzestext entsprechend zu ändern, vgl. Art. 332 Abs. 1 VE-SchKG; Revision des Schuldbetreibungs- und Konkursgesetzes (SchKG): Sanierungsverfahren, Bericht und Vorentwurf der Expertengruppe Nachlassverfahren vom Juni 2008, 18, 31. Art. 332 Abs. 1 Satz 1 SchKG. 10.3.2009 9:12:21 Uhr Franco Lorandi/Michael Erismann AJP/PJA 3/2009 332 blosse Entwurf. Dieser muss ernsthaft erscheinen9, d.h. er darf nicht von vornherein aussichtslos sein. Zusätzliche Unterlagen (wie etwa Bilanz, Erfolgsrechnung oder ähnliche Unterlagen10) oder die Unterschrift der Gläubigermehrheit sind nicht erforderlich11. Es steht dem Antragsteller aber frei, in einer kurzen Stellungnahme aus seiner Sicht darzulegen, weshalb der Nachlassvertrag für die Gläubiger Sinn macht. Der Entwurf des Nachlassvertrages wird der Konkursverwaltung eingereicht12, welche die Funktion des Sachwalters übernimmt13. Diese begutachtet den Entwurf14 und verfasst eine Beurteilung. Das Antragsrecht besteht während der ganzen Dauer des Konkursverfahrens bis zu dessen Schluss15, solange die Schlussverteilung noch nicht statt gefunden hat16. Ein Antrag kann insbesondere auch dann noch gestellt werden, wenn schon alle Aktiven verwertet sind17. Wie alle sonstigen Handlungen im Rahmen eines SchKG-Verfahrens steht auch das Recht, einen Nachlassvertrag im Konkurs vorzuschlagen, unter dem Vorbehalt des Rechtsmissbrauchs. Ein solcher kann vorliegen, wenn es dem Schuldner einzig darum geht, das laufende Konkursverfahren in die Länge zu ziehen18. 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 Pierre-Robert Gilliéron, Commentaire de la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite, Lausanne 2001, Art. 332 SchKG N 10; BGE 48 III 136. Vgl. Art. 293 Abs. 1 SchKG. Carl Jaeger, Das Bundesgesetz betreffend Schuldbetreibung und Konkurs, 3. A., Zürich 1911, Art. 317 SchKG N 2; Winkelmann/Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7), Art. 332 SchKG N 9 und N 14; Carl Jaeger/Hans Ulrich Walder/ Thomas M. Kull/Martin Kottmann, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, 4. A., Zürich 1997, Art. 332 SchKG N 9 und N 11; BGE 78 III 18; BlSchK 2008, 153; a.M. BGE 38 I 323, welcher zum alten Wortlaut von Art. 293 SchKG erging. Art. 332 Abs. 1 Satz 1 SchKG. Art. 332 Abs. 2 Satz 2 SchKG. Art. 332 Abs. 1 Satz 1 SchKG. Art. 332 Abs. 3 i.V.m. Art. 195 Abs. 2 SchKG; Hans Glarner, Das Nachlassvertragsrecht nach schweizerischem SchKG, Diss. Zürich 1967, 37. Winkelmann/Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7), Art. 332 SchKG N 5; Jaeger/Walder/Kull/Kottmann (FN 11), Art. 332 SchKG N 10; Wüthrich/Rothenbühler (FN 7), Art. 332 SchKG N 4; a.M. Urteil des Obergerichts des Kantons Thurgau vom 28. November 2005, RBOG 2005, 192 (= BlSchK 2008, 152 ff.), welches – ungeachtet der bereits abgeschlossenen Verteilung – einen Nachlassvertrag auch nach Schluss des Konkursverfahrens noch zulassen will, solange der Entscheid des Konkursgerichts noch nicht rechtskräftig ist. Jaeger (FN 11), Art. 317 SchKG N 2; Winkelmann/Lévy/ Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7), Art. 332 SchKG N 5; Jaeger/Walder/Kull/Kottmann (FN 11), Art. 332 SchKG N 10. Gilliéron (FN 9), Art. 332 SchKG N 10. AJP 03_2009.indb 332 B. Gläubigerversammlung 1. Einberufung Die Verhandlung über den Nachlassvertrag findet frühestens in der zweiten Gläubigerversammlung statt19. In diesem Zeitpunkt ist der Kollokationsplan zwar noch nicht zwingend rechtskräftig. Er ist aber zumindest aufgelegt, womit eine gewisse Klarheit über die Passiven des Konkursiten besteht. Dies ist von Bedeutung, weil der Kollokationsplan die Grundlage für Teile des Bestätigungs- und Nachlassverfahrens bildet20. Da auch das Inventar in diesem Zeitpunkt erstellt ist, besteht ebenso Klarheit über einen Grossteil der Aktiven21. Hat im ordentlichen Konkursverfahren die zweite Gläubigerversammlung schon stattgefunden, ist eine dritte einzuberufen22. Diesfalls hat der Schuldner für die Kosten der Gläubigerversammlung einen Vorschuss zu leisten23. Beantragt ein Gläubiger einen Nachlassvertrag im Konkurs, so hat dieser auch den Kostenvorschuss zu leisten24. Im summarischen Konkursverfahren finden in der Regel keine Gläubigerversammlungen statt25. Wenn jedoch ein Nachlassvertrag vorgeschlagen wird, liegen die vom Gesetz geforderten besonderen Umstände26 vor. Die Konkursverwaltung hat deshalb ausnahmsweise eine Gläubigerversammlung einzuberufen27. Der Gemeinschuldner bzw. der 19 20 21 22 23 24 25 26 27 Art. 332 Abs. 1 Satz 2 SchKG. Vgl. II.D.1.b. (Zustimmungsquoren), II.D.2.b.aa. (Sicherstellung), III.C.2. (Dividendenberechtigung). Vgl. Pierre-Robert Gilliéron, Poursuite pour dettes, faillite et concordat, 4. A., Basel 2005, N 3173. Jaeger (FN 11), Art. 317 SchKG N 3; Ernst Blumenstein, Handbuch des Schweizerischen Schuldbetreibungsrechtes, Bern 1911, 724, 895; Winkelmann/Lévy/Jeanneret/Merkt/ Birchler (FN 7), Art. 332 SchKG N 11; Dominique Junod Moser/Louis Gaillard, in: Louis Dallèves/Benedict Foëx/ Nicolas Jeandin (Hrsg.), Poursuite et faillite: commentaire de la Loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite ainsi que des articles 166 à 175 de la Loi fédérale sur le droit international privé (Commentaire Romand), Basel 2005, Art. 332 SchKG N 15; Wüthrich/Rothenbühler (FN 7), Art. 332 SchKG N 13; BlSchK 2008, 154; BGE 48 III 136. Glarner (FN 15), 37; Winkelmann/Lévy/Jeanneret/Merkt/ Birchler (FN 7), Art. 332 SchKG N 11; Urs Bürgi, in: Adrian Staehelin/Thomas Bauer/Daniel Staehelin (Hrsg.), Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, Basel/ Genf/München 1998, Art. 252 SchKG N 14; Gilliéron (FN 9), Art. 332 SchKG N 10, N 17; BGE 78 III 18, 48 III 135 f. Winkelmann/Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7), Art. 332 SchKG N 11. Art. 231 Abs. 3 Ziff. 1 SchKG. Art. 231 Abs. 3 Ziff. 1 SchKG. Winkelmann/Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7), Art. 332 SchKG N 10; Urs Lustenberger, in: Adrian Staehelin/Thomas Bauer/Daniel Staehelin (Hrsg.), Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, Basel/Genf/ München 1998, Art. 231 SchKG N 32. 10.3.2009 9:12:21 Uhr Nachlassvertrag im Konkurs (Art. 332 SchKG) AJP/PJA 3/2009 333 antragstellende Gläubiger hat die entsprechenden Kosten vorzuschiessen28. Die Gläubigerversammlung kann auch im summarischen Konkursverfahren erst dann stattfinden, wenn der Kollokationsplan aufliegt29. Die Versammlung ist auch dann durchzuführen, wenn schon eine genügende Anzahl von Gläubigern dem Nachlassvertrag zugestimmt hat30. Für einen Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung ist dies evident, da die Liquidatoren und ein Gläubigerausschuss gewählt werden müssen31. Auch bei einem Dividendenvergleich macht die Gläubigerversammlung aber in jedem Fall Sinn, da der Vorschlag anlässlich der Beratung in der Versammlung noch abgeändert werden kann und diesfalls die Gläubiger erneut zustimmen müssen32. In Bezug auf die Publikation finden die Vorschriften von Art. 301 und Art. 300 Abs. 1 Satz 2 SchKG33 analog Anwendung34, obschon Art. 332 Abs. 2 SchKG keinen Verweis auf diese Normen enthält: Die Einladung zur Gläubigerversammlung ist mindestens einen Monat vor der Versammlung in den Amtsblättern zu publizieren35. Die Publikation macht deshalb Sinn, weil für das Zustimmungsquorum auch Forderungen zu berücksichtigen sind, welche zu diesem Zeitpunkt noch nicht angemeldet sind36. Zudem sind die bekannten Gläubiger durch Spezialanzeige einzuladen37. Die Einladung hat mindestens 20 Tage vor 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 Art. 96 lit. a KOV; Junod Moser/Gaillard (FN 22), Art. 332 SchKG N 17; Lustenberger (FN 27), Art. 231 SchKG N 32; Gilliéron (FN 9), Art. 332 SchKG N 11, N 18; Wüthrich/ Rothenbühler (FN 7), Art. 332 SchKG N 13; BlSchK 2008, 154. Art. 332 Abs. 1 Satz 2 SchKG; Art. 252 Abs. 2 SchKG analog; Winkelmann/Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7), Art. 332 SchKG N 10; Junod Moser/Gaillard (FN 22), Art. 332 SchKG N 17; Gilliéron (FN 21), N 3173. Jaeger (FN 11), Art. 317 SchKG N 4; Jaeger/Walder/ Kull/Kottmann (FN 11), Art. 332 SchKG N 18; Wüthrich/ Rothenbühler (FN 7), Art. 332 SchKG N 12. Art. 317 Abs. 2 SchKG; Hunkeler (FN 5), Rz. 938; vgl. II.B.4. Jaeger (FN 11), Art. 302 SchKG N 2; Kurt Amonn/Fridolin Walther, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 8. A., Bern 2008, § 54 N 63. Der Gemeinschuldner ist jedoch nicht verpflichtet, derartige Änderungen am Nachlassvertragsentwurf vorzunehmen resp. Änderungen, welche die Gläubiger vornehmen, gegen sich gelten zu lassen, vgl. Alexander Vollmar, in: Adrian Staehelin/Thomas Bauer/Daniel Staehelin (Hrsg.), Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, Basel/Genf/München 1998, Art. 302 SchKG N 17. A.M. Gilliéron (FN 9), Art. 332 SchKG N 28, in Bezug auf Art. 300 SchKG. Vgl. auch Winkelmann/Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7), Art. 332 SchKG N 12; Wüthrich/Rothenbühler (FN 7), Art. 332 SchKG N 14. Art. 301 Abs. 1 SchKG analog. Vgl. II.D.1.b. Art. 301 Abs. 2 i.V.m. Art. 300 Abs. 1 Satz 2 SchKG analog. AJP 03_2009.indb 333 der Versammlung zu erfolgen38. In der Einladung ist darauf hinzuweisen, dass über einen Nachlassvertrag verhandelt werden soll39. Die Akten können während 20 Tagen vor der Versammlung bei der Konkursverwaltung eingesehen werden40. Zu den Akten gehören der Nachlassvertrag, eine allfällige Stellungnahme des Antragstellers41 und die Beurteilung durch die Konkursverwaltung42. 2. Aufgaben der Konkursverwaltung Die Konkursverwaltung leitet die Versammlung. Sie erstattet Bericht über die Vermögens- und die Ertrags- bzw. Einkommenslage des Schuldners43. Sie gibt Auskunft über den Stand und den voraussichtlichen Ausgang des Konkursverfahrens. Dies umfasst auch eine Einschätzung für den Ausgang hängiger Prozesse44. Sie begutachtet zudem zuhanden der Gläubigerversammlung den Vorschlag zum Nachlassvertrag45. Die Konkursverwaltung kann den Nachlassvertrag auch einem allfälligen Gläubigerausschuss46 unterbreiten; dazu verpflichtet ist sie nicht47. 3. Teilnahmeberechtigung Teilnahmeberechtigt sind alle gemäss Kollokationsplan noch nicht rechtskräftig abgewiesenen Gläubiger48. Ebenfalls teilnahmeberechtigt sind Gläubiger, welche ihre Forderung erst nach Auflage des Kollokationsplans eingegeben haben49. Teilnahmeberechtigt sind demnach auch Gläubiger, welche nicht über die Annahme des Nachlassvertrages mitentschei- 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 Es drängt sich hier die Anwendung der konkursrechtlichen Regelung analog Art. 252 Abs. 1 SchKG auf; vgl. Jaeger (FN 11), Art. 317 SchKG N 3; Jaeger/Walder/Kull/Kottmann (FN 11), Art. 332 SchKG N 16. Art. 252 Abs. 2 SchKG; Jaeger (FN 11), Art. 317 SchKG N 3; Jaeger/Walder/Kull/Kottmann (FN 11), Art. 332 SchKG N 15; Junod Moser/Gaillard (FN 22), Art. 332 SchKG N 19; Wüthrich/Rothenbühler (FN 7), Art. 332 SchKG N 14; BGE 35 I 268. Art. 301 Abs. 1 Satz 1 SchKG analog; Winkelmann/Lévy/ Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 11), Art. 332 SchKG N 12; Junod Moser/Gaillard (FN 22), Art. 332 SchKG N 19; Wüthrich/Rothenbühler (FN 7), Art. 332 SchKG N 14. Vgl. II.A. Junod Moser/Gaillard (FN 22), Art. 332 SchKG N 19. Art. 302 Abs. 1 i.V.m. Art. 332 Abs. 2 Satz 2 SchKG. Jaeger (FN 11), Art. 317 SchKG N 3. Art. 332 Abs. 1 Satz 1 SchKG. Art. 237 Abs. 3, Art. 253 Abs. 2 SchKG. Jaeger (FN 11), Art. 317 SchKG N 3; Jaeger/Walder/Kull/ Kottmann (FN 11), Art. 332 SchKG N 14; Winkelmann/ Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7), Art. 332 SchKG N 12. Jaeger (FN 11), Art. 317 SchKG N 3; Junod Moser/Gaillard (FN 22), Art. 332 SchKG N 20. A.M. Jaeger (FN 11), Art. 317 SchKG N 3. 10.3.2009 9:12:21 Uhr Franco Lorandi/Michael Erismann AJP/PJA 3/2009 334 den können50, wohl aber an der Diskussion teilnehmen dürfen sollen. Dies gilt für privilegierte Gläubiger, Pfandgläubiger (im Umfang der Pfandsicherheit) und Ehegatten. Unmassgeblich ist auch, wann die Forderung angemeldet wurde51, oder ob sie vom Gemeinschuldner bestritten worden ist52. Beim Teilnahmerecht verhält es sich somit gleich wie beim Nachlassvertrag ausser Konkurs. Ob ein ordentlicher Nachlassvertrag oder ein Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung vorgeschlagen ist, spielt für die Teilnahmeberechtigung keine Rolle. 4. Wahlen und Wahlberechtigung Handelt es sich beim Vorschlag um einen ordentlichen Nachlassvertrag, so wird weder ein Liquidator noch ein Gläubigerausschuss gewählt; die Gläubigerversammlung ist diesfalls bloss beratend tätig53. Anders verhält es sich beim Liquidationsvergleich: Bei diesem sind von der Gläubigerversammlung die Liquidatoren und der Gläubigerausschuss zu wählen54. Wahlberechtigt sind dieselben Gläubiger, welchen auch das Stimmrecht55 für die Annahme des Nachlassvertrages zukommt56. Für die Wahl gilt das einfache Mehr der abstimmenden Gläubiger nach Köpfen57. Die Versammlung untersteht weder bei einem Dividendenvergleich noch bei einem Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung dem Anwesenheitsquorum gemäss Art. 235 Abs. 3 SchKG58; es gilt kein Präsenzquorum59. Es verhält sich somit 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 Junod Moser/Gaillard (FN 22), Art. 332 SchKG N 20; vgl. auch Amonn/Walther (FN 32), § 54 N 62, für den Nachlassvertrag ausser Konkurs. Solange die Forderung «suffisamment tôt pour participer» eingegeben wurde, vgl. Junod Moser/Gaillard (FN 22), Art. 332 SchKG N 20; a.M. Jaeger (FN 11), Art. 317 SchKG N 3, welcher Gläubiger, die ihre Forderung i.S.v. Art. 251 SchKG verspätet eingegeben haben und deren Berechtigung daher von der Konkursverwaltung noch nicht geprüft wurde, nicht zulassen will. Für den Nachlassvertrag ausser Konkurs: Winkelmann/Lévy/ Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7), Art. 317 SchKG N 17. Winkelmann/Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7), Art. 332 SchKG N 13; Wüthrich/Rothenbühler (FN 7), Art. 332 SchKG N 15. Art. 332 Abs. 2 i.V.m. Art. 317 Abs. 2 Satz 2 SchKG. Zur Vermeidung von Missverständnissen wird hier die Berechtigung zur Teilnahme an der Wahl der Liquidatoren und gegebenenfalls des Gläubigerausschusses als «Wahlrecht», die Berechtigung zur Zustimmung oder Ablehnung des Nachlassvertrages dagegen als «Stimmrecht» bezeichnet. Vgl. II.D.1. Peter Ludwig, Der Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung (Liquidationsvergleich), Diss. Bern 1970, 47. Mindestens ein Viertel der bekannten Gläubiger bzw. mindestens die Hälfte der Gläubiger, wenn es vier oder weniger Gläubiger sind. Art. 332 Abs. 2 i.V.m. Art. 302 Abs. 3 SchKG; Ludwig (FN 57), 47; Winkelmann/Lévy/Jeanneret/Merkt/Birch- AJP 03_2009.indb 334 gleich wie bei Wahlen im Rahmen eines Nachlassvertrages (mit Vermögensabtretung) ausser Konkurs60. 5. Zustimmung zum Nachlassvertrag Die Zustimmungen der Gläubiger zum Nachlassvertrag müssen in jedem Fall schriftlich und individuell erfolgen61. Es finden keine Beschlüsse in der Versammlung statt. Die schriftlichen Zustimmungen können vor oder nach der Gläubigerversammlung erteilt werden. Sie müssen spätestens bis zur Bestätigungsverhandlung vor dem Nachlassrichter vorliegen62. 6. Antrag der Konkursverwaltung an den Nachlassrichter Nach der Gläubigerversammlung leitet die Konkursverwaltung den Nachlassvertrag mitsamt ihrer Beurteilung, den bereits vorhandenen Zustimmungserklärungen63 und einer Abrechnung über die bislang durch das Konkursverfahren verursachten Kosten64 von Amtes wegen an den Nachlassrichter weiter65. Die Konkursverwaltung muss auch dann an den Nachlassrichter gelangen, wenn bis dahin die erforderlichen Zustimmungen der Gläubiger nicht vorliegen66. Zum einen kann die Konkursverwaltung nicht über das Zustandekommen des Nachlassvertrags entscheiden67; sie hat vielmehr für einen Entscheid des Nachlassrichters zu sorgen68. Zum anderen können (weitere) Zustimmungserklärungen noch bis zum Bestätigungsentscheid beigebracht werden69. 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 ler (FN 7), Art. 332 SchKG N 13; Junod Moser/Gaillard (FN 22), Art. 332 SchKG N 22; Wüthrich/Rothenbühler (FN 7), Art. 332 SchKG N 16; BGE 82 III 87 ff. (allerdings für den Nachlassvertrag ausser Konkurs); a.M. Jaeger (FN 11), Art. 317 SchKG N 4; Jaeger/Walder/Kull/Kottmann (FN 11), Art. 332 SchKG N 18; Gilliéron (FN 21), N 3178, jedoch mit Ausnahme hinsichtlich der Beratung über den Nachlassvertrag. Winkelmann/Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7), Art. 317 SchKG N 15; Wüthrich/Rothenbühler (FN 7), Art. 332 SchKG N 16; BGE 82 III 27. Art. 332 Abs. 2 i.V.m. Art. 302 Abs. 3 SchKG. Art. 332 Abs. 2 i.V.m. Art. 305 Abs. 1 Satz 1 SchKG; Hunkeler (FN 5), Rz. 945; Ludwig (FN 57), 46; Winkelmann/ Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7), Art. 332 SchKG N 13; Wüthrich/Rothenbühler (FN 7), Art. 332 SchKG N 15. BGE 35 I 268. Jaeger (FN 11), Art. 317 SchKG N 5; Winkelmann/Lévy/ Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7), Art. 332 SchKG N 16; Wüthrich/Rothenbühler (FN 7), Art. 332 SchKG N 20. Art. 332 Abs. 2 i.V.m. Art. 304 Abs. 1 SchKG. Gilliéron (FN 21), N 3178; Wüthrich/Rothenbühler (FN 7), Art. 332 SchKG N 18; BGE 35 I 268. Winkelmann/Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7), Art. 332 SchKG N 14; BGE 78 III 18. BGE 35 I 267. Vgl. II.B.5.; BGE 35 I 368. 10.3.2009 9:12:22 Uhr Nachlassvertrag im Konkurs (Art. 332 SchKG) AJP/PJA 3/2009 335 C. Einstellung der Verwertung Grundsätzlich wird der Lauf des Konkursverfahrens durch die Einreichung eines Nachlassvertragsvorschlages nicht unmittelbar beeinträchtigt70. Nach Art. 332 Abs. 2 SchKG wird jedoch die Verwertung eingestellt, bis der Nachlassrichter über die Bestätigung des Nachlassvertrages entschieden hat. Die Einstellung der Verwertung erfolgt ex lege71; es bedarf somit keines Einstellungsentscheides. Der Gesetzeswortlaut gibt jedoch keinen Aufschluss darüber, ab wann die Verwertungshandlungen von Gesetzes wegen als eingestellt gelten. Die Einreichung des Vorschlags für einen Nachlassvertrag genügt für sich alleine nicht, damit die Verwertung sistiert wird72. Eine Sistierung findet aber in jedem Fall statt, sobald sich die (zweite bzw. speziell einberufene) Gläubigerversammlung zum Nachlassvertragsentwurf äussern konnte73. Dies gilt u.E. unbesehen davon, dass dannzumal in aller Regel noch nicht genügend Zustimmungen der Gläubiger vorliegen werden. Die Verwertung wird somit nicht erst dann eingestellt, wenn die Quoren gemäss Art. 305 SchKG erfüllt sind74, zumal dieser Zeitpunkt objektiv schwer feststellbar ist und überdies die Zustimmungen noch bis zur Bestätigungsverhandlung beigebracht werden können75. Vor Durchführung der Gläubigerversammlung kann die Konkursverwaltung nach eigenem Ermessen entscheiden, ob die Verwertungshandlungen einzustellen sind76. Zudem kann auch schon die erste Gläubigerversammlung77 die Einstellung der Verwertung beschliessen, wenn der Schuldner dannzumal einen Nachlassvertrag vorschlägt78. 70 71 72 73 74 75 76 77 78 Amonn/Walther (FN 32), § 54 N 19; Jaeger/Walder/Kull/ Kottmann (FN 11), Art. 332 SchKG N 12. Gilliéron (FN 9), Art. 332 SchKG N 17; BGE 120 III 96, 35 I 269. Winkelmann/Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7), Art. 332 SchKG N 15; Jaeger/Walder/Kull/Kottmann (FN 11), Art. 332 SchKG N 12; Gilliéron (FN 9), Art. 332 SchKG N 18, N 21; BGE 120 III 96, 78 III 17, 35 I 269. Winkelmann/Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7), Art. 332 SchKG N 15; BGE 78 III 18 (zu Art. 81 aKOV), 35 I 269 (von dem Zeitpunkt an, «wo das ordentliche Verwertungsverfahren der Art. 256 ff. beginnen darf»). So aber Gilliéron (FN 9), Art. 332 SchKG N 17 f.; Erwin Brügger, SchKG-Gerichtspraxis 1946–2005, Zürich 2006, Art. 332 SchKG N 4; Junod Moser/Gaillard (FN 22), Art. 332 SchKG N 25; BGE 120 III 96. Vgl. II.B.5. Winkelmann/Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7), Art. 332 SchKG N 15; Junod Moser/Gaillard (FN 22), Art. 332 SchKG N 26; Jaeger/Walder/Kull/Kottmann (FN 11), Art. 332 SchKG N 6 f. Für diese gilt das Präsenzquorum gemäss Art. 235 SchKG, vgl. Gilliéron (FN 9), Art. 332 SchKG N 10, N 17. Art. 238 Abs. 2 SchKG; Jaeger (FN 11), Art. 238 SchKG N 8, Art. 317 SchKG N 2; Jaeger/Walder/Kull/Kottmann (FN 11), Art. 332 SchKG N 12; Gilliéron (FN 9), Art. 332 SchKG N 10, N 17; Junod Moser/Gaillard (FN 22), Art. 332 AJP 03_2009.indb 335 D. Bestätigungsverhandlung und Entscheid des Nachlassrichters (Homologation) Nachdem die Konkursverwaltung im Anschluss an die Gläubigerversammlung an den Nachlassrichter gelangt ist79, setzt dieser eine Bestätigungsverhandlung an und trifft seinen Entscheid beförderlich80. Der Nachlassrichter lädt die Konkursverwaltung, welche die Interessen der Masse vertritt und die Funktion des Sachwalters einnimmt81, zum Bestätigungstermin ein82. Die Voraussetzungen für die Bestätigung des Nachlassvertrages richten sich auch beim Nachlassvertrag im Konkurs nach Art. 305 (Annahme durch die Gläubiger) und Art. 306 SchKG (Voraussetzungen für den Bestätigungsentscheid)83. Dieser Verweis auf die beim Nachlassvertrag ausser Konkurs geltenden Regeln wirft, so einfach er gesetzgebungstechnisch erscheinen mag, bei genauerer Betrachtung einige Fragen auf. Der Grund dieser Unklarheiten bei der sinngemässen Anwendung der Bestätigungserfordernisse auf den Nachlassvertrag im Konkurs liegt in folgendem Umstand: Das Konkurs- und das Nachlassverfahren folgen unterschiedlichen Regeln. Beim Nachlassvertrag im Konkurs findet ein Wechsel vom Konkursverfahren zum Nachlassverfahren statt. Fraglich ist, wann dieser Paradigmenwechsel statt finden soll84. Der beschriebene Verfahrenswechsel ist in seinen Konsequenzen beim ordentlichen Nachlassvertrag wesentlich stärker ausgeprägt als beim Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung, da letzterer ähnlichen Regeln folgt wie der Konkurs. Es drängt sich daher nachfolgend eine Unterscheidung zwischen diesen beiden Nachlassvertragsarten auf. 1. Zustimmung der Gläubiger a. Quoren Es gelten die Quoren gemäss Art. 305 SchKG: Bis zum Bestätigungszeitpunkt muss die Mehrheit der Gläubiger, welche ihrerseits mindestens zwei Drittel des Gesamtbetrages 79 80 81 82 83 84 SchKG N 27; Wüthrich/Rothenbühler (FN 7), Art. 332 SchKG N 12; BGE 120 III 96, 35 I 269. Die Verhandlung über den Nachlassvertrag hat aber auch in diesem Fall erst nach Auflage des Kollokationsplans zu erfolgen, vgl. II.B.1. Vgl. II.B.6. Art. 332 Abs. 2 i.V.m. Art. 304 Abs. 2 und 3 SchKG. Art. 332 Abs. 2 Satz 2 SchKG. Jaeger (FN 11), Art. 317 SchKG N 5; Winkelmann/Lévy/ Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7), Art. 332 SchKG N 16; Junod Moser/Gaillard (FN 22), Art. 332 SchKG N 24; Wüthrich/Rothenbühler (FN 7), Art. 332 SchKG N 19. Art. 332 Abs. 2 i.V.m. Art. 305 f. SchKG; Winkelmann/Lévy/ Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7), Art. 332 SchKG N 7 f.; Gilliéron (FN 9), Art. 332 SchKG N 22. Es stellt sich namentlich die Frage, ob der Wechsel schon bei der Zustimmung zum Nachlassvertrag (II.D.1.b), bei der Sicherstellung des Vollzugs (II.D.2), oder aber erst bei der Dividendenberechtigung erfolgen soll (III.B.2/III.C.2.). 10.3.2009 9:12:22 Uhr Franco Lorandi/Michael Erismann AJP/PJA 3/2009 336 der Forderungen vertreten, oder ein Viertel der Gläubiger, welche mindestens drei Viertel des Gesamtbetrages der Forderungen vertreten, zugestimmt haben85. Privilegierte Gläubiger und deren Forderungen werden nicht mitgezählt86. Pfandgesicherte Forderungen sind nur im Umfang des geschätzten Ausfallbetrages stimmberechtigt87. Die Konkursverwaltung hat zu diesem Zweck eine Pfandschätzung vorzunehmen88; massgeblich ist der voraussichtliche Liquidationswert des Pfandobjektes89. Unabhängig von einer allfälligen Privilegierung ist der Ehegatte90 des Schuldners in jedem Fall nicht stimmberechtigt91. b. Berechnung der Quoren Für die Berechnung verweist Art. 332 Abs. 2 Satz 1 SchKG auf Art. 305 SchKG. Dessen Abs. 3 sieht für den Nachlassvertrag ausser Konkurs vor, dass der Richter u.a. entscheidet, ob und zu welchem Betrag bestrittene Forderungen mitzuzählen sind. Damit sind die vom Schuldner bestrittenen Forderungen gemeint92. Aus «Nachlassvertrags-Optik» würde diese Regelung für den ordentlichen Nachlassvertrag, mit Blick auf die letztendliche Dividendenberechtigung im Falle des Zustandekommens des Nachlassvertrags, auch beim Nachlassvertrag im Konkurs Sinn machen: Massgebend ist diesbezüglich – unter Vorbehalt der rechtskräftigen Feststellung durch den Richter – einzig die Anerkennung der Forderung durch den Schuldner; der Kollokationsplan hingegen ist für die Dividendenberechtigung beim ordentlichen Nachlassvertrag grundsätzlich bedeutungslos93. Aus «Konkurs-Optik» jedoch will eine solche Regelung für einen ordentlichen Nachlassvertrag im Konkurs nicht recht passen: Im Konkurs wird über die Zulassung der Forderungen grundsätzlich im Kollokationsverfahren entschieden; auf die Anerkennung oder Bestreitung durch den Schuldner kommt es diesfalls nicht an. U.E. ist dieser konkursrechtlichen Sichtweise der Vorzug zu geben. Sie trägt zum Schutz des rechtskräftig kollozierten Gläubigers94 vor der Bestäti85 86 87 88 89 90 91 92 93 94 Art. 332 Abs. 2 i.V.m. Art. 305 Abs. 1 SchKG. Art. 332 Abs. 2 i.V.m. Art. 305 Abs. 2 SchKG; für den Nachlassvertrag ausser Konkurs: Hunkeler (FN 5), Rz. 950. Art. 332 Abs. 2 i.V.m. Art. 305 Abs. 2 SchKG; für den Nachlassvertrag ausser Konkurs: Hunkeler (FN 5), Rz. 954. Art. 299 Abs. 1 SchKG analog; Gilliéron (FN 9), Art. 332 SchKG N 15; BGE 107 III 41. BGE 107 III 41 f. Gleichgestellt ist der Partner einer eingetragenen gleichgeschlechtlichen Partnerschaft (Art. 305 Abs. 2 Satz 1 SchKG). Art. 332 Abs. 2 i.V.m. Art. 305 Abs. 2 SchKG; für den Nachlassvertrag ausser Konkurs: Hunkeler (FN 5), Rz. 951. Winkelmann/Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7), Art. 305 SchKG N 32; Gilliéron (FN 9), Art. 305 SchKG N 16; Jaeger/Walder/Kull/Kottmann (FN 11), Art. 305 SchKG N 45. Vgl. III.B.2. Der Bestand seiner Forderung wurde durch die Konkursverwaltung immerhin summarisch geprüft (Art. 244 f. SchKG). Es AJP 03_2009.indb 336 gung eines sich für ihn allenfalls nachteilig auswirkenden Nachlassvertrages bei. Für die Berechnung der Quoren ist somit in erster Linie auf den Kollokationsplan abzustellen95. Ob der Gemeinschuldner die betreffende Forderung bestritten hat, ist daher unmassgeblich. Massgeblich sind die rechtskräftig kollozierten Gläubiger und deren Forderungen96. Im Rahmen der Kollokation definitiv abgewiesene Forderungen werden bei der Berechnung nicht mit einbezogen97. Dies muss a fortiori für den Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung gelten, da sich bei diesem (im Unterschied zum ordentlichen Nachlassvertrag) selbst die Dividendenberechtigung nach der Kollokation richtet98. Beim Nachlassvertrag ausser Konkurs sind nur diejenigen Gläubiger stimmberechtigt, welche ihre Forderungen rechtzeitig angemeldet haben99. Mangels vorgängiger Bekanntmachung100 eines Zeitpunkts, bis wann eine Forderungsanmeldung zu erfolgen hat, um das Stimmrecht zu wahren, gibt es beim Nachlassvertrag im Konkurs keinen datummässig bestimmten Zeitpunkt, bis wann die Forderungen angemeldet werden müssen. Da Zustimmungserklärungen zum Nachlassvertrag noch bis zur Bestätigungsverhandlung geleistet werden können101, sind u.E. auch alle Forderungen zu berücksichtigten, welche bis dahin angemeldet werden. Der Nachlassrichter entscheidet, ob bzw. inwiefern Forderungen, welche im Konkursverfahren verspätet eingegeben wurden102, so dass sie im Kollokationsplan nicht aufgeführt sind, berücksichtigt werden103. Dasselbe gilt für Forderungen, deren Kollokation ausgesetzt worden ist104. Ebenso entscheidet er, inwieweit Forderungen, die im Zeitpunkt der Konkurseröffnung bereits Gegenstand eines Pro- 95 96 97 98 99 100 101 102 103 104 erscheint unbillig, die Stimmberechtigung trotz durchgeführter Kollokation von der Anerkennung der Forderung durch den Gemeinschuldner abhängig zu machen und damit in dessen Belieben zu stellen oder gar für Manipulationen anfällig zu machen. Ein neuer Schuldenruf findet nicht statt (Art. 332 Abs. 2 i.V.m. Art. 300 SchKG e contrario; Junod Moser/Gaillard (FN 22), Art. 332 SchKG N 10). Jaeger (FN 11), Art. 317 SchKG N 5; Jaeger/Walder/ Kull/Kottmann (FN 11), Art. 332 SchKG N 19; Wüthrich/ Rothenbühler (FN 7), Art. 332 SchKG N 6. Art. 332 Abs. 2 i.V.m. Art. 305 Abs. 3 SchKG; Winkelmann/ Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7), Art. 332 SchKG N 7; Jaeger/Walder/Kull/Kottmann (FN 11), Art. 332 SchKG N 19 f.; Junod Moser/Gaillard (FN 22), Art. 332 SchKG N 20 f. Vgl. III.C.2. Art. 300 Abs. 1 Satz 1 SchKG. Zum Nachlass ausser Konkurs vgl. Art. 300 Abs. 1 SchKG. Vgl. II.B.5. Art. 251 SchKG. Vgl. Wüthrich/Rothenbühler (FN 7), Art. 332 SchKG N 6. Gemäss diesen Autoren soll dies nur gelten, soweit die Forderung vom Schuldner bestritten wird. Art. 59 Abs. 3 KOV; gemäss Wüthrich/Rothenbühler (FN 7), Art. 332 SchKG N 6 soll dies nur gelten, soweit die Forderung vom Schuldner bestritten wird. 10.3.2009 9:12:23 Uhr Nachlassvertrag im Konkurs (Art. 332 SchKG) AJP/PJA 3/2009 337 zesses bildeten und daher im Kollokationsplan nur pro memoria aufgeführt wurden105, bei der Berechnung der Quoren zu berücksichtigen sind106. Der Richter hat auch darüber zu entscheiden, inwieweit Forderungen, welche Gegenstand einer Anfechtung des Kollokationsplans sind, bei der Berechnung der Quoren gemäss Art. 305 SchKG mit einbezogen werden107. Dies gilt sowohl für Forderungen, welche Gegenstand einer positiven Kollokationsklage (eines Gläubigers gegen die Masse auf Zulassung seiner Forderung108) bilden, als auch für solche, welche Gegenstand einer negativen Kollokationsklage (eines Gläubigers auf Wegweisung der Forderung eines anderen Gläubigers109) sind. Bei seiner Entscheidung über die Stimmberechtigung stellt der Nachlassrichter auf die Wahrscheinlichkeit der Berechtigung der Forderung ab110. Dabei kann er eine Forderung auch nur teilweise als stimmberechtigt einstufen111. Beim Nachlassvertrag ausser Konkurs stützt er sich bei seiner Beurteilung auf den Bericht des Sachwalters und allenfalls auf die Stellungnahmen der betroffenen Gläubiger und des Schuldners112. Der Antrag des Sachwalters über die Stimmberechtigung ist dabei für den Richter nicht bindend, hat aber praxisgemäss eine wichtige Bedeutung113. Beim Nachlassvertrag im Konkurs tritt die Konkursverwaltung an die Stelle des Sachwalters114. Sie muss sich in ihrem Bericht zuhanden des Nachlassrichters115 zur Berechnung der Quoren und damit auch zur Wahrscheinlichkeit solcher Forderungen äussern. Der Nachlassrichter stützt sich bei seinem Entscheid zudem auch auf die Konkursakten116. Soweit es um Forderungen geht, die Gegenstand eines Prozesses bilden (gleichgültig, ob der Prozess bei Konkurseröff105 106 107 108 109 110 111 112 113 114 115 116 Art. 63 Abs. 1 KOV. Jaeger (FN 11), Art. 317 SchKG N 5; Gilliéron (FN 9), Art. 332 SchKG N 15. Jaeger (FN 11), Art. 317 SchKG N 5; Winkelmann/Lévy/ Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7), Art. 332 SchKG N 7; Gilliéron (FN 9), Art. 332 SchKG N 15; Jaeger/ Walder/Kull/Kottmann (FN 11), Art. 332 SchKG N 20; Junod Moser/Gaillard (FN 22), Art. 332 SchKG N 20; Wüthrich/Rothenbühler (FN 7), Art. 332 SchKG N 6. Art. 250 Abs. 1 SchKG. Art. 250 Abs. 2 SchKG. Gilliéron (FN 9), Art. 332 SchKG N 15; betreffend vom Schuldner bestrittener Forderungen beim Nachlassvertrag ausser Konkurs: Hans Ulrich Hardmeier, in: Adrian Staehelin/ Thomas Bauer/Daniel Staehelin (Hrsg.), Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, Basel/Genf/ München 1998, Art. 305 SchKG N 32. Für den Nachlassvertrag ausser Konkurs: Hardmeier (FN 110), Art. 305 SchKG N 32. Hardmeier (FN 110), Art. 305 SchKG N 32; Jaeger/Walder/ Kull/Kottmann (FN 11), Art. 305 SchKG N 38. Brügger (FN 74), Art. 305 SchKG N 5. Art. 332 Abs. 2 Satz 2 SchKG. Art. 332 Abs. 2 i.V.m. Art. 304 SchKG. «Le dossier de la faillite», vgl. Gilliéron (FN 9), Art. 332 SchKG N 15. AJP 03_2009.indb 337 nung schon hängig war oder ob es sich um einen Kollokationsprozess handelt), wird der Nachlassrichter auch auf die Prozessakten abstellen und sich ein Urteil bilden. Die Anerkennung oder Bestreitung der Forderung durch den Schuldner ist für den Richter nur ein (eher ungewichtiges) Indiz. 2. Hinlängliche Sicherstellung Eine Voraussetzung für die Bestätigung des Nachlassvertrages ist, dass der Vollzug des Nachlassvertrages, die vollständige Befriedigung der angemeldeten privilegierten Gläubiger sowie die Erfüllung der während der Stundung mit Zustimmung des Sachwalters eingegangenen Verbindlichkeiten hinlänglich sichergestellt sind, soweit nicht einzelne Gläubiger ausdrücklich auf die Sicherstellung ihrer Forderung verzichten117. Diese Regelung ist auf den ordentlichen Nachlassvertrag (Dividendenvergleich) ausser Konkurs zugeschnitten118. Beim Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung (Liquidationsvergleich) und bei Nachlassverträgen im Konkurs ergeben sich Besonderheiten. a. Beim ordentlichen Nachlassvertrag aa. Vollzug des Nachlassvertrages Sicherzustellen ist zunächst der «Vollzug des Nachlassvertrages»119. Darunter fällt beim Dividendenvergleich neben den Verfahrenskosten auch die fristgerechte Auszahlung der (gesamten120) Nachlassdividende121. Beim Nachlassvertrag ausser Konkurs ist darunter die Dividende für sämtliche angemeldeten Forderungen, die dem Nachlassvertrag unterliegen, zu verstehen122. Sicherzustellen sind auch verspätet angemeldete Forderungen123 sowie (grundsätzlich) vom Schuldner bestrittene Forderungen124, nicht jedoch die aufgrund der Pfandschätzung gedeckten pfandgesicherten Forderungen125. Ob diese für den Nachlassvertrag ausser 117 118 119 120 121 122 123 124 125 Art. 332 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Art. 306 Abs. 2 Ziff. 2 SchKG. Hardmeier (FN 110), Art. 306 SchKG N 19; Amonn/Walther (FN 32), § 54 N 77; Hunkeler (FN 5), Rz. 1004; Sylvain Marchand, in: Louis Dallèves/Benedict Foëx/Nicolas Jeandin (Hrsg.), Poursuite et faillite: commentaire de la Loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite ainsi que des articles 166 à 175 de la Loi fédérale sur le droit international privé (Commentaire Romand), Basel 2005, Art. 306 SchKG N 37. Art. 332 Abs. 2 i.V.m. Art. 306 Abs. 2 Ziff. 2 SchKG. Jaeger (FN 11), Art. 306 SchKG N 10; Marchand (FN 118), Art. 306 SchKG N 39; BGE 64 I 82. Hardmeier (FN 110), Art. 306 SchKG N 20. Hardmeier (FN 110), Art. 306 SchKG N 20; Marchand (FN 118), Art. 306 SchKG N 40. Hardmeier (FN 110), Art. 306 SchKG N 20; a.M. Hunkeler (FN 5), Rz. 891 f. Hardmeier (FN 110), Art. 306 SchKG N 20; Marchand (FN 118), Art. 306 SchKG N 40; Gilliéron (FN 9), Art. 306 SchKG N 28. Gilliéron (FN 9), Art. 306 SchKG N 27; Hardmeier (FN 110), Art. 306 SchKG N 20. 10.3.2009 9:12:23 Uhr Franco Lorandi/Michael Erismann AJP/PJA 3/2009 338 Konkurs geltenden Grundsätze auch beim (ordentlichen) Nachlassvertrag im Konkurs Geltung haben, ist unklar. U.E. ist zur Beantwortung dieser Frage vom Grundsatz auszugehen, dass die Sicherstellung in aller Regel alle dividendenberechtigten Forderung umfassen soll126. Die Dividendenberechtigung ist von der Kollokation unabhängig127. Beim Dividendenvergleich im Konkurs kann u.E. somit hinsichtlich des Umfangs der Sicherstellung – wie ausser Konkurs – grundsätzlich auf die angemeldeten Forderungen abgestellt werden; der Kollokationsplan ist in diesem Zusammenhang bedeutungslos. Umstritten ist die Sicherstellungspflicht hinsichtlich vom Schuldner bestrittener Forderungen. Ein Teil der Lehre (zum Nachlassvertrag ausser Konkurs) spricht sich für die vollumfängliche Sicherstellung auch bestrittener Forderungen aus128, ein anderer Teil will die Sicherstellung von der Begründetheit der Forderung abhängig machen, welche vom Nachlassrichter analog Art. 305 Abs. 3 SchKG summarisch zu prüfen ist129. U.E. ist letztere Meinung vorzuziehen, wonach der Nachlassrichter entscheidet, ob und in welchem Umfang bestrittene Forderungen ebenfalls sicherzustellen sind. Die Sicherstellung entfällt nachträglich, sofern der Gläubiger der bestrittenen Forderung nicht innert der gesetzlich festgelegten Frist zur Feststellung seiner Forderung Klage einleitet130. Weiter ist beim Dividendenvergleich im Konkurs unklar, ob die Rechtzeitigkeit der Forderungsanmeldung relevant ist und was Rechtzeitigkeit in diesem Kontext überhaupt be- 126 127 128 129 130 A.M. Hardmeier (FN 110), Art. 306 SchKG N 20, welcher dafür hält, dass die Sicherstellungspflicht in der Regel mit der Beurteilung der Stimmberechtigung übereinstimmen wird. Vgl. III.B.2. Marchand (FN 118), Art. 306 SchKG N 40; so wohl auch BGE 36 II 461, wo eine indifferent formulierte Bürgschaft auch bestrittene Forderungen sicherstellte. Hardmeier (FN 110), Art. 306 SchKG N 20; Junod Moser/ Gaillard (FN 22), Art. 315 SchKG N 10; Gilliéron (FN 9), Art. 306 SchKG N 28, mit Verweis auf BGE 47 III 186, wonach jedoch von der Sicherstellung nur bestrittene Forderungen auszunehmen sind, die offensichtlich jeglicher Grundlage entbehren; Entscheid der Rekurskommission des Kt. Thurgau vom 18. November 1970, RBOG 1970 Nr. 6 = SJZ 1971 Nr. 145, 328; so auch der Vorentwurf der Expertengruppe SchKG, allerdings nur in Bezug auf bestrittene privilegierte Forderungen (Art. 306 Abs. 2 Ziff. 2 Satz 2 VE-SchKG); ebenfalls für eine analoge Anwendung von Art. 305 Abs. 3 SchKG auf privilegierte Forderungen Amonn/Walther (FN 32), § 54 N 77; BGE 44 III 235 in Bezug auf Art. 310 aSchKG (heute Art. 315 Abs. 1 SchKG). Art. 315 Abs. 1 SchKG; Marchand (FN 118), Art. 306 SchKG N 40; Gilliéron (FN 21), N 3257; Ders. (FN 9), Art. 315 SchKG N 9; zur Frage, ob die Sicherstellung durch Hinterlegung bei der Depositenanstalt (Art. 315 Abs. 2 SchKG) kumulativ oder alternativ zu erfolgen hat vgl. BGE 36 II 460 f. und Kritik dazu bei Junod Moser/Gaillard (FN 22), Art. 315 SchKG N 16 m.w.H.; vgl. III.B.2. AJP 03_2009.indb 338 deutet. Da keine öffentliche Bekanntmachung unter Androhung des Verlustes des Stimmrechts131 (und damit allenfalls auch des Anspruchs auf Sicherstellung132) erfolgt, scheint es nicht angebracht, Gläubiger ihres Sicherstellungsanspruchs zu berauben. U.E. ist daher grundsätzlich auch die Dividende solcher Gläubiger sicherzustellen, deren Forderung nicht aus dem Kollokationsplan hervorgeht, sondern die ihre Forderung bis spätestens zur Bestätigungsverhandlung anmelden133. Der Schuldner hat sich über die Anerkennung oder Bestreitung dieser Forderung zu erklären. Über die Sicherstellung bestrittener Forderungen entscheidet der Nachlassrichter aufgrund der Wahrscheinlichkeit ihrer Berechtigung134. Wie das Zustimmungsquorum135 wird auch das Quantitativ der Sicherstellung somit erst im Zeitpunkt der Homologation vom Nachlassrichter festgelegt. Aus praktischen Gründen wird man dem Schuldner eine kurze Nachfrist zur allfällig erforderlichen Erhöhung der Sicherstellung gewähren können136. Hingegen kommt bei der Sicherstellung – anders als beim Zustimmungsquorum137 – eine auf die Dividendenberechtigung gerichtete «Nachlassvertrags-Optik»138 zur Anwendung. Der beschriebene Paradigmenwechsel vom Konkurs- zum Nachlassverfahren139 findet (zumindest beim Dividendenvergleich) bei der Sicherstellung statt. bb. Privilegierte Forderungen Sicherzustellen ist weiter die vollständige Befriedigung der angemeldeten privilegierten Gläubiger140. Beim Dividendenvergleich im Konkurs wirft diese Voraussetzung keine besonderen Fragen auf. Es verhält sich gleich wie beim Nachlassvertrag ausser Konkurs. cc. Masseverbindlichkeiten Schliesslich müssen beim Nachlass ausser Konkurs «die während der Stundung mit Zustimmung des Sachwalters eingegangenen Verbindlichkeiten» sichergestellt werden141. Dieser Wortlaut nimmt auf Art. 310 Abs. 2 SchKG Bezug, welcher die Masseverbindlichkeiten während der Nachlassstundung regelt. Bei sinngemässer Anwendung dieser Be- 131 132 133 134 135 136 137 138 139 140 141 Art. 300 Abs. 1 SchKG. Hunkeler (FN 5), Rz. 891. Vgl. II.D.1.b. Vgl. II.D.1.b. Vgl. II.D.1.b. A.M. Hardmeier (FN 110), Art. 306 SchKG N 25, wonach beim Nachlassvertrag ausser Konkurs kein Anspruch auf eine derartige Nachfrist besteht. Vgl. II.D.1.b. Vgl. II.D.1.b. Vgl. II.D. Art. 332 Abs. 2 i.V.m. Art. 306 Abs. 2 Ziff. 2 SchKG; Hardmeier (FN 110), Art. 306 SchKG N 21. Art. 306 Abs. 2 Ziff. 2 SchKG. 10.3.2009 9:12:23 Uhr Nachlassvertrag im Konkurs (Art. 332 SchKG) AJP/PJA 3/2009 339 stimmung142 auf den Nachlass im Konkurs sind darunter die seit Konkurseröffnung entstandenen Masseverbindlichkeiten zu verstehen143. Sie müssen bei einem Dividendenvergleich ebenfalls sichergestellt werden. dd. Hinlänglichkeit der Sicherstellung und Anrechnung von liquidem Massevermögen Beim Nachlassvertrag ausser Konkurs ist im gesetzlich vorgesehenen Umfang hinlänglich Sicherstellung zu leisten144. Dies bedeutet in quantitativer Hinsicht grundsätzlich vollumfängliche Sicherstellung145, es sei denn, einzelne Gläubiger verzichten auf Sicherstellung146. Beim ordentlichen Nachlass im Konkurs verhält es sich u.E. anders: Die Nachlassdividende wird (zumindest teilweise) aus den Konkursaktiven bestritten werden. Soweit diese in geldwerter Form vorliegen, kann nur die Konkursverwaltung darüber verfügen147. Diese Gelder sind somit bereits aufgrund der gesetzlichen Ordnung während des Konkursverfahrens genügend sichergestellt. Aufgrund dessen kann sich der Schuldner die Konkursaktiven, soweit sie in geldwerter Form vorliegen, auf die Sicherstellung anrechnen lassen, indem nur im darüber hinausgehenden Betrag separat Sicherstellung zu leisten ist. In qualitativer Hinsicht bedeutet Hinlänglichkeit, dass im Zeitpunkt der Bestätigung des Nachlassvertrages gewährleistet ist, dass der sicherzustellende Betrag den Gläubigern im Zeitpunkt, in welchem sie die Leistung vom Schuldner verlangen können, auch wirklich zur Verfügung steht148. Im Übrigen bestimmt der Nachlassrichter, welche Art der Sicherstellung er als hinlänglich erachtet149,150. Die Sicherstellung kann durch den Schuldner oder durch Dritte erfolgen151. 142 143 144 145 146 147 148 149 150 151 Art. 332 Abs. 2 SchKG. Art. 262 Abs. 1 SchKG. Art. 306 Abs. 2 Ziff. 2 SchKG. Vgl. II.D.2.a.aa. Art. 306 Abs. 2 Ziff. 2 in fine SchKG. Der Verzicht hat von jedem Gläubiger einzeln, ausdrücklich und schriftlich zu erfolgen; ein genereller Verzicht im Nachlassvertrag ist ungenügend, vgl. Hardmeier (FN 110), Art. 306 SchKG N 24; Marchand (FN 118), Art. 306 SchKG N 47; Brügger (FN 74), Art. 306 SchKG N 6. Art. 9, Art. 24, Art. 223 Abs. 2, Art. 241 SchKG. Ursula Fuchs, Der Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung an einen Dritten, Diss. Basel 1999, 152; Marchand (FN 118), Art. 306 SchKG N 43; Hardmeier (FN 110), Art. 306 SchKG N 20. ZR 95 Nr. 81; Hans Fritzsche/Hans Ulrich Walder, Schuldbetreibung und Konkurs nach schweizerischem Recht, Bd. II, Zürich 1993, § 74 N 12. In Betracht kommen Barhinterlage auf einem Sperrkonto, Realsicherheiten (Pfandbestellung, Sicherungsübereignung), Bürgschaften, Bankgarantien und andere Personalsicherheiten oder auch der Schuldbeitritt, allenfalls auch die Übertragung besonderer Vollzugs- und Überwachungsaufgaben (Art. 314 Abs. 2 SchKG) auf einen Dritten. Fuchs (FN 148), 152; Gilliéron (FN 9), Art. 306 SchKG N 28. AJP 03_2009.indb 339 b. Beim Liquidationsvergleich aa. Vollzug des Nachlassvertrages Bei einem Liquidationsvergleich sind unter diesem Titel einzig die Verfahrenskosten sicherzustellen, da die Nachlassgläubiger beim Liquidationsvergleich durch die Einräumung des Verfügungsrechts an den schuldnerischen Aktiven ausreichend sichergestellt sind152. Anders verhält es sich nur, wenn der Nachlassvertrag eine spezielle Sicherstellungsverpflichtung oder eine zusätzliche Verpflichtung des Schuldners enthält, welche über die Abtretung (von Teilen) seines Vermögens hinausgeht153. Beim Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung im Konkurs ist ein im vorangegangenen Konkursverfahren aufgestellter (rechtskräftiger) Kollokationsplan massgebend für die Teilnahme am Liquidationsergebnis154. Ist demnach (infolge zusätzlicher Verpflichtungen des Schuldners neben der Vermögensabtretung) überhaupt eine Sicherstellung notwendig, so hat diese u.E. nur die rechtskräftig kollozierten und die noch nicht rechtskräftig abgewiesenen Gläubiger zu umfassen. Im Gegensatz zum Dividendenvergleich kommt es hier somit auf die Anerkennung oder Bestreitung der Forderung durch den Schuldner nicht an. Verspätet angemeldete Forderungen sowie pro memoria vorgemerkte oder im Kollokationsstreit liegende Forderungen sind diesfalls grundsätzlich, d.h. vorbehältlich eines abweichenden Entscheides des Nachlassrichters aufgrund der voraussichtlichen Unbegründetheit der Forderung, ebenso sicherzustellen. Bei einem Liquidationsvergleich mit Vermögensabtretung an einen Einzelnen155 umfasst die Sicherstellung zusätzlich zu den Verfahrenskosten auch die Abtretungssumme, d.h. die Gegenleistung des Abtretungsempfängers156. Für die Sicherstellung wird in diesen Fällen regelmässig der Abtretungsempfänger besorgt sein. bb. Privilegierte Forderungen Beim Liquidationsvergleich ist die Pflicht zur Sicherstellung der privilegierten Gläubiger grundsätzlich durch die im Nachlassvertrag enthaltene Vermögensabtretung erfüllt, sofern die Aktiven voraussichtlich157 zu deren vollständigen Befriedigung ausreichen158. Eine separate Sicherstellung ist diesbezüglich nicht erforderlich. 152 153 154 155 156 157 158 Hardmeier (FN 110), Art. 306 SchKG N 26; Brügger (FN 74), Art. 306 SchKG N 4 und N 9; Hunkeler (FN 5), Rz. 1006. Dies ist selten bis (fast) nie der Fall. Als zusätzliche Verpflichtung kommt etwa eine garantierte Mindestdividende bei einem kombinierten Dividenden-/Liquidationsvergleich in Betracht. Vgl. III.C.2. Art. 317 Abs. 1, Art. 318 Abs. 1 Ziff. 3 SchKG. Ludwig (FN 57), 8; Hunkeler (FN 5), Rz. 1006; Fuchs (FN 148), 152; Hardmeier (FN 110), Art. 306 SchKG N 26. Gilliéron (FN 9), Art. 306 SchKG N 34 spricht dagegen von «certitude». Hunkeler (FN 5), Rz. 1007 f.; Brügger (FN 74), Art. 306 SchKG N 9; Hardmeier (FN 110), Art. 306 SchKG N 26. 10.3.2009 9:12:24 Uhr Franco Lorandi/Michael Erismann AJP/PJA 3/2009 340 cc. Masseverbindlichkeiten Bei einem Liquidationsvergleich gelten auch die Masseverbindlichkeiten159 durch die Vermögensabtretung als hinlänglich gesichert160, sofern das abgetretene Vermögen voraussichtlich zur vollständigen Erfüllung derselben genügt. III. Folgen bei Bestätigung des Nachlassvertrages Der Entscheid des Nachlassrichters über den Nachlassvertrag wird der Konkursverwaltung mitgeteilt161. Wird der Nachlassvertrag nicht genehmigt, so nimmt das Konkursverfahren seinen Fortgang162. Kommt der Nachlassvertrag hingegen zustande, hat dies verschiedene Auswirkungen. A. Widerruf des Konkurses Lautet der Entscheid des Nachlassrichters auf Bestätigung des Nachlassvertrages, so beantragt die Konkursverwaltung von Amtes wegen163 beim Konkursgericht den Widerruf des Konkurses164. Erst mit Widerruf des Konkurses wird der Nachlassvertrag wirksam165. Da der Konkurs widerrufen und nicht abgeschlossen wird, werden keine Verlustscheine ausgestellt. Obschon Art. 332 Abs. 2 SchKG keinen Verweis auf Art. 308 enthält, ist u.E. nicht nur der Widerruf des Konkurses166, sondern auch die Bestätigung des Nachlassvertrages öffentlich bekannt zu machen167. Die Gläubiger und 159 160 161 162 163 164 165 166 167 Wie beim ordentlichen Nachlassvertrag (vgl. II.D.2.a.cc.) gelten die während des Konkursverfahrens entstandenen Kosten als Masseverbindlichkeiten (Art. 261 Abs. 1 SchKG). Hunkeler (FN 5), Rz. 1012; Hardmeier (FN 110), Art. 306 SchKG N 26. Art. 332 Abs. 3 Satz 1 SchKG. Jaeger (FN 11), Art. 317 SchKG N 7; Jaeger/Walder/Kull/ Kottmann (FN 11), Art. 332 SchKG N 27; Gilliéron (FN 9), Art. 332 SchKG N 33. Jaeger (FN 11), Art. 317 SchKG N 7; Jaeger/Walder/Kull/ Kottmann (FN 11), Art. 332 SchKG N 26; Winkelmann/ Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7), Art. 332 SchKG N 17; Gilliéron (FN 9), Art. 332 SchKG N 34. Art. 332 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. Art. 195 Abs. 1 Ziff. 3 SchKG; Winkelmann/Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7), Art. 332 SchKG N 17; Gilliéron (FN 9), Art. 332 SchKG N 34; Marchand (FN 118), Art. 332 SchKG N 29; Wüthrich/ Rothenbühler (FN 7), Art. 332 SchKG N 21; BGE 85 III 88. Jaeger (FN 11), Art. 317 SchKG N 7; Winkelmann/Lévy/ Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7), Art. 332 SchKG N 17 in fine; Jaeger/Walder/Kull/Kottmann (FN 11), Art. 332 SchKG N 26; Wüthrich/Rothenbühler (FN 7), Art. 332 SchKG N 22. Gemäss Art. 195 Abs. 3 SchKG. Winkelmann/Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7), Art. 332 SchKG N 17; Wüthrich/Rothenbühler (FN 7), AJP 03_2009.indb 340 sonstige Interessierte sollen damit nicht nur vom Ende des Konkursverfahrens (zufolge Widerruf), sondern auch vom Grund hierfür, nämlich dem Zustandekommen eines Nachlassvertrages, Kenntnis erlangen. Ein zusätzlicher Aufwand oder zusätzliche Kosten sind damit nicht verbunden; die beiden Publikationen können miteinander verbunden werden. Die Publikation obliegt dem Gericht, welches den Entscheid getroffen hat168; vorliegend dem Konkursgericht. Die Folgen des Widerrufs des Konkurses sind unterschiedlich, je nachdem, ob ein ordentlicher Nachlassvertrag oder ein solcher mit Vermögensabtretung zustande kommt. B. Folgen beim ordentlichen Nachlassvertrag 1. Folgen für das Konkursverfahren Durch den Widerruf des Konkurses wird das Konkursverfahren in seiner Gesamtheit rückgängig gemacht. Die vor dem Konkurs bestandenen Rechtsverhältnisse leben grundsätzlich wieder auf, soweit dies faktisch noch möglich ist169. Bereits vorgenommene Verwertungshandlungen bleiben jedoch gültig170. Die Konkursmasse als Sondervermögen und Rechtssubjekt wird aufgehoben171. Der Schuldner erlangt die Verfügungsgewalt über sein Vermögen wieder, soweit dieses noch nicht verwertet worden ist172. Bei bereits durchgeführter Verwertung besteht dieses Recht des Schuldners am Verwertungsergebnis. Ist der Schuldner eine juristische Person, so wird die Vertretungsmacht der Organe wiederhergestellt. 168 169 170 171 172 Art. 332 SchKG N 23; a.M. Jaeger (FN 11), Art. 317 SchKG N 6; Jaeger/Walder/Kull/Kottmann (FN 11), Art. 332 SchKG N 25; Gilliéron (FN 9), Art. 332 SchKG N 23, N 35. Art. 308 SchKG und Art. 332 Abs. 3 i.V.m. Art. 195 Abs. 3 und Art. 176 SchKG analog; Hardmeier (FN 110), Art. 308 SchKG N 16; Alexander Brunner, in: Adrian Staehelin/Thomas Bauer/Daniel Staehelin (Hrsg.), Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, Basel/Genf/München 1998, Art. 195 SchKG N 13. Jaeger (FN 11), Art. 195 SchKG N 2. Flavio Cometta, in: Louis Dallèves/Benedict Foëx/Nicolas Jeandin (Hrsg.), Poursuite et faillite: commentaire de la Loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite ainsi que des articles 166 à 175 de la Loi fédérale sur le droit international privé (Commentaire Romand), Basel 2005, Art. 195 SchKG N 8. Wüthrich/Rothenbühler (FN 7), Art. 332 SchKG N 25; BGE 49 III 197. Wüthrich/Rothenbühler (FN 7), Art. 332 SchKG N 25; Glarner (FN 15), 37 f.; Winkelmann/Lévy/Jeanneret/ Merkt/Birchler (FN 7), Art. 332 SchKG N 18; Amonn/ Walther (FN 32), § 39 N 6; Gilliéron (FN 9), Art. 332 SchKG N 30; Walter A. Stoffel, Voies d’éxécution, Bern 2002, § 9 N 125; Cometta (FN 170), Art. 195 SchKG N 8; Junod Moser/Gaillard (FN 32), Art. 332 SchKG N 32; BGE 117 III 42, 49 III 198. 10.3.2009 9:12:24 Uhr Nachlassvertrag im Konkurs (Art. 332 SchKG) AJP/PJA 3/2009 341 Das Handelsregisteramt hat die anlässlich der Konkurseröffnung vorgenommenen Löschungen von Amtes wegen rückgängig zu machen173. Die Befugnisse der Konkursverwaltung und eines allfälligen Gläubigerausschusses erlöschen vollumfänglich174. Allenfalls kann der Nachlassrichter eine Person einsetzen, die zur Durchführung oder zur Sicherstellung der Erfüllung des Nachlassvertrages mit Überwachungs-, Geschäftsführungs- oder Liquidationsbefugnissen betraut wird175. Die Pfandgläubiger erhalten die Befugnis zur Verwertung ihrer Pfänder wieder, sofern der Nachlassrichter deren Verwertung nicht sistiert176. Betreibungen, die im Zeitpunkt der Konkurseröffnung hängig waren, leben grundsätzlich nicht wieder auf177. Eine Ausnahme gilt für Betreibungen auf Pfandverwertung; diese werden fortgeführt178. 2. Dividendenberechtigung Dividendenberechtigt sind zum einen alle Gläubiger, deren Forderungen (vor Konkurseröffnung bzw. bis zum Widerruf desselben mit voller materieller Rechtskraftwirkung179) gerichtlich festgestellt wurden. Anspruch auf Dividende haben auch Gläubiger, deren Forderungen der Gemeinschuldner im Konkursverfahren bei der Prüfung der eingegebenen Forderungen anerkannt hat180. Es ist damit der Schuldner, der – gleich wie beim (ordentlichen) Nachlassvertrag ausser Konkurs181 – über die Zulassung von Forderungen und damit über die Dividendenberechtigung entscheidet182. Auf die 173 174 175 176 177 178 179 180 181 182 Beurteilung der Forderung durch die Konkursverwaltung im Rahmen der Kollokation kommt es (anders als beim Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung183) nicht an184. Wenn der Schuldner eine Forderung im Konkursverfahren bestritten hat, setzt der Nachlassrichter bei Bestätigung des Dividendenvergleichs dem Gläubiger eine Frist von 20 Tagen ab Widerruf des Konkurses185 an, um seine Forderung gerichtlich gegen den Schuldner geltend zu machen186. Nach Massgabe des Prozessausgangs ist auch dieser Gläubiger dividendenberechtigt187. Selbst wenn der betreffende Gläubiger die Frist verstreichen lässt, bedeutet dies nicht die Verwirkung seiner Forderung. Er kann seinen Anspruch auf Nachlassdividende unter Vorbehalt der Verjährung seiner Forderung jederzeit geltend machen. Mit Ablauf der 20-tägigen Frist verliert er einzig das Privileg der Sicherstellung seiner Dividende188. Glarner (FN 15), 38; Art. 158 f. HRegV. Jaeger (FN 11), Art. 317 SchKG N 7; Winkelmann/Lévy/ Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7), Art. 332 SchKG N 20; Junod Moser/Gaillard (FN 32), Art. 332 SchKG N 36; Wüthrich/Rothenbühler (FN 7), Art. 332 SchKG N 25. Art. 332 Abs. 2 i.V.m. Art. 314 Abs. 2 SchKG. Art. 332 Abs. 2 i.V.m. Art. 306a Abs. 1 SchKG; Winkelmann/ Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7), Art. 332 SchKG N 19; Gilliéron (FN 9), Art. 332 SchKG N 36; Wüthrich/ Rothenbühler (FN 7), Art. 332 SchKG N 26; a.M. BGE 107 III 42 f., welcher allerdings zum alten Gesetzeswortlaut erging, so dass dieser Entscheid nicht mehr massgeblich ist, vgl. Gilliéron (FN 9), Art. 332 SchKG N 22. Art. 332 Abs. 2 i.V.m. Art. 311 SchKG; Gilliéron (FN 9), Art. 332 SchKG N 26; Brunner (FN 168), Art. 195 SchKG N 11; Amonn/Walther (FN 32), § 39 N 7; Stoffel (FN 173), § 9 N 125; Cometta (FN 170), Art. 195 SchKG N 8; BGE 93 III 59, 75 III 67. Art. 332 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Art. 311 SchKG. Kollokationsurteile entfalten keine materielle Rechtskraft über das Konkursverfahren hinaus (vgl. III.B.3.). Art. 332 Abs. 2 i.V.m. Art. 315 sowie Art. 244 SchKG; Winkelmann/Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7), Art. 332 SchKG N 18; Gilliéron (FN 9), Art. 332 SchKG N 29; Junod Moser/Gaillard (FN 22), Art. 332 SchKG N 33; Wüthrich/ Rothenbühler (FN 7), Art. 332 SchKG N 25; BGE 49 III 198 f. Vgl. Art. 315 SchKG. BGE 49 III 199. AJP 03_2009.indb 341 3. Bedeutung des Kollokationsplans Beim ordentlichen Nachlassvertrag189 im Konkurs verliert der Kollokationsplan mit Bestätigung des Dividendenvergleichs jede Bedeutung190. Dies ergibt sich aus dem Wesen des Kollokationsverfahrens, welches auf das Vollstreckungsverfahren beschränkt ist. Dies zeigt sich auch darin, dass es sich bei der Kollokationsklage um eine betreibungsrechtliche Klage mit Reflexwirkung auf das materielle Recht handelt. Das Urteil im Kollokationsprozess hat keine über das betreffende Konkursverfahren hinausgehende materiellrechtliche Bedeutung. Dies gilt für unangefochtene Kollokationsverfügungen a fortiori. Weder Kollokationsverfügungen noch Kollokationsurteile begründen daher ausserhalb des betreffenden Konkursverfahrens die Einrede der res iudicata191. Somit werden hängige Kollokationsklagen mit Widerruf des Konkurses (zufolge Zustandekommens eines ordent- 183 184 185 186 187 188 189 190 191 Vgl. III.C.2. Winkelmann/Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7), Art. 332 SchKG N 18; Wüthrich/Rothenbühler (FN 7), Art. 332 SchKG N 25; zur Relevanz der Kollokation und des Kollokationsplans vgl. III.B.3. Winkelmann/Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7), Art. 332 SchKG N 18; Junod Moser/Gaillard (FN 22), Art. 332 SchKG N 33 f.; Wüthrich/Rothenbühler (FN 7), Art. 332 SchKG N 25. Art. 332 Abs. 2 i.V.m. Art. 315 Abs. 1 SchKG; Winkelmann/ Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7), Art. 332 SchKG N 18; Gilliéron (FN 9), Art. 332 SchKG N 29; Junod Moser/Gaillard (FN 22), Art. 332 SchKG N 33 f. Aus diesem Grund sind grundsätzlich auch bestrittene Forderungen sicherzustellen (vgl. II.D.2.a.aa.). Art. 315 Abs. 1 SchKG; vgl. II.D.2.a.aa. Anders beim Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung, vgl. III.C.2. BGE 49 III 198. Statt vieler: Amonn/Walther (FN 32), § 46 N 62; a.M. Daniel Spichty, Gegenstand, Rechtsnatur und Rechtskraftwirkung des Kollokationsplanes im Konkurs, Diss. Basel 1979, 146 ff. 10.3.2009 9:12:24 Uhr Franco Lorandi/Michael Erismann AJP/PJA 3/2009 342 lichen Nachlassvertrages) gegenstandslos192. Dies gilt sowohl für Zulassungs-193 als auch für Wegweisungsklagen194. Mit der Aufhebung der Konkursmasse fällt denn auch die Prozessführungsbefugnis des Wegweisungsklägers dahin195. Ganz generell gilt: «Die Gläubiger konkurrieren nicht mehr miteinander mit Bezug auf das Recht, aus einem bestimmten Aktivum [nämlich der Masse] bezahlt zu werden. Jeder einzelne von ihnen kann nur verlangen, dass er gemäss dem Nachlassvertrag befriedigt [wird].»196 4. Auswirkungen auf Abtretungen gemäss Art. 260 SchKG und gestützt darauf eingeleitete Prozesse Abtretungsgläubiger agieren als Prozessstandschafter in eigenem Namen und auf eigene Rechnung, aber aus dem Recht der Masse197. Die Abtretung gemäss Art. 260 SchKG ist ein insolvenzrechtliches Institut (der Generalexekution) zum Zwecke der Verwertung bestrittener Aktivforderungen der Masse. Mit dem Widerruf des Konkurses wird die Masse aufgehoben198. Mit Zustandekommen eines ordentlichen Nachlassvertrages findet keine Generalexekution mehr statt. Damit entfällt die konkursrechtliche Grundlage der Abtretung. Die Abtretungen fallen daher mit Widerruf des Konkurses von Gesetzes wegen dahin199,200. Gleichsam fehlt es dem Abtretungsgläubiger nunmehr an der notwendigen konkursrechtlichen Legitimation zur Verfolgung des abgetretenen Anspruchs201. Somit werden Klagen, welche vom Abtretungsgläubiger angehobenen worden sind, grundsätzlich gegenstandslos202. Diese Regel gilt ausnahmslos, soweit es sich um rein vollstreckungsrechtliche Klagen oder um betreibungsrechtliche Klagen mit Reflexwirkung auf das materielle Recht handelt. Dazu gehören etwa paulia- 192 193 194 195 196 197 198 199 200 201 202 Winkelmann/Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7), Art. 332 SchKG N 18; Gilliéron (FN 9), Art. 332 SchKG N 29. Art. 250 Abs. 1 SchKG. Art. 250 Abs. 2 SchKG. BGE 49 III 197. BGE 49 III 198. BGE 122 III 490, 113 III 137. Vgl. III.B.1. Jaeger (FN 11), Art. 260 SchKG N 3; Winkelmann/Lévy/ Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7), Art. 332 SchKG N 20; Amonn/Walther (FN 32), § 47 N 71; Junod Moser/Gaillard (FN 22), Art. 332 SchKG N 36; BGE 109 III 29, 49 III 197, 43 III 75; noch offengelassen wurde die Frage in BGE 33 I 242. Es handelt sich insofern nicht um eine bereits abgeschlossene Verwertungshandlung, vgl. III.B.1. BGE 109 III 29, 33 I 242. BGE 49 III 197; vgl. auch Winkelmann/Lévy/Jeanneret/ Merkt/Birchler (FN 7), Art. 332 SchKG N 20; Brunner (FN 168), Art. 195 SchKG N 11; Wüthrich/Rothenbühler (FN 7), Art. 332 SchKG N 27. AJP 03_2009.indb 342 nische Anfechtungsklagen (Art. 285 ff. SchKG)203 oder Aussonderungsklagen (Art. 242 SchKG)204. Anders kann es sich u.E. dagegen für Prozesse verhalten, welche eine rein materiellrechtliche Streitigkeit zum Gegenstand haben. In diesen Fällen ist es nach Massgabe des Prozessrechts möglich, dass der Schuldner anstelle des Abtretungsgläubigers in den Prozess eintritt und diesen (anstelle des Abtretungsgläubigers) fortführt (sog. Parteiwechsel). Denn mit Widerruf des Konkurses erlangt der Schuldner wieder die volle Verfügungsbefugnis über sein Vermögen205 und damit über den Streitgegenstand. Sofern die massgebliche Prozessordnung schon bei materiellrechtlicher Übertragung des Prozessgegenstandes206 einen Parteiwechsel zulässt207, so muss dies bei Wiedererlangung der Prozessführungsbefugnis (zufolge Wegfalls der Abtretung gemäss Art. 260 SchKG) a fortiori gelten. 5. Auswirkungen auf sonstige Prozesse Prozesse, welche vor Konkurseröffnung eingeleitet und zufolge Konkurs sistiert wurden (Art. 207 SchKG), werden zwischen dem Schuldner und der Gegenpartei fortgeführt208. Dies gilt sowohl für Aktivprozesse als auch für Forderungsprozesse gegen den Schuldner. Soweit der Schuldner in einem Passivprozess die Forderung im Rahmen der Erwährung (weiterhin) bestritten hat, macht es keinen Sinn, solche Prozesse als gegenstandslos zu betrachten und dem Gläubiger sogleich gemäss Art. 315 SchKG Frist anzusetzen209, um eine neue Klage gegen den Schuldner zu führen. Hat der Schuldner die Forderung im Konkurs hingegen anerkannt, ist der Gläubiger zwar grundsätzlich dividendenberechtigt210, jedoch nur vorbehältlich der gerichtlichen Feststellung von Bestand und Umfang seiner Forderung. Der Prozess wird daher nicht gegenstandslos, sondern ist fortzuführen. Da der 203 204 205 206 207 208 209 210 Statt vieler: Amonn/Walther (FN 32), § 52 N 39 ff. Amonn/Walther (FN 32), § 45 N 46; Marc Russenberger, in: Adrian Staehelin/Thomas Bauer/Daniel Staehelin (Hrsg.), Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, Basel/Genf/München 1998, Art. 242 SchKG N 6; Nicolas Jeandin/Philipp Fischer, in: Louis Dallèves/Benedict Foëx/ Nicolas Jeandin (Hrsg.), Poursuite et faillite: commentaire de la Loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite ainsi que des articles 166 à 175 de la Loi fédérale sur le droit international privé (Commentaire Romand), Basel 2005, Art. 242 SchKG N 27; Gilliéron (FN 9), Art. 242 SchKG N 71. Vgl. III.B.1. Wie etwa bei Abtretung des einklagten Anspruchs, vgl. Richard Frank/Hans Sträuli/Georg Messmer, Kommentar zur zürcherischen Zivilprozessordnung, 3. A., Zürich 1997, § 49 ZPO N 2; auch bei Veräusserung des Streitgegenstandes auf Beklagtenseite: Hans Ulrich Walder-Richli, Zivilprozessrecht, 4. A., Zürich 1996, § 15 N 4. Vgl. § 49 ZPO ZH; Art. 83 E-ZPO. A.M. Gilliéron (FN 9), Art. 332 SchKG N 29. Art. 244 Satz 2 SchKG. Vgl. III.B.2. 10.3.2009 9:12:25 Uhr Nachlassvertrag im Konkurs (Art. 332 SchKG) AJP/PJA 3/2009 343 Schuldner die Forderung anerkennt, wird er sich der Klage kaum mehr widersetzen. Wenn der Schuldner nicht nur die Forderung, sondern auch die Klage anerkennt, wird der Prozess als zufolge Klageanerkennung erledigt abgeschrieben. Für Prozesse, welche die Konkursmasse gegen Dritte angehoben hat, verhält es sich u.E. gleich wie für Prozesse von Abtretungsgläubigern211: Die Prozesse der Masse werden mit Widerruf des Konkurses gegenstandlos, soweit es sich um rein vollstreckungsrechtliche Klagen oder um betreibungsrechtliche Klagen mit Reflexwirkung auf das materielle Recht handelt. Prozesse, für welche der Konkurs eine Voraussetzung darstellt (wie etwa Verantwortlichkeitsklagen der Gesellschaftsgläubiger; Art. 757 OR), sind abzuweisen, da es mit Widerruf des Konkurses an der Aktivlegitimation der Kläger fehlt212. Bei rein materiellrechtlichen Streitigkeiten (für welche der Konkurs keine Voraussetzung ist) ist nach Massgabe des Prozessrechts ein Parteiwechsel möglich, in welchem Fall der Schuldner den Prozess gegen den Dritten fortsetzen kann. SchKG, soweit diese Ordnung nicht durch das vorangegangene Verfahren (Art. 332 SchKG) derogiert worden ist218. Betreibungen können nicht fortgesetzt werden219. Vorbehalten bleibt das Absonderungsrecht der Faustpfandgläubiger220 und das Recht der Grundpfandgläubiger, ihr Pfand zu verwerten221. 2. Bedeutung des Kollokationsplans/ Dividendenberechtigung Bei Annahme eines Nachlassvertrages mit Vermögensabtretung tritt das eine Verfahren der Generalexekution (Liquidationsvergleich) an die Stelle des anderen (Konkursverfahren). Die Auswirkungen sind daher bedeutend geringer als bei Annahme eines ordentlichen Nachlassvertrages. An die Stelle der Konkursmasse tritt die Nachlassmasse213. Der Schuldner erlangt diesfalls die Verfügungsmacht über sein Vermögen (zumindest im Umfang, da er seinen Gläubigern das Verfügungsrecht eingeräumt hat214) gerade nicht wieder215. An die Stelle der Konkursverwaltung treten die Liquidatoren216. Sie vertreten die Nachlassmasse vor Gericht217. Das nachfolgende Verfahren richtet sich nach den Art. 317 ff. Beim Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung konkurrieren die Gläubiger (unbesehen des Widerrufs des Konkurses) ebenso miteinander, wie dies im Konkurs der Fall war; sie wollen aus denselben Aktiven befriedigt werden. Im Gegensatz zum Dividendenvergleich222 kommt es beim Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung (ausser Konkurs) für die Frage, ob ein Gläubiger am Liquidationsergebnis teilhaben kann, nicht auf die Anerkennung seiner Forderung durch den Nachlassschuldner an223. Massgebend ist einzig der Kollokationsplan. Dieser wird im Regelfall (des Nachlassvertrages ausser Konkurs) durch die im Liquidationsvergleich bezeichneten Liquidatoren aufgestellt224. Beim Liquidationsvergleich im Konkurs besteht insofern eine Besonderheit, als im Konkursverfahren, welches dem Nachlassverfahren vorangegangen ist, bereits eine Kollokation durchgeführt werden musste225. Auf die Kollokation beim Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung (ausser Konkurs) sind grundsätzlich die konkursrechtlichen Bestimmungen sinngemäss anwendbar226. Es ergäbe deshalb keinen Sinn, die bereits durchgeführte Kollokation zu ignorieren und ein neues Kollokationsverfahren durch die Liquidatoren durchzuführen. Deshalb ist die Nachlassmasse an den im Rahmen des Konkursverfahrens aufgestellten Kollokationsplan gebunden227. Es wird kein neuer Kollokationsplan aufgestellt228. Dabei gilt es folgendes zu beachten: Im Konkurs müssen bei der Kollokation grundsätzlich nur angemeldete Forde- 211 218 C. Folgen beim Liquidationsvergleich 1. Folgen für das Konkursverfahren/ Fortsetzung des Vollstreckungsverfahrens 212 213 214 215 216 217 Vgl. III.B.4. Vgl. Winkelmann/Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7), Art. 332 SchKG N 20; Wüthrich/Rothenbühler (FN 7), Art. 332 SchKG N 27 sprechen von «Beendigung» solcher Verfahren. Winkelmann/Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7), Art. 332 SchKG N 21; Gilliéron (FN 9), Art. 332 SchKG N 29. Art. 332 Abs. 2 i.V.m. Art. 317 Abs. 1 SchKG. Art. 332 Abs. 2 i.V.m. Art. 319 Abs. 1 SchKG; Winkelmann/ Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7), Art. 332 SchKG N 21; Amonn/Walther (FN 32), § 55 N 22; Gilliéron (FN 9), Art. 332 SchKG N 30 f.; Wüthrich/Rothenbühler (FN 7), Art. 332 SchKG N 28. Winkelmann/Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7), Art. 332 SchKG N 21. Art. 332 Abs. 2 i.V.m. Art. 319 Abs. 4 Satz 1 SchKG. AJP 03_2009.indb 343 219 220 221 222 223 224 225 226 227 228 Gilliéron (FN 9), Art. 332 SchKG N 31. Art. 332 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Art. 311 SchKG. Art. 332 Abs. 2 i.V.m. Art. 324 SchKG. Art. 332 Abs. 2 i.V.m. Art. 323 SchKG. Vgl. III.B.2. Fritzsche/Walder (FN 149), § 77 N 24. Art. 321 SchKG. Art. 332 Abs. 1 Satz 2 SchKG. Winkelmann/Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7), Art. 332 SchKG N 21. Ludwig (FN 57), 86; Winkelmann/Lévy/Jeanneret/Merkt/ Birchler (FN 7), Art. 332 SchKG N 21; Junod Moser/Gaillard (FN 22), Art. 321 SchKG N 7; BGE 49 III 198; missverständlich Amonn/Walther (FN 32), § 55 N 33; Wüthrich/ Rothenbühler (FN 7), Art. 332 SchKG N 28; BGE 49 III 198. Gilliéron (FN 9), Art. 332 SchKG N 29. 10.3.2009 9:12:25 Uhr Franco Lorandi/Michael Erismann AJP/PJA 3/2009 344 rungen berücksichtig werden229; einzig die aus dem Grundbuch ersichtlichen Forderungen sind von Amtes wegen zu berücksichtigen230. Demgegenüber besteht beim Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung (ausser Konkurs) die Pflicht, bei der Kollokation auch sämtliche Forderungen von Amtes wegen zu berücksichtigen, welche sich aus den Geschäftsbüchern des Nachlassschuldners ergeben231. Trotz des Verweises in Art. 332 Abs. 3 Satz 1 SchKG auf die Bestimmung beim Liquidationsvergleich ausser Konkurs müssen u.E. Geschäftsbuchforderungen nicht von Amtes wegen berücksichtigt werden232. Da die Kollokation unter dem Regime des Konkursrechts erfolgte und aus Gründen der Verfahrensökonomie für den Liquidationsvergleich übernommen wird, ist es nicht gerechtfertigt, die Geschäftsbuchgläubiger besser zu stellen als andere Gläubiger, welche ihre Forderungen nicht anmelden. 3. Schicksal hängiger Kollokationsprozesse Ist beim Liquidationsvergleich der im vorangehenden Konkursverfahren erstellte Kollokationsplan massgebend233, so sind folgerichtig auch hängige Kollokationsprozesse weiterzuführen. Sowohl die Liquidatoren (als Vertreter der beklagten Masse beim positiven Kollokationsprozess) als auch die Wegweisungskläger (beim negativen Kollokationsprozess) agieren aus dem Recht der Masse. Diese mutiert infolge der Bestätigung des Nachlassvertrages von der Konkurs- zur Nachlassmasse. Dies stellt jedoch keinen Rechtsübergang dar. Die Mutation ändert auch nichts am Rechtsschutzinteresse der Parteien des Kollokationsprozesses. Die Liquidatoren bzw. die Nachlassmasse treten an Stelle der Konkursverwaltung bzw. der Konkursmasse in den positiven Kollokationsprozess ein234. Es findet u.E. von Bundesrechts wegen ein Parteiwechsel i.w.S. statt, welcher unbesehen der Bestimmungen der anwendbaren Prozessordnung zum Parteiwechsel zulässig ist235. Auch der Wegweisungsprozess bleibt u.E. von der Bestätigung des Liquidationsvergleichs bzw. vom Konkurswiderruf unberührt. 229 230 231 232 233 234 235 Art. 244 Abs. 1 SchKG. Art. 246 SchKG. Art. 321 SchKG. So auch Gilliéron (FN 9), Art. 332 SchKG N 31. Vgl. III.C.2. Ludwig (FN 57), 86; vgl. auch Winkelmann/Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7), Art. 332 SchKG N 21; Wüthrich/Rothenbühler (FN 7), Art. 332 SchKG N 28. Es verhält sich insofern ähnlich, wie wenn in einem hängigen Prozess anstelle der (vormals aufrechtstehenden) Partei die Masse in den Prozess eintritt, vgl. Adrian Staehelin/Daniel Staehelin/Pascal Grolimund, Zivilprozessrecht, Zürich 2008, § 13 N 78. AJP 03_2009.indb 344 4. Auswirkungen auf Abtretungen gemäss Art. 260 SchKG und gestützt darauf eingeleitete Prozesse Im Fall des Nachlassvertrages mit Vermögensabtretung muss hinsichtlich des Schicksals von im Konkurs vorgenommenen Forderungsabtretungen (Art. 260 SchKG) und gestützt darauf eingeleiteten Klagen unterschieden werden: Bei der Abtretung gemäss Art. 260 SchKG (im Konkurs) handelt es sich um eine Verwertungshandlung, wie sie ebenso beim Liquidationsvergleich möglich ist236. Sofern durch den Nachlassvertrag das gesamte schuldnerische Vermögen abgetreten wird und die Abtretung dieses Vermögens nicht an einen Einzelnen erfolgt237, besteht kein Grund, die Forderungsabtretung dahinfallen zu lassen. Die konkursrechtliche Grundlage wird durch die nachlassrechtliche substituiert. Weder muss die Abtretung im Konkursverfahren widerrufen, noch muss durch die Liquidatoren eine neue Abtretungsverfügung erlassen werden. Dementsprechend fallen auch gestützt auf die Abtretung angehobene Klagen nicht dahin. Die Abtretung und die gestützt darauf eingeleiteten Prozesse überdauern den Übergang vom Konkurs zum Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung unberührt. Handelt es sich bei der nach Art. 260 SchKG abgetretenen Forderung hingegen um einen strittigen Anspruch, in Bezug auf welchen der Gläubigergesamtheit im Liquidationsvergleich das Verfügungsrecht nicht eingeräumt worden ist238, so fällt der Anspruch an den Nachlassschuldner zurück239. Es gilt damit dasselbe wie beim Dividendenvergleich: Die bestrittene Forderung ist diesfalls nicht Teil der Nachlassmasse; der Abtretungsgläubiger kann nicht mehr aus deren Recht agieren. Dasselbe gilt, wenn der strittige Anspruch, in Bezug auf welchen eine Abtretung gemäss Art. 260 SchKG erfolgt ist, im Nachlassvertrag an einen Dritten (und nicht an die Gläubigergesamtheit) übertragen wird240. In beiden Fällen fällt die Abtretung nach Art. 260 SchKG dahin. Hingegen ist u.E. auch in diesen Fällen ein Parteiwechsel nach Massgabe des anwendbaren Prozessrechts durchaus möglich und sinnvoll: Voraussetzung ist jedoch, dass es sich um eine rein materiellrechtliche Streitigkeiten handelt241. Je nach Konstellation kann somit der Nachlassschuldner oder der einzelne Abtretungsgläubiger in den Prozess eintreten. Bei rein betreibungsrechtlichen Klagen und bei betreibungsrechtlichen Klagen mit Reflexwirkung auf das materielle Recht besteht eine solche Möglichkeit dagegen nicht242. 236 237 238 239 240 241 242 Art. 332 Abs. 2 i.V.m. Art. 325 SchKG. Art. 317 Abs. 1, Art. 318 Abs. 1 Ziff. 3 SchKG. Art. 332 Abs. 2 i.V.m. Art. 317 Abs. 1 SchKG. Junod Moser/Gaillard (FN 22), Art. 319 SchKG N 4. Art. 317 Abs. 1, Art. 318 Abs. 1 Ziff. 3 SchKG. Vgl. III.B.4., III.B.5. Vgl. III.B.4. 10.3.2009 9:12:25 Uhr Nachlassvertrag im Konkurs (Art. 332 SchKG) AJP/PJA 3/2009 345 5. Auswirkungen auf sonstige Prozesse Prozesse, welche vor Konkurseröffnung eingeleitet und deshalb zufolge Konkurs sistiert wurden243, werden von der Nachlassmasse weitergeführt, wenn die Liquidatoren (und je nach dessen Kompetenzen auch der Gläubigerausschuss244) dies so beschliessen245. Gleiches gilt für während des Konkursverfahrens angehobene Prozesse zwischen der Konkursmasse und Dritten. Wenn der im Prozess liegende Aktivanspruch der Masse im Nachlassvertrag einem Dritten übertragen worden ist246, findet eine materiellrechtliche Übertragung des Anspruchs statt. Soweit das massgebliche Prozessrecht in diesen Fällen einen Parteiwechsel zulässt247, kann der Dritte in den Prozess eintreten. Entsprechendes muss für den Nachlassschuldner gelten, wenn der streitgegenständliche Anspruch vom Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung ausgenommen wird, so dass er an den Nachlassschuldner zurückfällt. Prozesse, für welche der Konkurs eine Voraussetzung darstellt (wie etwa Verantwortlichkeitsklagen der Gesellschaftsgläubiger248), können trotz Widerruf des Konkurses weitergeführt werden249; die Genehmigung eines Nachlassvertrages mit Vermögensabtretung wird einem Konkurs gleichgesetzt250. Voraussetzung ist auch diesbezüglich, dass der Anspruch der Gläubigergesamtheit im Nachlassvertrag abgetreten worden ist. 243 244 245 246 247 248 249 250 Art. 207 SchKG. Art. 318 Abs. 1 Ziff. 2, Art. 320 Abs. 1 SchKG. Winkelmann/Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7), Art. 319 SchKG N 37. Art. 317 Abs. 1, Art. 318 Abs. 1 Ziff. 3 SchKG. Vgl. III.B.4 in fine. Art. 757 OR. Hunkeler (FN 5), Rz. 1099. Peter Widmer/Dieter Gericke/Stefan Waller, in: Heinrich Honsell/Peter Nedim Vogt/Rolf Watter (Hrsg.), Basler Kommentar zum Schweizerischen Priavtrecht, Obligationenrecht II (OR 530–1186), 3. A., Basel 2008, Art. 757 OR N 3; BGE 65 II 4 f. AJP 03_2009.indb 345 Le concordat dans la procédure de faillite donne lieu à un passage de la procédure de faillite à la procédure concordataire. Les règles relatives au concordat hors de la faillite ne peuvent dès lors pas s’appliquer sans autre au concordat dans la procédure de faillite qui n’est que partiellement réglé dans la loi. Par ailleurs, il convient de distinguer le concordat-dividende et le concordat par abandon d’actif. Il existe notamment des particularités concernant l'assemblée des créanciers, le calcul des seuils d'approbation, la garantie du dividende concordataire et le droit au dividende. Dans ce cadre, l'importance de la collocation dans la faillite est plus ou moins prononcée. Finalement, l’homologation d’un concordat dans la procédure de faillite entraîne des conséquences sur les cessions selon l’art. 260 LP ainsi que sur les procès engagés sur cette base et d’autres procès. Le présent article offre un aperçu de la procédure de concordat dans la faillite et traite de manière approfondie certaines particularités qui en découlent. (trad. LT LAWTANK, Fribourg) 10.3.2009 9:12:25 Uhr Chronik der Rechtsetzung/Législation AJP/PJA 3/2009 Chronik der Rechtsetzung Législation 346 Dr. iur. HSG Daniel Füllemann, St. Gallen Stand / Etat: 17. Februar 2009 / 17 février 2009 1. Verfassungs- und Verwaltungsrecht / Droit constitutionnel et administratif 1.2. Staatsorganisation und Behörden / Organisation de l’Etat et autorités • Bundesgesetz über die Bundesversammlung (Parlamentsgesetz, ParlG) (Geschäftsbericht des Bundesrates) vom 13. Dezember 2002 (SR 171.10). AS 2009 697. Loi sur l’Assemblée fédérale (Loi sur le Parlement, LParl) (Rapport de gestion du Conseil fédéral) du 13 décembre 2002 (RS 171.10). RO 2009 697. Änderungserlass mit Themenangabe vom 3. Oktober 2008. Inkrafttreten am 1. März 2009. Die Änderung betrifft die Regelung zur Vertretung des bundesrätlichen Geschäftsberichts vor dem Parlament. • Geschäftsreglement des Nationalrates (GRN) (Geschäftsbericht des Bundesrates) vom 3. Oktober 2003 (SR 171.13). AS 2009 699. Règlement du Conseil national (RCN) (Rapport de gestion du Conseil fédéral) du 3 octobre 2003 (RS 171.13). RO 2009 699. Änderungserlass mit Themenangabe vom 19. Dezember 2008. Inkrafttreten am 1. März 2009. Die Änderung betrifft die Regelung zur Vertretung des bundesrätlichen Geschäftsberichts vor dem Nationalrat. 1.8. Landesverteidigung. Militärrecht. Notstand / Défense nationale. Droit militaire. Etat de nécessité • Militärstrafgesetz und Militärstrafprozess (Korrekturen infolge der Revision des AT MStG und weitere Anpassungen) vom 3. Oktober 2008. AS 2009 701. Code pénal militaire et procédure pénale militaire (Modifications découlant de la nouvelle PG CPM et autres adaptations) du 3 octobre 2008. RO 2009 701. Anpassungserlass. Inkrafttreten am 1. März 2009. Mit diesem Erlass werden die nachfolgenden Erlasse geändert: – SR 321.0 Militärstrafgesetz vom 13. Juni 1927 (Änderung per 1. März 2009). – SR 322.1 Militärstrafprozess vom 23. März 1979 (Änderung per 1. März 2009). Änderung des Inhalts vom 13. Januar 2009. Inkrafttreten am 1. Dezember 2008. • Verordnung des EFD über die Ausfuhrbeitragsansätze für landwirtschaftliche Grundstoffe vom 27. Januar 2005 (SR 632.111.723.1). AS 2009 381. Ordonnance du DFF sur les taux des contributions à l’exportation de produits agricoles de base du 27 janvier 2005 (RS 632.111.723.1). RO 2009 381. Änderung des Inhalts vom 13. Januar 2009. Inkrafttreten am 1. Januar 2009. • Verordnung des EFD über Zollerleichterungen für Waren je nach Verwendungszweck (Zollerleichterungsverordnung, ZEV) vom 4. April 2007 (SR 631.012). AS 2009 579. Ordonnance du DFF sur les marchandises bénéficiant d’allégements douaniers selon leur emploi (Ordonnance sur les allégements douaniers, OADou) du 4 avril 2007 (RS 631.012). RO 2009 579. Änderung des Inhalts vom 30. Januar 2009. Inkrafttreten am 1. Februar 2009. • Verordnung des EFD über die anwendbaren beweglichen Teilbeträge bei der Einfuhr von Erzeugnissen aus Landwirtschaftsprodukten vom 27. Januar 2005 (SR 632.111.722.1). AS 2009 473. Ordonnance du DFF concernant les éléments mobiles applicables à l’importation de produits agricoles transformés du 27 janvier 2005 (RS 632.111.722.1). RO 2009 473. Änderung des Inhalts vom 26. Januar 2009. Inkrafttreten am 1. Februar 2009. 1.13. Wirtschaftsverwaltungsrecht / Droit économique administratif S. 3.10. / V. 3.10. 1.15. Land- und Forstwirtschaft / Droit rural et culture, exploitation forestière • Verordnung über die zweite Teilinkraftsetzung der Änderung vom 15. November 2006 der Tierseuchenverordnung vom 29. Oktober 2008. AS 2009 559. Ordonnance concernant la deuxième partie de la mise en vigueur de la modification du 15 novembre 2006 de l’ordonnance sur les épizooties du 29 octobre 2008. RO 2009 559. 1.12.8. Öffentliche Finanzen / Finances publiques Berichtigung vom 3. Februar 2009. Inkrafttreten am 1. Januar 2009. Mit diesem Erlass wird der nachfolgende Erlass geändert: – SR 916.351.0 Milchqualitätsverordnung vom 23. November 2005 (Änderung per 1. Januar 2009). • Verordnung des EFD über die Ausfuhrbeitragsansätze für landwirtschaftliche Grundstoffe vom 27. Januar 2005 (SR 632.111.723.1). AS 2009 377. Ordonnance du DFF sur les taux des contributions à l’exportation de produits agricoles de base du 27 janvier 2005 (RS 632.111.723.1). RO 2009 377. • Verordnung des BLW über die Festlegung von Perioden und Fristen sowie die Freigabe von Zollkontingentsteilmengen für die Einfuhr von frischem Gemüse, frischem Obst und von frischen Schnittblumen (VEAGOG-Freigabeverordnung) vom 12. Januar 2000 (SR 916.121.100). AS 2009 717. 1.12. AJP 03_2009.indb 346 Abgaben- und Finanzrecht / Finances et droit fiscal 10.3.2009 9:12:26 Uhr Chronik der Rechtsetzung/Législation AJP/PJA 3/2009 347 Ordonnance de l’OFAG sur la fixation des périodes et des délais ainsi que sur l’autorisation de parties de contingent tarifaire de légumes frais, de fruits frais et de fleurs coupées fraîches (Ordonnance sur l’autorisation des importations relative à l’OIELFP) du 12 janvier 2000 (RS 916.121.100). RO 2009 717. Änderung des Inhalts vom 1. Februar 2009. Inkrafttreten am 6. Januar 2009. • Allgemeine Verordnung über die Einfuhr von landwirtschaftlichen Erzeugnissen (Agrareinfuhrverordnung, AEV) vom 7. Dezember 1998 (SR 916.01). AS 2009 485. Ordonnance générale sur l’importation de produits agricoles (Ordonnance sur les importations agricoles, OIAgr) du 7 décembre 1998 (RS 916.01). RO 2009 485. Änderung des Inhalts vom 23. Januar 2009. Inkrafttreten am 1. Februar 2009. • Verordnung des BVET über Impfungen gegen die Blauzungenkrankheit im Jahr 2009 vom 14. Januar 2009 (SR 916.401.348.2). AS 2009 455. Ordonnance de l’OVF concernant la vaccination contre la fièvre catarrhale du mouton en 2009 du 14 janvier 2009 (RS 916.401.348.2). RO 2009 455. Neuer Erlass. Inkrafttreten am 1. Februar 2009. • Allgemeine Verordnung über die Einfuhr von landwirtschaftlichen Erzeugnissen (Agrareinfuhrverordnung, AEV) vom 7. Dezember 1998 (SR 916.01). AS 2009 483. Ordonnance générale sur l’importation de produits agricoles (Ordonnance sur les importations agricoles, OIAgr) du 7 décembre 1998 (RS 916.01). RO 2009 483. Änderung des Inhalts vom 22. Januar 2009. Inkrafttreten am 3. Februar 2009. • Tierseuchenverordnung (TSV) vom 27. Juni 1995 (SR 916.401). AS 2009 581. Ordonnance sur les épizooties (OFE) du 27 juin 1995 (RS 916.401). RO 2009 581. Änderung des Inhalts vom 14. Januar 2009. Inkrafttreten am 1. März 2009. Mit diesem Erlass wird der nachfolgende Erlass geändert: – SR 916.404.2 Verordnung über die Gebühren für den Tierverkehr vom 16. Juni 2006 (Änderung per 1. März 2009). 1.16. Energie- und Umweltrecht / Energie et environnement • Bundesbeschluss über die Kompensation der CO2-Emissionen von Gaskombikraftwerken vom 23. März 2007 (SR 641.72). AS 2009 385. Arrêté fédéral concernant la compensation des émissions de CO2 des centrales à cycles combinés alimentées au gaz du 23 mars 2007 (RS 641.72). RO 2009 385. Änderung des Inhalts vom 3. Oktober 2008. Inkrafttreten am 1. Januar 2009. Der Bundesbeschluss bleibt in Kraft, bis die Kompensation der CO2-Emissionen von Gaskombikraftwerken im CO2-Gesetz vom AJP 03_2009.indb 347 8. Oktober 1999 geregelt ist, längstens aber bis zum 31. Dezember 2010. 1.17. Kommunikationsrecht / Droit de la communication • Verordnung des UVEK über Fernmeldeanschlüsse ausserhalb des Siedlungsgebiets vom 15. Dezember 1997 (SR 784.101.12). AS 2009 477. Ordonnance du DETEC sur les raccordements de télécommunication situés hors des zones habitées du 15 décembre 1997 (RS 784.101.12). RO 2009 477. Änderung des Inhalts vom 23. Januar 2009. Inkrafttreten am 15. Februar 2009. • Verordnung des Bundesamtes für Kommunikation über Fernmeldedienste und Adressierungselemente vom 9. Dezember 1997 (SR 784.101.113). AS 2009 715. Ordonnance de l’Office fédéral de la communication sur les services de télécommunication et les ressources d’adressage du 9 décembre 1997 (RS 784.101.113). RO 2009 715. Änderung des Inhalts vom 10. Februar 2009. Inkrafttreten am 1. März 2009. 1.18. Transport- und Verkehrsrecht / Droit des transports et de trafic • Ausführungsbestimmungen zur Verordnung über die Abgasemissionen von Schiffsmotoren auf schweizerischen Gewässern (AB-SAV) vom 9. Januar 2009 (SR 747.201.31). AS 2009 387. Dispositions d’exécution de l’ordonnance sur les prescriptions relatives aux gaz d’échappement des moteurs de bateaux dans les eaux suisses (DE-OEMB) du 9 janvier 2009 (RS 747.201.31). RO 2009 387. Neuer Erlass. Inkrafttreten am 1. Februar 2009. Vorheriger Erlass: Ausführungsbestimmungen zur Verordnung über die Abgasemissionen von Schiffsmotoren auf schweizerischen Gewässern vom 14. August 1997 (Aufhebung per 1. Februar 2009). 1.19. Sozial- und Sozialversicherungsrecht / Droit social et droit des assurances sociales • Verordnung über die Einschränkung der Zulassung von Leistungserbringern zur Tätigkeit zu Lasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung vom 3. Juli 2002 (SR 832.103). AS 2009 453. Ordonnance sur la limitation de l’admission des fournisseurs de prestations à pratiquer à la charge de l’assurancemaladie obligatoire du 3 juillet 2002 (RS 832.103). RO 2009 453. Änderung des Inhalts vom 14. Januar 2009. Inkrafttreten am 1. Februar 2009. 1.21. Öffentliches Dienstrecht / Fonction publique • Personalverordnung des Bundesgerichts (PVBger) vom 27. August 2001 (SR 172.220.114). AS 2009 353. 10.3.2009 9:12:26 Uhr Chronik der Rechtsetzung/Législation AJP/PJA 3/2009 348 Ordonnance sur le personnel du Tribunal fédéral (OPersTF) du 27 août 2001 (RS 172.220.114). RO 2009 353. capacité (CFC) du 1er décembre 2008 (RS 412.101.221.02). RO 2009 373. Änderung des Inhalts vom 23. Dezember 2008. Inkrafttreten am 1. Januar 2009. Neuer Erlass. Inkrafttreten am 1. Februar 2009. • Verordnung des EFD über Optimierungen im Lohnsystem des Bundespersonals vom 20. Januar 2009. AS 2009 351. Ordonnance du DFF sur l’optimisation du système salarial du personnel fédéral du 20 janvier 2009. RO 2009 351. Änderungserlass. Inkrafttreten am 1. Februar 2009. Mit diesem Erlass werden die nachfolgenden Erlasse geändert: – SR 172.220.111.31 Verordnung des EFD zur Bundespersonalverordnung vom 6. Dezember 2001 (Änderung per 1. Februar 2009). – SR 172.220.111.71 Verordnung des EFD über die Personalbeurteilung und den Lohn des Personals der Reinigungsdienste vom 22. Mai 2002 (Änderung per 1. Februar 2009). 1.25. Forschungsrecht, Bildungs- und Erziehungsrecht / Droit de recherche, formation et éducation • Verordnung über die berufliche Grundbildung Korb- und Flechtwerkgestalterin/Korb- und Flechtwerkgestalter mit eidgenössischem Fähigkeitszeugnis (EFZ) vom 5. Dezember 2008 (SR 412.101.221.00). AS 2009 369. Ordonnance sur la formation professionnelle initiale vannière créatrice/vannier créateur avec certificat fédéral de capacité (CFC) du 5 décembre 2008 (RS 412.101.221.00). RO 2009 369. Neuer Erlass. Inkrafttreten am 1. Januar 2009. • Verordnung über die berufliche Grundbildung Küferin/ Küfer mit eidgenössischem Fähigkeitszeugnis (EFZ) vom 5. Dezember 2008 (SR 412.101.221.01). AS 2009 371. Ordonnance sur la formation professionnelle initiale tonnelière/tonnelier avec certificat fédéral de capacité (CFC) du 5 décembre 2008 (RS 412.101.221.01). RO 2009 371. Neuer Erlass. Inkrafttreten am 1. Januar 2009. • Verordnung über die berufliche Grundbildung Drucktechnologin/Drucktechnologe mit eidgenössischem Fähigkeitszeugnis (EFZ) vom 28. November 2008 (SR 412.101.221.03). AS 2009 375. Ordonnance sur la formation professionnelle initiale technologue en impression avec certificat fédéral de capacité (CFC) du 28 novembre 2008 (RS 412.101.221.03). RO 2009 375. Neuer Erlass. Inkrafttreten am 1. Januar 2009. • Verordnung über die berufliche Grundbildung Bühnentänzerin/Bühnentänzer mit eidgenössischem Fähigkeitszeugnis (EFZ) vom 1. Dezember 2008 (SR 412.101.221.02). AS 2009 373. Ordonnance sur la formation professionnelle initiale danseuse interprète/danseur interprète avec certificat fédéral de AJP 03_2009.indb 348 • Verordnung über die berufliche Grundbildung Anlagenführerin/Anlagenführer mit eidgenössischem Fähigkeitszeugnis (EFZ) vom 12. Dezember 2008 (SR 412.101.221.04). AS 2009 563. Ordonnance sur la formation professionnelle initiale opératrice de machines automatisées/opérateur de machines automatisées avec certificat fédéral de capacité (CFC) du 12 décembre 2008 (RS 412.101.221.04). RO 2009 563. Neuer Erlass. Inkrafttreten am 1. Februar 2009. 1.28. Übriges Verwaltungsrecht / Autres domaines du droit administratif • Verordnung über Massnahmen gegenüber der Demokratischen Republik Kongo vom 22. Juni 2005 (SR 946.231.12). AS 2009 459. Ordonnance instituant des mesures à l’encontre de la République démocratique du Congo du 22 juin 2005 (RS 946.231.12). RO 2009 459. Änderung des Inhalts vom 16. Januar 2009. Inkrafttreten am 27. Januar 2009. • Verordnung über den Schutz vor gefährlichen Stoffen und Zubereitungen (Chemikalienverordnung, ChemV) vom 18. Mai 2005 (SR 813.11). AS 2009 401. Ordonnance sur la protection contre les substances et les préparations dangereuses (Ordonnance sur les produits chimiques, OChim) du 18 mai 2005 (RS 813.11). RO 2009 401. Änderung des Inhalts vom 14. Januar 2009. Inkrafttreten am 1. Februar 2009. Mit diesem Erlass werden die nachfolgenden Erlasse geändert: – SR 813.12 Verordnung über das Inverkehrbringen von und den Umgang mit Biozidprodukten vom 18. Mai 2005 (Änderung per 1. Februar 2009). – SR 814.81 Verordnung zur Reduktion von Risiken beim Umgang mit bestimmten besonders gefährlichen Stoffen, Zubereitungen und Gegenständen vom 18. Mai 2005 (Änderung per 1. Februar 2009). – SR 916.161 Verordnung über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln vom 18. Mai 2005 (Änderung per 1. Februar 2009). • Verordnung des EDI über die Einstufung und Kennzeichnung von Stoffen vom 28. Juni 2005 (SR 813.112.12). AS 2009 443. Ordonnance du DFI sur la classification et l’étiquetage officiels des substances du 28 juin 2005 (RS 813.112.12). RO 2009 443. Änderung des Inhalts vom 9. Dezember 2008. Inkrafttreten am 1. Februar 2009. • Verordnung des EDI über die erforderliche Sachkenntnis zur Abgabe besonders gefährlicher Stoffe und Zube- 10.3.2009 9:12:26 Uhr Chronik der Rechtsetzung/Législation AJP/PJA 3/2009 349 reitungen vom 28. Juni 2005 (SR 813.131.21). AS 2009 445. Ordonnance du DFI sur les connaissances techniques requises pour la remise des substances et des préparations particulièrement dangereuses du 28 juin 2005 (RS 813.131.21). RO 2009 445. Änderung des Inhalts vom 9. Dezember 2008. Inkrafttreten am 1. Februar 2009. • Verordnung des EDI über die Fachbewilligung für die Desinfektion des Badewassers in Gemeinschaftsbädern (VFBDB) vom 28. Juni 2005 (SR 814.812.31). AS 2009 447. Ordonnance du DFI relative au permis pour l’emploi des désinfectants pour l’eau des piscines publiques (OPer-D) du 28 juin 2005 (RS 814.812.31). RO 2009 447. Änderung des Inhalts vom 9. Dezember 2008. Inkrafttreten am 1. Februar 2009. • Verordnung des EDI über die Fachbewilligung für die allgemeine Schädlingsbekämpfung (VFB-S) vom 28. Juni 2005 (SR 814.812.32). AS 2009 449. Ordonnance du DFI relative au permis pour l’emploi des pesticides en général (OPer-P) du 28 juin 2005 (RS 814.812.32). RO 2009 449. Änderung des Inhalts vom 9. Dezember 2008. Inkrafttreten am 1. Februar 2009. • Verordnung des EDI über die Fachbewilligung für die Schädlingsbekämpfung mit Begasungsmitteln (VFB-B) vom 28. Juni 2005 (SR 814.812.33). AS 2009 451. Ordonnance du DFI relative au permis pour l’emploi des fumigants (OPer-Fu) du 28 juin 2005 (RS 814.812.33). RO 2009 451. Änderung des Inhalts vom 9. Dezember 2008. Inkrafttreten am 1. Februar 2009. • Verordnung des BAG über die Aufnahme von Wirkstoffen in die Liste I der Wirkstoffe zur Verwendung in Biozidprodukten nach Anhang 1 der Biozidprodukteverordnung vom 26. Januar 2009. AS 2009 479. Ordonnance de l’OFSP sur l’inscription des substances actives dans la liste I des substances actives pour inclusion dans les produits biocides selon l’annexe 1 de l’ordonnance sur les produits biocides du 26 janvier 2009. RO 2009 479. Änderungserlass. Inkrafttreten am 15. Februar 2009. Mit diesem Erlass wird der nachfolgende Erlass geändert: – SR 813.12 Verordnung über das Inverkehrbringen von und den Umgang mit Biozidprodukten vom 18. Mai 2005 (Änderung per 15. Februar 2009). • Tierschutzverordnung (TSchV) vom 23. April 2008 (SR 455.1). AS 2009 565. Ordonnance sur la protection des animaux (OPAn) du 23 avril 2008 (RS 455.1). RO 2009 565. Änderung des Inhalts vom 14. Januar 2009. Inkrafttreten am 1. März 2009. AJP 03_2009.indb 349 3. Wirtschaftsrecht / Droit économique 3.5. Wettbewerbsrecht – allgemein / Droit de la concurrence – en général • Geschäftsreglement der Wettbewerbskommission vom 1. Juli 1996 (SR 251.1). AS 2009 355. Règlement interne de la Commission de la concurrence du 1er juillet 1996 (RS 251.1). RO 2009 355. Änderung des Inhalts vom 14. Januar 2009. Inkrafttreten am 1. Februar 2009. 3.10. Wirtschaftsverwaltungsrecht / Droit économique administratif • Bundesgesetz zur Umsetzung der revidierten Empfehlungen der Groupe d’action financière vom 3. Oktober 2008. AS 2009 361. Loi fédérale sur la mise en œuvre des recommandations révisées du Groupe d’action financière du 3 octobre 2008. RO 2009 361. Änderungserlass. Inkrafttreten am 1. Februar 2009. Die Massnahmen zur Geldwäschereibekämpfung bewegen sich in einem normativen Umfeld, das stetig an die Entwicklungen der internationalen Wirtschafts- und Finanzkriminalität anzupassen ist. Die Gesetzesänderungen betreffen und bezwecken insbesondere die Ausweitung des GwG auf die Terrorismusfinanzierung, die Verbesserung der Wirksamkeit des Meldesystems, die Aufnahme von Vortaten der Geldwäscherei ins schweizerische Recht, die Systematisierung und Verankerung der aktuellen Praxis der Sorgfaltspflichten, die Anpassung der Bestimmungen zur Rechtshilfe sowie die Unterstützung der Zollverwaltung bei der Bekämpfung der Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung. Mit diesem Erlass werden die nachfolgenden Erlasse geändert: – SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 (Änderung per 1. Februar 2009). – SR 313.0 Bundesgesetz über das Verwaltungsstrafrecht vom 22. März 1974 (Änderung per 1. Februar 2009). – SR 351.1 Bundesgesetz über internationale Rechtshilfe in Strafsachen vom 20. März 1981 (Änderung per 1. Februar 2009). – SR 955.0 Bundesgesetz über die Bekämpfung der Geldwäscherei und der Terrorismusfinanzierung im Finanzsektor vom 10. Oktober 1997 (Änderung per 1. Februar 2009). – SR 631.0 Zollgesetz vom 18. März 2005 (Änderung per 1. Februar 2009). • Verordnung über die Kontrolle des grenzüberschreitenden Barmittelverkehrs vom 11. Februar 2009 (SR 631.052). AS 2009 709. Ordonnance sur le contrôle du trafic transfrontière de l’argent liquide du 11 février 2009 (RS 631.052). RO 2009 709. Neuer Erlass. Inkrafttreten am 1. März 2009. Diese Verordnung regelt die durch die Eidgenössische Zollverwaltung (EZV) vorgenommene Kontrolle des grenzüberschreitenden Barmittelverkehrs zur Bekämpfung der Geldwäscherei und der Terrorismusfinanzierung und stützt sich auf den durch das neue Bundesgesetz zur Umsetzung der revidierten Empfeh- 10.3.2009 9:12:27 Uhr Chronik der Rechtsetzung/Législation AJP/PJA 3/2009 350 lungen der Groupe d’action financière vom 3. Oktober 2008 geänderten Art. 95 Zollgesetz. Mit diesem Erlass wird der nachfolgende Erlass geändert: – SR 631.061 Verordnung über die Bearbeitung von Personendaten in der Eidgenössischen Zollverwaltung vom 4. April 2007 (Änderung per 1. März 2009). 7.8. Strafrecht international / Droit pénal international 7.8.3. Völkerstrafrecht, internationaler Gerichtshof / Droit pénal international public, cour international de justice • Verordnung über die kollektiven Kapitalanlagen (Kollektivanlagenverordnung, KKV) vom 22. November 2006 (SR 951.311). AS 2009 719. Ordonnance sur les placements collectifs de capitaux (Ordonnance sur les placements collectifs, OPCC) du 22 novembre 2006 (RS 951.311). RO 2009 719. S. 8.13. / V. 8.13. Änderung des Inhalts vom 28. Januar 2009. Inkrafttreten am 1. März 2009. 3.11. Landwirtschaftsrecht / Droit rural Zum Land- und Forstwirtschaft s. 1.15. / Pour le droit rural et culture, exploitation forestière v. 1.15. 3.12. Europäisches Wirtschaftsrecht / Droit économique européen S. 8.11.3. / V. 8.11.3. 8. Völkerrecht und Europarecht / Droit international public et droit européen 8.11. Europäisches Wirtschaftsrecht / Droit économique européen 8.11.3. Handelsrecht, Wertpapierrecht / Droit commercial, droit des papiers-valeurs • Beschluss Nr. 4/2007 des Rates zur Änderung der Anlage 2 zu Anhang K des Übereinkommens vom 4. Januar 1960 zur Errichtung der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) (Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit) (SR 0.632.31). AS 2009 605. Décision no 4/2007 du Conseil portant modification de l’appendice 2 à l’annexe K de la Convention du 4 janvier 1960 instituant l’Association européenne de Libre-Echange (AELE) (Coordination des systèmes de sécurité sociale) (RS 0.632.31). RO 2009 605. 7. Strafrecht / Droit pénal 7.3. Strafrecht – Besonderer Teil – allgemein / Droit pénal – Partie spéciale – en général 8.13. 7.3.5. Strafbare Handlungen gegen die sexuelle Integrität / Infractions contre l’intégrité sexuelle • Bundesbeschluss über die Genehmigung des Internationalen Übereinkommens zur Bekämpfung nuklearterroristischer Handlungen. AS 2009 491. Arrêté fédéral portant approbation de la Convention internationale pour la répression des actes de terrorisme nucléaire. RO 2009 491. • Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft (BV) vom 18. April 1999 (SR 101). AS 2009 471. Constitution fédérale de la Confédération suisse (Cst.) du 18 avril 1999 (RS 101). RO 2009 471. Änderung des Inhalts vom 13. Juni 2008. Inkrafttreten am 30. November 2008. Diese Verfassungsänderung (Einführung der Unverjährbarkeit der Strafverfolgung und der Strafe bei sexuellen und bei pornografischen Straftaten an Kindern vor der Pubertät) ist von Volk und Ständen am 30. November 2008 angenommen worden und damit in Kraft getreten. 7.3.19. Einziehung, Geldwäscherei, mangelhafte Sorgfalt bei Finanzgeschäften und Melderecht / Confiscation, blanchiment d’argent, manque de diligence dans (l’éxécution) des opérations financières et droit de communication • Bundesgesetz zur Umsetzung der revidierten Empfehlungen der Groupe d’action financière vom 3. Oktober 2008. AS 2009 361. Loi fédérale sur la mise en œuvre des recommandations révisées du Groupe d’action financière du 3 octobre 2008. RO 2009 361. Änderungserlass. Inkrafttreten am 1. Februar 2009. Für weitere Informationen zu diesem Erlass s. 3.10. AJP 03_2009.indb 350 Internationales Strafrecht / Droit pénal international Bundesbeschluss über die Genehmigung eines Staatsvertrags. • Internationales Übereinkommen zur Bekämpfung nuklearterroristischer Handlungen (SR 0.353.23). AS 2009 493. Convention internationale pour la répression des actes de terrorisme nucléaire (RS 0.353.23). RO 2009 493. Auszug aus der Botschaft: Das Übereinkommen will in erster Linie sicherstellen, dass die Vertragsstaaten innerstaatlich über effektive Strafgesetze zur Verfolgung nuklearterroristischer Handlungen verfügen. Weiter möchte es den Informationsaustausch zwischen den Vertragsstaaten zur Verhinderung und Aufdeckung solcher Handlungen verbessern sowie die internationale Zusammenarbeit in Strafsachen gewährleisten. Es regelt überdies die Rückgabe beschlagnahmten Nuklearmaterials. Die Artikel 3–17 und 19–28 des Übereinkommens entsprechen weitgehend Bestimmungen anderer UNOÜbereinkommen gegen den Terrorismus, namentlich dem Übereinkommen vom 26. Oktober 1979 über den physischen Schutz von Kernmaterial sowie dem Internationalen Übereinkommen vom 15. Dezember 1997 zur Bekämpfung terroristischer Bombenanschläge. Die Schweiz hat diese Übereinkommen bereits ratifiziert und die landesrechtlichen Voraussetzungen zu ihrer Umsetzung geschaffen. Das Übereinkommen gegen Nuklearterrorismus 10.3.2009 9:12:27 Uhr Chronik der Rechtsetzung/Législation AJP/PJA 3/2009 351 enthält dementsprechend keine neuartigen Verpflichtungen für die Schweiz. Im Unterschied zum Übereinkommen über den physischen Schutz von Kernmaterial ist der Anwendungsbereich des Übereinkommens gegen Nuklearterrorismus weiter gefasst. So ist es nicht auf für friedliche Zwecke genutztes Kernmaterial beschränkt, das sich im internationalen Nukleartransport befindet. Es bestraft neben dem Missbrauch von waffenfähigem Nuklearmaterial auch die verbrecherische Verwendung von anderem radioaktivem Material, das wegen seiner Strahlung für Mensch und Umwelt gefährlich ist. Allerdings enthält das Übereinkommen gegen Nuklearterrorismus keine Verpflichtungen der Mitgliedstaaten, spezifische präventive Massnahmen zum Schutz von Nuklearanlagen und -material zu treffen. Es enthält lediglich einen Aufruf an die Staaten, die entsprechenden Empfehlungen der IAEO zum Schutz von radioaktivem Material zu berücksichtigen. Im Vergleich zum Übereinkommen gegen terroristische Bombenanschläge sind in Bezug auf das strafbare Verhalten nur geringe Unterschiede festzustellen, ist doch das Übereinkommen gegen terroristische Bombenanschläge auch anwendbar, wenn Strahlung oder radioaktive Substanzen freigesetzt, verbreitet oder zur Wirkung gebracht werden. Das Übereinkommen gegen Nuklearterrorismus erfasst zusätzlich den Besitz und die Herstellung von Nuklearmaterial zu terroristischen Zwecken sowie die Drohung, aus terroristischen Motiven Nuklearanschläge zu begehen. Das Übereinkommen verfügt im Unterschied zu anderen internationalen Abkommen nicht über einen Kontrollmechanismus mit der Pflicht zur regelmässigen Berichterstattung oder mit Überprüfungskonferenzen. 8.16. Internat. gewerblicher Rechtsschutz. Internat. Immaterialgüterrecht / Droit de la propriété industrielle international. Droit de la propriété immatérielle international • Gemeinsame Ausführungsordnung zum Madrider Abkommen über die internationale Registrierung von Marken und zum Protokoll zu diesem Abkommen (SR 0.232.112.21). AS 2009 591. Règlement d’exécution commun à l’arrangement de Madrid concernant l’enregistrement international des marques et au protocole relatif à cet arrangement (RS 0.232.112.21). RO 2009 591. 8.19. Öff. Gesundheitswesen. Soziale Sicherheit / Santé publique. Sécurité sociale • Verordnung (EWG) Nr. 574/72 des Rates vom 21. März 1972 über die Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbstständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern. In der Fassung von Anhang II zum Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit. Anpassung durch das Protokoll vom 26. Oktober 2004 über die Ausdehnung des Freizügigkeitsabkommens auf die neuen EG-Mitgliedstaaten (SR 0.831.109.268.11). AS 2009 621. AJP 03_2009.indb 351 Règlement (CEE) No 574/72 du Conseil, du 21 mars 1972, fixant les modalités d’application du règlement (CEE) no 1408/71 relatif à l’application des régimes de sécurité sociale aux travailleurs salariés, aux travailleurs non salariés et aux membres de leur famille qui se déplacent à l’intérieur de la Communauté. Adapté selon l’annexe II à l’Accord sur la libre circulation des personnes entre la Suisse d’une part, et la Communauté européenne et ses Etats membres, d’autre part. Modifié par le Protocole du 26 octobre 2004 relatif à l’extension de l’Accord sur la libre circulation des personnes aux nouveaux Etats membres de la CE (RS 0.831.109.268.11). RO 2009 621. 8.21. Kultur. Kunst. Freizeit. Sport / Culture. Art. Loisir. Sport • Bundesbeschluss über die Genehmigung des Internationalen Übereinkommens gegen Doping im Sport. AS 2009 519. Arrêté fédéral portant approbation de la Convention internationale contre le dopage dans le sport. RO 2009 519. Bundesbeschluss über die Genehmigung eines Staatsvertrags. • Internationales Übereinkommen gegen Doping im Sport (SR 0.812.122.2). AS 2009 521. Convention internationale contre le dopage dans le sport (RS 0.812.122.2). RO 2009 521. Auszug aus der Botschaft: Die Konvention besteht aus 43 Artikeln, zwei integralen Anlagen und drei Anhängen. Die Konvention und die zwei Anlagen (Liste der verbotenen Substanzen und Methoden sowie ein Teil des Standards über die Gewährung von Ausnahmebewilligungen zu therapeutischen Zwecken) sind zwischenstaatlich verbindlich und haben keinen self-executing-Charakter. Der Welt-Anti-Doping-Code und die zwei Internationalen Standards für Laboratorien und für Dopingkontrollen dienen als Anhänge zur Information und sind keine integralen Bestandteile der Konvention. Bei der Ratifizierung durch einen Staat können keine Vorbehalte (vgl. Art. 43 der Konvention) gemacht werden, die dem Ziel und Zweck der Konvention widersprechen. Die Konvention soll dazu beitragen, die Bestimmungen und Prinzipien des Welt-Anti-Doping-Codes in den Gesetzen der Vertragsparteien zu verankern. Für die Regierungen besteht dabei eine grosse Flexibilität im gewählten Ansatz. So kann die Konvention durch Gesetzgebung, Reglemente, politische Mittel oder administrative Bestimmungen umgesetzt werden. Vertragsparteien müssen Massnahmen ergreifen zur: Einschränkung der Verfügbarkeit von verbotenen Substanzen und Methoden (ausser zu legitimen medizinischen Zwecken) einschliesslich Massnahmen gegen deren Handel; Erleichterung von Dopingkontrollen im eigenen Land und zur Unterstützung des nationalen Dopingkontrollprogramms; Einstellung von finanziellen Beiträgen an Athletinnen und Athleten und deren Umfeld, wenn sie gegen die Dopingbestimmungen verstossen, sowie an Sportorganisationen, die die Bestimmungen des Codes nicht erfüllen; Ermutigung von Produzenten und Vertreibern von Nahrungsergänzungsmitteln, eine «beste Praxis» bei der Beschriftung, beim Marketing und beim Vertrieb von Produkten einzuführen, die verbotene Substanzen enthalten könnten; Unterstützung der Dopingprävention für Athletinnen und Athleten und allgemein die Förderung eines sportlichen Umfeldes. 10.3.2009 9:12:27 Uhr Chronik der Rechtsetzung/Législation AJP/PJA 3/2009 352 8.25. Naturschätze und Energie / Ressources naturelles et énergie • Briefwechsel vom 5./20. November 2008 zwischen dem Schweizerischen Bundesrat und der Regierung der Französischen Republik betreffend den Bereich und die Einzelheiten der Alarmierung und/oder der Übermittlung von Informationen im Falle von Kleinereignissen oder Unfallsituationen im Kernkraftwerk Fessenheim oder in den schweizerischen Kernkraftwerken Beznau, Gösgen, Leibstadt und Mühleberg (SR 0.732.323.491). AS 2009 515. Echange de lettres des 5/20 novembre 2008 entre le Conseil fédéral suisse et le Gouvernement de la République française concernant le domaine et les modalités de l’alerte et/ ou de la transmission d’informations en cas d’événement mineur ou de situation accidentelle dans la centrale nucléaire de Fessenheim ou dans les centrales nucléaires suisses de Beznau, Gösgen, Leibstadt et Mühleberg (RS 0.732.323.491). RO 2009 515. 8.26. Aussenpolitik, Sicherheitspolitik und internationale Beziehungen / Politique extérieure, politique de sécurité et relations internationales • Notenaustausch vom 14. Januar 2009 zwischen der Schweiz und der Europäischen Gemeinschaft betreffend die Übernahme der Entscheidung 2008/905/EG des Rates vom 27. November 2008 zur Änderung von Anlage 13 der Gemeinsamen Konsularischen Instruktion mit Hinweisen zum Ausfüllen der Visummarke (Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands) (SR 0.360.268.121.5). AS 2009 511. Echange de notes du 14 janvier 2009 entre la Suisse et la Communauté européenne concernant la reprise de la décision du Conseil 2008/905/CE du 27 novembre 2008 modifiant l’annexe 13 des instructions consulaires communes relative au remplissage de la vignette-visa (Développement de l’acquis Schengen) (RS 0.360.268.121.5). RO 2009 511. AJP 03_2009.indb 352 10.3.2009 9:12:27 Uhr Rechtsprechungsübersicht/Répertoire de jurisprudence AJP/PJA 3/2009 Rechtsprechungsübersicht Répertoire de jurisprudence 353 Rebekka Keller, B. A. HSG, St. Gallen In dieser Rubrik wird stichwortartig auf in den Wochen vor Drucklegung der AJP/PJA veröffentlichte Entscheidungen hingewiesen. Für Vollständigkeit und Exaktheit der Angaben wird keine Gewähr übernommen. Der eigentliche Inhalt kann nur durch Lektüre der Entscheidungen an der angegebenen Fundstelle erschlossen werden. Dans cette rubrique, les décisions publiées dans les semaines qui précèdent la mise sous presse de PJA/AJP sont signalées à l'aide de mots-clés. Nous n'assumons aucune garantie quant à l'intégralité et à l'exactitude des informations. Pour avoir exactement connaissance du contenu de ses décisions, veuillez vous référer aux sources mentionnées. Rechtsprechung des Bundes ■ Jurisprucence fédérale • Rechtsprechung der Kantone • Jurisprudence cantonale ■ 1. Verfassungs- und Verwaltungsrecht / Droit constitutionnel et administratif 1.4. Grundrechte / Droits fondamentaux 1.4.1. Persönliche Freiheit / Liberté personelle ■ Diskriminierungsverbot. Behinderungsgerechte Prüfungsbedingungen. BV 7 Abs. 4, Behindertengesetz 2 Abs. 5. BVGE, 15.7.2008 (B-7914/2007). Mit Bemerkungen von Kurt Pärli und Andreas Petrik. AJP/PJA 2009, 110. 1.4.11. Verfahrensgarantien / Garanties de procédure ■ EMRK/CEDH 6 Ziff. 1. BV/Cst. 29a. AHVG/LAVS 52. Überprüfung des Forderungsbetrages. Die von einer Schadenersatzforderung betroffene Person muss auf Grund der Rechtsweggarantie die Möglichkeit gehabt haben, das Massliche der Beitragsforderungen, für die sie haftbar gemacht wird, zumindest einmal bei einer Gerichtsinstanz bestreiten zu können, die den Sachverhalt frei prüft. Aus der Unternehmung ausgeschiedene frühere Organe haben bei späterer Zustellung der Beitragsverfügung keine Möglichkeit mehr, in ihrer Organeigenschaft die Beitragsverfügung anzufechten oder anfechten zu lassen, weshalb diese in ihrem Falle im Rahmen des Schadenersatzverfahrens frei überprüfbar sein muss (Präzisierung der Rechtsprechung). / Examen du montant de la créance. En raison de la garantie de l’accès au juge, la personne à qui l’on réclame la réparation du dommage résultant du non-paiement de cotisations sociales doit avoir eu la possibilité de contester au moins une fois le montant de la créance de cotisations devant une autorité judiciaire disposant d’un plein pouvoir d’examen en fait et en droit. Dans la mesure où un ancien organe de l’employeur n’a plus la possibilité d’attaquer ou de faire attaquer en qualité d’organe une décision de cotisations signifiée ultérieurement à son départ, cette décision doit pouvoir être librement examinée dans le cadre de la procédure en réparation du dommage (précision de la jurisprudence). BGer/TF, 8.10.2008 (9C_901/2007); BGE/ATF 134 V 401. ■ BV 29 Abs. 3. Gilt in einem Verfahren die Untersuchungsmaxime, so lässt dies die anwaltliche Vertretung nicht ohne Weiteres als unnötig erscheinen. Abgesehen davon, dass die Untersuchungsmaxime allfällige Fehlleistungen der Behörde nicht zu verhindern vermag, ist zu bedenken, dass sie nicht unbegrenzt ist. Sie verpflichtet die Behörde zwar, von sich aus alle Elemente in Betracht zu ziehen, die entscheidwesentlich sind, und unabhängig von den Anträgen der Parteien Beweise zu erheben. Diese Pflicht entbindet die Beteiligten indessen nicht davon, durch Hinweise zum Sachverhalt oder Bezeichnung von Beweisen am Verfahren mitzuwirken. Somit kann auch in Verfahren wie dem vorliegenden, die vom Untersuchungs- AJP 03_2009.indb 353 grundsatz beherrscht sind, eine anwaltliche Vertretung erforderlich sein. BGer, 24.9.2008 (1C_339/2008). Anwaltsrevue/Revue de l’avocat 2009, 29. ■ Es ist nachvollziehbar, dass eine Partei von einem Richter, der sie in einem anderen Verfahren als Gegenanwalt bekämpft(e), nicht erwartet, er werde ihr plötzlich völlig unbefangen gegenübertreten, weshalb in solchen Fällen ein Anschein von Befangenheit zu bejahen ist. / On peut comprendre qu’une partie ne puisse pas considérer comme soudainement totalement impartial un juge qui l’a combattue comme avocat de la partie adverse dans une autre procédure. Il faut donc admettre une apparence de partialité dans un tel cas. BGer/TF, 6.10.2008 (5A_201/2008). Bearbeitet durch Markus Felber. SJZ/RSJ 2009, 61. 1.12. Abgaben- und Finanzrecht / Finances et droit fiscal 1.12.1. Einkommenssteuer und direkte Steuern – im Allgemeinen / Impôt sur le revenu et impôts directs – en général ■ 32, 34 DBG/LIFD Gewinnungskosten. Unterhaltskosten. Wertvermehrende Investitionen. Mangelhafte Gartenbauarbeiten und Durchführung einer Gesamtsanierung statt Nachbesserung: Das Vorgehen der Beschwerdegegner bestätigt, dass die ursprünglichen Aufwendungen keinen Mehrwert schufen, sondern erst die Arbeiten des Jahres 2004, welche demgemäss nicht als abzugsfähige Unterhaltskosten qualifiziert werden können. / Frais d’acquisition. Frais d’entretien; investissements entraînant une augmentation de la valeur de l’immeuble. Travaux défectueux pour l’aménagement du jardin et exécution d’un assainissement complet au lieu d’une réparation: le procédé choisi par l’intimé confirme que les dépenses encourues à l’origine n’ont en rien augmenté la valeur de l’immeuble, au contraire de celles réalisées en 2004, qui ne peuvent par conséquent pas être considérées comme des frais d’entretien déductibles. BGer/TF, 11.12.2008 (2C.57/2008). StR/RF 2009, 117. ■ DBG/LIFD 33 Abs. 1 lit.a. StHG/LHID 9 Abs. 2 lit. a. Schuldzinsenabzug. Der Begriff «Schuldzinsen» in DBG 33 Abs. 1 lit. a bzw. StHG 9 Abs. 2 lit. a ist wirtschaftlich auszulegen. Vorliegend neutralisieren sich wirtschaftlich betrachtet die Wirkungen der ausgerichteten Schenkung und des gewährten Darlehens gegenseitig. Es erübrigt sich, das Vorliegen einer Steuerumgehung zu prüfen. / Déduction des intérêts passifs. Le terme «intérêts passifs» mentionné à LIFD 33 al. 1 lettre a, respectivement à LHID 9 al. 2 lettre a doit être interprété d’un point de vue économique. Ici, d’un point de vue économique, les effets de la donation effectuée et du prêt accordé s’annulent l’un l’autre. Il n’est pas nécessaire d’examiner le cas sous l’angle de l’évasion fiscale. BGer/TF, 19.11.2008 (2C.393/2008). StR/RF 2009, 110. ■ LIFD/DBG 112. OG/OG 98a. LTF/BGG 86 cpv. 2, 130 cpv. 3. Assistenza di altre autorità in favore del fisco. Procedura. Autorità competent. Portata dell’obbligo di collaborazione. Giurisprudenza in tema di autorità competenti ad esaminare le domande di assistenza in favore del fisco secondo LIFD 112. Esigenze poste dagli OG 98a e LTF 86 cpv. 2. In tale ambito, se un’autorità cantonale ammette la propria competenza, il Tribunale federale deve per ora unicamente verificare che non si sia fondata su un’interpretazione arbitraria del diritto cantonale. Portata dell’obbligo di collaborazione in virtù LIFD 112. Per quanto concerne la cernita dei documenti vanno applicati per analogia i principi validi in materia di assistenza giudiziaria internazionale, tenendo inoltre conto che nello scambio di informazioni in base LIFD 112 non si pongono problemi di 10.3.2009 9:12:28 Uhr Rechtsprechungsübersicht/Répertoire de jurisprudence AJP/PJA 3/2009 354 salvaguardia della sovranità nazionale e che dev’essere garantita un’ampia collaborazione tra le autorità. / Amtshilfe anderer Behörden zugunsten der Steuerbehörden. Verfahren. Zuständigkeit. Tragweite der Pflicht zur Amtshilfe. Überblick über die Rechtsprechung zur Zuständigkeit von Behörden zur Prüfung von Ersuchen um Amtshilfe zugunsten der Steuerbehörden gemäss DBG 112. Anforderungen gemäss OG 98a und BGG 86 Abs. 2. Bejaht eine kantonale Behörde ihre Zuständigkeit, so prüft das Bundesgericht zurzeit nur, ob dies auf einer willkürlichen Auslegung des kantonalen Rechts beruht. Tragweite der Pflicht zur Amtshilfe gemäss DBG 112. Geht es um die Ausscheidung von Dokumenten, so gelten die Grundsätze analog, die für die internationale Rechtshilfe anwendbar sind, wobei zu berücksichtigen ist, dass der auf DBG 112 gestützte Informationsaustausch nicht Fragen der Gewährleistung der nationalen Souveränität aufwirft und eine umfassende Zusammenarbeit zwischen den Behörden garantiert ist. TF/BGer, 28.7.2008 (2C_443/2007); DTF/BGE 134 II 318. ■ Abschreibungen. Geschäftsvermögen. In der Lehre wird die Auffassung vertreten, dass die Bedeutung des zivilrechtlichen Eigentums im Vermögenssteuerbereich teilweise vom Begriff des wirtschaftlichen Eigentums abgelöst werde. Auch die handelsrechtliche Literatur stellt für die Aktivierung nicht so sehr auf das formelle Eigentum am betreffenden Vermögensgegenstand ab, sondern darauf, ob ein Vermögenswert dem Unternehmen uneingeschränkt zur Verfügung steht. Im vorliegenden Fall stellt die zur Diskussion stehende Remise eine auf lange Dauer ausgelegte Baute dar, für deren Zuordnung zwingend die zivilrechtliche Betrachtungsweise und nicht die faktische Nutzung des Gebäudes massgebend ist. / Amortissements. Fortune commerciale. Dans la doctrine, on trouve la conception selon laquelle, pour ce qui est de l’imposition de la fortune, l’importance de la propriété au sens du droit civil est en partie remplacée par la notion de propriété économique. De même, dans la littérature de droit commercial, la question de l’activation n’est pas tant résolue sur la base de la propriété formelle aux biens que celle de la disponibilité illimitée d’un bien pour l’entreprise. Dans le cas d’espèce, la remise qui fait l’objet du litige représente une construction faite pour durer, pour laquelle seul le point de vue du droit civil permet de trancher, et non son utilisation de fait. BGer/ TF, 4.12.2008 (2C.379/2008). StR/RF 2009, 113. • Bei der Vermietung von Wohneigentum an Verwandte zu Vorzugsbedingungen ist nach bundesgerichtlicher Praxis eine Aufrechnung des Einkommens bis zur Höhe des Eigenmietwerts nur dann zulässig, wenn die tatsächlich erzielten Mietzinse weniger als die Hälfte des Eigenmietwerts ausmachen; in diesem Fall besteht eine widerlegbare Vermutung der Steuerumgehung. Voraussetzungen für eine Praxisänderung. Für die generelle Einkommensbesteuerung der Differenz zwischen einem unter dem Eigenmietwert liegenden Vorzugsmietzins und dem Eigenmietwert fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage. Der Vorwurf eines starren Schematismus ist ungerechtfertigt; die Praxis hält vor dem Rechtsgleichheitsgebot stand. / Impôt sur le revenu; imposition de loyers préférentiels. En cas de location de locaux d’habitation par des proches à des conditions préférentielles, la jurisprudence du Tribunal fédéral n’autorise une correction du revenu à concurrence de la valeur locative que si le loyer effectif est inférieur à la moitié de la valeur locative; dans un tel cas, une présomption – réfragable – de fait en vue d’éluder l’impôt est admise. Conditions pour un changement de jurisprudence. Absence de base légale pour imposer de manière générale, en tant que revenu, la différence entre le loyer préférentiel inférieur à la valeur locative et cette dernière. Le reproche de schématisme rigide est injustifié; la pratique est conforme au droit à l’égalité de traitement. VerwGer BE, 18.9.2008. BVR 2008, 543. AJP 03_2009.indb 354 1.12.2. Besteuerung juristischer Personen / Taxation des personnes juridiques ■ Sociétés privilégiées. Rendements des participations. Un gain de change comptabilisé dans le compte de pertes et profits est un rendement de participation s’il est directement lié à un prêt à long terme octroyé à une filiale de la société contribuable. Ce seul poste étant en l’espèce supérieur aux deux tiers des recettes, la seconde condition alternative de LIPM 22 est remplie. La recourante doit donc bénéficier du statut de holding pour la période litigieuse. / Privilegierte Gesellschaften. Beteiligungsertrag. Ein in der Erfolgsrechnung gebuchter Kursgewinn stellt Beteiligungsertrag dar, sofern er mit einem langfristigen an eine Tochtergesellschaft der Steuerpflichtigen gewährten Darlehen im unmittelbaren Zusammenhang steht. Diese Position allein macht mehr als zwei Drittel der gesamten Erträge aus. Die zweite alternative Bedingung von LIPM 22 ist deshalb erfüllt. Der Steuerpflichtigen muss also der Holdingstatus für die strittige Steuerperiode gewährt werden. VerwGer GE, 1.7.2008. StR/RF 2009, 17. 1.12.5. Indirekte Steuern / Impôts indirectes ■ MWSTG 10, 14. Dienstleistungsbezug aus dem Ausland; grenzüberschreitende Leistungen zwischen Hauptsitz und Betriebsstätte. Vorsteuerpauschale für Banken. BGer, 22.7.2008 (A-1444/2006 und A-1445/2006). Bearbeitet durch Pierre Scheuner. StR/RF 2009, 44. ■ MWSTG 15a, 45a. MWSTV 28 Abs. 1, 29 Abs. 1. Vorsteuerabzug, Preisauffüllung. BGer, 27.6.2008 (A-1555/2006). Bearbeitet durch Pierre Scheuner. StR/RF 2009, 44. ■ MWSTG 36 Abs. 1 lit. a Ziff. 2 und 9. Fakturierte Steuer. BGer, 29.8.2008 (2C_285/2008). Bearbeitet durch Pierre Scheuner. StR/RF 2009, 39. ■ MWSTGV 45a. MWSTV 5 Abs. 1 und Abs. 2 lit. a. Leistungen an nahestehende Personen, Exportlieferungen, Ausfuhrbelege, Stellvertretung. BGer, 1.9.2008 (2C_582/2007). Bearbeitet durch Pierre Scheuner. StR/RF 2009, 40. ■ MWSTG 58 Abs. 1. MWSTV 47 Abs. 1, 48, 60. Umsatzschätzung. BGer, 30.7.2008 (2C_170/2008). Bearbeitet durch Pierre Scheuner. StR/RF 2009, 35. ■ MWSTV 17. Umfang der Steuerpflicht. BGer, 26.8.2008 (2C_ 694/2007). Bearbeitet durch Pierre Scheuner. StR/RF 2009, 38. ■ MWSTV 27 Abs. 1 lit. a Ziff. 12. Lemma. Saldosteuersatz, Abgabe von Ess- und Trinkwaren. BGer, 23.7.2008 (2C_662/2007). Bearbeitet durch Pierre Scheuner. StR/RF 2009, 35. ■ Lastungsaustausch, Entgelt. BGer, 3.9.2008 (2A.264/2006). Bearbeitet durch Pierre Scheuner. StR/RF 2009, 40. ■ Nichtleisten des Kostenvorschusses. BGer, 4.9.2008 (2C_ 552/2008). Bearbeitet durch Pierre Scheuner. StR/RF 2009, 41. 1.12.7. Andere Steuern. Abgaben und Gebühren / Autres impôts. Taxes et émoluments ■ Droits d’enregistrement. Droits d’enregistrement perçus sur une donation mixte. L’obligation de paiement d’un capital en espèces constitue une contre-prestation, ne peut être assimilé à une charge et confère un caractère onéreux à une partie de l’acte et doit être soumise aux droits d’enregistrement. De ce fait, l’exonération de tout droit d’enregistrement pour les donations faites par le donateur à ses parents en ligne directe ne concerne que la partie donation de l’acte. / Handänderungssteuern. Handänderungssteuer auf eine gemischte Schenkung. Die Verpflichtung zu einer Kapitalzahlung in bar stellt eine Gegenleistung dar, welche nicht als eine Last an- 10.3.2009 9:12:28 Uhr Rechtsprechungsübersicht/Répertoire de jurisprudence AJP/PJA 3/2009 355 gesehen werden kann und welche einem Teil der Transaktion einen geldwerten Charakter verleiht. Diese Gegenleistung muss mit der Handänderungssteuer erfasst werden. Die Befreiung von jeglicher Handänderungssteuer für die Schenkungen des Schenkgebers an seine Verwandten in direkter Linie betrifft lediglich den Teil der Transaktion, welcher als Schenkung angeschaut wird. VerwGer GE, 26.8.2008. StR/RF 2009, 22. 1.16. Energie- und Umweltrecht / Energie et environnement • Gewässerschutz. Periodische Wasser- und Abwassergebühren. Bemessungsgrundlagen. Ein Gemeindereglement, welches vorsieht, dass die periodischen Verbrauchsgebühren ausschliesslich nach Massgabe des umbauten Raums bzw. der Belastungswerte erhoben werden, verstösst gegen übergeordnetes Recht; ihm ist die Anwendung zu versagen. / Protection des Eaux. Taxes périodiques de consommation d’eau et d’élimination des eaux uses. Bases de calcul. Un règlement communal qui prévoit que les taxes périodiques de consommation d’eau sont fixées uniquement d’après l’espace construit et la charge proportionnelle qui en découle est contraire au droit supérieur et ne peut être appliqué. VerwGer BE, 11.2.2008. BVR 2008, 557. 1.19. Sozial- und Sozialversicherungsrecht / Droit social et droit des assurances sociales aAHVG/aLAVS 48quater Abs. 3 Satz 2. ATSG/LPGA 73 Abs. 3 Satz 2. Quotenvorrecht/Befriedigungsvorrecht. Der Haftpflichtige kann sich gegenüber dem Sozialversicherungsträger, der seinen Regressanspruch geltend macht, nicht auf das Befriedigungsvorrecht des Geschädigten berufen, wenn er dessen Direktanspruch die Verjährungseinrede entgegenhält. / Droit préférentiel/droit préférentiel de couverture. Le responsable ne peut pas se prévaloir, envers l’assureur social qui exerce son droit de recours, du droit préférentiel de couverture du lésé, lorsqu’il excipe de la prescription de la prétention directe de celui-ci. BGer/TF, 23.9.2008 (4A_246/2008); BGE/ATF 134 III 636. ■ OAVS/AHVV 24 cpv. 4, 41bis cpv. 1 lett. f. LPGA/ATSG 26 cpv. 1. Interessi di mora e obbligo di segnalazione. Interpretazione (scopo, funzione e portata) OAVS. 41bis cpv. 1 lett. f alla luce della DTF 134 V 202. Rapporto tra obbligo di segnalazione OAVS 24 cpv. 4 e interessi di mora giusta OAVS 41bis cpv. 1 lett. f. / Verzugszinsen und Meldepflicht. Auslegung (Zweck, Funktion und Tragweite) des AHVV 41bis Abs. 1 lit. f im Lichte von BGE 134 V 202. Verhältnis zwischen Meldepflicht im Sinne von AHVV 24 Abs. 4 und Verzugszinsen gemäss AHVV 41bis Abs. 1 lit. f. TF/BGer, 29.8.2008 (9C_738/2007); DTF/BGE 134 V 405. ■ LACI/AVIG 18c al. 1. OAC/AVIV 32. LAVS/AHVG 21. Imputation d’une prestation de retraite anticipée de la prévoyance professionnelle sur les prestations de l’assurance-chômage; prestation en capital. Une avance AVS versée, en cas de retraite anticipée, jusqu’à l’âge ouvrant le droit à une rente AVS (LAVS 21), puis remboursée par des retenues sur la pension de retraite pendant dix ans, mais au plus tard jusqu’au décès du retraité, ne constitue pas un simple prêt. Une telle avance est une prestation de vieillesse de la prévoyance professionnelle et doit être déduite des prestations de l’assurancechômage conformément à LACI 18c al. 1. Si elle est versée sous la forme d’un capital, la prestation de vieillesse anticipée doit également être imputée sur les prestations de l’assurance-chômage, après avoir été convertie en une rente mensuelle. / Anrechnung einer Leistung der beruflichen Vorsorge bei vorzeitiger Pensionierung an die Leistungen der Arbeitslosenversicherung. Leistung in Kapi■ AJP 03_2009.indb 355 talform. Eine bei vorzeitiger Pensionierung bis zum Erreichen des AHV-Rentenalters (AHVG 21) ausbezahlte Überbrückungsrente, die alsdann während einer Dauer von zehn Jahren, längstens aber bis zum Tode des Rentenbezügers, durch Abzüge von der Altersrente rückerstattet wird, ist kein gewöhnliches Darlehen. Ein derartiger Vorschuss bildet vielmehr eine Altersleistung der beruflichen Vorsorge, welche gemäss AVIG 18c Abs. 1 von den Leistungen der Arbeitslosenversicherung abgezogen werden muss. Auch wenn die Altersleistung als Überbrückungsleistung in Kapitalform erbracht wird, muss sie an die Leistungen der Arbeitslosenversicherung angerechnet werden, dies auf der Basis einer durch Umrechnung ermittelten Monatsrente. TF/BGer, 28.8.2008 (8C_566/2007); ATF/ BGE 134 V 418. ■ BVG/LPP 2 Abs. 1, 7 Abs. 1, 39 Abs. 2, 66 Abs. 2, 73 Abs. 2. Aufgrund der Dispositionsmaxime steht es nach Eintritt des Leistungsfalles im Belieben der klagenden Partei, ob sie ihren Arbeitgeber auf Erfüllung der Beitragspflicht oder ihre Vorsorgeeinrichtung auf Zahlung der Versicherungsleistungen einklagen will. / Après la survenance d’un cas d’assurance, la maxime de disposition impose de retenir que c’est à la partie plaignante de décider si elle entend attaquer son employeur en exécution du paiement de la cotisation obligatoire ou si elle entend s’en prendre à l’organe de prévoyance en paiement des prestations d’assurance. BGer/TF, 27.10.2008 (9C_139/2008). Bearbeitet durch Markus Felber. SJZ/RSJ 2009, 63. ■ LAMal/KVG 43 al. 5, 46 al. 4. LTF/BGG 86 al. 1. Cst. / BV 29a, 189 al. 4. CEDH/EMRK 6 par. 1. Recevabilité d’un recours contre un arrêté du Conseil fédéral. Aucune voie de recours au Tribunal fédéral n’est ouverte contre une décision d’approbation du Conseil fédéral relative à la révision de la structure tarifaire à la prestation pour les prestations médicales TARMED. / Zulässigkeit der Beschwerde gegen einen Entscheid des Bundesrates. Gegen einen Genehmigungsentscheid des Bundesrates betreffend Änderung der für medizinische Leistungen geltenden Tarifstruktur TARMED steht kein Rechtsmittel an das Bundesgericht offen. TF/BGer, 20.10.2008 (9C_116/2008); ATF/BGE 134 V 443. ■ LAA/UVG 7 al. 2, 8 al. 2. OLAA/UVV 13. Assurée travaillant au service de plusieurs employeurs à raison chaque fois de moins de huit heures par semaine. Les durées d’occupation auprès de chaque employeur ne peuvent pas être additionnées pour déterminer la durée de travail minimale requise pour la couverture des accidents non professionnels. Dans la mesure où, dans sa version française, il assimile à des accidents professionnels seulement les accidents subis par des travailleurs «pendant le trajet entre leur domicile et leur lieu de travail», OLAA 13 al. 2 est conforme à la loi. / Teilzeitbeschäftigte Versicherte, die für mehrere Arbeitgeber tätig ist und deren wöchentliche Arbeitszeit bei jedem Arbeitgeber weniger als acht Stunden beträgt. Bei der Ermittlung der Mindestarbeitsdauer für die Versicherung der Nichtberufsunfälle bei Teilzeitbeschäftigungen können die Arbeitszeiten bei mehreren Arbeitgebern nicht zusammengezählt werden. Soweit UVV 13 Abs. 2 in der französischen Fassung nur die auf der Strecke («trajet») zwischen Wohn- und Arbeitsort erlittenen Unfälle den Berufsunfällen gleichstellt, ist er gesetzeskonform. TF/BGer, 24.8.2008 (8C_328/2008); ATF/BGE 134 V 412. ■ Verordnung (EWG) Nr. 1408/71/Règlement (CEE) n° 1408/71 13 Abs. 1 und 2 lit. a, 14 Abs. 1 lit. a. Verordnung (EWG) Nr. 574/72/ Règlement (CEE) no 574/72 11. Entsandter Arbeitnehmer. Ein Arbeitnehmer, der von einem Schweizer Unternehmen in einem Mitgliedstaat rekrutiert wird, um unmittelbar in einem weiteren Mitgliedstaat die Erwerbstätigkeit aufzunehmen, erfüllt die Voraussetzungen einer Entsendung im Sinne der Verordnung (EWG) 10.3.2009 9:12:28 Uhr Rechtsprechungsübersicht/Répertoire de jurisprudence AJP/PJA 3/2009 356 Nr. 1408/71 14 Abs. 1 lit. a nicht und unterliegt daher den Rechtsvorschriften des Beschäftigungslandes gemäss 13 Abs. 2 lit. a dieser Verordnung. / Travailleur détaché. Un travailleur recruté dans un Etat membre par une entreprise suisse afin d’entreprendre immédiatement une activité lucrative dans un autre Etat membre ne satisfait pas aux conditions d’un détachement au sens de règlement (CEE) n° 1408/71 14 par. 1 let. a. Partant il est soumis à la législation de l’Etat sur le territoire duquel il exerce son activité conformément à 13 par. 2 let. a de ce règlement. BGer/TF, 4.8.2008 (U 50/07); BGE/ ATF 134 V 428. • ATSG 21 Abs. 4. Kürzung und Verweigerung von Leistungen, wenn sich der Versicherte einer zumutbaren Behandlung widersetzt: Zur «Zumutbarkeit» einer Behandlung, zur Verletzung der Behandlungspflicht und zur Verhältnismässigkeit der verfügten Sanktion. Sozialversicherungsgericht BS, 12.3.2008. BJM, 2008, 326. • ATSG/LPGA 27 Abs. 2. Arbeitslosenversicherung. Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung wegen Verletzung der individuellen Aufklärungs- und Beratungspflicht. Das regionale Arbeitsvermittlungszentrum RAV hat es unterlassen, anlässlich einer allgemeinen Informationsveranstaltung in einem Arbeitsbetrieb darauf hinzuweisen, dass vorzeitig pensionierte Versicherte unter gewissen Voraussetzungen Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung haben. Eine Verletzung der individuellen Aufklärungs- und Beratungspflicht liegt nur vor, wenn das RAV über die geplante Frühpensionierung einzelner Teilnehmer der Veranstaltung orientiert war und darüber hinaus ersichtlich war, dass diese im Begriff waren, für sie nachteilige Dispositionen zu treffen. / Assurance-chômage. droit à l’indemnité de chômage en cas de violation de l’obligation d’information et de conseil individuels. Lorsque l’Office régional de placement (ORP), lors d’une séance d’information générale dans une entreprise, omet de mentionner que les assurés bénéficiant d’une retraite anticipée peuvent aussi prétendre à l’indemnité de chômage à certaines conditions, il viole son obligation d’information et de conseil individuels, mais ceci uniquement si l’ORP était au courant du fait qu’il était prévu de mettre certains collaborateurs à la retraite anticipée et qu’il était apparent que ces derniers allaient prendre des dispositions qui leur porteraient préjudice. VerwGer BE, 1.7.2008. BVR 2008, 563. 1.21. Öffentliches Dienstrecht / Fonction publique • Abgangsentschädigung bei Beendigung eines drittmittelfinanzierten Anstellungsverhältnisses. Massgebende Rechtsgrundlagen für drittmittelfinanzierte Anstellungen an der Universität Bern. Das Auslaufen der Drittmittel stellt einen triftigen Grund dar für die Auflösung des Anstellungsverhältnisses. Wird ein Arbeitsverhältnis durch Zeitablauf beendet, besteht grundsätzlich kein Anspruch auf Abgangsentschädigung. Dass eine Anstellung drittmittelfinanziert ist, steht der Ausrichtung einer Abgangsentschädigung nicht entgegen. Zulässigkeit von Kettenarbeitsverträgen. Vorliegend bestand kein sachlicher Grund für die Aneinanderreihung befristeter Verträge und ist ein vernünftiger Grund für die Befristung nicht ersichtlich. Das befristete Anstellungsverhältnis ist damit in ein unbefristetes umzudeuten, welches nur durch Kündigung hätte aufgelöst werden können. Der vertragliche Ausschluss einer Abgangsentschädigung ist im Rahmen der Mindestansprüche nach OR zulässig. Eine Abgangsentschädigung ist damit geschuldet für jene Zeit, für welche ein solcher Ausschluss nicht vereinbart wurde. / Indemnité de départ à l’échéance d’un rapport de travail financé par des contributions de tiers. Bases légales déterminantes pour les rapports de travail au sein de l’Université de Berne financés par des contributions de tiers. L’épuisement des contributions de tiers constitue un motif pertinent AJP 03_2009.indb 356 pour la résiliation de l’engagement. Lorsqu’un rapport de travail se termine en raison de l’écoulement du temps, il n’existe en principe aucun droit à une indemnité de depart. Le fait qu’un rapport de travail est financé par des contributions de tiers n’empêche pas le versement d’une indemnité de depart. Admissibilité de contrats de travail de durée déterminée successifs. En l’espèce, aucun motif concret ne justifiait une succession de contrats de travail de durée déterminée. Le rapport de travail de durée déterminée doit dès lors être considéré comme un rapport de travail de durée indéterminée, auquel un terme ne pouvait être mis que par une résiliation. L’exclusion dans le contrat du droit à une indemnité de départ est admissible du point de vue des droits minimaux garantis par le CO. Une indemnité de départ est dès lors due en l’occurrence pour la période pour laquelle une telle exclusion n’avait pas été convenue. VerwGer BE, 21.5.2008. BVR 2008, 529. 2. Privatrecht / Droit privé 2.3. Personenrecht / Droit des personnes ■ OR/CO 1 Abs. 1 und 2, 19 Abs. 1. ZGB 70 Abs. 2. Konsensuale Auflösung der Vereinsmitgliedschaft. Ein Ausscheiden aus einem Verein ist nicht nur durch einseitigen Austritt (ZGB 70 Abs. 2) möglich, sondern auch durch vertragliche Einigung zwischen Verein und Mitglied. In casu ist die Arbeitgeberfirma, ein Zimmereibetrieb, wie die meisten Holzbaufirmen aufgrund zulässiger vertraglicher Übereinkunft auf Ende März 2003 aus dem Schweizerischen Baumeisterverband (SBV) ausgeschieden. Sie unterstand somit nie dem Geltungsbereich des am 1. Juli 2003 in Kraft getretenen, zwischen dem SBV und zwei Gewerkschaften geschlossenen Gesamtarbeitsvertrags für den flexiblen Altersrücktritt im Bauhauptgewerbe (GAV FAR), weshalb ihrem Arbeitnehmer von vornherein keine Überbrückungsrente nach GAV FAR zusteht. / Dissolution consensuelle du lien unissant le sociétaire à l’association dont il est membre. Il est possible de quitter une association non seulement par une déclaration unilatérale de sortie (CC 70 al. 2), mais également par l’établissement d’une convention entre association et membre. En l’espèce, l’employeur, une charpenterie, comme la plupart des entreprises de construction actives dans le domaine du bois, s’est retiré de la Société Suisse des Entrepreneurs (SSE) sur la base d’un accord contractuel prenant effet à la fin du mois de mars 2003. Il n’a par conséquent jamais été soumis à la convention collective de travail pour la retraite anticipée dans le secteur principal de la construction (CCT RA), entrée en vigueur le 1er juillet 2003, conclue entre la SSE et deux syndicats, raison pour laquelle il n’existe a priori pas de droit pour ses employés à une rente intermédiaire en cas de retraite anticipée selon la CCT RA. BGer/TF, 25.9.2008 (9C_547/2007); BGE/ATF 134 III 625. 2.4. Familienrecht – allgemein / Droit de famille – en général 2.4.1. Eherecht / Droit de mariage ZGB/CC 177. BGG/LTF 98 i.V.m. 46 Abs. 2. Anweisungen an die Schuldner. Fristenlauf. Die Schuldneranweisung gemäss den Bestimmungen zum Schutz der ehelichen Gemeinschaft ist eine vorsorgliche Massnahme, so dass der gesetzliche Fristenstillstand für die Beschwerdeführung beim Bundesgericht nicht gilt. / Avis aux débiteurs. Délai. L’avis aux débiteurs selon les dispositions visant à assurer la protection de l’union conjugale est une mesure provisionnelle, de sorte que la suspension des délais prévue par la loi pour déposer un recours auprès du Tribunal fédéral n’est pas applicable. BGer/TF, 21.10.2008 (5A_585/2008); BGE/ATF 134 III 667. ■ 10.3.2009 9:12:29 Uhr Rechtsprechungsübersicht/Répertoire de jurisprudence AJP/PJA 3/2009 357 2.4.1.1. Scheidungsrecht / Droit de divorce ZGB/CC 125, 163. Für die Frage, ob eine Ehe lebensprägend war, kann das vorausgegangene Konkubinat nur in eng begrenzten bzw. qualifizierten Ausnahmefällen überhaupt in die Gesamtbetrachtung einbezogen werden. / Pour déterminer si le mariage a eu un impact déterminant sur le niveau de vie d’un époux, on ne doit tenir compte du concubinage précédant le mariage que de manière restreinte, à savoir dans des situations d’exceptions qualifiées. BGer/TF, 3.11.2008 (5A_538/2008). Bearbeitet durch Markus Felber. SJZ/RSJ 2009, 67. ■ ZGB/CC 163, 276 i.V. m. 285. Es wäre am Gesetzgeber, eine taugliche Lösung für die unbefriedigende Situation zu schaffen, die sich bei der familienrechtlichen Unterhaltsregelung aus der als Praxis bestätigten einseitigen Mankoüberbindung an die Unterhaltsgläubiger ergibt. / Il incombe au législateur d’élaborer une solution appropriée pour régler la situation insatisfaisante en matière de contribution d’entretien après divorce, mais qui découle d’une pratique confirmée, selon laquelle c’est au créancier de la contribution de supporter le manque de ressources. BGer/TF, 23.10.2008 (5A_767/2007). Bearbeitet durch Markus Felber. SJZ/RSJ 2009, 65. ■ 2.6. Sachenrecht – allgemein / Droits réels – en général 2.6.1. Das Eigentum / La propriété ■ CC/OR 8, 679, 684. Responsabilité du propriétaire foncier. Causalité naturelle. Preuve. / Verantwortlichkeit des Grundeigentümers. Natürliche Kausalität. TF/BGer, 17.4.2008 (5A_597/2007). Mit Bemerkungen von Paul-Henri Steinauer. BR/DC 2008, 172. ■ ZGB/CC 679, 688. Nachbarrecht. Grundeigentümerhaftung. Verhältnis von Zivilrecht und öffentlichem Recht. / Droit de voisinage. Responsabilité du propriétaire. Relation entre le droit civil et le droit public. BGer/TF, 2.6.2008 (5A_749/2007). Mit Bemerkungen von Jörg Schmid. BR/DC 2008, 172. 2.7. 2.7.2. Schuldrecht – allgemein / Droit des obligations – en général Obligationenrecht – Besonderer Teil – allgemein / Droit des obligations – Partie spéciale – en général 2.7.2.1. Kauf, CISG und Tausch / Vente, et échange ■ Grundstückkaufvertrag. Baumeisterverpflichtung. Verjährung. / Contrat de vente immobilière. Obligations de l’architecte. Prescription. BGer/TF, 3.7.2008 (4A_211/2008). Mit Bemerkungen von Hubert Stöckli. BR/DC 2008, 166. 2.7.2.3. Miete, Pacht / Bail à loyer, bail à ferme ■ OR 272. Erstreckung und Mieterinvestitionen. Mieterinvestitionen von Fr. 100 000.– begründen nach neun Jahren Mietdauer mit günstigem Mietzins keinen Härtegrund mehr. Trotz dringenden Eigenbedarfs der Vermieterin ist aber aufgrund der übrigen Umstände eine definitive Erstreckung von drei Jahren für eine gemeinnützige Organisation zur Wiedereingliederung von Arbeitslosen angemessen. BGer, 12.6.2008 (4A_85/2008). mp 2008, 225. ■ OR 272. Erstreckung Wohnungsmiete. Nicht zu beanstanden ist eine definitive Erstreckung von drei Jahren für ein Ehepaar nach einer Mietdauer von über 16 Jahren. Dies gilt auch, wenn der Vermieter seinen Eigenbedarf ausweist und die Mieter nicht an das Quartier gebunden sind, in finanziell günstigen Verhältnissen leben AJP 03_2009.indb 357 und keine Suchbemühungen unternommen haben. BGer, 26.5.2008 (4A_130/2008). mp 2008, 228. ■ OR 272 Abs. 2 lit. b. Erstreckung. Quartierverbundenheit. Es ist nicht unangemessen, für die Annahme des Härtegrunds der Quartierverbundenheit eine Mietdauer von mindestens zehn Jahren vorauszusetzen. BGer, 14.3.2008 (4A_17/2008). mp 2008, 238. ■ OR 272, 273, 274a. Frist zur Einreichung des Begehrens um Zweiterstreckung. Das Begehren um Zweiterstreckung ist auch bei Hängigkeit des Verfahrens um Ersterstreckung innert gesetzlicher Frist einzureichen. Die Abschreibung der gegenstandslos gewordenen Beschwerde gegen eine Ersterstreckung bewirkt nicht unbedingt die materielle Rechtskraft des angefochtenen Entscheids. Über Erstrekkungsbegehren im Anschluss an eine ordentliche Kündigung hat die Schlichtungsbehörde und nicht die Ausweisungsbehörde zu entscheiden. Bestimmungen über die Miete und die Pacht von Wohn- und Geschäftsräumen. BGer, 30.4.2008 (4A_92/2008). mp 2008, 231. 2.7.2.7. Werkvertrag / Contrat d’entreprise ■ CO/OR 107 ss, 372, 378. Demeure. Interprétation. Résolution du contrat. Werkvertrag. / Verzug. Auslegung. Rücktritt. TF/BGer, 9.9.2008 (4A_306/2008). Mit Bemerkungen von Pascal Pichonnaz. BR/DC 2008, 168. ■ OR/CO 369. Haftungsbefreiung trotz fehlender Abmahnung. Wissenszurechnung. / Exclusion de responsabilité malgré un avertissement lacunaire. Imputation des volontés. BGer/TF, 7.8.2008 (4A_166/2008). Mit Bemerkungen von Hubert Stöckli. BR/DC 2008, 166. ■ CO/OR 366, 377. Qualification d’un contrat de développement d’un logiciel. / Qualifikation eines Softwareentwicklungsvertrags. TF/BGer, 28.8.2008 (4A_265/2008). Mit Bemerkungen von Pascal Pichonnaz. BR/DC 2008, 168. ■ OR 371. Verjährung von Mängelrechten. Ein Futtersilo ist kein unbewegliches Bauwerk. / Prescription des droits liés au défaut. Un silo à grains n’est pas une construction immobilière. BGer/TF, 23.7.2008 (4A_235/2008). Mit Bemerkungen von Hubert Stöckli. BR/DC 2008, 167. 2.7.2.9. Auftragsrecht / Mandat ■ CO/OR 6, 18, 394 al. 3. Contrat d’architecte et d’ingénieur. Fixation de la rémunération due au mandataire. Droit du mandataire de se prévaloir tacitement d’un tarif professionnel. Règlement d’honoraires VSI-ASAI. / Architekten- und Ingenieurvertrag. Festsetzung der Vergütung des Beauftragten. Recht des Beauftragten, sich stillschweigend auf den Berufstarif zu berufen. Honorarverordnung VSI-ASAI. TF/BGer, 29.5.2008 (4A.100/2008). Mit Bemerkungen von Franz Werro. BR/DC 2008, 170. ■ CO/OR 398, 99 al. 3, 42 al. 2. CC/ZGB 8. Contrat d’architecte et d’ingénieur. Responsabilité du mandataire. Preuve du dommage. Lien de causalité. Fardeau de la preuve. / Architekten- und Ingenieurvertrag. Haftung des Beauftragten. Schadensbeweis. Kausalzusammenhang. Beweislast. TF/BGer, 21.4.2008 (4A_38/2008). Mit Bemerkungen von Franz Werro. BR/DC 2008, 169. 2.7.2.10. Geschäftsführung ohne Auftrag / Gestion d’affaires ■ OR/CP 419 ff. Architekten- und Ingenieurvertrag. Geschäftsführung ohne Auftrag. Architektenhonorar bei genehmigter Geschäftsführung. / Gestion d’affaires sans mandate. Honoraires d’architecte en cas d’approbation de la gestion. BGer/TF, 31.3.2008 (4A_496/2007). Mit Bemerkungen von Hubert Stöckli. BR/DC 2008, 169. 10.3.2009 9:12:29 Uhr Rechtsprechungsübersicht/Répertoire de jurisprudence AJP/PJA 3/2009 358 2.7.3. Haftpflichtrecht / Responsabilité civile Kann die Direktforderung gegenüber dem Haftpflichtigen nicht mehr durchgesetzt werden, da dieser ihr die Verjährungseinrede entgegenhält, so erübrigt sich ein Schutz des Geschädigten gegen Insolvenz und es steht der Durchsetzung des Regressanspruchs des Sozialversicherers nichts entgegen. / S’il n’est plus possible de faire valoir l’action directe contre le responsable, parce que celui-ci lui oppose l’exception de prescription, protéger le lésé contre la faillite du responsable devient inutile et plus rien ne s’oppose à ce que l’assureur social fasse valoir ses prétentions récursoires. BGer/TF, 23.9.2008 (4A_246/2008). Bearbeitet durch Markus Felber. SJZ/ RSJ 2009, 17. • OR/CO 58. Werkeigentümerhaftung. Begriff des Werkes. Mangelhafter Unterhalt. Grillplatz mit Baumbestand. / Responsabilité pour les bâtiments et autres ouvrages. Notion d’ouvrage. Défaut d’entretien. Place de grillade avec arbre. KGer BL, 4.3.2008. Mit Bemerkungen von Hubert Stöckli. BR/DC 2008, 182. ■ 3. Wirtschaftsrecht / Droit économique 3.2. Gesellschaftsrecht – allgemein / Droit des sociétés – en général 3.2.2. Kollektivgesellschaft / Société en nom collectif CO/OR 568 al. 3, 120 al. 1. Société en nom collectif faillie, responsabilité personnelle des associés pour les dettes sociales (CO 568 al. 3). Rapport de réciprocité dans la compensation (CO 120 al. 1). Caractéristiques de la société en nom collectif. Particularités de la responsabilité des associés. Validité de la reconnaissance de dette litigieuse. Notion de dette de la masse. Les créanciers sociaux pris individuellement sont les titulaires directs et exclusifs des prétentions en responsabilité personnelle contre les associés de la société en nom collectif faillie, et non la masse passive de celle-ci. / Kollektivgesellschaft in Konkurs, persönliche Haftung der Gesellschafter für die Gesellschaftsschulden (OR 568 Abs. 3). Gegenseitigkeit der Forderungen bei der Verrechnung (OR 120 Abs. 1). Charakteristika der Kollektivgesellschaft. Besonderheiten der Haftung der Gesellschafter. Gültigkeit der strittigen Schuldanerkennung. Begriff der Masseschuld. Die einzelnen Gesellschaftsgläubiger sind direkt und ausschliesslich anspruchsberechtigt aus der persönlichen Haftung der Gesellschafter der konkursiten Kollektivgesellschaft und nicht die Konkursmasse derselben. TF/GBer, 23.9.2008 (4A_264/2008); ATF/BGE 134 III 643. ■ 3.9. Arbeitsrecht / Droit du travail ■ ALCP/FZA 9. Reconnaissance des diplômes. Déni de justice. Reconnaissance de diplôme de la profession d’assistante socioéducative, réglementée en Suisse. En vertu de ALCP 9, le système européen de reconnaissance des diplômes est directement applicable. L’Office fédéral de la formation professionnelle et de la technologie (OFFT) est tenu de rendre une décision dans le délai de quatre mois prévu par Directive 92/51 12 al. 2, dès qu’il dispose de tous les éléments nécessaires pour comparer la formation reconnue à l’étranger avec les exigences requises en Suisse. Il lui appartient d’effectuer rapidement les recherches pour obtenir les informations juridiques qui lui manquent. Le délai de quatre mois commence alors à courir à partir de la réception des renseignements demandés. Dans ce délai, l’Office compétent doit trancher sur le fond et ne peut se contenter de suspendre la procédure, sous peine de violer la directive européenne applicable. / Anerkennung von Diplomen. Rechtsverweigerung. Diplomanerkennung auf dem Gebiet des in der Schweiz geregelten Berufs einer sozialpädagogischen Assisten- AJP 03_2009.indb 358 tin. Gemäss FZA 9 ist das europäische System der Anerkennung von Diplomen direkt anwendbar. Das Bundesamt für Berufsbildung und Technologie (BBT) ist gehalten, innert der in Richtlinie 92/51 12 Abs. 2 vorgesehenen Frist von vier Monaten einen Entscheid zu fällen, sobald es über alle notwendigen Elemente verfügt, um die im Ausland anerkannte Ausbildung mit den in der Schweiz gültigen Erfordernissen zu vergleichen. Es muss die ihm fehlenden rechtlichen Informationen rasch in Erfahrung bringen. Sobald es die angeforderten Auskünfte erhalten hat, beginnt die viermonatige Frist zu laufen. Innert dieser Frist muss das zuständige Bundesamt in der Sache entscheiden. Begnügt es sich mit einer Sistierung des Verfahrens, verstösst es gegen die anwendbare europäische Richtlinie. TF/GBer, 30.10.2008 (2C_416/2008); ATF/BGE 134 II 341. ■ Whistleblowing, secret bancaire, licenciement abusif. TF, 8.7.2008 (4A_2/2008). Mit Bemerkungen von Carlos Jaico und Sébastien Micotti. AJP/PJA 2009, 115. 4. Internationales Privat- und Verfahrensrecht / Droit international privé et droit international de procédure civile 4.1. Internationales Privatrecht – allgemein / Droit international privé – en général 4.1.2. Einzelne Gebiete des IPR / Matières particulières du DIP ■ LDIP/IPRG 27 al. 1, 61, 63 al. 2, 64 al. 2. Action en complément d’un jugement de divorce étranger. Reconnaissance d’un jugement de divorce étranger. Le partage de la prestation de sortie de la prévoyance professionnelle est en principe régi par le droit applicable au divorce. Le jugement de divorce étranger n’est pas lacunaire, partant susceptible de complément, lorsque la prestation compensatoire allouée à l’épouse, en application du droit français, a été fixée en tenant compte, notamment, de la prestation de sortie du mari selon le droit suisse. La reconnaissance d’un jugement de divorce étranger allouant à l’épouse une prestation compensatoire inférieure à la moitié de la prestation de sortie du mari n’est pas manifestement incompatible avec l’ordre public matériel suisse. / Klage auf Ergänzung eines ausländischen Scheidungsurteils. Anerkennung eines ausländischen Scheidungsurteils. Die Teilung der Austrittsleistung der beruflichen Vorsorge untersteht grundsätzlich dem auf die Scheidung anwendbaren Recht. Wurde die nach französischem Recht an die Ehefrau zu leistende Ausgleichszahlung namentlich unter Berücksichtigung der Austrittsleistung der beruflichen Vorsorge des Ehemanns gemäss schweizerischem Recht festgesetzt, so ist das Scheidungsurteil diesbezüglich nicht unvollständig und bedarf folglich keiner Ergänzung. Die Anerkennung eines ausländischen Scheidungsurteils, das der Ehefrau eine Ausgleichszahlung zuspricht, die weniger als die Hälfte der Austrittsleistung der beruflichen Vorsorge des Ehemannes beträgt, ist mit dem schweizerischen materiellen Ordre public nicht offensichtlich unvereinbar. TF/BGer, 12.6.2008 (5A_220/2008); ATF/BGE 134 III 661. ■ IPRG 166, 167, 168, 172, 173, 175. Prozessführungsbefugnis eines ausländischen Konkursverwalters. BGer, 6.3.2008 (4A_ 231/2007). Mit Bemerkungen von Ivo Schwander. SZIER 2008, 252. ■ IPRG 167 Abs. 1, 166 ff. Anerkennung eines finnischen Konkursdekrets. BGer, 4.1.2008 (5A_539/2007). Mit Bemerkungen von Ivo Schwander. SZIER 2008, 251. ■ Scheidung in Frankreich. Ehegatten mit Wohnsitz in Frankreich und schweizerischer und französischer Staatsangehörigkeit. «Prestation compensatoire» nach französischem Recht. Nur teilwei- 10.3.2009 9:12:29 Uhr Rechtsprechungsübersicht/Répertoire de jurisprudence AJP/PJA 3/2009 359 se Berücksichtigung von Vorsorgeansprüchen der Ehefrau in der Schweiz. Keine Ergänzung möglich. Keine Verletzung des Ordre Public. BGer, 12.6.2008 (5A_220/2008). Mit Bemerkungen von Andreas Bucher. AJP/PJA 2009, 117. • Objektive Anküpfung eines Dienstleistungsvertrags. Verhältnis zwischen der Anknüpfung aufgrund der charakteristischen Leistung (IPRG 117 Abs. 2 und 3) und derjenigen aufgrund des engsten Zusammenhangs (IPRG 117 Abs. 1). Handelsgericht SG, 7.4.2008. Mit Bemerkungen von Ivo Schwander. SZIER 2008, 246. 6. Gerichtsorganisation und Verfahrensrecht/ Organisation judiciaire et procédure 6.1. Gerichtsorganisation / Organisation judiciaire ■ LTF/BGG 90 et 98. Sûretés en matière d’impôt. Caractère final au sens de LTF 90 d’une décision mettant fin à une procédure relative à des sûretés en matière d’impôt. Griefs recevables d’après LTF 98 et principe d’allégation/Sicherstellung der Steuer. Der verfahrensabschliessende Entscheid über eine Sicherstellungsverfügung stellt einen Endentscheid im Sinne von BGG 90 dar. Zulässige Rügen gemäss BGG 98 und Substantiierungspflicht. TF/BGer, 1.10.2008 (2C_414/2008); ATF/BGE 134 II 349. ■ LTF/BGG 123 al. 2 let. a. Révision d’un arrêt du Tribunal fédéral. Conditions auxquelles un arrêt du Tribunal fédéral peut être révisé en raison de faits nouveaux. / Revision eines Bundesgerichtsurteils. Bedingungen, unter denen ein Bundesgerichtsurteil infolge neuer Tatsachen revidiert werden kann. TF/BGer, 15.9.2008 (5F_ 4/2008 / 5F_5/2008); ATF/BGE 134 III 669. ■ OR/CO 5. Vertrag über Dienstleistungen für die Abfallentsorgung. Verspäteter Akzept. Behandlung von Beschwerden in Zivilsachen durch die II. öffentlich-rechtliche Abteilung des Bundesgerichts. Öffentlich vergebener Auftrag für den Abtransport von Hauskehricht als privat- oder verwaltungsrechtlicher Vertrag? Keine Bindungswirkung der Vertragsofferte über einen Zeitraum von mehr als zwei Monaten. Schadenersatz gemäss OR 404 Abs. 2 wegen Kündigung zur Unzeit. / Contrat de prestations de service pour l’élimination des déchets. Acceptation tardive. Traitement des recours en matière de droit civil par la IIe Cour de droit public du Tribunal fédéral. Contrat portant sur l’évacuation des déchets ménagers conclu à la suite d’une adjudication publique: contrat de droit privé ou de droit administratif? Une offre ne lie plus son auteur après une période de plus de deux mois. Réparation du dommage selon CO 404 al. 2 en cas de résiliation en temps inopportun. BGer/TF, 5.11.2008 (2D_64/2008); BGE/ATF 134 II 297. ■ Die Ablösung der staatsrechtlichen Beschwerde in Doppelbesteuerungssachen und der Verwaltungsgerichtsbeschwerde in Steuerharmonisierungsangelegenheiten durch die Beschwerde in öffentlichrechtlichen Angelegenheiten gebietet es, der nach kantonalem Recht zuständigen Behörde die Beschwerdelegitimation zuzuerkennen. / Le remplacement du recours de droit public en matière de double imposition et du 2) recours de droit administratif en matière d’harmonisation fiscale par le recours en matière de droit public offre la possibilité de reconnaître la qualité pour agir aux autorités compétentes selon le droit cantonal. BGer/TF, 17.6.2008 (2C_537/2007). Bearbeitet durch Markus Felber. SJZ/RSJ 2009, 16. 6.2. Anwaltsrecht / Droit sur la profession d’avocat ■ LMI/BGBM 2 al. 4, 3. LLCA/BGFA 3. Loi vaudoise sur la profession d’avocat/Waadtländer Anwaltsgesetz 18. Inscription au ta- AJP 03_2009.indb 359 bleau des avocats stagiaires. Relations entre la LLCA, dont 3 al. 1 réserve le droit des cantons de fixer les exigences pour l’obtention du brevet d’avocat, et la LMI, dont 2 al. 4 1re phrase énonce le principe du libre accès au marché à toute personne qui remplit les conditions du premier établissement, sous réserve des restrictions figurant à LMI 3. Limites dans lesquelles les cantons peuvent exercer les compétences qui leur sont réservées par LLCA 3 al. 1. Examen de la conformité au regard de la LMI du refus signifié à un avocat d’engager un stagiaire. L’exigence posée par la législation vaudoise d’une pratique de cinq ans dans le canton, telle qu’elle a été interprétée en l’espèce, viole le principe de la proportionnalité. La gratuité de la procédure prévue à LMI 3 al. 4 ne s’applique pas aux procédures de recours. / Aufnahme in die kantonale Liste der Anwaltskandidaten. Verhältnis zwischen dem BGFA, dessen 3 Abs. 1 das Recht der Kantone, die Anforderungen für den Erwerb des Anwaltspatents festzulegen, vorbehält, und dem Binnenmarktgesetz, welches in 2 Abs. 4 Satz 1 jedermann – unter Vorbehalt der Beschränkungen nach Art. 3 – nach den Vorschriften am Ort der Erstniederlassung freien Zugang zum Markt gewährleistet. Schranken der durch BGFA 3 Abs. 1 vorbehaltenen kantonalen Regelungsbefugnis. Prüfung, ob das gegenüber einem Anwalt ausgesprochene Verbot, einen Anwaltskandidaten anzustellen, mit dem Binnenmarktgesetz vereinbar ist. Eine Auslegung des kantonalen Rechts in dem Sinn, dass dieses die Ausübung der Anwaltstätigkeit während fünf Jahren im Kanton verlange, verletzt das Verhältnismässigkeitsprinzip. Die in BGBM 3 Abs. 4 vorgesehene Unentgeltlichkeit des Verfahrens gilt nicht für Beschwerdeverfahren. TF/GBer, 24.9.2008 (2C_85/2008 / 2C_94/2008); ATF/BGE 134 II 329. ■ OR/CO 398. Anwaltshaftung. Geschuldete Sorgfalt. Kenntnis der Rechtsprechung. «Internet»-Urteile. / Responsabilité de l’avocat. Diligence requise. Connaissance de la jurisprudence. Décisions accessibles par internet. BGer/TF, 10.7.2008 (4A_ 190/2008). Mit Bemerkungen von Hubert Stöckli. BR/DC 2008, 170. ■ Die Frage nach dem Berufsgeheimnis des Unternehmensanwalts wird weiter offen gelassen, da sich dieses nur auf Informationen beziehen kann, über die der Anwalt Gewahrsam erlangt hat oder die ihm ohne seinen Willen abhanden gekommen sind. / La question relative au secret professionnel de l’avocat d’entreprise est laissée indécise, car ce secret ne peut se rapporter qu’à des informations, qui ont été confiées à l’avocat ou qui lui ont échappées sans sa volonté. BGer/TF, 28.10.2008 (1B_101/2008). Bearbeitet durch Markus Felber. SJZ/RSJ 2009, 14. 6.4. Zivilprozessrecht / Procédure civile Passivlegitimation bei Ausübung eines Vorkaufsrechtes. / Légitimation passive dans l’exercice d’un droit de préemption. GBer/TF, 30.4.2008 (5A_54/2008). Mit Bemerkungen von Peter Reetz. BR/DC 2008, 181. ■ 6.6. Zwangsvollstreckungs- und Konkursrecht / Exécution forcée et faillite SchKG/LP 80 Abs. 1. Definitive Rechtsöffnung. Aberkennungsurteil. Definitive Rechtsöffnung kann aufgrund eines Urteils gewährt werden, in dem die Aberkennungsklage abgewiesen wurde, die der Betriebene im Zuge einer früheren und nunmehr verwirkten Betreibung bezüglich derselben Forderung angehoben hatte. / Mainlevée définitive de l’opposition. Jugement sur l’action en libération de dette. La mainlevée définitive de l’opposition peut être accordée sur la base d’un jugement rejetant l’action en libération de dette qui avait été ouverte par le poursuivi lors d’une précédente poursuite ■ 10.3.2009 9:12:30 Uhr Rechtsprechungsübersicht/Répertoire de jurisprudence AJP/PJA 3/2009 360 (en l’occurrence périmée) relative à la même prétention. BGer/TF, 9.9.2008 (5A_164/2008); BGE/ATF 134 III 656. ■ SchKG 288 ff. Absichtsanfechtung und Sanierung. BGer, 29.5.2008 (5A_29/2007); BGE 134 III 452. Mit Bemerkungen von Andrea Galliker und Hans Caspar von der Crone. SZW 2008, 602. • SchKG/LP 82 Abs. 1 und 2. Der Arbeitsvertrag hat für die Entschädigung nach OR 337c Abs. 1 die Eigenschaft eines provisorischen Rechtsöffnungstitels, wenn nicht der Arbeitgeber die Rechtmässigkeit der fristlosen Entlassung oder eine Anrechnungspflicht des Arbeitnehmers glaubhaft machen kann. Der Einwand, die fristlose Entlassung sei berechtigt gewesen, stellt keine Einrede aus dem Vertrag dar, sondern richtet sich gegen den Bestand des Vertrages. Eine derartige Einwendung wird gleich behandelt wie die Einwendung gegen eine einseitige Schuldanerkennung, d.h., der Arbeitgeber muss die Einwendung, der Lohnanspruch sei infolge Auflösung des Arbeitsverhältnisses entfallen, auch bei einer Schuldanerkennung für einen zweiseitigen Vertrag glaubhaft machen und nicht bloss behaupten. / Le contrat de travail vaut pour des indemnités au sens de l’art. 337c CO comme titre de mainlevée provisoire, sauf si l’employeur rend vraisemblable que la résiliation immédiate était justifiée ou qu’il dispose d’une prétention compensatoire à l’égard de l’employé. L’objection consistant à soutenir que la résiliation immédiate était justifiée ne constitue pas une exception issue du contrat mais se dirige contre l’existence même du contrat. Une telle objection est traitée comme l’objection contre une reconnaissance de dette unilatérale, c’est-à-dire que l’employeur ne saurait se contenter de simplement prétendre que la prétention en salaire est tombée en raison de la dissolution du rapport de travail, mais il doit pour une reconnaissance de dette issue d’un contrat bilatéral également rendre vraisemblable cette objection. KGer/TC SG, 11.4.2008. BlSchK/BPPF 2008, 222. 6.7. Verwaltungsverfahrensrecht, Staats- und Verwaltungsrechtspflege / Procédure administrative, juridiction constitutionnelle et administrative • Aktualität des Rechtsschutzinteresses. Die Beschwerdeerhebung setzt in der Regel ein aktuelles Rechtsschutzinteresse voraus. Voraussetzungen, unter welchen trotz Fehlens oder Wegfalls eines aktuellen Rechtsschutzinteresses ausnahmsweise auf eine Beschwerde einzutreten ist. Vorbehältlich spezialgesetzlicher Regelung vermag der Umstand, dass eine Partei Staatshaftungsansprüche in Aussicht stellt, ein Feststellungsinteresse hinsichtlich der Rechtswidrigkeit der angefochtenen Verfügung nicht zu begründen. Auf die Beschwerde ist deshalb mangels Beschwerdebefugnis nicht einzutreten. Dies führt zu keiner unzulässigen Beeinträchtigung des Rechts auf Gerichtszugang und steht im Einklang mit dem Anspruch auf wirksamen Rechtsschutz gemäss EMRK 13. / Actualité de l’intérêt à recourir. L’introduction d’un recours nécessite en règle générale un intérêt à recourir actuel. Conditions auxquelles un recours peut exceptionnellement être recevable en l’absence d’un intérêt à recourir actuel, ou lorsqu’un tel intérêt a disparu. Sous réserve d’une réglementation particulière dans une loi spéciale, le fait qu’une partie entend faire valoir des prétentions en responsabilité à l’encontre de l’Etat ne suffit pas à fonder un intérêt au constat de l’illicéité de la décision contestée. En conséquence, il ne peut être entré en matière sur le recours, faute de qualité pour recourir. L’irrecevabilité du recours n’entraîne pas une violation inadmissible de la garantie d’accès à un tribunal, et est compatible avec le droit à un recours effectif au sens de CEDH 13. VerwGer BE, 1.9.2008. BVR 2008, 569. AJP 03_2009.indb 360 7. Strafrecht / Droit pénal 7.2. Strafrecht – Allgemeiner Teil – allgemein / Droit pénal – Partie générale – en général ■ OHG/LAVI 2, 11-17. OHV/OAVI 12. StGB/CP 98, 125. Entschädigung und Genugtuung nach OHG, Geltungsbereich des OHG bei Straftaten mit grossem zeitlichem Abstand zwischen Tathandlung und Erfolgseintritt (Asbestopfer). Bei fahrlässigen Erfolgsdelikten mit grossem zeitlichem Abstand der Tathandlung zum Eintritt des tatbestandsmässigen Erfolgs ist unter «Begehung einer Straftat» im Sinne von OHV 12 Abs. 3 die Verwirklichung der subjektiven und der objektiven Tatbestandsmerkmale zu verstehen. Für den zeitlichen Geltungsbereich der opferhilferechtlichen Bestimmungen über Entschädigung und Genugtuung ist somit nicht allein auf das sorgfaltswidrige Verhalten abzustellen. Entscheidend ist vielmehr der Eintritt des tatbestandsmässigen Erfolgs solchen Verhaltens. / Indemnisation et réparation morale selon la LAVI, champ d’application de la LAVI lorsque le résultat de l’infraction intervient longtemps après l’activité coupable (victime de l’amiante). En cas de délits de résultat commis par négligence, lorsqu’un grand intervalle de temps s’écoule entre l’activité coupable et le résultat constitutif de l’infraction, l’expression «infraction commise» au sens de OAVI 12 al. 3 doit s’entendre comme la réalisation des éléments constitutifs subjectifs et objectifs de l’infraction. Ainsi, l’application dans le temps des dispositions sur l’indemnisation et la réparation morale aux victimes ne dépend pas uniquement du comportement contraire au devoir de vigilance, mais bien plutôt du moment où en survient le résultat constitutif de l’infraction. BGer/ TF, 1.10.2008 (1C_73/2008); BGE/ATF 134 II 308. Anwaltsrevue/ Revue de l’avocat 2009, 30. 7.2.6. Strafen / Peines ■ Beim Dauerdelikt verstösst eine weitere Verurteilung nicht gegen ne bis in idem, doch muss die Summe der wegen des Dauerdelikts ausgesprochenen Strafen dem Gesamtverschulden angemessen sein und darf die angedrohte Höchststrafe nicht überschreiten. / En cas de délit continu, une nouvelle condamnation ne contrevient pas au principe ne bis in idem. Cependant, le total des peines prononcées en raison du délit continu doit être proportionné à la faute globale et ne doit pas dépasser la durée de la peine maximale possible pour le délit spécifique. BGer/TF, 4.11.2008 (6B_114/2008). Bearbeitet durch Markus Felber. SJZ/RSJ 2009, 19. 7.2.7. Massnahmen (ohne Einziehung) / Mesures (sans saisie) ■ StGB/CP 59, 64. SchlBest. StGB/Disp. fin. CP Ziff. 2. Abs. 2. Überprüfung altrechtlicher Verwahrungen (SchlBest. StGB Ziff. 2 Abs. 2). Anordnung einer stationären therapeutischen Massnahme, Voraussetzungen (StGB 59). Gegenüber einem altrechtlich verwahrten, psychisch schwer gestörten gefährlichen Straftäter hat der Richter an Stelle der Weiterführung der Verwahrung nach neuem Recht eine stationäre therapeutische Massnahme anzuordnen, wenn die hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass durch eine solche Massnahme über die Dauer von fünf Jahren die Gefahr von mit der psychischen Störung in Zusammenhang stehenden Straftaten im Sinne von StGB 64 deutlich verringert wird. Nicht erforderlich ist hingegen, dass mit hinreichender Wahrscheinlichkeit bereits nach fünf Jahren die Voraussetzungen für eine bedingte Entlassung aus der stationären Massnahme erfüllt sind. / Examen des internements ordonnés sous l’ancien droit (Disp. fin. CP ch. 2 al. 2). Mesure thérapeutique institutionnelle, conditions (CP 59). Lorsqu’un criminel dangereux interné sous l’ancien droit souffre d’un grave trouble mental, le juge doit remplacer la poursuite de l’internement selon le 10.3.2009 9:12:30 Uhr Rechtsprechungsübersicht/Répertoire de jurisprudence AJP/PJA 3/2009 361 nouveau droit par une mesure thérapeutique institutionnelle s’il est suffisamment vraisemblable qu’une telle mesure entraînera, dans les cinq ans de sa durée normale, une réduction nette du risque que l’intéressé commette, en raison de son trouble mental, un crime prévu à CP 64. Point n’est besoin, en revanche, que l’intéressé puisse vraisemblablement bénéficier d’une libération conditionnelle de l’exécution de la mesure en milieu institutionnel dans les cinq ans déjà. BGer/TF, 10.10.2008 (6B_263/2008); BGE/ATF 134 IV 315. ■ CP/StGB 75a unitamente all’art. 62d. Cost. / BV 29 cpv. 1. Ricusa dei membri della commissione ex CP 62d cpv. 2. Il detenuto che richiede la liberazione condizionale può ricusare i membri della commissione chiamata a valutare la sua pericolosità pubblica giusta CP 75a, analogamente a quanto avviene nei confronti di un esperto. Il caso di esclusione previsto CP 62d cpv. 2 è limitato al rappresentante della psichiatria e non può essere esteso agli altri membri della commissione. La presenza in seno alla commissione di un giudice che ha condannato il richiedente la liberazione condizionale non viola Cost. 29 cpv. 1. Il detenuto può ricusare il procuratore pubblico membro della commissione ex CP 62d cpv. 2 qualora abbia sostenuto l’accusa nei processi sfociati in condanne a pene detentive da cui l’interessato chiede di essere liberato condizionalmente. Non è per contro sufficiente che il magistrato abbia esercitato l’azione pubblica in altri procedimenti conclusisi con un proscioglimento, un abbandono o una condanna a pene ormai scontate, prescritte oppure ancora non più esecutive per altre ragioni. / Ablehnung der Mitglieder einer Kommission nach StGB 62d Abs. 2. Der Inhaftierte, der um bedingte Entlassung ersucht, kann die Mitglieder der zur Beurteilung seiner Gemeingefährlichkeit gemäss StGB 75a zuständigen Kommission in analoger Weise wie einen Sachverständigen ablehnen. Der in StGB 62d Abs. 2 vorgesehene Ausschluss gilt nur für den Vertreter der Psychiatrie und nicht auch für die übrigen Mitglieder der Kommission. Die Kommissionszugehörigkeit eines Richters, welcher den um bedingte Entlassung ersuchenden Täter verurteilt hat, verstösst nicht gegen BV 29 Abs. 1. Der Inhaftierte kann den öffentlichen Ankläger als Mitglied der Kommission nach StGB 62d Abs. 2 ablehnen, wenn dieser die Anklage im Verfahren vertreten hatte, das zur Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe führte, aus deren Vollzug der Betroffene bedingt entlassen werden möchte. Hingegen genügt es für die Ablehnung nicht, dass der öffentliche Ankläger die Anklage vertreten hatte in anderen Prozessen, die zu einem Freispruch, einer Verfahrenseinstellung oder zur Verurteilung zu einer Strafe geführt haben, die bereits verbüsst oder verjährt ist oder aus andern Gründen nicht vollzogen werden kann. TF/BGer, 29.8.2008 (6B_348/2008); DTF/BGE 134 IV 289. 7.2.8. Verfolgungs- und Vollstreckungsverjährung / Delais de la prescription de l’action pénale et de la peine ■ aStGB/aCP 71. StGB/CP 98 lit. a. Verfolgungsverjährung. Beginn der Verjährung. Für den Verjährungsbeginn ist nach dem Wortlaut des Gesetzes auf den Zeitpunkt der Tathandlung und nicht auf denjenigen des Erfolgseintritts der Straftat abzustellen mit der Konsequenz, dass Straftaten verjährt sein können, bevor der Erfolg eingetreten ist. Dieses Ergebnis hält auch vor den Grundrechtsgarantien stand. / Prescription de l’action pénale. Point de départ de la prescription. Conformément à la lettre de la loi, c’est le moment auquel l’auteur a exercé son activité coupable et non celui auquel se produit le résultat de cette dernière qui détermine le point de départ de la prescription. Il s’ensuit que des actes pénalement répréhensibles peuvent être atteints par la prescription avant qu’en survienne le résultat. Cette conséquence est conforme aux droits fondamentaux. BGer/TF, 11.8.2008 (6B_627/2007 / 6B_629/2007); BGE/ATF 134 IV 297. AJP 03_2009.indb 361 7.3. Strafrecht – Besonderer Teil – allgemein / Droit pénal – Partie spéciale – en général 7.3.17. Verletzung der Berufs- und Amtspflicht / Violance des devoirs de fonction et des devoirs professionels CP/StGB 305ter cpv. 1, 97 seg. LRD/GwG 3–5. Carente diligenza in operazioni finanziarie, prescrizione. L’obbligo di identificazione sorge con la conclusione di una relazione d’affari e perdura fino al termine della stessa. L’operatore finanziario, che nell’ambito di una duratura relazione d’affari compie atti di gestione senza accertarsi dell’identità dell’avente economicamente diritto, agisce in modo permanentemente contrario al diritto. In questo caso, la carente diligenza in operazioni finanziarie si configura come un reato permanente. Il termine di prescrizione comincia a decorrere dal giorno in cui è cessata la relazione d’affari e con essa il relativo dovere di identificazione o dal giorno in cui l’operatore finanziario ha posto un termine alla situazione illecita creatasi accertando l’identità dell’avente economicamente diritto dei valori patrimoniali gestiti. / Mangelnde Sorgfalt bei Finanzgeschäften, Verjährung. Die Pflicht zur Identifizierung der Vertragspartei entsteht mit der Aufnahme der Geschäftsbeziehung und dauert bis zu ihrer Beendigung an. Der Finanzintermediär, der im Rahmen einer dauerhaften Geschäftsbeziehung Geschäftsführungshandlungen tätigt, ohne die Identität des wirtschaftlich Berechtigten festzustellen, handelt andauernd rechtswidrig. In diesem Fall stellt die mangelnde Sorgfalt bei Finanzgeschäften ein Dauerdelikt dar. Die Verjährung beginnt daher an dem Tag zu laufen, an dem die Geschäftsbeziehung aufhört und damit die diesbezügliche Pflicht zur Identifizierung nicht mehr besteht oder an welchem der Finanzintermediär der rechtswidrigen Situation durch Feststellung der Identität des an den verwalteten Vermögenswerten wirtschaftlich Berechtigten ein Ende gesetzt hat. TF/BGer, 12.9.2008 (6B_249/2008); DTF/BGE 134 IV 307. ■ 7.4. Nebenstrafrecht des Bundes – allgemein / Peines accessoires de la confédération 7.4.1. Verwaltungsstrafrecht / Droit pénal administratif VStrR/DPA 2, 11, 62, 63, 69. ZG/LD 129. MWSTG/LTVA 88 Abs. 1. StGB/CP 97 Abs. 1 lit. c, 333 Abs. 6. Verjährung von Zollund Mehrwertsteuerdelikten. Ruhen der Verjährung bei Verwaltungsstrafverfahren gegen mehrere Täter. Unter einem erstinstanzlichen Urteil, nach welchem eine Verjährung nicht mehr eintreten kann, sind verurteilende, nicht aber freisprechende Erkenntnisse zu verstehen. Führt die Regelung von StGB 333 Abs. 6 im Nebenstrafrecht dazu, dass für Übertretungen eine längere Verjährungsfrist als für Vergehen desselben Gesetzes gelten würde, reduziert sich die für die Übertretungen geltende Verjährungsfrist entsprechend. Bei Verwaltungsstrafverfahren gegen mehrere Beteiligte, die gleiche oder sich überschneidende Sachverhalte betreffen, ruht während eines von einem der Beteiligten angehobenen Rechtsmittelverfahrens gegen die Festsetzung der Leistungspflicht die strafrechtliche Verjährungsfrist gegenüber allen Mitbeteiligten. / Prescription des infractions douanières et des infractions à la loi sur la TVA. Suspension en cas de procédures pénales administratives dirigées contre plusieurs auteurs. La notion de jugement de première instance, à partir duquel la prescription ne court plus, vise les prononcés de condamnation et non les prononcés d’acquittement. Si la réglementation prévue à CP 333 al. 6 pour le droit pénal accessoire a pour conséquence que le délai de prescription applicable aux contraventions est plus long que celui qui est applicable aux délits de la même loi, le délai de prescription pour les contraventions est réduit de manière correspondante. En cas de procédures pénales adminis■ 10.3.2009 9:12:30 Uhr Rechtsprechungsübersicht/Répertoire de jurisprudence AJP/PJA 3/2009 362 tratives dirigées contre plusieurs participants, qui concernent des états de fait identiques ou qui se recoupent, le délai de la prescription pénale est suspendu à l’égard de tous les participants pendant la procédure de recours introduite par l’un des participants sur la question de l’assujettissement à la prestation. BGer/TF, 16.10.2008 (6B_686/2008); BGE/ATF 134 IV 328. Bemerkungen zu diesem Urteil von Christof Riedo und Matthias Zurbrügg in AJP/PJA 2009, 372 ff. 7.6. Strafprozessrecht und Gerichtsorganisation / Procédure pénale et organisation judiciaire 7.6.1. Allgemeines Strafprozessrecht / Procédure pénale générale ■ Eine Einstellung aufgrund Wiedergutmachung ist im Gerichtsverfahren von Bundesrechts wegen ausgeschlossen. Abweichendes kantonales Strafprozessrecht ist insoweit unbeachtlich (BV 49 Abs. 1). Es ist ein Schuldspruch allenfalls mit Strafverzicht auszufällen. / Dans une procédure judiciaire, une suspension de la poursuite en cas de réparation du préjudice causé est exclue en vertu du droit fédéral. Le droit cantonal divergeant est ainsi écarté (Cst. 49 al. 1). Il faut prononcer un jugement de condamnation, éventuellement avec une renonciation à toute peine. BGer/TF, 27.11.2008 (6B_522/2008). Bearbeitet durch Markus Felber. SJZ/RSJ 2009, 69. AJP 03_2009.indb 362 10.3.2009 9:12:31 Uhr Entscheidungen/Jurisprudence AJP/PJA 3/2009 Entscheidungen Jurisprudence 1. Verfassungs- und Verwaltungsrecht / Droit constitutionnel et administratif 1.4. Grundrechte / Droits fondamentaux (1) Die unbeschränkte Aufbewahrung von Zellproben, DNA-Profilen und Fingerabdrücken von einst verdächtigten jedoch nicht verurteilten Personen ist mit Art. 8 EMRK nicht vereinbar. Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Grosse Kammer, 4. Dezember 2008, S. und Marper gegen das Vereinigte Königreich, Nr. 30562/04 und 30566/04. Mit Bemerkungen von DOMINIKA BLONSKI, MLaw, Assistentin am Institut für öffentliches Recht der Universität Bern Zusammenfassung des Sachverhalts: Am 4. Dezember 2008 verkündete der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ein Urteil, mit dem Grundsätze der konventionskonformen Aufbewahrung biometrischer Daten formuliert wurden. Die Kläger, S. (1989 geboren) und Michael Marper (1963 geboren) sind zwei im Vereinigten Königreich lebende britische Staatsangehörige. Im Januar 2001 wurde S. festgenommen und wegen versuchten Raubs angeklagt. In diesem Zeitpunkt war er elf Jahre alt. Seine Fingerabdrücke und Zellproben wurden genommen und ein DNA-Profil erstellt. Im Juni 2001 wurde er freigesprochen. Michael Marper wurde im März 2001 festgenommen und wegen Belästigung seiner Lebensgefährtin angeklagt. Seine Fingerabdrücke und Zellproben wurden genommen und ein DNA-Profil erstellt. Im Juni 2001 wurde das Verfahren formell eingestellt, nachdem er und seine Partnerin sich versöhnt hatten. In beiden Verfahren wurden alle Daten in der nationalen Datenbank gespeichert und trotz Freispruchs und Verfahrenseinstellung dort belassen mit dem Ziel, permanent aufbewahrt und regelmässig automatisch im Zusammenhang mit Strafverfolgungen überprüft zu werden. Als die Verfahren abgeschlossen waren, beantragten beide Kläger ohne Erfolg die Entfernung der Fingerabdrücke und DNA-Profile aus der nationalen Datenbank beziehungsweise die Vernichtung der Zellproben, welche zur Erstellung der DNA-Profile gedient hatten. Das Verfahren wurde bis vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte weitergezogen. Die Kläger rügen, durch die Aufbewahrung der Daten einerseits in ihrem Recht auf Achtung des Privatlebens gemäss Art. 8 EMRK und andererseits in ihrem Recht auf diskriminierungsfreie Behandlung gemäss Art. 14 EMRK verletzt zu sein. Vor dem Gerichtshof stellt sich die Frage, ob die Aufbewahrung von Zellproben, DNA-Profilen und Fingerabdrücken der Kläger durch staatliche Behörden mit Art. 8 und 14 EMRK zu vereinbaren ist, nachdem die strafrechtlichen Verfahren der Kläger mit einem Freispruch und mit der Einstellung des Verfahrens beendet worden waren. AJP 03_2009.indb 363 363 Zusammenfassung der Erwägungen: Der Gerichtshof prüft zunächst die Vereinbarkeit des Vorgehens mit dem in Art. 8 EMRK gewährleisteten Recht auf Achtung des Privatlebens. Hinsichtlich des Schutzbereichs erinnert das Gericht daran, dass der Begriff des Privatlebens sehr weit ist und bisher nicht erschöpfend definiert wurde. Es hebt hervor, dass auch der Datenschutz sowie Angaben über die Gesundheit oder die ethnische Identität einer Person erfasst werden. Die drei im vorliegenden Fall untersuchten Arten von Daten (Zellproben, DNA-Profile und Fingerabdrücke) enthalten eine unterschiedliche Natur und Fülle von Informationen über ein Individuum. Daher nimmt das Gericht übereinstimmend mit seiner früheren Rechtsprechung eine getrennte Prüfung der Kategorien vor. Zellproben enthalten sehr sensitive persönliche Informationen über ein Individuum. Es können beispielsweise Angaben über die Gesundheit extrahiert werden und die Proben enthalten den einzigartigen genetischen Code, welcher sowohl für das Individuum als auch für seine Verwandten Relevanz hat. Daher ist die systematische Aufbewahrung solcher Daten per se als Eingriff in das Recht auf Achtung des Privatlebens der betroffenen Individuen zu betrachten. Die Eigenart von DNA-Profilen, als Mittel der Familienforschung dienen zu können, reicht dazu aus, in ihrer systematischen Aufbewahrung einen Eingriff in das Recht auf Achtung des Privatlebens der betroffenen Individuen zu sehen. Dies wird durch die Möglichkeit, aus DNA-Profilen Rückschlüsse auf den ethnischen Ursprung einer Person zu ziehen, verstärkt. Es spielt keine Rolle, dass die Information in DNA-Profilen nur unter Zuhilfenahme technischer Prozesse sichtbar gemacht werden kann. Fingerabdrücke enthalten weniger einschneidende persönliche Informationen über ein Individuum als Zellproben und DNA-Profile. Sie weisen jedoch genügend einzigartige Information auf, um externe Identifikationsfähigkeiten zu erfüllen. Ihre Aufbewahrung verbunden mit Angaben eines identifizierten oder identifizierbaren Individuums stellt bereits einen Eingriff in das Recht auf Achtung des Privatlebens dar. Somit stellt das Gericht bezüglich aller drei Kategorien von Daten einen Eingriff in das von Art. 8 EMRK gewährleistete Recht fest. Bei der Frage, ob der Eingriff gerechtfertigt werden kann, hält das Gericht fest, dass sich im englischen Recht im Police and Criminal Evidence Act (PACE) und im Criminal Justice and Police Act eine genügende gesetzliche Grundlage für die Aufbewahrung von Zellproben, DNA-Profilen und Fingerabdrücken findet. Als legitimes Ziel wird die Aufdeckung und Prävention von Straftaten verfolgt. Die entscheidende Frage im vorliegenden Fall ist, ob die Aufbewahrung von Zellproben, DNA-Profilen und Fingerabdrücken der Kläger als Personen, welche bestimmter Straftaten verdächtigt jedoch nicht verurteilt wurden, in einer demokratischen Gesellschaft notwendig ist, das heisst ob ein dringendes soziales Bedürfnis und ein angemessenes 10.3.2009 9:12:31 Uhr Entscheidungen/Jurisprudence AJP/PJA 3/2009 364 Verhältnis zum verfolgten Ziel besteht und ob die Behörde erhebliche und ausreichende Gründe zur Rechtfertigung vorlegen kann. Der Gerichtshof analysiert die allgemeinen Prinzipien des Datenschutzes, welche unter anderem im Übereinkommen zum Schutz des Menschen bei der automatischen Verarbeitung personenbezogener Daten vom 28. Januar 1981 (Konvention 108, SR 0.235.1, für die Schweiz in Kraft getreten am 1. Februar 1998) und daran anknüpfenden Empfehlungen des Ministerkomitees des Europarates festgehalten sind, vergleicht das Recht und die Praxis der anderen Vertragsstaaten und kommt zum Schluss, dass die Datenaufbewahrung in einem vernünftigen Verhältnis zum verfolgten Zweck stehen muss und eine zeitliche Beschränkung vorgesehen sein muss. Die meisten Vertragsstaaten sehen als Voraussetzung für die Entnahme von Zellproben eine Mindestschwere der verdächtigten Straftat vor und schreiben die sofortige oder fristgebundene Beseitigung der Zellproben und DNA-Profile nach erfolgtem Freispruch oder Entlassung vor. Nur eine begrenzte Anzahl Ausnahmen von diesen Grundsätzen wird von einigen Vertragsstaaten zugelassen. Der in Art. 8 EMRK gewährleistete Schutz wird durch den Einsatz moderner wissenschaftlicher Techniken im Strafjustizsystem auf unakzeptable Weise abgeschwächt, wenn dieser um jeden Preis erfolgt. Dies ist insbesondere der Fall, wenn solche Techniken auf breiter Basis ohne sorgfältige Abwägung der Vor- und Nachteile gegen die Interessen des Schutzes des Privatlebens eingesetzt werden. Auf jedem Staat, welcher eine Vorreiterrolle in der Entwicklung neuer Technologien einnimmt, lastet eine spezielle Verantwortung diesbezüglich, das richtige Gleichgewicht zu finden. Das Vereinigte Königreich ist aus Sicht des Gerichts der einzige Staat im Europarat, welcher die systematische, unbefristete, umfassende, pauschale und unterschiedslose Aufbewahrung von DNA-Material und Fingerabdrücken zulässt. Die Aufbewahrung ist auch bei freigesprochenen Personen oder Personen, deren Verfahren eingestellt wurde, erlaubt und erfolgt unabhängig vom Alter der Person und der Art oder Schwere der verdächtigten Straftat. Freigesprochenen Personen werden nur eingeschränkte Möglichkeiten zugestanden, ihre Daten aus der nationalen Datenbank beseitigen zu lassen. Der Gerichtshof erkennt an, dass die Erweiterung der Datenbank bisher bei der Aufdeckung und Prävention von Straftaten mitgewirkt hat. Trotzdem hält er fest, dass die blosse Aufbewahrung von persönlichen Daten durch staatliche Behörden direkt das Recht auf Achtung des Privatlebens beeinträchtigt, unabhängig davon, wie die Daten erlangt wurden und ob sie künftig weiterverwendet werden. Als besonders bedenklich erachtet der Gerichtshof das Risiko der Stigmatisierung. Auch Personen in der Situation wie die Kläger, welche einst einer Straftat verdächtigt waren, aber schliesslich nicht schuldig gesprochen wurden, haben das in der Konvention gewährleistete Recht auf die Vermutung ihrer Unschuld. Die blosse Aufbewahrung ihrer Daten lässt sich nicht mit dem Ausspruch einer Verdächtigung AJP 03_2009.indb 364 gleichsetzen. Die Empfindung betroffener Personen, nicht als unschuldig zu gelten, wird jedoch verstärkt, indem sie auf die gleiche Art und Weise wie verurteilte Personen behandelt werden. Dies ist insbesondere so, weil eine unbegrenzte Aufbewahrung ihrer Daten erfolgt und weil die Daten von nie verdächtigten Personen gelöscht werden müssen. Des Weiteren macht der Gerichtshof auf die nachteiligen Auswirkungen der Aufbewahrung von Daten, insbesondere bei Minderjährigen wie dem Kläger S. aufmerksam. Minderjährige befinden sich aufgrund der Bedeutung ihrer weiteren Entwicklung und ihrer Integration in der Gesellschaft in einer speziellen Situation. Daher müssen höhere Massstäbe gesetzt werden und insbesondere dem Schutz der Jugendlichen vor jedem Nachteil, welcher durch die Datenaufbewahrung entstehen könnte, Beachtung geschenkt werden. Im Ergebnis hält der Gerichtshof fest, dass mit der fortgesetzten Datenspeicherung kein angemessenes Gleichgewicht konkurrierender öffentlicher und privater Interessen erzielt wird. Der angeklagte Staat hat jede akzeptable Grenze der Einschätzung diesbezüglich überschritten. Folglich stellt diese Art der Aufbewahrung eine unverhältnismässige Beeinträchtigung des Rechts der Kläger auf Achtung ihres Privatlebens dar und kann nicht als in einer demokratischen Gesellschaft notwendig angesehen werden. Der Gerichtshof stellt einstimmig eine Verletzung von Art. 8 EMRK fest. Hinsichtlich der Rüge, das Diskriminierungsverbot nach Art. 14 i.V.m. Art. 8 EMRK werde verletzt, hält der Gerichtshof einstimmig fest, dass eine eigenständige Prüfung nach der Feststellung einer Verletzung des Art. 8 EMRK nicht mehr nötig ist. Die Kosten und Auslagen werden den Klägern entschädigt. Eine Geldleistung als Genugtuung spricht das Gericht nicht zu. Bemerkungen: 1. a. Zellproben, DNA-Profile und Fingerabdrücke dürfen, wenn eine Person freigesprochen wurde oder das Verfahren eingestellt wurde, nach dem Strafverfahren nicht weiter aufbewahrt werden. Eine solche Aufbewahrung wäre unverhältnismässig und damit eine Verletzung von Art. 8 EMRK. Das Urteil überzeugt. Das Gericht fällt damit einen wichtigen Grundsatzentscheid. Bisher war die Rechtslage im Bereich der Aufbewahrung biometrischer Daten im Zusammenhang mit Strafverfahren nicht genügend konkretisiert. Fingerabdrücke werden bereits lange zur Aufdeckung und Verfolgung von Straftaten eingesetzt. Die technische und wissenschaftliche Entwicklung hat vor einigen Jahren die DNA-Analyse als weiteres Verfahren im Strafprozess ermöglicht. Insbesondere bezüglich der DNA-Analyse lagen keine klaren Regelungen vor. b. Das Urteil kann als logische Fortführung der bisherigen Rechtsprechung des Gerichtshofs zum Datenschutzrecht und als Anpassung an neue technische Gegebenheiten angesehen werden. In seiner Rechtsprechung hat der Gerichtshof Grundsätze für das Datenschutzrecht entwickelt. Die reine 10.3.2009 9:12:31 Uhr Entscheidungen/Jurisprudence AJP/PJA 3/2009 365 Aufbewahrung von Daten, welche das Privatleben eines Individuums betreffen, stellt allein einen Eingriff in das Recht auf Achtung des Privatlebens dar, wobei es nicht darauf ankommt, ob die Daten zu einem späteren Zeitpunkt verwendet werden oder nicht. Bei der Aufbewahrung von Daten müssen gewisse Mindestanforderungen erfüllt sein. Die gesetzliche Grundlage muss ausreichend klare Regeln vorsehen, unter anderem bezüglich der Dauer und Art der Speicherung, des Gebrauchs der Daten, des Zugriffs durch Dritte, der Massnahmen zur Geheimhaltung und der Vorgehensweisen zur Entfernung der Daten, um vor Missbrauch und Willkür zu schützen. c. Nationale Datenbanken, die für die Strafverfolgung eingesetzt werden, stellen eine besondere Herausforderung für den Datenschutz dar. Es geht dem Gerichtshof nicht generell um Aufbewahrung von Zellproben, DNA-Profilen und Fingerabdrücken, sondern um die besondere Frage, was nach einem Freispruch und einer Verfahrenseinstellung mit ihnen zu geschehen hat. Nicht unmittelbar behandelt wird die Frage der Zulässigkeit der Aufbewahrung bei Verurteilung. Hinsichtlich dieser Fragestellung kann aus dem Urteil aber immerhin mittelbar abgeleitet werden, dass bei verurteilten Personen weniger strenge Massstäbe zu setzen sind. Jedoch gelten meines Erachtens auch bei verurteilten Personen Grenzen der legitimen Speicherung. So dürfen die Daten nicht für alle zugänglich sein, vor allem nicht für Private, das heisst solche Daten müssen unter strengen Geheimhaltungsregeln und mit Verschlüsselung für ganz bestimmte Behörden reserviert werden. Auch müssen Anforderungen an Schwere der Straftat und an die Aufbewahrungsdauer erfüllt werden. Daten von Verurteilten können sicherlich länger aufbewahrt werden als jene von nicht verurteilten Personen. Eine lebenslängliche Aufbewahrung wäre wohl aus Sicht des Rechts auf Achtung des Privatlebens auch bei verurteilten Personen nicht haltbar. d. Das Gericht unterscheidet zwischen Zellproben, DNAProfilen und Fingerabdrücken. Diese Unterscheidung ist sinnvoll, da unterschiedlich schwere Eingriffe gegeben sind. Zellproben enthalten viele und sehr sensitive Angaben über einen Menschen. Nebst den Identifikationsmöglichkeiten können Informationen über den Gesundheitszustand oder das Vorhandensein gewisser Krankheitsrisiken abgelesen werden. Der einzigartige genetische Code, welcher über verschiedene Eigenschaften der Person Aufschluss gibt, ist in Zellproben enthalten. Diese Erkenntnisse weisen eine sehr grosse Persönlichkeitsnähe auf. Daher stellt der Umgang mit Zellproben einen schweren Eingriff in das Recht auf Achtung des Privatlebens dar. Aus DNA-Profilen lassen sich weniger weit reichende Angaben über einen Menschen ableiten. Immerhin können aufgrund von DNA-Profilen Aussagen zu Verwandtschaftsverhältnissen oder zum Geschlecht der betroffenen Person gemacht werden (vgl. Botschaft zum Bundesgesetz über die Verwendung von DNA-Profilen im Strafverfahren und zur Identifizierung von unbekannten und vermissten Personen vom 8. November 2000, BBl 2001 29, AJP 03_2009.indb 365 36 ff.). Die Verwendung von DNA-Profilen stellt daher einen weniger weit gehenden Eingriff dar als jene von Zellproben. Dasselbe gilt im Ergebnis auch für Fingerabdrücke. Die absolute Einzigartigkeit des Erscheinungsbildes der Fingerkuppenlinien bei jedem Menschen ermöglicht eine sichere Unterscheidung und Identifizierung von Personen. Selbst bei eineiigen Zwillingen sind die Fingerabdrücke verschieden. Fingerabdrücke verändern sich im Laufe des Lebens nicht. Aufgrund dieser Eigenschaften muss auch der Einsatz dieser biometrischer Daten als Eingriff in den Schutzbereich des Rechts auf Achtung des Privatlebens erkannt werden – wenn auch dieser Eingriff weniger schwer wiegt als bei Zellproben und DNA-Profilen. e. Der Gerichtshof erachtet das Vorgehen als nicht verhältnismässig, weil er dessen Notwendigkeit in einer demokratischen Gesellschaft verneint. Dies weil kein angemessenes Gleichgewicht zwischen konkurrierenden öffentlichen und privaten Interessen erzielt werden kann. Die sich stellende Frage im vorliegenden Fall betrifft nicht verurteilte Personen. Das Erscheinen in einer Verbrecherdatenbank bringt die Gefahr der Stigmatisierung von betroffenen Personen mit sich. Davor müssen insbesondere nicht verurteilte Personen geschützt werden. Es müssen Vorschriften vorgesehen werden, welche eine Löschung der Daten von nicht schuldig gesprochenen Personen ermöglichen. Die Daten können nicht mit der blossen Begründung, dass sie bereits erfasst wurden und sich bei den Behörden befinden, gespeichert werden. Insofern hat der Gerichtshof zu Recht ein unverhältnismässiges Vorgehen festgestellt. 2. Für die Schweiz stellt sich nach dem Urteil die Frage, ob die vorhandenen Regelungen den Anforderungen der EMRK genügen. Diesbezüglich fällt rasch auf, dass die Rechtsgrundlagen in vielen verschiedenen Gesetzen und Verordnungen sowohl auf Bundesebene als auch auf kantonaler Ebene enthalten sind. Die neue eidgenössische Strafprozessordnung (Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007, StPO, BBl 2007 6977), welche voraussichtlich am 1. Januar 2011 in Kraft treten wird, soll die Vereinheitlichung des Strafprozessrechts bringen. Der 5. Titel der StPO regelt Zwangsmassnahmen. Darin finden sich die Kapitel über die DNA-Analyse und die erkennungsdienstliche Erfassung (5. und 6. Kapitel). a. Bezüglich der DNA-Analyse enthält die StPO ausschliesslich strafprozessuale Bestimmungen (Art. 255 ff. StPO) und hält ausdrücklich die subsidiäre Anwendbarkeit des Bundesgesetzes über die Verwendung von DNA-Profilen im Strafverfahren und zur Identifizierung von unbekannten oder vermissten Personen vom 20. Juni 2003 (DNA-Profil-Gesetz, SR 363) fest (Art. 259 StPO). Somit verbleiben insbesondere die Regelungen über die Aufbewahrung beziehungsweise die Löschung von DNA-Daten im DNA-ProfilGesetz (Botschaft zur Vereinheitlichung des Strafprozessrechts vom 21. Dezember 2005, BBl 2006 1085, 1243). Zur Aufklärung eines Verbrechens oder Vergehens kann bei der verdächtigten Person eine Zellprobe (meist ein Wangen- 10.3.2009 9:12:31 Uhr Entscheidungen/Jurisprudence AJP/PJA 3/2009 366 schleimhautabstrich, WSA) abgenommen werden und daraus ein DNA-Profil erstellt werden (Art. 255 Abs. 1 StPO, Art. 3 Abs. 1 DNA-Profil-Gesetz). Bei der Straftat muss es sich um ein Verbrechen (Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren; vgl. Art. 10 StGB) oder Vergehen (Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe; vgl. Art. 10 StGB) handeln. Eine Übertretung (Busse; vgl. Art. 103 StGB) genügt nicht. Allerdings handelt es sich bei den meisten im StGB geregelten Delikten um Verbrechen oder Vergehen. Der Gerichtshof hält die Schwere der Straftat als Kriterium für die Frage der Zulässigkeit der Aufbewahrung von DNA-Daten fest. Ob die pauschale Gestattung der DNA-Analyse auch bei Vergehen erforderlich ist, ist zumindest fraglich. Zu Gunsten der effizienten Strafaufklärung sollte dies dennoch zugelassen werden. Die schweizerische Regelung erfüllt folglich meines Erachtens die Anforderungen des Gerichtshofs bezüglich Mindestschwere der Straftat. b. Das DNA-Profil-Gesetz enthält eine Bestimmung betreffend Vernichtung von Zellproben. In Art. 9 DNA-ProfilGesetz wird festgehalten, dass die Strafbehörde die Zellprobe spätestens nach drei Monaten zur Analyse an ein Labor senden muss, andernfalls wird die Probe vernichtet (Art. 9 Abs. 1 lit. b DNA-Profil-Gesetz). Das Labor darf die Probe nochmals höchstens drei Monate aufbewahren, danach werden die Zellproben definitiv vernichtet (Art. 9 Abs. 2 DNAProfil-Gesetz). Insgesamt können die Zellproben somit nach Abnahme von der betroffenen Person maximal sechs Monate aufbewahrt werden. Für Zellproben müssen besonders hohe Massstäbe angesetzt werden, da die Bearbeitung solcher Daten einen schweren Eingriff in das Recht auf Achtung des Privatlebens darstellt. Dass Zellproben vernichtet werden müssen, ist im Sinne des Urteils des Gerichtshofs. Das DNA-Profil-Gesetz sieht mit der Vorschrift über die Vernichtung von Zellproben nur eine kurze Aufbewahrungsfrist vor. Maximal sechs Monate stellen eine angemessene zeitliche Limite dar. Bezüglich Freispruch und Verfahrenseinstellung werden keine davon abweichenden Vorgehensweisen vorgesehen. Bei der DNA-Analyse darf weder nach dem Gesundheitszustand noch nach anderen persönlichen Eigenschaften mit Ausnahme des Geschlechts der betroffenen Person geforscht werden (Art. 2 Abs. 2 DNA-Profil-Gesetz). Die Zellproben dürften somit einzig zur Erstellung eines DNA-Profils verwendet werden. Aufgrund der nur kurzen Aufbewahrungszeit der Proben und der expliziten Einschränkung der Verwendungsmöglichkeiten von Proben kann der Umgang mit Zellproben als verhältnismässig angesehen werden, so dass die Vorgaben des Gerichtshofs erfüllt werden. c. DNA-Profile werden aus den nicht-codierenden Abschnitten der Erbsubstanz DNA gewonnen (Art. 2 Abs. 1 DNA-Profil-Gesetz). Aus diesen Bereichen der DNA können keine Rückschlüsse auf körperliche sowie psychische Eigenschaften oder Krankheiten der betroffenen Person gezogen werden (Schlussbericht der Expertenkommission vom 18. Dezember 1998, Errichtung einer gesamtschweizerischen AJP 03_2009.indb 366 DNA-Profil-Datenbank, S. 16, abrufbar unter: http://www. fedpol.admin.ch/etc/medialib/data/kriminalitaet/diverse_berichte.Par.0002.File.tmp/dna1298.pdf). Die aus Zellproben erstellten DNA-Profile von als Täter oder Teilnehmer an einem Verbrechen oder Vergehen verdächtigten Personen werden in der nationalen, zentralen DNA-Datenbank CODIS gespeichert. Um eine anonymisierte Speicherung zu gewährleisten, wird den Profilen eine PCN (Process-ControlNumber, Prozesskontrollnummer) zugewiesen (Art. 14 des Bundesgesetzes über die polizeilichen Informationssysteme des Bundes vom 13. Juni 2008 [BPI, SR 361], welches am 5. Dezember 2008 in Kraft getreten ist). Nebst der Speicherung des DNA-Profils werden in einer getrennten Datenbank IPAS Personendaten (Personalien usw.) der betroffenen Person unter derselben PCN gespeichert (Verordnung über das informatisierte Personennachweis-, Aktennachweis- und Verwaltungssystem im Bundesamt für Polizei vom 15. Oktober 2008, IPAS-Verordnung, SR 361.2). Erst wenn es bei der automatisierten Suche zu einer Übereinstimmung (Hit) mit einem gespeicherten DNA-Profil kommt, wird über die PCN eine Verbindung zu den Personendaten hergestellt und damit die Person identifiziert. Bezüglich der Löschung von DNA-Profilen ist das DNAProfil-Gesetz massgebend. Bei Ausschluss der Person von der Täterstellung oder bei Tod der betroffenen Person ist die sofortige Löschung vorgesehen (Art. 16 Abs. 1 lit. a und b DNA-Profil-Gesetz). Wird das Verfahren mit einem Freispruch rechtskräftig abgeschlossen, muss das DNA-Profil bei Eintritt der Rechtskraft gelöscht werden (Art. 16 Abs. 1 lit. c DNA-Profil-Gesetz). Die definitive Einstellung des Verfahrens bedingt die Löschung des DNA-Profils nach einem Jahr nach der Verfahrenseinstellung (Art. 16 Abs. 1 lit. d DNA-Profil-Gesetz). Erfolgte der Freispruch oder die Verfahrenseinstellung wegen Schuldunfähigkeit des Täters, werden die Daten hingegen nicht gelöscht (Art. 16 Abs. 2 DNAProfil-Gesetz). In allen Fällen ist die Löschung von Amtes wegen spätestens nach 30 Jahren vorgeschrieben (Art. 16 Abs. 3 DNA-Profil-Gesetz). Misst man die Löschungsvorschriften der gesetzlichen Regelungen an den Kriterien des Entscheids, so ist es zunächst konventionskonform, dass sowohl nach Freispruch als auch bei Verfahrenseinstellung überhaupt eine Löschung vorgesehen ist. Die nach Freispruch bei Eintritt der Rechtskraft zu erfolgende Löschung erfüllt die Anforderungen des Gerichtshofs bezüglich zeitlicher Beschränkung der Aufbewahrung von DNA-Profilen. Das Verfahren wird erst bei Eintritt der Rechtskraft abgeschlossen. Es wäre nicht zweckdienlich, die Daten zu einem früheren Zeitpunkt zu löschen. In den Fällen der Verfahrenseinstellung sieht das schweizerische Recht die Löschung zwar nur mit einjähriger Verzögerung vor, doch steht auch dies nicht im Widerspruch zur EMRK. Die einjährige Frist ist zweckmässig, weil die Daten möglicherweise bei einer Weiterführung des Verfahrens bei neuen Erkenntnissen verwendet werden könnten. Problematisch ist allein die Regelung über Nichtlöschung im Falle von Freispruch 10.3.2009 9:12:32 Uhr Entscheidungen/Jurisprudence AJP/PJA 3/2009 367 oder Verfahrenseinstellung wegen Schuldunfähigkeit des Täters. Die DNA-Profile von schuldunfähigen Tätern werden folglich erst nach 30 Jahren gelöscht. Geht man nach dem Wortlaut des Gerichtsentscheids, dann wäre auch hier eine kurzfristige Löschung vorzusehen, weil es sich um einen Fall des Freispruchs oder der Verfahrenseinstellung handelt. Die Schuldunfähigkeit ist allerdings ein Sonderfall, mit dem sich der Gerichtshof noch gar nicht zu befassen hatte. Der Sache nach handelt es sich um Situationen, in denen der Täter eigentlich schuldig zu sprechen wäre, wegen besonderer Umstände aber von einem Entschuldigungsgrund profitiert. Für das Risiko zukünftiger Straftaten bleibt sein DNA-Profil dabei gleich relevant, als wäre er tatsächlich verurteilt worden. Darum muss es zulässig sein, die Daten erst nach 30 Jahren zu löschen. Weil es sich bei Schuldunfähigkeit um einen Sonderfall handelt, ist auch diese schweizerische Regelung konform mit der Rechtsprechung des Gerichts. d. Auch Fingerabdrücke unterstehen als erkennungsdienstliche Massnahme den Regelungen der neuen eidgenössischen StPO (Art. 260 ff. StPO). Jede gerichtspolizeilich interessierende Person kann erkennungsdienstlichen Massnahmen unterzogen werden. Voraussetzung ist die Erforderlichkeit zur Sachverhaltsabklärung und die Wahrung der Verhältnismässigkeit (Botschaft Strafprozessrecht, a.a.O., S. 1243). Wie auch bei den DNA-Profilen werden die Fingerabdrücke in einer nationalen zentralen Datenbank (Automatisiertes Fingerabdruck-Identifikations-System, AFIS) gespeichert und ihnen eine PCN zugewiesen, wobei in der getrennten Datenbank IPAS die Personendaten der betroffenen Person unter derselben PCN gespeichert sind (Art. 14 BPI). Erst wenn sich bei der automatisierten Suche ein Hit ergibt, das heisst eine Übereinstimmung mit einem gespeicherten Fingerabdruck festgestellt wird, kann über die PCN eine Verbindung zu den Personendaten hergestellt und damit die Person identifiziert werden. Die gestützt auf Art. 354 Abs. 4 StGB erlassene Verordnung über die Bearbeitung biometrischer erkennungsdienstlicher Daten vom 21. November 2001 (AFIS-Verordnung, SR 361.3) regelt spezialgesetzlich die Aufbewahrungsdauer und die Löschungspflichten bezüglich Fingerabdrücke. Die erfassten Fingerabdrücke werden gelöscht, sobald die betroffene Person von der Täterstellung ausgeschlossen werden kann (Art. 15 Abs. 1 lit. a AFIS-Verordnung). Eine sofortige Löschung erfolgt auch nach dem Tod der betroffenen Person (Art. 15 Abs. 1 lit. b AFIS-Verordnung). Als allgemeine Löschfrist für Fingerabdrücke wird eine Frist von 30 Jahren vorgesehen (Art. 15 Abs. 1 lit. c AFIS-Verordnung). Definitiv werden alle AFIS-Daten spätestens nach 50 Jahren gelöscht (Art. 15 Abs. 3 AFIS-Verordnung). Auf Gesuch der betroffenen Person werden Fingerabdrücke bei Abschluss des Verfahrens mit Freispruch bei Eintritt der Rechtskraft des Freispruchs gelöscht (Art. 16 Abs. 1 lit. a AFIS-Verordnung). Wird das Verfahren definitiv eingestellt, werden die Fingerabdrücke auf Gesuch der betroffenen Person ein Jahr nach der Verfahrenseinstellung gelöscht (Art. 16 Abs. 1 lit. b AJP 03_2009.indb 367 AFIS-Verordnung). Erfolgt der Freispruch oder die Verfahrenseinstellung wegen Schuldunfähigkeit des Täters, werden die Daten dagegen nicht gelöscht (Art. 16 Abs. 2 AFIS-Verordnung). Bei der Löschung von Fingerabdrücken nach Freispruch oder Verfahrenseinstellung sind ähnliche Regeln vorgesehen wie bei DNA-Profilen. Nach Freispruch werden die Fingerabdrücke bei Eintritt der Rechtskraft gelöscht und bei Verfahrenseinstellung erfolgt die Löschung ein Jahr nach der definitiven Einstellung. Auch bei Fingerabdrücken wird vorgesehen, dass bei Schuldunfähigkeit keine Löschung erfolgt. Es stellen sich diesbezüglich dieselben Fragen wie bei den DNA-Profilen (vgl. vorne unter 2. c.). Bei den Vorschriften zu Fingerabdrücken besteht jedoch ein wesentlicher Unterschied zur Regelung bei DNA-Profilen. Die Daten werden sowohl bei Freispruch als auch bei Verfahrenseinstellung nur auf Gesuch der betroffenen Person gelöscht. Die Erfassung von Fingerabdrücken stellt einen weniger schweren Eingriff in Grundrechte dar als jene von DNA-Profilen, weil aus Fingerabdrücken nicht gleich persönliche Informationen über die betroffene Person extrahiert werden können. Daher ist eine weniger strenge Regelung vertretbar. Jedoch dienen Fingerabdrücke immerhin als eindeutiges Identifizierungsinstrument. Erfolgt die Löschung nur auf Gesuch der betroffenen Person, führt dies dazu, dass die Daten in den meisten Fällen nicht gelöscht sondern langfristig aufbewahrt werden, weil den betroffenen Personen die Erforderlichkeit der Gesuchseinreichung um Löschung ihrer Daten wohl kaum bekannt sein wird. In der Praxis wirkt sich diese Regelung folglich so aus, als ob keine Löschung vorgesehen wäre. Der Gerichtshof äusserte sich zu einer solchen Regelung nicht konkret. Immerhin hält er im Urteil im Umkehrschluss fest, dass freigesprochenen Personen die Möglichkeit gegeben sein muss, ihre Daten aus der Datenbank entfernen zu lassen. Mit dem Mittel der Gesuchseinreichung wird diese Voraussetzung erfüllt. Somit erweisen sich die im schweizerischen Recht vorgesehenen Bestimmungen auch bezüglich Fingerabdrücken insgesamt als konform mit den Vorgaben des Gerichtshofs. Denn eine Löschungsmöglichkeit ist vorgesehen – wenn auch nur auf Gesuch der betroffenen Person – und eine Befristung der Aufbewahrungsdauer ist auch vorgeschrieben. 3. Der Gerichtshof weist auf die spezielle Situation Minderjähriger hin, weil sie sich noch in der Entwicklung befinden und ihrer Integration in der Gesellschaft besonderes Gewicht zuzumessen ist. Daher wirkt sich die Aufbewahrung ihrer Daten – insbesondere wenn es sich um nicht verurteilte Personen handelt – besonders schädlich aus. Es besteht die erhöhte Gefahr der Stigmatisierung. Vor diesen Nachteilen sind Minderjährige besonders zu schützen. Das Gericht verweist auf Art. 40 des UNO-Übereinkommens über die Rechte des Kindes vom 20. November 1989 (SR 0.107, für die Schweiz in Kraft getreten am 26. März 1997). Dieser Artikel hält das Recht des Kindes fest, in einer Weise behandelt zu werden, welche zu einer erfolgreichen Wiedereingliederung in die Gesellschaft führt, räumt Kindern eine besonde- 10.3.2009 9:12:32 Uhr Entscheidungen/Jurisprudence AJP/PJA 3/2009 368 re Stellung im Strafverfahren ein und hebt hervor, dass das Privatleben von Kindern in Strafprozessen besonders zu schützen ist. Des Weiteren schreibt der Artikel vor, dass für Kinder besondere Verfahren, Behörden, Einrichtungen und Vorkehrungen vorzusehen sind. Durch die unbefristete Aufbewahrung der Daten wird die Unschuldsvermutung, welche im zitierten Artikel auch als Mindestgarantie erwähnt wird, gefährdet. Der Gerichtshof macht diesbezüglich auf Bedenken der Vereinbarkeit der unbeschränkten Aufbewahrung der Daten von Minderjährigen mit dem UNO-Übereinkommen aufmerksam. Das Argument der besonderen Schutzwürdigkeit von Minderjährigen zieht der Gerichtshof zur Bestärkung seiner Argumentation hinzu, da im vorliegenden Fall ein Minderjähriger am Verfahren beteiligt ist. Er stellt bloss allgemein fest, dass Minderjährige mehr Schutz verdienen, stellt jedoch keine deutlichen Grundsätze für Minderjährige auf. Daher kann nicht abgeleitet werden, welche Regeln für die Aufbewahrung von Daten Minderjähriger anzuwenden sind. Immerhin erwähnt der Gerichtshof das Alter der betroffenen Person als Kriterium für die Überprüfung der Verhältnismässigkeit der unbeschränkten Datenaufbewahrung. Im schweizerischen Recht werden nebst den allgemeinen Grundsätzen (besonderes Verfahren, andere Behörden und alternative Einrichtungen und Vorkehrungen) keine besonderen Bestimmungen bezüglich des Umgangs mit Zellproben, DNA-Profilen und Fingerabdrücken von Minderjährigen oder gar Altersgrenzen vorgesehen. Die im schweizerischen Recht vorgesehen Löschungsfristen bei Freispruch oder Verfahrenseinstellung, welche auch für Minderjährige gelten, sind nur von kurzer Dauer. Daher kann diesbezüglich auch für Minderjährige von der Vereinbarkeit der Regeln mit den Grundsätzen des Gerichtshofs ausgegangen werden. 4. Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die schweizerischen Bestimmungen den Anforderungen des Gerichtshofs entsprechen und damit eine mit dem in Art. 8 EMRK gewährleisteten Recht auf Achtung des Privatlebens vereinbare Regelung vorsehen. Im vorliegenden Fall hat der Gerichtshof die entscheidende Frage, ob die pauschale, unterschiedslose und unbefristete Aufbewahrung der Daten nach Freispruch oder Verfahrenseinstellung verhältnismässig sei, verneint. Das Gericht verlangt die Beachtung der Unterschiede zwischen den drei Datenarten und fordert insbesondere bei der Aufbewahrung von Zellproben erhöhte Schutzvorkehrungen. Die Verhältnismässigkeitsprüfung erfordert die Abwägung von verschiedenen Kriterien, so insbesondere die zeitliche Beschränkung der Aufbewahrung, die Erforderlichkeit einer Mindestschwere oder einer bestimmten Art der Straftat und die Beachtung des Alters der Person. Zwar erfüllt die schweizerische Regelung bezüglich der Löschung von Fingerabdrücken aus der Datenbank nur auf Gesuch der betroffenen Person die Voraussetzungen nach dem Gerichtshof. Jedoch würde sich aus praktischen Gründen die Löschung von Amtes wegen empfehlen. Denn nur so kann erreicht werden, dass die Daten auch wirklich gelöscht AJP 03_2009.indb 368 werden. Die bestehenden Vorschriften sind dennoch mit der EMRK vereinbar. Das vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gefällte Urteil zieht basierend auf dem aktuellen wissenschaftlichen Stand bezüglich der DNA-Analyse eine Grenze. Diese Schranke ist wichtig, denn zukünftig wird die Forschung weitere Möglichkeiten in der DNA-Analyse – insbesondere bei der Verwendung von Zellproben – hervorbringen, welche auch in der Strafverfolgung zur Identifizierung von Menschen erfolgsversprechend zum Einsatz kommen werden. Diese Entwicklungen werden erneut rechtliche Regelungen, welche die Gewährleistung der Grundrechte sicherstellen, erfordern. In der Zukunft sollten zumindest die im Urteil festgelegten Grundsätze weitergelten. 10.3.2009 9:12:32 Uhr Entscheidungen/Jurisprudence AJP/PJA 3/2009 369 2. Privatrecht / Droit privé 2.6. Sachenrecht – allgemein / Droits réels – en général 2.6.4. Grundbuch / Registre foncier (2) Art. 965 ZGB, Art. 24 Abs. 1bis lit. a GBV, Art. 164 Abs. 1 und 2 OR. Die Vereinbarung, wonach die Übertragung eines selbständigen und dauernden Baurechts der Genehmigung durch die Grundeigentümerin bedarf, hat keine dinglich wirkende Verfügungsbeschränkung zur Folge. Wird das Baurecht veräussert, hat demnach der Grundbuchverwalter nicht zu prüfen, ob der dienstbarkeitsbelastete Grundeigentümer seine Zustimmung zur Veräusserung erteilt hat. Bundesgericht, II. Zivilrechtliche Abteilung, Urteil 5A_614/ 2008 vom 26. November 2008 i.S. Burgergemeinde Bern gegen Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion des Kantons Bern, Beschwerde in Zivilsachen (BGE 134 III …). Mit Bemerkungen von Prof. Dr. ALFRED KOLLER, Universität St. Gallen Zusammenfassung des Sachverhalts: Die Burgergemeinde Bern ist Eigentümerin verschiedener Grundstücke, welche mit einem selbständigen und dauernden Baurecht belastet sind. In ihren Baurechtsverträgen vereinbart sie jeweils einen Vorbehalt für die Übertragung der Baurechte mit folgendem Wortlaut: «Die rechtsgeschäftliche Übertragung bedarf der Genehmigung durch die Grundeigentümerin. Die Genehmigung kann verweigert werden: – wenn der Übernehmer nicht alle Rechte und Pflichten aus diesem Vertrag übernimmt; – wegen fehlender Kreditwürdigkeit des Erwerbers oder – aus anderen wichtigen Gründen.» Am 19. September stellte die Burgergemeinde beim Kreisgrundbuchamt VIII Bern-Laupen ein «Gesuch um Feststellung, dass jede Handänderung von im Grundbuch zu Lasten ihrer Grundstücke aufgenommenen selbständigen und dauernden Baurechte mit entsprechendem Genehmigungsvorbehalt ihrer Zustimmung bedürfe und ohne eine solche Zustimmung nicht im Grundbuch eingetragen werden dürfe.» Das Grundbuchamt trat mangels Feststellungsinteresses nicht auf das Gesuch ein. Dagegen reichte die Burgergemeinde Beschwerde ein bei der Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion des Kantons Bern (JGK) und erneuerte ihr Gesuch um Erlass einer Feststellungsverfügung. Die JGK kam zum Schluss, dass das Grundbuchamt zu Recht auf das Gesuch der Burgergemeinde nicht eingetreten sei, soweit es um die Frage der Zustimmung zur Handänderung des Baurechts AJP 03_2009.indb 369 gehe. Ob hingegen der Grundbucheintrag ohne eine solche Zustimmung erfolgen dürfe, stelle eine verwaltungsrechtliche Frage dar. Sie bejahte das Vorliegen eines schutzwürdigen Feststellungsinteresses und erwog, das Grundbuchamt, dem die Handänderung eines Baurechts zum Eintrag vorgelegt werde, habe nicht zu prüfen, ob die Burgergemeinde als belastete Grundeigentümerin ihre Zustimmung dazu erteilt hat. Die Beschwerde wurde demzufolge abgewiesen. Eine Beschwerde der Burgergemeinde beim Verwaltungsgericht des Kantons Bern hatte keinen Erfolg. Auch der beim Bundesgericht eingereichten Beschwerde in Zivilsachen war kein Erfolg beschieden. Auf die Erwägungen des Bundesgerichts wird im Rahmen der nachfolgenden Bemerkungen eingegangen. Bemerkungen: 1. Das Bundesgericht ist auf die Beschwerde mit folgender Begründung eingetreten: «Strittig ist, ob für die Handänderung von im Grundbuch eingetragenen selbständigen und dauernden Baurechten die Zustimmung des Grundeigentümers erforderlich ist. Es geht um eine Frage der Führung des Grundbuchs, eine öffentlich-rechtliche Angelegenheit, welche in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Zivilrecht steht (Art. 72 Abs. 2 lit. b Ziff. 2 BGG). Eine derartige Streitigkeit weist keinen Vermögenswert auf (vgl. Urteil 5A_ 35/2008 vom 10. Juni 2008 E. 2). Der kantonale Rechtsweg ist zudem im Hinblick auf die Eintretensvoraussetzungen nicht massgebend (BGE 131 V 271 E. 2; 123 III 346 E. 1a). Die Beschwerde in Zivilsachen ist damit gegeben.» 2. Die Burgergemeinde, welche einem Dritten ein (selbständiges und dauerndes) Baurecht einräumt, will verhindern, dass der Erwerber des Baurechts dieses ohne ihre Zustimmung weiterveräussert. Das jeweils zum Vertragsinhalt gemachte Zustimmungserfordernis soll nicht bloss obligatorische Wirkung zeitigen, sondern dingliche in dem Sinne, dass eine Veräusserung des Baurechts ohne die erforderliche Zustimmung unwirksam ist und keinen Rechtsübergang bewirkt. Mit anderen Worten soll das Zustimmungserfordernis die Verfügungsbefugnis des Baurechtsinhabers beschränken. Wäre dieser Parteiwille beachtlich, dürfte der Grundbuchverwalter bei einer Baurechtsveräusserung den Erwerber nur ins Grundbuch eintragen (vgl. Art. 35 Abs. 2 lit. d GBV), wenn die Zustimmung erteilt wurde und der entsprechende Nachweis erbracht wird (Art. 965 Abs. 1 ZGB, 24 Abs. 1bis lit. a GBV). Das Bundesgericht ist indes – wie die Berner Instanzen – der Auffassung, dass die Verfügungsbefugnis des Baurechtsinhabers nicht in dieser Weise beschränkt werden kann. 3. Die Auffassung des Bundesgerichts ist jedenfalls dann zutreffend, wenn das selbständige und dauernde Baurecht als Grundstück in das Grundbuch aufgenommen wurde. Diesfalls gelten für die Übertragung dieselben Regeln wie für Liegenschaften. Der Veräusserungsvertrag ist demnach öffentlich zu beurkunden, das Verfügungsgeschäft besteht in der Grundbucheintragung. Die Anmeldung erfolgt 10.3.2009 9:12:33 Uhr Entscheidungen/Jurisprudence AJP/PJA 3/2009 370 durch den Baurechtsinhaber bzw. Grundstückseigentümer (Art. 965 Abs. 1 ZGB); eine allfällige Einschränkung der Verfügungsbefugnis kann – wie hinsichtlich einer Liegenschaft – nur obligatorische Bedeutung haben und ist daher für das Eintragungsverfahren ohne Bedeutung (s. im Einzelnen Dominik Bachmann, Verfügungsbeschränkungen bei gebuchten selbständigen und dauernden Rechten, insbesondere Baurechten, Diss. Zürich, Bern 1993, 144 ff.). Ist das (selbständige und dauernde) Baurecht nicht als Grundstück im Grundbuch eingetragen, so folgt die Übertragung ganz anderen Grundsätzen. Das Veräusserungsgeschäft bedarf nach wohl herrschender Ansicht der blossen Schriftform (vgl. Pascal Simonius/Thomas Sutter, Schweizerisches Immobiliarsachenrecht, Bd. II, Die beschränkten dinglichen Rechte, Basel/Frankfurt a. Main 1990, § 1 Rn 65, § 4 Rn 51; Jörg Schmid/Bettina Hürlimann-Kaup, Sachenrecht, 2. A., Zürich 2003, Rn 1386; anders [für öffentliche Beurkundung] und m.E. vorzugswürdig das Eidg. Grundbuchamt in einer Meinungsäusserung vom 8. Februar 1989, BN 1989, 411 Ziff. 32). Die Verfügung geschieht durch Zession (Art. 164 ff. OR analog; Bachmann, a.a.O., 170; Schmid/ Hürlimann-Kaup, a.a.O., Rn 1386). Zwar ist eine Eintragung des neuen Baurechtsinhabers im Grundbuch nach herrschender Ansicht möglich (vgl. Art. 35 lit. d GBV), jedoch nicht konstitutiv (z.B. Simonius/Sutter, a.a.O., § 1 Rn 65 m.w.Nw.; Schmid/Hürlimann-Kaup, a.a.O., Rn 1386). Folgt man dem Gesagten, so läge an sich die Auffassung nahe, dass die Verfügungsbefugnis des Baurechtsinhabers dinglich beschränkt werden kann (Art. 164 Abs. 1/2 OR analog). Art. 164 Abs. 1/2 OR sollte jedoch im vorliegenden Kontext nicht angewendet werden, vielmehr drängt es sich auf, eine dingliche Beschränkung der Verfügungsbefugnis auszuschliessen, und zwar – in Übereinstimmung mit dem referierten Entscheid – generell (Bachmann, a.a.O., 170 f.; a.A. die vom BGer in E. 4.3 zitierten Isler und Schmid sowie Simonius/Sutter, a.a.O., § 4 Rn 51 Anm. 61). BGE 72 I 233, der eine dinglich wirkende Verfügungsbeschränkung unter bestimmten Voraussetzungen für zulässig erachtet hatte, ist überholt. 4. Nach geltendem Recht kann ein Zustimmungserfordernis auch nicht durch Vormerkung im Grundbuch realobligatorisch ausgestaltet werden. Das soll sich ändern: «Die Revisionsvorlage zum Immobiliarsachenrecht sieht nun die Möglichkeit vor, die Vormerkung rechtsgeschäftlicher Vereinbarungen im Grundbuch zu vereinbaren und damit diese gegenüber Rechtsnachfolgern durchzusetzen. Dies entspricht nach Ansicht des Gesetzgebers einem Bedürfnis der Vertragsparteien (Art. 779b E-ZGB; Botschaft vom 27. Juni 2007 zur Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches [Register-Schuldbrief und weitere Änderungen im Sachenrecht], BBl 2007 5313). Damit erhalten vertragliche Abmachungen realobligatorischen Charakter und können insbesondere gegenüber dem Erwerber des Baurechts durchgesetzt werden. Das Bundesamt für Justiz scheint in seiner Vernehmlassung davon auszugehen, dass durch die AJP 03_2009.indb 370 Vormerkung der Vereinbarung über die Beschränkung der Übertragbarkeit eines Baurechts das Verfügungsrecht des Baurechtsberechtigten gemäss Art. 965 ZGB eingeschränkt wird, womit das Grundbuchamt die Handänderung nicht ohne Zustimmung des Grundeigentümers vornehmen dürfte. Die Tragweite einer solchen neuen Vormerkungsmöglichkeit kann indes erst nach Abschluss der Gesetzgebungsarbeiten beurteilt werden.» (E. 4.4 des referierten Entscheids). 5. Wenn die Parteien eines Baurechtsvertrages eine Verfügungsbeschränkung abmachen, welche dingliche Wirkung zeitigen soll, so ist die Vereinbarung auf die Begründung eines in dieser Form nicht begründbaren (Bau-)Rechts gerichtet. Ein solches Recht kann daher nicht ins Grundbuch eingetragen werden, eine entsprechende Anmeldung ist abzuweisen. Im vorliegenden Fall liess der Genehmigungsvorbehalt die dingliche Absicht nicht erkennen, vielmehr durfte der Grundbuchverwalter davon ausgehen, die von den Parteien beabsichtigte Verfügungbeschränkung solle lediglich obligatorische Wirkung zeitigen. Die Eintragung erfolgte daher aus grundbuchrechtlicher Sicht zu Recht. Zivilrechtlich lag aber möglicherweise ein ungerechtfertigter Eintrag vor. Dies traf dann zu, wenn tatsächlich eine dingliche Verfügungsbeschränkung beabsichtigt war und die damit verbundene rechtliche Unmöglichkeit Ganznichtigkeit des Vertrags zur Folge hatte (Art. 20 Abs. 2 OR). 10.3.2009 9:12:33 Uhr Entscheidungen/Jurisprudence AJP/PJA 3/2009 371 2.7. Schuldrecht – allgemein / Droit des obligations – en général 2.7.2. Obligationenrecht – Besonderer Teil – allgemein / Droit des obligations – Partie spéciale – en général 2.7.2.3. Miete, Pacht / Bail à loyer, bail à ferme (3) Vorzeitige Kündigung des Mietverhältnisses (Art. 257 f. Abs. 3 OR); Untervermietung ohne Zustimmung des Vermieters (Art. 262 OR). Der Mieter, der das Mietobjekt untervermietet, ohne die Zustimmung des Vermieters einzuholen, riskiert eine vorzeitige Auflösung des Mietverhältnisses, wenn er auf eine schriftliche Abmahnung des Vermieters nicht reagiert und dieser sich aus einem der in Art. 262 Abs. 2 OR genannten Gründe der Untervermietung hätte widersetzen können (E. 3). Bundesgericht, I. Zivilrechtliche Abteilung, Urteil 4A_516/ 2007 vom 6. März 2008 (BGE 134 III 300 = Pra 2008 Nr. 130). Mit Bemerkungen von Prof. Dr. ALFRED KOLLER, Universität St. Gallen Zusammenfassung des Sachverhalts: Das Ehepaar X. war seit dem Jahr 1988 Mieterin einer 8-Zimmerwohnung in einer Liegenschaft in Genf. Der Mietzins betrug CHF 4220 pro Monat. Art. 3 des Mietvertrages sah hinsichtlich einer allfälligen Untervermietung Folgendes vor: «Der Mieter ist ermächtigt, nach seinem Belieben und auf eigene Verantwortung seine Wohnung in den drei Sommermonaten unterzuvermieten. Der Mieter ist jedoch verpflichtet, den Vermieter jedes Jahr vorgängig über die genauen Daten und die Bedingungen der Untermiete zu informieren.» Im Februar 1998 erwarb Y. die vermietete Liegenschaft zu Eigentum und wurde damit gemäss Art. 261 OR neuer Vermieter. Am 10. Mai 2001 kündigte Y. das Mietverhältnis unter Berufung auf Art. 257f Abs. 3 OR – ausserordentlicherweise – per 31. August 2001. Zur Begründung führte er an, die Mieter hätten die Wohnung untervermietet, ohne ihrer Informationspflicht gemäss Art. 3 des Vertrags nachgekommen zu sein. Die Eheleute X. fochten die Kündigung an. Mit Schreiben vom 29. Mai 2001 informierten sie Y. zudem darüber, dass die Wohnung vom 1. Juni bis zum 31. August 2001 zu einem Mietzins von CHF 12 000.– monatlich an einen gewissen V. vermietet werde. Eine Untervermietung erfolgte auch in den Monaten Januar und Februar 2002, wiederum für monatlich CHF 12 000.–, allerdings ohne Kenntnisgabe an Y. Mit Schreiben vom 21. Januar 2002 teilte Y. den Eheleuten X. mit, er habe erfahren, dass die Wohnung – erneut ohne AJP 03_2009.indb 371 seine Zustimmung – untervermietet worden sei, und forderte die Mieter auf, ihm die nach Vertrag nötigen Angaben zu machen. Am 24. Januar 2002, anlässlich der Anhörung im Rahmen des Verfahrens betreffend Anfechtung der Kündigung vom 10. Mai 2001, stellten die Eheleute X. wahrheitswidrig in Abrede, dass die Wohnung noch untervermietet sei. Hierauf liess Y. dem Ehepaar X. mit Schreiben vom 6. Februar 2002 eine neue (ausserordentliche) Kündigung zukommen. Auch diese fochten die Eheleute X. an. Mit Entscheid vom 20. Februar 2003 hat das Mietgericht des Kantons Genf die Kündigung vom 10. Mai 2001 aufgehoben. Hingegen erklärte es die Kündigung vom 6. Februar 2002 für gültig (Urteil vom 22. Januar 2007). Der Appellationshof des Kantons Genf hat dieses Urteil – auf Berufung der Mieter hin – bestätigt. Eine von den Eheleute X. beim Bundesgericht eingereichte Beschwerde in Zivilsachen hatte keinen Erfolg. Das Bundesgericht hat die Kündigung – gleich wie der Vermieter und die Vorinstanzen – auf Art. 257 f. Abs. 3 OR abgestützt. Bemerkungen: 1. Im Ergebnis ist dem Bundesgericht zuzustimmen. Denn der Vermieter musste es zweifellos nicht dulden, dass die Mieter ständig ihre Informationspflicht (Art. 3 des Vertrags) verletzten, nicht nur durch Unterlassung, sondern auch durch positives Tun (Anlügen), und zudem einen im Verhältnis zum Hauptmietzins missbräuchlichen Untermietzins verlangten. Zweifelhaft ist hingegen, ob die dogmatische Grundlegung der Kündigung die richtige ist. Art. 257 f. Abs. 3 OR, den das Bundesgericht heranzieht, betrifft ja die Vertragsauflösung wegen unsorgfältiger Behandlung der Mietsache (Abs. 1 und 4) bzw. fehlender Rücksichtnahme auf die Nachbarn (Abs. 2), darum aber ging es in casu offensichtlich nicht. Zumindest eine unmittelbare Anwendung der Bestimmung fällt daher ausser Betracht. M.E. ist auch eine (einzel-)analoge Anwendung abzulehnen, denn die mit einer Untermiete verbundenen Mieterpflichten haben mit den in Art. 257 f. OR geordneten Pflichten wenig gemein. Richtiger scheint es vielmehr, das Vertragsauflösungsrecht im Wege einer Gesamtanalogie, in deren Rahmen freilich auch Art. 257f OR beachtlich ist, zu begründen. Für die Darstellung der Einzelheiten lehne ich mich an das im OR AT Gesagte an (Alfred Koller, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, 3. A., Bern 2009, § 58 Rn. 8): Dauerverträge wie der Mietvertrag können bei Vorliegen wichtiger Gründe, welche einer Partei das weitere Festhalten am Vertrag unzumutbar machen, aufgelöst werden (z.B. Art. 337 Abs. 1 OR; BGE 128 III 428). Als wichtiger Grund kommt namentlich vertragswidriges Verhalten einer Vertragspartei in Betracht (z.B. Art. 337b Abs. 1 OR; BGE 129 III 380 E. 2.2). Im Vordergrund steht die vertragswidrige Nicht- oder Schlechterbringung der geschuldeten Leistung (z.B. Art. 257d und 258 Abs. 1 OR), doch können im Einzelfall auch Nebenpflichtverletzungen einen wichtigen Grund zur Vertragsauflösung abgeben. Das ist zwar im schweize- 10.3.2009 9:12:33 Uhr Entscheidungen/Jurisprudence AJP/PJA 3/2009 372 rischen Recht – anders als etwa im deutschen (§ 324 BGB) – nicht allgemein, sondern nur für einzelne Tatbestände ausdrücklich festgestellt (z.B. Art. 257 f., 285, 309 Abs. 2, 337b OR); aus den betreffenden Regeln ist jedoch – im Wege der Gesamtanalogie (dazu allgemein Ernst A. Kramer, Juristische Methodenlehre, 2. A., Bern etc. 2005, 179; Koller, a.a.O., § 28 Anm. 7, m.w.H.) – ein allgemeiner Rechtsgrundsatz abzuleiten. Was für Dauerverträge gilt, gilt mutatis mutandis auch für andere Verträge, etwa Kauf- oder Werkverträge (vgl. meinen OR AT, § 29 Rn. 3 i.V.m. § 58 Rn. 8). Das sei hier der Vollständigkeit halber nachgetragen, obwohl es in casu um einen Dauervertrag ging. 2. Gleichgelagert war der Fall BGE 134 III 300 = Pra 2009 Nr. 21. Auch hier wurde eine ausserordentliche Kündigung wegen unerlaubter Untermiete in Anwendung von Art. 257f Abs. 3 OR geschützt. Gleich wie im vorne referierten Entscheid wurde die Bestimmung unmittelbar zur Anwendung gebracht. 7. Strafrecht / Droit pénal 7.2. Strafrecht – Allgemeiner Teil – allgemein / Droit pénal – Partie générale – en général (4) Der Jetlag dauert an oder Neue Unwägbarkeiten im Recht der strafrechtlichen Verjährung. Bundesgericht, Urteil der Strafrechtlichen Abteilung vom 16. Oktober 2008, 6B_686/2008 (BGE 134 IV 328). Mit Bemerkungen von Dr. iur. CHRISTOF RIEDO, Assoz. Professor an der Universität Fribourg und MLaw MATTHIAS ZURBRÜGG, Wissenschaftlicher Assistent an der Universität Fribourg Zusammenfassung des Sachverhalts: A. und B. züchteten ab 1994/95 im Elsass Pferde und verkauften diese auch in die Schweiz. Eine Untersuchung der Zollkreisdirektion Basel ergab, dass zwischen 1996 und 1999 zahlreiche dieser Pferde illegal über Grenzübergänge oder für den Warenverkehr geschlossene Zollstrassen zwischen Boncourt und Basel St. Louis in die Schweiz eingeführt wurden. Die Zollkreisdirektion Basel nahm gegen A. und B. sowie zahlreiche weitere Personen, darunter C. und D., Schlussprotokolle auf, in denen sie ihnen Widerhandlungen gegen das Zollgesetz, das Tierseuchengesetz, die Mehrwertsteuerverordnung und das Mehrwertsteuergesetz zur Last legte. Mit Verfügungen vom 31. Januar 2002 wurden A., B., C., D. und weitere Personen für die hinterzogenen Abgaben leistungspflichtig erklärt. B., C. und D. fochten diese Verfügungen an. Über die Beschwerden von B. und C. entschied die Oberzolldirektion am 19. Mai 2004 bzw. am 17. November 2004; die Entscheide erwuchsen in Rechtskraft. In Sachen D. entschied die Eidgenössische Zollrekurskommission am 29. September 2005 letztinstanzlich. Am 11. Oktober 2006 überwies die Eidgenössische Oberzolldirektion die Anklageschrift gegen A., B. und C. an das zuständige Gericht des Kantons Basel-Landschaft zur gerichtlichen Beurteilung. Alle übrigen Fälle wurden durch verwaltungsstrafrechtlichen Entscheid der Zollverwaltung erledigt. Am 27. September 2007 gab das Strafgerichtspräsidium Basel-Landschaft dem Verfahren gegen A. wegen eingetretener Verjährung keine weitere Folge. Gegen B. und C. erliess das Strafgericht Basel-Landschaft am 31. Januar 2008 Urteile, welche in Rechtskraft erwachsen sind. AJP 03_2009.indb 372 10.3.2009 9:12:34 Uhr Entscheidungen/Jurisprudence AJP/PJA 3/2009 373 Am 16. Juni 2008 wies das Kantonsgericht Basel-Landschaft die Beschwerde der Oberzolldirektion gegen die vorinstanzliche Verfügung ab. Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt die Eidgenössische Zollverwaltung, das kantonsgerichtliche Urteil aufzuheben, festzustellen, dass noch nicht sämtliche A. vorgeworfenen Straftaten verjährt seien und die Sache zur Neubeurteilung ans Kantonsgericht zurückzuweisen. A. beantragt in seiner Vernehmlassung, die Beschwerde abzuweisen. Zusammenfassung der Erwägungen: 2.1 Die dem Beschwerdegegner angelasteten Delikte wurden zwischen März 1997 und Juli 1999 begangen und sollen nach der Überweisungsverfügung der Oberzolldirektion als Zollübertretung, Bannbruch und Steuerhinterziehung strafbar sein. Soweit das Verwaltungsstrafrecht keine besonderen Regelungen kennt, ist der Allgemeine Teil des Strafgesetzbuches anwendbar (Art. 2 VStrR). Art. 83 des im Deliktszeitpunkt geltenden Zollgesetzes vom 1. Oktober 1925 bestimmte, dass die Verfolgungsverjährung gemäss Art. 11 Abs. 2 VStrR auch für den Bannbruch und die Zollhehlerei gelte. Im aktuellen Zollgesetz vom 18. März 2005 (SR 631.0; ZG) bestimmt Art. 129, dass Art. 11 Abs. 2 VStrR für alle Zollwiderhandlungen gilt. Die im Deliktszeitpunkt geltende Mehrwertsteuerverordnung vom 22. Juni 1994 enthielt keine spezielle Regelung der Verfolgungsverjährung; Art. 64 Abs. 1 verwies allgemein auf das Verwaltungsstrafrecht. Daran hat sich im heute geltenden Mehrwertsteuergesetz vom 2. September 1999 (SR 641.20, MWSTG) nichts geändert, Art. 88 Abs. 1 erklärt lapidar das Verwaltungsstrafrecht für anwendbar. Mangels abweichender spezialgesetzlicher Bestimmungen richtet sich somit die Verfolgungsverjährung nach dem Verwaltungsstrafrecht und dem Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuches, dessen revidierte Fassung auf den 1. Januar 2007 in Kraft gesetzt wurde. Verjährungsfristen und deren Ablauf sind für die Übertretungen in Art. 11 VStrR speziell geregelt. Die Verjährungsfristen für Vergehen richten sich nach den allgemeinen strafrechtlichen Bestimmungen, deren Ablauf nach Art. 11 Abs. 3 VStrR. Altrechtlich verjährten die dem Beschwerdegegner vorgeworfenen Übertretungen relativ in 5, absolut in 71/2 Jahren (Art. 11 Abs. 2 VStrR). Für Vergehen galten altrechtlich im Ergebnis die gleichen Fristen (Art. 70 und 72 Ziff. 2 Abs. 2 aStGB). Neurechtlich verjähren Vergehen in sieben Jahren (Art. 97 Abs. 1 lit. c StGB), wobei die Verjährung nicht mehr unterbrochen und nach dem erstinstanzlichen Urteil nicht mehr eintreten kann (Art. 97 Abs. 1 lit. c StGB). Fraglich ist, ob darunter nur Verurteilungen zu verstehen sind oder auch Freisprüche und Verfahrenseinstellungen. Der Wortlaut lässt beides zu. Die Verjährung bezweckt aus verschiedenen prozessualen und materiell-strafrechtlichen Gründen, die Strafverfolgung nach Ablauf einer bestimmten AJP 03_2009.indb 373 Zeitspanne einzustellen. Mit einem Freispruch wird festgestellt, dass der Angeklagte wegen der gegen ihn erhobenen Vorwürfe nicht verurteilt werden kann. Es widerspräche jeder Logik, an diese Feststellung die Rechtsfolge zu knüpfen, dass der Freigesprochene wegen eben dieser Vorwürfe zeitlich unbegrenzt weiter verfolgt werden kann, weil die beurteilte Straftat nicht mehr verjährt. Unter «erstinstanzlichen Urteilen» im Sinne von Art. 97 Abs. 3 und Art. 333 Abs. 6 lit. d StGB sind daher ausschliesslich verurteilende Erkenntnisse zu verstehen. Art. 11 Abs. 2 VStrR, welcher die Verjährung der hier zu beurteilenden Übertretungen regelt, ist noch nicht ans neurechtliche Verjährungssystem angepasst worden, welches keine Unterbrechung mehr kennt. Bis dies erfolgt ist, gilt, dass die Verfolgungsverjährungsfristen um die ordentliche Dauer verlängert werden (Art. 333 Abs. 1 i.V.m. Abs. 6 lit. b StGB). Ausgehend von der fünfjährigen Verjährungsfrist von Art. 11 Abs. 2 VStrR ergäbe diese eine Verfolgungsverjährung von zehn Jahren. Es kann indessen nicht sein, dass für Übertretungen eine längere Verjährungsfrist gilt als für nach dem gleichen Gesetz zu ahndende Vergehen; diese ist daher auf das für letztere geltende Mass zu verringern. Daraus folgt, dass neurechtlich sowohl die dem Beschwerdegegner vorgeworfenen Übertretungen als auch die Vergehen innert sieben Jahren verjähren. Das neue Verjährungsrecht ist somit vorliegend das mildere und damit anwendbare. 2.2 Nach Art. 11 Abs. 3 VStrR ruht die Verjährung «bei Vergehen und Übertretungen während der Dauer eines Einsprache-, Beschwerde- oder gerichtlichen Verfahrens über die Leistungs- oder Rückleistungspflicht oder über eine andere nach dem einzelnen Verwaltungsgesetz zu beurteilende Vorfrage oder solange der Täter im Ausland eine Freiheitsstrafe verbüsst». Das Kantonsgericht vertritt im angefochtenen Entscheid die Auffassung, der Beschwerdegegner habe die Verfügung vom 31. Januar 2002, mit welcher seine Leistungspflicht festgelegt worden sei, nicht angefochten, weshalb die Verjährung nicht geruht habe und damit eingetreten sei. Die Beschwerdeführerin sieht dadurch Art. 11 Abs. 3 VStrR verletzt, da ihrer Auffassung nach die Anfechtung der Leistungspflicht durch einen Pflichtigen genügt, um die Verjährung gegen alle Mitangeklagten ruhen zu lassen. Gegen die Verfügungen vom 31. Januar 2002, mit welchen der Beschwerdeführer und die weiteren am illegalen Pferdeimport Beteiligten leistungspflichtig erklärt wurden, wurden drei Rechtsmittel erhoben. Als letztes von ihnen wurde dasjenige von D. am 17. November 2005 endgültig erledigt. Die Verjährungsfrist im Strafverfahren gegen den Beschwerdegegner hätte somit nach dieser Auffassung rund 23/4 Jahre geruht, würde sich um diese Dauer verlängern und wäre damit jedenfalls in Bezug auf einzelne Delikte auch heute im Zeitpunkt des bundesgerichtlichen Entscheids noch nicht abgelaufen. 3.1 Die Beschwerdeführerin führt aus, bei Fiskaldelikten hänge der Entscheid im Strafpunkt von demjenigen über die Leistungspflicht bzw. über die Abgabenberechnung und die 10.3.2009 9:12:34 Uhr Entscheidungen/Jurisprudence AJP/PJA 3/2009 374 Tarifeinreihung ab und werde dementsprechend erst nach dessen rechtskräftiger Erledigung gefällt. Aufgrund dieser Abhängigkeit des Strafverfahrens von der Abgabenberechnung sei das Bundesgericht (BGE 88 IV 87 E. 4b; 89 IV 160 E. 6; 119 IV 330 E. 2d) bereits vor dem Inkrafttreten von Art. 11 Abs. 3 VStrR davon ausgegangen, dass die Beschwerde gegen die Leistungspflicht die Verfolgungsverjährung ruhen lasse, und zwar gegen alle am Strafverfahren Beteiligten. Der Entscheid über die Leistungspflicht betreffe sowohl die Frage, wer leistungspflichtig sei (subjektive Leistungspflicht) als auch diejenige, ob überhaupt eine Leistungspflicht entstanden sei (objektive Leistungspflicht). Da die Beurteilung der Straftat u.a. von diesem Punkt abhange, es sich somit um eine nach dem einzelnen Verwaltungsgesetz zu beurteilende Vorfrage im Sinne von Art. 11 Abs. 3 VStrR handle, ergebe sich die verjährungshemmende Wirkung in Bezug auf die Strafverfahren gegen alle Tatbeteiligte bereits aus dem Gesetzeswortlaut. 3.2 Unter der Herrschaft des alten Zollgesetzes in seiner bis Ende Mai 1973 geltenden Fassung (AS 1973 644) war die Rechtslage gemäss expliziter gesetzlicher Regelung in Art. 110 Abs. 2 aZG insofern klar, als die Beschwerde eines Tatbeteiligten gegen die Festsetzung der Leistungspflicht für alle beschwerdebefugten Personen Wirkung hatte. Daraus hat das Bundesgericht in den aus den Jahren 1962 und 1963 (BGE 88 IV 87 und 89 IV 160) stammenden Entscheiden den nahe liegenden Schluss gezogen, dass die Beschwerde eines Beteiligten die strafrechtliche Verjährung gegen sämtliche Beschwerdebefugten ruhen lässt. Aus den Materialien (BBl 1972 II 228 ff.) ergibt sich kein Hinweis, dass diese Regelung materiell geändert werden sollte; vielmehr diente die erwähnte Revision dazu, eine Vielzahl spezialgesetzlicher Verfahrensbestimmungen ins neue Bundesgesetz über das Verwaltungsstrafrecht zu überführen, Art. 110 Abs. 2 aZG konkret in Art. 11 Abs. 3 VStrR. Für die Beschwerdeführerin hat sich dadurch die Rechtslage nicht geändert. Für sie ergibt sich auch aus der neuen Bestimmung, dass eine Beschwerde gegen die Festsetzung der Leistungspflicht die strafrechtliche Verjährung auch gegenüber den Mitbeteiligten ruhen lässt. 3.3 Im Rechtsmittelsystem des Verwaltungsstrafrechts sind Strafverfahren (Art. 62 VStrR) und Leistungs- bzw. Rückleistungsverfahren (Art. 63 VStrR), die gleiche oder sich zumindest teilweise überschneidende Sachverhalte betreffen und sich gegen mehrere Beteiligte richten, wechselseitig voneinander abhängig. Fusst ein Strafbescheid auf einem Entscheid über die Leistungs- oder Rückleistungspflicht und wird dieser erfolgreich angefochten, so erlässt die Verwaltung einen neuen Strafbescheid (Art. 63 Abs. 3 VStrR). Einsprachen gegen einen Strafbescheid haben zur Folge, dass dieser mit Wirkung für alle Beteiligten zu überprüfen ist, wobei das Einspracheverfahren auszusetzen ist, bis – soweit mitangefochten – über die Leistungspflicht befunden ist (Art. 69 Abs. 1 und 2 VStrR). Nicht anders verhält es sich, wenn einer der Beteiligten ans Strafgericht zu überweisen ist (Art. 62 Abs. 1 und Art. 21 Abs. 1 VStrR). AJP 03_2009.indb 374 Auch in diesem Fall muss davon ausgegangen werden, dass die – für den Strafrichter nach Art. 77 Abs. 4 VStrR grundsätzlich verbindliche – Änderung eines Leistungsentscheides zu einer Überprüfung bzw. Anpassung der Strafbescheide und Strafurteile gegenüber allen Beteiligten führt. Daher ist mit der Überweisung an den Strafrichter solange zuzuwarten, als ein Verfahren über die Leistungspflicht hängig ist, das sich auf die Strafverfahren gegen die Mitbeteiligten auswirken kann (Art. 69 Abs. 2 VStrR; Kurt Hauri, Verwaltungsstrafrecht, Bern 1998, S. 150 mit Hinweis auf die Materialien). Dies setzt voraus, dass die Verjährung für diesen Zeitraum nach Art. 11 Abs. 3 VStrR ruht, ansonsten sie bei langwierigen Verwaltungsverfahren bereits vor der Überweisung des Strafverfahrens an die kantonalen Strafgerichte eintreten könnte. Dieses aus der Logik des Rechtsmittelsystems zwingende Auslegungsergebnis wird vom Wortlaut der Bestimmung ohne weiteres gedeckt, womit Art. 11 Abs. 3 VStrR auch unter dem Gesichtspunkt von Art. 1 StGB («Keine Strafe ohne Gesetz») eine taugliche gesetzliche Grundlage bildet, die strafrechtliche Verjährung ruhen zu lassen. Dazu kommt, dass es unter Umständen verfassungsrechtlich geboten sein kann, Strafverfahren gegen Mittäter zu vereinigen, insbesondere wenn die Gefahr besteht, dass die Art und der Umfang der Beteiligung wechselseitig bestritten werden und somit die Gefahr besteht, dass ein Teilnehmer die Schuld dem anderen zuweisen will (BGE 116 Ia 305 E. 4b S. 313; vgl. auch 115 Ia 34 E. 2c/cc S. 40). Dies stand vorliegend umso mehr zu befürchten, als die beiden Haupttäter in eine Kampfscheidung gerieten. Auch unter diesem Titel erscheint es sachgerecht, Art. 11 Abs. 3 VStrR dahingehend auszulegen, dass die Beschwerde eines Tatbeteiligten gegen seine Leistungspflicht die Verjährung der Strafverfahren gegen alle Mitbeteiligten ruhen lässt, weil sonst eine möglicherweise gebotene Vereinigung der Strafverfahren jedenfalls bei einer längeren Dauer der Rechtsmittelverfahren faktisch verunmöglicht würde. 3.4 Hat somit die strafrechtliche Verjährungsfrist für den Beschwerdegegner während der Dauer der von einzelnen Mitbeteiligten gegen die Festsetzungen ihrer Leistungspflicht angehobenen Rechtsmittelverfahren geruht, so waren im Zeitpunkt des angefochtenen Entscheids jedenfalls nicht alle Delikte des Beschwerdegegners absolut verjährt, und sie sind es auch heute im Zeitpunkt des bundesgerichtlichen Entscheids noch nicht (vorne E. 2.2). Die Beschwerde ist daher gutzuheissen, der angefochtene Entscheid aufzuheben und die Sache dem Kantonsgericht Basel-Landschaft zu neuem Entscheid zurückzuweisen. Angesichts der weiter laufenden Verjährung wird dieses die Angelegenheit ohne Rückweisung an die erste Instanz beförderlich selber zu entscheiden haben. Die Beschwerde wurde gutgeheissen, der angefochtene Entscheid vom 16. Juni 2008 aufgehoben und die Sache dem Kantonsgericht Basel-Landschaft zu neuem Entscheid zurückgewiesen. 10.3.2009 9:12:34 Uhr Entscheidungen/Jurisprudence AJP/PJA 3/2009 375 Bemerkungen: I. Altes und neues Verjährungsrecht 1. Am 1. Oktober 2002 sind die revidierten Bestimmungen zur strafrechtlichen Verjährung in Kraft getreten. Gesetzgeberischer Leitgedanke war es, das als unnötig kompliziert erkannte und teils unbillige Ergebnisse zeitigende Verjährungsrecht zu entschlacken und von seinen Mängeln zu befreien. Dies geschah durch folgende Neuerungen (vgl. zum Nachfolgenden Martin Schubarth, Das neue Recht der strafrechtlichen Verjährung, in: ZStrR 2002, 321–339, 330 f.; Christian Denys, Prescription de l’action pénale: Les nouveaux art. 70, 71, 109 et 333 al. 5 CP, in: SJ 2003 II 49-66, 50 f.; Christof Riedo/Oliver M. Kunz, Jetlag oder Grundprobleme des neuen Verjährungsrechts, in: AJP/PJA 2004, 904–916, 904): • Die in Art. 72 aStGB geregelten Institute des Ruhens und des Unterbrechens der Verfolgungsverjährung wurden aufgehoben. Damit einhergehend fiel die Unterscheidung zwischen relativer und absoluter Verjährungsfrist dahin. • Die durch die Aufhebung von Art. 72 aStGB erfolgte faktische Verkürzung der (absoluten) Verjährung wurde durch eine Verlängerung der Verjährungsfristen in Art. 70 aStGB (heute Art. 97 StGB) abgefedert. • Schliesslich wurde der als unbillig empfundenen Möglichkeit, sich durch das Einlegen von Rechtsmitteln in die Verjährung zu retten, der Riegel geschoben: Die Verjährung kann nicht mehr eintreten, sobald ein erstinstanzliches Urteil ergangen ist (Art. 70 Abs. 3 aStGB; heute Art. 97 Abs. 3 StGB). 2. Die sich aus diesen Neuerungen ergebenden übergangsrechtlichen Fragen regelt Art. 389 StGB, wonach die Bestimmungen des neuen Verjährungsrechts auch auf den Täter anwendbar sind, der vor Inkrafttreten des neuen Rechts eine Tat verübt hat, sofern das neue Recht das mildere ist und das Gesetz nichts anderes bestimmt. Damit wird der für das materielle Strafrecht geltende Grundsatz der lex mitior (Art. 2 Abs. 2 StGB) auch für die Verjährung festgeschrieben, wenngleich besondere Übergangsbestimmungen, insbesondere bei bestimmten Straftaten zum Nachteil von Kindern unter 16 Jahren (Art. 97 Abs. 2 und 4 StGB) sowie bei Völkermord (Art. 101 Abs. 3 StGB), als lex specialis vorbehalten bleiben (vgl. dazu BSKStrafrecht II-Riedo, Art. 389 N 13–17). 3. Um die neuen Verjährungsregeln auch im Gestrüpp des Nebenstrafrechts mit seinen häufig speziellen Verjährungsfristen umzusetzen, hat der Gesetzgeber mit Art. 333 Abs. 6 (aStGB: Abs. 5) eine für das gesamte Nebenstrafrecht geltende Transformationsnorm erlassen (vgl. dazu etwa Riedo/ Kunz, AJP/PJA 2004, 905; BSK-Strafrecht II-Wiprächtiger, Art. 333 N 30 f.): • Bis zu ihrer ordentlichen Anpassung an das neue Verjährungsregime werden die Verfolgungsverjährungsfristen für Verbrechen und Vergehen um deren Hälfte erhöht; AJP 03_2009.indb 375 diejenigen der Übertretungen verdreifacht (lit. a). Nach lit. b besteht indes eine Ausnahme für Verjährungsfristen, die bereits über ein Jahr betragen: Diese werden lediglich verdoppelt. • Gemäss lit. c werden die Bestimmungen über das Ruhen und die Unterbrechung der Verfolgungsverjährung auch im Nebenstrafrecht aufgehoben. Vorbehalten bleibt einzig Art. 11 Abs. 3 VStrR. Die Verjährung ruht demnach während der Dauer eines Einsprache-, Beschwerde- oder gerichtlichen Verfahrens über die Leistungs- oder Rückleistungspflicht oder über eine andere nach dem einzelnen Verwaltungsgesetz zu beurteilende Vorfrage oder solange der Täter im Ausland eine Freiheitsstrafe verbüsst. Art. 11 Abs. 3 VStrR ist freilich immer nur dann anwendbar, wenn das VStrR direkt oder indirekt (Art. 1 VStrR) für anwendbar erklärt wird. • Schliesslich kann, nachdem ein erstinstanzliches Urteil ergangen ist, die Verjährung nicht mehr eintreten (lit. d). II. Der Beginn der Verjährungsfrist 1. Die Verfolgungsverjährung beginnt (nach altem wie nach neuem Recht) im Zeitpunkt der strafbaren Handlung (Art. 98 StGB; Art. 71 aStGB). Führt der Täter die strafbare Tätigkeit zu verschiedenen Zeiten aus, beginnt die Verjährung «mit dem Tag, an dem er die letzte Tätigkeit ausführt» (Art. 98 lit. b StGB bzw. Art. 71 Abs. 2 aStGB). 2. Diese Regelung hatte das Bundesgericht dazu veranlasst, unter gewissen Voraussetzungen mehrere strafbare Verhaltensweisen zu einem einzigen Delikt zusammenzufassen. 2.1 Das geschah zunächst unter dem Titel des sog. «fortgesetzten Deliktes»: Das Bundesgericht betrachtete ein fortgesetztes Delikt als gegeben, wenn mehrere «gleichartige oder ähnliche Handlungen, die gegen das gleiche Rechtsgut gerichtet» waren, auf «ein und denselben Willensentschluss» zurückgingen (BGE 102 IV 74, E. 2a, S. 77). Als (historisches) Lehrbuchbeispiel galt etwa der wiederholte ehebrecherische Verkehr (Art. 214 aStGB) mit derselben Frau (Günter Stratenwerth, Schweizerisches Strafrecht, Allgemeiner Teil I, 1. A., Bern 1982, § 19 N 12). Kein fortgesetztes Delikt sollte indes vorliegen, wenn sich der Täter wiederholt entschlossen hatte, mit dem Delinquieren aufzuhören, dann aber der Versuchung jeweils wieder erlag (Stratenwerth, AT I, 1. A., § 19 N 15; Hans Schultz, Die strafrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichts im Jahre 1964, in: ZBJV 1966, 41–69, 55; Jörg Rehberg/Andreas Donatsch, Strafrecht I, 7. A., Zürich 2001, 321 f.). Ferner sollte auch beim Willen, «zahlreiche gleichartige Straftaten zu verüben, deren Ausführung nach Art, Zeit und Ort aber ungewiss» war, kein fortgesetztes Delikt vorliegen (BGE 102 IV 74, E. 2b, S. 78). Die Annahme eines fortgesetzten Delikts hatte verschiedene Konsequenzen (siehe dazu Günter Stratenwerth, Schweizerisches Strafrecht, Allgemeiner Teil I, 3. A., Bern 2005, § 19 N 15; Franz Riklin, Schweizerisches Strafrecht, 10.3.2009 9:12:34 Uhr Entscheidungen/Jurisprudence AJP/PJA 3/2009 376 Allgemeiner Teil I, 3. A., Zürich 2007, § 22 N 36; Stefan Trechsel, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Kurzkommentar, 1. A., Zürich 1989, Art. 68 N 8): • Eine Strafschärfung nach Art. 68 aStGB wegen Zusammentreffens mehrerer strafbarer Handlungen war ausgeschlossen. • Die Rechtskraft des Urteils erstreckte sich auch auf Delikte, die dem Gericht nicht bekannt waren. • Bei Antragsdelikten begann die Antragsfrist erst mit Kenntnis des Täters und der letzten strafbaren Handlung zu laufen. Der Strafantrag erfasste alsdann sämtliche zu einer Einheit zusammengefassten Delikte. • Die Verjährung begann erst mit der letzten Tatausführung zu laufen (sog. verjährungsrechtliche Einheit). Die Rechtsprechung zum fortgesetzten Delikt wurde in der Lehre zunehmend kritisch beurteilt (Hans Schultz, Einführung in den Allgemeinen Teil des Strafrechts, Bd. 1, 4. A., Bern 1982, 130 f.; Ders., ZBJV 1966, 55; Stratenwerth, AT I, 1. A., § 19 N 19; Werner Arnold Knecht, Das fortgesetzte Delikt im schweizerischen Strafrecht, Diss. Bern 1969, 99 f.). Es war sachlich nicht einsehbar, warum der zur immer wiederkehrenden Delinquenz entschlossene Täter im Vergleich zum zaudernden Wiederholungstäter mit Bezug auf die Strafschärfung nach Art. 68 aStGB (heute: Art. 49 StGB) bessergestellt sein sollte. Umgekehrt führte das Hinausschieben des Verjährungsbeginns zu teilweise unverhältnismässig langen Verjährungsfristen. 2.2 Mit BGE 116 IV 121 und BGE 117 IV 408 vollzog das Bundesgericht eine erste Praxisänderung, indem es die Rechtsfigur des fortgesetzten Delikts aufgab. Eine verjährungsrechtliche Einheit (ein sog. «Einheitsdelikt») sollte nur noch dann angenommen werden, «wenn die gleichartigen und gegen dasselbe Rechtgut gerichteten strafbaren Handlungen – ohne dass bereits ein eigentliches Dauerdelikt gegeben wäre (Art. 71 Abs. 3 [a]StGB) – ein andauerndes pflichtwidriges Verhalten» bildeten und diese andauernde Pflichtverletzung «vom in Frage stehenden Straftatbestand ausdrücklich oder sinngemäss mitumfasst» waren (BGE 117 IV 408, E. 2f bb), S. 413 f.; ebenso in der Folge BGE 118 IV 309, E. 2c, S. 317 f.; 118 IV 325, E. 2b, S. 328 f.; 119 IV 73, E. 2b, S. 77 f.; 119 IV 199, E. 2., S. 200 f.; 120 IV 6, E. 2c, S. 9; 124 IV 5, E. 2b, S. 8 f.; 126 IV 141, E. 1a, S. 142 f.; 127 IV 49 E. 1b, S. 54 f.; Riklin, § 22 N 37; Stratenwerth, AT I, 3. A., § 19 N 17; Rehberg/Donatsch, 7. A., 322; Stefan Trechsel, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Kurzkommentar, 2. A., Zürich 1997, Art. 68 N 8). 2.3 Mit BGE 131 IV 83, E. 2.4, S. 90 ff., wurde dann auch die Rechtsfigur des Einheitsdeliktes über Bord geworfen. Als massgeblich betrachtete das Bundesgericht den Einwand von Markus Hug, in: Andreas Donatsch, StGB, 16. A., Zürich 2004, 183 f., der fragte, ob die mit dem Wortlaut von Art. 71 lit. b aStGB schwerlich vereinbare Auslegung mit der Neuordnung der Verjährungsregeln nicht aufgegeben werden könne. AJP 03_2009.indb 376 Mit dieser zweiten Praxisänderung wurde der Anwendungsbereich von Art. 98 lit. b StGB bzw. Art. 71 Abs. 2 aStGB entscheidend beschränkt: Unter die genannten Regelungen fallen nunmehr nur noch Fälle von (a) tatbestandlicher und solche von (b) natürlicher Handlungseinheit. (a) Eine tatbestandliche Handlungseinheit wird angenommen, «wenn das tatbestandsmässige Verhalten schon begrifflich, faktisch oder doch typischerweise mehrere Einzelhandlungen voraussetzt» (BGE 131 IV 83, E. 2.4.5, S. 93), nämlich: • bei mehraktigen Delikten, bei denen der Täter in aufeinanderfolgenden Schritten verschiedene Rechtsgüter verletzt, um den Erfolg zu erwirken (z.B. Raub: Art. 140 StGB), • bei Delikten, die typischerweise ein länger dauerndes Verhalten bedeuten, das aus mehreren Einzelhandlungen besteht (z.B. politischer Nachrichtendienst: Art. 272 StGB). (b) Eine natürliche Handlungseinheit soll bestehen, wenn mehrere Delikte «auf einem einheitlichen Willensakt beruhen und wegen des engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhangs bei objektiver Betrachtung noch als ein einheitliches zusammengehörendes Geschehen erscheinen» (BGE 131 IV 83, E. 2.4.5, S. 94). Diese Voraussetzungen sind laut Bundesgericht gegeben: • bei iterativer Tatbestandsverwirklichung (z.B. eine «Tracht Prügel»); • bei sukzessiver Tatbegehung (z.B. Besprayen einer Mauer mit Graffiti in mehreren aufeinanderfolgenden Nächten). Eine natürliche Handlungseinheit falle indessen ausser Betracht, wenn zwischen den einzelnen Handlungen – selbst wenn diese aufeinander bezogen seien – ein längerer Zeitraum liege. Liegt keine – tatbestandliche oder natürliche – Handlungseinheit im beschriebenen Sinne vor, so soll der Lauf der Verjährung für jede Tathandlung gesondert beurteilt werden. Vorbehalten bleibt einzig der Sonderfall der Dauerdelikte (Art. 98 lit. c StGB bzw. Art. 71 Abs. 3 aStGB). 3. Diese neue Rechtsprechung hat implizit auch im vorliegenden Fall Anwendung gefunden. Wie selbstverständlich ist das Bundesgericht davon ausgegangen, die Verjährung sei in casu für jede strafbare Handlung einzeln zu berechnen (anders in einem ganz ähnlichen Fall etwa noch BGE 119 IV 73, E. 2b, S. 77 ff.). 4. Insgesamt war es sicherlich richtig, das sog. Einheitsdelikt aufzugeben. Die Voraussetzungen, die eine verjährungsrechtliche Einheit entstehen liessen, entsprachen im Wesentlichen jenen des fortgesetzten Delikts (vgl. auch Schubarth, ZStrR 2002, 337 f.: Die Ersatzfigur der verjährungsrechtlichen Einheit lasse das eigentlich aufgehobene fortgesetzte Delikt weiter dahinsiechen). Inwieweit sich die neue Konzeption indes mit dem strafrechtlichen Handlungsbegriff vereinbaren lässt, wird an anderer Stelle zu prüfen sein. 5. Fraglich ist aber mindestens, ob sich die aktuelle Rechtsprechung zur Verjährung ohne weiteres auf andere Bereiche 10.3.2009 9:12:35 Uhr Entscheidungen/Jurisprudence AJP/PJA 3/2009 377 übertragen lässt. Namentlich bei der Berechnung der Strafantragsfrist nach Art. 31 StGB können sich Konstellationen ergeben, in denen dem Verletzten kaum zuzumuten ist, für jede einzelne strafbare Handlung innert gesondert laufender Frist rechtzeitig Strafantrag einzureichen. Zu denken ist etwa an wiederholte Drohungen zum Nachteil einer nahe stehenden Person (vgl. dazu bereits BSK-Strafrecht I-Riedo, Art. 30 N 18a f.). III. Der Begriff des erstinstanzlichen Urteils im Sinne von Art. 97 Abs. 3 und Art. 333 Abs. 6 lit. d StGB 1. Nach neuem Recht sollen strafbare Handlungen im Rechtsmittelverfahren nicht mehr verjähren können (Botschaft BBl 1999 2134 f.). Gemäss Art. 97 Abs. 3 StGB tritt deshalb die Verjährung nicht mehr ein, sofern vor Ablauf der Verjährungsfrist ein erstinstanzliches Urteil ergangen ist. Das Strafgerichtspräsidium Basel-Landschaft hatte dem Verfahren gegen den Beschwerdeführer wegen Verjährung keine weitere Folge gegeben und das Kantonsgericht eine Beschwerde gegen diese Verfügung abgewiesen. 2. Ein Prozessentscheid ist unbestrittenermassen kein «Urteil» im Sinne der genannten Bestimmung: Als Urteile kommen von vorneherein nur Entscheide in Betracht, die eine materiellrechtliche Beurteilung beinhalten (vgl. dazu Denys, SJ 2003 II, 60; BSK-Strafrecht I-Müller, Art. 97 N 25). Im Ergebnis ist also der Entscheid des Bundesgerichts insoweit nicht zu beanstanden. 3. Bedauerlicherweise hat es das Bundesgericht indessen für nötig befunden, sich beiläufig auch noch zur Frage zu äussern, ob ein Freispruch als Urteil zu gelten habe: «Der Wortlaut lässt beides zu. Die Verjährung bezweckt aus verschiedenen prozessualen und materiell-strafrechtlichen Gründen, die Strafverfolgung nach Ablauf einer bestimmten Zeitspanne einzustellen. Mit einem Freispruch wird festgestellt, dass der Angeklagte wegen der gegen ihn erhobenen Vorwürfe nicht verurteilt werden kann. Es widerspräche jeder Logik, an diese Feststellung die Rechtsfolge zu knüpfen, dass der Freigesprochene wegen eben dieser Vorwürfe zeitlich unbegrenzt weiter verfolgt werden kann, weil die beurteilte Straftat nicht mehr verjährt. Unter ‹erstinstanzlichen Urteilen› im Sinne von Art. 97 Abs. 3 und Art. 333 Abs. 6 lit. d StGB sind daher ausschliesslich verurteilende Erkenntnisse zu verstehen.» Diese Auffassung scheint verfehlt: 3.1 Unhaltbar ist zunächst die Bemerkung, der Wortlaut der Bestimmung sei nicht eindeutig. Ein Freispruch ist – grammatikalisch ausgelegt – selbstverständlich ein Urteil. Zu behaupten, der Wortlaut lasse beides zu, ist schlechterdings falsch – auch mit Blick auf die lateinischen Gesetzestexte («un jugement de première instance» bzw. «una sentenza di prima istanza»). 3.2 Wenn aber der Wortlaut klar ist, hätte das Abweichen von eben diesem Wortlaut im Detail begründet werden müssen (zuletzt BGE 134 V 208, E. 2.2, S. 211). Das Bundesge- AJP 03_2009.indb 377 richt begnügt sich indessen mit dem Hinweis, dass es jeder Logik widersprechen würde, wenn ein Freigesprochener zeitlich unbegrenzt weiter verfolgt werden könnte, weil die beurteilte Straftat nicht mehr verjähre. Diese «Logik» vermag uns nicht einzuleuchten: Wird ein Freispruch (von der Staatsanwaltschaft oder der Privatklägerschaft) mit einem ordentlichen Rechtsmittel angefochten, so wäre es stossend, wenn ein erstinstanzliches Fehlurteil im Rechtsmittelverfahren nicht mehr korrigiert werden könnte. – Genau das ist der Sinn der neuen Regelung (vgl. dazu auch BGE 133 IV 112, E. 9.4.3, S. 116: «Art. 70 Abs. 3 StGB will nach seinem Sinn und Zweck verhindern, dass die Verjährung – je nach der konkreten Ausgestaltung des anwendbaren Prozessrechts – noch während des Rechtsmittelverfahrens eintreten kann»). Im Übrigen bestehen für das Einreichen ordentlicher Rechtsmittel (kurze) Fristen, und erwächst ein Freispruch schliesslich in Rechtskraft, widerspricht eine neuerliche Strafverfolgung regelmässig dem Grundsatz «ne bis in idem». Ein unbilliges Hinauszögern des Verjährungseintritts ist also nicht zu befürchten. Betrachtet man auch einen Freispruch als «erstinstanzliches Urteil», so scheint indessen eine Revision zu Ungunsten eines Freigesprochenen prima vista unbegrenzt zulässig zu sein. Das mag erklären, weshalb sich das Bundesgericht veranlasst sah, hier jedwelchen Spekulationen über eine «kalte» Ausdehnung der strafrechtlichen Unverjährbarkeit rechtzeitig den Riegel zu schieben. Allerdings greift die bundesgerichtliche «Lösung» in dieser Hinsicht zu kurz: Wird ein Angeschuldigter beispielsweise wegen fahrlässiger Tötung (Art. 117 StGB) schuldig gesprochen, so ist diese Verurteilung – auch nach Auffassung des Bundesgerichts – fraglos ein erstinstanzliches Urteil im Sinne von Art. 97 Abs. 3 StGB. Was ist nun, wenn sich aufgrund neuer Tatsachen herausstellt, dass ein Schuldspruch wegen Mordes (Art. 112 StGB) hätte ausgesprochen werden müssen? Offenbar ist das Problem hier kein anderes: Eine Wiederaufnahme zu Ungunsten des Beschuldigten kann auch in dieser Konstellation nicht zeitlich unbeschränkt zulässig sein. Der einzig gangbare Ausweg aus der Misere scheint darin zu bestehen, bei der Frage nach der zeitlichen Zulässigkeit der Revision zu Ungunsten eines Beurteilten die Art. 97 Abs. 3 und 333 Abs. 6 lit. d StGB gänzlich aus dem Spiel zu lassen. Das widerspricht zwar – wie die «Lösung» des Bundesgerichts – dem Wortlaut des Gesetzes, schliesst aber unerwünschte Unverjährbarkeiten wirksam aus. 3.3 Laut Bundesgericht ist ein Freispruch kein erstinstanzliches Urteil. Andererseits hat dasselbe Bundesgericht festgehalten, eine Strafverfügung im Sinne von Art. 70 VStrR sei sehr wohl als Urteil im Sinne der genannten Bestimmung zu qualifizieren: «Gegen einen Strafbescheid der Verwaltung (Art. 64 VStrR) kann sie [die angeschuldigte Person] – wie vorliegend geschehen – Einsprache erheben (Art. 67 VStrR). Die Verwaltung hat alsdann den angefochtenen Bescheid neu zu 10.3.2009 9:12:35 Uhr Entscheidungen/Jurisprudence AJP/PJA 3/2009 378 überprüfen (Art. 69 Abs. 1 VStrR) und eine Strafverfügung zu treffen (Art. 70 Abs. 1 VStrR), welche zu begründen ist (Art. 70 Abs. 2 VStrR). Jeder Strafverfügung (Art. 70 VStrR) hat damit zwingend ein Strafbescheid (Art. 64 VStrR) voranzugehen, welcher wie ein Strafmandat (Strafbefehl) auf summarischer Grundlage getroffen werden kann. Die Strafverfügung dagegen muss – einem erstinstanzlichen Urteil ähnlich – auf einer umfassenden Grundlage beruhen und wird in einem kontradiktorischen Verfahren erlassen (vgl. hierzu MARKUS PETER, Das neue Bundesgesetz über das Verwaltungsstrafrecht, ZStrR 90/1974 S. 337 ff., 353; JEAN GAUTHIER, La loi fédérale sur le droit pénal administratif, in: Quatorzième Journée juridique, Genf 1975, S. 23 ff., 61). Während der Erlass eines Strafbescheids (Art. 64 VStrR) somit Parallelen zu einem Strafmandat (Strafbefehl) aufweist, ist die Strafverfügung (Art. 70 VStrR) nach dem Gesagten im Ergebnis einem gerichtlichen Entscheid gleichzustellen und demnach unter den Begriff des erstinstanzlichen Urteils im Sinne von Art. 70 Abs. 3 StGB zu subsumieren» (133 IV 112, E. 9.4.4, S. 116 f.). Nun kann die beschuldigte Person aber auch gegen eine Strafverfügung Einsprache erheben; der Fall ist alsdann an die zuständige richterliche Behörde zu überweisen (Art. 72 und 73 VStrR). Das bedeutet aber: • Wird ein Fall nach VStrR direkt (Art. 73 VStrR) oder nach Erlass eines Strafbescheids, aber ohne Erlass einer Strafverfügung (Art. 71 VStrR) der zuständigen kantonalen Staatsanwaltschaft zuhanden des Gerichts überwiesen, läuft die Verjährung weiter, wenn das Gericht den Angeschuldigten freispricht. • Erlässt die Behörde aber einen Strafbescheid und eine Strafverfügung und fällt das erstinstanzliche kantonale Gericht dann aufgrund eines Einspruchs einen Freispruch (Art. 72 und 73 VStrR), kann die Verjährung nicht mehr eintreten, weil bereits die Strafverfügung der Verwaltungsbehörde als erstinstanzliches Urteils gelten soll. Diese Inkonsequenz widerspricht vielleicht nicht jeder, aber doch unserer bescheidenen Logik: Es kann ja wohl nicht sein, dass der Lauf der Verjährungsfrist ein anderer ist, je nachdem, ob ein Fall direkt oder erst über eine Einsprache gegen eine Strafverfügung zum Gericht gelangt. Richtig ist deshalb in beiden Fragen der gegenteilige Standpunkt: • Strafverfügungen werden nicht von einem Gericht, sondern von einer Verwaltungsbehörde erlassen. Anzufechten sind Strafverfügungen nicht mit einem Rechtsmittel, sondern mit einer blossen Einsprache. Entscheide der Verwaltungsbehörden (mithin auch Strafverfügungen) sind deshalb keine Urteile erster Instanz (vgl. Emanuel Jaggi, Ist der Strafbefehl ein erstinstanzliches Urteil im Sinne von Art. 70 Abs. 3 StGB?, in: ZStrR 2006, 437–454; ferner Riklin, § 21 N 14; Riedo/Kunz, AJP/PJA 2004, 906; Denys, SJ 2003 II, 56; Botschaft BBl 1999 2133). AJP 03_2009.indb 378 • Umgekehrt bedeuten aber sämtliche materiellen Beurteilungen durch ein Gericht ein Urteil im Sinne von Art. 97 Abs. 3 StGB. – Das gilt für den Freispruch nicht weniger als für die Verurteilung (Riklin, § 21 N 14; Riedo/Kunz, AJP/PJA 2004, 906; Denys, SJ 2003 II, 54). 3.4 Fällt ein erstinstanzliches Gericht einen Freispruch, soll dieser kein erstinstanzliches Urteil darstellen. Wird der Freigesprochene in oberer kantonaler Instanz indes schuldig gesprochen, so müsste dieser Schuldspruch nach Auffassung des Bundesgerichts als erstinstanzliches Urteil qualifiziert werden – obwohl es sich offensichtlich um ein Urteil zweiter Instanz handelt. Die Auffassung des Bundesgerichts führt also auch zu terminologischen Unstimmigkeiten. 3.5 Schliesslich scheint es durchaus möglich, dass die Praxis aufgrund der neuen Rechtsprechung andere unbillige «Lösungen» entwickelt. Es besteht von nun an die Gefahr, dass ein erstinstanzliches Gericht – wenn der Eintritt der Verjährung vor der Tür steht – präventiv in dubio contra reo einen Schuldspruch verhängt, um nicht Gefahr zu laufen, einen materiell falschen Freispruch auf ewig in Stein zu meisseln. Die Auswirkungen dieser je nach rechtspolitischem Standpunkt mehr oder minder begrüssenswerten, juristisch aber schlicht falschen neuen Rechtsprechung dürften also andernorts kompensiert werden. IV. Die Dauer der Verjährungsfrist bei Übertretungen im Sinne von Art. 11 Abs. 2 VStrR Zustimmung verdienen demgegenüber die Ausführungen des Bundesgerichts in E. 2.1 in fine des besprochenen Urteils mit Bezug auf die Dauer der Verjährungsfrist gemäss Art. 11 Abs. 2 VStrR. Tatsächlich kann für Übertretungen nicht eine längere Verjährungsfrist gelten als für nach dem gleichen Gesetz zu ahndende Vergehen. Die Verjährungsfristen für Übertretungen sind daher auf die für Vergehen geltende Dauer zu verringern. Neurechtlich verjähren Übertretungen im Sinne von Art. 11 Abs. 2 VStrR also nicht erst nach zehn, sondern bereits nach sieben Jahren. Hieraus indessen ohne weiteres den Schluss zu ziehen, damit sei in casu das neue Verjährungsrecht das mildere, erweist sich bei näherem Hinsehen als voreilig… (vgl. dazu gleich nachfolgend). V. Die Berücksichtigung eines Ruhens nach Art. 11 Abs. 3 VStrR 1. Nach Art. 11 Abs. 3 VStrR ruht die Verjährung (nach neuem wie nach altem Recht) «bei Vergehen und Übertretungen während der Dauer eines Einsprache-, Beschwerde- oder gerichtlichen Verfahrens über die Leistungs- oder Rückleistungspflicht oder über eine andere nach dem einzelnen Verwaltungsgesetz zu beurteilende Vorfrage». 2. Das Bundesgericht hat in E. 3.2 f. überzeugend dargelegt, dass die Beschwerde eines Beteiligten die strafrechtliche Verjährung gegen sämtliche Beschwerdebefugten ruhen 10.3.2009 9:12:35 Uhr Entscheidungen/Jurisprudence AJP/PJA 3/2009 379 lässt. Das ergibt sich insbesondere aus der Bindung des Strafrichters an den konnexen verwaltungsrechtlichen Entscheid (Art. 77 Abs. 4 VStrR) und der damit verbundenen Notwendigkeit, mit der Überweisung an das Strafgericht zuzuwarten, solange ein Verfahren über die Leistungspflicht hängig ist, das sich auf die Strafverfahren gegen alle Mitbeteiligten auswirken kann. 3. Bei der Anwendung der genannten Grundsätze hat sich das Bundesgericht indessen einige Ungenauigkeiten geleistet: 3.1 Zunächst sind die Angaben im Entscheid widersprüchlich: Während gemäss Sachverhaltsdarstellung (B.) in Sachen D. bereits am 29.9.2005 letztinstanzlich entschieden wurde, wurde das Verfahren laut E. 2.2 erst am 17.11.2005 endgültig erledigt. Es mag im konkreten Fall eine erhebliche Rolle spielen, ob dieses oder jenes Datum das richtige ist. 3.2 Im Übrigen blieb völlig unbeachtet, dass die Verjährung selbstredend nur dann ruhen kann, wenn sie überhaupt noch läuft. Nun tritt die altrechtliche relative Verjährung gemäss Art. 11 Abs. 2 VStrR aber bereits nach fünf Jahren ein. Vorliegend ruhte die Verjährung erst mit der Verfügung vom 31.1.2002. Die mehr als fünf Jahre vor diesem Datum, also vor dem 31.1.1997, begangenen Delikte sind altrechtlich mithin bereits verjährt. Immerhin hat sich dies im konkreten Fall indes nicht ausgewirkt: Nach neuem Recht verjähren alle Straftaten nach sieben Jahren seit ihrer Begehung. Während der Dauer des verwaltungsrechtlichen Verfahrens über die Leistungspflicht, also vom 31.1.2002 bis am 29.9.2005 oder bis am 17.11.2005 (vgl. vorstehend, 3.1), ruhten diese Fristen. Im Ergebnis sind damit alle Taten verjährt, bei denen zwischen Deliktsbegehung und erstmaliger gerichtlicher Beurteilung mehr als zehneinhalb Jahre vergangen sind (Dauer der Verjährung: sieben Jahre zuzüglich einer Phase des Ruhens: von mehr als dreieinhalb Jahren – abhängig vom vorliegend unklaren Termin der Erledigung des Verfahrens über die Leistungspflicht). Bereits im Zeitpunkt des bundesgerichtlichen Urteils (16.10.2008) war damit die neurechtliche Verjährungsfrist sicher für sämtliche Delikte abgelaufen, die vor Mitte April 1998 begangen wurden. Das neue Recht ist demnach im Ergebnis tatsächlich das für den Täter mildere. Anders wäre es beispielsweise gewesen, wenn die erste Verfügung im Verfahren über die Leistungspflicht nicht bereits am 31.1.2002, sondern erst zwei Jahre später ergangen wäre: Dann wären altrechtlich bereits sämtliche Delikte verjährt, die vor dem 31.1.1999 begangen wurden. Damit wäre – der längeren absoluten Verjährungsfrist zum Trotz – das alte Verjährungsrecht das für den Täter mildere (allfällige Unterbrechungshandlungen der Behörden vorbehalten; vgl. im Übrigen auch die Bemerkungen unter VI., 3). VI. Rückweisung an das Kantonsgericht 1. Im Ergebnis wurde die Beschwerde der Eidgenössischen Zollverwaltung gutgeheissen, der angefochtene Entscheid AJP 03_2009.indb 379 aufgehoben und die Sache dem Kantonsgericht Basel-Landschaft zu neuem Entscheid zurückgewiesen. Ergänzend hielt das Bundesgericht fest: «Angesichts der weiter laufenden Verjährung wird dieses die Angelegenheit ohne Rückweisung an die erste Instanz beförderlich selber zu entscheiden haben.» 2. Die Rückweisung an das Kantonsgericht zur beförderlichen Behandlung mag mit Blick auf das Gebot der Verfahrensbeschleunigung nahe liegen, bedeutet aber eine massive Beschneidung der Verteidigungsrechte: Dem Angeschuldigten geht damit faktisch eine Instanz verloren. Dem mag man entgegnen, ein Verfahren vor einer einzigen unabhängigen und unparteiischen Instanz genüge den Anforderungen von Art. 6 Ziff. 1 EMRK und Art. 30 Abs. 1 BV. Das trifft zwar zu, doch hat der Beschuldigte nach dem einschlägigen basellandschaftliche Recht eben einen Anspruch auf eine zweite Instanz (§ 177 StPO-BL). Dem Beschuldigten kann nicht zum Vorwurf gemacht werden, er habe den «Umweg» über das Bundesgericht selbst verschuldet: Die beiden kantonalen Gerichte haben ihren jeweiligen Entscheidungen falsche Rechtsauffassungen zugrunde gelegt. Dies nun den Beschuldigten (im wörtlichen Sinne) büssen zu lassen, scheint mindestens nicht unproblematisch. 3. Umgekehrt wäre aber eine Rückweisung an die erste Instanz mit Schwierigkeiten anderer Art verbunden gewesen. Nach neuem Verjährungsrecht kann die Verjährung nicht mehr eintreten, sobald ein Urteil erster Instanz ergangen ist (Art. 97 Abs. 3 StGB, vorne, III.). Nach altem Recht hingegen muss vor Ablauf der Verjährungsfrist das letzte Sachurteil ergehen, das mit voller Kognition gefällt wird (Riedo/ Kunz, AJP/PJA 2004, 904). Bei dieser Ausgangslage ist das Bundesgericht unter Umständen gar nicht in der Lage, darüber zu entscheiden, welche der beiden Ordnungen die für den Täter mildere ist. Das hängt nämlich entscheidend davon ab, wie lange das Verfahren zwischen dem erst- und dem zweitinstanzlichen Urteil dauern wird – und das lässt sich kaum zuverlässig prognostizieren. Da verwundert es wenig, dass das Bundesgericht dazu neigt, aus pragmatischen Gründen Verfahrensrechte zu schmälern. VII. Fazit 1. Obwohl das neue Verjährungsrecht nun doch bereits seit mehr als sechs Jahren in Kraft ist, bestehen nach wie vor zahlreiche Rechtsunsicherheiten. 2. In zwei wesentlichen Punkten hat das Bundesgericht nun für die nötige Klarheit gesorgt: 2.1 Die mit zehn Jahren übermässig lange Verfolgungsverjährung für Abgabeübertretungen (Art. 11 Abs. 2 VStrR i.V.m. Art. 333 Abs. 6 lit. b StGB) wurde auf die für Vergehen geltende Verjährungsfrist von sieben Jahren verkürzt. 2.2 Ruht die Verjährung aufgrund von Art. 11 Abs. 3 VStrR während der Dauer eines Einsprache-, Beschwer- 10.3.2009 9:12:36 Uhr Entscheidungen/Jurisprudence AJP/PJA 3/2009 380 de- oder gerichtlichen Verfahrens über die Leistungs- oder Rückleistungspflicht oder über eine andere nach dem einzelnen Verwaltungsgesetz zu beurteilende Vorfrage für einen der Beteiligten, so muss dies für alle Tatbeteiligten gelten. 3. Wenig überzeugend ist der besprochene Entscheid hingegen in anderen Punkten: 3.1 Strafverfügungen im Sinne des VStrR sind (entgegen einem früheren Bundesgerichtsentscheid) keine Urteile im Sinne von Art. 97 Abs. 3 StGB. Weshalb indessen ein gerichtlicher Freispruch kein Urteil sein sollte, vermag nicht einzuleuchten. 3.2 Eine Rückweisung an das Kantonsgericht mit dem verbindlichen Auftrag, den Fall nun selbst zu entscheiden, beschneidet die Rechte des Beschuldigten: Er verliert eine Instanz. Der mit der Neuordnung des Verjährungsrechts eingetretene jetlag dauert also an … AJP 03_2009.indb 380 10.3.2009 9:12:36 Uhr Literaturübersicht/Bibliographie AJP/PJA 3/2009 Literaturübersicht Bibliographie 381 Rebekka Keller, B. A. HSG, St. Gallen 1. Verfassungs- und Verwaltungsrecht / Droit constitutionnel et administratif 1.2. Staatsorganisation und Behörden / Organisation de l’Etat et autorités Paulus Christoph G.: Rechtliche Handhaben zur Bewältigung der Überschuldung von Staaten. RIW 1-2/2009, 11–17. (D) 1.3. Bund und Kantone / Confédération et cantons Bieri René: Auswirkungen der bundesrechtlichen (formellen) Steuerharmonisierung auf die Staatlichkeit der Kantone – Ein Problemaufriss. 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Ancel Marie-Elodie: Les contrats de distribution et la nouvelle donne du règlement Rome I. Revue Critique 3/2008, 561–580. Einsele Dorothee: Auswirkungen der Rom I-Verordnung auf Finanzdienstleistungen. WM 7/2009, 289–299. (D) Flessner Axel: Die internationale Forderungsabtretung nach der Rom I-Verordnung. IPRax 1/2009, 35–43. (D) Graziano Kadner Thomas: The Law Applicable to NonContractual Obligations (Rome II Regulation). RabelsZ 2009/1, 1–77. (D) Kadner Graziano Thomas: Le nouveau droit international privé communautaire en matière de responsabilité extracontractuelle (règlement Rome II). Revue Critique 3/2008, 445–512. Mankowski Peter: Die Rom I-Verordnung. Das neue europäische IPR für Schuldverträge und seine Bedeutung insbesondere aus Schweizer Sicht. EuZ 1/2009, 2–17. Mankowski Peter: Ist eine vertragliche Absicherung von Gerichtsstandsvereinbarungen möglich? IPRax 1/2009, 23–34. 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Mankowski Peter / Bock Stefanie: Fremdrechtsanwendung im Strafrecht durch Zivilrechtsakzessorietät bei Sachverhalten mit Auslandbezug für Blanketttatbestände und Tatbestände mit normativem Tatbestandsmerkmal. ZStW 2008/4, 704–758. (D) Tschäpe Philipp / Kramer Robert / Glück Oliver: Die Rom II-Verordnung – Endlich ein einheitliches Kollisionsrecht für die gesetzliche Prospekthaftung? RIW 10/2008, 657–667. (D) 4.2. Internationales Verfahrens-, Vollstreckungsund Konkursrecht / Droit international de procédure civile, exécution forcée internationale et droit international de la faillite Dietze Jan / Schnichels Dominik: Die aktuelle Rechtsprechung des EuGH zum EuGVÜ und zur EuGVVO – Übersicht über das Jahr 2007. EuZW 2/2009, 33–37. (D) Jaques Charles: La reconnaissance en Suisse du concordat homologué en faveur du groupe Parmalat. Jusletter, 2. Februar 2009. Schneider Marcel: Funktionen des staatlichen Richters am Sitz des internationalen Schiedsgerichts gemäss 12. Kapitel des IPRG. Diss. 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Anwaltsrevue/Revue de l’avocat 1/2009, 27–29. von Weissenfluh Marc: Finden der einschlägigen BGEEntscheide auf Internet – Suchstrategien. Anwaltsrevue/Revue de l’avocat 1/2009, 23–27. 6.2. Anwaltsrecht / Droit sur la profession d’avocat Behrens Alexander: Internal Investigations: Hintergründe und Perspektiven anwaltlicher «Ermittlungen» in deutschen Unternehmen. RIW 1-2/2009, 22–32. (D) Bohnet François: Kenntnisse des Anwalts bezüglich Rechtsprechung – es zählt einzig die Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung. SJZ/RSJ 2009/1, 12–14. Kägi-Diener Regula: Die Beziehung zur Klientschaft: Sind Anwältinnen anders als Anwälte? Anwaltsrevue/Revue de l’avocat 1/2009, 17–23. AJP 03_2009.indb 385 6.4. Zivilprozessrecht / Procédure civile Fischer Daniel: Sammelklagen: Auch in der Schweiz sinnvoll? pläd 6/2008, 48–55. Guy-Ecabert Christine: La médiation dans les lois fédérales de procédure civile, pénale et administrative: petite histoire d’un pari sur l’indépendance. AJP/PJA 1/2009, 47–56. 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Verwaltungsverfahrensrecht, Staats- und Verwaltungsrechtspflege / Procédure administrative, juridiction constitutionnelle et administrative Guy-Ecabert Christine: La médiation dans les lois fédérales de procédure civile, pénale et administrative: petite histoire d’un pari sur l’indépendance. AJP/PJA 1/2009, 47–56. 7. Strafrecht / Droit pénal 7.1. Strafrecht – Allgemein – Theoretische Grundlagen / Droit pénal – en général – éléments nécessaires théoretiques 7.1.1. Strafrechtstheorie / Théorie du droit pénal Aebersold Peter: Straftäter-Studie: Naiv und wissenschaftlich ungenügend. pläd 5/2008, 30–31. Hilgendorf Eric: Strafrecht und Interkulturalität: Plädoyer für eine kulturelle Sensibilisierung der deutschen Strafrechtsdogmatik. JZ 3/2009, 139–144. (D) 7.2. Strafrecht – Allgemeiner Teil – allgemein / Droit pénal – Partie générale – en général Ehrenzeller Bernhard / Guy-Ecabert Christine / Kuhn André (Hrsg.): Das revidierte Opferhilfegesetz. Dike Verlag, Zürich 2009, 242 Seiten, CHF 58.–. Mankowski Peter / Bock Stefanie: Fremdrechtsanwendung im Strafrecht durch Zivilrechtsakzessorietät bei Sachverhalten mit Auslandbezug für Blanketttatbestände und Tatbestände mit normativem Tatbestandsmerkmal. ZStW 2008/4, 704–758. (D) Sancinetti Marcelo A.: Hypothetische Kausalverläufe und die Differenztheorie. ZStW 2008/4, 661–703. (D) 10.3.2009 9:12:37 Uhr Literaturübersicht/Bibliographie AJP/PJA 3/2009 386 7.2.6. Strafen / Peines Heine Günter: Das neue Strafensystem im Spiegel der Rechtsprechung: blechen oder schwitzen statt sitzen – gegebenenfalls gemischt! recht 1/2009, 12–26. Zünd Andreas: Ein Wegweiser zu den neuen Sanktionen. pläd 6/2008, 36–47. 7.3. Strafrecht – Besonderer Teil – allgemein / Droit pénal – Partie spéciale – en général 7.3.3. Straftaten gegen Ehre, Geheim- und Privatbereich / Infractions contre l’honneur et contre le domain secret ou le domaine privé Kett-Straub Gabriele: Hat Porsche eine Ehre? – Die passive Beleidigungsfähigkeit von Personengemeinschaften. ZStW 2008/4, 759–784. (D) 7.3.18. Korruptionsstrafrecht / Droit pénal de corruption Peek Markus: Strafrecht als Mittel der Bekämpfung politischer Korruption: Zur Reform des Tatbestandes der Abgeordnetenbestechung (§180e StGB). ZStW 2008/4, 785–825. (D) 7.4. Nebenstrafrecht des Bundes – allgemein / Peines accessoires de la confédération 7.4.4. Steuerstrafrecht / Droit pénal fiscal Dubs Jürg: Verdeckte Gewinnausschüttungen, solidarische Mithaftung – Zündstoff im Steuerstrafrecht. AJP/PJA 1/2009, 70–82. 7.6. 7.6.1. Strafprozessrecht und Gerichtsorganisation / Procédure pénale et organisation judiciaire Allgemeines Strafprozessrecht / Procédure pénale générale Guy-Ecabert Christine: La médiation dans les lois fédérales de procédure civile, pénale et administrative: petite histoire d’un pari sur l’indépendance. AJP/PJA 1/2009, 47–56. Knauer Florian: Pilotverfahren im Strafprozess. ZStW 2008/4, 826–854. (D) Singelnstein Tobias: Strafprozessuale Verwendungsregelungen zwischen Zweckbindungsgrundsatz und Verwertungsverboten. ZStW 2008/4, 855–893. (D) 7.8. Strafrecht international / Droit pénal international 7.8.3. Völkerstrafrecht, internationaler Gerichtshof / Droit pénal international public, cour international de justice S. 8.13. / V. 8.13. Gänswein Olivier: Der Einsatz privater Militär- und Sicherheitsunternehmen in Krisengebieten aus völkerrechtlicher Sicht. Jusletter, 2. Februar 2009. Hilpold Peter: WTO-Recht und EU-Recht – neuste Entwicklungen in einem komplexen Rechtsverhältnis. RIW 12/2008, 817–823. (D) Kotzur Markus: Kooperativer Grundrechtsschutz in der Völkergemeinschaft / Zur Rechtsmittelentscheidung des EuGH (Grosse Kammer) in den verb. Rsn. Kadi u.a., EuGRZ 2008/22-23, 673–679. (D) Niestedt Marian / Boeckmann Hanna: Verteidigungsrechte bei internen Untersuchungen des OLAF – das Urteil Franchet und Byk des Gerichts erster Instanz und die Reform der Verordnung (EG) Nr. 1073/1999. EuZW 3/2009, 70–74. (D) Stadler Astrid: Grenzüberschreitender kollektiver Rechtsschutz in Europa. JZ 3/2009, 121–133. (D) Urlesberger Franz W.: Europarecht: Das Neueste auf einen Blick. wbl 11/2008, 527–531. (A) 8.3. Völkerrechtsgeschichte / Histoire du droit international public Fletcher Laurel E. / Weinstein Harvey M. / Jamie Rowen: Context, Timing and the Dynamics of Transitional Justice: A Historical Perspective. HRQ 1/2009, 163–220. (USA) 8.4. Verhältnis von Völkerrecht, Europarecht und Landesrecht / Rapports entre le droit international, le droit européen et le droit interne Calliess Christian: Europäische Gesetzgebung und nationale Grundrechte – Divergenzen in der aktuellen Rechtsprechung von EuGH und BVerfG? JZ 3/2009, 113–121. (D) 8.11. Europäisches Wirtschaftsrecht / Droit économique européen 8.11.1. Wirtschaftsrecht allgemein / Droit économique en général Cottier Thomas / Diebold Nicolas: Warenverkehr und Freizügigkeit in der Rechtsprechung des Bundesgerichts zu den Bilateralen Abkommen. Jusletter, 2. Februar 2009. Epiney Astrid: Ausländerklauseln im Amateursport. Jusletter, 9. Februar 2009. Hilpold Peter: Unterhaltsstipendien für Unionsbürger – Die Rechtssache «Förster» und die Grenzen mitgliedstaatlicher Solidarität. EuZW 2/2009, 40–43. (D) Lemor Florian / Haake Kai: Ausgesuchte Rechtsfragen der Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie. EuZW 3/2009, 65–70. (D) 8.11.2. Gesellschaftsrecht / Droit des sociétés 8. Völkerrecht und Europarecht / Droit international public et droit européen 8.1. Völkerrecht und Europarecht – allgemein / Droit international public et de droit européen – en général Addis Adeno: Imagining the International Community: The Constitutive Dimension of Universal Jurisdiction. HRQ 1/2009, 129–162. (USA) AJP 03_2009.indb 386 Hadding Walther / Kiessling Erik: Die Europäische Privatgesellschaft (Societas Privata Europaea – SPE). WM 4/2009, 145–157. (D) Mörsdorf Oliver: Beschränkung der Mobilität von EUGesellschaften im Binnenmarkt – eine Zwischenbilanz. EuZW 4/2009, 97–102. (D) Nettesheim Martin: Unternehmensübernahmen durch Staatsfonds: Europarechtliche Vorgaben und Schranken. ZHR 5-6/2008, 729–767. 10.3.2009 9:12:38 Uhr Literaturübersicht/Bibliographie AJP/PJA 3/2009 387 Zimmer Heiko: Einmal SE, immer SE? Zum Bestandsschutz einer Societas Europaea bei fehlerhafter Gründung. wbl 11/2008, 518–524. (A) 8.11.5. Wettbewerbsrecht / Droit de la concurrence Roth Wulf-Henning: Aktuelle Probleme der europäischen Fusionskontrolle. ZHR 5-6/2008, 670–715. (D) Schwarze Jürgen: Rechtsstaatliche Defizite des europäischen Kartellbussgeldverfahrens. WuW 1/2009, 6–11. (D) Stauber Peter: Neues zur Kontrolle von Zusammenschlüssen nach ihrem Vollzug. WuW 1/2009, 20–29. (D) 8.11.6. Konsumentenrecht / Droit des consommateurs Gsell Beate / Schellhase Hans Martin: Vollharmonisiertes Verbraucherkreditrecht – Ein Vorbild für die weitere europäische Angleichung des Verbrauchervertragsrechts? JZ 1/2009, 20–29. (D) Wittinger Michaela: «Europäisches Familienrecht»: Die familienrechtliche Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in jüngerer Zeit – Altbekanntes und Neues. FamPra.ch 1/2009, 84–111. 8.12.3. UN-Menschenrechtspakte / Pactes ONU Zehnder Regula: Verstösse gegen das Uno-Recht sind klagbar. pläd 6/2008, 30–32. 8.13. Internationales Strafrecht / Droit pénal international Fiss Owen: Within Reach of the State: Prosecuting Atrocities in Africa. HRQ 1/2009, 59–69. (USA) 8.13.3. Internationale Aspekte des Terrorismus. Piraterie. Luftpiraterie / Aspects internationales du terrorisme 8.11.7. Banken- und Börsenrecht / Droit bancaire et droit boursier Vagts Detlev F.: Military Commissions: Constitutional limits on their role in the war on terror. AJIL 2008/3, 573–586. Ackmann Bernd / Reder Lars: Geldwäscheprävention in Kreditinstituten nach Umsetzung der Dritten EG-Geldwäscherichtlinie – Teil I. WM 4/2009, 158–170. (D) Ackmann Bernd / Reder Lars: Geldwäscheprävention in Kreditinstituten nach Umsetzung der Dritten EG-Geldwäscherichtlinie – Teil II. WM 5/2009, 200–210. (D) 8.15. 8.11.8. Immaterialgüterrecht / Droit de la propriété immatérielle Mitterer Patrick: Strawberry Fields Forever? Zur geplanten Verlängerung der Schutzdauer für Tonträger auf 95 Jahre. wbl 11/2008, 509–517. (A) 8.11.9. Arbeitsrecht / Droit du travail Junker Abbo: Europäisches Arbeitsrecht 2007/2008. RIW 12/2008, 824–832. (D) 8.12. Menschenrechte im Völkerrecht / Droits de l’Homme en droit international public Anaya Muñoz Alejandro: Transnational and Domestic Processes in the Definition of Human Rights Policies in Mexico. HRQ 1/2009, 35–58. (USA) Claude E. / Welch Jr.: Defining Contemporary Forms of Slavery: Updating a Venerable NGO. HRQ 1/2009, 70–128. (USA) Hummer Waldemar / Karl Wolfram: Regionaler Menschenrechtsschutz – Dokumente samt Einführungen. Dike Verlag, Zürich 2009, 1223 Seiten, CHF 284.–. Kirkup Alex / Evans Tony: The Myth of Western Opposition to Economic, Social, and Cultural Rights?: A Reply to Whelan and Donnelly. HRQ 1/2009, 221–237. (USA) L’Eplattenier-Burri Sabine: «Der Klimawandel wird die Menschenrechte verändern». pläd 5/2008, 14–15. Theidon Kimberly: Reconstructing Masculinities: The Disarmament, Demobilization, and Reintegration of Former Combatants in Colombia. 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Kucera David / Roncolato Leanne: Informal employment: Two contested policy issues. ILR 4/2008, 321–348. Mesa-Lago Carmelo: Social protection in Chile: Reforms to improve equity. ILR 4/2008, 377–402. Weil David: A strategic approach to labour inspection. ILR 4/2008, 349–375. 11. Rechtsphilosophie. Rechtstheorie. Rechtssoziologie / Philosophie du droit. Théorie générale du droit. Sociologie du droit Büchler Andrea (Hrsg.): Marie Theres Fögen – Opuscula. Dike Verlag, Zürich 2009, 131 Seiten, CHF 35.–. Hofmann Hasso: «In Europa kann’s keine Salomos geben.» – Zur Geschichte des Begriffspaars Recht und Kultur. JZ 1/2009, 1–10. (D) Moor Pierre: Einige Gedanken über Recht und Gerechtigkeit. BJM 2008/6, 306–312. Wielsch Dan: Die epistemische Analyse des Rechts: Von der ökonomischen zur ökologischen Rationalität in der Rechtswissenschaft. JZ 2/2009, 67–77. (D) 10.3.2009 9:12:38 Uhr Mitteilungen/Communications AJP/PJA 3/2009 Mitteilungen Communications 388 Veranstaltungskalender / Calendrier des manifestations (ohne Gewähr) Sommerkurs Mediation in Konstanz am Bodensee Grundausbildung kompakt in 2 Kurswochen Datum: 17. – 23. August und 21. – 27. September 2009 Aufbaukurse Familien- und Wirtschaftsmediation ab Oktober 2009 Leitung: Dr. ELKE MÜLLER, Dr. HANSJÖRG SCHWARTZ, TILMAN METZGER u.a. CAS Finanz- und Rechnungswesen für Juristen Certificate of Advanced Studies (Nachdiplomkurs) Nächster Studienstart: 4. Mai 2009 Leitung: Prof. Dr. LINARD NADIG / Prof. Dr. DOMINIK C. ERNY Weitere Informationen unter www.hslu.ch/ifz-weiterbildung Infos zu diesen Kursen: KONSTANZER SCHULE FÜR MEDIATION Anerkanntes Ausbildungsinstitut durch BAFM, BM, (D), SDM-FSM, SAV (CH) Marktstätte 15, D-78462 Konstanz Tel: +49(0)7531/819430 [email protected], www.ksfm.de Iris Wigger, Dr. iur., LL.M. (Maritime Law) Global Ocean Management in Partnership 2009. 238 Seiten, broschiert, CHF 58.– (ISBN 978-3-03751-111-4) The oceans play a central role in regulating climate, being part of the food supply chain, and providing routes for navigation and transport of cargo and passengers. Shipping is the basic method for transporting goods and cargo. Virtually every product ever made, bought, or sold has been affected by shipping. The International Maritime Organization (IMO) is the UN system’s regulatory agency for the maritime sector and its global mandate is safer shipping and cleaner oceans. The common goal is to eradicate substandard shipping. The IMO initiated and developed the Voluntary IMO Member State Audit Scheme. For the first time ever, maritime administrations will be (voluntarily) subject to external audit of how effectively they implement and enforce IMO safety and pollution prevention regulations. The results of the audits should allow resources from IMO’s Technical Cooperation Programme to be better targeted at maritime administrations. States, acting in their functions as flag, port or coastal states, are given the guidelines to better fulfil their duties and responsibilities under international maritime law in general. Capacity-building and education are needed to enable states and other various stakeholders to tackle the problems threatening the oceans. Based on these facts and to provide assistance to states in order to fulfil the corrective actions required after the carrying out of the IMO Audit, the Global Ocean Management in Partnership was developed. Innovative technologies and an exchange of knowledge can provide a basis for sound policymaking towards a global ocean management. The problems of ocean spaces are closely interrelated and must be considered as a whole. Understanding the oceanic processes, the legal framework as well as the vulnerability of the marine environment is critical to our survival. Dike Verlag AG Weinbergstrasse 41, 8006 Zürich, Tel. 044 251 58 30, Fax 044 251 58 29, www.dike.ch AJP 03_2009.indb 388 10.3.2009 9:12:38 Uhr Dr. iur. Miguel Enriquez, LL. M. (Harvard), Rechtsanwalt Die gewillkürte Freistellung des Arbeitnehmers von seiner Arbeitspflicht bis zum Ablauf der Kündigungsfrist – Rechtsdogmatische Grundlagen Zugleich ein Beitrag zur Lehre vom Gestaltungsrecht 2008. XL, 270 Seiten, gebunden, CHF 89.– (ISBN 978-3-03751-131-2) In der betrieblichen Praxis kommt es immer wieder zu Freistellungen von Arbeitnehmern von ihrer Arbeitspflicht bis zum Ablauf der Kündigungsfrist. Trotz der Häufigkeit solcher Freistellungen werfen diese oft Fragen auf, die noch nicht oder kaum geklärt sind. Die vorliegende Zürcher Dissertation beantwortet viele dieser Fragen umfassend, insbesondere unter Berücksichtigung sämtlicher dazu bestehender Rechtsprechung und Literatur. Da unklare Rechtslagen gerade im gekündigten Arbeitsverhältnis nicht selten zu Prozessen führen, leistet diese Arbeit mit ihren klaren und fundierten Antworten einen Beitrag zur Verminderung von Prozessen. Zu den behandelten Fragen gehören u. a.: – Wann ist von einer Freistellung, wann von einer Beurlaubung und wann von einer Suspendierung zu reden? – Unter welchen Voraussetzungen ist eine Freistellung überhaupt gültig? – Wie kann ein Arbeitnehmer auf eine unzulässige Freistellung reagieren? – Muss ein Freigestellter die Arbeitsleistung von sich aus wieder anbieten? – Kann der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auch nach einer Freistellung gegen dessen Willen zur Arbeit aufbieten? – Lässt sich aus einer direkten Anwendung der arbeitsrechtlichen Annahmeverzugsbestimmung ableiten, dass sich ein Freigestellter den während der Freistellung anderweitig verdienten Lohn anrechnen lassen muss? – Besteht das Konkurrenzverbot des Arbeitnehmers auch nach einer Freistellung? – Inwieweit kann ein Arbeitgeber eine Freistellung mit einer Lohnkürzung verbinden? Im Rahmen von Exkursen klärt diese Arbeit darüber hinaus folgende kündigungsrechtliche Streitfragen, die an die Problematik der Freistellung bloss angrenzen, aber ebenfalls von grosser praktischer Bedeutung sind: – Kann ein Arbeitgeber eine Kündigung aussprechen, aber deren Wirkung an die Bedingung knüpfen, dass sich der Arbeitnehmer nicht vor Ablauf der Kündigungsfrist mit einer Lohnkürzung für die Zeit nach Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist einverstanden erklärt? – Berechtigt der blosse Verdacht einer strafbaren Handlung oder sonstigen Verfehlung des Arbeitnehmers unter gewissen Umständen zu einer fristlosen Entlassung? – Kann sich der Kündigende im Prozess, in dem die Rechtsfolgen der Kündigung beurteilt werden, auf Tatsachen berufen, die er vorher noch nicht geltend gemacht hat (z. B. weil er diese erst nach der Kündigungserklärung entdeckt hat)? – Inwiefern kann im Falle einer missbräuchlichen Kündigung neben einem Entschädigungsanspruch auch noch ein Schadenersatz- und/oder Genugtuungsanspruch bestehen? Dike Verlag AG Weinbergstrasse 41, 8006 Zürich, Tel. 044 251 58 30, Fax 044 251 58 29, www.dike.ch AJP 03_2009.indb 389 10.3.2009 9:12:39 Uhr Dr. iur. Marco Spadin Nahestehende Personen nach den Internationalen Rechnungslegungsstandards IFRS (IAS 24) 2008. LVI, 256 Seiten, broschiert, CHF 76.– (ISBN 978-3-03751-133-6) (Schweizer Schriften zum Handels- und Wirtschaftsrecht Band 276) Die Bedeutung der Internationalen Rechnungslegungsstandards IFRS steigt weltweit und besonders auch in der Schweiz stetig. Der angelsächsischen Konzeption der Rechnungslegung entsprechend, verlangen die IFRS eine fair presentation und damit die Offenlegung aller für die Investoren relevanten Informationen. Dazu gehört zentral die vom International Accounting Standard (IAS) 24 gebotene Offenlegung der nahestehenden Personen (related parties). Im Mittelpunkt der vorliegenden Arbeit steht die Untersuchung darüber, welche – natürlichen oder juristischen – Personen im Sinne von IAS 24 auf die rechnungslegende Gesellschaft Einfluss nehmen können oder aber dem Einfluss dieser Gesellschaft unterliegen und deshalb als ihr nahestehend zu qualifizieren sind. Besondere Beachtung wird dabei der Anwendung von IAS 24 im Rahmen der schweizerischen Rechtsordnung geschenkt. Dr. iur. Thomas S. Müller Die Passing-on Defense im schweizerischen Kartellzivilrecht Unter besonderer Berücksichtigung des amerikanischen, europäischen und deutschen Rechts 2008. XLII, 337 Seiten, broschiert, CHF 82.– (ISBN 978-3-03751-135-0) (Schweizer Schriften zum Handels- und Wirtschaftsrecht Band 277) Zivilrechtliche Schadenersatzklagen gegen Kartellrechtsverletzer haben insbesondere in der europäischen Gemeinschaft in jüngster Zeit vermehrt Beachtung gefunden. Eines der Grundprobleme solcher Schadenersatzansprüche ist die Behandlung der Passing-on Defense. Die Passing-on Defense behandelt die Frage, ob der Kartellrechtsverletzer im Zivilprozess gegen eine kartellrechtliche Schadenersatzklage eines Teilnehmers der Marktgegenseite vorbringen kann, dieser habe den geltend gemachten Schaden mittels eigener Preiserhöhung auf die untere Marktstufe abgewälzt. Infolge dieser Schadensabwälzung stehe dem klagenden Teilnehmer der Marktgegenseite kein Schadenersatzanspruch zu. Umgekehrt kann das Argument der Schadensabwälzung einem Teilnehmer einer tieferen Marktstufe als Grundlage einer Klage gegen den Kartellrechtsverletzer dienen. Die vorliegende Berner Dissertation nimmt sich der Frage der Passing-on Defense an, untersucht vor dem Zweck kartellrechtlicher Schadenersatzklagen, ob die Passing-on Defense im schweizerischen Kartellzivilrecht zugelassen werden soll und wie sie auszugestalten ist. Besondere Berücksichtigung wird dabei den entsprechenden Regelungen des amerikanischen, europäischen und deutschen Kartellrechts geschenkt. Dr. iur. Oliver Hablützel Solidarität in der aktienrechtlichen Verantwortlichkeit 2009. XLI, 301 Seiten, broschiert, CHF 73.– (ISBN 978-3-03751-148-0) (Schweizer Schriften zum Handels- und Wirtschaftsrecht Band 278) Die grundsätzlich unbeschränkte solidarische Haftung von Leitungsorganen und Revisionsstellen in der aktienrechtlichen Verantwortlichkeit wird seit Jahrzehnten in der schweizerischen Lehre und Praxis heftig und kontrovers diskutiert. Dies gilt insbesondere für die Einbindung der Wirtschaftsprüfungsgesellschaften als aktienrechtliche Revisionsstellen in die Solidaritätsordnung. Entsprechend war und ist die Revision der verantwortlichkeitsrechtlichen Solidaritätsbestimmungen immer wieder Gegenstand gesetzgeberischer Bemühungen. Um das erhebliche Haftungsrisiko, welches sich bei einer Mehrzahl von verantwortlichen Personen für jeden einzelnen aus der Solidarhaftung ergeben kann, zu reduzieren, wurde mit der letzten grossen Aktienrechtsrevision die so genannte differenzierte Solidarität eingeführt: Diese erlaubt es den verantwortlichen Organen, sich bereits im Aussenverhältnis auf persönliche Schadenersatzreduktionsfaktoren zu berufen, insbesondere das eigene (geringe) Verschulden. Im Mittelpunkt der vorliegenden St. Galler Dissertation steht die umfassende Untersuchung der geltenden differenzierten Solidarität und ihrer Bedeutung bzw. ihrer Bedeutungslosigkeit für die verantwortlichkeitsrechtliche Praxis. Aufbauend auf den Ergebnissen dieser Untersuchung werden, als Diskussionsbeitrag zur momentan laufenden grossen Aktienrechtsrevision und unter Berücksichtigung von internationalen Entwicklungen, Lösungsvorschläge für eine sachgerechte alternative Ausgestaltung der Solidaritätsordnung in der aktienrechtlichen Verantwortlichkeit präsentiert und kritisch gewürdigt. Besondere Berücksichtigung wird auch den für den Praktiker relevanten Fragen der prozessualen Durchsetzung von Verantwortlichkeitsansprüchen gegen eine Mehrzahl von Verantwortlichen und der Regelung des Rückgriffs zwischen den Verantwortlichen im Innenverhältnis geschenkt. Dike Verlag AG Weinbergstrasse 41, 8006 Zürich, Tel. 044 251 58 30, Fax 044 251 58 29, www.dike.ch AJP 03_2009.indb 390 10.3.2009 9:12:39 Uhr Impressum AJP/PJA 3/2009 AJP Aktuelle Juristische Praxis PJA Pratique Juridique Actuelle Publikationsorgan der Schweizerischen Richtervereinigung Organe officiel pour les publications de l'Association suisse des Magistrats de l'Ordre judiciaire 391 Wirtschaftsrecht / Droit économique RA Dr. iur. MARTINA ALTENPOHL (Zürich) • RA Dr. iur. ROLAND BÜHLER (Zürich) • Prof. JEAN-MARC RAPP, docteur en droit (Université de Lausanne) • Prof. Dr. iur. BERND STAUDER (Université de Genève) • RA lic. iur. HSG ERIC STUPP (Zürich) • Prof. Dr. iur. ROLF WATTER, LL.M., Rechtsanwalt (Zürich) Achtzehnter Jahrgang / Dix-huitième année Schriftleitung / Direction Prof. Dr. iur. IVO SCHWANDER Bodanstrasse 4, 9000 St. Gallen, Tel. 071 224 22 42, Fax 071 224 28 70, E-Mail: [email protected] Verfassungs- und Verwaltungsrecht / Droit constitutionnel et administratif Prof. ANDREAS AUER, docteur en droit, LL.M. (Université de Genève) • RA Prof. Dr. iur. REGULA KÄGI-DIENER (St. Gallen) • Prof. Dr. rer. publ. ANDREAS KLEY (Universität Bern) • Prof. Dr. iur. PAUL RICHLI (Universität Luzern) • Prof. Dr. iur. PIERRE TSCHANNEN (Universität Bern) • Prof. Dr. iur. ROBERT WALDBURGER (Universität St. Gallen) lic. iur. RAINER BENZ (St. Gallen) • Dr. iur. DENISE BUSER (Basel) • RA Dr. iur. JÜRG DUBS (Zürich/Winterthur) • Prof. Dr. iur. JEAN-LOUIS DUC (Université de Lausanne) • Prof. Dr. rer. publ. YVO HANGARTNER (Universität St. Gallen) • Prof. MICHEL HOTTELIER, docteur en droit (Université de Genève) • RA PD Dr. iur. UELI KIESER (Zürich) • Fürsprecher lic. iur. BRUNO KNÜSEL (Steuerverwaltung des Kantons Bern) • Fürsprecher Dr. iur. CHRISTOPH LANZ, LL.M. (Parlamentsdienste Bern) • XAVIER OBERSON, docteur en droit, avocat (Genève) • Prof. Dr. iur. RAINER J. SCHWEIZER (Universität St. Gallen) • Prof. Dr. oec. et lic. iur. KLAUS VALLENDER (Universität St. Gallen) Privatrecht / Droit privé Prof. Dr. iur. THOMAS GEISER (Universität St. Gallen) • Prof. OLIGUILLOT, docteur en droit (Neuchâtel) • Prof. Dr. iur. HEINRICH HONSELL (Zürich) • Prof. Dr. iur. THOMAS KOLLER (Universität Bern) • Prof. Dr. iur. INGEBORG SCHWENZER, LL.M. (Universität Basel) • Prof. URSULA NORDMANN-ZIMMERMANN, docteur en droit, lic. oec. HSG, juge fédéral (Lausanne) • Prof. FRANZ WERRO, docteur en droit, LL.M. (Université de Fribourg) VIER RA Dr. iur. Dr. rer. soc. oec. PETER BORER (Zürich) • Prof. Dr. PETER BREITSCHMID (Universität Zürich) • Dr. iur. CHRISTIAN CALAMO (St. Gallen) • Prof. Dr. iur. JEAN NICOLAS DRUEY, LL.M. (Universität St. Gallen) • Prof. Dr. iur. WALTER FELLMANN, Rechtsanwalt und Notar (Luzern) • Dr. iur. WILLI FISCHER (Schleitheim) • PD Dr. iur. PETER HIGI (Zürich) • FABIENNE HOHL, juge fédérale (Lausanne) • Prof. Dr. iur. ALFRED KOLLER (Universität St. Gallen) • Prof. Dr. iur. ERNST A. KRAMER (Universität Basel) • RA Prof. Dr. oec. HANS RAINER KÜNZLE (Zürich) • GÉRALD MOUQUIN, docteur en droit, avocat (Lausanne) • Dr. iur. EVA PETRIG SCHULER (Einsiedeln) • Prof. PAUL-HENRI STEINAUER, docteur en droit (Université de Fribourg) • Dr. iur. RUTH REUSSER (EJPD Bern) • Dr. iur. GIACOMO RONCORONI (EJPD Bern) • Dr. iur. FELIX SCHÖBI (EJPD Bern) • Prof. Dr. iur. THOMAS SUTTER-SOMM (Universitäten Basel/Luzern) • Prof. Dr. iur. PIERRE WIDMER (Institut suisse de droit comparé Lausanne/Universität St. Gallen) • Prof. Dr. iur. RAINER WÖRLEN (Fachhochschule Schmalkalden) AJP 03_2009.indb 391 RA Prof. Dr. iur. MARC AMSTUTZ (Universität Fribourg) • Prof. GABRIEL AUBERT, docteur en droit, LL.M. (Université de Genève) • Fürsprecher PHILIPPE BAECHTOLD (WIPO Genf) • Dr. iur. ALEXANDER BRUNNER (Obergericht Zürich) • RA Dr. iur. LUCAS DAVID (Zürich) • RA Dr. iur. WILFRIED HEINZELMANN (Zürich) • PD Dr. oec. publ. Dr. iur. MARKUS RUFFNER (Zürich) • RA lic. iur. H.E.E. REGULA WALTER (Genève) • Prof. Dr. iur. ROGER ZÄCH (Universität Zürich) Internationales Privat- und Verfahrensrecht, Rechtsvergleichung, Gerichtsorganisation und Verfahrensrecht / Droit international privé et droit international de procédure civile, Droit comparé, Organisation judiciaire et procédure Prof. Dr. iur. ANDREAS FURRER (Rechtsanwalt in Zürich, Professor in Luzern) • Prof. Dr. iur. JOLANTA KREN KOSTKIEWICZ (Universität Bern) • Prof. Dr. iur. IVO SCHWANDER (Universität St. Gallen) • Prof. Dr. iur. GERHARD WALTER (Universität Bern) PAUL ANGST (a. Stadtammann Winterthur) • Fürsprecher Dr. iur. JÜRGEN BRÖNNIMANN (Bern) • YVES DONZALLAZ, Dr. iur., Dr. h.c., avocat et notaire, Sion • RA HANS ULRICH HARDMEIER (Zürich) • Prof. Dr. iur. FRANZ KELLERHALS, Fürsprecher (Universität Bern) • Prof. Dr. iur. CHRISTOPH LEUENBERGER, Fürsprecher, LL.M. (Kantonsgericht St. Gallen) • RA PD Dr. iur. FRANCO LORANDI (Zürich) • RA lic. iur. HSG FLURIN P. VON PLANTA (Lausanne/Zürich) • RA lic. iur. HSG DOMINIQUE VON PLANTA (Lausanne/Zürich) • Prof. Dr. iur. KARL SPÜHLER (Winterthur) • Prof. Dr. DANIEL STAEHELIN, Advokat und Notar (Basel) Strafrecht / Droit pénal URSULA CASSANI, professeur, docteur en droit, avocate (Genève) • Prof. Dr. iur. LUKAS GSCHWEND (Universität St. Gallen) • Prof. Dr. iur. MARCEL NIGGLI (Universität Fribourg) • Dr. iur. NIKLAUS OBERHOLZER, Kantonsrichter (St. Gallen) • Prof. Dr. iur. HANS VEST (Universität Bern) Prof. Dr. iur. MARC FORSTER (Lausanne/Universität St. Gallen) • Fürsprecher Dr. iur. PETER MÜLLER (EJPD Bern) • Prof. Dr. iur. CHRISTIAN SCHWARZENEGGER (Universität Zürich) Allgemeine Fragen des Völkerrechts und Europarechts / Questions générales de droit international public et de droit européen Prof. Dr. iur. THOMAS COTTIER, LL.M. (Universität Bern/Université de Neuchâtel) • FRANK EMMERT, LL.M. (Europa-Institut Basel) • Prof. Dr. iur. ASTRID EPINEY (Universität Fribourg) Prof. Dr. iur. CHRISTINE BREINING-KAUFMANN (Universität Zürich) • EDGAR DÖRIG, dipl. en droit européen (DFJP Berne) • DANIEL FELDER, avocat LL.M. (Bureau de l'intégration DFAE/DFEP, Berne) • FABRICE FILLIEZ, lic. sp. en droit européen (DFJP Berne) • Prof. Dr. rer. pol. DIETER FREIBURGHAUS (IDHEAP, Université de Lausanne) • Prof. CHRISTINE KADDOUS, LL.M., lic. sp. en droit européen (Université de Genève) • MARIECLAUDE MEYLAN, dipl. en droit européen (DFPJ Berne) • Prof. Dr. KERSTIN ODENDAHL (Universität St. Gallen) • Fürsprecherin ERIKA SCHLÄPPI (Universität Bern) • Dr. iur. FRANK SCHÜRMANN (EJPD Bern) • RA lic. iur. MANFRED WAGNER (Universität Bern) • Dr. iur. LUZIUS WASESCHA, Minister (EVD Bern) 10.3.2009 9:12:40 Uhr Antoine Roggo/Daniel Staffelbach AJP/PJA 3/2009 392 An dieser Nummer haben mitgewirkt: Ont collaboré à ce numéro: MLaw Dominika Blonski, LL.M., Assistentin Universität Bern, Institut für öffentliches Recht Schanzeneckstrasse 1, Postfach 8573, 3001 Bern Lic. iur. Margherita Bortolani-Slongo, Rechtsanwältin und Mediatorin Langner Stieger Trachsel & Partner Heuelstrasse 21, 8032 Zürich Prof. Dr. iur. Laurent Moreillon, avocat Doyen de la Faculté de droit de l’Université de Lausanne Université de Lausanne Institut de criminologie et de droit pénal Internef, 1015 Lausanne Prof. Dr. iur. Roland Müller, Rechtsanwalt Müller Eckstein Rechtsanwälte Hauptstrasse 17, 9422 Staad M.A. HSG Stefan Rieder Kesselhaldenstrasse 74, 9016 St. Gallen Lic. iur. Andrea Dorjee-Good, Rechtsanwältin Schellenberg Wittmer Löwenstrasse 19, P.O. Box 1876, 8021 Zürich Prof. Dr. iur. Christof Riedo Universität Freiburg Lehrstuhl für Strafrecht und Strafprozessrecht Beauregard 11, 1700 Freiburg Lic. iur. Marnie Engewald-Dannacher, wissenschaftliche Assistentin Universität Basel, Juristische Fakultät Peter Merian-Weg 8, 4002 Basel Lic. iur. Sonja Stark-Traber, Rechtsanwältin Schellenberg Wittmer Löwenstrasse 19, P.O. Box 1876, 8021 Zürich MLaw Michael Erismann Steinstrasse 58, 8003 Zürich Dr. iur. Daniel Trachsel, Rechtsanwalt und Mediator Langner Stieger Trachsel & Partner Heuelstrasse 21, 8032 Zürich Dr. iur. Urs Feller, Rechtsanwalt Prager Dreifuss, Attorneys at Law Mühlebachstrasse 6, 8008 Zürich Dr. iur. Daniel Füllemann, Assistent Bodanstrasse 4, 9000 St. Gallen Lic. iur. Sandrine Giroud-Roth, avocate Av. de La Harpe 17A, 1007 Lausanne Rebekka Keller, B.A. HSG, Assistentin Bodanstrasse 4, 9000 St. Gallen Prof. Dr. iur. Alfred Koller Universität St. Gallen Bodanstr. 4, 9000 St. Gallen PD Dr. iur. Nathalie Voser, LL.M. Rechtsanwältin, Lehrbeauftragte an der Universität Basel Schellenberg Wittmer Löwenstrasse 19, P.O. Box 1876, 8021 Zürich MLaw Matthias Zurbrügg, Wissenschaftlicher Assistent an der Universität Fribourg Lehrstuhl für Strafrecht und Strafprozessrecht Beauregard 11, 1700 Freiburg Vorschau AJP 4/2009 Aperçu PJA 4/2009 LT LAWTANK Juristische Dienstleistungen − Legal Services − Services juridiques − Servizi giuridici Rue de Romont 18, PO BOX 906, 1701 Fribourg (Übersetzungen) Tom Frischknecht: Zur Strafbarkeit des Gebrauchs eines fremden WLANs zwecks Internetzugang Dr. iur. Manuel Liatowitsch, Rechtsanwalt Schellenberg Wittmer Löwenstrasse 19, P.O. Box 1876, 8021 Zürich Kaveh Mir Fakhraei: L’ATF 134 III 497 et l’indemnité de clientèle du distributeur exclusif Prof. Dr. iur. Franco Lorandi, LL.M., Rechtsanwalt Lehrbeauftragter an der Universität St. Gallen Holenstein Rechtsanwälte Utoquai 29/31, 8008 Zürich und wie immer / et comme toujours – Chronik der Rechtsetzung / Législation – Rechtsprechungsübersicht / Répertoire de la jurisprudence – Entscheidungen und Entscheidbesprechungen / Jurisprudence – Literaturübersicht / Bibliographie – Buchbesprechungen / Recensions Lic. iur. Andrea Mondini, LL.M., Rechtsanwalt Schellenberg Wittmer Löwenstrasse 19, P.O. Box 1876, 8021 Zürich AJP 03_2009.indb 392 Omar Abo Youssef: Die Stellung des Opfers im Völkerstrafrecht 10.3.2009 9:12:41 Uhr