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Inhaltsverzeichnis/Sommaire
AJP/PJA 3/2009
Aufsätze / Articles
Seite / page
Nathalie Voser / Sonja Stark-Traber / Andrea Dorjee-Good:
Qualitätssicherungsvereinbarungen
251
Roland Müller / Stefan Rieder:
Retentionsrecht des Arbeitnehmers – Konsequenzen für den Arbeitgeber
267
Sandrine Giroud-Roth/ Laurent Moreillon:
Restitution spontanée de fonds bloqués à des États défaillants:
les cas Duvalier et Mobutu
275
Marnie Engewald-Dannacher:
Aufarbeitung von Staatsunrecht in rechtstaatlichen Grenzen?
288
Andrea Mondini / Manuel Liatowitsch:
Jederzeitige Kündbarkeit von Aufträgen schadet dem Dienstleistungsstandort
Schweiz
294
Daniel Trachsel / Margherita Bortolani-Slongo:
«Scheidungsvereinbarungen auf Vorrat»: Taugliches Instrument familienrechtlichen Risikomanagements?
301
Urs Feller:
Offenlegung von Management-Transaktionen im europäischen Umfeld
323
Franco Lorandi / Michael Erismann:
Nachlassvertrag im Konkurs (Art. 332 SchKG)
331
Chronik der Rechtsetzung / Législation
Daniel Füllemann, St. Gallen
346
Rechtsprechungsübersicht / Répertoire de jurisprudence
Rebekka Keller, St. Gallen
353
Entscheidungen / Jurisprudence
AJP 03_2009.indb 249
(1)
Mit Bemerkungen von Dominika Blonski:
Die unbeschränkte Aufbewahrung von Zellproben, DNA-Profilen und Fingerabdrücken von einst verdächtigten jedoch nicht verurteilten Personen ist mit
Art. 8 EMRK nicht vereinbar.
Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Grosse Kammer, 4. Dezember 2008,
363
S. und Marper gegen das Vereinigte Königreich, Nr. 30562/04 und 30566/04.
(2)
Mit Bemerkungen von Alfred Koller:
Art. 965 ZGB, Art. 24 Abs. 1bis lit. a GBV, Art. 164 Abs. 1 und 2 OR. Die Vereinbarung, wonach die Übertragung eines selbständigen und dauernden Baurechts der
Genehmigung durch die Grundeigentümerin bedarf, hat keine dinglich wirkende
Verfügungsbeschränkung zur Folge. Wird das Baurecht veräussert, hat demnach der
Grundbuchverwalter nicht zu prüfen, ob der dienstbarkeitsbelastete Grundeigentümer seine Zustimmung zur Veräusserung erteilt hat.
Bundesgericht, II. Zivilrechtliche Abteilung, Urteil 5A_614/ 2008 vom
26. November 2008 i.S. Burgergemeinde Bern gegen Justiz-, Gemeinde- und
369
Kirchendirektion des Kantons Bern, Beschwerde in Zivilsachen (BGE 134 III …).
(3)
Mit Bemerkungen von Alfred Koller:
Vorzeitige Kündigung des Mietverhältnisses (Art. 257 f. Abs. 3 OR); Untervermietung ohne Zustimmung des Vermieters (Art. 262 OR). Der Mieter, der das
Mietobjekt untervermietet, ohne die Zustimmung des Vermieters einzuholen,
riskiert eine vorzeitige Auflösung des Mietverhältnisses, wenn er auf eine schriftliche
Abmahnung des Vermieters nicht reagiert und dieser sich aus einem der in Art. 262
Abs. 2 OR genannten Gründe der Untervermietung hätte widersetzen können.
Bundesgericht, I. Zivilrechtliche Abteilung, Urteil 4A_516/ 2007 vom 6. März 2008
371
(BGE 134 III 300 = Pra 2008 Nr. 130).
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Inhaltsverzeichnis/Sommaire
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(4)
Mit Bemerkungen von Christof Riedo / Matthias Zurbrügg:
Der Jetlag dauert an oder Neue Unwägbarkeiten im Recht der strafrechtlichen
Verjährung.
Bundesgericht, Urteil der Strafrechtlichen Abteilung vom 16. Oktober 2008,
6B_686/2008 (BGE 134 IV 328).
372
Literaturübersicht / Bibliographie
Rebekka Keller, St. Gallen
381
Mitteilungen / Communications
Veranstaltungskalender / Calendrier des manifestations
Impressum
Autorenverzeichnis / Adresse des auteurs
Vorschau AJP / Aperçu PJA 4 /2009
388
391
392
392
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Qualitätssicherungsvereinbarungen
AJP/PJA 3/2009
Qualitätssicherungsvereinbarungen
Eine Einführung unter besonderer Berücksichtigung möglicher Einflüsse auf das gesetzliche Gewährleistungsrecht
NATHALIE VOSER
Inhaltsübersicht
1. Einleitung
2. Begriff und Erscheinungsformen von Qualitätssicherungsvereinbarungen
3. Funktion von Qualitätssicherungsvereinbarungen
3.1 Präventionsfunktion
3.2 Rationalisierungsfunktion
3.3 Perpetuierungsfunktion
3.4 Haftungsverteilungsfunktion
4. Typischer Inhalt von QS-Vereinbarungen
4.1 Qualitätssicherungsmassnahmen
4.2 Spezifikation
4.3 Freigabe durch Abnehmer bzw. Erstmusterprüfung
4.4 Informationsaustausch
4.5 Geheimhaltung
4.6 Verlagerung der Warenkontrolle
4.7 Haftungsregelung
5. Rechtliche Qualifikation von QS-Vereinbarungen
6. Vergütungsanspruch des Zulieferers
7. Auflösung von QS-Vereinbarungen
8. Wechselwirkungen zwischen QS-Vereinbarungen und gesetzlichem Gewährleistungsrecht
8.1 Ausgangslage
8.2 Übersicht über das werkvertragliche Gewährleistungsrecht
8.2.1 Allgemeines
8.2.2 Der Begriff des Werkmangels
8.2.3 Die Mängelrüge
8.2.4 Die einzelnen Mängelrechte
8.3 Auswirkungen von QS-Vereinbarungen auf die werkvertragliche Mängelhaftung
8.3.1 Allgemeines
8.3.2 Gewährleistungspflicht trotz Einhaltung des vereinbarten QS-Systems?
8.3.2.1 Grundsatz: Die Pflicht zur Lieferung mängelfreier Produkte gilt unabhängig vom
Vorliegen einer QS-Vereinbarung
8.3.2.2 Ausnahme: Einschränkung der Gewährleistungspflicht infolge Mitverantwortung
des Bestellers
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8.3.3 Mängelhaftung infolge Nichteinhaltung des vereinbarten QS-Systems?
8.3.3.1 Allgemeines
8.3.3.2 Verfahrensbezogene QS-Massnahmen als
vereinbarte oder vorausgesetzte Eigenschaften
8.3.3.3 Verfahrensbezogene QS-Massnahmen als
vertragliche Haupt- oder Nebenpflichten
8.4 Ersatz des Mangelfolgeschadens
9. Zusammenfassende Bemerkungen
SONJA STARK-TRABER ANDREA DORJEE-GOOD
PD Dr. iur. LL.M.
lic. iur., Rechtsanwäl- lic. iur., Rechtsanwältin Zürich
(Columbia Univertin Zürich
sity), Rechtsanwältin
Zürich, Lehrbeauftragte an der Universität Basel
251
1.
Einleitung
Sowohl in der Industrie wie auch im Dienstleistungssektor
ist in den vergangenen Jahren eine zunehmende Tendenz
festzustellen, einzelne Schritte im Rahmen der Produktion
eines Gutes an spezialisierte Drittunternehmen auszulagern
(Stichwort: Outsourcing bzw. Abnahme der eigenen Fertigungstiefe). Gründe hierfür sind in erster Linie erwartete
Kosteneinsparungen, aber auch die Möglichkeit, eigene
Überlastungssituationen besser auffangen zu können. Gleichzeitig sind die Ansprüche an die Qualität der Produkte stark
gestiegen und das Thema Qualitätsmanagement ist mehr und
mehr zu einem wesentlichen Bestandteil der Unternehmenspolitik geworden1.
Diese beiden Entwicklungen haben die Notwendigkeit
mit sich gebracht, mit der Qualitätssicherung nicht erst im
eigenen Betrieb, sondern bereits auf der Stufe des Drittunternehmens anzusetzen. Als Instrument hierzu dienen sogenannte Qualitätssicherungsvereinbarungen zwischen Drittunternehmer (Zulieferer) und Besteller (Abnehmer). Solche
Vereinbarungen ermöglichen es, die Leistung des Drittunternehmens schon früh im Fertigungsprozess zu überprüfen
und eventuell auftretende Fehler, die sich im Endprodukt
fortsetzen könnten, bereits in diesem Stadium festzustellen
und zu beseitigen2.
1
2
Einen Überblick über den Stand und die Effekte von Out- und
Insourcing im verarbeitenden Gewerbe Deutschlands bieten
Steffen Kinkel/Gunter Lay, Fertigungstiefe – Ballast oder
Kapital?; Fraunhofer-Institut für Systemtechnik und Innovationsforschung (ISI), Mitteilungen aus der Produktionsinnovationserhebung, 30/2003, abrufbar unter http://www.publica.
fraunhofer.de.
Horst Franke, Qualitätsmanagement und Bauvertrag, in: Jürgen Doerry (Hrsg.), FS für Wolfgang Heiermann zum 60. Geburtstag, Wiesbaden, Berlin 1995, 63; Maximilian Teichler,
Qualitätssicherung und Qualitätssicherungsvereinbarungen,
Wirtschaftliche und rechtliche Auswirkungen, Versicherungsaspekte, Betriebs-Berater 1991, 428.
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N a t h a l i e Vo s e r / S o n j a S t a r k - Tr a b e r / A n d r e a D o r j e e - G o o d
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Trotz der erheblichen Bedeutung, welche Qualitätssicherungsvereinbarungen in der Praxis erlangt haben, sind
sie bislang nur vereinzelt Gegenstand der schweizerischen
Rechtsliteratur gewesen3. Der vorliegende Aufsatz soll einen
Beitrag leisten, um diese Lücke zu füllen und einen Überblick über verschiedene Aspekte der Qualitätssicherungsvereinbarungen geben. Der Fokus liegt dabei auf Qualitätssicherungsvereinbarungen im Rahmen von industriellen
Lieferbeziehungen. In solchen treten Qualitätssicherungsvereinbarungen primär im Zusammenhang mit Kauf- und Werkbzw. Werklieferungsverträgen auf. Überwiegend dürften die
Vertragswerke zwischen Besteller und Zulieferer dabei als
Werklieferungsverträge zu qualifizieren sein, denn Qualitätssicherungsvereinbarungen enthalten zumeist umfassende
Anforderungen an das zu liefernde Produkt sowie Vorgaben
hinsichtlich des Herstellungs- und Prüfungsverfahrens, was
gerade für den Werklieferungsvertrag typisch ist. Trotzdem
sind Abgrenzungsschwierigkeiten zum Kaufvertrag durchaus denkbar4. Im Rahmen der nachfolgenden Untersuchung
wird indessen vom Regelfall des Werklieferungsvertrages
ausgegangen.
Im Mittelpunkt der vorliegenden Untersuchung steht der
Einfluss von Qualitätssicherungsvereinbarungen auf die Haftungssituation zwischen dem Besteller (Abnehmer) und dem
Drittunternehmen (Zulieferer), wobei insbesondere die Wechselwirkungen zwischen Qualitätssicherungsvereinbarungen
und Gewährleistungsrecht näher untersucht werden sollen.
nach qualitativ hochstehenden Produkten bestmöglich zu
gewährleisten6. Das gesamte QS-System verfolgt primär das
Ziel, die Erfüllung der Spezifikationen (vgl. dazu hinten,
Ziff. 4.2) zuverlässig und andauernd zu erfüllen7.
Ein Hersteller von Gütern oder auch ein Erbringer von
Dienstleistungen kann zur Verbesserung der Qualität seiner
Produkte und zur Reduzierung seiner Haftungsrisiken aus
eigenem Antrieb geeignete QS-Massnahmen ergreifen. Daneben kann sich ein Unternehmen gegenüber dem Besteller
aber auch vertraglich hierzu verpflichten. Dies geschieht in
Form von sog. QS-Vereinbarungen8.
QS-Vereinbarungen werden in den allermeisten Fällen
zwischen unmittelbar aufeinanderfolgenden Gliedern einer
Wertschöpfungskette geschlossen, also zwischen Unternehmen, die im Rahmen des Produkteherstellungsprozesses
aufeinanderfolgende Beiträge leisten. Typischerweise treten
QS-Vereinbarungen deshalb in Branchen auf, welche die Serienfertigung von Gütern oder deren Absatz zum Gegenstand
haben9. Vertragspartner sind in der Regel Teile- und Endhersteller, in der Fertigung aufeinanderfolgende Teilehersteller
untereinander oder auch Endhersteller und Händler10.
In vielen Fällen handelt es sich bei QS-Vereinbarungen
sodann um vorformulierte Regelwerke, die zur Verwendung
gegenüber allen bzw. noch nicht konkretisierten mehreren
Zulieferern vorgesehen sind11. Es handelt sich mithin sehr oft
6
2.
Begriff und Erscheinungsformen von
Qualitätssicherungsvereinbarungen
Unter Qualitätssicherung (im Folgenden «QS» genannt)5
werden im allgemeinen Massnahmen bzw. ein System an
Massnahmen verstanden, die von einem Unternehmen eingesetzt werden, um die Erfüllung der Kundenanforderungen
7
3
4
5
Dies im Gegensatz zur deutschen Rechtsliteratur, die sich sehr
umfassend mit der Thematik beschäftigt hat.
Namentlich bei serienmässig hergestellten Produkten, welche
unter Einhaltung eines allgemeinen Qualitätssicherungssystems (z.B. Qualitätsmanagement nach ISO 9000 ff.) produziert
werden, kann sich u.E. im Einzelfall die Anwendung der kaufrechtlichen Bestimmungen aufdrängen. Für Einzelheiten zu
den Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen Kaufvertrag und
Werklieferungsvertrag kann auf die umfangreiche Literatur
verwiesen werden; vgl. insbesondere: Walter Grob, Qualitätsmanagement, Sachverhalt und schuldrechtliche Aspekte,
Diss., Freiburg 1995, 175; Claire Huguenin, Obligationenrecht Besonderer Teil, 3. A., Zürich 2008, N 51; Heinrich
Honsell, Schweizerisches Obligationenrecht, Besonderer
Teil, 8. A., Bern 2006, 271; Roland Hürlimann/Thomas Siegenthaler, in: Marc Amstutz (et al.) (Hrsg.), Handkommentar
zum Schweizer Privatrecht, Zürich 2007, Art. 363 OR N 3.
Der Begriff «Qualitätssicherung» wird in der Literatur häufig
mit dem Begriff «Qualitätsmanagement» gleichgesetzt.
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8
9
10
11
Rainer Schumacher, Vertragsgestaltung, Systemtechnik für
die Praxis, Zürich 2004, N 2141. Durch den Erlass der ISONormenreihe 9000 ff. im Jahre 1987 seitens der International
Organization for Standardization (ISO) wurde das Qualitätsmanagement international einheitlich definiert, normiert und
zertifiziert. Die Schweiz hat die Normen 1990 unverändert
übernommen. Die ISO-Normenreihe definiert in einem umfassenden Regelungswerk den Qualitätsbegriff, gibt mögliche
Modelle für die Qualitätssicherung vor und leistet Hilfe für das
interne Qualitätsmanagement; vgl. dazu Grob (FN 4), 37 ff.;
Anton Henninger, Die Qualitätssicherung beim Bauen, BRT
1995, Bd. II, Freiburg 1995, 49 f.
Hans-Joachim Hess/Hasso Werk, Qualitätssicherung und
Produktehaftung, Zürich 1994, 242.
Grob (FN 4), 149.
QS-Vereinbarungen können durchaus auch in anderen Bereichen abgeschlossen werden, beispielsweise in der Bau- oder
Dienstleistungsbranche; siehe dazu Henninger (FN 6), 45 ff.;
Martin Moser, Die Haftung für Dienstleistungen im Lichte
eines zertifizierten Qualitätsmanagementsystems, AJP/PJA
1997, 181 ff.
Axel Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen: Zulieferverträge, Vertragstypologie, Risikoverteilung, AGB-Kontrolle,
Köln 1992, 155 f.; Grob (FN 4), 150.
Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 157;
Jürgen Ensthaler (Hrsg.), Gemeinschaftskommentar zum
Handelsgesetzbuch mit UN-Kaufrecht, 7.A., Neuwied 2007,
nach § 377 HGB N 5; Peter Sina, Qualitätssicherungsvereinbarung – Einordnung und Rechtsfolgen, Monatsschrift für
Deutsches Recht 48, 1994, 332. Zur Verwendung vorgeschlagen werden QS-Vereinbarungen denn auch regelmässig vom
Besteller; Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10),
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Qualitätssicherungsvereinbarungen
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um Allgemeine Geschäftsbedingungen. Teilweise werden
QS-Vereinbarungen jedoch auch an das jeweilige spezifische
Einzellieferverhältnis und die individuellen Interessen der
beteiligten Parteien angepasst12.
Die Unterscheidung von QS-Vereinbarungen als Individualvertrag im Gegensatz zu Allgemeinen Geschäftsbedingungen hat im Anwendungsbereich des schweizerischen
Rechts zwar nicht die gleiche Bedeutung wie beispielsweise
im deutschen Recht13. Trotzdem sind bei allgemeinen Geschäftsbedingungen die von der Praxis entwickelte Unklarheitenregel sowie die Ungewöhnlichkeitsregel zu beachten.
Nach Art. 8 UWG handelt zudem unlauter, wer Allgemeine
Geschäftsbedingungen verwendet, die in irreführender Weise
zum Nachteil einer Vertragspartei von der unmittelbar oder
sinngemäss anwendbaren gesetzlichen Ordnung erheblich
abweichen oder eine der Vertragsnatur erheblich widersprechende Verteilung von Rechten und Pflichten vorsehen14.
Neben der Frage, ob es sich bei den massgebenden QSVereinbarungen um Allgemeine Geschäftsbedingungen oder
um Individualverträge handelt, muss sodann auch stets untersucht werden, in welcher Form QS-Vereinbarungen Eingang in die konkrete Lieferbeziehung finden. In der Praxis
geschieht dies im Wesentlichen auf zwei Arten: Einerseits
können QS-Vereinbarungen in Einkaufs-, Liefer-, Prüf- oder
Abnahmebedingungen eingebettet sein, die Bestandteil des
12
13
14
158 f.; Detlef Schmidt, Qualitätssicherungsvereinbarungen
und ihr rechtlicher Rahmen, NJW 1991, 145.
Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 157; Sina
(FN 11), 332. Gemäss Hess/Werk (FN 7), 278 f., sollten QSVereinbarungen stets individuell ausgehandelt und den Gegebenheiten der jeweiligen Geschäftsbeziehung angepasst werden. Diese Forderung dürfte indessen schon deswegen nicht
realistisch sein, weil ein Besteller die Qualität und Sicherheit
seiner Produkte häufig generell wird regeln wollen und nicht
nur im Einzelfall. Dies gilt insbesondere in Fällen, in denen der
Besteller ein just-in-time-delivery System eingeführt hat; vgl.
dazu Schmidt (FN 11), 146.
Im Anwendungsbereich des deutschen Rechts sind die Bestimmungen der §§ 305 bis 310 BGB zu berücksichtigen, mit
welchen im Rahmen des Schuldrechtmodernisierungsgesetzes
die Vorschriften des früheren AGB-Gesetzes weitgehend unverändert in das BGB überführt wurden. Besondere Beachtung
verdient dabei § 307 BGB, der eine Inhaltskontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen vorsieht. Danach sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam,
wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen.
Art. 8 UWG lehnt sich zwar eng an § 307 Abs. 2 BGB an, unterscheidet sich jedoch durch das Erfordernis der Irreführung.
Eine generelle Inhaltskontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen findet im Anwendungsbereich des schweizerischen
Rechts trotz entsprechender Forderungen aus der Lehre bislang nicht statt; vgl. dazu Ingeborg Schwenzer, Schweizerisches Obligationenrecht Allgemeiner Teil, 4. A., Bern 2006,
N 44.01 ff.; Peter Gauch/Walter R. Schluep/Jörg Schmid/
Heinz Rey, Schweizerisches Obligationenrecht Allgemeiner
Teil, Band I, 9. A., Zürich/Basel/Genf 2008, N 1118 ff.
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Zuliefervertrags und/oder jedes einzelnen konkreten Liefergeschäfts sind15. Andererseits können QS-Vereinbarungen
als äusserlich verselbständigte Vertragswerke ausgestaltet
sein16. Letztere stellen häufig Rahmenvereinbarungen dar,
welche typischerweise dazu dienen, die gleichbleibenden
Modalitäten künftiger Beschaffungsverträge vorab (umfassend oder teilweise) festzulegen. Sie sind demzufolge in ihrer Wirkung in der Regel vom Bestand eines konkreten Zuliefervertrags abhängig17. Allerdings finden sich in solchen
QS-Vereinbarungen oftmals auch Rechte und Pflichten, die
unabhängig von einem konkreten Geschäft bestehen, so z.B.
die Verpflichtung zum Aufbau und zur Aufrechterhaltung
eines QS-Systems18. Dadurch wird insbesondere versucht,
die generelle Qualitätsfähigkeit des Lieferanten zu beeinflussen und die Voraussetzungen für das Zustandekommen und
die komplikationslose Abwicklung künftiger Geschäfte zu
schaffen19. Vorvertragliche Elemente, d.h. die Verpflichtung
zum Abschluss nachfolgender Einzelverträge, sind in QSVereinbarungen demgegenüber eher unüblich20.
3.
Funktion von Qualitätssicherungsvereinbarungen
QS-Vereinbarungen erfüllen im Wesentlichen die folgenden
vier Funktionen21:
3.1
Präventionsfunktion
Die primäre Funktion von QS-Vereinbarungen ist es, die
Voraussetzungen für sichere Fertigungsprozesse beim Zu15
16
17
18
19
20
21
Michael Martinek, Zulieferverträge und Qualitätssicherung,
Köln 1991, 133; Joachim Quittnat, Qualitätssicherungsvereinbarungen und Produkthaftung, Betriebs-Berater 1989,
571 f.; Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10),
158; Sina (FN 11), 332.
Martinek (FN 15), 133; Quittnat (FN 15), 571 f.; Merz,
Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 158 und 217;
Grob (FN 4), 150. Gemäss Hess/Werk (FN 7), 243, sollten
Beschaffungsvertrag sowie QS-Vereinbarung stets in zwei unabhängigen Vereinbarungen festgeschrieben werden. Dadurch
soll eine Vermengung der beiden unterschiedlichen juristischen
Materien verhindert und die Übersichtlichkeit erhöht werden.
Dies gilt beispielsweise für Haftungsregelungen oder konkrete
Prüfungspflichten; vgl. Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 218 f.; Grob (FN 4), 151 und 163 f.
Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 220 ff.;
Grob (FN 4), 151 f. und 164 f., bezeichnet solche QS-Vereinbarungen als systembezogen.
Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 220.
Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 225 ff.;
Grob (FN 4), 163.
Jürgen Ensthaler, Haftungsrechtliche Bedeutung von Qualitätssicherungsvereinbarungen, NJW 1994, 817 f.; Ensthaler,
Gemeinschaftskommentar (FN 11), nach § 377 HGB N 6;
Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 196 ff.
10.3.2009 9:11:55 Uhr
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lieferer und damit eine effiziente Prävention gegenüber jeder
Art von Qualitätsabweichung zu schaffen. Durch ein geeignetes QS-System wird die Qualität eines Produktes während
des gesamten Produktionsprozesses laufend überprüft. Auf
diese Weise sollen Abweichungen in der vorangehenden Fertigungsstufe möglichst frühzeitig und effizient vermieden
oder zumindest entdeckt werden22.
3.2
Rationalisierungsfunktion
Durch die Einführung von Qualitätssicherungsmassnahmen
auf der Stufe des Zulieferers und gleichzeitiger Reduktion
des Umfangs und der Häufigkeit der Wareneingangskontrollen beim Abnehmer sollen die Qualitätskontrollkosten gesenkt werden23.
3.3
Perpetuierungsfunktion
Mittels QS-Vereinbarungen soll die generelle Qualitätsfähigkeit des Zulieferers gefördert und damit zugleich die Grundlage für eine langfristige Geschäfts- bzw. Lieferbeziehung
geschaffen werden, die sich jederzeit kurzfristig aktivieren
lässt24.
3.4
Haftungsverteilungsfunktion
QS-Vereinbarungen bezwecken schliesslich regelmässig, die
Verantwortungsbereiche und Haftungsrisiken von Abnehmer
und Zulieferer festzulegen und abzugrenzen. Dies geschieht
beispielsweise durch einen Verzicht auf die Einrede der verspäteten Mängelrüge, durch eine Verlängerung der Gewährleistungsfristen, durch Freizeichnungsklauseln oder durch
eine Vereinbarung der Haftungsverteilung im Innenverhältnis25.
4.
Typischer Inhalt von QS-Vereinbarungen
In Bezug auf ihren Inhalt lassen sich QS-Vereinbarungen
grundsätzlich in produktbezogene, organisatorische (insbesondere verfahrensbezogene) und rechtliche Aspekte unter-
22
23
24
25
Vgl. im Einzelnen Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen
(FN 10), 196 ff.; Grob (FN 4), 161.
Vgl. im Einzelnen Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen
(FN 10), 206 ff.; Ensthaler, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 21), 818; Grob (FN 4), 161.
Vgl. im Einzelnen Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen
(FN 10), 208 f.; Ensthaler, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 21), 818; Grob (FN 4), 161 f.
Vgl. im Einzelnen Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen
(FN 10), 210 ff.; Ensthaler, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 21), 818.; Grob (FN 4), 162.
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teilen26. Die Ausgestaltung variiert dabei je nach Art der Zusammenarbeit und des zu liefernden Produkts. Im Folgenden
werden einige der in QS-Vereinbarungen typischerweise
vereinbarten Inhalte dargestellt.
4.1
Qualitätssicherungsmassnahmen
Den eigentlichen Kern von QS-Vereinbarungen bildet naturgemäss die Verpflichtung des Zulieferers, bestimmte QSMassnahmen zu treffen bzw. ein ganzes QS-System einzurichten. Dabei können die einzelnen QS-Massnahmen in der
QS-Vereinbarung selbst oder in einer separat beigefügten
Anlage enthalten sein oder sie werden durch eine Bezugnahme auf externe Regelwerke, wie z.B. die ISO Normenreihe
9000 ff. konkretisiert27.
Nebst der Vereinbarung von QS-Massnahmen, die unmittelbar den Fertigungsvorgang betreffen, bestimmte Prüfverfahren vorschreiben (z.B. Warenausgangskontrollen) oder
verwaltungsorganisatorische (insbesondere Dokumentations- und Änderungswesen) oder personalwirtschaftliche
Massnahmen (Bestellung eines betrieblichen QS-Beauftragten) vorsehen, regeln QS-Vereinbarungen häufig auch die
dem eigentlichen Fertigungsprozess vor- und nachgelagerten
Bereiche (z.B. Werkstoffbeschaffung, Art der Verpackung
und Lagerung, Modalitäten der Anlieferung)28.
Daneben können auch generelle Massnahmen vereinbart
werden. Sie dienen in erster Linie dem Aufbau einer längerfristigen Geschäftsbeziehung29.
4.2
Spezifikation
In QS-Vereinbarungen finden sich sodann häufig Spezifikationen, d.h. detaillierte technische Beschreibungen des zu
liefernden Produktes. Sie legen seine vertraglich geforderten
Eigenschaften fest und sind als vereinbarte «Soll-Beschaffenheit» insbesondere massgeblich für die Beurteilung der
Frage, ob ein Sach- oder Werkmangel vorliegt (dazu nachfolgend Ziff. 8.2.2)30.
Wird eine QS-Vereinbarung als Rahmenvertrag für
künftige Einzelverträge abgeschlossen, werden die Produktspezifikationen in der Regel in eigenständigen Spezifikationsvereinbarungen festgelegt, deren Einhaltung die QSVereinbarung vorschreibt.
26
27
28
29
30
Ensthaler, Gemeinschaftskommentar (FN 11), nach § 377
HGB N 7.
Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 198; siehe
auch FN 6.
Vgl. im Einzelnen Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen
(FN 10), 199 ff.; Grob (FN 4), 152.
Grob (FN 4), 152 f.
Grob (FN 4), 153.; Schmidt (FN 11), 144.
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Qualitätssicherungsvereinbarungen
AJP/PJA 3/2009
255
4.3
Freigabe durch Abnehmer bzw.
Erstmusterprüfung
Häufig ist in QS-Vereinbarungen eine Erstmusterprüfung
durch den Abnehmer vorgesehen.
Sog. Bemusterungsverfahren finden in der Regel vor dem
Beginn der Serienlieferungen (Serienphase) statt31. Die sog.
Erstmuster werden ausschliesslich mit den für die Serienfertigung vorgesehenen Einrichtungen und Verfahren unter den
entsprechenden Rahmenbedingungen gefertigt. Sie werden
dem Abnehmer zusammen mit den sog. Erstmusterprüfberichten zur Prüfung hinsichtlich ihrer Anforderungskonformität unterbreitet. Gelangt der Abnehmer bei seiner Prüfung
zum Ergebnis, dass die Erstmuster den Anforderungen entsprechen, erteilt er die «technische Freigabe».
Vorserienphase und Serienphase bilden zwar einen einheitlichen wirtschaftlichen Vorgang, rechtlich sind die beiden Stufen aber klar zu trennen. In der Regel handelt es sich
bereits bei der ersten Stufe (Vorserienphase) um einen eigenständigen Kauf- oder Werk(lieferungs)vertrag, in welchem
sich der Lieferant verpflichtet, ein Muster zu übergeben bzw.
herzustellen, und zwar meist gegen entsprechende Vergütung32.
Um einen eigenständigen Kauf- oder Werk(lieferungs)vertrag handelt es sich sodann auch bei der zweiten Stufe
(Serienphase)33. In der Regel wird die Wirksamkeit dieses
Liefervertrages vom positiven Ergebnis des Bemusterungsverfahrens abhängen34. Es handelt sich mithin regelmässig
um einen suspensiv bedingten Vertrag35.
Bei Vorliegen einer Erstmusterprüfung stellt sich die Frage, ob das Erstmuster ausschliesslich zur Ermittlung der
vom Lieferanten geschuldeten Sollbeschaffenheit der zu
liefernden Ware herangezogen werden kann oder ob daneben auch die ursprünglichen Spezifikationen und Begleitabreden für Mängel in der zweiten Stufe (Serienphase) weiterhin massgeblich sind. Diese Frage ist in der deutschen
Lehre strittig36. Es empfiehlt sich daher, bei Erteilung der
31
32
33
34
35
36
Ein Bemusterungsverfahren kann infolge von Produkt- oder
Verfahrensänderungen allerdings auch während eines laufenden
Liefervertrages notwendig werden; vgl. Merz (FN 10), 100.
Denkbar ist grundsätzlich auch ein Kauf auf Probe gemäss
Art. 223 ff. OR; vgl. Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen
(FN 10), 103 ff. Die Erstmusterpräsentation kann gemäss Merz
sodann auch lediglich Teil der Vertragsanbahnung hinsichtlich
eines Liefervertrages sein und damit Aquisitionszwecken dienen. Diesfalls liegt kein selbständiges Erwerbsgeschäft vor;
vgl. zum Ganzen auch Grob (FN 4), 154.
Grob (FN 4), 154.
Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 107; Grob
(FN 4), 154 f.
Grob (FN 4), 155.
Gemäss Ensthaler Gemeinschaftskommentar (FN 11), nach
§ 377 HGB N 21, berechtigt die Durchführung einer Erstmusterprüfung ohne deutliche, gegenteilige Anhaltspunkte nicht zur
Annahme, dass mit der Freigabeerteilung die Spezifikationsvor-
AJP 03_2009.indb 255
technischen Freigabe eine entsprechende Klarstellung anzubringen.
4.4
Informationsaustausch
Des Weiteren sind in QS-Vereinbarungen regelmässig auch
Bestimmungen über die Dokumentationspflichten des Zulieferers enthalten37. Der Abnehmer strebt damit in der Regel die Einrichtung eines Frühwarnsystems an, mit welchem
bereits frühzeitig kontrolliert und beurteilt werden kann, ob
die Lieferqualität den Vorgaben entspricht. So können Fehler
systematisch ausgeschaltet werden38.
Der Zulieferer wird beispielsweise verpflichtet, seinen
Lieferungen Dokumente beizulegen, welche dem Abnehmer
Auskunft über Durchführung und Ergebnis von an den gelieferten Produkten vorgenommenen Prüfungen erteilen39. Diese Pflicht ist oft verbunden mit einer Aufbewahrungs- und
Offenbarungspflicht des Zulieferers hinsichtlich Dokumenten, welche die einzelnen Schritte der Qualitätssicherung
aufzeichnen40. Sie sollen dem Abnehmer in einem etwaigen
Haftungsstreit mit einem Endabnehmer ermöglichen, den
Beweis zu erbringen, dass sämtliche Sorgfaltsanforderungen
eingehalten worden sind41.
Diese lieferungsbezogenen Informationspflichten des
Zulieferers werden häufig mit dem Recht des Abnehmers
kombiniert, die Produktionsstätten des Zulieferers zu betreten, Einsicht in dessen Unterlagen zu nehmen und Kontrol-
37
38
39
40
41
gaben bzw. Begleitabreden gegenstandslos sein sollen. Demgegenüber wertet Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen
(FN 10), 108 ff., die vorbehaltlose Freigabeerklärung als umfassende Billigung aller vom Abnehmer erkannten sowie – verschuldet oder unverschuldet – nicht erkannten Abweichungen
von den zuvor als verbindlich zugrunde gelegten Spezifikationen. Dies jedenfalls insoweit, als die vereinbarten Leistungsmerkmale überhaupt im Erstmuster verkörperungsfähig sind
(als weitergeltend erachtet werden bspw. die in den Spezifikationen festgelegten Toleranzen). Im Gegenzug anerkennt Merz
allerdings ein (sehr stark eingeschränktes) Anfechtungsrecht
des Abnehmers hinsichtlich seiner Freigabeerklärung. Im Übrigen geht Merz (FN 10), 115, von einem Kauf nach Muster
aus, wobei sich die als zugesichert geltenden Eigenschaften aus
den mitgelieferten Erstmusterprüfberichten ergeben würden.
Vgl. zum Ganzen Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen
(FN 10), 202 ff.; Grob (FN 4), 155; Ensthaler, Gemeinschaftskommentar (FN 11), nach § 377 HGB N 30 ff., N 39 ff.;
Martinek (FN 15), 139 ff.
Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 202; Ensthaler, Gemeinschaftskommentar (FN 11), nach § 377 HGB
N 39.
Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 202; zu
Umfang und Inhalt der Dokumentation vgl. Ensthaler, Gemeinschaftskommentar (FN 11), nach § 377 HGB N 45 ff.
Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 203; siehe auch Ensthaler, Gemeinschaftskommentar (FN 11), nach
§ 377 HGB N 50 ff. und N 54 ff.
Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 203; vgl.
auch Hess/Werk (FN 7), 270.
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256
len durchzuführen (sog. Audits oder Auditierungen)42. Diese
Massnahmen dienen der Überwachung und Sicherung der
generellen (d.h. nicht lediglich produktbezogenen) Qualitätsfähigkeit des Zulieferers43. Im Gegenzug ist der Abnehmer in
der Regel verpflichtet, den Zulieferer über die Ergebnisse der
Audits zu informieren44.
4.5
Geheimhaltung
Die gegenseitigen Informationspflichten und die Zutritts-,
Einblick- und Kontrollrechte des Abnehmers im Speziellen
führen in der Regel zur Vereinbarung einer gegenseitigen
Geheimhaltungspflicht45.
4.6
Verlagerung der Warenkontrolle
Wie bereits ausgeführt wurde, bezwecken QS-Massnahmen
unter anderem die Rationalisierung der Betriebsabläufe und
insbesondere die Minimierung der Qualitätskontrollkosten
beim Abnehmer (vgl. dazu vorstehend Ziff. 3)46. Letzteres
soll vor allem mit Durchführung geeigneter Zwischen- und
Endprüfungen beim Zulieferer erreicht werden, so dass die
Wareneingangskontrolle beim Abnehmer reduziert werden
kann. Auf diese Weise werden einerseits doppelte Prüfungen
vermieden. Andererseits wird aber auch sichergestellt, dass
dieselben möglichst frühzeitig im Produktionsprozess durchgeführt werden. Die Wahrscheinlichkeit, Fehler zu entdecken
ist dadurch grösser und die Möglichkeiten zur Beseitigung
der Fehler sind einfacher und billiger47.
Vor diesem Hintergrund enthalten die meisten QS-Vereinbarungen Bestimmungen, wonach der Abnehmer berechtigt
ist, seine eigene Wareneingangskontrolle hinsichtlich Prüfschärfe und -intensität48 zu reduzieren oder gar ganz darauf
zu verzichten49. Die Eingangskontrolle des Bestellers wird
auf diese Weise auf den Zulieferer verlagert.
Die Reduzierung der Wareneingangskontrolle seitens des
Bestellers birgt für diesen trotz vorgeschalteter QS-Massnahmen allerdings ein schwer kalkulierbares Fehlerrestrisiko. Namentlich wenn sich herausstellt, dass das vereinbarte
QS-System Qualitätsmängel nicht verhindern oder rechtzeitig aufdecken konnte, muss sich der Besteller die Möglichkeit offen halten, erst später aufgedeckte Mängel ungeachtet
der zeitlichen Verzögerung ohne Verlust seiner Gewährleistungsrechte rügen zu können. Ergänzend wird in QS-Vereinbarungen deshalb regelmässig vereinbart, dass der Zulieferer
auf die Einrede der verspäteten Mängelrüge verzichtet50.
Es handelt sich dabei mithin um eine Modifikation oder
gar eine Abbedingung von Art. 367 Abs. 1 OR (bzw. Art. 201
Abs. 1 OR). Aufgrund der dispositiven Natur dieser Bestimmungen sind solche Klauseln in QS-Vereinbarungen unter
Schweizer Recht grundsätzlich zulässig51. Gemäss Bundesgericht ist allerdings zu verlangen, dass solche Regelungen
ausdrücklich und klar verfasst sind52.
4.7
Nebst der Modifizierung der gesetzlichen Bestimmungen
über die Prüf- und Rügeobliegenheiten sind es vorab Haftungsfreizeichnungsklauseln, welche die Verteilung der vertraglichen Haftungsrisiken beeinflussen. Gemäss Art. 100
Abs. 1 OR kann die Haftung allerdings nur für leichte Fahrlässigkeit, nicht aber für rechtswidrige Absicht oder grobe
Fahrlässigkeit ausgeschlossen werden53. Da QS-Vereinbarungen indessen regelmässig vom Abnehmer vorformuliert
werden, der naturgemäss kein Interesse an einer Haftungsfreizeichnung zu seinen eigenen Lasten hat, sind solche Freizeichnungsklauseln zu Gunsten des Zulieferers in QS-Vereinbarungen eher selten zu finden.
50
42
43
44
45
46
47
48
49
Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 204; Grob
(FN 4), 155; Quittnat (FN 15), 573; Hess/Werk (FN 7), 272.
Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 204 f.;
Grob (FN 4), 155.
Grob (FN 4), 156; vgl. auch Hess/Werk (FN 7), 272.
Grob (FN 4), 156; Hess/Werk (FN 7), 273.
Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 206 f.
Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 207; Grob
(FN 4), 157; Schmidt (FN 11), 148.
Siehe dazu Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10),
207: Die «Prüfschärfe» bezeichnet den Anteil der untersuchten
im Verhältnis zur ungeprüft entgegen genommenen Ware; die
«Prüfintensität» bezeichnet den Umfang der durchgeführten
Untersuchung (Sichtprüfung, Funktionsprüfung, Lebensdauerprüfung etc.).
Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 207; Grob
(FN 4), 157; Quittnat (FN 15), 572; Schmidt (FN 11), 148.
Denkbar ist insbesondere eine Beschränkung der Wareneingangsprüfung auf äusserlich erkennbare Transport- und Verpackungsschäden sowie auf die Menge und Identität der gelieferten Ware.
AJP 03_2009.indb 256
Haftungsregelung
51
52
53
Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 212 f.;
Grob (FN 4), 157; Quittnat (FN 15), 572; Schmidt (FN 11),
148.
Heinrich Honsell, in: Heinrich Honsell/Nedim Peter Vogt/
Wolfgang Wiegand (Hrsg.), Basler Kommentar, Obligationenrecht I, 4. A., Basel/Genf/München 2007, Art. 201 N 13;
Gaudenz G. Zindel/Urs Pulver, in: Heinrich Honsell/Nedim Peter Vogt/Wolfgang Wiegand (Hrsg.), Basler Kommentar,
Obligationenrecht I, 4. A., Basel/Genf/München 2007, Art. 367
N 29. Unter deutschem Recht ist stark umstritten, ob solche Regelungen in QS-Vereinbarungen, die als AGB zu qualifizieren
sind, gültig sind; siehe dazu bspw. Ensthaler, Gemeinschaftskommentar (FN 11), nach § 377 N 8 ff.; Schmidt (FN 11),
148.
Siehe BGE 4C.401/1999, E. 4b.
Ebenfalls zulässig ist ein Ausschluss der Haftung für Hilfspersonen, der sich gemäss Art. 101 Abs. 2 OR grundsätzlich
auch auf Absicht und grobe Fahrlässigkeit erstrecken kann.
Ob der bei Kaufverträgen zu beachtende Art. 199 OR auch bei
Werk- und Werklieferungsverträgen anwendbar ist, ist in der
Lehre umstritten. Für eine Übersicht zum momentanen Meinungsstand; vgl. Honsell, Schweizerisches Obligationenrecht
(FN 4), 291.
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Qualitätssicherungsvereinbarungen
AJP/PJA 3/2009
257
Hinsichtlich der Haftungsrisiken im Aussenverhältnis
sind QS-Vereinbarungen insoweit relevant, als die Parteien
darin eine Regelung treffen können, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang die von einem Geschädigten belangte Partei auf den Vertragspartner Rückgriff nehmen kann54.
5.
Rechtliche Qualifikation von
QS-Vereinbarungen
Merz legt für das deutsche Recht dar, dass die Pflichten
des Zulieferers unter einer QS-Vereinbarung funktional mit
denjenigen eines Architekten vergleichbar seien. Gleich wie
der Zulieferer übernehme auch der Architekt Aufgaben der
Qualitätsplanung, Qualitätslenkung, Qualitätssicherung und
Qualitätskontrolle. Aufgrund der in hohem Masse geforderten Verlässlichkeit dieser Qualitätssicherungsmassnahmen
geht Merz von einer Erfolgsbezogenheit derselben aus und
schliesst deshalb – in Übereinstimmung zum Architektenvertrag – insoweit auf die Anwendbarkeit von Werkvertragsrecht55.
Der Vergleich der Qualitätssicherungsaufgaben des Zulieferers mit denjenigen des Architekten vermag zwar zu
überzeugen, führt aber nach schweizerischem Recht zur Anwendbarkeit von Auftragsrecht56, denn die vom Zulieferer
geschuldeten Qualitätssicherungsmassnahmen entsprechen
funktional in der Tat weitgehend den Bauleitungspflichten
des Architekten, die gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung dem Auftragsrecht zuzuordnen sind57. Der Erfolg der
eingeführten Qualitätssicherungsmassnahmen wird denn
auch vielfach nicht anhand objektiver Kriterien überprüft
werden können. Dies schliesst indessen nicht aus, dass eine
QS-Vereinbarung nach Schweizer Recht auch werkvertragliche Elemente enthält, beispielsweise die Pflicht des Zulieferers zur Abgabe einer umfassenden schriftlichen Dokumentation seiner Massnahmen.
QS-Vereinbarungen haben zudem häufig auch gesellschaftsähnlichen Charakter58. Die Implementierung von feh-
ler- bzw. schadenspräventiven Massnahmen liegt nämlich im
Interesse beider Parteien. Während Qualitätssicherungsmassnahmen im Aussenverhältnis zur Senkung des Haftungsrisikos beitragen, führen sie im Innenverhältnis zu Kosteneinsparungen59. Aufgrund dieser Interessenparallelität kann
sich zur Beantwortung von Einzelfragen die (analoge) Anwendung der Regeln der einfachen Gesellschaft anbieten60.
Nach dem Gesagten sind QS-Vereinbarungen deshalb in
der Regel als Innominatverträge, und zwar als gemischte
Verträge, zu qualifizieren61.
Zu beachten ist indessen, dass QS-Massnahmen, welche
lediglich für einen einzelnen Beschaffungsvertrag vereinbart werden und damit keine Wirkungen haben, die über das
betreffende Geschäft hinausgehen, zumeist als vertragliche
Nebenpflichten zu qualifizieren sind und somit grundsätzlich
den Bestimmungen des entsprechenden Einzelvertrages unterliegen62.
6.
Die Verpflichtung des Zulieferers zum Aufbau und Betrieb
eines QS-Systems stellt regelmässig eine eigenständige wirtschaftliche Leistung dar, da die in der QS-Vereinbarung festgelegten Pflichten über die im eigentlichen Liefergeschäft
vereinbarte Herstellung und Lieferung eines bestimmten
Produktes hinausgehen63. Daraus wird mangels gegenteiliger
Vereinbarung der Parteien ein eigenständiger Entschädigungsanspruch des Zulieferers für die zusätzlichen, unter der
QS-Vereinbarung erbrachten Leistungen abgeleitet64.
59
60
61
54
55
56
57
58
Grob (FN 4), 160; Hess/Werk (FN 7), 256.
Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 242 f.;
Axel Merz, in: Dr. Friedrich Graf von Westphalen (Hrsg.),
Produkthaftungshandbuch, Band 1: Vertragliche und deliktische
Haftung, Strafrecht und Produkt-Haftpflichtversicherung, 2. A.,
München 1997, § 44 N 11; ebenfalls für die Anwendbarkeit
von Werkvertragsrecht spricht sich für das Schweizer Recht
Theodor Bühler, in: Jörg Schmid/Peter Gauch (Hrsg.), Zürcher Kommentar, V. Band Obligationenrecht, Teilband V 2d,
Art. 363–379 OR, 3. A., Zürich 1998, Art. 363 N 189 aus, dies
allerdings ohne weitere Begründung.
Von der weitgehenden Anwendbarkeit von Auftragsrecht geht
wohl auch Grob (FN 4), 169 f., aus.
Vgl. BGE 109 II 462, 465 f.
Siehe dazu Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10),
257 ff. und insbesondere 260 f.; Grob (FN 4), 170; Bühler
AJP 03_2009.indb 257
Vergütungsanspruch des Zulieferers
62
63
64
(FN 55), Art. 363 N 189; vgl. auch Hans Caspar von der
Crone, Rahmenverträge: Vertragsrecht, Systemtheorie, Ökonomie, Habil., Zürich 1993, 322 ff. zur Qualifikation von Rahmenverträgen, die transaktionsbezogene Investitionen beinhalten, als einfache Gesellschaft.
Siehe dazu insbesondere Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 231 ff. und Grob (FN 4), 170.
Siehe z.B. nachfolgend FN 68 zum Investitionsersatz und
Ziff. 7 zur Auflösung von QS-Vereinbarungen.
Gl.M. Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 261;
Merz, Produkthaftungshandbuch (FN 55), § 44 N 6.
Grob (FN 4), 151.
Merz, Produkthaftungshandbuch (FN 55), § 44 N 7 f.: Während der Zulieferer aufgrund des Liefervertrages die Produktion und Lieferung eines mangelfreien, näher spezifizierten
Produktes schuldet (ergebnisbezogene Pflicht), ist er aufgrund
der QS-Vereinbarung verpflichtet, einen qualitätsgesicherten
Produktionsvorgang einzurichten und aufrecht zu erhalten (verfahrensbezogene Pflicht). Auch wenn die beiden Elemente in
der Regel eng miteinander verflochten sind, handelt es sich um
inhaltlich unterschiedliche Pflichtenkreise, die je einen eigenständigen (Dienstleistungs-)Wert darstellen. Dieser Ansicht ist
beizupflichten. Vgl. dazu auch Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 261; Grob (FN 4), 168, mit Bezug auf
systembezogene QS-Vereinbarungen.
Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 244 f.;
Merz, Produkthaftungshandbuch (FN 55), § 44 N 9 ff; Grob
10.3.2009 9:11:57 Uhr
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258
Dem ist unseres Erachtens jedenfalls für eigenständige
QS-Vereinbarungen beizupflichten. Hier übernimmt der Zulieferer unter anderem Pflichten zur Implementierung eines
QS-Systems, die unabhängig von konkreten Beschaffungsverträgen geschuldet sind. Deshalb wird ein Vergütungsanspruch des Zulieferers auch ohne ausdrückliche Vereinbarung häufig zu bejahen sein. Dies gilt insbesondere, wenn die
Übernahme der betreffenden Pflichten nach den Umständen
nur gegen Entgelt zu erwarten war. Diesfalls ist von einer
stillschweigenden Vergütungsabrede auszugehen (vgl. auch
Art. 394 Abs. 3 OR)65.
Als Kriterien für die Frage, welche QS-Massnahmen der
Besteller vom Zulieferer nur gegen gesonderte Vergütung erwarten darf, werden etwa die folgenden genannt66:
• Grad der Abnehmerspezifität der QS-Leistungen des Zulieferers bzw. Umfang der notwendigen Zusatzleistungen;
• Ausmass der Kosteneinsparungsmöglichkeiten beim Abnehmer als Folge der QS-Leistungen des Zulieferers;
• Deckungsgrad zwischen der Betriebsorganisation des Zulieferers mit den organisationsbezogenen Vorgaben des
Abnehmers.
Nebst dem Anspruch des Zulieferers auf eine Vergütung für
die vertragsgemäss erbrachten QS-Massnahmen ist in der
genannten Konstellation auch ein Ersatzanspruch für die
vereinbarten oder tatsächlich notwendigen Investitionen, die
der Zulieferer für den konkreten Fall getätigt hat (sog. vertragszweckbedingte transaktionsspezifische Investitionen67),
zu bejahen68. In der Regel dürfte dieser Ersatzanspruch nach
dem Willen der Parteien indessen in die für die QS-Massnahmen zu bezahlende Vergütung integriert sein69.
65
66
67
68
69
(FN 4), 168 und 170 ff.; wohl auch Ensthaler, Gemeinschaftskommentar (FN 11), nach § 377 HGB N 43 (im Zusammenhang mit Dokumentationsregelungen in QS-Vereinbarungen).
Gl.M. Grob (FN 4), 172, FN 130; Walter Fellmann, Berner
Kommentar, VI/2/4, Bern 1992, Art. 394 N 369 f. m.w.H., welcher darauf hinweist, dass die Vergütung in solchen Fällen gewöhnlich als «üblich» zu bezeichnen ist.
Siehe Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10),
244 f.
Siehe dazu von der Crone (FN 58), 254 ff. und 277 ff.; Grob
(FN 4), 170 f.
Dabei ist mit von der Crone (FN 58, 311 ff., insbesondere
320 f.) und Grob (FN 4, 171) von der Anwendbarkeit der Regeln der einfachen Gesellschaft auszugehen, die zu einem sachgerechteren Resultat führen als die Bestimmungen des Auftragsrechts (insbesondere Art. 402 Abs. 1 OR). Abzulehnen ist
demgegenüber ein Entschädigungsanspruch für Investitionen,
die auf einseitigen Entscheid des Zulieferers zurückgehen, vgl.
von der Crone (FN 58), 320; Grob (FN 4), 170.
Vgl. zu dieser Möglichkeit Rolf H. Weber, in: Heinrich Honsell/Nedim Peter Vogt/Wolfgang Wiegand (Hrsg.), Basler Kommentar, Obligationenrecht I, 4. A., Basel/Genf/München 2007,
Art. 402 N 16; Fellmann (FN 65), Art. 402 N 64.
AJP 03_2009.indb 258
Ohnehin dürfte die geschuldete Vergütung für die Pflicht
des Zulieferers, ein QS-System zu unterhalten, kaum je als
zusätzliches Fixum bezahlt werden, sondern von den Vertragsparteien regelmässig in die vereinbarten Stückpreise
einberechnet werden70. Ist die QS-Vereinbarung daher in einen konkreten Liefervertrag integriert, d.h. beispielsweise in
den Lieferbedingungen enthalten, oder wird sie zumindest
im Zusammenhang mit einem oder mehreren bereits konkreten Lieferverträgen abgeschlossen, so besteht unseres Erachtens die Vermutung, dass die Vergütung für die vereinbarten QS-Massnahmen durch den Werklohn (bzw. Kaufpreis)
abgegolten ist71.
7.
Auflösung von QS-Vereinbarungen
Verletzt der Zulieferer qualitätssichernde Pflichten, die lediglich für einen einzelnen, konkreten Beschaffungsvertrag vereinbart wurden, und hat diese Vertragsverletzung die Mangelhaftigkeit des Produktes zur Folge, so führt dies vorab
zur Anwendbarkeit der Gewährleistungsbestimmungen des
entsprechenden Vertragstyps (dazu nachfolgend Ziff. 9.3)72.
Die Verletzung von produktbezogenen Pflichten kann unter
Umständen aber auch die Auflösung des betreffenden Beschaffungsvertrages rechtfertigen73, und zwar gestützt auf die
auf den Beschaffungsvertrag anwendbaren Bestimmungen74.
Gleiches gilt auch für die Verletzung von Pflichten, die nicht
produktbezogen sind75 und deren Nichtbeachtung deshalb
keinen Produktmangel zur Folge haben.
Verletzt der Zulieferer demgegenüber qualitätssichernde
Pflichten, die in einer eigenständigen, als Rahmenvertrag
zu qualifizierenden QS-Vereinbarung und damit für eine
Vielzahl von Beschaffungsverträgen oder gar unabhängig
von solchen festgelegt wurden (vgl. vorstehend Ziff. 2), so
stellt sich die Frage, nach welchen Bestimmungen sich das
Recht zur Auflösung der QS-Vereinbarung beurteilt76. Aufgrund der Natur der QS-Vereinbarung als Dauerschuldverhältnis kommt nur ein Kündigungsrecht, nicht aber ein
Rücktrittsrecht in Betracht77. Da QS-Vereinbarungen dar70
71
72
73
74
75
76
77
Merz, Produkthaftungshandbuch (FN 55), § 44 N 17.
Vgl. auch Grob (FN 4), 172.
Grob (FN 4), 173.
A.M. wohl Grob (FN 4), 173.
Wie vorstehend (Ziff. 5) ausgeführt, unterliegen Qualitätssicherungsmassnahmen, die für einen Einzelvertrag vereinbart wurden, grundsätzlich dessen Bestimmungen. Als Grundlage für
die Vertragsauflösung kann beispielsweise Art. 366 Abs. 2 OR
dienen.
Beispielsweise Informations- und Dokumentationspflichten.
Die Verletzung von produktbezogenen Pflichten, die zur Mangelhaftigkeit des Produktes führt, ist gleich wie bei Einzelverträgen vorab nach den Gewährleistungsbestimmungen zu ahnden.
Grob (FN 4), 173; Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen
(FN 10), 301.
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Qualitätssicherungsvereinbarungen
AJP/PJA 3/2009
259
auf ausgerichtet sind, die Grundlagen für eine längerfristige
Geschäftsbeziehung zu schaffen, befriedigt das jederzeitige
Kündigungsrecht nach Auftragsrecht (Art. 404 OR) nicht.
Aufgrund der gegebenen Interessenparallelität78 anerbietet
sich vielmehr die Anwendung der Auflösungsregel der einfachen Gesellschaft79. Danach kann eine auf unbestimmte
Dauer geschlossene QS-Vereinbarung mit einer Frist von
sechs Monaten gekündigt werden (Art. 546 Abs. 1 OR)80.
Daneben muss aber auch ein jederzeitiges Auflösungsrecht
aus wichtigem Grund bejaht werden, das bei Dauerschuldverhältnissen allgemein gilt81.
Die Auflösung einer QS-Vereinbarung führt nicht automatisch auch zur Beendigung bereits laufender Beschaffungsverträge. Eine solche wird sich aber in der Regel aufdrängen,
da mit dem Verlust des Vertrauens in die Qualitätsfähigkeit
des Zulieferers auch die Geschäftsgrundlage für einzelne
Lieferverträge entfällt82. Haben es die Parteien versäumt,
eine ausdrückliche Regelung für diesen Fall zu treffen83, ist
durch Auslegung der einzelnen Beschaffungsverträge zu ermitteln, ob die Parteien beabsichtigten, deren Wirksamkeit
vom Bestand der QS-Vereinbarung abhängig zu machen84.
8.
Wechselwirkungen zwischen
QS-Vereinbarungen und gesetzlichem Gewährleistungsrecht
8.1
Ausgangslage
Das primäre Ziel von QS-Vereinbarungen besteht nach dem
Gesagten regelmässig darin, mittels gezielter QS-Massnahmen bestmögliche Voraussetzungen zu schaffen, damit jeg78
79
80
81
82
83
84
Siehe dazu vorstehend Ziff. 5.
Gl.M. Grob (FN 4), 173; von der Crone (FN 58), 323; Rolf
H. Weber, Rahmenverträge als Mittel zur rechtlichen Ordnung
langfristiger Geschäftsbeziehungen, ZSR 106/1987, I, 430.
Art. 546 OR ist dispositiver Natur und kann deshalb vertraglich
abgeändert werden. Wird indessen eine bestimmte vertragliche
Mindestdauer vereinbart, so treffen die Parteien für die davon
erfasste Zeit eine abschliessende Beendigungsordnung, die die
Anwendung der ordentlichen gesetzlichen Kündigungsregel
ausschliesst (BGE 106 II 229).
BGE 128 III 429 m.w.H. Das Klageerfordernis gemäss Art. 545
Abs. 1 Ziff. 7 OR ist für QS-Vereinbarungen abzulehnen. Vgl.
auch Weber, Rahmenverträge (FN 79), 430, der eine ausserordentliche Auflösung eines Rahmenvertrages aus wichtigem
Grund z.B. bei permanenter Verletzung der Einzelverträge bejaht.
Grob (FN 4), 174.
Denkbar ist z.B., dass die Beschaffungsverträge auflösend bedingt geschlossen werden, vgl. Grob (FN 4), 174. Möglich ist
aber auch eine Regelung, wonach bereits eingegangene Einzelverträge vollständig abgewickelt werden, und zwar mit bisherigem Vertragsinhalt und unter Zugrundelegung der Regelungen
der QS-Vereinbarung.
Grob (FN 4), 174.
AJP 03_2009.indb 259
liche Arten von Qualitätsabweichungen vermieden werden
können und das bestellte Produkt bei seiner Ablieferung
letztlich vollumfänglich den vertraglich vereinbarten Eigenschaften entspricht (vgl. auch vorstehend Ziff. 3.1)85. Kein
noch so durchdachtes QS-System vermag in der Praxis indessen die völlige Fehlerfreiheit der Produkte zu gewährleisten, weshalb immer wieder Mängel am zu liefernden Produkt
zu Tage treten, welche durch eben diese QS-Massnahmen
hätten verhindert werden sollen86.
Die Ursachen für Mängel können dabei sehr vielfältig
sein. Denkbar ist einerseits, dass das vereinbarte QS-System fehlerhaft bzw. unzureichend ist oder aber, dass es der
Zulieferer mangelhaft umgesetzt hat. Daneben können aber
auch gänzlich ausserhalb des QS-Systems anzusiedelnde
Faktoren für die Fehlerhaftigkeit der Produkte mitursächlich sein87. In der Praxis ist es zumeist schwierig, die effektiv
massgeblichen Fehlerquellen zu eruieren.
Interessant und in der Schweizer Literatur bis anhin wenig diskutiert ist in diesem Zusammenhang die Frage, wer
das Risiko für solche Mängel zu tragen hat, die trotz oder
möglicherweise gerade infolge des vereinbarten QS-Systems
eingetreten sind, und ob bzw. inwieweit sich der Zulieferer allenfalls durch den Nachweis einer vertragsgemässen
Durchführung des vereinbarten QS-Systems von seiner Haftung entlasten kann88.
Die nachfolgenden Ausführungen wollen diese Frage mit
Blick auf das werkvertragliche Gewährleistungsrecht im
Sinne von Art. 367 ff. OR näher beleuchten. Da die Pflicht
des Zulieferers zur Ablieferung mangelfreier Ware nach
der Konzeption des schweizerischen Obligationenrechts als
verschuldensunabhängige Garantiehaftung ausgestaltet ist,
ist diese Anspruchsgrundlage für den Besteller äusserst interessant. Gleichzeitig birgt die Gewährleistungspflicht für
den Zulieferer ein nicht zu unterschätzendes Haftungsrisiko.
Es würde den Rahmen des vorliegenden Aufsatzes sprengen, auch die Aspekte der verschuldensabhängigen Vertragshaftung sowie der ausservertraglichen Haftung, insbesondere
der Produktehaftpflicht, in die Untersuchung miteinzubeziehen. Es sei diesbezüglich auf die einschlägige Literatur verwiesen89.
85
86
87
88
89
Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 196;
Peter Gauch, Der Werkvertrag, 4. A., Zürich 1996, N 2560;
Hess/Werk (FN 7), 242.
Grob (FN 4), 41.
Ensthaler, Gemeinschaftskommentar (FN 11), nach § 377
HGB N 18.
Grob (FN 4), 176.
Vgl. insb. Hess/Werk (FN 7), 256; zum deutschen Recht vgl.
sodann auch Quittnat (FN 15), 571 ff.; Teichler (FN 2),
428 ff.; Merz, Produkthaftungshandbuch (FN 55), § 44
N 27 ff.; Ensthaler, Qualitätssicherungsvereinbarungen
(FN 21), 817 ff.
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8.2
Übersicht über das werkvertragliche
Gewährleistungsrecht
8.2.1 Allgemeines
Ähnlich wie im Kaufvertragsrecht (Art. 197 ff. OR) gilt auch
im Werkvertragsrecht eine verschuldensunabhängige Garantiehaftung des Unternehmers für allfällige Werkmängel im
Zeitpunkt der Ablieferung (vgl. Art. 367 ff. OR)90.
Mit einem überwiegenden Teil der Lehre ist davon auszugehen, dass sich die kaufvertraglichen Gewährleistungsbestimmungen nach Art. 197 OR und die werkvertraglichen
Bestimmungen nach Art. 368 OR hinsichtlich des Mangelbegriffes und der Prüfungs- und Rügeobliegenheiten weitgehend entsprechen. Die unterschiedliche Formulierung
des Sachmangel- bzw. Fehlerbegriffs in den entsprechenden
Bestimmungen hat im Ergebnis daher kaum praktische Relevanz91. Entsprechend sind auch allfällige Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen Werklieferungs- und Kaufvertrag
mit Blick auf die Gewährleistungspflicht des Zulieferers nur
von untergeordneter Bedeutung (vgl. vorstehend die einleitenden Bemerkungen in Ziff. 1)92.
8.2.2 Der Begriff des Werkmangels
Art. 368 OR unterscheidet zwischen «erheblichen Mängeln»
und sonstigen Abweichungen vom Vertrag, die das Werk für
den Besteller unbrauchbar machen oder aufgrund welcher
ihm die Annahme des Werkes billigerweise nicht zugemutet
werden kann. Ungeachtet dieser Differenzierung handelt es
sich bei einem Werkmangel nach schweizerischer Rechtsauffassung ganz allgemein um einen vertragswidrigen Zustand,
der darin besteht, dass der gelieferten Ware eine vertraglich
geforderte Eigenschaft fehlt, sei diese vertraglich vereinbart
bzw. zugesichert oder aber vertraglich vorausgesetzt93. Vertraglich vorausgesetzt sind Eigenschaften, welche von den
Parteien zwar nicht besonders vereinbart wurden, deren Vorhandensein der Besteller im Sinne einer gewöhnlich vorausgesetzten Beschaffenheit aufgrund des Vertrauensprinzips
jedoch erwarten darf. Vereinbarte Eigenschaften sind demgegenüber Vertragsabreden, in denen die Parteien (ausdrück-
lich oder konkludent) übereinkommen, dass das geschuldete
Werk bestimmte Eigenschaften aufweisen muss.
Daraus ergibt sich, dass immer dann ein Werkmangel vorliegt, wenn die «Ist-Beschaffenheit» des Werkes nicht mit
der «Soll-Beschaffenheit» übereinstimmt, sei diese nun vertraglich festgelegt oder vorausgesetzt94. Die Frage, was ein
Mangel im Rechtssinne darstellt, hängt damit jeweils vom
konkreten Vertrag ab und fällt nicht notwendigerweise mit
dem zusammen, was unter technischen Gesichtspunkten als
«Mangel» anzusehen ist95.
Ein Mangel kann beispielsweise körperlicher, ästhetischer
oder auch wirtschaftlicher Natur sein (z.B. zu hoher Energieverbrauch). Sodann wird gemeinhin anerkannt, dass auch
ausserhalb der physischen und technischen Beschaffenheit
liegende Sachverhalte für die Sachmängelhaftung relevante
Eigenschaften sein können96. Erfasst werden beispielsweise
auch innere Eigenschaften (z.B. Funktionsfähigkeit, Sparsamkeit oder Unterhaltsfreiheit)97.
Kein Mangel liegt indessen vor, wenn ein völlig anderes
Werk als das geschuldete geliefert wird (Aliudlieferung)98.
8.2.3 Die Mängelrüge
Die Gewährleistungspflicht setzt sowohl nach Kaufvertrag
als auch nach Werkvertrag voraus, dass der Besteller die
Sache, sobald es nach dem üblichen Geschäftsgang tunlich
ist, prüft und dem Zulieferer allfällige Mängel unverzüglich
anzeigt (vgl. Art. 201 OR und Art. 367 OR). Unterbleibt die
Rüge offenkundiger Mängel, so gilt die Ware grundsätzlich
als genehmigt und der Besteller verliert seine Mängelrechte.
Versteckte Mängel, d.h. Mängel, die bei Abnahme und ordnungsmässiger Prüfung nicht erkennbar waren oder erst später zu Tage getreten sind, müssen sofort nach Entdecken gerügt werden (Art. 370 Abs. 3 OR).
94
95
96
90
91
92
93
Ausführlich zur werkvertraglichen Mängelhaftung Gauch
(FN 85), N 1352 ff.
Huegenin (FN 4), N 637; Honsell, Schweizerisches Obligationenrecht (FN 4), 281; für eine «eigenständige Begriffsbestimmung» des Werkmangels dagegen Gauch (FN 85), N 1352 ff.
Honsell, Schweizerisches Obligationenrecht (FN 4), 281;
Thomas Siegenthaler, Die Mängelhaftung bei der Lieferung
von Maschinen: Nach schweizerischem Obligationenrecht und
unter Berücksichtigung der Liefer- und Montagebedingungen
des Vereins schweizerischer Maschinen-Industrieller, Diss. Zürich 2000, 19; Zindel/Pulver (FN 51), Art. 367 N 2; Grob
(FN 4), 193; BGE 104 II 355.
Gauch (FN 85), N 1356; Hürlimann/Siegenthaler (FN 4),
Art. 367 OR N 3; Siegenthaler (FN 92), 19.
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97
98
Bühler (FN 55), Art. 368 N 28; vgl. auch Huguenin (FN 4),
N 637: Werkmangel als Differenz zum vereinbarten Leistungsprogramm.
Honsell, Schweizerisches Obligationenrecht (FN 4), 77 und
281; Hürlimann/Siegenthaler (FN 4), Art. 367 OR N 3;
Gauch (FN 85), N 919 und 1357; Bühler (FN 55), Vorbemerkungen zu Art. 367–371 N 2; Grob (FN 4), 192.
Grob (FN 4), 178.
Gauch (FN 85), N 1358.
Zur Abgrenzung Schlechterfüllung vs. Aliud vgl. Gauch
(FN 85), N 1443 ff.; sehr weitgehend BGE 4C.204/2002
Erw. 5.1, wonach immer dann, wenn die Vertragsparteien das
Vertragsobjekt detailliert definieren, das Fehlen eines Elementes
dieser Definition zur Folge hat, dass dieses als aliud zu qualifizieren ist. Diese Auffassung ist u.E. abzulehnen, zumal das vertragliche Gewährleistungsrecht gerade im Anwendungsbereich
von QS-Vereinbarungen, welche oft umfassende Produktspezifikationen enthalten, andernfalls weitgehend obsolet würde.
Nach herrschender Lehre treten bei einer Aliudlieferung ausschliesslich die Rechtsfolgen der Nichterfüllung bzw. der nicht
gehörigen Erfüllung nach Art. 97 ff OR ein und nicht diejenigen der Gewährleistung; vgl. Bühler (FN 55), Art. 368 N 35.
10.3.2009 9:11:58 Uhr
Qualitätssicherungsvereinbarungen
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261
8.2.4 Die einzelnen Mängelrechte
Die einzelnen Mängelrechte des Bestellers ergeben sich aus
Art. 368 OR. Es sind dies Nachbesserung, Wandelung, Minderung und Schadenersatz99.
8.3
Auswirkungen von QS-Vereinbarungen
auf die werkvertragliche Mängelhaftung
8.3.1 Allgemeines
Aufgrund des Werklieferungsvertrages verpflichtet sich der
Zulieferer zur Produktion und Ablieferung eines näher spezifizierten Werkes bzw. Produktes. Im Rahmen von QS-Vereinbarungen bzw. den zugehörigen Spezifikationsvereinbarungen werden die einzelnen Qualitätsmerkmale, welchen
das zu liefernde Produkt entsprechen soll, von den Parteien
mehr oder weniger umfassend festgelegt (sog. Spezifikationen, vgl. vorstehend Ziff. 4.2). Gleichzeitig wird der Zulieferer im Rahmen von QS-Vereinbarungen regelmässig zur
Einrichtung und Aufrechterhaltung eines bestimmten QSSystems verpflichtet, welches sich in aller Regel allein auf
die Ausgestaltung des Fertigungs- und Qualitätsprüfungsverfahrens bezieht, um sicherzustellen, dass das zu liefernde
Produkt letztlich tatsächlich den vereinbarten Qualitätsmerkmalen entspricht. Für die Behandlung der Auswirkungen von
QS-Vereinbarungen auf das Gewährleistungsrecht sollten die
produktbezogenen QS-Vereinbarungen (Spezifikationen bzw.
Qualitätsmerkmale des zu liefernden Produktes) einerseits
und die verfahrensbezogenen QS-Vereinbarungen (einzelne
QS-Massnahmen bzw. QS-System) andererseits grundsätzlich stets auseinander gehalten werden, da es jeweils um einen ihrer Natur nach grundsätzlich anderen Regelungsinhalt
geht100. In der Praxis lässt sich die Grenze zwischen verfahrens- und produktbezogenen Vorgaben allerdings kaum je
ganz klar ziehen101.
Auch wenn der Abschluss von QS-Vereinbarungen zweifellos zu einer stärkeren Zusammenarbeit der Vertragspartner führt, als es dem klassischen Austausch- oder Werklieferungsvertrag entspricht, rechtfertigt eine entsprechende
Vereinbarung, wie nachfolgende Ausführungen zeigen wer-
99
100
101
Für weitergehende Ausführungen zu den werkvertraglichen
Mängelrechten vgl. Gauch (FN 85), N 1352 ff.
Merz, Produkthaftungshandbuch (FN 55), § 45 N 1 ff. Dabei
ist im Einzelfall zu untersuchen, wie detailliert die Parteien die
Anforderungen an das QS-System definiert haben. Denkbar ist,
dass die Parteien sich lediglich auf die Einführung und Aufrechterhaltung eines «geeigneten» QS-Systems geeinigt haben,
auf ein genormtes QS-System (z.B. durch Bezugnahme auf den
umfassende Regelungswert der DIN ISO 9000 bis 9004) oder
aber die Parteien arbeiten gemeinsam ein detailliertes fallspezifisches QS-System aus.
Ausführlich Merz, Produkthaftungshandbuch (FN 55), § 44
N 6 ff.
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den, unseres Erachtens keine prinzipielle Verdrängung des
klassischen Gewährleistungsrechts102. Indessen lässt der Abschluss von QS-Vereinbarungen das werkvertragliche Gewährleistungsrecht nicht gänzlich unberührt.
Häufig erfährt das Gewährleistungsrecht im Rahmen von
QS-Vereinbarungen sodann eine umfassende Regelung,
sei es, dass die dispositiven gesetzlichen Bestimmungen
modifiziert werden oder dass deren Anwendbarkeit gänzlich ausgeschlossen wird. So wird namentlich die Wareneingangskontrolle des Bestellers häufig auf den Zulieferer
vorverlagert (vgl. vorstehend Ziff. 4.6)103. Überdies wird
der Zulieferer regelmässig versucht sein, seine Haftung für
verbleibende Mängel im Rahmen von QS-Vereinbarungen
soweit als möglich auszuschliessen (vorstehend Ziff. 3.4)104.
Es versteht sich von selbst, dass entsprechende Individualabreden aufgrund des dispositiven Charakters der gesetzlichen
Bestimmungen den nachfolgenden, allgemeinen Ausführungen vorgehen.
8.3.2 Gewährleistungspflicht trotz Einhaltung
des vereinbarten QS-Systems?
8.3.2.1 Grundsatz: Die Pflicht zur Lieferung
mängelfreier Produkte gilt unabhängig vom
Vorliegen einer QS-Vereinbarung
Die Kernfrage im Rahmen der Wechselwirkung zwischen
QS-Vereinbarungen und werkvertraglichem Gewährleistungsrecht ist, ob dem Besteller auch dann Gewährleistungsansprüche offenstehen, wenn der Zulieferer sämtliche
verfahrensbezogenen Vorgaben der QS-Vereinbarung eingehalten hat, die abgelieferte Ware aber dennoch einen Mangel
aufweist und somit nicht den vereinbarten produktbezogenen
Qualitätsmerkmalen entspricht, oder ob sich der Zulieferer
diesfalls durch den Nachweis der Befolgung des vereinbarten QS-Systems von seiner vertraglichen Mängelhaftung befreien kann.
Auf den ersten Blick könnte man dem Gedanken verfallen, dass die Festlegung der vom Zulieferer zu erbringenden
QS-Massnahmen das Gewährleistungsrecht verdrängt, zumal der Besteller durch sein Einverständnis bzw. allenfalls
seine eigenen Vorgaben hinsichtlich der anzuwendenden QSMassnahmen implizit zu erkennen gibt, dass er das Auftreten
fehlerhafter Teile unter Einhaltung des entsprechenden QSSystems selbst nicht mehr für möglich hält. Daraus wieder-
102
103
104
Ebenso Franke (FN 2), 68; Gauch (FN 85), N 2560 f.
Grob (FN 4), 157; Zindel/Pulver (FN 51), Art. 367 N 29;
Schmidt (FN 11), 148; ebenso Quittnat (FN 15), 572.
Für arglistig verschwiegene Mängel ist eine vertragliche Beschränkung oder Aufhebung der Haftung nach h.L. generell unzulässig (Art. 199 OR); vgl. Huguenin (FN 4), N 634; Bühler (FN 55), Art. 368 N 249; a.M. Honsell, Schweizerisches
Obligationenrecht (FN 4), 290 f.; vgl. auch Hess/Werk (FN 7),
253 f.
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um könnte der Schluss gezogen werden, dass der Zulieferer
für dennoch eintretende Mängel an der abgelieferten Ware
nicht zu haften braucht, wenn er nachzuweisen vermag, dass
er sich vollumfänglich an das vertraglich vereinbarte QSSystem gehalten hat105.
Eine solche pauschale Verdrängung des Gewährleistungsrechts durch die Vereinbarung eines QS-Systems oder einzelner QS-Massnahmen ist indessen abzulehnen. Vielmehr ist
mit der überwiegenden Lehre vom Grundsatz auszugehen,
dass die Pflicht zur Lieferung mängelfreier Ware unabhängig davon besteht, ob zwischen den Parteien eine QS-Vereinbarung abgeschlossen wurde106. Andernfalls würde der
Abschluss einer QS-Vereinbarung indirekt implizieren, dass
die Fertigungsprozesse durch Einhaltung entsprechender
QS-Massnahmen 100 %ig sicher gestaltet werden und folglich letztlich eine Nullfehlerquote erzielt werden könnte, was
indessen nicht der Realität entspricht107.
In aller Regel kann sich der Zulieferer deshalb nicht durch
den Nachweis, dass er das vereinbarte QS-System eingehalten hat, von seiner Pflicht zur Lieferung mängelfreier Ware
entlasten108. Produktmängel, welche trotz des vereinbarten
Qualitätssicherungssystems eintreten, unterliegen deshalb
grundsätzlich weiterhin der Untersuchungs- und Rügepflicht109.
Anders lautende Vereinbarungen der Parteien bleiben
selbstverständlich vorbehalten110.
8.3.2.2
Ausnahme: Einschränkung der Gewährleistungspflicht infolge Mitverantwortung des Bestellers
8.3.2.2.1 Allgemeines
Auch bei Geltung des soeben dargelegten Grundsatzes muss
indessen berücksichtigt werden, dass die beim abgelieferten
Produkt festgestellte Abweichung der Ist-Beschaffenheit
von der Soll-Beschaffenheit auf unterschiedliche Ursachen
zurückzuführen sein kann. Wie bereits dargelegt wurde (vgl.
Ziff. 8.1 vorstehend), können sich die aufgetretenen Mängel
105
106
107
108
109
110
Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 265.
Franke (FN 2), 68; ebenso Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 265 f., mit dem Hinweis, dass auch das
Argument der doppelten Vergütung (für die Herstellung des
Sachgutes einerseits und die Qualitätssicherungsleistung andererseits) gegen eine Beschränkung auf die Haftung für die Qualität des QS-Systems spricht.
Merz, Produkthaftungshandbuch (FN 55), § 44 N 22.
Gauch (FN 85), N 2560; Henninger (FN 6), 65.
Ensthaler, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 21), 820.
So wäre beispielsweise eine Abrede, wonach der Zulieferer
nicht verpflichtet ist, mängelfreie Ware zu liefern, sondern einzig, das vereinbarte QS-System zu befolgen, durchaus denkbar.
Allein aufgrund des Umstandes, dass sich der Lieferant zur
Durchführung einzelner QS-Massnahmen verpflichtet hat, darf
indessen nicht auf eine solche (stillschweigende) Abrede geschlossen werden; vgl. Gauch (FN 85), N 2561.
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am gelieferten Produkt namentlich deshalb eingestellt haben, weil das vereinbarte QS-System von den Parteien unzureichend ausgestaltet wurde. Denkbar ist aber auch, dass
die Mängel gerade durch die Einhaltung eines vom Besteller
abverlangten QS-Systems bedingt sind111.
Haben sich Mängel gerade deshalb eingestellt, weil der
Zulieferer sich an gemeinsam vereinbarte oder allenfalls
vom Besteller alleine aufgezwungene QS-Massnahmen
gehalten hat, wäre es in der Regel stossend, wenn sich der
Besteller bei Mängeln an der gelieferten Ware auf die Alleinverantwortlichkeit des Zulieferers berufen könnte112. Je
weitreichender die Einwirkungsherrschaft des Bestellers ist,
umso weitreichender muss nach dem Grundsatz der Parallelität von Herrschaft und Haftung deshalb auch seine Mitverantwortung für eingetretene Mängel sein113.
8.3.2.2.2 Einschränkung der Gewährleistung
infolge Anweisung
Erteilt der Besteller im Rahmen der QS-Vereinbarung verbindlich Anweisungen, wie der Zulieferer das Werk in dieser
oder jener Hinsicht auszuführen bzw. eine Ware herzustellen
hat, so handelt es sich aus Sicht des Schweizer Rechts regelmässig um werkvertragliche Ausführungsanweisungen im
Sinne von Art. 369 OR. Resultiert aus der Befolgung einer
derartigen Weisung (z.B. über das anzuwendende Arbeitsverfahren, den zu verwendenden Werkstoff oder den Beizug
eines bestimmten Subunternehmers) folglich ein Mangel, so
kann der Zulieferer nach Massgabe des Art. 369 OR von seiner Gewährleistungspflicht befreit sein.
Es muss jedoch stets im Einzelfall geprüft werden, ob sich
die Einflussnahme des Bestellers effektiv auf den eingetretenen Sachmangel ausgewirkt hat. Wird ein Sachmangel beispielsweise aufgrund des vom Besteller angeordneten Sicherungskonzepts lediglich nicht frühzeitig aufgedeckt, so hat
dies nicht ohne weiteres einen Verlust der Gewährleistungsansprüche zur Folge, da zwischen der Anweisung des Bestellers und der Mangelentstehung kein Kausalzusammenhang
besteht114.
Damit sich der Zulieferer entlasten kann, wird zudem vorausgesetzt, dass dieser den Besteller rechzeitig abgemahnt
und unmissverständlich darauf hingewiesen hat, dass die erteilte Weisung seines Erachtens zu einem Werkmangel führen könnte und er die Verantwortung für die entsprechende
Ausführung ablehne115.
Nur ausnahmsweise, wenn die Weisung des Bestellers
sachverständig erteilt wurde und der Zulieferer deren Fehler-
111
112
113
114
115
Vgl. auch Ensthaler, Qualitätssicherungsvereinbarungen
(FN 21), 820 f.
Ensthaler, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 21), 820;
Merz, Produkthaftungshandbuch (FN 55), § 44 N 25.
Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 267; vgl.
auch Merz, Produkthaftungshandbuch (FN 55), § 44 N 45.
Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 280.
Zindel/Pulver (FN 51), Art. 369 N 9.
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Qualitätssicherungsvereinbarungen
AJP/PJA 3/2009
263
haftigkeit weder erkannt hat noch hat erkennen müssen, kann
letzterer auch ohne Abmahnung von der Sachgewährleistung
befreit sein. Als sachverständig gilt eine Weisung, wenn der
Besteller oder sein Berater über jene fachlichen Kenntnisse
verfügen, die es ihnen gestatten, die erteilten Weisungen auf
ihre Richtigkeit hin zu durchschauen und ihre Fehlerhaftigkeit zu erkennen116. Indessen muss der Zulieferer den Besteller auch im Falle einer sachverständig erteilten Weisung
unverzüglich abmahnen, nachdem er deren Fehlerhaftigkeit
erkannt hat oder hätte erkennen müssen117.
Schliesslich setzt ein haftungsausschliessendes Selbstverschulden des Bestellers im Sinne von Art. 369 OR nach h.L.
voraus, dass die Verursachung des Mangels ausschliesslich
dem Besteller zuzurechnen ist118. An dieser Voraussetzung
fehlt es, wenn daneben auch Ursachen aus der Pflicht- und
Risikosphäre des Unternehmers zur Entstehung des Mangels beigetragen haben119. Im Rahmen einvernehmlich festgelegter QS-Massnahmen trägt der Zulieferer in aller Regel
ebenfalls zur Entstehung des Mangels bei und er dürfte sich
deshalb kaum je gänzlich von der Gewährleistungspflicht
befreien können. Durch die analoge Anwendung von Art. 99
Abs. 3 OR i.V.m. Art. 44 Abs. 1 OR kann der Zulieferer aber
immerhin teilweise entlastet werden, soweit den Besteller
ebenfalls ein gewisses Selbstverschulden trifft120.
8.3.2.2.3 Einschränkung der Gewährleistung
infolge Datentransparenz
Neben der Weisungsbefugnis des Bestellers führt namentlich auch die im Rahmen von QS-Vereinbarungen erhöhte
Datentransparenz (siehe auch vorstehend Ziff. 4.4) häufig zu
einer Mitverantwortung des Bestellers. Durch den erhöhten
Informationsaustausch zwischen den Parteien befindet sich
der Besteller regelmässig in einer im Vergleich zur gesetzlichen Regelung verbesserten Informationslage: Während er
im Normalfall erst nach Ablieferung des Werkes eine Prüfung desselben vornehmen kann, erlauben es ihm die vereinbarten Informationsrechte, Mängel früher und leichter festzustellen121. Jede vorwerfbar nicht ausreichend verwertete
Information (z.B. auch Erkenntnisse, die im Rahmen einer
Auditierung erlangt werden oder hätten erlangt werden können), welche objektiv erkennbar auf Mängel im QS-System
oder auf drohende bzw. bereits realisierte Qualitätsmängel
hinweist, führt letztlich zu einer Mitverantwortung des Bestellers infolge Untätigkeit und entlastet im Ergebnis den Zulieferer von seiner alleinigen Haftung122.
Insbesondere wird durch die dem Besteller eingeräumten
Informationsrechte auch die Grenze zwischen erkennbaren
und verborgenen Mängeln verschoben: Mängel, die aufgrund herkömmlicher Prüfung kaum feststellbar sind, können allenfalls aufgrund der dem Abnehmer verfügbaren Information erkennbar werden123.
Daraus folgt, dass der Abnehmer dem Zulieferer ausnahmsweise124 noch vor der Ablieferung der Ware Mängel
anzuzeigen hat, die er beispielsweise aufgrund eines durchgeführten Audits oder aufgrund von Prüfberichten des Zulieferers festgestellt hat oder hätte feststellen können. Andernfalls verliert er seine Mängelrechte125.
8.3.3
8.3.3.1 Allgemeines
Nachdem vorstehend untersucht wurde, inwieweit der Zulieferer trotz Einhaltung des vereinbarten QS-Systems für
die Mängelfreiheit seiner Produkte Gewähr zu leisten hat
(vgl. vorstehend Ziff. 8.3.2), soll nachfolgend geprüft werden, welche Auswirkungen die Nichteinhaltung des vereinbarten QS-Systems auf die Gewährleistungspflichten des
Zulieferers haben.
In diesem Zusammenhang sind wiederum verschiedene
Fallkonstellationen denkbar. Einerseits ist es möglich, dass
das vereinbarte QS-System nicht eingehalten wurde und das
vom Zulieferer abgelieferte Produkt darüber hinaus auch
nicht den in der QS-Vereinbarung festgelegten Qualitätsanforderungen bezüglich Güte und Beschaffenheit entspricht
(produktbezogene QS-Vereinbarungen, vgl. vorstehend
Ziff. 8.3.1). Solche in den technischen Spezifikationen festgelegten Eigenschaftsmerkmale fliessen zweifellos in die
Definition dessen ein, was nach dem Willen der Vertragsparteien als «mangelfreie Ware» anzusehen ist («Soll-Beschaffenheit»)126. Fehlen entsprechende produktbezogene
Qualitätsmerkmale am gelieferten Produkt, liegt folglich
ein mangelhaftes Produkt vor. Hinsichtlich der Gewährleistungspflichten des Zulieferers kann nichts anderes gelten als
123
116
117
118
119
120
121
122
Zindel/Pulver (FN 51), Art. 369 N 14.
Hürlimann/Siegenthaler (FN 4), Art. 369 OR N 5.
Zindel/Pulver (FN 51), Art. 369 N 3.
Hürlimann/Siegenthaler (FN 4), Art. 369 OR N 7.
Huguenin (FN 4), N 634; Hürlimann/Siegenthaler (FN 4),
Art. 369 OR N 7.
Merz, Produkthaftungshandbuch (FN 55), § 44 N 47.
Parallelität von Informationsherrschaft und Haftung; vgl. auch
Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 268; sie-
AJP 03_2009.indb 263
Mängelhaftung infolge Nichteinhaltung
des vereinbarten QS-Systems?
124
125
126
he auch 278; Merz, Produkthaftungshandbuch (FN 55), § 44
N 42 ff.; vgl. auch Peter Gauch, Garantie pour les défauts –
Application par analogie de CO 200?, in: BR 1992, 96, der sich
für eine analoge Anwendung von Art. 200 OR nach teleologischen Kriterien ausspricht.
Merz, Produkthaftungshandbuch (FN 55), § 44 N 47; Ders.,
Qualitätssicherungsvereinbarungen (FN 10), 297.
Im Grundsatz besteht vor der Ablieferung des beendeten
Werkes für den Besteller weder eine Prüfungs- noch eine Anzeigepflicht; vgl. Roman Bögli, Der Übergang von der Leistungspflicht zur Mängelhaftung beim Werkvertrag – Zeitpunkt
und Voraussetzungen, Diss., St. Gallen 1996, N 140; Zindel/
Pulver (FN 51), Art. 367 N 5; BGE 4C.190/2003, E. 5.2.
Überzeugend
Merz,
Qualitätssicherungsvereinbarungen
(FN 10), 297 ff.; Grob (FN 4), 158.
Franke (FN 2), 69.
10.3.2009 9:11:59 Uhr
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AJP/PJA 3/2009
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bei Mängeln, die sich trotz Einhaltung des vereinbarten QSSystems eingestellt haben. Der Zulieferer hat vorbehaltlich
eines Mitverschuldens des Bestellers deshalb vollumfänglich
für die eingetretenen Mängel einzustehen; es kann insoweit
auf die voranstehenden Ausführungen verwiesen werden
(vgl. Ziff. 8.3.2). Vorbehalten bleiben sodann allfällige Schadenersatzansprüche infolge Nichteinhaltung des QS-Systems
(vgl. sogleich).
Schwieriger ist die Frage zu beantworten, ob der Besteller auch dann in den Genuss der Gewährleistungsrechte
kommen soll, wenn er zwar ein einwandfreies Produkt erhält, mithin also die produktbezogenen Bestimmungen der
QS-Vereinbarung eingehalten wurden, das vom Zulieferer
im Rahmen des Herstellungsprozesses gemäss QS-Vereinbarung einzuhaltende QS-System (verfahrensbezogene QSVereinbarung, vgl. Ziff. 8.3.1 vorstehend) aber mangelhaft
umgesetzt wird127. Dies kann beispielsweise dann zutreffen,
wenn sich aus den abzuliefernden Dokumentationen ergibt,
dass bestimmte Testverfahren nicht im vereinbarten Rahmen durchgeführt wurden (es fanden z.B. nur 10 anstatt wie
vereinbart 50 Testläufe zur Überprüfung der Widerstandsfähigkeit eines Produktes statt), das abgelieferte Produkt aber
dennoch die vereinbarte Widerstandsfähigkeit aufweist.
Ob und in welchem Umfang den Zulieferer diesfalls eine
Gewährleistungspflicht trifft, muss je nach Inhalt der konkreten QS-Vereinbarung gesondert bestimmt werden und
hängt insbesondere davon ab, wie die entsprechende QS-Vereinbarung im Einzelfall rechtlich zu qualifizieren ist128. Wie
im Folgenden dargelegt wird, sind verschiedene Lösungsansätze denkbar.
8.3.3.2 Verfahrensbezogene QS-Massnahmen
als vereinbarte oder vorausgesetzte
Eigenschaften
Wie bereits dargelegt wurde (vgl. Ziff. 8.2.2), ist gemeinhin
anerkannt, dass nicht nur die physische und technische Beschaffenheit des zu liefernden Produkts als relevante Eigenschaft von den Parteien vereinbart oder vorausgesetzt sein
kann, sondern auch innere Eigenschaften129.
In diesem Zusammenhang drängt sich die Frage auf, ob
neben den im Rahmen von Spezifikationen festgelegten
Produktanforderungen130 auch verfahrensbezogene Bestimmungen von QS-Vereinbarungen über unmittelbar fertigungsbezogene Vorgänge (Fertigungs-, Ablauforganisation
und -planung), über Qualitätskontrollmechanismen (z.B.
Prüfplanerstellung, Warenausgangskontrollen etc.) oder über
den der Fertigung nachgelagerten Bereich (so z.B. im Zusammenhang mit der Art der Verpackung und der Lagerung,
der Kennzeichnung der fertigen Lieferteile, Modalitäten der
Anlieferung) Eigenschaften im Sinne von Art. 368 OR darstellen können131.
Grundsätzlich ist es durchaus denkbar, dass auch der
Umstand, wonach eine Sache unter Anwendung bestimmter QS-Massnahmen hergestellt werden soll, nach dem Willen der Parteien derart mit der Sache verknüpft wird, dass
er zur Eigenschaft der Sache wird. Ob die QS-Massnahmen
im Einzelfall auch tatsächlich vorausgesetzt werden durften
bzw. zugesichert wurden, ist aufgrund des Vertrages und der
konkreten Umstände des Einzelfalles zu entscheiden132. Namentlich wenn aus den Umständen des Vertragsschlusses für
den Zulieferer klar erkennbar ist, dass die Einhaltung eines
bestimmten QS-Systems aufgrund der individuellen Interessen des Bestellers einen massgebenden Einfluss auf den Wert
oder die Gebrauchstauglichkeit der Lieferung hat, insbesondere etwa weil er das Produkt unter Hinweis auf die QSMassnahmen weiterverkaufen will, so muss die Anwendung
der entsprechenden QS-Massnahmen als vorausgesetzte oder
vereinbarte Eigenschaft gelten133.
Die Parteien sind jedoch gut beraten, die Nichteinhaltung
sämtlicher QS-Massnahmen ausdrücklich als Mangel im
Sinne des Gewährleistungsrechts zu definieren und auf diese Weise das gesamte Qualitätsmanagement durch Vereinbarung der Mängelhaftung zu unterstellen, falls dies ihrem
Willen entspricht134.
Die blosse Bezugnahme im Vertrag der Parteien auf von
der Industrie aufgestellte allgemeine Qualitätssicherungsnormen (z.B. ISO-Normen) berechtigt nach nicht unumstrittener Rechtsprechung des deutschen Bundesgerichtshofes –
sofern keine besonderen Umstände dazukommen – indessen
regelmässig nicht zur Annahme, der Zulieferer wolle für die
Einhaltung dieser Normen im Sinne einer Zusicherung oder
Eigenschaftsvereinbarung nach den Bestimmungen des Gewährleistungsrechts einstehen135.
8.3.3.3 Verfahrensbezogene QS-Massnahmen als
vertragliche Haupt- oder Nebenpflichten
Fehlt es an einer ausdrücklichen Vereinbarung und ist für den
Zulieferer auch aus den Umständen des Vertragsschlusses
131
127
128
129
130
Ausführlich hierzu Merz, Produkthaftungshandbuch (FN 55),
§ 44 N 18 ff.
Ausführlich hierzu Merz, Produkthaftungshandbuch (FN 55),
§ 44 N 18 ff.
Grob (FN 4), 178.
Die in Spezifikationen festgelegten Eigenschaftsmerkmale
fliessen ohne weiteres in die Definition dessen ein, was nach
dem Willen der Vertragsparteien als «mangelfreie Ware» anzusehen ist; vgl. auch Ziff. 4.2).
AJP 03_2009.indb 264
132
133
134
135
Grob (FN 4), 176; Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen
(FN 10), 199 f.
Grob (FN 4), 181.
Grob (FN 4), 183; Siegenthaler (FN 92), 54.
Beispiel nach Siegenthaler (FN 92), 54: «Diese Qualitätssicherungsvereinbarung ist Bestandteil der gültigen und vom
Lieferer bestätigten Prüf- und Lieferspezifikationen».
Kritiker wollen die Bezugnahme auf allgemeine technische
Normen für eine schlüssige Eigenschaftszusicherung bereits
genügen lassen; vgl. Birgit Franz, Qualitätssicherungsvereinbarungen und Produkthaftung, Diss., München 1994, 84 f.
10.3.2009 9:11:59 Uhr
Qualitätssicherungsvereinbarungen
AJP/PJA 3/2009
265
nicht klar erkennbar, dass die Einhaltung der QS-Massnahmen als vorausgesetzte Eigenschaft gelten soll, stellt die
Einhaltung der entsprechenden Massnahmen unseres Erachtens in aller Regel lediglich eine vertragliche Pflicht dar, für
deren Erfüllung der Zulieferer nach Art. 97 OR einzustehen
hat. Ob es sich dabei um eine Haupt- oder eine blosse selbstständige Nebenpflicht handelt, ist aufgrund der Umstände
des Einzelfalles zu entscheiden. Eine Hauptpflicht dürfte namentlich dann vorliegen, wenn die Pflicht zur Errichtung und
Aufrechterhaltung eines QS-Systems unabhängig von einem
konkreten Liefergeschäft besteht. Die Frage ist aber insofern
von untergeordneter Bedeutung, als sich die Haftung in beiden Fällen nach Art. 97 OR richtet.
Die Verletzung der entsprechenden Massnahmen führt
diesfalls nicht zu einem Werkmangel am Produkt im vorne dargelegten Sinne und lässt die Bestimmungen über die
Mängelhaftung unberührt. Dem Besteller stehen folglich regelmässig keine Gewährleistungsansprüche offen – zumindest soweit die Ware im Übrigen den vertraglich getroffenen
Vereinbarungen entspricht – und der Zulieferer haftet nur,
wenn ihn ein Verschulden trifft136 und ein Schaden eingetreten ist137.
Soweit das vereinbarte QS-System indessen auch werkvertragliche Elemente enthält, wie beispielsweise eine Pflicht
zur Dokumentation der vorgenommenen Massnahmen, ist
eine selbständige werkvertragliche Gewährleistungspflicht
gestützt auf die QS-Vereinbarung ausnahmsweise denkbar,
so dass für den Besteller folglich zwei Anspruchssysteme
gleichzeitig nebeneinander bestehen: Ansprüche aus der QSVereinbarung einerseits und Ansprüche aus dem Werklieferungsvertrag andererseits (differenziertes Gewährleistungssystem), wobei selbständige Gewährleistungsansprüche aus
der QS-Vereinbarung namentlich in den Fällen interessant
sind, in denen rein verfahrensbezogene Verhaltenspflichten
der QS-Vereinbarung verletzt werden, ohne dass sich diese
unmittelbar in Gestalt eines Produktemangels auswirken138.
8.4
Ersatz des Mangelfolgeschadens
Gesondert muss schliesslich die Frage untersucht werden, ob
auch für Mangelfolgeschäden – also für Schäden, die nicht
im Mangel selbst gründen, aber auf das mangelhafte Produkt
zurückzuführen sind139 – gehaftet wird. Sowohl Art. 208
136
137
138
139
Franke (FN 2), 68; ebenso Sina (FN 11), 332 f.
Zur Verstärkung der Pflicht zur Einhaltung von QS-Massnahmen kann es sich daher aufdrängen, schadensunabhängige Konventionalstrafen für deren Nichteinhaltung zu vereinbaren.
Ausführlich hierzu Merz, Produkthaftungshandbuch (FN 55),
§ 44 N 18 ff.
Auf eine detaillierte Darlegung des Lehrmeinungsstreites hinsichtlich der Frage, welche Schäden nach schweizerischer
Rechtsauffassung als Mangelschäden und welche als Mangelfolgeschäden qualifiziert werden müssen, wird vorliegend
AJP 03_2009.indb 265
Abs. 3 OR als auch Art. 368 Abs. 1 OR setzen für eine entsprechende Haftung ein Verschulden des Zulieferers für die
Mangelhaftigkeit des Werkes und damit ein pflichtwidriges
Verhalten voraus.
Wurde ein vereinbartes QS-System vom Zulieferer nicht
eingehalten, dürfte dem Zulieferer eine Exkulpation in der
Regel schwer fallen140. Demgegenüber lässt umgekehrt die
Einhaltung des massgebenden QS-Systems die Vermutung
entstehen, dass der Zulieferer seiner Sorgfaltspflicht nachgekommen ist und ihm somit kein Verschulden vorgeworfen
werden kann. Dem Besteller steht es jedoch offen, nachzuweisen, dass der Zulieferer trotz Einhaltung der Qualitätssicherungsvereinbarung seine Sorgfaltspflichten verletzt und
er folglich ein Recht auf Ersatz des Mangelfolgeschadens
hat141.
9.
Zusammenfassende Bemerkungen
QS-Vereinbarungen werden in der Regel zwischen aufeinanderfolgenden Gliedern einer Wertschöpfungskette
geschlossen, insbesondere im Rahmen industrieller Lieferbeziehungen. Sie verpflichten den Zulieferer zur Ergreifung gezielter Massnahmen zur Qualitätssicherung und
bezwecken primär, Qualitätsabweichungen des bestellten
Produktes von den vertraglich geschuldeten Eigenschaften
möglichst zu vermeiden oder wenigstens deren frühzeitige
Erkennbarkeit sicherzustellen.
Die Einhaltung vereinbarter verfahrensbezogener QSMassnahmen bzw. des vereinbarten QS-Systems führt indessen grundsätzlich nicht zu einer Verdrängung des Gewährleistungsrechts, falls am gelieferten Endprodukt trotzdem
Mängel auftreten (Nichteinhaltung von produktbezogenen
QS-Vereinbarungen). Allerdings kann der Abschluss einer QS-Vereinbarung zu gewissen Modifikationen des
gesetzlichen Gewährleistungsrechts führen, sei es durch
Abänderung dispositiver gesetzlicher Gewährleistungsbestimmungen, sei es zufolge typischer Mitverantwortung des
Bestellers.
Daneben ist es denkbar, dass der Zulieferer ein grundsätzlich mangelfreies Endprodukt abliefert, gleichzeitig aber
das vereinbarte QS-System bzw. die verfahrensbezogenen
QS-Vereinbarungen, nicht eingehalten hat. Ob der Besteller
auch in solchen Fällen Gewährleistungsansprüche geltend
machen kann, hängt primär davon ab, ob die Einhaltung der
QS-Massnahmen gestützt auf die konkreten Umstände des
Einzelfalles als vereinbarte oder vorausgesetzte Eigenschaft
des zu liefernden Produktes qualifiziert werden kann.
140
141
verzichtet. Es sei hierzu auf die Ausführungen in Honsell,
Schweizerisches Obligationenrecht (FN 4), 104 ff. verwiesen.
Grob (FN 4), 194.
Henninger (FN 6), 65; Moser (FN 9), 191 f.
10.3.2009 9:11:59 Uhr
N a t h a l i e Vo s e r / S o n j a S t a r k - Tr a b e r / A n d r e a D o r j e e - G o o d
AJP/PJA 3/2009
266
Um möglichen Unklarheiten und Missverständnissen vorzubeugen, empfiehlt es sich im Ergebnis, die Bedeutung der
vereinbarten qualitätssichernden Massnahmen hinsichtlich
der Gewährleistungsansprüche vertraglich eindeutig zu regeln.
Les conventions d’assurance qualité jouent aujourd’hui un rôle
important dans le cadre des relations de livraison industrielles.
Par de telles conventions, le fournisseur s’engage en premier
lieu à prendre des mesures destinées à assurer la qualité. Celles-ci permettent d’écarter autant que possible des pertes de
qualité sur le produit commandé et donc d’éviter, ou au moins
reconnaître à temps, des écarts par rapport aux qualités dues
par contrat. Outre le problème de la qualification juridique des
conventions d’assurance qualité, la question de l’interaction
avec la garantie légale en raison des défauts en particulier se
pose quelle est la situation juridique si le produit livré présente
des défauts malgré le respect des mesures d’assurance qualité convenues? Comment apprécier la responsabilité, si les
mesures d’assurance qualité n’ont pas été respectées, mais
qu’aucun défaut ne survient? Il faut de manière générale partir
du principe que les conventions d’assurance qualité ne supplantent pas la garantie légale pour les défauts. Mais chaque
cas particulier pourra appeler une solution différente.
(trad. LT LAWTANK, Fribourg)
AJP 03_2009.indb 266
10.3.2009 9:12:00 Uhr
Retentionsrecht des Arbeitnehmers – Konsequenzen für den Arbeitgeber
AJP/PJA 3/2009
Retentionsrecht des Arbeitnehmers –
Konsequenzen für den Arbeitgeber
ROLAND MÜLLER
STEFAN RIEDER
Prof. Dr. iur., Rechtsanwalt,
Staad/SG
M.A. HSG, St.Gallen
267
Arbeitsvertrag überlassen. Es erstaunt nicht, dass es in der
Praxis oft zu Auseinandersetzungen über die Rückgabe solcher Gegenstände kommt, wie es zahlreiche kantonale und
eidgenössische Gerichtsurteile belegen.1
Die Rechtslage scheint auf den ersten Blick klar: Gemäss
Art. 339 Abs. 1 OR werden mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses alle Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis fällig.
Dann hat jede Vertragspartei der anderen alles herauszugeben, was sie für die Dauer des Arbeitsverhältnisses von ihr
oder Dritten für deren Rechnung erhalten hat.2 Explizit sieht
Art. 339a Abs. 2 OR die Rückgabepflicht von Fahrzeugen
und Fahrausweisen vor, soweit sie die Forderungen des Arbeitnehmers übersteigen. Jedoch bleiben allfällige Retentionsrechte der Vertragsparteien gemäss Art. 339a Abs. 3
OR ausdrücklich vorbehalten. Diese ausführliche gesetzliche Regelung dürfte wohl der Hauptgrund dafür sein, dass
es zum Thema «Retentionsrecht des Arbeitnehmers» keine
Spezialliteratur gibt und zur Beantwortung von allfälligen
Fragen auf die zahlreiche Literatur zum Retentionsrecht im
Allgemeinen zurückgegriffen werden muss.
Inhaltsübersicht
A. Einleitung
I. Gesetzliche Regelung aber fehlende Spezialliteratur
II. Vielfältige Retentionsprobleme
1. Übersicht über die Retentionsprobleme
2. Unberechtigte Retention
3. Unberechtigte Nutzung des Retentionsobjektes
4. Untergang oder Beschädigung des Retentionsobjektes
5. Die Haftung des retinierenden Arbeitnehmers
B. Rechtsgrundlagen des Retentionsrechts
I. Voraussetzungen des Retentionsrechts
II. Unselbständiger Besitzer oder Besitzdiener
C. Retentionsprobleme in der Praxis
I. Retention eines Geschäftswagens als Beispiel
1. Ausgangslage des konkreten Falles
2. Gerichtliche Hinterlegung einer hinreichenden Sicherheit
3. Fortsetzung der Retention trotz Hinterlegung einer
Sicherheit
4. Urteil und Rückgabe des Fahrzeuges ohne strafrechtliche
Folgen
II. Erkenntnisse aus dem konkreten Fall
III. Verwertung eines retinierten, geleasten Geschäftswagen
D. Zusammenfassung und Empfehlungen
A.
I.
Einleitung
II.
Vielfältige Retentionsprobleme
1.
Übersicht über die Retentionsprobleme
In der Praxis kann das Retentionsrecht des Arbeitnehmers
trotz der anscheinend klaren gesetzlichen Regelung zu vielerlei Problemen führen, die für den Arbeitgeber erhebliche
Konsequenzen haben können. Dabei geht es hauptsächlich
um die Frage, ob die Voraussetzungen eines Retentionsrechts
gegeben sind und der zurückbehaltene Gegenstand überhaupt
für eine Retention geeignet ist. Für den Arbeitgeber ist allerdings die Rechtsfrage, ob der Gegenstand rechtmässig oder
unberechtigt retiniert wurde, sekundär. Ihm entstehen durch
die Retention i.d.R. erhebliche Zusatzkosten, da der retinierte Gegenstand nicht mehr zur Verfügung steht. Allenfalls
muss ein Ersatz beschafft werden, bis die Retention auf dem
aufwändigen gerichtlichen Weg rückgängig gemacht werden
kann. Im Überblick können folgende Retentionsprobleme
unterschieden werden:
1
Gesetzliche Regelung aber fehlende
Spezialliteratur
In vielen Unternehmen werden Arbeitnehmern firmeneigene
Muster, Geräte oder Fahrzeuge im Zusammenhang mit dem
AJP 03_2009.indb 267
2
Z.B. ArbGer. ZH 28.2.2003, in: JAR 2004, 591–594; ArbGer.
ZH 27.1.1995, in: ZR 97 (1998) Nr. 81, S. 193–195; App. BE
19.9.1962, in: ZBJV 1964, 127–130; KG ZG 30.12.1988, in:
JAR 1989, 239–242; OGer. SO 3.6.1988, in: SJZ 1990, 287 f.;
OGer. ZH 1.2.1996, in: JAR 1998, 256–261; BGE 4P.83/2003;
BGE 67 II 20.
Art. 339a OR.
10.3.2009 9:12:00 Uhr
Roland Müller/Stefan Rieder
AJP/PJA 3/2009
268
Abbildung 1: Darstellung der Retentionsprobleme
Retentionsprobleme
Retention nach dem
Arbeitsverhältnis
Retention während dem
Arbeitsverhältnis
Unberechtigte
Retention
– ZGB 927
– StGB 141
2.
Unberechtigte
Nutzung
– SVG 94
Ziff. 2
Untergang
oder Beschädigung
– OR 321e
– ZGB 890
– StGB 144
– StGB 172ter
Unberechtigte Retention
Sowohl während als auch nach dem Arbeitsverhältnis kann
sich ergeben, dass der Arbeitnehmer nicht Besitzer sondern
blosser Besitzdiener3 des Retentionsobjektes ist, weshalb er
zur Retention gar nicht berechtigt ist.4 Dieses Problem dürfte
wohl häufig vorkommen, zumal sich der Arbeitnehmer nicht
für die Unterscheidung zwischen unselbständigem Besitzer
und Besitzdiener interessiert. Er geht davon aus, dass er den
Gegenstand «besitzt». Daher wird der Arbeitnehmer, der
eine offene Forderung gegenüber seinem Arbeitgeber hat
und zeitgleich «im Besitz» eines entsprechenden Wertgegenstandes ist, diesen ohne weiteres retinieren.
Eine unberechtigte Retention kann aber beispielsweise
auch dann entstehen, wenn zuerst eine berechtigte Retention
vorliegt und als Abwehrmittel dagegen eine hinreichende Sicherheitsleistung gerichtlich hinterlegt wurde, der retinierte
Gegenstand im Anschluss daran aber nicht zurückgegeben
wird.
3
4
Der Besitzdiener ist nicht Besitzer, denn in Bezug auf die Sache hat er kein Recht gegen den Besitzer (Emil Stark, Berner
Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht, 3. A., Bern 2001,
N 34 zu Art. 919 ZGB).
Beim Arbeitsvertrag kommt es für die Abgrenzung zum Besitzer darauf an, wie selbständig die Stellung des Arbeitnehmers
gegenüber dem Arbeitgeber und Dritten ist (Paul Eitel/Ruth
Arnet, Handkommentar zum Schweizerischen Privatrecht,
Zürich 2007, N 3 zu Art. 919 ZGB).
AJP 03_2009.indb 268
Unberechtigte
Retention
– ZGB 927
– StGB 141
Unberechtigte
Nutzung
– SVG 94
Ziff. 2
Untergang
oder Beschädigung
– OR 321e
– ZGB 890
– StGB 144
– StGB 172ter
Dieser Problematik kann mittels zivilrechtlichen und
strafrechtlichen Lösungsansätzen begegnet werden. Zivilrechtlich steht die Klage aus Besitzentziehung nach Art. 927
ZGB zur Verfügung und nach Art. 141 StGB kann eine Strafklage wegen Sachentziehung Abhilfe schaffen.
Verweigert der Arbeitnehmer die Rückgabe von Vermögenswerten an den Arbeitgeber, die er für die Dauer des
Arbeitsverhältnisses erhalten hat, und ist die Retention von
Beginn an unberechtigt, richtet sich die Haftung für allfällige
daraus resultierende Schäden5 nach Art. 321e OR. Dabei ist
zu bedenken, dass bei einer Haftung nach Art. 321e OR ihre
Höhe von den Gerichten je nach Grad der Fahrlässigkeit auf
ein, zwei oder drei Monatslöhne begrenzt und nur bei Vorsatz darüber hinausgegangen wird.6
3.
Unberechtigte Nutzung des
Retentionsobjektes
Das Retentionsrecht umfasst grundsätzlich zwei Rechte:
ein Zurückbehaltungsrecht und ein Verwertungsrecht. Sein
Zweck ist, dem Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber
zur Sicherung seiner Retentionsforderung ein Druckmittel
zur Verfügung zu stellen. Der Arbeitnehmer ist im Rahmen
der Retention berechtigt, das Retentionsobjekt bis zur Begleichung der Forderung zurückzubehalten, nicht aber es
5
6
Beispielsweise die Kosten für einen Ersatzgeschäftswagen.
Vgl. Roland Müller, Aktuelle Rechtsprechung zur Haftung
des Arbeitnehmers, ArbR 2006, 38 f.
10.3.2009 9:12:00 Uhr
Retentionsrecht des Arbeitnehmers – Konsequenzen für den Arbeitgeber
AJP/PJA 3/2009
269
zu nutzen. Damit ihm dies auch klar ist, sollte der Arbeitgeber nach Bekanntwerden der Retention unverzüglich und
ausdrücklich ein Benützungsverbot aussprechen und ihn
gleichzeitig auf die Verpflichtung zur angemessenen Nutzungsentschädigung hinweisen. Wenn der Arbeitnehmer den
retinierten Gegenstand trotzdem nutzt, kann je nach Art des
Retentionsobjektes gegen ihn vorgegangen werden. Wird
beispielsweise ein Geschäftswagen retiniert und auch weiterhin benutzt, kann Art. 94 Ziff. 2 SVG als praktische Waffe
für den Arbeitgeber herangezogen werden.7 Nach dieser Bestimmung wird auf Antrag mit Haft oder Busse bestraft, wer
ein ihm anvertrautes Motorfahrzeug zu Fahrten verwendet,
zu denen er offensichtlich nicht ermächtigt ist.
Grundsätzlich kann eine angemessene Nutzungsentschädigung auf zwei verschiedenen Haftungsgrundlagen geltend
gemacht werden: aufgrund von Art. 321e OR, der eine Haftung des retinierenden Arbeitnehmers für die Wertverminderung des Retentionsgegenstandes statuiert, andererseits kann
der Arbeitnehmer hierfür auch nach Art. 890 Abs. 1 ZGB
zur Verantwortung gezogen werden. Der Arbeitnehmer haftet als Retentionsgläubiger für eine Wertverminderung oder
den Untergang der retinierten Vermögenswerte grundsätzlich
gleich wie ein Faustpfandgläubiger nach Art. 890 ZGB.8
4.
Untergang oder Beschädigung
des Retentionsobjektes
Der Retinierende ist verpflichtet, die zurückbehaltenen Sachen sorgfältig zu behandeln und so zu lagern, dass daran
kein Schaden entsteht.9 Allerdings können durch die sorgfältige Aufbewahrung Kosten entstehen, vor allem ab einer gewissen Grösse der zurückbehaltenen Sache. Diese kann der
Arbeitnehmer vom Arbeitgeber zurückfordern. Die Höhe des
Anspruches wird meist im Rahmen dessen liegen, was eine
reguläre Drittaufbewahrung gekostet hätte. Wäre die Sache
nicht beim Retinierenden untergebracht, müsste der Arbeitgeber eine andere Unterbringung bezahlen.10
Wenn der retinierte Gegenstand beschädigt wird oder
gar untergeht, dann haftet der Arbeitnehmer hierfür entweder nach Art. 321e OR oder nach Art. 890 ZGB.11 Zusätz7
8
9
10
11
Zum Tatbestand von Art. 94 Ziff. 2 SVG vgl. Philippe Weissenberger, Gebrauchsanmassung von Motorfahrzeugen, in:
AJP 1999, 31–40.
Vgl. auch Karl Oftinger/Rolf Bär, Zürcher Kommentar,
3. A., Zürich 1981, N 159 zu Art. 895 ZGB, welche sich bei der
Haftung im Rahmen des allgemeinen Retentionsrecht ebenfalls
für die Anwendung von Art. 890 ZGB aussprechen.
Corrado Rampini/Hermann Schulin/Peter Nedim Vogt,
in: Honsell/Vogt/Wiegand (Hrsg.), Basler Kommentar, 3. A.,
Basel 2003, N 60 und 62 zu Art. 895 ZGB.
Vgl. dazu OGer Luzern, Urteil vom 27. September 1961, in:
ZBJV 1962, 201–202.
Die Anwendung von Art. 890 ZGB beim Retentionsrecht wird in
der Lehre einhellig bejaht. Vgl. dazu Thomas Bauer, in: Honsell/Vogt/Wiegand (Hrsg.), Basler Kommentar, 3. A., Basel 2003,
N 3 zu Art. 890 ZGB; Karl Oftinger/Rolf Bär, Zürcher
AJP 03_2009.indb 269
lich kann der Arbeitgeber auch strafrechtlich aufgrund von
Art. 144 StGB oder Art. 173ter StGB gegen den Arbeitnehmer vorgehen.
Für den Arbeitgeber ist eine Retention durch den Arbeitnehmer dann von Bedeutung, wenn der retinierte Gegenstand
für den Geschäftsbetrieb unbedingt benötigt wird oder einen
erheblichen Wert aufweist. Insbesondere gilt es zu beachten,
dass ein Arbeitnehmer, selbst wenn sich seine Forderung lediglich auf ein paar tausend Franken beziffert, auch einen
Gegenstand mit erheblichem Wert, etwa einen teuren Geschäftswagen, retinieren kann, wenn kein anderes geeignetes
Retentionsobjekt zur Verfügung steht.12
5.
Die Haftung des retinierenden
Arbeitnehmers
Während der Arbeitnehmer für Schäden aus der unberechtigten Retention nur aufgrund von Art. 321e OR haftet, kann
er bei der unberechtigten Nutzung sowie beim Untergang
oder Beschädigung des Retentionsobjektes sowohl aufgrund
von Art. 321e OR als auch Art. 890 ZGB belangt werden.
Die Haftung nach Art. 321e OR wird von den Gerichten in
der Höhe je nach Grad der Fahrlässigkeit auf ein, zwei oder
drei Monatslöhne begrenzt und nur bei Vorsatz wird darüber hinausgegangen.13 Im Rahmen von Art. 890 ZGB wird
die Haftung des retinierenden Arbeitnehmers dagegen nicht
begrenzt. Der Arbeitnehmer kann sich lediglich durch den
Nachweis befreien, dass ihn am Untergang bzw. an der Wertverminderung des Retentionsgegenstandes kein Verschulden
trifft. Der Arbeitgeber beruft sich also mit Vorteil auf Art. 890
ZGB, zumal die arbeitsvertragliche Haftung nach Art. 321e
OR durch richterliches Ermessen begrenzt werden kann. Die
Haftung nach Art. 890 ZGB stellt gegenüber derjenigen nach
Art. 321e OR eine Überlagerung und Erweiterung dar, welche sich schematisch wie folgt darstellen lässt:
Abb. 2: Darstellung der Haftung des retinierenden Arbeitnehmers
Unberechtigte
Retention
OR 321e
12
13
Unberechtigte
Nutzung
OR 321e
Untergang oder
Beschädigung
OR 321e
ZGB 890
ZGB 890
Kommentar, 3. A., Zürich 1981, N 3 zu Art. 890 ZGB; Dieter
Zobl, Berner Kommentar, Bern 1982, N 6 zu Art. 890 ZGB.
ArbGer. ZH vom 27.1.1995 in: ZR 97 (1998) Nr. 81: Der beklagte Arbeitnehmer fuhr einen Mercedes-Benz 300 E als Geschäftswagen, welcher der Arbeitgeberin (Klägerin) gehörte.
Mit Schlussrechnung vom 10. Juni 1993 verlangte die Klägerin die Rückgabe des Fahrzeugs. Der Beklagte behielt ihn und
machte daran Retention geltend.
Vgl. Roland Müller, Aktuelle Rechtsprechung zur Haftung
des Arbeitnehmers, ArbR 2006, 38 f.
10.3.2009 9:12:01 Uhr
Roland Müller/Stefan Rieder
AJP/PJA 3/2009
270
B.
Rechtsgrundlagen des
Retentionsrechts
I.
Voraussetzungen des Retentionsrechts
Die allgemeine Rückgabepflicht bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses gemäss Art. 339 Abs. 1 OR wird durch
das in Art. 339a Abs. 3 OR vorbehaltene Retentionsrecht
eingeschränkt. Im Rahmen des arbeitsvertraglichen Retentionsrechts gelten die allgemeinen Bestimmungen betreffend
Retentionsrecht gemäss den Art. 895 ff. ZGB. Ein Arbeitnehmer kann demnach ein Retentionsrecht an beweglichen
Sachen oder Wertpapieren, die dem Arbeitgeber gehören,
ausüben, sofern nachfolgende Voraussetzungen kumulativ
gegeben sind:
1. Der Arbeitnehmer hat eine fällige Forderung gegen den
Arbeitgeber.
2. Er ist im Besitz von beweglichen Sachen oder Wertpapieren, die dem Arbeitgeber gehören.
3. Er hat diese beweglichen Sachen bzw. Wertpapiere mit
dem Einverständnis des Arbeitgebers erhalten.
4. Er hat diese beweglichen Sachen bzw. Wertpapiere im
Rahmen der Erfüllung des Arbeitsvertrages erhalten.
Retinierbar ist also nur eine verwertbare fremde bewegliche
Sache. Verwertbar ist eine Sache dann, wenn sie übertragbar,
d.h. verkehrsfähig ist und einen Vermögenswert aufweist.14
Demnach sind Ausweise, Akten, Zeugnisse oder Schlüssel15
aufgrund fehlender Verwertbarkeit nicht retinierbar. Der Arbeitnehmer muss mit Willen des Arbeitgebers im Besitz des
betreffenden Gegenstandes sein. Weiter muss eine Forderung
bestehen, welche mit dem zurückbehaltenen Gegenstand im
Zusammenhang steht, d.h. sie muss aus dem Arbeitsverhältnis, aufgrund dessen der Arbeitnehmer den Gegenstand zu Besitz erhalten hat, herrühren.16 Bei der Beurteilung dieser Voraussetzungen problematisch ist insbesondere die Frage, ob der
Arbeitnehmer Besitzer des retinierten Gegenstandes ist.
II.
Unselbständiger Besitzer oder
Besitzdiener
Eine rechtmässige Retention durch den Arbeitnehmer kann
nur erfolgen, wenn er Besitzer des Retentionsobjektes ist.
Nach den Regeln des ZGB ist das derjenige, welcher die
tatsächliche Gewalt über eine Sache innehat, wobei «Sachherrschaft» eine feste, auf Dauer berechnete Beziehung einer
Person zu einer Sache bedeutet.17 Nach Art. 920 ZGB kann
der Besitz selbstständig oder unselbständig sein. In aller Regel ist der Arbeitnehmer lediglich unselbständiger Besitzer,
das heisst, dass er, nachdem ihm der selbständige Besitzer,
der Arbeitgeber, den Besitz übertragen hat, diesen sozusagen stellvertretend ausübt. Häufig besitzt er den Gegenstand
unmittelbar und kann darüber direkt verfügen. Neben den
Formen des selbstständigen und unselbständigen Besitzes
nach Art. 920 ZGB gibt es auch den Fall des Besitzdieners,
in welchem ein Arbeitnehmer vom Arbeitgeber zwar Gewalt
über einen Gegenstand erhält, aber im Gegensatz zum unselbständigen Besitzer keinerlei eigene Rechte am Gegenstand hat, er ist vielmehr verpflichtet, den Anweisungen des
Arbeitgebers als Besitzer des Gegenstandes zu folgen. Wenn
der Arbeitnehmer also blosser Besitzdiener ist, steht ihm
kein Retentionsrecht zu.
Die Frage, ob der Arbeitnehmer unselbständiger Besitzer
oder Besitzdiener ist, beschäftigt auch die Gerichte regelmässig. Unter anderem musste entschieden werden, ob ein
Arbeitnehmer von einem durch den Arbeitgeber geleasten
Fahrzeug überhaupt Besitzer sein kann. Das Arbeitsgericht
Zürich hatte einen Fall zu beurteilen, in welchem die Arbeitgeberin ein Auto für den ausschliesslichen Gebrauch durch
den Arbeitnehmer geleast hat. Das Fahrzeug durfte unbestrittenermassen sowohl für geschäftliche als auch für private
Zwecke benutzt werden. Weil der Arbeitnehmer das Fahrzeug nach freiem Ermessen benutzen durfte, war er unselbständiger Besitzer und nicht bloss Besitzdiener. Das Arbeitsgericht Zürich entschied mit Urteil vom 28. Februar 2003
folgerichtig, dass der Arbeitnehmer ein Retentionsrecht am
Geschäftsfahrzeug geltend machen kann.18 Im Vergleich zum
Arbeitnehmer, der den geleasten Geschäftswagen auch für
Privatzwecke nutzen darf und somit unselbständiger Besitzer
ist, hat ein Chauffeur, der den Lastwagen nur weisungsgemäss einsetzen darf, kein Retentionsrecht, weil er eben nur
Besitzdiener ist.19
C.
Retentionsprobleme in der Praxis
I.
Retention eines Geschäftswagens
als Beispiel
1.
Ausgangslage des konkreten Falles
Rainer Renitent20 hatte seine juristischen Studien abgeschlossen und trat am 1. Januar 2007 eine Stelle als Verkaufsleiter
18
14
15
16
17
Vgl. Dieter Zobl, Berner Kommentar, Bern 2003, N 4 zu
Art. 896 ZGB.
Vgl. Chambre d’appel des prud’hommes du Canton de Genève,
Urteil vom 13.2.2003, in: JAR 2004, 471 ff.
Vgl. Oskar Brander, Das Retentionsrecht nach schweizerischem Zivilrecht, Diss., Zürich 1933, 87.
Art. 919 Abs. 1 ZGB.
AJP 03_2009.indb 270
19
20
JAR 2004, 591–594.
Ullin Streiff/Adrian von Kaenel, Arbeitsvertrag, Praxiskommentar zu Art. 319–362 OR, 6. A., Zürich 2006, N 4 zu
Art. 339a OR.
Der Name des Arbeitnehmers wurde aus Gründen des Datenund Persönlichkeitsschutzes geändert, die Datumsangaben
wurden zur Verdeutlichung der Problematik jedoch unverändert
übernommen.
10.3.2009 9:12:01 Uhr
Retentionsrecht des Arbeitnehmers – Konsequenzen für den Arbeitgeber
AJP/PJA 3/2009
271
an. Für die Ausübung seiner Tätigkeit und auch zur privaten
Nutzung wurde ihm ein repräsentativer Geschäftswagen zur
Verfügung gestellt. Schon nach einem Jahr kündigte Rainer
Renitent jedoch per 31. August 2008 das Arbeitsverhältnis.
Es endete, ohne dass der Arbeitnehmer den vom Arbeitgeber geleasten Geschäftswagen zurückgegeben hätte. Nach
schriftlicher Aufforderung (eingeschrieben und per E-Mail)
des Arbeitgebers zur unverzüglichen Rückgabe macht Rainer Renitent unter Hinweis auf sein Retentionsrecht eine
Lohnforderung und Ferienentschädigung in Höhe von rund
CHF 11 100.– geltend. Die geltend gemachten Forderungen
waren zwar offensichtlich übersetzt, doch dem Arbeitgeber
blieb zur Wahrung seiner Rechte nichts anderes übrig, als
einen Rechtsanwalt einzuschalten und die gerichtliche Herausgabe des retinierten Wagens zu verlangen. Ursprünglich
hegte er die Hoffnung, dieser Prozess werde relativ rasch
abgeschlossen sein, da es sich doch um ein arbeitsgerichtliches Verfahren handle. Dies sollte sich aber als verfehlt
erweisen.
2.
Gerichtliche Hinterlegung einer
hinreichenden Sicherheit
Weil der Arbeitgeber den Geschäftswagen im Hinblick auf
die laufenden Leasingkosten möglichst rasch zurückerhalten wollte und die geltend gemachte Forderung bestritt, entschied sich der Rechtsanwalt für die gerichtliche Hinterlegung einer hinreichenden Sicherheitsleistung. Zuvor verbot
er Rainer Renitent im Namen des Arbeitgebers ausdrücklich
die weitere Nutzung des Geschäftswagens mit dem Hinweis
auf eine angemessene Nutzungsentschädigung bei Missachtung des Benützungsverbotes. Grundsätzlich dient dem
Arbeitgeber die Sicherstellung der geltend gemachten Forderung in erster Linie als geeignetes Abwehrmittel der Retention. Sobald die Forderung des Arbeitnehmers durch den
Arbeitgeber oder einen Dritten hinreichend sichergestellt
ist, darf der Arbeitnehmer den retinierten Gegenstand nicht
mehr zurückbehalten und schon gar nicht verwerten.21 Falls
die Sicherstellung nicht die ganze Forderung abdeckt, ist
der Gläubiger verpflichtet, einen Teil der retinierten Sache
zurückzugeben, sofern diese teilbar ist.22 Damit eine ausreichende Sicherstellung gewährleistet ist, muss die Forderung
inklusive Zinsen und Kosten tatsächlich gerichtlich hinterlegt werden. Eine blosse persönliche Garantie des Arbeitgebers reicht nicht aus.23
Um eine Sicherheitsleistung hinterlegen zu können, ist
vorab ein entsprechender Gerichtsbeschluss nötig. Dieser wiederum bedingt zuerst ein Gesuch an das örtlich und
sachlich zuständige Gericht. Rainer Renitent hatte nach Er-
21
22
23
Art. 898 Abs. 1 ZGB; vgl. auch Rampini/Schulin/Vogt
(FN 8), N 53 zu Art. 895 ZGB.
Oftinger/Bär (FN 7), N 141 zu Art. 895 ZGB.
Streiff/von Kaenel (FN 18), N 4 zu Art. 339a OR.
AJP 03_2009.indb 271
halt des Benützungsverbotes vorsorglich seinen Wohnsitz in
die französischsprachige Schweiz verlegt. Damit sollte dem
Arbeitgeber wohl ein zusätzlicher Aufwand bei der Durchsetzung seines Anspruches verursacht werden. Doch der
Rechtsvertreter des Arbeitgebers machte den Fall einer freiwilligen Gerichtsbarkeit im Sinne von Art. 11 GestG geltend
und klagte beim Gericht am Sitz des Gesuchsstellers.
Rainer Renitent bestritt vorab die örtliche und sachliche
Zuständigkeit des angerufenen Gerichts sowie in einer zusätzlichen Prozessschrift die grundsätzliche Möglichkeit
einer Sicherstellung. Dies führte zu weiteren Prozessverzögerungen und Anwaltskosten, musste doch auch zur zusätzlichen Prozesseingabe eine Stellungnahme abgegeben werden. Schliesslich verfügte das Gericht am 19.11.2007, knapp
drei Monate nach Beginn der Retention, die Zulässigkeit
der Hinterlegung einer hinreichenden Sicherheitsleistung.
Im Gerichtsbeschluss wurde festgehalten, dass es sich bei
der Hinterlegung tatsächlich um einen Anwendungsfall der
freiwilligen Gerichtsbarkeit handle. Allerdings komme diese
Gesetzesbestimmung nach ihrem Wortlaut nur zur Anwendung, «sofern das Gesetz nichts anderes bestimmt». Der Anspruch auf Hinterlegung einer Sicherheitsleistung wird aus
Art. 898 ZGB hergeleitet, weshalb insbesondere zu prüfen
war, ob es sich beim Gesuch um Hinterlegung einer Sicherheitsleistung, um eine Klage über dingliche Rechte an beweglichen Sachen im Sinn von Art. 20 GestG handelt. Dies
wurde verneint, zumal Art. 20 GestG ausdrücklich von «Klagen» spricht, ein Hinweis dafür, dass eine Anwendung nur
bei streitigen Angelegenheiten Anwendung findet. Zudem
geht es bei der Hinterlegung einer Sicherheitsleistung nicht
um einen materiellen Entscheid über ein dingliches Recht an
einer beweglichen Sache. Die rechtlichen Erwägungen des
Gerichts lassen erkennen, dass die örtliche und sachliche Zuständigkeit zur Hinterlegung einer Sicherheit im Falle einer
Retention nicht leicht zu bestimmen ist.
3.
Fortsetzung der Retention trotz
Hinterlegung einer Sicherheit
Nach Ablauf der Rechtsmittelfrist und Zugang der Rechtskraftbestätigung hinterlegte der Arbeitgeber am 17.12.2007
die Summe von rund CHF 20 000.– zur Sicherstellung aller
möglichen Ansprüche des Arbeitnehmers. Doch Rainer Renitent machte geltend, der hinterlegte Betrag reiche zur Sicherstellung seiner Ansprüche nicht aus und liess sich trotz
gerichtlicher Bestätigung der Hinterlegung am 20.12.2007
nicht davon abhalten, das Fahrzeug weiter zu behalten.
Der Arbeitgeber hatte nun die Wahl, einen weiteren personell und finanziell aufwändigen Gerichtsprozess auf Herausgabe des Firmenwagens anzustrengen oder einen Teil der
geltend gemachten Forderung zu bezahlen und so hoffentlich
rasch wieder in den Besitz des Firmenwagens zu gelangen.
Am 1.3.2008 wurde schliesslich eine aussergerichtliche Vereinbarung zwischen den Parteien geschlossen, wonach sich
der Arbeitgeber zur Bezahlung eines Teilbetrages der geltend
10.3.2009 9:12:02 Uhr
Roland Müller/Stefan Rieder
AJP/PJA 3/2009
272
gemachten Forderung per saldo aller Ansprüche verpflichtete
und Rainer Renitent die Rückgabe des Firmenwagens sowie
die Freigabe der Sicherheitsleistung versprach.
Die Forderung wurde im anerkannten Umfang fristgerecht vom Arbeitgeber bezahlt. Doch noch immer fühlte
sich Rainer Renitent nicht verpflichtet, den Geschäftswagen
herauszugeben. Nun machte er stattdessen plötzlich eine
weitere Forderung von rund CHF 42 000.– wegen angeblich missbräuchlicher Kündigung geltend. Dem Arbeitgeber
blieb deshalb nichts anderes übrig, als Strafklage gegen Rainer Renitent wegen Sachentziehung und zeitgleich ein zivilrechtliches Gesuch um vorsorgliche Massnahmen wegen
Besitzesentziehung am 31.3.2008 einzureichen.
4.
Urteil und Rückgabe des Fahrzeuges ohne
strafrechtliche Folgen
Aufgrund der zivilrechtlichen Klage wurde Rainer Renitent
mit richterlichem Entscheid vom 13. Mai 2008 angewiesen,
den Geschäftswagen bis zum 19. Mai 2008 herauszugeben.
Nachdem Rainer Renitent dagegen zuerst das Rechtsmittel
der Appellation ergriffen, dann jedoch wieder zurückgezogen hatte, retournierte er am 19. Juni 2008 endlich das bis auf
einige Kratzer unbeschädigte Firmenfahrzeug. Die Kosten
des Gerichtsentscheides und die ausseramtliche Entschädigung an den Rechtsanwalt des Arbeitgebers bezahlte er ohne
weiteres.
Am 22.10.2008 stellte die Staatsanwaltschaft das Verfahren gegen Rainer Renitent unter Kostenfolge zu Lasten des
Staates ein. Begründet wurde die Einstellungsverfügung damit, dass die gesetzliche Strafantragsfrist vom Arbeitgeber
nicht eingehalten worden sei. Tatsächlich handelt es sich bei
der Sachentziehung nach Art. 141 StGB um ein Antragsdelikt, weshalb der Strafantrag gemäss Art. 31 StGB innert drei
Monaten seit dem Tag, an welchem der antragsberechtigten
Person die Tat und der Täter bekannt sind, gestellt werden
muss.24 Durch die Hinterlegung von CHF 20 000.– zur Sicherstellung aller möglicher Ansprüche des Arbeitnehmers,
endete nach Auffassung der Staatsanwaltschaft die rechtmässige Retention schon am 20.12.200725, weshalb die
Strafantragsfrist am 21.3.2008 abgelaufen sei. Im konkreten
Fall hatte der Renitent aber vorerst die örtliche und sachliche
Zuständigkeit des Gerichts bestritten, weshalb die Hinterlegung der Sicherheit erst am 29.1.2008 rechtswirksam wurde. Weil aber die Rechtmässigkeit der Hinterlegung auch
hätte verneint werden können, kann für die Berechnung der
Antragsfrist nicht das Datum der Hinterlegungsmitteilung,
24
25
Bei der Sachentziehung ist zu beachten, dass es sich nicht um
ein Dauerdelikt handelt und die Frist somit nicht erst mit der Beendigung der Entziehung zu laufen beginnt (Philippe Weissenberger in: Honsell/Vogt/Wiegand (Hrsg.), Basler Kommentar,
Strafrecht II, 2. A., Basel 2007, N 30 zu Art. 141 StGB).
Datum der Bekanntgabe der Hinterlegung einer Sicherheitsleistung durch das zuständige Gericht.
AJP 03_2009.indb 272
sondern erst dasjenige der Bekanntgabe der rechtmässigen
Hinterlegung entscheidend sein. Der Arbeitgeber verzichtete
jedoch auf die Ergreifung eines Rechtsmittels, um unnötige
und nicht mehr einbringliche Kosten zu vermeiden.
Da der Betrag von CHF 20 000.– noch immer gerichtlich
hinterlegt war, war damit der Fall noch nicht abgeschlossen. Dem Arbeitgeber blieb nichts anderes übrig, als selbst
eine negative Feststellungsklage einzureichen, um den gerichtlich hinterlegten Betrag zurückzuerhalten, da Rainer
Renitent selbst keine Klage einreichte. Er verzichtete dabei
vorsorglich auf die Geltendmachung der kleinen Schäden
am Fahrzeug und der gefahrenen Zusatzkilometer. Jetzt
zahlte sich der abgeschlossene Vergleich doch noch aus,
denn Rainer Renitent konnte nun keine zusätzlichen Forderungen mehr geltend machen. Die als Sicherheit hinterlegten
CHF 20 000.– wurden dem Arbeitgeber anschliessend zurückbezahlt, allerdings unverzinst.
II.
Erkenntnisse aus dem konkreten Fall
Die Analyse des geschilderten Retentionsfalles zeigt, dass
mit dem Retentionsrecht des Arbeitnehmers u.U. ernsthafte
Konsequenzen für den Arbeitgeber verbunden sein können.
Selbst die gerichtliche Hinterlegung eines Betrages, welcher
weit über der geltend gemachten Forderung liegt, muss nicht
zwingend dazu führen, dass der Arbeitgeber wieder in den
Besitz des Retentionsobjektes gelangt.
Dieser Fall veranschaulicht zudem die derzeit noch unbefriedigende Rechtswirkung von Vergleichen, welche sich
hoffentlich mit der neuen schweizerischen ZPO ändern
wird. Nach dem aktuellen Entwurf wird es gemäss Art. 345
die sog. vollstreckbare öffentliche Urkunde geben.26 Anstatt
einer gewöhnlichen Vereinbarung, wie sie im vorliegenden
Fall getroffen wurde, könnte zukünftig eine vollstreckbare
öffentliche Urkunde abgefasst werden, in welcher eine ausdrückliche Anerkennung der unmittelbaren Vollstreckung
durch die verpflichtete Partei festgehalten werden kann.
Dann wäre kein materieller Entscheid mehr notwendig, weil
die Vollstreckung aufgrund des Vergleiches bzw. der entsprechenden Urkunde verlangt werden könnte und die Durchsetzung von Besitzesansprüchen würde dadurch eine erhebliche
Zeit- und Kostenreduktion erfahren.
Die Retention durch den Arbeitnehmer hat im vorliegenden
Fall dazu geführt, dass der Arbeitgeber eine Sicherheitsleistung von rund CHF 20 000.– erbringen und Gerichts- sowie
Anwaltskosten in Höhe von über CHF 25 000.– ausgeben
musste, um erst nach knapp 10 Monaten wieder in den Besitz
des Geschäftswagens zu gelangen. Zudem musste er während der ganzen Zeit die laufenden Leasingkosten tragen,
ohne daraus einen Nutzen ziehen zu können. Weitere Kosten sind im Zusammenhang mit dem Strafverfahren und der
26
Vgl. hierzu Dominik Gasser, Die Vollstreckung nach der
Schweizerischen ZPO, in: Anwaltsrevue 2008, 340–346.
10.3.2009 9:12:02 Uhr
Retentionsrecht des Arbeitnehmers – Konsequenzen für den Arbeitgeber
AJP/PJA 3/2009
273
negativen Feststellungsklage zur Rückerstattung der hinterlegten Sicherheitsleistung angefallen.
III.
Verwertung eines retinierten,
geleasten Geschäftswagen
Im konkreten Retentionsfall stellte sich die Frage der Verwertungsmöglichkeit des retinierten Geschäftswagens nicht,
weil der Arbeitgeber genügend Sicherheit leistete und Rainer Renitent den Geschäftswagen schliesslich unberechtigt
retinierte. Insbesondere wenn es sich beim Retentionsgegenstand um ein geleastes Geschäftsfahrzeug handelt, ist die
Verwertungsmöglichkeit von Bedeutung. Sofern der Arbeitnehmer wie im vorliegenden Retentionsfall nicht nur blosser
Besitzdiener sondern Besitzer des Retentionsgegenstandes
ist, kann er ihn auch verwerten. Dies gilt auch dann, wenn
er weiss, dass der Geschäftswagen lediglich geleast ist.27
Vor diesem Hintergrund ist der Arbeitnehmer gutgläubig im
Sinne von Art. 895 Abs. 3 ZGB und kann den retinierten Geschäftswagen in der Folge auch verwerten.
Die Geltendmachung des Verwertungsrechts muss beim
Retentionsrecht grundsätzlich durch Betreibung auf Faustpfandverwertung nach Art. 151 ff. SchKG erfolgen, zumal es
sich beim Retentionsrecht um ein Besitzpfandrecht handelt
und der Besitz des Retentionsgläubigers gleich geschützt ist
wie derjenige des Faustpfandgläubigers.28 Bei einem geleasten Geschäftswagen hat dies zur Folge, dass der Leasinggeber die Stellung eines Dritteigentümers einnimmt. Will der
Dritteigentümer die Verwertung des Retentionsgegenstandes
verhindern, so hat er das Recht, den Gläubiger zu befriedigen und so die verpfändete Sache einzulösen. Dann kann er
gegenüber dem Leasingnehmer Regress nehmen. Das Verwertungsverfahren richtet sich nach Art. 151 SchKG, sodass
der Zahlungsbefehl auch an den Dritteigentümer auszustellen ist. Das ist i.d.R. kein Problem, da im Fahrzeugausweis
vom Strassenverkehrsamt ein Hinweis auf die Leasinggesellschaft angebracht wird.
Für die Leasinggesellschaft kann die Verwertung erhebliche negative Konsequenzen haben. Fraglich ist allerdings,
ob dies in der Praxis überhaupt als Problem wahrgenommen
wird, weil ein Arbeitgeber in aller Regel den geleasten Geschäftswagen so schnell als möglich wieder in seinem Besitz
haben will und deshalb wohl Sicherheit für den Retentionsgegenstand leisten wird. Zudem ist ein geleaster Geschäftswagen dann nicht retentionstauglich und somit auch nicht
verwertbar, wenn er dem Arbeitnehmer nicht zur privaten
Nutzung überlassen wurde. Die Leasinggesellschaften sind
jedenfalls gut beraten, im Leasingvertrag eine entsprechende
Klausel aufzunehmen, dass der Arbeitgeber in einem Reten-
27
28
Vgl. Franz Studer, Das Retentionsrecht in der Zwangsvollstreckung, Diss., Zürich 2000, 29 f.
Vgl. Dieter Zobl, Berner Kommentar, N 17 f. zu Art. 895
ZGB.
AJP 03_2009.indb 273
tionsfall verpflichtet ist, umgehend eine hinreichende Sicherheit zu leisten, um die Verwertung zu verunmöglichen.
D.
Zusammenfassung und
Empfehlungen
Das Retentionsrecht des Arbeitnehmers kann für den Arbeitgeber unangenehme zeitliche und finanzielle Kosten haben.
Leider lässt es sich nicht einfach ausschliessen, da es zwingender Natur und daher durch Vertrag nicht abänder- oder
wegbedingbar ist.29 Das Retentionsrecht soll dem Arbeitnehmer ermöglichen, Druck auf den Arbeitgeber auszuüben und
gleichzeitig verhindern, dass der Arbeitgeber den retinierten
Gegenstand zurückverlangen kann, ohne die finanziellen
Forderungen des Arbeitnehmers erfüllt oder anderweitig sichergestellt zu haben.
Um dem Retentionsrecht seines Arbeitnehmers zumindest bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses auszuweichen,
hat ein Arbeitgeber die Möglichkeit, den potentiellen Retentionsgegenstand bereits bei der Kündigung zurückzunehmen.
Dies ist allerdings bei einem Geschäftswagen, der vom Arbeitnehmer auch für private Zwecke verwendet werden darf,
nicht ohne weiteres möglich. In einem solchen Falle müsste
der wegfallende private Nutzen bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses entschädigt werden.
Es ist zulässig, in den Arbeitsvertrag eine Klausel aufzunehmen, wonach dem Arbeitnehmer in gekündigter Stellung
keine private Nutzung des Geschäftwagens mehr zusteht.
Dadurch wird der Arbeitnehmer in gekündigter Stellung automatisch zum Besitzdiener und eine rechtmässige Retention
demzufolge ausgeschlossen. Gleichzeitig erlischt damit auch
eine Verwertungsmöglichkeit, was bei geleasten Geschäftsfahrzeugen negative Konsequenzen für die Leasinggesellschaft ausschliesst.
Wenn nach Inkrafttreten von Art. 345 der neuen Schweizer
ZPO zukünftig eine Vereinbarung über die Rückgabe eines
retinierten Gegenstandes zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber abgeschlossen wird, so sollte sie als vollstreckbare
öffentliche Urkunde abgefasst werden. Dies wird die rechtliche Durchsetzung einer solchen Vereinbarung wesentlich
vereinfachen, auch wenn die unangenehmen Konsequenzen
einer Retention des Arbeitnehmers für den Arbeitgeber nicht
vollständig verhindert werden können.
Bei einer allfälligen Strafanzeige wegen Sachentziehung
nach Art. 141 StGB ist zu beachten, dass es sich dabei um
ein Antragsdelikt handelt, weshalb der Strafantrag gemäss
Art. 31 StGB innert drei Monaten seit dem Tag, an welchem der Arbeitgeber von der unrechtmässigen Retention
29
Vgl. auch Adrian Staehelin/Frank Vischer, Zürcher Kommentar, 3. A., Zürich 1996, N 9 zu Art. 339a OR, und Streiff/
Von Kaenel (Fn 18), N 6 zu Art. 339a OR.
10.3.2009 9:12:02 Uhr
Roland Müller/Stefan Rieder
AJP/PJA 3/2009
274
Kenntnis hat, gestellt werden muss. Die Staatsanwaltschaft
wird diesen Zeitpunkt sehr früh annehmen. Der Arbeitgeber
ist deshalb gut beraten, den Zeitpunkt der Hinterlegung als
massgebenden Zeitpunkt für die Berechnung der Antragsfrist zu verwenden.
En pratique, la restitution des modèles, instruments, outils ou
véhicules propres à l’entreprise lorsque les rapports de travail
prennent fin donne souvent lieu à des discussions. L’art. 339a
al. 3 CO accorde au travailleur un droit de rétention pour les
créances découlant du rapport de travail; toutefois, il doit avoir
obtenu la possession de l’objet grevé du droit de rétention par
la volonté de l’employeur. Il est donc important en pratique de
distinguer la position du travailleur en tant que possesseur ou
simple auxiliaire de la possession. Comme le montre le cas de
rétention traité, le droit de rétention du travailleur peut avoir
des conséquences financières désagréables ou entraîner des
coûts en termes de temps pour l’employeur. Comme le droit
de rétention a un caractère impératif, il ne peut être exclu par
contrat. L’employeur devrait dès lors reprendre les objets pouvant faire l’objet d’un droit de rétention dès la résiliation. Mais
même lorsque le travailleur n’a pas le droit d’exercer de droit
de rétention, un tel droit exercé à tort peut entraîner différents problèmes. Que le droit de rétention soit justifié ou non,
l’employeur est confronté à des questions de responsabilité si
l’objet du droit de rétention a été endommagé ou détruit.
(trad. LT LAWTANK, Fribourg)
AJP 03_2009.indb 274
10.3.2009 9:12:03 Uhr
Restitution spontanée de fonds bloqués à des États défaillants: les cas Duvalier et Mobutu
AJP/PJA 3/2009
Restitution spontanée de fonds bloqués
à des États défaillants:
les cas Duvalier et Mobutu
SANDRINE GIROUD-ROTH
LAURENT MOREILLON
lic. iur., avocate,
Lausanne
Prof. Dr. iur., avocat,
Doyen de la Faculté de
droit de l’Université de
Lausanne
Plan
I. Introduction
II. Les affaires Duvalier et Mobutu
A. L’affaire Duvalier
B. L’affaire Mobutu
III. Les récentes décisions Duvalier et Mobutu
A. Les décisions des 2 juillet 2008 et 12 février 2009
B. Les décisions des 12 décembre 2008 et 25 février 2009
C. Deux États «défaillants»
IV. La pratique suisse en matière de restitution spontanée de fonds
à la lumière des récentes décisions Duvalier et Mobutu
A. Cadre légal
1. Personnes exposées politiquement
2. La confiscation
a. Absence de confiscation autonome
b. La confiscation internationale
c. La voie de l’entraide internationale
3. Le blocage «politique»: l’art. 184 al. 3 Cst.
B. Les décisions Duvalier et Mobutu: un équilibre périlleux
des intérêts juridiques en jeu
1. Garantie d’accès au juge
2. Respect du principe de la légalité
a. Garantie de la propriété
b. Bases légales fondant la restitution anticipée
3. Respect du principe de la proportionnalité
4. La charge du fardeau de la preuve au regard de la présomption d’innocence
V. Propositions pour un projet de loi
VI. Conclusion
2 juillet 20081 et 12 février 2009,2 de maintenir le blocage,
respectivement de restituer, les fonds Duvalier à Haïti dans
le cadre d’une nouvelle procédure d’entraide judiciaire. De
même, dans une affaire remontant à 1997, le Conseil fédéral
(CF) a décidé, en date des 12 décembre 20083 et 25 février
2009,4 de prolonger le blocage des fonds Mobutu, le dernier
délai courant jusqu’au 30 avril 2009.
Si ces décisions sont à saluer pour l’esprit de justice qui
les anime, elles soulèvent toutefois certaines interrogations
quant à leur légalité, notamment concernant le fameux
renversement du fardeau de la preuve qu’elles mettent en
œuvre, ainsi que l’utilisation répétée du blocage «politique».
Elles ne sont cependant que le reflet d’une situation tenue
par quelques bouts de ficelle en ce qui concerne la confiscation des avoirs des criminels internationaux lorsque des États
«défaillants» sont impliqués. La législation et la jurisprudence dans ce domaine font clairement apparaître les lacunes de
la réglementation suisse que les autorités d’application, animées des intentions les plus honorables, ne peuvent contourner qu’au prix d’acrobaties juridiques se concluant souvent
par une pirouette politique. C’est pour mettre fin à cette situation que le Conseil fédéral (CF) a chargé le Département
fédéral des affaires étrangères (DFAE) d’établir un projet de
loi qui permette la confiscation des avoirs d’origine illicite de
personnes exposées politiquement (PEP).5
Le présent article retrace d’abord l’historique des affaires
Duvalier et Mobutu et explique le contenu des récentes décisions de l’OFJ et du CF y relatives. Il met ensuite en évidence les interrogations et les problèmes suscités par la pratique
actuelle des autorités suisses en la matière et, à la lumière de
ces deux affaires, en examine les conséquences sous l’angle
des garanties caractérisant un État de droit. Enfin, il dessine
quelques pistes de réflexion en vue de la rédaction du futur
projet de loi.
1
2
3
4
I.
Introduction
5
Dans un ultime rebondissement d’une saga qui date déjà de
1986, l’Office fédéral de la justice (OFJ) a décidé, en date des
AJP 03_2009.indb 275
275
Communiqué de presse de l’OFJ du 2 juillet 2008, disponible à
l’adresse électronique: http://www.bj.admin.ch/bj/fr/home/dokumentation/medieninformationen/2008/2008-07-02.html.
Communiqué de presse de l’OFJ du 12 février 2009, disponible à l’adresse électronique: http://www.ejpd.admin.ch/ejpd/fr/
home/dokumentation/mi/2009/ref_2009-02-12.html.
Communiqué de presse du DFAE du 12 décembre 2008, disponible à l’adresse électronique: http://www.news.admin.ch/message/index.html?lang=fr&msg-id=24042.
Communiqué de presse du DFAE du 25 février 2009, disponible à l’adresse électronique: http://www.eda.admin.ch/eda/fr/
home/recent/media/single.html?id=25544.
Communiqué de presse du DFAE du 5 décembre 2008, disponible à l’adresse électronique: http://www.news.admin.ch/message/index.html?lang=fr&msg-id=23694.
10.3.2009 9:12:03 Uhr
Sandrine Giroud-Roth/Laurent Moreillon
AJP/PJA 3/2009
276
II.
Les affaires Duvalier et Mobutu
A.
L’affaire Duvalier
Succédant en 1971 à son père à la tête de l’État haïtien, JeanClaude Duvalier, mieux connu sous le nom de «Baby Doc»,
resta au pouvoir jusqu’en 1986. Sous sa présidence, Haïti fut
le lieu de nombreux crimes et violations des droits de l’homme: arrestations arbitraires, torture, disparitions forcées, exécutions extrajudiciaires, etc.6 À cela s’ajoutèrent des détournements massifs de biens publics.7
Suite au départ forcé de Duvalier en 1986, le gouvernement haïtien demanda au CF l’entraide judiciaire relative aux
avoirs ayant disparu sous sa présidence. Après avoir identifié
plusieurs comptes bancaires de la famille Duvalier dans les
cantons de Vaud, Zurich et Genève, le CF transmit l’affaire
aux cantons respectifs qui donnèrent l’ordre aux banques
de bloquer les fonds. Un montant d’environ 7,5 millions de
francs fut ainsi bloqué à titre provisoire en vertu de l’art. 18
EIMP.8
Durant plus d’une décennie, l’affaire n’avança pas, notamment du fait des graves dysfonctionnements internes que
connut Haïti dans les années 90. La procédure d’entraide
semblant vouée à l’échec, le CF décida, en 2002, de bloquer
les avoirs en Suisse de Duvalier sur la base de la compétence
que lui confère l’art. 184 al. 3 Cst.9 («blocage politique») en
matière de sauvegarde des intérêts du pays.10
Le DFAE fut alors chargé d’assister les parties dans la recherche d’une solution transactionnelle. Une telle issue semblait à portée de main avant l’échéance du premier blocage
en 2005. Sa finalisation nécessitait cependant de réunir tous
les ayants droit de la famille Duvalier, ce qui ne se réalisa pas
par manque de volonté des intéressés. Dans ce contexte, le
CF décida de prolonger la mesure de blocage.11
Les représentants de la famille Duvalier ont, par la suite,
perdu tout intérêt à la conclusion d’un accord en raison de
l’arrêt du 27 avril 2006 du Tribunal fédéral (TF) dans l’affaire Mobutu.12 Bien que reconnaissant la légitimité du blocage, le TF en critiqua la proportionnalité dans la mesure où
le créancier n’était manifestement pas disposé à collaborer
6
7
8
9
10
11
12
Amnesty International, Haïti: Les visages de la Répression, Paris 1985; Commission Inter-Américaine des Droits de l’Homme, Rapports annuels: 1971–1987; Patrick Lemoine, Fort-Dimanche, Fort-La-Mort, New York 2006.
Rapport de la Banque de la République d’Haïti du 15 janvier
1987.
Loi fédérale sur l’entraide internationale en matière pénale
(EIMP, RS 351.1).
Constitution fédérale (Cst., RS 101).
Communiqué de presse du DFAE du 14 juin 2002.
Pierre-Yves Morier, Is Autonomous Confiscation the Acme
of Asset Recovery?, in: Mark Pieth (édit.), Recovering Stolen
Assets, Berne 2008, p. 265.
Morier (n. 11), p. 274 ss; ATF 1A.150/2004 du 27 avril 2006.
AJP 03_2009.indb 276
pour trouver une solution négociée. Ainsi confortée dans
son attitude non conciliante, la famille Duvalier se contenta
d’attendre l’échéance de la mesure de blocage fixée au 3 juin
2007.
Le 1er juin 2007, le CF, s’appuyant une fois de plus sur
sa compétence en matière de politique extérieure, ordonna
un nouveau blocage politique des fonds pour trois mois supplémentaires. Contre toute attente, cette mesure fut renouvelée en date du 22 août 2007, pour une nouvelle période
de douze mois.13 Cette mesure se fondait sur les assurances
données par le Président haïtien quant à la volonté de son
État d’introduire des poursuites contre Duvalier. Cet ultime
répit devait laisser au gouvernement haïtien la possibilité de
concrétiser ses promesses. La décision de prolongation du
blocage des fonds fit toutefois l’objet d’un recours auprès du
Tribunal administratif fédéral (TAF) qui donna lieu à un arrêt
limité à la recevabilité de la cause.14 Ce recours devint par la
suite sans objet, consécutivement à la décision du 2 juillet
2008 de l’OFJ.15
B.
L’affaire Mobutu
Président de 1965 à 1997 de la République démocratique du
Congo (RDC) – qu’il avait lui-même rebaptisée Zaïre – Joseph Désiré Mobutu Sese Seko instaura un régime fondé sur
la corruption et les violations massives des droits de l’homme. On estime à plusieurs milliards les fonds détournés par
lui et son clan.16
Suite à l’éviction du pouvoir de Mobutu, la RDC présenta,
le 13 mai 1997, une demande d’entraide judiciaire à la Suisse
en vue du blocage, à titre conservatoire, d’une propriété à
Savigny (Vaud). Le blocage fut prononcé à titre de mesure
conservatoire au sens de l’art. 18 EIMP. Des mesures visant d’autres biens ne purent être prises car la demande ne
contenait pas une description suffisante des avoirs à geler et
présentait un caractère trop général pour qu’il puisse y être
donné suite.
Dans l’attente d’une demande d’entraide plus complète,
le CF édicta, le 17 mai 1997, une ordonnance17 fondée directement sur l’art. 102 ch. 8 aCst. (art. 184 al. 3 nCst.) afin de
sauvegarder les avoirs appartenant à la RDC en Suisse pour
une durée d’une année. Des avoirs pour un montant d’envi-
13
14
15
16
17
Morier (n. 11), p. 275.
ATAF C-7589/2007 du 14 mars 2008 et décision C-7589/2007
du 17 juillet 2008 du TAF.
Notons qu’il existe une procédure parallèle, intentée par des
particuliers, visant également les biens de Jean-Claude Duvalier en Suisse (Arrêt Juste c. Fondation Brouilly et Duvalier
ACJC/1521/2007 du 13 décembre 2007 de la Cour de justice de
Genève = SJ 2008 I 369).
Banque Mondiale, World Development Report 2002, Washington D.C. 2002, p. 232.
RO 1997 p. 1149.
10.3.2009 9:12:03 Uhr
Restitution spontanée de fonds bloqués à des États défaillants: les cas Duvalier et Mobutu
AJP/PJA 3/2009
277
ron six millions de francs furent répertoriés.18 Peu après, la
RDC compléta sa demande d’entraide et l’OFJ ordonna le gel
des avoirs appartenant au clan Mobutu dans la mesure où ils
n’étaient pas déjà visés par l’ordonnance du CF. Ces mesures
furent confirmées par le TF sur recours des hoirs de Mobutu.19 Par la suite, l’OFJ étendit encore la procédure d’entraide
aux comptes déclarés conformément à l’ordonnance du CF.
Le montant finalement gelé par la Suisse s’éleva à environ
7,7 millions de francs.
Pour faire aboutir la requête d’entraide, la RDC devait encore démontrer l’existence d’un lien direct entre les infractions
reprochées à Mobutu et les biens bloqués en Suisse.20 Malgré
de nombreux rappels successifs du côté suisse, les autorités
congolaises ne montrèrent aucun empressement à fournir les
preuves nécessaires à l’octroi de l’entraide.21 En conséquence,
l’OFJ, constatant qu’il n’était pas possible d’établir qu’une
procédure pénale était encore ouverte en RDC contre Mobutu
et ses proches et que les faits faisant l’objet de cette procédure
semblaient prescrits au regard du droit suisse, dut finalement
se résoudre, en décembre 2003, à rendre une décision négative terminant la procédure d’entraide.
Le CF ordonna alors un blocage «politique» des avoirs sur
la base de l’art. 184 al. 3 Cst. pour une durée de trois ans.
Durant cette période, le CF confia au DFAE un mandat de
facilitateur pour assister les parties dans la recherche d’une
issue aussi satisfaisante que possible. Le blocage, renouvelé
en 2006, devait échoir le 15 décembre 2008. C’est dans ce
contexte qu’intervinrent les décisions des 12 décembre 2008
et 25 février 2009.22
III.
Les récentes décisions Duvalier
et Mobutu
A.
Les décisions des 2 juillet 2008 et
12 février 2009
traide judiciaire.23 Dans le même temps, il a invité les détenteurs des comptes à prouver, pour la fin septembre 2008,
que ces avoirs – totalisant environ sept millions de francs –
n’étaient pas d’origine délictueuse.24 Sans réponse des intéressés dans ce délai, les fonds seraient restitués à Haïti. Cette
décision ayant rendu caduc le blocage politique des fonds en
vigueur jusque là, le CF a, dans le même temps, mis fin à
cette mesure.25
Le 12 février dernier, l’OFJ a ordonné la remise des fonds
bloqués à Haïti, les détenteurs des comptes n’ayant pu démontrer que ces avoirs ne sont pas d’origine criminelle.
Conformément à cette décision, les avoirs doivent être affectés à des projets de développement au profit de la population
haïtienne.26 La décision du 12 février 2009 est une décision
de clôture de la procédure d’entraide27 et reste sujette à recours devant la Cour des plaintes du Tribunal pénal fédéral
(TPF) dans un délai de 30 jours.28
B.
Dans la perspective de l’échéance du délai, au 15 décembre
2008, du blocage des fonds Mobutu, le gouvernement suisse
a relancé une dernière fois les autorités congolaises. Donnant
suite à la proposition suisse, la RDC a finalement mandaté un
avocat suisse afin d’entreprendre les procédures utiles en vue
de la confiscation des avoirs de l’ancien dictateur en Suisse.
Vu les signes de bonne volonté de la part de la RDC, le CF a
décidé, en date du 12 décembre 2008, de prolonger une «ultime» fois la mesure de blocage jusqu’au 28 février 2009 afin
de permettre la concrétisation des démarches projetées par
la RDC.29
23
En date du 2 juillet 2008, l’OFJ a maintenu le blocage des
fonds Duvalier dans le cadre d’une nouvelle procédure d’en24
18
19
20
21
22
Alvaro Borghi, Le blocage et la restitution internationale des
biens illicitement acquis, Lausanne 2006, p. 188.
Hoirs de feu Mobutu Sese Seko c. Office fédéral de la police,
arrêt non publié du 28 janvier 1998, rés. in: Maurice Harari/
Corinne Corminboeuf, EIMP révisée: Considérations critiques sur quelques arrêts récents, AJP/PJA 1999, p. 145.
Communiqué de presse de l’OFJ du 11 mai 1998.
Borghi (n. 18), p. 190.
Notons encore que les fonds Mobutu en Suisse ont fait l’objet
d’une procédure parallèle de poursuite de la part d’un de ses
créanciers (ATF 132 I 229). Cette procédure a donné lieu à
des réflexions intéressantes sur la hiérarchie entre une mesure
«politique» de blocage et un jugement définitif et exécutoire allouant une partie de ces fonds au créancier.
AJP 03_2009.indb 277
Les décisions des 12 décembre 2008
et 25 février 2009
25
26
27
28
29
Il s’agit d’une décision incidente fondée sur l’art. 74a EIMP (remise en vue de confiscation ou de restitution) sujette à recours
dans le délai de dix jours, conditionné toutefois à l’existence
d’un «préjudice immédiat et irréparable». En l’espèce, aucun
recours n’a été interjeté par le clan Duvalier.
OFJ (n. 1). Relevons que, sur suggestion du gouvernement
suisse, c’est un avocat suisse, mandaté par Haïti, qui a rédigé la
nouvelle requête d’entraide. Ses honoraires sont pris en charge
par la Direction du développement et de la coopération (DDC).
Cette décision a été suivie d’une décision de clôture de la procédure de recours contre la prolongation du blocage des fonds du
22 août 2007 pendante devant le TAF (Décision C-7589/2007
du 17 juillet 2008 du TAF).
Notons que les modalités imposées de restitution soulèvent de
nombreuses questions quant au respect de la souvraineté étatique, d’une part, et à la manière d’éviter que l’argent vienne à
nouveau alimenter un État victime de corruption, d’autre part.
Art. 80d EIMP.
Art. 80e et 80k EIMP.
DFAE (n. 3). Comme dans l’affaire Duvalier, les frais de procédure et les honoraires de cet avocat sont supportés par la
Suisse.
10.3.2009 9:12:04 Uhr
Sandrine Giroud-Roth/Laurent Moreillon
AJP/PJA 3/2009
278
La RDC a déposé une dénonciation pénale auprès du Ministère public de la Confédération (MPC) le 23 janvier 2009.
Suite à ce nouveau développement, le CF a estimé nécessaire
d’ordonner une extension de deux mois de la prolongation
du blocage, soit jusqu’au 30 avril 2009.30
La nature juridique de la mesure du CF du 12 décembre
2008, respectivement du 25 février 2009, est une question
qui, déjà par le passé, a soulevé un certain nombre de problèmes.31 Il s’agit d’une mesure fondée sur l’art. 184 al. 3 Cst.
prise en vue de la sauvegarde des intérêts du pays. Selon cet
article, ces mesures revêtent la forme de l’ordonnance lorsqu’elles constituent des règles de droit au sens de l’art. 22
al. 4 LParl32 et celle de décision lorsqu’elles visent des cas
particuliers.33 La mesure du 12 décembre 2008, respectivement du 25 février 2009, s’apparente donc à une ordonnance
puisqu’elle présente un caractère général et abstrait propre
à une règle de droit.34 Cette mesure s’adresse en effet à une
pluralité de personnes et à différents biens, y compris ceux
non encore connus.
C.
Deux États «défaillants»
part, parce que que la «défaillance» commune de ces deux
États et les problèmes en résultant sont à l’origine de l’initiative du législateur de rédiger un projet de loi en vue de
compléter sa législation sur l’entraide internationale en matière de confiscation d’avoirs des PEP. D’autre part, bien que
l’affaire Mobutu semble s’être engagée sur la voie pénale, la
voie de l’entraide reste une alternative valable dans le cas où
le MPC viendrait à classer l’affaire.
IV.
La pratique suisse en matière de
restitution spontanée de fonds à la
lumière des récentes décisions
Duvalier et Mobutu
A.
Cadre légal
Le blocage, respectivement la confiscation, d’avoirs appartenant à des PEP et leur restitution à des «États défaillants» est
une configuration qui pose de nombreux problèmes. Nous y
reviendrons plus loin, après avoir situé la question qui nous
occupe dans le cadre légal existant et en avoir défini certaines
notions.
Les affaires Duvalier et Mobutu présentent plusieurs points
communs. Premièrement, elles concernent deux États «défaillants». L’instabilité politique, ainsi que les difficultés
institutionnelles, économiques et logistiques propres à ces
pays, compliquent les relations qu’ils ont avec d’autres États,
notamment en matière d’entraide pénale internationale. La
longueur et l’embourbement des procédures relatives à ces
deux affaires en sont une illustration. Deuxièmement, ces
affaires portent sur la confiscation et la restitution d’avoirs,
situés en Suisse, en possession de leurs anciens dirigeants et
dont l’origine, selon toute vraisemblance, est illicite.
Bien que partant d’une situation initiale similaire, ces
États ont emprunté des voies différentes en vue de la restitution des fonds de PEP. Dans le cas haïtien, le gouvernement, après avoir introduit des procédures judiciaires contre
Duvalier en Haïti, a procédé par la voie de l’entraide afin de
demander la confiscation des fonds bloqués sur la base de
l’EIMP. De son côté, le gouvernement congolais a choisi la
voie du droit interne, en application de l’art. 72 CP,35 en déposant plainte pénale auprès du MPC.
Le présent article considère toutefois ces deux affaires
dans la perspective de l’entraide internationale sans s’attarder sur les voies traditionnelles de confiscation offertes par
la législation domestique suisse. Ce choix se justifie, d’une
D’une manière générale, les PEP sont «des personnes qui
exercent, ou qui ont par le passé exercé des fonctions publiques de premier plan dans un pays donné».36 L’art. 1
OBA-FINMA 137 apporte une définition plus précise de cette
notion et qualifie de PEP: «(1) les personnes suivantes qui
occupent des fonctions publiques importantes à l’étranger:
les chefs d’État ou de gouvernement, les politiciens de haut
rang au niveau national, les hauts fonctionnaires de l’administration, de la justice, de l’armée et des partis au niveau
national, les plus hauts organes des entreprises étatiques
d’importance nationale; (2) les entreprises et les personnes
qui, de manière reconnaissable, sont proches des personnes
précitées pour des raisons familiales ou personnelles ou pour
des raisons d’affaires».38 De part leurs fonctions et leurs activités, Duvalier et Mobutu sont à qualifier de PEP.
30
37
31
32
33
34
35
DFAE (n. 4).
ATAF C-7589/2007 du 14 mars 2008 consid. 4.5; ATF 132 I
229 consid. 4.3 et les réf. citées.
Loi sur l’Assemblée fédérale (LParl, RS 171.10).
ATAF C-7589/2007 du 14 mars 2008 consid. 4.5; ATF 132 I
229 consid. 4.3 et les réf. citées.
Ibid.
Code pénal suisse (CP, RS 311.0).
AJP 03_2009.indb 278
1.
36
38
Personnes exposées politiquement
GAFI, Les quarante recommandations (2003), disponibles à
l’adresse électronique: http://www.fatf-gafi.org/document/
23/0,3343,fr_32250379_32236920_34920215_1_1_1_1,00.
html#lesquarante.
Ordonnance de l’Autorité fédérale de surveillance des marchés financiers sur la prévention du blanchiment d’argent et
du financement du terrorisme dans le domaine des banques,
des négociants en valeurs mobilières et des placements collectifs (Ordonnance 1 de la FINMA sur le blanchiment d’argent,
OBA-FINMA 1, RS 955.022).
V. aussi Carlo Lombardini, Banques et blanchiment d’argent,
Zurich 2006, p. 28.
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Restitution spontanée de fonds bloqués à des États défaillants: les cas Duvalier et Mobutu
AJP/PJA 3/2009
279
2.
La confiscation
a.
Absence de confiscation autonome
Relevons tout d’abord qu’il n’existe pas en Suisse de confiscation autonome. En droit suisse, la confiscation implique
que la juridiction helvétique soit compétente.39 Ainsi, en dehors de toute coopération internationale requise de la Suisse
par un État étranger ou de tout rattachement de l’infraction
à la Suisse, des valeurs patrimoniales ne sauraient, en l’état
du droit actuel, faire l’objet d’une confiscation. Comme l’a
relevé le TF, il appartient au législateur fédéral de définir
à quelles conditions une mesure de confiscation autonome
pourrait intervenir.40
Les art. 70 ss CP – en particulier l’art. 72 CP – prévoient
certes la confiscation de valeurs patrimoniales qui sont le résultat d’une infraction. Mais celle-ci doit résulter d’une procédure pénale suisse, ce qui requiert que le juge suisse soit compétent.41 Ce rattachement reste néanmoins difficile à établir.42
b.
La confiscation internationale
Parmi les instruments internationaux en matière de restitution
de biens,43 la Convention de l’ONU contre la corruption joue
un rôle clé. Pour la première fois, un instrument multilatéral
pose de manière contraignante le principe de la restitution
des avoirs acquis illicitement.44 Cette convention n’ayant pas
encore été ratifiée par la Suisse, elle est toutefois exclue du
cadre légal analysé dans le présent article.
c.
La voie de l’entraide internationale
i.
Champ d’application
En l’absence de confiscation autonome et internationale, la
confiscation de biens sur le territoire suisse appartenant à
des PEP passe, pour l’heure, principalement par la voie de
l’entraide judiciaire pénale. Les affaires Marcos,45 Abacha46
39
40
41
42
43
44
45
46
Mark Pieth, Die Herausgabe illegal erworbener Vermögenswerte an sog. «Failing States», in: Marcel Niggli/José
Pozo Hurtado/Nicolas Quelloz (édit.), Festschrift für Franz
Riklin, Zurich 2007, p. 503.
ATF 128 IV 145.
ATF 6B.722/2007 du 9 mai 2008.
C’est toutefois l’une des voies empruntées, avec succès, dans
l’affaire Abacha. C’est également la voie actuellement privilégiée par la RDC.
Convention de l’OCDE sur la lutte contre la corruption d’agents
publics étrangers dans les transactions commerciales internationales (RS 0.311.21); Convention pénale du Conseil de l’Europe sur la corruption (RS 0.311.55); Convention du Conseil de
l’Europe relative au blanchiment, au dépistage, à la saisie et à la
confiscation des produits du crime (RS 0.311.53).
La Convention contient un chapitre entier consacré au recouvrement d’avoirs et aux mesures connexes (Chapitre V, art. 51 à
59).
ATF 113 Ib 257 = JdT 1989 IV 29.
ATF 1A.215/2004 du 7 février 2005.
AJP 03_2009.indb 279
et Montesinos47 en sont quelques exemples. Avant de nous
pencher sur les modalités de cette confiscation, il convient
d’abord de bien circonscrire le champ d’application de l’entraide.
Conformément à l’art. 1er al. 4 EIMP, la loi ne confère
aucun droit à un État requérant d’exiger une coopération internationale en matière pénale, sous réserve de l’obligation
qui lui serait faite de fournir l’entraide en vertu d’un traité
qui le lierait avec l’État demandeur. Or, dans le cas des avoirs
Duvalier et Mobutu, ce traité fait précisément défaut. Traditionnellement, la Suisse s’est toutefois montrée disposée à
procéder à des actes d’entraide en faveur d’États étrangers,
même en l’absence d’un traité d’entraide.48
La coopération judiciaire internationale que la Suisse peut
apporter à des États requérants est une procédure à vocation
administrative qui ne porte ni sur une accusation en matière
pénale, ni sur une contestation concernant des droits de nature civile au sens de l’art. 6 ch. 1 CEDH.49 Elle ne représente pas non plus un simple prolongement, sur le territoire
de l’État requis, de la procédure pénale ouverte dans l’État
requérant.50 Cependant, cette coopération présuppose – en
particulier dans l’examen du contrôle de la double incrimination – que l’État requis vérifie que l’infraction motivant la
demande soit punissable selon son droit pénal matériel interne.51
Par ailleurs, même si l’État requis prête assistance à l’État
requérant, son bon vouloir est limité par la loi. Rappelons
à cet égard l’existence de l’art. 67a EIMP (transmission
spontanée de moyens de preuve et d’informations). C’est
dans ce cadre-là que doivent être examinés les récents développements doctrinaux et jurisprudentiels en matière de
restitution spontanée de fonds.
En outre, même si la Suisse est liée par des conventions, la
restitution «spontanée» est soumise à des conditions strictes.
On en veut pour preuve l’art. 18 ch. 4 let. f de la Convention
du Conseil de l’Europe relative au blanchiment, au dépistage, à la saisie et à la confiscation des produits du crime.
Selon cette disposition, la Suisse peut refuser la coopération
si la demande de confiscation de fonds se rapporte «à une
décision de confiscation rendue en l’absence de la personne
visée par la décision et si, selon la partie requise, la procédure engagée par la partie requérante et qui a conduit à cette
décision n’a pas satisfait aux droits minima de la défense reconnus à toute personne accusée d’une infraction».
47
48
49
50
51
ATF 1A.70/2003 du 8 septembre 2003.
Ces actes ont pu prendre la forme de blocages de fonds (art. 18
et 63 EIMP), de remises de moyens de preuves (art. 74 EIMP)
et, dans la mesure où il existe un jugement définitif et exécutoire
conforme aux droits de l’homme et aux garanties fondamentales, de remises en vue de confiscation ou de restitution (art. 74a
EIMP).
ATF 123 II 161 consid. 3a = JdT 1999 IV 55.
ATF 127 II 104 consid. 3d.
ATF 124 II 120 consid. 4c = SJ 1998 I 487.
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Sandrine Giroud-Roth/Laurent Moreillon
AJP/PJA 3/2009
280
ii.
Remise en vue de confiscation ou de restitution:
l’art. 74a EIMP
Depuis la révision de l’EIMP,52 la législation suisse permet
une remise anticipée d’objets ou de valeurs saisis à titre
confiscatoire par le biais de l’art. 74a EIMP.
L’alinéa 1 énonce le principe selon lequel, sur demande
de l’autorité étrangère compétente, les objets ou valeurs saisis à titre conservatoire peuvent lui être remis au terme de la
procédure d’entraide en vue de confiscation ou de restitution
de l’ayant droit. Cela implique, d’une part, que la remise de
tels biens à l’État requérant ne peut avoir lieu que dans un but
précis et, d’autre part, que cet État doit avoir ouvert une procédure interne tendant à leur confiscation ou à leur restitution
à l’ayant droit.53
L’alinéa 3 laisse à l’autorité un large pouvoir d’appréciation pour décider si et à quelles conditions la remise peut
avoir lieu.54 «En règle générale», les autorités de l’État requis doivent attendre «une décision définitive et exécutoire de
l’État requérant», puis examiner si cette décision a été rendue à l’issue d’une «procédure répondant aux exigences des
art. 4, 58 [a]Cst. et 6 CEDH et si elle est conforme à l’ordre
public suisse par son contenu, sans pour autant faire application des art. 94 ss EIMP».55 Cette formulation laisse penser
que l’absence de décision exécutoire et définitive relève de
l’exception, ce que porte d’ailleurs à croire le Message du
CF.56 Partant, des indices relativement forts sont nécessaires
pour justifier son application. Faute d’une décision définitive
et exécutoire, l’autorité compétente doit décider de la remise
après avoir pris en compte toutes les particularités du cas.57
52
53
54
55
56
57
Message du 29 mars 1995 (MCF EIMP), FF 1995 III 1. La révision du 4 octobre 1996 avait essentiellement pour but de simplifier et d’accélérer la procédure d’entraide en vue, notamment,
de renforcer la collaboration internationale entre autorités de
poursuite pénale. L’essentiel des modifications proposées portait sur la partie générale ainsi que la troisième partie de l’EIMP
consacrée à l’entraide accessoire. L’une des nouveautés de cette
révision a été l’introduction d’une disposition séparée relative à
la remise d’objets ou de valeurs en vue de leur confiscation ou
de leur restitution à l’ayant droit dans l’État requérant (art. 74a
EIMP).
Borghi (n. 18), p. 175.
Id., p. 108.
Maurice Harari, Remise internationale d’objets et valeurs: réflexions à l’occasion de la modification de l’EIMP, in:
Christian-Nils Robert/Bernhard Sträuli (édit.), Procédure pénale, droit pénal international, entraide pénale: Études en l’honneur de Dominique Poncet, Chêne-Bourg 1997, p. 198; MCF
EIMP (n. 52), p. 8. Sur la question du rapport de l’art. 74a EIMP
et de l’art. 94 EIMP v. Robert Zimmermann, La coopération
judiciaire internationale en matière pénale, Berne 2004, p. 108.
MCF EIMP (n. 52), p. 14 s.
ATF 123 II 595 consid. 4 et 5. Dans cet arrêt relatif aux fonds
Marcos, le TF a considéré que «compte tenu de l’intérêt de la
Suisse à une restitution immédiate des valeurs et de la provenance manifestement délictueuse de ces dernières, une remise
immédiate se justifie, pour autant que les Philippines garantis-
AJP 03_2009.indb 280
Si l’affaire n’est pas claire, la remise anticipée n’est pas accordée.58 La Suisse dépend ainsi, dans une large mesure, de
la bonne volonté et de la coopération des autorités judiciaires
de l’État d’origine des fonds.59
La remise de nature confiscatoire est une mesure définitive.60 Puisqu’elle atteint plus lourdement la personne concernée et les tiers, elle suppose davantage de circonspection de
la part de l’État requis et ne peut être prononcée qu’en présence de solides éléments de preuve. 61 Cela est d’autant plus
vrai lorsqu’il s’agit d’une remise intervenant en l’absence
d’une décision définitive et exécutoire de l’État requérant.
Les affaires Duvalier et Mobutu posent justement la question
des éléments de preuve nécessaires à la motivation d’une
telle requête.
iii.
La jurisprudence Abacha
Dans son fameux arrêt du 7 février 2005 concernant la restitution des fonds Abacha au Nigéria, le TF a conclu que
l’art. 74a al. 3 EIMP devait être interprété à la lumière de
l’art. 72 CP (art. 59 ch. 3 aCP).62 Le TF fonda son argumentation sur la volonté du CF, par l’introduction de cette nouvelle
norme, de déroger à la règle – prévalant tant en droit interne
qu’en matière d’entraide judiciaire internationale – selon laquelle une valeur ne peut être confisquée que s’il est possible
d’établir l’infraction dont elle provient. Le but était ainsi de
faciliter l’entraide judiciaire et l’exécution de confiscations
étrangères portant sur des valeurs patrimoniales acheminées
en Suisse par des organisations criminelles. Le TF alla même
plus loin en déclarant que «même si le Message ne le dit pas,
l’art. 59 ch. 3 deuxième phrase [a]CP, s’applique aussi dans
le domaine de l’entraide judiciaire».63 Il en résulte qu’un PEP
et son entourage peuvent recevoir la qualification d’organisation criminelle. Partant, leurs fonds sont présumés d’origine
délictueuse à moins qu’ils n’apportent la preuve du contraire. À défaut d’avoir renversé la présomption de l’art. 59 ch. 3
deuxième phrase aCP, la remise est ordonnée en application
de l’art. 74a al. 3 EIMP, sans autre examen de la provenance
des fonds réclamés.64
58
59
60
61
62
63
64
sent une procédure de restitution ou de confiscation conforme
au Pacte ONU II».
Zimmermann (n. 55), p. 201.
Morier (n. 11), p. 273.
Id., p. 196.
Harari (n. 55), p. 197.
ATF 1A.215/2004 du 7 février 2005 consid. 9.1.
Dans ce sens également: Harari (n. 55), p. 185; Florian
Baumann, in: Marcel Niggli/Hans Wiprächtiger (édit.), Basler Kommentar StGB, Bâle 2003, ad art. 59 aCP, n. 75, est plus
réticent: tout en soulignant que l’art. 74a EIMP vise la remise
du produit de l’infraction et non pas les valeurs soumises au
pouvoir de disposition d’une organisation criminelle, il admet
une telle remise pour autant que les droits des tiers de bonne foi
soient sauvegardés.
ATF 1A.215/2004 du 7 février 2005 consid. 9.1.
10.3.2009 9:12:04 Uhr
Restitution spontanée de fonds bloqués à des États défaillants: les cas Duvalier et Mobutu
AJP/PJA 3/2009
281
Le TF a conclu en donnant instruction à l’OFJ d’offrir
aux détenteurs des comptes visés la possibilité de faire valoir les arguments propres à renverser la présomption posée
à l’art. 59 ch. 3 deuxième phrase aCP, c’est-à-dire de démontrer que les fonds saisis ne sont pas d’origine criminelle.
La qualification d’organisation criminelle de certains PEP
et leur entourage, de même que le renversement du fardeau
de la preuve qui en découle, ont marqué un tournant dans
la réflexion juridique relative à la confiscation des avoirs de
criminels internationaux.
3.
Le blocage «politique»: l’art. 184 al. 3 Cst.
L’art. 184 al. 3 Cst. (art. 102 ch. 8 aCst.) prévoit la compétence explicite du CF d’adopter des ordonnances et de prendre des décisions lorsque la sauvegarde des intérêts du pays
l’exige. Une deuxième phrase précise que les ordonnances
doivent être limitées dans le temps.65 Cet article permet
ainsi au CF d’ordonner le blocage de biens situés en Suisse
lorsque leur remise pourrait être contraire aux intérêts de la
Suisse, afin notamment de préserver la sécurité et l’intégrité
de la place financière helvétique.
La première mesure de blocage de biens à titre de mesure de politique extérieure fut prise en 1986 à l’encontre des
avoirs de l’ancien président philippin Marcos.66 Par la suite,
s’appuyant à nouveau sur l’art. 184 al. 3 Cst., le CF édicta
l’ordonnance relative à la sauvegarde des avoirs de la RDC
en Suisse. Les décisions des 12 décembre 2008 et 25 février
2009 reposent également sur cette norme. L’affaire Duvalier
est un autre cas d’application de l’art. 184 al. 3 Cst. dont le
CF usa à de nombreuses reprises.
B.
Les décisions Duvalier et Mobutu:
un équilibre périlleux des intérêts
juridiques en jeu
Malgré l’efficacité de la législation actuelle en matière de
restitution des avoirs de PEP, les affaires Duvalier et Mobutu
testent les limites du système prévu par l’EIMP qui présuppose la remise d’une requête d’entraide par un État étranger.
Or, dans les cas d’Haïti et de la RDC, c’est précisément l’absence d’une requête d’entraide qui a conduit à la paralysie du
système existant. Que faire donc lorsque l’État censé être requérant ne veut, respectivement ne peut, formuler de requête
d’entraide demandant la restitution des fonds aux conditions
exigées par la législation suisse? C’est là tout le problème des
«États défaillants» qui, soit par manque de volonté politique
(corruption, climat d’impunité, etc.), soit par impossibilité
matérielle (système judiciaire inexistant ou faible, incapacité
technique ou logistique, etc.), ne sont pas en mesure d’utiliser la voie de l’entraide internationale.
Dans un tel contexte, les récentes décisions Duvalier et
Mobutu mettent en évidence l’exercice d’équilibriste auquel
doivent s’adonner les autorités d’exécution confrontées à des
fonds revenant à des États défaillants. Ces autorités se trouvent en effet tiraillées entre leur devoir de fidélité aux principes de l’État de droit et leur bonne volonté d’aider des États
nécessiteux. Cet exercice se révèle d’autant plus complexe
que les exigences de l’État de droit sont rigoureuses.
Les mesures prises à titre de confiscation – au contraire
de la procédure d’entraide proprement dite – consistent, en
effet, en une «contestation sur des droits ou obligations de
caractère civil» au sens de l’art. 6 ch. 1 CEDH.67 Celles-ci
doivent donc, sauf exception expressément prévue par la loi,
respecter les garanties procédurales qui en découlent, notamment la garantie d’accès au juge (1). De plus, l’exercice du
pouvoir d’appréciation de l’autorité compétente reste limité
par les principes généraux de la procédure administrative,
à savoir ceux de la légalité (2) et de la proportionnalité (3),
ainsi que les garanties de procédure fondamentales telle la
répartition du fardeau de la preuve au regard de la présomption d’innocence (4).
1.
Une décision gelant des fonds équivaut à une saisie et touche
directement la personne concernée par la mesure dans ses
droits de caractère civil. Celle-ci dispose en conséquence du
droit d’accès au juge (art. 6 ch. 1 CEDH).68
Dans le cas d’une confiscation au sens de l’art. 74a EIMP
(affaire Duvalier), les voies de droit sont clairement réglées
par l’EIMP et ne soulèvent aucun problème particulier quant
au respect du droit d’accès au juge. Ce n’est par contre pas le
cas d’un blocage ordonné sur la base de l’art. 184 al. 3 Cst.
(affaire Mobutu), respectivement d’une décision d’exécution
fondée sur une telle ordonnance. Ici, il faut distinguer entre
une mesure prise sous la forme d’une ordonnance et une mesure prise sous la forme d’une décision du CF.
S’agissant d’une ordonnance, aucune voie de recours
n’est ouverte contre celle-ci. La possibilité de se prévaloir
du droit à ce que sa cause soit jugée par une autorité judiciaire (art. 29a Cst.) a été rejetée par la jurisprudence qui y
a opposé l’exception expresse prévue à l’art. 189 al. 4 Cst.69
De même, l’art. 6 ch. 1 CEDH ne permet pas de déduire
un droit à voir sa cause examinée par un juge dans le cadre
d’une ordonnance confiscatoire. Cette disposition implique
l’existence d’une contestation réelle et précise; un lien ténu
ou des répercussions lointaines ne suffisent pas. L’issue de la
67
65
66
Borghi (n. 18), p. 132.
Id., p. 133; Pascal Mahon/Jean-François Aubert, Petit
Commentaire de la Constitution fédérale de la Confédération
suisse du 18 avril 1999, Zurich 2003, ad art. 18, rem. 13 ss.
AJP 03_2009.indb 281
Garantie d’accès au juge
68
69
Convention de sauvegarde des droits de l’homme et des libertés
fondamentales (CEDH, RS 0.101).
ATAF C-7589/2007 du 14 mars 2008 consid. 11.6; ATF 132 I
229 consid. 6.3.
ATAF C-7589/2007 du 14 mars 2008 consid. 9.
10.3.2009 9:12:05 Uhr
Sandrine Giroud-Roth/Laurent Moreillon
AJP/PJA 3/2009
282
procédure doit être directement déterminante pour le droit en
question.70 Or, la seule existence d’une ordonnance ne met
pas encore en jeu les droits et obligations protégés par la disposition conventionnelle. Le lien concret fait dans ce cas défaut.71 L’autorité a toutefois le devoir de publier cette ordonnance à caractère confiscatoire. Le CF n’a pas semblé très
soucieux du respect de cette formalité, ce qui a obligé tant le
TF que le TAF à des exercices divinatoires pour conclure à la
qualification d’ordonnance.72
La situation est différente dans le cas d’une décision
d’exécution d’une mesure ordonnée sur la base de l’art. 184
al. 3 Cst. Cette décision est susceptible de recours auprès du
TAF puisqu’il s’agit d’une décision au sens de l’art. 5 PA
émanant d’une autorité figurant à l’art. 33 let. d LTAF73 – en
règle générale du DFAE – et sujette à recours selon l’art. 31
LTAF. En outre, l’exception prévue à l’art. 32 al. 1 let. a
LTAF ne s’applique pas puisque l’on est en présence de
droits de caractère civil au sens de l’art. 6 ch. 1 CEDH. Il
est vrai que l’application de cette disposition a été niée lorsque l’autorité dispose d’un libre pouvoir d’appréciation tel
qu’en matière de prérogatives discrétionnaires ou d’actes
de gouvernement.74 Ces derniers n’échappent toutefois au
contrôle judiciaire que s’ils relèvent de questions politiques
pures comme, par exemple, la question de la reconnaissance
d’un État étranger. Or, la composante politique d’une mesure
se fondant sur l’art. 184 al. 3 Cst. réside uniquement dans la
sauvegarde de l’image de la Suisse et de sa place financière
à l’étranger. Ce but est en principe garanti par l’EIMP ainsi
que par la loi sur le blanchiment d’argent.75 Ce n’est que dans
le cas d’États défaillants que l’art. 184 al. 3 Cst. intervient et
que le gel des biens s’opère à titre de mesures exceptionnelles de politique extérieure. Or «[i]l ne serait pas conforme
aux principes régissant un État de droit qu’en présence d’un
même état complexe de faits, les parties se trouvent privées
d’une voie de droit dans un cas (blocage basé sur des motifs
politiques) alors qu’elles en bénéficient dans l’autre (blocage
basé sur l’entraide)».76 Dès lors, il n’y a pas de raison de nier
l’application de l’art. 6 ch. 1 CEDH. Partant, la voie du recours administratif auprès du TAF est ouverte.
70
71
72
73
74
75
76
ATF 130 I 388 consid. 5.1; ATF 127 I 115 consid. 5b; Cour européenne des droits de l’homme (Cour eur. DH), Arrêt Athanassoglou et autres c. Suisse du 6 avril 2000, Recueil des arrêts et décisions, 2000 IV p. 217, par. 43; Cour eur. DH, Arrêt Werner c.
Autriche du 24 novembre 1997, Recueil, 1997 VII p. 2496, par.
34; Cour eur. DH, Arrêt Balmer-Schafroth et autres c. Suisse
du 26 août 1997, Recueil, 1997 IV p. 1346, par. 32 et les arrêts
cités.
ATAF C-7589/2007 du 14 mars 2008 consid. 9.3.
Id., consid. 5.1; ATF 132 I 229 consid. 4.4.
Loi sur le Tribunal administratif fédéral (LTAF, RS 173.32).
ATAF C-7589/2007 du 14 mars 2008 consid. 12.2 et les réf. citées.
Loi sur le blanchiment d’argent (LBA, RS 955.0).
ATAF C-7589/2007 du 14 mars 2008 consid. 12.5.
AJP 03_2009.indb 282
2.
Respect du principe de la légalité
Ancré à l’art. 5 al. 1 Cst., le principe de la légalité implique
que le droit soit la base et la limite de l’activité de l’État. La
restriction à un droit fondamental est permise aux conditions
de l’art. 36 Cst.
a.
Garantie de la propriété
Incontestablement, la mesure de blocage, respectivement de
confiscation, porte atteinte au droit fondamental qu’est la garantie de la propriété (art. 26 Cst.).77
Une telle restriction doit être fondée sur une base légale,
poursuivre un intérêt public, respecter le principe de la proportionnalité et ne doit, en principe, pas porter atteinte au
noyau dur de la propriété (art. 36 al. 1 Cst.).78 La base légale
doit en outre présenter une certaine «densité normative», à
savoir qu’elle soit suffisamment claire et précise. L’exigence
découle non seulement du principe général de la légalité mais
également de la sécurité du droit.79 Ainsi, plus la gravité est
importante, plus la base légale doit être claire et la restriction
revêtir une forme qualifiée, c’est-à-dire une loi adoptée par le
législateur formellement institué par la Constitution.80 Enfin,
comme le relève le TF, «pour déterminer quel degré de précision on est en droit d’exiger de la loi, il faut tenir compte
du cercle de ses destinataires et de la gravité des atteintes
qu’elle autorise aux droits fondamentaux (...). Une atteinte
grave exige en principe une base légale formelle claire et précise, alors que les atteintes plus légères peuvent, par le biais
d’une délégation législative, figurer dans des actes de niveau
inférieur à la loi, ou trouver leur fondement dans une clause
générale (...)».81
Il découle de ce qui précède que, s’il n’existe pas de base
légale claire et suffisante, l’autorité pourrait tout au plus invoquer la «clause générale de police» pour justifier une dérogation aux droits fondamentaux. Cependant, celle-ci n’est
admise en jurisprudence que pour prévenir ou faire cesser
une «atteinte sérieuse et imminente à l’ordre public, atteinte
qui ne saurait être écartée d’une autre manière».82
Concrètement, l’EIMP ne contient aucune disposition
claire et précise justifiant une dérogation aux principes de
l’entraide tels que contenus aux art. 1 et 67a EIMP. Il n’y a
77
78
79
80
81
82
Mahon/Aubert (n. 66), ad art. 26 Cst. et les réf. citées.
Id., ad art. 26 Cst., rem. 10 et les réf. citées; Bernhard Ehrenzeller/Philippe Mastronardi/Rainer Schweizer/Klaus
Vallender, Die Schweizerische Bundesverfassung, St. Galler
Kommentar, Zurich 2002, ad art. 26 Cst., rem. 38 ss et les réf.
citées.
Mahon/Aubert (n. 66), ad art. 36 Cst., rem. 9 et les réf. citées.
Id., ad art. 26 Cst., rem. 10 et les réf. citées; ATF 119 1a 362, en
particulier p. 366.
ATF 123 I 112, en particulier p. 124, cité expressis verbis par
Mahon/Aubert (n. 66), ad art. 36 Cst., rem. 9.
ATF 103 Ia 310, en particulier p. 311 s.; v. aussi Mahon/
Aubert (n. 66) ad art. 36 Cst., rem. 10 et les réf. citées.
10.3.2009 9:12:05 Uhr
Restitution spontanée de fonds bloqués à des États défaillants: les cas Duvalier et Mobutu
AJP/PJA 3/2009
283
donc pas de base légale formelle permettant non seulement
de renverser le fardeau de la preuve, mais également d’accorder l’entraide de façon plus spontanée et facilitée à l’égard
d’États requérants défaillants – tels Haïti et la RDC – qu’à
l’égard d’autres États respectant les conditions posées par les
autorités suisses. Ni la loi ni le Message du CF ne permettent une telle interprétation. Dans la mesure où l’EIMP ne
contient aucune base légale expresse permettant de justifier
les décisions des 2 juillet 2008 et 12 février 2009 ainsi que
des 12 décembre 2008 et 25 février 2009, des doutes persistent quant à la légalité de ces mesures. Il s’agit toutefois
d’examiner si d’autres dispositions peuvent remplir avec satisfaction la condition de la légalité.
b.
Bases légales fondant la restitution anticipée
i.
L’art. 184 al. 3 Cst.
Comme nous l’avons vu, l’art. 184 al. 3 Cst. permet au CF
de prendre des mesures, sous la forme d’ordonnances ou de
décisions, lorsque la sauvegarde des intérêts du pays l’exige, pour autant que celles-ci soient «nécessaires» et «limitées dans le temps». Lorsque ces conditions sont remplies,
l’art. 184 al. 3 Cst. peut constituer une base légale provisoire
suffisante pour la restriction des libertés fondamentales, pour
autant qu’elles soient justifiées par un intérêt public et qu’elles soient proportionnées au but visé.83 Toutefois, compte
tenu de son caractère limité dans le temps, cette disposition
ne saurait justifier à elle seule une confiscation – et encore
moins une restitution anticipée – des fonds bloqués dans les
affaires Duvalier et Mobutu.
ii.
L’art. 74a EIMP
L’art. 74a EIMP prévoit expressément la restitution anticipée d’objets ou de valeurs. Comme indiqué, cette disposition
potestative laisse un large pouvoir d’appréciation à l’autorité. L’alinéa 3 esquisse toutefois un garde-fou: une saisie
confiscatoire n’intervient en règle générale que sur décision
définitive et exécutoire de l’État requérant. En l’absence de
cette décision, l’autorité compétente doit procéder à une évaluation au cas par cas, afin d’établir l’opportunité d’une restitution.
Sans préjuger des conclusions de cette évaluation dans les
deux affaires qui nous occupent, nous nous bornons à relever
deux points dont doit tenir compte l’autorité compétente lors
d’une éventuelle décision de remise anticipée: d’une part,
l’existence d’un lien entre des crimes avérés et les fonds visés et, d’autre part, l’absence de prescription de ces crimes.
La confiscation des biens saisis n’est justifiée que si ceuxci appartiennent bel et bien à Duvalier, respectivement à Mobutu, et que ceux-ci les ont acquis illégitimement. Une telle
mesure ne peut viser que le produit résultant d’une infraction. L’autorité compétente doit être satisfaite des éléments
83
Art. 36 al. 2 et 3 Cst.; ATF 132 I 229 consid. 10.1; ATF 129 II
193 consid. 5.3.3.
AJP 03_2009.indb 283
de preuve à disposition. Ceux-ci doivent être d’autant plus
convaincants qu’aucune décision de confiscation, définitive
et exécutoire, n’a été rendue en Haïti, respectivement en
RDC.
La question de la prescription s’avère plus épineuse. Selon
la jurisprudence du TF, la prescription absolue est une cause
d’irrecevabilité de la requête d’entraide, lorsque, en particulier, la Suisse n’est liée à l’État requérant par aucun traité.
Pour le TF, ce sont des raisons d’ordre public qui ont conduit
le législateur à faire de la prescription absolue une cause d’irrecevabilité,84 sous réserve de règles plus souples résultant
de droits conventionnels, notamment de la Convention européenne d’entraide judiciaire en matière pénale (CEEJ).85
Dans l’affaire Duvalier, les faits remontent au temps de sa
présidence (1971 à 1986). Il s’agit, pour la plupart, de crimes
d’origine patrimoniale dont la prescription est aujourd’hui
acquise. Il en va de même dans le cas Mobutu dont les faits
remontent à 1997 et dont la prescription a déjà été relevée par
l’OFJ.86 L’exercice consiste donc à relier ces avoirs à des crimes imprescriptibles tels que des crimes contre l’humanité.
Reste que cette infraction n’est pas encore reconnue en tant
que telle en droit suisse. Quant à son imprescriptibilité, l’art.
101 al. 1 let. a CP n’est guère utile à l’heure actuelle. Rappelons en effet que la Suisse a tout au plus ratifié la Convention de 1948 pour la prévention et la répression du crime de
génocide,87 après avoir auparavant ratifié les quatre conventions de Genève.88 Il n’existe pas de convention concernant
les crimes contre l’humanité. Dès lors, le droit positif suisse
demeure aujourd’hui lacunaire. La partie générale du CP et
du Code pénal militaire (CPM) 89 ne donne que quelques solutions – notamment sous l’angle de l’art. 6 CP – en relation
avec la compétence des tribunaux pénaux suisses. La notion
de crime contre l’humanité demeurant encore vague en droit
suisse, le CF a jugé utile, en août 2005, de mettre en consultation un avant-projet portant sur la Loi fédérale relative à la
modification du CP, du CPM ainsi que d’autres lois fédérales
en vue de la mise en œuvre du Statut de Rome de la Cour
pénale internationale.90 En avril 2008, le CF a diffusé un nouveau projet (ci-après: Projet) accompagné d’un Message.91
L’idée est de rendre imprescriptibles, outre le génocide, les
crimes contre l’humanité (art. 264a al. 1 et 2 Projet), les crimes de guerre (art. 264c al. 1 à 3, 264d al. 1 et 2, 264e al. 1
84
85
86
87
88
89
90
91
ATF 116 Ib 452 consid. 4a = JdT 1993 IV 159.3.
RS 0.351.1. S’agissant de la CEEJ, rappelons que, selon le TF,
il s’agit d’une lacune proprement dite (ATF 118 Ib 266).
ATF 132 I 229 consid. C.
RS 0.311.11.
RS 0.518.12; RS 0.518.23; RS 0.518.42; RS 0.518.51.
RS 321.0.
Laurent Moreillon, La Suisse et les crimes contre l’humanité, in: Laurent Moreillon/Aude Bichovsky/Maryam Massrouri
(édit.), Droit pénal humanitaire, 2e éd., Genève 2009, p. 459 ss,
en particulier p. 460 et les réf. citées.
Message du 23 avril 2008, FF 2008 p. 3461 ss.
10.3.2009 9:12:05 Uhr
Sandrine Giroud-Roth/Laurent Moreillon
AJP/PJA 3/2009
284
et 2, 264f al. 2, 264g al. 1 et 2 et 264h Projet), ainsi que les
crimes commis en vue d’exercer une contrainte ou une extorsion et qui mettent en danger – ou menacent de mettre en
danger – la vie et l’intégrité corporelle d’un grand nombre de
personnes, notamment par l’utilisation de moyens d’extermination massive, par le déclenchement d’une catastrophe ou
par une prise d’otages.92
Notons encore que, dans le cas d’Haïti, l’OFJ a tenté de
contourner l’obstacle de la prescription en réactivant la requête d’entraide initiale. En effet, la requête présentée par
le gouvernement haïtien en juillet 2008 ne semble pas avoir
été considérée comme une nouvelle requête mais comme un
nouvel épisode de la procédure de 1986, avec pour conséquence l’interruption de la prescription à la date de la requête
initiale. Il est vrai qu’en vertu des principes inhérents à la
procédure administrative – notamment celui de l’absence
d’exception de chose jugée – l’autorité peut se ressaisir du
dossier, mais il n’est pas sûr que ce raisonnement résiste à
l’épreuve du juge.
iii.
Application analogique de l’art. 72 CP
En l’absence de confiscation autonome, le TF a fait preuve
d’innovation lorsqu’il a qualifié la structure mise en place par
Abacha et ses complices d’organisation criminelle, ouvrant
ainsi la voie à l’application analogique de l’art. 72 CP dans
le cadre de l’entraide internationale (cf. IV.A.2.c.iii). Ce raisonnement soulève toutefois plusieurs questions.
Dans un arrêt récent, le TF a rappelé qu’une mesure de
confiscation en Suisse requiert que la juridiction suisse soit
compétente, soit sur la base d’un rattachement à la Suisse,
soit sur la base d’une requête d’entraide. Il a indiqué qu’il
n’y avait pas lieu de s’écarter de cette ligne s’agissant de la
confiscation des fonds d’une organisation criminelle pour
soumettre celle-ci au principe de l’universalité.93 Or, en
l’absence de rattachement à la Suisse, cette compétence fait
précisément défaut dans le cas des États défaillants comme
Haïti ou la RDC, soit que ce rattachement n’existe tout simplement pas, soit qu’il soit prescrit.
Qui plus est, la légalité de la confiscation pénale au sens
de l’art. 72 CP (art. 59 ch. 3 aCP) est controversée. Pour le
CF, le renversement du fardeau de la preuve n’est pas incompatible avec l’art. 6 ch. 2 CEDH dans la mesure où il n’a pas
pour objet la question de l’innocence ou de la culpabilité
d’une personne déterminée, mais porte uniquement sur le
point de savoir à qui appartient le pouvoir de disposition sur
des valeurs patrimoniales déterminées.94 La doctrine suisse
n’est pas unanimement convaincue de la conformité de la
disposition avec la CEDH. Trechsel ne la met pas en doute,
en se référant en particulier à des arrêts de la CEDH rendus
dans des affaires italiennes.95 Afin de respecter les garanties
de la CEDH, il lui paraît toutefois nécessaire que les autorités
pénales ne se montrent pas trop strictes sur la contre-preuve
offerte au détenteur des biens, en tout cas lorsque la personne
concernée n’est pas elle-même membre d’une organisation
criminelle.96 Il est en outre essentiel que les éléments constitutifs visés à l’art. 260ter ch. 1 al. 2 CP soient réalisés, ce qui
suppose, en principe, que la personne sache que sa contribution pourrait servir à la poursuite du but criminel de l’organisation, ou qu’elle prévoie cette possibilité et l’accepte dans le
cas où elle se réaliserait. En revanche, dans le cas de l’administration de valeurs patrimoniales, les éléments constitutifs
du soutien à une organisation criminelle ne supposent pas
que la personne sache ou doive supposer que ces valeurs proviennent d’une infraction concrète.97 Si des doutes existent
quant à la conformité de l’art. 72 CP à la CEDH, ceux-ci sont
d’autant plus grands s’agissant d’une application analogique
de cette disposition, par voie de jurisprudence, à l’entraide
internationale.
Les considérations qui précèdent montrent que l’utilisation de l’art. 72 CP dans le cadre de l’entraide internationale
n’est pas sans soulever des problèmes. Son application aux
affaires Duvalier et Mobutu nous paraît difficile. La question
de la compétence, tout d’abord, présente un obstacle insurmontable en l’absence d’une requête d’entraide. La requête
d’entraide déposée par Haïti, ainsi que la plainte intentée par
la RDC, ont permis, provisoirement, de passer outre cette
difficulté. Toutefois, il reste encore la fragilité de l’exigence
de la contre-preuve compte tenu de son origine jurisprudentielle. Enfin, cet article suppose, comme condition première,
la qualification d’organisation criminelle. Or, il n’est pas
avéré que cette qualification puisse s’appliquer à la famille
Duvalier et au clan Mobutu.
3.
Une mesure de blocage, respectivement de confiscation, doit
obéir au principe de la proportionnalité.98 Celui-ci s’impose
tant au regard de l’art. 184 al. 3 Cst. (affaire Mobutu) qu’au
regard des art. 74a EIMP et 72 CP (affaire Duvalier).99
Pour qu’une mesure soit conforme au principe de la proportionnalité, il faut qu’elle soit apte à atteindre le but visé,
que ce dernier ne puisse être atteint par une mesure moins
incisive et qu’il existe un rapport raisonnable entre les effets
de la mesure sur la situation de l’administré et le résultat
95
96
97
92
93
94
Moreillon (n. 90), p. 476 s.
ATF 6B.722/2007 du 9 mai 2008.
FF 1993 III 311.
AJP 03_2009.indb 284
Respect du principe de la proportionnalité
98
99
Stefan Trechsel, Schweizerisches Strafgesetzbuch vom
21. Dezember 1937, Kurzkommentar, 2e éd., Zurich 2005, ad
art. 59 CP, n. 23 et les nombreuses réf. citées.
Ibid.
ATF 132 IV 132 consid. 4.1.4; ATF 131 II 235 consid. 12.2 =
JdT 2007 IV p. 29; ATF 128 II 355 consid. 2.4 = JdT 2005 IV
p. 270.
Art. 36 al. 3 Cst.
ATF 132 I 229 consid. 10.1; ATF 123 IV 29 consid. 3a.
10.3.2009 9:12:06 Uhr
Restitution spontanée de fonds bloqués à des États défaillants: les cas Duvalier et Mobutu
AJP/PJA 3/2009
285
escompté du point de vue de l’intérêt public.100 Il n’est jamais inutile de rappeler que, au sens de la proportionnalité,
le but doit être assez important et doit pouvoir être atteint
de manière assez efficace pour justifier, dans son ampleur, la
restriction imposée à la liberté.101
Savoir si une mesure est nécessaire à la sauvegarde des
intérêts de la Suisse dans les relations avec l’étranger est une
question de droit qui, au vu de ses implications politiques,
comporte une importante marge d’appréciation. Par conséquent, le TF, outre qu’il ne saurait procéder à un contrôle de
l’opportunité de la mesure, fait preuve d’une grande retenue
dans l’appréciation des faits et la pesée des intérêts en présence qu’il ne revoit, pratiquement, que sous l’angle de l’arbitraire.102
Ainsi, au regard de la proportionnalité, une mesure de blocage qui perdure depuis plus de vingt ans peut s’apparenter à
une confiscation portant atteinte à la garantie de la propriété
protégée par l’art. 26 Cst.103 Il s’ensuit que les blocages des
fonds Duvalier et Mobutu, qui ont duré vingt-trois, respectivement onze ans, mettent ce principe à rude épreuve. Qui
plus est, le fait que les États concernés n’aient, durant longtemps, montré aucun intérêt à la procédure de confiscation,
remet en cause l’intérêt public de cette mesure. Il est donc
légitime de se demander si une restitution, au nom de l’intégrité de la place financière suisse, à un État qui n’est pas
à même de présenter une requête dans ce sens, est vraiment
proportionnée. L’implication des victimes directes de la spoliation, dont les avoirs confisqués sont le fruit, de même que
des garanties relatives à l’utilisation de ces biens pour des
tâches d’utilité publique, permettraient de rétablir l’équilibre
d’une mesure de confiscation.
4.
La charge du fardeau de la preuve au
regard de la présomption d’innocence
Comme relevé précédemment, la règle de l’art. 72 CP demeure douteuse s’agissant de sa conformité à l’art. 6 ch. 2
CEDH. Certes, l’intéressé peut se voir attribuer la charge de
prouver qu’il n’est pas lié à une organisation criminelle pour
pouvoir revendiquer, en droit suisse, la restitution des fonds.
Cependant, la règle se heurte à une autre, plus fondamentale,
selon laquelle nul n’a l’obligation de s’auto-incriminer. Finalement, si le tiers n’arrive guère à faire la démonstration
qu’il est un propriétaire légal et licite des fonds, ne court-il
pas le risque d’être recherché pour participation active à une
organisation criminelle?
Comme relevé ci-dessus, la procédure d’entraide judiciaire a une vocation purement administrative. Dès lors, l’application de l’art. 6 ch. 2 CEDH pourrait paraître douteuse,
s’agissant de l’interprétation telle que conférée par le TF à
l’art. 74a EIMP. À supposer que l’on soit dans une procédure pénale, il faut encore se demander comment les juges
de Strasbourg règlent la question du fardeau de la preuve.
Celle-ci a été tranchée par la Cour européenne des droits de
l’homme (Cour eur. DH) dans l’affaire Salabiaku c. France.104 Pour la Cour, la règle du fardeau de la preuve n’est pas
absolue. Tout système juridique connaît nécessairement des
présomptions de fait ou de droit. La CEDH n’y met pas obstacle en principe. En matière pénale, «elle oblige les États
contractants à ne pas dépasser à cet égard un certain seuil».
Plus particulièrement, si l’art. 6 ch. 2 CEDH «se bornait à
énoncer les garanties à respecter par les magistrats pendant
le déroulement des instances judiciaires, ces exigences se
confondraient en pratique, dans une large mesure, avec le devoir d’impartialité qu’impose l’art. 6 ch. 1 CEDH».105 Dans
ce contexte, le grief de la violation de l’art. 6 ch. 2 CEDH
doit être examiné de façon concrète. L’art. 6 CEDH «ne s’intéresse donc pas aux présomptions de fait ou de droit qui
se rencontrent dans les lois répressives. Il commande aux
États de les enserrer dans des limites raisonnables prenant
en compte la gravité de l’enjeu et préservant les droits de la
défense».106
Plus particulièrement, si le renversement du fardeau de la
preuve n’est pas un crime en soi, tout va dépendre de la gravité de la sanction et de la faculté, pour l’intéressé, de pouvoir participer efficacement et activement au procès équitable.107 Pour la Cour, il s’agit de rechercher dans chaque cas
si les limites de la présomption ont été franchies au détriment de l’accusé.108 Dans la mesure où l’intéressé a la faculté
d’apporter la preuve qu’il n’est pas l’auteur de l’infraction,
qu’il peut amener des éléments établissant qu’il y a doute sur
sa participation, qu’il peut invoquer le bénéfice de circonstances atténuantes ou qu’il peut faire état d’un cas de force majeure, il n’y a nulle trace de violation de l’art. 6 CEDH.109
En l’espèce, la contre-preuve qui incombe à la famille Duvalier, respectivement au clan Mobutu, porte sur des années
d’activités à la tête d’un État, les faits s’étant en outre déroulés il y a plus de quinze ans. La difficulté de cette tâche doit
toutefois être relativisée en comparaison de celle des États,
spoliés et vidés de leurs ressources – avec les conséquences
matérielles et humaines qui en découlent – de venir démontrer l’origine illicite des fonds bloqués.
104
105
106
100
101
102
103
ATF 125 I 474 consid. 3 et les arrêts cités.
Mahon/Aubert (n. 66), ad art. 36 Cst., rem. 16 et les réf. citées.
ATF 132 I 229 consid. 10.3; ATF 129 II 193 consid. 5.1.
ATF 1A.335/2005 du 18 août 2006 consid. 6.1.
AJP 03_2009.indb 285
107
108
109
Cour eur. DH, Arrêt Salabiaku c. France du 7 octobre 1988, Recueil, Série A n° 141 par. 28.
Ibid.
Ibid.
Laurent Moreillon, La recherche des preuves dans l’instruction pénale: maxime inquisitoire et droit de la défense, RPS
2004, p. 140 ss, en particulier p. 146 et les réf. citées.
Arrêt Salabiaku c. France (n. 104).
Ibid.
10.3.2009 9:12:06 Uhr
Sandrine Giroud-Roth/Laurent Moreillon
AJP/PJA 3/2009
286
V.
Propositions pour un projet de loi
L’analyse des décisions des 2 juillet 2008 et 12 février 2009,
ainsi que des 12 décembre 2008 et 25 février 2009, a montré
que la pratique actuelle en matière de restitution anticipée,
dans le cas d’États défaillants, soulève des doutes en terme
de légalité, de proportionnalité et de garanties procédurales.
La confiscation ne s’impose que faiblement et sans convaincre, par des applications analogiques de la loi et des fondements jurisprudentiels fragiles. Si la jurisprudence Abacha
a ouvert la porte à de nouveaux développements en matière
de restitution anticipée de fonds, il est maintenant primordial
de pouvoir les ancrer dans une base légale solide qui adresse
formellement la problématique des États défaillants.
La question d’une réforme législative en matière de
confiscation des avoirs des PEP a déjà donné lieu à de nombreux objets parlementaires.110 C’est à la suite du Postulat
Gutzwiller du 21 juin 2007 sur l’entraide judiciaire avec les
États défaillants111 que le CF a décidé d’agir sur le plan législatif en mandatant le DFAE de rédiger un projet de loi réglementant la confiscation des avoirs d’origine illicite déposés
en Suisse par des PEP.112 L’ambition du présent article se limite à suggérer quelques éléments de réflexion à considérer
lors de l’élaboration de la nouvelle loi.
Il est évident que le projet de loi ne peut échapper à la
formulation de règles claires et précises concernant la confiscation et la restitution anticipée. Trois voies sont possibles:
la voie de l’entraide (modification de l’EIMP), la voie pénale
(modification du CP) ou la voie administrative (introduction
d’une nouvelle norme législative).
Les avis sont partagés. Pieth privilégie une modification
de la législation pénale. Dans ce sens, il propose l’adoption
d’une norme de confiscation autonome – à l'exemple des
législations autrichienne et liechtensteinoise – combinée
à un renversement du fardeau de la preuve.113 Relevant les
difficultés liées à une application étendue de l’art. 72 CP,
il favorise un renversement du fardeau de la preuve spécifiquement adapté au cas des PEP. Il s’agirait ainsi, d’une
part, de délimiter de manière adéquate le concept de PEP et,
d’autre part, d’établir un catalogue des actes incriminés. Tel
n’est pas l’avis de Morier qui considère que le CP ne peut
pallier les dysfonctionnements d’États étrangers et rejette
la voie pénale. Selon lui, le but d’une adaptation législative
doit viser l’introduction d’une norme de confiscation et non
la criminalisation de certains comportements. Il préconise,
110
111
112
113
Interpellation Remo Gysin (07.3324 du 13 juin 2006); Question
Luc Recordon (07.5168 du 11 juin 2007); Interpellation Didier
Berberat (07.3336 du 14 juin 2007); Interpellation Dick Marty
(07.3499 du 22 juin 2007); Initiative parlementaire Groupe
socialiste, porte-parole Carlo Sommaruga (07.445 du 22 juin
2007); Question Didier Berberat (08.1049 du 12 juin 2008).
Postulat Felix Gutzwiller (07.3459 du 21 juin 2006).
DFAE (n. 5).
Pieth (n. 39), p. 505.
AJP 03_2009.indb 286
en conséquence, une solution administrative qui reposerait
sur la compétence du CF en matière d’«affaires étrangères»
octroyée par l’art. 54 Cst.114 Il rejoint toutefois Pieth en
combinant cette norme administrative à un renversement du
fardeau de la preuve. Enfin, tous les deux excluent la voie de
l’entraide qui pose comme condition essentielle l’existence
d’une requête de l’État étranger. Cette troisième voie a certes fait ses preuves dans le cas d’États requérants réactifs,115
mais l’incapacité ou le manque de volonté de certains États
(«défaillants») à produire les éléments de preuve nécessaires – voire même à formuler une requête d’entraide – a bien
montré les limites du système.
Le choix entre la voie pénale, la voie administrative et
celle de l’entraide internationale, dépend essentiellement de
deux éléments. Le premier est le degré de preuve exigé pour
l’établissement de l’origine illicite des fonds. Le deuxième
concerne la latitude que l’on compte laisser à l’autorité compétente dans l’application de la norme. La voie pénale permettrait une application plus systématique d’une telle norme
mais exigerait, en retour, un degré de preuve plus élevé et précis, ôtant une partie de son pouvoir d’appréciation à l’autorité
compétente. Or, le cas d’un État défaillant comporte toujours
une dimension politique (pauvreté extrême, catastrophes naturelles, corruption endémique, etc.) qui nécessite un pouvoir
d’appréciation adéquat, ce que la voie administrative permettrait de préserver au mieux. Quant à la voie de l’entraide, elle
suppose une aide inter États qui semble illusoire dans le cas
d’États défaillants, puisqu’une telle coopération ne peut exister lorsqu’un État requérant ne veut ou ne peut agir.
Quelle que soit la voie choisie, il nous paraît nécessaire
que le nouveau projet de loi incorpore certains éléments
indispensables au bon déroulement de la confiscation, à
commencer par le renversement du fardeau de la preuve.
D’autres problèmes comme celui de la prescription des actes incriminés doivent également être adressés. Il s’agira de
fixer clairement le départ du délai de prescription ainsi que
sa durée, voire l’imprescriptibilité de tels actes. Se pose en
outre la question du rôle des victimes directes. En effet, les
crimes patrimoniaux à l’origine des fonds vont souvent de
pair avec des violations crasses des droits de l’homme, la
mise en place d’un régime de terreur dans un pays favorisant
la corruption et le pillage des ressources.116 Il existe donc un
lien entre ces violations des droits de l’homme et ces fonds.
Il s’ensuit que les victimes de ces violations devraient également pouvoir participer à la procédure, en tant que partie
pénale ou civile.117
114
115
116
117
Morier (n. 11), p. 277 s.
V. les affaires Marcos, Abacha et Montesinos citées précédemment (n. 45 ss).
Cette réalité apparaît d’autant plus clairement lorsque la qualification d’«organisation criminelle» est utilisée.
L’art. 53 de la Convention de l’ONU contre la corruption pourrait servir de source d’inspiration. En effet, la portée de cet ar-
10.3.2009 9:12:06 Uhr
Restitution spontanée de fonds bloqués à des États défaillants: les cas Duvalier et Mobutu
AJP/PJA 3/2009
287
Ces pistes de réflexion ne sont pas exhaustives et se limitent à la question de la confiscation. Les modalités de restitution de ces fonds ainsi que la supervision de leur utilisation,
afin d’éviter que les fonds restitués ne viennent alimenter
la corruption endémique de certains États bénéficiaires, demeurent une question délicate qui devra être abordée avec
grand soin.
VI.
Conclusion
Comme l’affaire Marcos en son temps, les affaires Duvalier
et Mobutu servent aujourd’hui de cas d’école au législateur
helvétique. Le système actuel de confiscation et de restitution des biens illicites de PEP repose sur la bonne volonté
de l’État requérant. Que cet État, supposé requérant, vienne
à faillir et la machine s’enraie. Loin des tergiversations politiques et des bricolages juridiques, il s’agit, à présent, d’apporter une solution claire à la problématique des biens illicites revenant à des États défaillants.
Cette démarche permettra à la Suisse de préserver au
mieux ses intérêts, notamment en terme de réputation, dans
les domaines financiers et de politique internationale. En effet, l’absence – voulue ou non – de coopération de la part de
certains États peut faire de la Suisse le coffre-fort international involontaire de ces fonds litigieux, menaçant son image de place financière propre, déjà mise à mal ces derniers
temps. Qui plus est, les citoyens de ces États défaillants sont
souvent ceux à qui ces biens seraient les plus nécessaires.
Dans la mesure où leur État n’est pas à même ou ne veut pas
entreprendre les démarches utiles, il serait temps d’offrir à
ces victimes la possibilité de faire valoir leur droit à la restitution de ces biens illégitimement acquis.
Souhaitons que le législateur saura relever ce défi dans le
respect des principes d’un État de droit et de justice.
ticle qui prévoit la possibilité, pour l’ayant droit légitime, de
recouvrer par le biais d’une action civile les avoirs dissimulés
à l’étranger par un agent public corrompu, n’est pas limitée au
seul État lésé, mais s’étend également à chaque particulier qui
fait valoir un droit légitime.
AJP 03_2009.indb 287
Die Beschlagnahme und Rückgabe von Vermögenswerten, die
von politisch exponierten Personen widerrechtlich angeeignet
und in der Schweiz deponiert worden sind, haben im Zusammenhang mit den Affären Duvalier und Mobutu neue rechtliche Entwicklungen erfahren. Der vorliegende Aufsatz wirft
einen kritischen Blick auf die heutige Rechtspraxis und zeigt
die Grenzen des geltenden Rechts auf. Obwohl die heutigen
Regelungen denjenigen Staaten, die sogleich ihre korrupten
Potentaten zur Verantwortung ziehen, einen effektiven Schutz
bieten, erweisen sie sich aber bei «Säumnis» dieser Staaten als
weitgehend unwirksam. In diesen Fällen tun sich die schweizerischen Behörden schwer, Gerechtigkeit mit Rechtsstaatlichkeit
zu vereinbaren. Nur grundlegende Gesetzesänderungen können diese Probleme, die dem Ansehen der Schweiz aussenpolitisch und mit Bezug auf den Finanzplatz schaden könnten,
lösen. Der Aufsatz schliesst mit einigen Vorschlägen für eine
neue Gesetzgebung.
10.3.2009 9:12:07 Uhr
Marnie Engewald-Dannacher
AJP/PJA 3/2009
Aufarbeitung von Staatsunrecht
in rechtstaatlichen Grenzen?
288
Zum Revisionsbedarf des Schweizerischen Einziehungrechts
im Hinblick auf Potentatengelder
MARNIE ENGEWALDDANNACHER
lic. iur., Basel
Inhaltsübersicht
I. Einleitung
II. Der Präzedenzfall Abacha und der Nachfolgefall Duvalier
1. Art. 260ter StGB, Staatsregime als kriminelle Organisation
a) Allgemeine Überlegungen zu Art. 260ter StGB
b) Organisation
c) Geheimhaltung
d) Kriminelles Staatsregime als gefährliche Subkultur?
e) Räumlicher und zeitlicher Geltungsbereich
2. Anwendung von Art. 72 StGB
a) Allgemeine Überlegungen zu Art. 72 StGB
b) Einziehung von Vermögenswerten eines kriminellen
Regimes mittels Art. 72 StGB?
c) Auslegung des Art. 74a IRSG im Lichte von Art. 72 StGB
III. Voraussetzungen einer Gesetzesrevision
IV. Diskutierte Lösungsvorschläge
1. Straftatbestand illicit enrichment, Art. 20 UNCAC
2. Selbständige Einziehung/Civil forfeiture
3. Vorschlag Pieth
4. Neuer Lösungsvorschlag
V. Fazit
genswerte politisch exponierten Personen zugeordnet werden
können – sogenannte Potentatengelder –, scheint sie häufig
in Bedrängnis zu geraten. Obwohl die Schweiz in der Rückführung solcher Gelder an das geschädigte Land zweifellos
eine Vorreiterrolle spielt1, zeigen etwa die noch hängigen
Fälle Duvalier oder Mobutu die Grenzen des Schweizer
Rechtssystems auf. Wenn ein ausländischer Staat den Voraussetzungen eines Rechtshilfeverfahrens nicht nachkommen
kann oder will, bleiben Potentatengelder zum Teil jahrzehntelang eingefroren, ohne dass es zu einer Rückgabe kommt2.
Da die Schweizer Rechtsordnung keine taugliche autonome
Einziehungsnorm für Potentatengelder kennt, strapazieren
die Schweizer Behörden momentan das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit enorm mit ihren beinahe akrobatischen Gesetzesauslegungen und Argumentationen, um eine Herausgabe solcher Gelder an den berechtigten Staat zu erwirken.
Der BGE3 über die Herausgabe der Vermögenswerte des
ehemaligen nigerianischen Staatschefs General Sani Abacha
scheint für den Ruf der Schweiz nicht nur ein Erfolg gewesen zu sein, sondern auch zum Präzendenzfall für weitere in
der Schweiz gesperrte Potentatengelder zu werden. Auch im
Nachfolgefall Duvalier wird vom Bundesamt für Justiz eine
ähnliche Strategie vertreten. Bei genauer Betrachtung der
Erwägungen dieses Abacha-Urteils stellen sich jedoch erhebliche Rechtsfragen. Politische Zwänge haben beim Entscheid des Bundesgerichts wohl eine grössere Rolle gespielt
als die Einhaltung gesetzlicher Grenzen. Im Folgenden soll
anhand der vorne erwähnten Fälle die aktuelle Rechtslage,
insbesondere bezüglich der Anwendung des Art. 260ter StGB
und der dazugehörigen Einziehungsnorm Art. 72 StGB kritisch betrachtet werden. Hier werden Probleme deutlich, die
es mittels einer allfälligen Gesetzesrevision zu lösen gilt. Im
Anschluss sollen bisher diskutierte Lösungsmöglichkeiten
und eine neue mögliche – weitgehend friktionsfreie – Lösung dargestellt werden.
1
I.
Einleitung
Die Schweiz als führender internationaler Finanzplatz droht
immer wieder zum safe haven für deliktisch erworbene Vermögenswerte zu werden. Insbesondere wenn solche Vermö-
AJP 03_2009.indb 288
2
3
Wissenschaftliche Assistentin von Prof. Dr. iur. Mark Pieth,
Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozessrecht und Kriminologie,
Juristische Fakultät der Universität Basel; Dissertationsprojekt:
Einziehung von Potentatengelder.
Pierre-Yves Morier, Is autonomous confiscation the acme of
asset recovery?, in: Mark Pieth (ed.), Recovering Stolen Assets,
Bern/Bruxelles/Frankfurt am Main/New York/Oxford/Wien
2008, 269.
Die Vermögenswerte von Duvalier wurden im Jahre 1986 eingefroren, jene von Mobutu im Jahre 1997.
BGE 131 II 196.
10.3.2009 9:12:07 Uhr
Aufarbeitung von Staatsunrecht in rechtstaatlichen Grenzen?
AJP/PJA 3/2009
289
II.
Der Präzedenzfall Abacha und der
Nachfolgefall Duvalier
Das Bundesgericht hat im Fall Abacha4 erstmals – durchaus
kühn – folgende Linie vertreten: Das Abacha-Regime wurde als kriminelle Organisation im Sinne von Art. 260ter StGB
qualifiziert. Darauf aufbauend wurde die in Art. 72 StGB statuierte Beweislastumkehr analog auch im Rechtshilfeverfahren angewendet5. Da der Beweis über die allfällig legale Herkunft der Vermögenswerte von den Erben Abachas gar nicht
erst angetreten wurde, konnte auf diese Weise eine Summe
von ca. CHF 700 Mio. an Nigeria herausgegeben werden6.
Im nun aktuellen Fall Duvalier wurde der gleiche Weg
eingeschlagen. Nach einer jahrzehntelangen Kontosperre,
die der Bundesrat gestützt auf seine aussenpolitischen Kompetenzen7 immer wieder verlängert hat, hat das Bundesamt
für Justiz das Rechthilfeverfahren am 2. Juli 2008 wieder
aufgenommen und die Vermögenswerte seinerseits gesperrt.
Am 11. Februar 2009 hat das Bundesamt für Justiz folgende
Verfügung erlassen:
«Die haitianischen Behörden werfen dem ehemaligen Staatspräsidenten Jean-Claude Duvalier vor, von seinem Amtsantritt
im Jahr 1971 bis zu seiner Flucht im Jahr 1986 mit Hilfe von
Personen aus seiner Entourage die Staatskasse geplündert und
die veruntreuten Gelder in Höhe von mehreren hundert Millionen USD im Ausland angelegt zu haben. Der Duvalier-Clan ist
dabei wie eine kriminelle Organisation im Sinne von Art. 260ter
des Schweizerischen Strafgesetzbuches vorgegangen, hält das
BJ in seinem Entscheid fest. Damit ist nicht nur die Voraussetzung der beidseitigen Strafbarkeit erfüllt, um in diesem Fall
Rechtshilfe gewähren zu können. Darüber hinaus sind gemäss
der Rechtsprechung des Bundesgerichts im Fall Abacha die
Einziehungsbestimmungen des StGB anwendbar, was eine
Umkehr der Beweislast zur Folge hat. Da die Konteninhaber in
ihren Stellungnahmen keinerlei Hinweise oder Klärungen auf
die rechtmässige Herkunft der in der Schweiz gesperrten Vermögenswerte in Höhe von rund 7 Millionen Franken vorlegen
konnten, ordnete das BJ deren Herausgabe an Haiti an.8»
1.
Art. 260ter StGB, Staatsregime als
kriminelle Organisation
a)
Allgemeine Überlegungen zu
Art. 260ter StGB
1981 wurde ein erster Versuch, einen Straftatbestand für sogenannte kriminelle Organisationen zu schaffen, abgelehnt.
Die Gegner kritisierten insbesondere dessen präventiven
Charakter, welcher der Funktion des Strafrechts als Mittel
der Aufarbeitung von Unrecht zuwiderläuft.9 13 Jahre später wurde dann doch ein Organisationstatbestand, der sogenannte Mafia-Artikel, ins Strafgesetzbuch aufgenommen10.
Offensichtlich hielt der Gesetzgeber dies für nötig, weil die
Konstruktion von Verbrechensorganisationen den einzelnen
Täter scheinbar als austauschbares Element in einer «bis
zur Undurchdringlichkeit abgeschotteten Vereinigung darstellt»11. Einerseits aufgrund des präventiven Charakters,
andererseits durch den Versuch, eine dem Vernehmen nach
hermetisch abgeschottete Vereinigung in einer Norm zu definieren, treten zwangsläufig grosse Probleme auf. Dies wird
bereits beim Versuch deutlich, die einzelnen Tatbestandsmerkmale zu präzisieren.
Gemäss Art. 260ter StGB macht sich schon derjenige
strafbar, der sich an einer Organisation bloss beteiligt oder
eine Organisation unterstützt, die ihren Aufbau und ihre personelle Zusammensetzung geheimhält und den Zweck verfolgt, Gewaltverbrechen zu begehen oder sich mit verbrecherischen Mitteln zu bereichern. Im Zusammenhang mit einem
kriminellen Regime soll hier vor allem das Element der geheimen Organisation genauer betrachtet werden.
b)
Eine Organisation im Sinne des Art. 260ter StGB ist ein Zusammenschluss mehrerer Personen, der festen Regeln der
Willensbildung und Aufgabenteilung unterliegt, der auf eine
dauerhafte Struktur ausgelegt und dessen Mitglieder jederzeit austauschbar sind, ohne den Bestand der Organisation
zu gefährden12. Diese Elemente müssen zwar nicht kumulativ gegeben sein, die angeblich kriminelle Vereinigung
muss aber nach Qualität und Quantität ein «mafiaähnliches»
Gebilde darstellen, das ein ausserordentliches Gefährdungspotential aufweist13. Ist dies nicht der Fall, wäre eine Strafandrohung im Dienste eines Sicherheitskonzepts keinesfalls
zu rechtfertigen.
9
10
11
4
5
6
7
8
BGE 131 II 169.
BGE 131 II 169, 183 ff.
Enrico Monfrini, The Abacha Case, in: Mark Pieth (ed.),
Recovering Stolen Assets, Bern/Bruxelles/Frankfurt am Main/
New York/Oxford/Wien 2008, 59.
Art. 184 Abs. 3 BV.
Medienmitteilung des Bundesamts für Justiz vom 12. Februar
2009.
AJP 03_2009.indb 289
Organisation
12
13
Botschaft über die Änderung des Schweizerischen Strafgesetzbuches und des Militärstrafgesetzes (Gewaltverbrechen) vom
10. Dezember 1979, BBl 1980 I 1241, 1252 ff.
Art. 260ter StGB wurde mit dem Bundesgesetz 18. März 1994
ins Schweizerische Strafgesetzbuch eingeführt und trat am
1. August 1994 in Kraft.
Botschaft über die Änderung des Schweizerischen Strafgesetzbuches und des Militärstrafgesetzes (Revision des Einziehungsrechts, Strafbarkeit der kriminellen Organisation, Melderecht
des Financiers), BBl 1993 III 277, 295.
Vgl dazu etwa Günther Stratenwerth, Schweizerisches
Strafrecht, Besonderer Teil II: Straftaten gegen Gemeininteressen, 5. A., Basel 2000, § 40 N 21; Florian Baumann, in: Marcel Alexander Niggli/Hans Wiprächtiger (Hrsg.), Basler Kommentar, Strafrecht II, Art. 111–392 StGB, 2. A., Basel 2007,
Art. 260ter StGB, N 6.
Baumann (FN 12), Art. 260ter StGB, N 6.
10.3.2009 9:12:07 Uhr
Marnie Engewald-Dannacher
AJP/PJA 3/2009
290
Gemäss der Praxis des Bundesgerichts fallen unter den
Organisationsbegriff mafiaähnliche Verbrechersyndikate
und hochgefährliche terroristische Gruppierungen14. Bereits bei dieser ersten Konkretisierung treten massive Abgrenzungschwierigkeiten auf. So werden wohl terroristische
Organisationen und organisierte Freiheitskämpfer kaum
voneinander zu unterscheiden sein15, beide sind auf eine gewaltsame Durchsetzung ihrer politischen Ziele ausgerichtet.
Nur bei letzteren wird dieses Ziel aus dem Blickwinkel der
Schweiz positiv bewertet und soll daher nicht zu einem strafbaren Verhalten führen.
c)
Geheimhaltung
Ein zusätzliches Merkmal, das den Begriff der Organisation
eingrenzen soll, ist die Geheimhaltung. Mit der Geheimhaltung von Aufbau und personeller Zusammensetzung soll
die kriminelle Organisation von erlaubten Unternehmungen
abgegrenzt werden, selbst wenn in deren Bereich auch gelegentlich Delikte verübt werden16.
Dieses Merkmal wurde in Anlehnung an die sizilianische
Mafia in den Tatbestand aufgenommen17. Geheim muss nicht
die Existenz einer solchen Organisation sein, sondern deren
interner Aufbau und der Kreis der Mitbeteiligten und Helfer.
Diese geheime Struktur trägt angeblich wesentlich zur Gefährlichkeit von kriminellen Organisationen bei, da sie sich
dadurch von der Aussenwelt, insbesondere vor den Strafverfolgungsbehörden systematisch abschotten kann18. Es wird
also vermutet, dass solche geheimen kriminellen Organisationen eine gefährliche Subkultur bilden – eine Art Parallelwelt, vor der die Bürger geschützt werden müssen.
d)
Kriminelles Staatsregime als gefährliche
Subkultur?
Bezüglich eines kriminellen Staatsregimes fällt auf, dass
zwar offensichtlich organisationsähnliche Strukturen vorliegen und ein solches Regime zumindest für die dortige Zivilbevölkerung eine grosse Gefährdung darstellt.
Ob ein kriminelles Regime jedoch einer geheim arbeitenden, kriminellen Organisation gleichgestellt werden kann,
ist mehr als fraglich. Ein grosser Teil der internen Struktur
eines kriminellen Regimes ist bekannt, mindestens der Head
of state, die Minister, die leitenden Amtsträger, Familienmitglieder, oft auch die Befehlshabenden von sogenannten Pri-
14
15
16
17
18
Baumann (FN 12), Art. 260ter StGB, N 7.
Mark Pieth, Criminalizing the Financing of Terrorism, Journal
of International Criminal Justice, Vol. 4, 2006, 1074, 1080 ff.;
Baumann (FN 12), Art. 260ter StGB, N 7.
Botschaft 1993 (FN 11), 298.
Mark Pieth, «Das zweite Paket gegen das Organisierte Verbrechen», die Überlegungen des Gesetzgebers, ZStrR 1995, 235.
Baumann (FN 12), Art. 260ter StGB, N 7.
AJP 03_2009.indb 290
vatarmeen (etwa die Tonton Macoutes19). Natürlich arbeitet
ein kriminelles Regime auch mittels diverser Handlanger und
Strohmänner. Dies scheint aber noch nicht der qualifizierten
Geheimhaltung, die in Art. 260ter StGB gefordert wird, zu
entsprechen.
Auch stimmt wohl die Gesamtsituation einer kriminellen
Staatsführung nicht mit der einer kriminellen Organisation
überein. Während die kriminelle Organisation offensichtlich
im Untergrund arbeitet und die Strafverfolgungsbehörde zu
unterwandern versucht, so wird diese von einem kriminellen
Regime direkt kontrolliert, weil dessen Vertreter eben auch
in einer formalrechtlichen Machtposition stehen. Während
das Handeln einer kriminellen Organisation einen Angriff
auf den Staat ist, liegt beim Handeln eines kriminellen Regimes eher ein Angriff des Staates selber auf die Zivilbevölkerung vor.
e)
Räumlicher und zeitlicher Geltungsbereich
Der räumliche Geltungsbereich des Schweizerischen Strafgesetzbuches (Art. 3–8 StGB) wird durch die Formulierung
in Ziff. 3 des Art. 260ter StGB für den Tatbestand der kriminellen Organisation ausgedehnt. So findet Art. 260ter StGB
schon dann Anwendung, wenn die kriminelle Organisation
ihre verbrecherische Tätigkeit ganz oder teilweise in der
Schweiz ausübt. Der räumliche Geltungsbereich wird bei
der Anwendung dieses Artikels auf kriminelle Regime, die
deliktisch erworbene Vermögenswerte über den Finanzplatz
Schweiz waschen, keine Probleme bereiten.
Problematisch scheint in diesem Zusammenhang der
zeitliche Geltungsbereich dieses Artikels. Dies zeigt sich
vor allem im aktuellen Fall Duvalier. Gemäss Art. 2 Abs. 1
StGB wird nur bestraft, wer nach Inkrafttreten des Gesetzes
Verbrechen oder Vergehen begangen hat. Das Bundesamt
für Justiz hat den Duvalier-Clan in der vorne zitierten Medienmitteilung als kriminelle Organisation im Sinne von
Art. 260ter StGB qualifiziert und die Beweislastumkehr von
Art. 72 StGB angewendet. Beide Artikel sind am 1. August
1994 in Kraft getreten. Jean-Claude Duvalier war allerdings
von 1971–1986 Staatschef Haitis, seine Vermögenswerte auf
Schweizer Bankkonten wurden ebenfalls bereits im Jahre
1986 eingefroren. Folglich hatte der in Frankreich im Exil
lebende Duvalier, während der Zeit zwischen 1987 und 2009
weder die Möglichkeit, in Haiti Vermögens- oder Gewaltdelikte zu begehen, noch konnte er, da sein Vermögen in der
Schweiz bereits auf Eis gelegt wurde, auch hier keine weiteren Vermögensdelikte, wie etwa Geldwäscherei verüben.
Die Anwendung des Art. 260ter StGB ist in diesem konkreten
Fall unzulässig, da sie dem strafrechtlichen Prinzip des
Rückwirkungsverbots entgegensteht. Es wird im Ergebnis
auch keinen Unterschied machen, dass die Subsumierbarkeit
unter den Art. 260ter StGB nur als Vorfrage beantwortet wird,
19
Haitianische Miliz, offiziell bekannt als die MVSN, Milice de
Volontaires de la Sécurité.
10.3.2009 9:12:08 Uhr
Aufarbeitung von Staatsunrecht in rechtstaatlichen Grenzen?
AJP/PJA 3/2009
291
damit die dazugehörige Einziehungsnorm, Art. 72 StGB,
angewendet werden kann. Das Rückwirkungsverbot gilt sowohl für Strafen wie auch für Massnahmen20.
2.
Anwendung von Art. 72 StGB
a)
Allgemeine Überlegungen zu Art. 72 StGB
Gemäss Art. 72 StGB können Vermögenswerte, die der Verfügungsmacht einer kriminellen Organisation unterliegen,
eingezogen werden. Bei Vermögenswerten einer Person, die
sich an einer solchen Organisation beteiligt oder sie unterstützt, wird die Verfügungsmacht der Organisation bis zum
Beweis des Gegenteils vermutet.
In diesem Artikel geht es nicht, wie in der Einziehung üblich, um das Abschöpfen deliktisch erworbener Vermögenswerte, sondern um die Wegnahme des Betriebskapitals einer
kriminellen Organisation, weil dieser eine ausserordentliche
Sozialgefährlichkeit zugeschrieben wird.21 Diese Norm hat
also in erster Linie einen präventiven Charakter: Die Vermögenswerte müssen eingezogen werden, weil es zu gefährlich
wäre, sie in den Händen der kriminellen Organisation zu belassen.
Gemäss dem zweiten Satz dieser Bestimmung muss die
Verfügungsmacht einer kriminellen Organisation bei Vermögenswerten eines ihrer Mitglieder nicht mehr bewiesen
werden – eine solche Person kann aber ihrerseits den Gegenbeweis führen. Diese Beweislastumkehr bricht mit einem
fundamentalen strafrechtlichen Prinzip: in dubio pro reo
wird missachtet.
Bei einem derartigen Wechsel der Beweislast auf eine private Person, muss die Schwelle des Gegenbeweises freilich
sehr tief angesetzt werden. Allerdings scheinen die Überlegungen der herrschenden Lehre, was inhaltlich als Gegenbeweis gelten soll, der Zielrichtung des Art. 72 StGB entgegenzustehen. So soll der Gegenbeweis auch darin bestehen,
dass die betroffene Person die legale Herkunft der Vermögenswerte darlegen kann22. Jedoch ist für eine Einziehung
nach Art. 72 StGB die legale oder illegale Herkunft der Vermögenswerte gerade nicht wesentlich: Die Vermögenswerte
sollen eingezogen werden, weil sie sich in gefährlichen
Händen befinden. Auf der Ebene des Gegenbeweises müsste
also nicht die Herkunft thematisiert werden, sondern die Verfügungsmacht; wird die Verfügungsmacht der Organisation
widerlegt, ist das Vermögen ja ungefährlich und daher freizugeben.
20
21
22
Günther Stratenwerth, Schweizerisches Strafrecht, Allgemeiner Teil I, 2. A., Bern 2006, § 4 N 13; Kurt Seelmann,
Strafrecht Allgemeiner Teil, 3. A., Basel 2007, 28.
Florian Baumann, in: Marcel Alexander Niggli/Hans Wiprächtiger (Hrsg.), Basler Kommentar, Strafrecht I, Art. 1–110 StGB,
2. A., Art. 72 StGB, N 2; Botschaft 1993 (FN 11), 316.
Botschaft (FN 11), 319–320; Baumann (FN 21), Art. 72 StGB,
N 11, m.w.H.
AJP 03_2009.indb 291
b)
Einziehung von Vermögenswerten eines
kriminellen Regimes mittels Art. 72 StGB?
Auch das Konzept dieses Artikels passt grundsätzlich nicht
auf den Missstand eines kriminellen Staatsregimes. Sogenannte Potentatengelder sollen zurückgegeben werden
können, weil sie der Zivilbevölkerung «gestohlen» wurden.
Hier geht es um die Aufarbeitung von Unrecht, es besteht ein
Restitutionsinteresse. Art. 72 StGB dient jedoch der Gefahrenabwehr. Dass eine sozialgefährliche – weil kriminell ausgerichtete – Organisation Zugriff auf Vermögenswerte hat,
soll unterbunden werden. Ob aber beispielsweise ein im Exil
lebender Diktator wie Duvalier diese Gefährlichkeit noch
aufweist, ist höchst unwahrscheinlich.
Ausserdem wurde zu den Fällen Abacha23 und Duvalier24 erklärt, dass die betroffenen Personen die Einziehung
verhindern können, wenn sie die legale Herkunft dieser Vermögenswerte beweisen. Wie vorne bereits erklärt, ist dies
konzeptionell verfehlt, da der Gegenbeweis gegen die Verfügungsmacht der kriminellen Organisation, aber nicht gegen
die illegale Herkunft der Vermögenswerte geführt werden
müsste.
c)
Auslegung des Art. 74a IRSG im Lichte
von Art. 72 StGB
Bezüglich des zeitlichen und räumlichen Geltungsbereichs
des Art. 72 kann grundsätzlich auf die Überlegungen in II.1.e)
verwiesen werden. Das Bundesgericht hat in seinem AbachaUrteil25 diesen Artikel aber nicht direkt angewendet, sondern
das Rechtshilfegesetz, insbesondere die Herausgabe von Vermögenswerten nach Art. 74a IRSG im Lichte des Artikels 72
StGB ausgelegt. In seinen Erwägungen argumentiert es folgendermassen: Gemäss der Botschaft vom Bundesrat26 hatte
die neue Einziehungsnorm für Vermögen einer kriminellen
Organisation (Art. 59 Abs.3 aStGB, heute Art. 72 StGB) das
Ziel, die Regel umzustossen, nach der eine Einziehung sowohl im innerstaatlichen Recht wie auch in der internationalen Rechtshilfe nur angeordnet werden kann, wenn auch die
Einzeltat, aus der die Vermögenswerte stammen, bewiesen
werden kann.27
Bei unbefangener Lektüre der Botschaft stellt man aber
fest, dass die neue Norm vor allem Erleichterungen bringen
sollte, soweit bisher verfahrensstrukturelle Unterschiede die
Rechtshilfefähigkeit von Urteilen verhindert hat. So war
etwa die Einziehung im Zusammenhang mit einem «guilty
plea»-Urteil in einem angloamerikanischen plea bargaining-
23
24
25
26
27
Vgl. FN 4.
Siehe Medienmitteilung des Bundesamtes für Justiz vom 2. Juli
2008.
Vgl. FN 4.
Botschaft (FN 11).
BGE 131 II 169, 183.
10.3.2009 9:12:08 Uhr
Marnie Engewald-Dannacher
AJP/PJA 3/2009
292
Verfahren in der Schweiz nicht vollziehbar, da die Schweiz
bisher keine schuldunabhängige Einziehung kannte28.
Ob die in der Botschaft angesprochenen Erleichterungen
bei einem «early release» gemäss Art. 74a Abs. 3 IRSG, nach
dem Vermögenswerte in jedem Verfahrensstadium herausgegeben werden können, Bedeutung haben soll, ist zweifelhaft:
Auch diese beiden Artikel passen konzeptionell einfach nicht
zusammen. Art. 74a IRSG stellt klar auf die deliktische Herkunft von Vermögen ab, während Art. 72 StGB, wie vorne
erläutert, die Einziehung dann zulässt, wenn sich Vermögenswerte unabhängig von ihrer Herkunft in ausgesprochen
gefährlichen Händen befinden. Auch die Tatsache, dass bei
der Revision des IRSG im Jahre 1997, als die Neuerung des
early release ins Gesetz aufgenommen wurde, weiterhin
auf die deliktische Herkunft von Vermögenswerten abgestellt und die Idee des Art. 72 StGB nicht übernommen wurde, steht der Argumentation des Bundesgerichts entgegen.
Grundsätzlich sind zwar Analogieschlüsse zur Auslegung
des IRSG gemäss Art. 12 Abs. 1 IRSG bei Gesetzeslücken
zulässig. Hier scheint aber eine bestehende Norm des IRSG
durch eine anders ausgerichtete Bestimmung des Strafgesetzbuchs ersetzt worden zu sein.
III.
Voraussetzungen einer
Gesetzesrevision
Die rechtlichen Probleme, die im Zusammenhang mit der
Rückführung von Potentatengeldern zu erkennen sind und
die das rechtstaatliche Handeln unserer Behörden bisweilen
an Grenzen oder darüber hinaus führen, drängen eine Revision des Einziehungsstrafrechts geradezu auf. Der politische
Druck bezüglich der Rückführung von Potentatengeldern
ist in der Schweiz jetzt – leider nicht schon vor 30 Jahren –
massiv. Gerade deshalb sollte bei einer Revision versucht
werden, den Ansprüchen der Rechstaatlichkeit gerecht zu
werden.
Die Praxis hat gezeigt, dass in Fällen von Potentatengeldern insbesondere der lückenlose paper trail zwischen
einzelnen Delikten und den Vermögenswerten in der Regel
nicht vorliegt. Diesbezüglich scheint eine Beweiserleichterung angebracht und vertretbar. Diese Einschränkung des
strafrechtlichen Prinzips in dubio pro reo ist allerdings nur
zu rechtfertigen, wenn gegenüber den übrigen Tatbestandselementen die volle Beweislast beim Staat bleibt. Es bedarf
eines Einziehungsartikels, der an die deliktische Herkunft
anknüpft, da die betreffenden Gelder der Zivilbevölkerung
entwendet wurden – und diese Tatsache gilt es aufzuarbeiten. Das Tatbestandsmerkmal der Verfügungsmacht verfehlt
diese Schutzrichtung jedoch, da zumindest vom ehemaligen
Head of state keine Gefährlichkeit mehr ausgeht.
Eventuell muss sich die Schweiz eingestehen, dass Fälle wie Duvalier mit den jetzigen gesetzlichen Möglichkeiten
nicht lösbar sind. Sie sind ein trauriges Kapitel des Erfolges der
Schweiz als internationaler Finanzplatz. Die Vermögenswerte
trotz entgegenstehender Gesetzeslage einzuziehen, scheint insofern stossend, als dass den Staatsregimes ja gerade massiver
Machtmissbrauch vorgeworfen wird. Natürlich kann dieser
nicht aufgearbeitet werden, indem die Schweizer Behörden
nun ihrerseits ihre nicht durch das Gesetz gestützte Machtposition gegenüber einem Beschuldigten missbrauchen.
IV.
Diskutierte Lösungsvorschläge
1.
Straftatbestand illicit enrichment,
Art. 20 UNCAC29
Eine Möglichkeit diesen Missstand zu beheben, wäre etwa
die Einführung eines neuen Straftatbestandes oder einer Einziehungsnorm unter dem Titel illicit enrichment. Gemäss
Art. 20 UNCAC sollen die Vertragsstaaten vorbehaltlich
ihrer Verfassung sowie der Grundprinzipien ihrer Rechtsordnungen in Erwägung ziehen, die erforderlichen gesetzgeberischen und sonstigen Massnahmen zu treffen, um die
unerlaubte Bereicherung, d.h. eine erhebliche Zunahme der
Vermögenswerte eines Amtsträgers, die er im Verhältnis zu
seinen rechtmässigen Einkünften nicht angemessen erklären
kann, als Vorsatzstraftat zu umschreiben. Diese offene Formulierung würde zu weit führen. Sie ist unbestimmt und widerspricht dem fragmentarischen Charakter des Strafrechts.
2.
Verschiedene Rechtsordnungen kennen ein Instrument der
selbständigen Einziehung. So sind nach dem österreichischen
Recht (§ 20b Abs. 2 öStGB)30 etwa Vermögenswerte als verfallen zu erklären, die aus einer mit Strafe bedrohten Handlung stammen, wenn die Tat, aus der sie herrühren, auch
durch die Gesetze des Tatorts mit Strafe bedroht ist, aber
nicht den österreichischen Strafgesetzen unterliegt.
In einigen Common Law Rechtsordnungen finden wir
eine ähnliche Konstruktion, das sogenannte civil forfeiture,
nach dem Vermögenswerte eingezogen werden können,
wenn festgestellt wird, dass sie aus einem Verbrechen stammen oder der Ausführung von weiteren Verbrechen dienen,
auch wenn kein strafrechtliches Urteil vorliegt. Der Vorteil
dieser Lösung wäre die Anwendung der (leichter zu erfüllenden) zivilrechtlichen statt der strafrechtlichen Beweisanforderungen.
29
28
Botschaft (FN 11), 317.
AJP 03_2009.indb 292
Selbständige Einziehung/
Civil forfeiture
30
United Nations Convention against Corruption (UNCAC) of
31 Oktober 2003.
Vgl. in Liechtenstein, § 20b Abs. 2 LiStGB.
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Aufarbeitung von Staatsunrecht in rechtstaatlichen Grenzen?
AJP/PJA 3/2009
293
Beide Lösungswege helfen im Grunde aber nicht weiter,
da sie den Beweis der direkten Verbindung zwischen Vermögenswerten und einzelnen Delikten verlangen. In diesem
Punkt wäre aus den erwähnten praktischen Gründen eine Beweiserleichterung angebracht.
3.
Delikten, stellt aber weiterhin auf den deliktischen Ursprung
der Vermögenswerte ab:
Art. 72bis
1
Wenn Vertreter eines ausländischen Staatsregimes in ihrer
Funktion systematisch Amts- oder Vermögensdelikte begangen
haben, sind Vermögenswerte einzuziehen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit aus einem solchen Delikt stammen. Die von der
Einziehung betroffene Person kann diese verhindern, wenn
sie die legale Herkunft der Vermögenswerte glaubhaft machen
kann.
2
Die Einziehung der Vermögenswerte nach Abs. 1 erfolgt auch
dann, wenn die schweizerische Zuständigkeit nach Art. 3 bis 8
StGB nicht gegeben ist.
Vorschlag Pieth
Ein differenzierterer Vorschlag liegt von Pieth vor. In der
Festschrift Riklin31 hat er folgende mögliche Einziehungsnorm publiziert:
1
Bis zum Beweis des Gegenteils wird vermutet, dass Vermögenswerte durch eine Straftat erlangt worden sind, die in der Verfügungsmacht eines ehemaligen oder aktuellen, leitenden ausländischen Amtsträgers eines Regimes stehen, dessen Vertreter auf
systematische Weise schwere Vermögens- oder Amtsdelikte begangen haben, oder sich schwere Menschenrechtsverletzungen
haben zuschulden kommen lassen. Misslingt der Gegenbeweis,
sind die Vermögenswerte einzuziehen.
2
Die Einziehung der Vermögenswerte nach Abs. 1 erfolgt auch
dann, wenn die schweizerische Zuständigkeit nach Art. 3 bis 8
StGB nicht gegeben ist. Vorausgesetzt ist aber, dass die Taten
auch am Begehungsort strafbar sind oder dass der Begehungsort
keiner Strafgewalt unterliegt. Die Herausgabe der Vermögenswerte gemäss IRSG geht der Einziehung nach Art. 72bis vor.
Diese Norm ist sehr eng und präzise formuliert. Der Rechtstaatlichkeit wird genüge getan, zudem ist die erwünschte
Beweiserleichterung bezüglich der direkten Verbindung zwischen einzelnen Verbrechen und Vermögenswerten enthalten.
Allerdings wird auch in dieser Norm auf die Verfügungsmacht abgestellt, worauf es doch nicht ankommen kann, da
das Interesse der Schweiz, diese Vermögenswerte zurückzugeben, nicht daran liegt, dass sie aufgrund ihrer Gefährlichkeit eingezogen werden müssen: Es soll vergangenes Unrecht aufgearbeitet werden.
Weiter scheint das Verhältnis dieser Norm zu der Herausgabe von Vermögenswerten gemäss dem IRSG nicht klar zu
sein. So könnte etwa der letzte Satz des Abs. 2 bedeuten, dass
die Norm gegenüber Mobutu und Duvalier keine Anwendung
finden würde, da in diesen beiden Fällen der Rechtshilfeweg
bereits eingeschlagen wurde.
4.
Neuer Lösungsvorschlag
Ein möglicher Lösungsweg mit einem rein repressiven Charakter und einer genügend bestimmten Formulierung soll
im Folgenden vorgestellt werden. Er schafft eine Beweiserleichterung (keine Beweislastumkehr) für den direkten Zusammenhang zwischen Vermögenswerten und einzelnen
31
Mark Pieth, Die Herausgabe illegal erworbener Vermögenswerte an sog. «Failing States», in: Marcel Alexander Niggli/José Hurtado Pozo/Nicolas Queloz (Hrsg.), Festschrift für
Franz Riklin, Zürich 2007, 497–507.
AJP 03_2009.indb 293
Um eine Einziehung nach dieser Norm zu erwirken, müsste der ehemalige kriminelle modus operandi des Staatsregimes als solcher ohne Abstriche des strafrechtlichen Beweisniveaus festgestellt werden: mit an Sicherheit grenzender
Wahrscheinlichkeit. Zusätzlich müsste der Richter sämtliche
Anhaltspunkte für den direkten Zusammenhang zwischen
den Vermögenswerten und den begangenen Delikten umfassend würdigen. Nur wenn sich daraus – zusätzlich zur Kriminalisierung des Regimes – eine hohe Wahrscheinlichkeit
der kriminellen Herkunft ergibt, können die Vermögenswerte
eingezogen werden.
Die betroffene Person kann den Gegenbeweis antreten.
Die Schwelle dieses Beweises muss allerdings entsprechend
tief sein, dies soll mit der Formulierung «glaubhaft machen»
erreicht werden.
V.
Fazit
Es bleibt zu hoffen, dass der Gesetzgeber bei einer allfälligen
Gesetzesrevision dem politischen Druck standhält und eine
Lösung findet, die die gewünschte Praktikabilität bringt,
ohne in Konflikt mit der Rechtsstaatlichkeit zu geraten.
La place financière suisse apparaît régulièrement comme un
safe haven pour des valeurs patrimoniales de personnes exposées politiquement et acquises de manière délictueuse. La
Suisse joue un rôle de précurseur à l’échelle mondiale en remettant de tels biens aux états qui y ont droit. Dans le précédent Abacha, un régime étatique étranger a pour la première
fois été qualifié d’organisation criminelle au sens de l’art. 260ter
CP, de sorte que le renversement du fardeau de la preuve selon
l’art. 72 CP s’appliquait concernant la provenance délictuelle
des biens. Ce procédé soulève quelques questions de droit.
Afin d’offrir à l’avenir une base plus solide pour la résolution
de tels cas, une révision de la confiscation pénale s’impose.
Il conviendra de trouver une solution qui évite autant que
possible les frictions avec les principes d’un état de droit, vu
qu’il s’agit justement de corriger l’injustice étatique et l’abus
d’autorité.
(trad. LT LAWTANK, Fribourg)
10.3.2009 9:12:09 Uhr
Andrea Mondini/Manuel Liatowitsch
AJP/PJA 3/2009
Jederzeitige Kündbarkeit von Aufträgen
schadet dem Dienstleistungsstandort Schweiz
294
Zeit für eine Praxisänderung zu Art. 404 OR
ANDREA MONDINI
MANUEL LIATOWITSCH
LL.M., Rechtsanwalt,
Zürich
Dr. iur., Rechtsanwalt,
Zürich
Inhaltsübersicht
1. Ausgangslage
2. Tragweite von Art. 404 Abs. 1 OR
2.1 Bundesgerichtliche Rechtsprechung
2.2 Kantonale Rechtsprechung
2.3 Doktrin
3. Rechtsvergleichung
3.1 Deutschland
3.2 Österreich
3.3 Frankreich
3.4 Italien
4. Art. 404 sollte nur auf typische Aufträge zwingend
angewendet werden
1.
Ausgangslage
Art. 404 Abs. 1 des Schweizerischen Obligationenrechts
(OR) sieht vor, dass Auftraggeber und Beauftragter das zwischen ihnen bestehende Auftragsverhältnis jederzeit widerrufen oder kündigen können. Im Unterschied zu anderen Verträgen wird beim Auftrag die Beendigung nicht von einem
bestimmten Termin oder einer bestimmten Frist abhängig
gemacht, sondern als jederzeit zulässig erachtet. Beschränkt
wird dieses Widerrufs- bzw. Kündigungsrecht allein durch
Art. 404 Abs. 2 OR, wonach die zur Unzeit erfolgende Beendigung den zurücktretenden Vertragspartner zur Zahlung von
Schadenersatz verpflichtet1.
1
Andrea Mondini, LL.M., und Dr. Manuel Liatowitsch sind
Partner bei Schellenberg Wittmer Rechtsanwälte in Zürich. Die
Verfasser danken Herrn Dr. Roland Ryser für die wertvolle Mitarbeit.
Vgl. BGE 104 II 116.
AJP 03_2009.indb 294
Im Auftragsrecht gilt Art. 404 Abs. 1 OR als eine der
problematischsten Regelungen. Umstritten ist in Lehre und
Rechtsprechung insbesondere die Frage, ob und vor allem
inwiefern das jederzeitige Beendigungsrecht zwingender
oder dispositiver Natur ist. Ebenso unklar ist die Tragweite
der Regelung: Findet Art. 404 OR nur auf Verträge Anwendung, die sich als reine Aufträge i.S.v. Art. 394 ff. OR qualifizieren oder erstreckt sich die Bestimmung auch auf gemischte Verträge mit auftragsrechtlichen Elementen oder gar
auf gewisse Verträge sui generis? Fraglich ist schliesslich,
ob dem jederzeitigen Widerrufs- bzw. Kündigungsrecht auch
Verträge unterliegen, die als Dauerschuldverhältnisse einzuordnen sind.
Die entsprechende Problematik manifestiert sich namentlich bei den gerade in internationalen Geschäftsverhältnissen oft anzutreffenden Management-, Beratungs-,
Versicherungsbroker-, Forschungs- und Entwicklungs-,
Outsourcing- und IT-Dienstleistungsverträgen, welche aus
schweizerischer Optik einerseits als Dauerschuldverhältnisse gelten und andererseits über bestimmte auftragsrechtliche Merkmale verfügen. Aufgrund der bestehenden
Rechtsunsicherheiten können die Parteien solcher und
weiterer Verträge nicht darauf vertrauen, dass die vertraglich vereinbarten Beendigungsmodalitäten vor Art. 404 OR
auch tatsächlich standhalten. Im internationalen Verhältnis
führt dies oft dazu, dass die Vertragsparteien von einer Unterstellung entsprechender Verträge unter Schweizer Recht
absehen und eine Rechtsordnung wählen, welche keine
diesbezüglichen Unklarheiten kennt. Dies schmälert die
Attraktivität der schweizerischen Rechtsordnung und wirkt
sich als Standortnachteil aus.
Eine weitere Negativkonsequenz betrifft die Attraktivität der Schweiz für die internationale Schiedsgerichtsbarkeit. Wenn ausländische Parteien für den Streitfall ein
Schiedsgericht in der Schweiz vorsehen, treffen sie häufig
ohne längere Abklärungen auch eine Rechtswahl zugunsten schweizerischen Rechts – ohne sich im Detail darüber
im Klaren zu sein, was dies für ihr Vertragswerk bedeutet.
Gross ist die Überraschung dann, wenn sich im Streitfall
die sorgfältig ausgehandelten Vertragsbeendigungs-Bestimmungen wegen Art. 404 OR plötzlich als Makulatur
erweisen.
Im Rahmen des vorliegenden Beitrags gilt es, vor diesem Hintergrund zunächst Lehre und Rechtsprechung zu
Art. 404 OR abzubilden und die entsprechenden Rechtsunsicherheiten zu benennen (hinten Ziff. 2). Im Anschluss
an einen Blick auf die Rechtsordnungen unserer Nachbarländer (hinten Ziff. 3) soll ein Vorschlag zu einer engen
zwingenden Anwendung von Art. 404 OR erarbeitet werden
(hinten Ziff. 4).
10.3.2009 9:12:09 Uhr
Jederzeitige Kündbarkeit von Aufträgen schadet dem Dienstleistungsstandort Schweiz
AJP/PJA 3/2009
295
2.
Tragweite von Art. 404 Abs. 1 OR
2.1
Bundesgerichtliche Rechtsprechung
Das Bundesgericht erachtet das freie Widerrufs- und Kündigungsrecht i.S.v. Art. 404 OR in ständiger Rechtsprechung
als zwingend; es darf weder vertraglich ausgeschlossen noch
eingeschränkt werden2. Selbst eine mittelbare Sanktionierung
der Unwiderruflichkeit durch Konventionalstrafe (Art. 160
OR) wird für unzulässig erklärt3. Diesen zwingenden Charakter von Art. 404 OR rechtfertigt das Bundesgericht mit
der Begründung, dass Beauftragte meist eine besondere Vertrauensstellung einnehmen und es im Falle einer Störung des
Vertrauensverhältnisses keinen Sinn mache, den Vertrag aufrecht erhalten zu wollen4.
Dem so verstandenen Art. 404 OR kommt nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung ein relativ breiter Anwendungsbereich zu: Die Regelung beschlägt nämlich nicht nur
typische, namentlich unentgeltliche oder höchstpersönliche
Aufträge, sondern wird durch das Bundesgericht auf sämtliche Auftragsverhältnisse angewendet5. Dem zwingenden
jederzeitigen Auflösungsrecht werden darüber hinaus sogar gemischte Verträge unterstellt, «für welche hinsichtlich
der zeitlichen Bindung der Parteien die Bestimmungen des
Auftragsrechtes als sachgerecht erscheinen»6. Entsprechend
wird also auch ein Architektenvertrag mit werkvertrags- und
auftragsrechtlichen Elementen dem zwingenden freien Beendigungsrecht nach Art. 404 OR unterworfen7. Als zwingend
widerruflich gelten laut Bundesgericht auch Liegenschaftsverwaltungs-8, Musikmanagement-9 und Internatsverträ2
3
4
5
6
7
8
BGE 59 II 261, 95 I 25, 98 II 307, 103 II 130, 104 II 111/115,
106 II 159 f., 109 II 467, 115 II 466 ff., 117 II 478; BGer vom
23.5.1989, SJ 1989, 523; BGer vom 6.10.1992, 4C.31/1992,
NZZ vom 5.10.1993; BGer vom 31.3.2005, 4C.447/2004,
E. 5.4; BGer vom 29. Juli 2008, 4A.213/2008, E. 5.2; vgl. auch
die Hinweise auf weitere unveröffentlichte Urteile bei Peter
Münch, Die jederzeitige Auflösbarkeit des Auftrages bleibt
zwingend, ZBJV 1997, 333 f.
BGE 103 II 130, 104 II 116, 109 II 467, 110 II 383.
BGE 104 II 115 f., 115 II 466; ferner BGE 98 II 308, 109 II
466, 110 II 382; BGer vom 10.4.2002, 4P.28/2002, E. 3. C.cc;
BGer vom 31.3.2005, 4C.447/2004, E. 5.2.
BGE 115 II 466 f.; in BGE 109 II 467 wurde die Frage, ob auch
atypische Auftragsverhältnisse dem jederzeitigen Beendigungsrecht unterliegen, noch offengelassen.
BGE 115 II 466 f.; ferner BGE 109 II 466, 110 II 382. Nach
früherer Rechtsprechung wurde Art. 404 OR hinsichtlich solcher Verträge dadurch zur Anwendung gebracht, dass Verträge
auf Arbeitsleistung, welche keinem gesetzlichen Vertragstypus zugeordnet werden konnten, unter Berufung auf Art. 394
Abs. 2 OR integral dem Auftragsrecht unterstellt wurden; vgl.
BGE 104 II 115 f., 106 II 159.
BGE 109 II 462 ff., 110 II 382.
BGE 106 II 159 f.; BGer vom 23.5.1989, SJ 1989, 523; a.M.
noch BGE 83 II 530 mit Hinweis auf dessen dauervertragliche
Rechtsnatur; vgl. eingehend dazu Willi Fischer, Der Liegenschaftsverwaltungsvertrag, AJP/PJA 2000, 399 ff.
AJP 03_2009.indb 295
ge10 oder Kooperationsverträge zwischen Depotbanken und
externen Vermögensverwaltern11. Dagegen qualifiziert das
Bundesgericht Charterverträge als Verträge sui generis, deren Auflösung nicht der Vorschrift von Art. 404 OR untersteht12. Ebenfalls ausgeschlossen wird durch die bundesgerichtliche Rechtsprechung eine analoge Anwendung von
Art. 404 OR auf Dauerverträge; so wird in einem neueren
Entscheid festgehalten, dass ein Franchisevertrag aufgrund
seiner dauerschuldvertraglichen Rechtsnatur nicht frei widerrufen werden könne13. Diese Begründung erstaunt indes vor
dem Hintergrund, dass das Bundesgericht wiederholt auch
Dauerschuldverträge als einfache Aufträge qualifiziert und
dem freien Beendigungsrecht unterstellt hat14 und ungeachtet dieses Entscheides weiterhin festhält, der Dauerschuldcharakter eines Vertrages hindere dessen auftragsrechtliche
Einordnung nicht15. Im Ergebnis wendet das Bundesgericht
damit Art. 404 OR unmittelbar auf Dauerverträge an, sobald
es diese als einfache Aufträge qualifiziert, lehnt aber gleichzeitig eine bloss sinngemässe Anwendung auf andere Dauerverträge mit Hinweis auf deren Dauerschuldcharakter ab16.
2.2
Kantonale Rechtsprechung
Die kantonale Rechtsprechung hat verschiedentlich versucht, durch Qualifikation der zu beurteilenden Verträge
als gemischte Verträge oder Veträge sui generis dem breiten
Anwendungsbereich von Art. 404 OR gemäss der dargestellten Bundesgerichtspraxis auszuweichen. Nach kantonaler
Rechtsprechung wurden mit dieser Begründung insbesondere Factoringverträge17, Fitnessverträge18, Verträge über
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
BGE 104 II 115 f.
BGer vom 4.10.1982, C.171/82, E. 3 (zit. bei Arnold F.
Rusch/Michael Hochstrasser, Verträge mit Kinderkrippen,
Jusletter vom 22. Oktober 2007, N 43 Fn. 89); vgl. auch KGer
SG vom 26.2.1982, SJZ 1983, 247 f.
BGer vom 31.3.2005, 4C.447/2004, E. 5.2 f. («contrat de collaboration»); Christoph Gutzwiller, Rechtsfragen der Vermögensverwaltung, Züirch 2008, 82.
BGE 115 II 111.
BGer vom 11.10.2000, 4C.228/2000, E. 4; OGer ZH vom
24.6.2003, ZR 2004, 233; vgl. auch bereits BGE 83 II 530, 98 II
308, 120 V 305; ferner BGer vom 11.2.2003, 4C.270/2002, E. 2.4;
BGer vom 11.6.2002, 4C.66/2002, E. 2.1; BGer vom 30.5.2005,
5C.252/2004, E. 5; OGer ZH vom 10.6.1988, ZR 1988, 310.
Vgl. BGE 104 II 115 f., 106 Ib 150, 106 II 159, 108 Ib 192, 100
II 370 f., 110 II 284 f., 111 II 449, 126 III 21 f.
BGer vom 7.2.2002, 4C.316/2001, E. 1b; BGer vom 10.4.2002,
4P.28/2002, E. 3.c; BGer vom 27.9.2002, 4C.125/2002, E. 2.1;
BGer vom 31.3.2005, 4C.447/2004, E. 5.2 und 5.3.
Ausführlich dazu Peter Gauch, Der Auftrag, der Dauervertrag und Art. 404 OR, Ein Kurzbeitrag zur Rechtsprechung des
Bundesgerichts, SJZ 2005, 520 ff.
OGer ZH vom 10.6.1988, ZR 1988, 310; OGer ZH vom
25.3.1985, ZR 1986, 29 f.; a.M. im konkreten Fall aber HandelsGer ZH vom 17.12.1990, ZR 1990, 151 ff.
BezGer Arlesheim BL vom 15.10.1993, BJM 1994, 137 f.;
KassGer NE vom 21.10.1999, SJZ 2000, 396 f.
10.3.2009 9:12:09 Uhr
Andrea Mondini/Manuel Liatowitsch
AJP/PJA 3/2009
296
die Erbringung von buchhaltungsbezogenen IT-Dienstleistungen19, IT-Serviceverträge20, Betreuungsverträge21 Beratungsverträge22. vom Anwendungsbereich von Art. 404 OR
ausgenommen.
2.3
Doktrin23
In der Literatur wird die bundesgerichtliche Rechtsprechung
bisweilen stark kritisiert. Für wenig überzeugend gehalten
wird insbesondere die Begründung des zwingenden jederzeitigen Widerrufsrechts mit dem «besonderen Vertrauensverhältnis»; ein solches sei eben gerade nicht für jeden Auftrag
typisch24. Indem das Bundesgericht aber auch solchen Verträgen fast jegliche Bindungswirkung abspricht, obwohl sie
nicht durch ein besonderes Vertrauensverhältnis geprägt sind,
werde gegen die ratio legis von Art. 404 OR verstossen25.
Überdies könne der Auftraggeber bei fehlender Vertrauensbasis ohnehin jederzeit kündigen; es müsse bloss das Honorarinteresse des Beauftragten beachtet werden, wenn kein
wichtiger Grund für die Kündigung vorliege. Art. 404 OR sei
indessen auf unentgeltliche Aufträge zugeschnitten und trage
dem nicht Rechnung26. Die bundesgerichtliche Rechtsprechung tangiere zudem den im Obligationenrecht geltenden
Satz «pacta sunt servanda»27. Das Bundesgericht verkenne,
dass das Vertrauen immer gegenseitig sei und primär zum
Halten des gegebenen Wortes verpflichte28. Sodann sei die
zwingende Natur von Art. 404 OR kaum zu begründen, wenn
keine Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts (Art. 27
ZGB) vorliege. Im Obligationenrecht herrsche Vertragsfreiheit und entsprechend seien alle Vorschriften, die nicht gegen
den ordre public verstossen, dispositiver Natur29,30.
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
KGer SG vom 6.01.1988, SJZ 1990, 125 f.
KGer SZ vom 28.11.1989, SJZ 1990, 380.
Vgl. KGer ZG vom 14.7.2005, ZGGVP 2005, 178 f.
OGer LU vom 14.12.1988, SJZ 1989, 215 f., ZBJV 1990, 585 ff.
Vgl. auch die Übersicht bei Josef Hofstetter, in: Josef Hofstetter/Wolfgang Wiegand (Hrsg.), Schweizerisches Privatrecht, Band VII/6: Obligationenrecht – Besondere Vertragsverhältnisse, Der Auftrag und die Geschäftsführung ohne Auftrag,
Basel 2000, 58 f.
Claire Huguenin, Obligationenrecht Besonderer Teil, 3. A.,
Zürich/Basel/Genf 2008, N 835; Pierre Engel, Contrats de
droit suisse, 2. A., Bern 2000, 508; Rolf H. Weber, in: Heinrich Honsell/Nedim Peter Vogt/Wolfgang Wiegand (Hrsg.),
Basler Kommentar, Obligationenrecht I, Art. 1–529 OR, 4. A.,
Basel 2007, Art. 404 N 9; Peter Gauch, Art. 404 OR – Sein
Inhalt, seine Rechtfertigung und die Frage seines zwingenden
Charakters, recht 1992, 14.
Vgl. Engel (FN 24), 508.
Heinrich Honsell, Schweizerisches Obligationenrecht, Besonderer Teil, 8. A., Bern 2006, 325.
Vgl. Honsell (FN 26), 325; ferner Huguenin (FN 24), N 835.
Honsell (FN 26), 325.
Honsell (FN 26), 325 f.
Vgl. auch die weiteren Argumente gegen die Rechtsprechung
des Bundesgerichts bei Gauch (FN 24), 13 ff.
AJP 03_2009.indb 296
Vor diesem Hintergrund wird nach der Mehrheitsauffassung in der Lehre31 sowie neueren kantonalen Gerichtsentscheiden32 zwischen sog. typischen und atypischen Aufträgen unterschieden. Als «typisch» und damit zwingend frei
widerruflich gilt ein Vertrag dann, wenn er unentgeltlich33
oder im Falle der Vereinbarung eines Honorars höchstpersönlicher Natur ist (so z.B. Verträge mit Ärzten, Rechtsanwälten
oder Treuhändern) bzw. wenn ihm ein besonderes Vertrauensverhältnis zugrunde liegt34. Bei Fehlen dieser Merkmale
wird der Auftrag als «atypisch» aufgefasst und die Parteien
können das jederzeitige Auflösungsrecht dementsprechend
wegbedingen35 (in der Literatur wird diese Möglichkeit insbesondere bei Aufträgen mit Dauercharakter befürwortet36).
Vor dem Hintergrund der Unterscheidung von typischen und
atypischen Verträgen werden etwa Factoring-37, Outsourcing-38, Facility-Management-39, Franchise-40, Sponsoring-41,
31
32
33
34
35
36
37
38
Emmanuel Piaget, Les règles du mandat face aux contrats innomés, AJP/PJA 2005, 988 ff.; Eric Homburger, Zwingende
Natur des jederzeitigen Widerrufsrecht nach Art. 404 Abs. 1
OR, SZW 1991, 35; Pierre Tercier, Les contrats spéciaux,
4. A., Genève/Zürich 2009, N 4940 ff.; Walter Fellmann,
Berner Kommentar, Bd. VI/2, 4. Teilbd., Der einfache Auftrag,
Art. 394–406 OR, 4. A., Bern 1992, Art. 404 N 115 ff.; Eugen
Bucher, Obligationenrecht Besonderer Teil, 3. A., Zürich
1988, 228; Leo R. Gehrer, Die Gestaltung von Architekturverträgen – praktische Hinweise, in: Alfred Koller (Hrsg.),
Recht der Architekten und Ingenieure, St. Gallen 2002, 111 f.;
Huguenin (FN 24), N 834 f.; Ueli Sommer, Die rechtliche
Qualifikation von Verwaltungsrats- und anderen Organverträgen – Eine Entgegnung auf die bundesgerichtliche Absage an
das Konzerninteresse in BGE 130 III 213, AJP/PJA 2004, 1063;
ferner Theo Guhl/Anton K. Schnyder, Das Schweizerische
Obligationenrecht, 9. A., Zürich 2000, § 49 N 32; Honsell
(FN 26), 325 f.; a.M. Hofstetter (FN 23), 60 f., 67 ff.
KGer ZG vom 14.7.2005, ZGGVP 2005, 178 f.; OGer LU vom
14.12.1988, SJZ 1989, 215 f., ZBJV 1990, 587; offengelassen
in BezGer Höfe SZ vom 10.8.1994, SJZ 1996, 67.
Vgl. Thomas Schneeberger, Der Einfluss des Entgelts auf
die rechtliche Stellung des Beauftragten, Diss. Bern 1992, 232;
BezGer Höfe SZ vom 10.8.1994, SJZ 1996, 67; OGer LU vom
14.12.1988, SJZ 1989, 215 f.; ZBJV 1990, 587.
Engel (FN 24), 510; Franz Werro, in: Luc Thévenoz/Franz
Werro (Hrsg.), Commentaire romand, Code des obligations I,
Art. 1–529, Basel 2003, Art. 404 N 7; Huguenin (FN 24),
N 834; Weber (FN 24), Art. 404 OR N 10; BezGer Höfe SZ
vom 10.8.1994, SJZ 1996, 67; OGer LU vom 14.12.1988, SJZ
1989, 215 f., ZBJV 1990, 587.
Vgl. Weber (FN 24), Art. 404 OR N 10.
Weber (FN 24), Art. 404 OR N 10; Franz Werro, Le mandat
et ses effets, Habil. Fribourg 1993, N 371 ff.; Sommer (FN 31),
1063; ähnlich Guhl/Schnyder (FN 31), § 49 N 32 («atypische, auf längere Dauer angelegte Vertragsverhältnisse»).
Marc Amstutz/Walter R. Schluep, in: Heinrich Honsell/
Nedim Peter Vogt/Wolfgang Wiegand (Hrsg.), Basler Kommentar, Obligationenrecht I, Art. 1–529 OR, 4. A., Basel 2007,
Einl.. vor Art. 184 OR ff. N 125.
Vgl. Thomas Brändli, Outsourcing, Vertrags-, Arbeits- und
Bankrecht, Diss. Bern 2001, N 255 ff.; Roland M. Ryser,
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Jederzeitige Kündbarkeit von Aufträgen schadet dem Dienstleistungsstandort Schweiz
AJP/PJA 3/2009
297
Fitness-42, Internats-43 oder Krippenverträge44 vom Anwendungsbereich von Art. 404 OR ausgenommen45. Umgekehrt
wird indessen z.B. der Spitalaufnahmevertrag als Vertrag
mit einem besonderen Vertrauensverhältnis qualifiziert und
demnach ein voraussetzungsloses auftragsrechtliches Kündigungsrecht des Patienten zugelassen46.
Hinsichtlich der praktisch wichtigen IT-Verträge würden
bei dieser Unterscheidung höchstens reine IT-Beratungsverträge als «typische» Aufträge dem jederzeitigen Widerrufsrecht nach Art. 404 OR unterliegen. Die übrigen IT-Verträge
(insbesondere die Wartungs- und Pflegeverträge) wären hingegen als «atypische» Aufträge zu qualifizieren.47
Andere Lehrmeinungen propagieren eine Unterscheidung
zwischen «Macht» und «Recht». Demnach sollen beide
Vertragsparteien jederzeit und ungeachtet vertraglicher Bindungen die «Macht» haben, den Auftrag zu widerrufen bzw.
zu kündigen; das «Recht» soll hingegen durch vertragliche
Abreden einschränkbar sein und entsprechend mache eine
Vertragsbeendigung gemäss Art. 404 Abs. 2 OR schadenersatzpflichtig, wenn sie in Verletzung einer bindenden Vertragsdauerbestimmung (sprich: «zur Unzeit») erfolgt48.
Nach einer weiteren Auffassung besteht ein freies Widerrufsrecht angesichts der in Art. 404 OR vorgesehenen Schadenersatzpflicht bei unzeitiger Kündigung nur dann, wenn
dem Vertragspartner dadurch keine besonderen Nachteile
entstehen oder der widerrufende Teil stichhaltige Gründe
für eine fristlose Vertragsauflösung geltend machen kann49.
39
40
41
42
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44
45
46
47
48
49
Outsourcing – Eine unternehmensstrafrechtliche Untersuchung,
Diss. Zürich 2007, N 64 FN 175.
Peter Burkhalter, Facility Management, Ganzheitliches
Immobilienmanagement – erste rechtliche Lösungsansätze,
BR 2004, 41.
Amstutz/Schluep (FN 37), Einl. vor Art. 184 OR ff. N 170.
Amstutz/Schluep (FN 37), Einl. vor Art. 184 OR ff. N 426;
Peter Philipp, Rechtliche Schranken der Vereinsautonomie
und der Vertragsfreiheit im Einzelsport, Diss. Zürich 2004, 156.
Arnold F. Rusch, Verträge mit Fitnessstudios, Jusletter vom
27. November 2006, N 14 (mit Hinweis auf das Urteil des Bezirksgerichtspräsidenten Arlesheim BL vom 15. Oktober 1993,
BJM 1994, 138).
Vgl. die Hinweise bei Amstutz/Schluep (FN 37), Einl. vor
Art. 184 OR ff. N 408.
Rusch/Hochstrasser (FN 10), N 42.
Uneinigkeit herrscht in der Lehre indes v.a. beim Fernkursvertrag, vgl. m.w.H. Amstutz/Schluep (FN 37), Einl. vor
Art. 184 OR ff. N 396.
Amstutz/Schluep (FN 37), Einl. vor Art. 184 OR ff. N 357.
Bernhard Heusler/Roland Mathys, IT-Vertragsrecht, Zürich 2004, 254.
Franz Werro, La distinction entre le pouvoir et le droit de
résilier: la clé de l’interprétation de l’art. 404 CO, BR 1991,
55 ff.; vgl. auch Tercier (FN 31), N 5282 f.; ähnlich im Ergebnis Weber (FN 24), Art. 404 OR N 10 (mit Hinweis auf LGVE
1990 I 25 ff.), nach welchem es denkbar ist, eine fristlose Vertragsauflösung gestützt auf Art. 404 OR bei anders lautender
Vertragsabsprache als rechtsmissbräuchlich zu erachten.
Fellmann (FN 31), Art. 404 OR N 113.
AJP 03_2009.indb 297
Gauch schliesslich geht sogar soweit, dass er Art. 404 OR
als rein dispositive Norm auslegen will50.
3.
Rechtsvergleichung
Dem Auftrag kommt im Recht unserer Nachbarländer eine
geringere Bedeutung zu als in der schweizerischen Rechtsordnung51. Begründet liegt dieser Umstand wohl in erster
Linie im unterschiedlichen Rechtsverständnis. So geht das
deutsche Recht etwa von der Unentgeltlichkeit des Auftrages
aus (§ 662 BGB), während es entgeltliche Geschäftsbesorgungsverträge dem Dienst- oder Werkvertragsrecht zuordnet
(vgl. § 675 BGB). Im österreichischen (§§ 1002 ff. ABGB),
französischen (Art. 1984 ff. CCfr.) und italienischen
(Art. 1703 ff. CCit.) Recht wird der Auftrag hingegen primär als Rechtsgeschäftsbesorgung in direkter Stellvertretung
aufgefasst, die entgeltlich oder unentgeltlich sein kann. Während nach österreichischem und italienischem Recht auch die
Geschäftsbesorgung in indirekter Stellvertretung möglich
ist, stellt das französische Recht auf den Kommissionsvertrag ab52. Unentgeltliche Verträge auf Arbeitsleistung werden
nach österreichischem Recht dem Auftrag zugerechnet53.
Wegen solch abweichender Definitionen des Auftrages
ist ein Vergleich mit den gesetzlichen Regelungen unserer
Nachbarländer nur bedingt gewinnbringend. Gleichwohl
soll indessen nachfolgend kurz auf die Art. 404 OR entsprechenden Regelungen eingegangen werden.
3.1
Deutschland
Art. 404 OR findet seine Entsprechung in § 671 des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Nach Abs. 1 dieser Vorschrift kann der Auftrag vom Auftraggeber jederzeit
widerrufen und vom Beauftragten jederzeit gekündigt werden. Der Beauftragte darf indessen gemäss Abs. 2 nur «in
der Art kündigen, dass der Auftraggeber für die Besorgung
des Geschäfts anderweit Fürsorge treffen kann, es sei denn,
dass ein wichtiger Grund für die unzeitige Kündigung vorliegt. Kündigt er ohne solchen Grund zur Unzeit, so hat er
dem Auftraggeber den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen».
In der deutschen Doktrin wird das Widerrufsrecht des
Auftraggebers grossmehrheitlich als unverzichtbar erachtet,
wenn der Auftrag im ausschliesslichen Interesse des Auftraggebers liegt54. Soweit der Auftrag allerdings auch im
50
51
52
53
54
Gauch (FN 24), 15 ff.
Hofstetter (FN 23), 9.
Hofstetter (FN 23), 7 f.; Weber (FN 24), vor Art. 394–406
OR N 8.
Weber (FN 24), vor Art. 394–406 OR N 8.
Vgl. etwa Otto Palandt/Hartwig Sprau, in: Otto Palandt
(Hrsg.), Bürgerliches Gesetzbuch, 67. A., München 2009, § 671
N 2.
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Andrea Mondini/Manuel Liatowitsch
AJP/PJA 3/2009
298
Interesse des Beauftragten erteilt wird und dessen Interesse
demjenigen des Auftraggebers zumindest gleichwertig ist,
kann auf das Widerrufsrecht des Auftraggebers wirksam
verzichtet oder in eine Einschränkung eingewilligt werden55.
Stets unverzichtbar ist das Widerrufsrecht im Falle des Vorliegens eines wichtigen Grundes56.
Im Unterschied zu dem nur unter bestimmten Voraussetzungen einschränkbaren Widerrufsrecht des Auftraggebers,
wird eine vertragliche Beschränkung bzw. ein Verzicht auf
das Kündigungsrecht des Beauftragten ohne weiteres als
zulässig erachtet. Vorbehalten bleibt indessen gemäss ausdrücklicher Anordnung in § 671 Abs. 3 BGB das Beendigungsrecht aus wichtigem Grund.
Es soll an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass
die skizzierte Widerrufs- und Kündigungsregelung aufgrund
der gesetzlichen Definition des Auftrages gemäss § 662 BGB
grundsätzlich nur auf unentgeltliche Rechtsverhältnisse Anwendung findet57. Einzugehen ist deshalb vorliegend auch
auf die Widerrufs- bzw. Kündigungsmodalitäten des mit dem
entgeltlichen Auftrag des schweizerischen Rechts vergleichbaren Dienstvertragsrechts i.S.v. §§ 611 ff. BGB. Bei der
Auflösung des Dienstvertrages sind die Kündigungsfristen
gemäss § 621 (allgemeine Kündigungsfristen) bzw. gemäss
§ 622 BGB (Kündigungsfristen bei Arbeitsverhältnissen) zu
beachten, wenn «die Dauer des Dienstverhältnisses weder
bestimmt noch aus der Beschaffenheit oder dem Zwecke der
Dienste zu entnehmen» ist (§ 620 Abs. 2 BGB). § 626 BGB
sieht daneben ein jederzeitiges Kündigungsrecht aus wichtigem Grund vor.
Für «Dienste höherer Art», welche aufgrund eines besonderen Vertrauensverhältnisses übertragen werden, sieht § 627
BGB sodann zusätzlich ein jederzeitiges fristloses Kündigungsrecht vor, wenn der zur Dienstleistung Verpflichtete
nicht in einem dauernden Dienstverhältnis mit Festbezügen
steht. Dieses Kündigungsrecht wird durch § 627 Abs. 2 BGB
allerdings insofern eingeschränkt, als der Dienstverpflichtete
nur in der Art kündigen darf, «dass sich der Dienstberechtigte die Dienste anderweit beschaffen kann, es sei denn,
dass ein wichtiger Grund für die unzeitige Kündigung vorliegt. Kündigt er ohne solchen Grund zur Unzeit, so hat er
dem Dienstberechtigten den daraus entstehenden Schaden zu
ersetzen». Im Ergebnis begründet damit das deutsche Dienstvertragsrecht für die typischen Dienstleistungen der freien
Berufe wie etwa der Ärzte, Rechtsanwälte, Steuerberater,
Wirtschaftsprüfer oder der Privatlehrer die gleiche Lösung,
wie sie Art. 404 OR im schweizerischen Recht vorsieht. Der
Unterschied liegt indes darin, dass § 627 BGB nach einhel-
liger Auffassung dispositiver Natur ist58. Begründet wird dies
dadurch, dass den Vertragspartnern immer noch das Recht
zur ausserordentlichen fristlosen Kündigung aus wichtigem
Grund bliebe59.
55
58
56
57
M.w.H. Palandt/Sprau (FN 54), § 671 N 2.
Vgl. die Nachweise bei Fellmann (FN 31), Art. 404 OR N 3.
Vgl. aber für entgeltliche Geschäftsbesorgungsverträge § 675
Abs. 1 BGB, wonach für den Fall, dass dem Verpflichteten das
Recht zusteht, ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist zu kündigen, die Vorschrift von § 671 Abs. 2 BGB entsprechend angewendet wird.
AJP 03_2009.indb 298
3.2
Österreich
Im österreichischen Recht entspricht Art. 404 OR den
§§ 1020 und 1021 des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB), welche zwischen dem Widerrufsrecht des
Geschäftsherrn (§ 1020) und dem Kündigungsrecht des Beauftragten (§ 1021) unterscheiden.
Nach § 1020 ABGB kann der Auftraggeber die Vollmacht
nach Belieben widerrufen. Allerdings muss er dem Beauftragten nicht nur «die in der Zwischenzeit gehabten Kosten
und den sonst erlittenen Schaden ersetzen, sondern auch
einen der Bemühung angemessenen Teil der Belohnung
entrichten». Dieses Widerrufsrecht wird insofern als dispositiv erachtet, als seine Ausübung im Rahmen der «Guten
Sitten» an Fristen und/oder Termine sowie an das Vorliegen
bestimmter Gründe gebunden werden kann. Stets gewahrt
bleibt indessen das ausserordentliche Widerrufsrecht des Geschäftsherrn aus wichtigem Grund60.
Der Auftrag kann nach § 1021 ABGB auch durch den Beauftragten gekündigt werden. Soweit er den Vertrag aber «vor
Vollendung des ihm insbesondere aufgetragenen, oder vermöge der allgemeinen Vollmacht angefangenen Geschäftes
aufkündet, so muss er, dafern nicht ein unvorhergesehenes
und unvermeidliches Hindernis eingetreten ist, allen daraus
entstandenen Schaden ersetzen». Daraus wird gemeinhin
geschlossen, dass der Beauftragte im Unterschied zum Auftraggeber nicht berechtigt ist, den Auftrag jederzeit nach Belieben folgenlos zu kündigen. Wenn kein unvorhergesehenes
und unvermeidliches Hindernis vorliegt, stellt die einseitige
Vertragsauflösung folglich eine Vertragsverletzung dar, die
zwar keinen Erfüllungsanspruch begründet, wohl aber Schadenersatzfolgen zeitigt61. § 1021 ABGB gilt indessen – ebenso wie § 1020 ABGB – als dispositiv. Die Vertragsparteien
können deshalb ein jederzeitiges freies Kündigungsrecht des
Beauftragten vorsehen. Umgekehrt können bei befristeten
und unbefristeten Daueraufträgen Kündigungsfristen und
Kündigungstermine oder auch Kündigungsgründe vereinbart
werden. Bei unbefristeten Aufträgen können die Parteien
überdies den Ausschluss der grundlosen Kündigung vorsehen. Beschränkt wird die Dispositionsfreiheit der Parteien
durch die «Gute-Sitten-Klausel»62.
59
60
61
62
Statt vieler: Walter Weidenkaff, in: Otto Palandt (Hrsg.),
Bürgerliches Gesetzbuch, 67. A., München 2009, § 627 N 5.
Vgl. zum Ganzen auch Fellmann (FN 31), Art. 404 OR
N 127 ff.
Vgl. die Nachweise bei Fellmann (FN 31), Art. 404 OR N 3.
M.w.H. Fellmann (FN 31), Art. 404 OR N 3.
M.w.H. Fellmann (FN 31), Art. 404 OR N 3.
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Jederzeitige Kündbarkeit von Aufträgen schadet dem Dienstleistungsstandort Schweiz
AJP/PJA 3/2009
299
3.3
Frankreich
Das französische Recht erlaubt dem Auftraggeber grundsätzlich, den Auftrag jederzeit zu widerrufen (Art. 2004 des
Code civil français [CCfr.]). Dabei gilt nach Art. 2006 CCfr.
als Widerruf bereits die Mitteilung an den Beauftragten, es
sei in der betreffenden Angelegenheit ein neuer «mandataire» ernannt worden. Nach französischer Rechtspraxis ist
Art. 2004 CCfr. dispositiver Natur; entsprechend wird der
Verzicht auf den freien Widerruf oder die Vereinbarung einer
Konventionalstrafe als zulässig erachtet63. Vorbehalten bleibt
indessen das Widerrufsrecht aus wichtigem Grund64.
Der Mandatar kann das Mandat in jedem Fall kündigen,
wird jedoch gemäss Art. 2007 Abs. 2 CCfr. schadenersatzpflichtig.
3.4
Italien
Auch der italienische Codice civile (CCit.) differenziert zwischen dem Widerrufsrecht des Auftraggebers und dem Kündigungsrecht des Beauftragten.
Nach Art. 1723 Abs. 1 CCit. kann der Auftraggeber den
Auftrag jederzeit widerrufen. Er wird dem Beauftragten
gegenüber jedoch schadenersatzpflichtig, wenn Unwiderruflichkeit vereinbart worden ist und für den Widerruf kein
wichtiger Grund vorliegt. Ist der Auftrag indessen auch im
Interesse des Beauftragten oder Dritter eingegangen worden,
führt der Widerruf gemäss Art. 1723 Abs. 2 CCit. nicht zum
Erlöschen des Auftrages, es sei denn, es liege eine abweichende vertragliche Vereinbarung oder ein berechtigter Widerrufsgrund vor.
Für entgeltliche Aufträge sieht Art. 1725 CCit. sodann
eine Sonderregelung vor: Wurde der Auftrag für eine bestimmte Zeit oder für ein bestimmtes Geschäft erteilt, trifft
den Auftraggeber gemäss Abs. 1 eine Schadenersatzpflicht,
wenn der Widerruf vor Ablauf der vereinbarten Zeit oder vor
Abschluss des Geschäfts erfolgt. Der Auftrag kann in diesem
Fall nur widerrufen werden, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Bei auf unbestimmte Zeit abgeschlossenen Aufträgen
tritt die Schadenersatzpflicht gemäss Abs. 2 hingegen nur
dann ein, wenn der Widerruf ohne angemessene Vorankündigungsfrist erfolgt und für den Widerruf kein berechtigter
Grund angerufen werden kann.
Art. 1727 Abs. 1 CCit. statuiert sodann für den Beauftragten eine Schadenersatzpflicht, wenn die Kündigung ohne berechtigten Grund erfolgt. Bei unbefristeten Aufträgen macht
sich der Beauftragte indessen nur dann schadenersatzpflichtig, wenn er – bei Kündigung ohne wichtigen Grund – eine
angemessene Vorankündigungsfrist nicht einhält. Art. 1727
Abs. 2 CCit. beschränkt das Kündigungsrecht schliesslich
in jedem Falle insofern, als der Beauftragte den Auftrag nur
63
64
Vgl. Georges Wiederkehr et al. (Hrsg.), Code Civil, 103. A.,
Paris 2004, Art. 2004 CC N 6 ff.
M.w.H. Fellmann (FN 31), Art. 404 OR N 3.
AJP 03_2009.indb 299
auf solche Art und Weise und zu einer solchen Zeit kündigen
kann, dass der Auftraggeber anderweitig Vorsorge treffen
kann.
4.
Art. 404 sollte nur auf typische Aufträge zwingend angewendet werden
Die bundesgerichtliche Rechtsprechung begründet das
zwingende Widerrufs- und Kündigungsrecht nach Art. 404
OR für sämtliche Auftragsverhältnisse mit der «besonderen
Vertrauensstellung» des Beauftragten. Ein besonderes Vertrauensverhältnis liegt allerdings nur den «typischen» Auftragsverhältnissen (so z.B. mit Ärzten, Rechtsanwälten oder
Treuhändern) zugrunde. Demgegenüber wird in einer modernen Dienstleistungsgesellschaft bei vielen «atypischen» Aufträgen kein besonderes Vertrauensverhältnis vorausgesetzt:
Oft sind die geschuldeten Dienstleistungen bei solchen Aufträgen weitgehend standardisiert und die Leistungserbringer
austauschbar (man denke etwa an IT-Dienstleistungsverträge). Im Vordergrund steht dabei nicht das Vertrauen in die
Person der Gegenpartei, sondern das Vertrauen, dass die Gegenpartei die Dienstleistung effektiv während der bindenden
Vertragsdauer erbringen wird.
Die Regelung von Art. 404 Abs. 2 OR, welche die zur
Unzeit zurücktretende Partei zu Schadenersatz verpflichtet,
gewährt keinen tauglichen Ausgleich für die fehlende zeitliche Bindungswirkung: In der Dienstleistungsgesellschaft
vertraut der Auftraggeber darauf, dass er die Dienstleistung
erhält. Bleibt die Dienstleistung aus, kann er seinerseits nicht
produzieren, erleidet er Imageverluste gegenüber seinen
Kunden usw. Um Schadenersatz zu erhalten, müsste er in
einem Zivilprozess den (oft schwer zu beweisenden) Schaden, den adäquaten Kausalzusammenhang und die «Unzeit»
der Kündigung beweisen. Da Schadenersatzprozesse notorisch zeit- und kostenintensiv sind und die Erfolgsaussichten
schwer zu schätzen sind, sehen die geschädigten Parteien oft
von der Geltendmachung von Schadenersatz ab und erhalten
keinen Ausgleich für den erlittenen Schaden.
Die breite, zwingende Anwendung von Art. 404 OR birgt
ein erhebliches Missbrauchspotential: Nicht selten wird ein
Auftragsverhältnis gestützt auf Art. 404 OR aufgelöst, weil
der Auftrag für die kündigende Partei wirtschaftlich uninteressant geworden ist, und nicht etwa weil das Vertrauensverhältnis gestört wäre. Rechtlich unkundige (ausländische)
Parteien schliessen nicht selten langfristige «atypische» Aufträge im Vertrauen darauf, dass die fragliche Dienstleistung
für die gesamte Vertragsdauer erbracht wird, und werden
dann damit überrascht, dass ihr Vertragspartner ohne Konsequenzen den Vertrag mit sofortiger Wirkung kündigen kann.
Die breite zwingende Anwendung von Art. 404 OR auf
alle Aufträge ist somit ein Fremdkörper des ansonsten sehr
liberalen schweizerischen Vertragsrecht und führt dazu, dass
das schweizerische Recht gerade für Dienstleistungsverträge
unattraktiv wird.
10.3.2009 9:12:11 Uhr
Andrea Mondini/Manuel Liatowitsch
AJP/PJA 3/2009
300
Die Versuche der kantonalen Gerichte, die zu beurteilenden Verträge als Innominatverträge zu qualifizieren und so
dem breiten Anwendungsbereich von Art. 404 OR gemäss
obiger Bundesgerichtspraxis zu entziehen, haben zwar in
Einzelfällen zu sachgerechten Resultaten geführt, schaffen
aber keine Rechtssicherheit, so lange das Bundesgericht an
der breiten zwingenden Anwendung von Art. 404 OR festhält.
Das Bundesgericht hätte es in der Hand, Art. 404 OR
nur auf «typische Aufträge» zwingend anzuwenden. Dem
Wortlaut von Art. 404 OR ist nicht zu entnehmen, dass diese Bestimmung zwingend angewendet werden muss. Eine
zwingende Anwendung von Art. 404 OR ist nur dann gerechtfertigt, wenn aufgrund des effektiv bestehenden besonderen Vertrauensverhältnisses eine zeitliche Bindung die
Persönlichkeitsrechte (Art. 27 ZGB) der betreffenden Partei
verletzen würde, oder wenn der Auftrag unentgeltlich ist. In
allen übrigen Fällen ist kein Schutzbedürfnis auszumachen.
Es ist nicht einzusehen, weshalb juristische Personen für ITVerträge, Outsourcing-Verträge usw. keine ihren Bedürfnissen angepasste Bestimmungen über Vertragsdauer und Kündigungsfristen vereinbaren sollen. Eine breite zwingende
Anwendung von Art. 404 OR ist somit durch die ratio legis
keineswegs geboten.
Art. 404 OR wäre nach der hier vertretenen Meinung dahingehend restriktiv anzuwenden, dass Aufträge nur dann
zwingend jederzeit frei widerrufen bzw. gekündigt werden
sollen, wenn sie unentgeltlich sind oder wenn ihnen (wie
bei Verträgen mit Ärzten, Anwälten und Treuhändern) ein
besonderes persönlichkeitsbezogenes Vertrauensverhältnis
zugrunde liegt. Bei den übrigen Auftragsverhältnissen sollen die Parteien frei sein, eine bindende Vertragsdauer oder
Kündigungsfrist zu vereinbaren, wobei wie bei allen Dauerschuldverhältnissen eine Kündigung aus wichtigem Grund
möglich wäre. Eine derartige Auslegung von Art. 404 OR,
die mit dessen Wortlaut durchaus vereinbar ist, würde den
Dienstleistungsstandort Schweiz stärken und der «Flucht aus
dem Auftragsrecht», die sich zunehmend zu einer Flucht aus
dem schweizerischen Recht entwickelt, ein Ende setzen. Der
internationale Standortwettbewerb wird in der globalisierten
Gegenwart immer härter; die dargelegte unnötige Selbstbenachteiligung allein aus – u.E. unzutreffenden – dogmatischen Überlegungen sollte deshalb dringend behoben werden.
AJP 03_2009.indb 300
Dans une jurisprudence constante, le Tribunal fédéral considère que l’art. 404 CO a un caractère impératif pour tous les
mandats en raison de la relation de confiance particulière qui
s’établit entre les parties au mandat. La jurisprudence cantonale tente de s’écarter du vaste champ d’application de l’art. 404
CO en qualifiant les contrats qu’elle a à juger de contrats sui
generis ou de contrats mixtes. La jurisprudence du Tribunal
fédéral fait l’objet de vives critiques dans la littérature.
Selon l’opinion présentée ici, il conviendrait d’appliquer
l’art. 404 CO de manière restrictive, en ce sens que les mandats ne pourraient impérativement être révoqués ou répudiés
librement et en tout temps que s’ils sont gratuits ou s’ils reposent sur une relation de confiance spéciale de caractère personnel (comme dans les contrats avec les médecins, avocats
et agents fiduciaires). Pour les autres mandats (comme p. ex.
les contrats IT), les parties doivent être libres de convenir de
manière contraignante de la durée du contrat ou du délai de
résiliation. Une telle interprétation de l’art. 404 CO, tout à fait
compatible avec sa teneur, renforcerait la Suisse comme lieu
de prestations de service et mettrait un terme à la «fuite hors
du droit du mandat» qui devient de plus en plus une fuite hors
du droit suisse.
(trad. LT LAWTANK, Fribourg)
10.3.2009 9:12:11 Uhr
S c h e i d u n g s v e r e i n b a r u n g e n a u f Vo r r a t
AJP/PJA 3/2009
«Scheidungsvereinbarungen auf Vorrat»:
Taugliches Instrument familienrechtlichen
Risikomanagements?
301
8.2
DANIEL TRACHSEL
Dr. iur., Rechtsanwalt und
Mediator, Zürich
Vereinbarungen zur Rechtswahl und zur Zuständigkeit
8.2.1 Zur Rechtswahl
8.2.2 Vereinbarungen über die Zuständigkeit
9. Vorausvereinbarungen mit erbrechtlichem Charakter
9.1 Im innerstaatlichen Verhältnis
9.2 Zuständigkeit und Rechtswahl
10. Vorausvereinbarungen über den ehelichen (insbesondere den
Trennungs-) Unterhalt
10.1 Im innerstaatlichen Verhältnis
10.1.1 Vereinbarungen über die Beiträge der Ehegatten
an den Unterhalt der Familie (Art. 163 ZGB)
10.1.2 Vereinbarungen über die Geldbeiträge, die der
eine Ehegatte dem anderen schuldet (Art. 173
Abs. 1, 176 Abs. 1 Ziff. 1, 137 Abs. 2 ZGB)
10.2 Rechtswahl
10.3 Gerichtsstands- und Schiedsvereinbarungen
10.3.1 Im Rahmen des IPRG
10.3.2 Im Bereich des LugÜ
11. Vorausvereinbarungen über den nachehelichen Unterhalt
11.1 Im innerstaatlichen Verhältnis
11.2 Zuständigkeit
11.3 Rechtswahl
12. Das Rechtsmissbrauchverbot als Rettungsanker der Vorausvereinbarungen?
13. Ausweichen auf eine dem Gericht nicht vorgelegte Zusatzvereinbarung als Ausweg?
14. Sich gegenseitig bedingende ehe-, erbvertragliche und scheidungsrechtliche Abmachungen als Lösung?
15. «Ehe light» – vertragliche Gestaltung einer nichtehelichen
Gemeinschaft als Alternative?
16. Ergebnis
17. Formulierungsvorschläge für Scheidungskonventionen
auf Vorrat
MARGHERITA BORTOLANISLONGO
lic. iur., Rechtsanwältin und
Mediatorin, Zürich
Inhaltsübersicht
1. Einleitung
2. Begriff und Zweck der «Scheidungsvereinbarung auf Vorrat»
3. Allgemeine Überlegungen zur Tragweite von Scheidungsvereinbarungen auf Vorrat
4. Vorausvereinbarungen über die Aufhebung des gemeinsamen
Haushaltes und die Auflösung der Ehe (Trennungs- und Scheidungspunkt)
4.1 Im innerstaatlichen Verhältnis
4.2 Vereinbarungen über die Zuständigkeit
4.3 Rechtswahl
5. Vorausvereinbarungen über die Kinder (Sorgerecht und
persönlicher Verkehr)
5.1 Im innerstaatlichen Verhältnis
5.2 Zuständigkeit und Rechtswahl
6. Vorausvereinbarungen bezüglich der ehelichen Wohnung
6.1 Im innerstaatlichen Verhältnis
6.1.1 Im Bereich von Art. 169 ZGB
6.1.2 Im Bereich des Eheschutzes
6.1.3 Bei Scheidung
6.1.4 Zum Stellenwert ehevertraglicher oder sachenrechtlicher Dispositionen betreffend der Familien- bzw.
ehelichen Wohnung
6.2 Zuständigkeit
6.3 Rechtswahl
7. Vorausvereinbarungen im Zusammenhang mit dem Vorsorgeausgleich nach Art. 122 ff. ZGB
7.1 Im innerstaatlichen Verhältnis
7.2. Zuständigkeit
7.3 Rechtswahl
8. Vorausvereinbarungen güterrechtlicher Art
8.1 Im innerstaatlichen Verhältnis
8.1.1 Eheverträge
8.1.2 Vereinbarungen über die güterrechtliche Auseinandersetzung
8.1.3 Verfahrenstechnische Aspekte
8.1.4 Rechtsgeschäfte zur Milderung einer den einen
Ehegatten benachteiligenden güterrechtlichen
Disposition
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1.
Einleitung
Seit Jahren werden in der Schweiz jährlich mehr als 20 000
Ehen geschieden. In grossstädtischen Verhältnissen liegt die
Scheidungsquote (im Verhältnis zu den in einem Kalenderjahr eingegangen neuen Ehen zu den Scheidungen im jeweiligen Jahr) bei 50 Prozent. Die «klassische» ehe- und erbrechtliche Planung, die an die «reguläre» Auflösung der Ehe
durch den Tod anknüpft, erweist sich damit zunehmend als
ergänzungsbedürftig: Eine Scheidung und die Scheidungsfolgen beeinflussen vermehrt den Lebensentwurf. In der
Schweiz wird seit längerem über das Thema Scheidungsplanung kontrovers diskutiert1, und in der täglichen Beratungs-
1
Vgl. dazu die Hinweise bei Heinz Hausheer/Daniel Steck,
Eheverträge und Scheidungsvereinbarungen – mehr Privatautonomie bei verstärkter Inhaltskontrolle ein dringendes Reformanliegen?, ZBJV 2008, 922 ff.
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praxis ist vermehrt das Bedürfnis festzustellen, den ökonomischen Folgen einer allfälligen späteren Scheidung schon
bei der Eheschliessung Beachtung zu schenken und diese,
wenn immer möglich, im Voraus vertraglich zu regeln. Dieser Wunsch besteht vor allem in so genannt «gehobenen Verhältnissen» mit einem erheblichen finanziellen Spielraum,
wobei – so unsere Beobachtung – es weniger darum geht, die
wirtschaftlich schwächere Seite zu benachteiligen (obwohl
auch dies ein Motiv sein kann), als darum, den «worst case»
berechenbar zu machen. Es ist deshalb sicher zutreffend, von
einem eigentlichen Bedürfnis nach «familienrechtlichem Risikomanagement» zu sprechen.
Diese Arbeit versucht, den Gestaltungsspielraum auszuloten und – im Sinne von Hinweisen zweier Praktiker für
Praktikerinnen – konkrete, auf die neuere Literatur und herrschende Lehre abgestützte Handlungsanleitungen und Formulierungsvorschläge zu entsprechenden Vereinbarungen zu
liefern. Die Globalisierung und die Personenfreizügigkeit im
Rahmen der bilateralen Verträge zwischen der Schweiz und
der EU führen vermehrt zu internationalen Verhältnissen im
Familienrecht: Seit Jahren haben bei knapp der Hälfte aller in
der Schweiz geschlossenen Ehen beide oder mindestens ein
Ehegatte eine ausländische Staatsangehörigkeit.2 Aufgrund
der generellen Zunahme der Mobilität sind Wohnsitzverlegungen ins Ausland oder vom Ausland in die Schweiz immer
häufiger zu beobachten. Dies legt es nahe, nachfolgend auch
die einschlägigen Gesichtspunkte des internationalen Privatund Zivilprozessrechtes, die sich im Hinblick auf eine Ausweitung des Gestaltungsspielraumes als fruchtbar erweisen,
in die Überlegungen einzubeziehen.
2.
Begriff und Zweck der «Scheidungsvereinbarung auf Vorrat»
2.1 Unter einer «Scheidungsvereinbarung auf Vorrat» wird
hier eine vor oder nach der Heirat ohne konkreten Scheidungshorizont zum Voraus in den dafür gesetzlich vorgeschriebenen Formen abgeschlossene rechtsgeschäftliche
Abmachung verstanden, mit der – nebst allfälligen ehe- und/
oder erbvertraglichen Dispositionen – die gesetzlich vorgesehene Regelung der scheidungsrechtlichen Nebenfolgen im
Hinblick auf eine Scheidung im In- oder Ausland konkretisiert, modifiziert oder ersetzt werden soll.3
2
3
Quelle: Bundesamt für Statistik: Scheidungen nach Staatsangehörigkeit vor der Heirat und nach Zahl der unmündigen Kinder,
1960–2007, 01/06/blank/key/06/06.Document.20619.xls>.
Vgl. auch Philippe Meier, Planification du divorce: une illusion? Les conventions anticipées d’entretien en droit suisse, in:
Denis Piotet/Denis Tappy (édit.), Recueil de travaux à l’honneur
du Professeur Suzette Sandoz, Genève/Zurich/Bâle 2006, 290;
Maurice Courvoisier, Voreheliche und eheliche Scheidungsfolgenvereinbarungen – Zulässigkeit und Gültigkeitsvoraussetzungen, Eine rechtsvergleichende Studie unter Berücksich-
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2.2 Soweit sich eine Partei an eine solche Vereinbarung später nicht mehr gebunden fühlen sollte, ist deren Verbindlichkeit in einem diesfalls stattfindenden gerichtlichen Verfahren (bei dem es sich entweder um ein Eheschutz- oder ein
Scheidungsverfahren handelt) möglichst zu gewährleisten.
Es wird mithin – als ganz zentrales Element – regelmässig
volle Bindungswirkung angestrebt.
3.
Allgemeine Überlegungen zur
Tragweite von Scheidungsvereinbarungen auf Vorrat
3.1 Dass eine Scheidungsvereinbarung bereits vor der Heirat
abgeschlossen werden kann, ergibt sich aus dem allgemeinen Prinzip der Vertragsfreiheit; für die Zeit nach der Eheschliessung steht es den Ehegatten nach Art. 168 ZGB und
gemäss der herrschenden Lehre4 ohne weiteres frei, im Rahmen der gesetzlichen Schranken beliebige Rechtsgeschäfte
miteinander abzuschliessen. Auch das Bundesgericht geht in
BGE 121 III 393 ff. von der selbstverständlichen generellen
Zulässigkeit derartiger Vereinbarungen aus.
3.2 Welchen Stellenwert hat die «Scheidungsvereinbarung
auf Vorrat» bezüglich des nachehelichen Unterhaltes, wenn
sie dem Gericht vorgelegt wird?
3.2.1 Unter der Bedingung, dass die Scheidung ausgesprochen und die Vereinbarung der Ehegatten genehmigt wurde,
hatte eine Vereinbarung der Ehegatten über den nachehelichen Unterhalt unter dem Scheidungsrecht von 1907/1912
entsprechend den allgemeinen Regeln des Vertragsrechtes
grundsätzlich bindende Wirkung. Der einseitige Widerruf der
Vereinbarung durch eine scheidungswillige Partei war demzufolge unzulässig. Die Bindungswirkung entfiel nur dann,
wenn ein Ehegatte das Scheidungsbegehren zurückzog, der
beklagte Ehegatte die Zustimmung zur Scheidung widerrief
oder eine Partei mit Erfolg entweder die Nichtgenehmigung
der Vereinbarung beantragte oder sich erfolgreich auf einen
Willensmangel berufen konnte.5
3.2.2 Dies änderte sich mit Inkrafttreten des Scheidungsrechts von 1998/2000 wesentlich, weil ein Ehegatte die
Scheidungskonvention nun trotz der vorbestehenden vertraglichen Bindung durch die blosse (ausdrückliche oder
stillschweigende) Verweigerung der Bestätigung gemäss
Art. 111 Abs. 2 ZGB zu Fall bringen kann.
4
5
tigung des US-amerikanischen und schweizerischen Rechts;
Juristische Fakultät der Universität Basel, Schriftenreihe für Internationales Recht, Bd. 99, Basel 2002, 5.
Vgl. die Nachweise bei Ingeborg Schwenzer, Grenzen der
Vertragsfreiheit in Scheidungskonventionen und Eheverträgen,
FamPra.ch 2005, 6 m.w.H.
Vgl. Hausheer/Steck (FN 1), 940.
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Die Scheidungsvereinbarung ist ein familienrechtlicher
Vertrag sui generis.6 Sie kann allein nach den bundesrechtlichen Verfahrensbestimmungen von Art. 111 ff. ZGB zustande kommen und bedarf zu ihrer Rechtsgültigkeit der gerichtlichen Genehmigung im Urteil über die Auflösung der Ehe.
3.2.3 Die Bindungswirkung von Scheidungsvereinbarungen
variiert je nach Zeitpunkt und Verfahren, in dem sie abgeschlossen worden sind:
– Eine während eines Klageverfahrens gemäss Art. 114 bzw.
115 ZGB oder strittigen Nebenfolgenprozesses im Sinne
von Art. 112 ZGB abgeschlossene Vereinbarung kann
nicht einseitig widerrufen werden, sondern sie entfaltet
vielmehr unmittelbar mit ihrem Abschluss Bindungswirkung. Sie unterliegt keiner zweimonatigen Bedenkfrist.7
Eine Scheidungsvereinbarung auf Vorrat wird per definitionem vor einem strittigen Verfahren abgeschlossen, und
kann deshalb an dieser Bindungswirkung nicht teilhaben.
– Wird eine zum Voraus abgeschlossene Konvention im Rahmen einer Streitscheidung nach Art. 114/115 ZGB eingereicht und entsteht mit Bezug auf die Scheidung als solche
nachträgliche Einigkeit, so findet gemäss Art. 116 ZGB
das Verfahren betreffend die Scheidung auf gemeinsames
Begehren sinngemäss Anwendung. Gemäss dem Bundesgerichtsentscheid vom 14. Juli 2005 (5C.270/2004, E. 3.2)
soll sich diesfalls die Bedenkfirst nach Art. 111 ZGB nur
dann auf die Scheidungsfolgenvereinbarung beziehen,
wenn diese gemeinsam eingereicht oder wenigstens ihre
gerichtliche Genehmigung gemeinsam beantragt wird.
Soweit die Scheidungsfolgenvereinbarung aber strittig
ist, bleibt sie bindend und kann nicht widerrufen werden,
weil – so das Bundesgericht – nach Art. 112 Abs. 2 ZGB
die Bedenkfrist nur auf die Scheidungsfolgen anwendbar
sei, über die Einigkeit besteht.8 Jedenfalls kann aus dieser
eher singulären Fallkonstellation in grundsätzlicher Hinsicht nichts zugunsten von Scheidungsvereinbarungen auf
Vorrat abgeleitet werden.
3.2.4 Bei der Scheidung auf gemeinsames Begehren mit
umfassender Einigung nach Art. 111 ZGB sind drei Phasen
zu unterscheiden:9
Erste Phase: Nach erfolgter Anhörung und während laufender Bedenkfrist kann eine Partei die Vereinbarung einseitig widerrufen oder sie nach Ablauf der Bedenkzeit nicht
bestätigen; insoweit fehlt jede vertragliche Bindung, und
dies unabhängig davon, ob die Konvention lange zum Voraus
oder erst im Vorfeld einer konkreten Scheidung abgeschlossen wurde.10
Zweite Phase: Nach erfolgter Bestätigung durch die Ehegatten – aber vor der im Scheidungsurteil zu erfolgenden gerichtlichen Genehmigung – besteht Bindungswirkung zwischen den Parteien; es kann nur noch die Nichtgenehmigung
verlangt werden (ist dies ausnahmsweise der Fall, so kann
das Gericht auch gegen den Willen einer Partei die Scheidungsvereinbarung genehmigen und die Scheidung aussprechen).
Dritte Phase: Nach der gerichtlichen Genehmigung ist
die Scheidungskonvention uneingeschränkt wirksam (vorbehältlich der erfolgreichen Anfechtung in einem Rechtsmittelverfahren, in welchem Rahmen auch eine gerichtlich
genehmigte Scheidungskonvention wegen Willensmängeln
angefochten werden kann; vgl. etwa BGE 117 II 218 ff.).
Es wird deshalb in aller Regel dabei bleiben, dass sich die
Bindungswirkungen einer «Scheidungsvereinbarung auf
Vorrat» an den Kriterien wird messen lassen müssen, die allgemein für Vereinbarungen im Verfahren auf gemeinsames
Begehren gelten. Die insoweit geltenden bundesrechtlichen
Verfahrensbestimmungen von Art. 111 ff. ZGB können
rechtsgeschäftlich nicht modifiziert werden.
3.4 Das Gericht darf die Genehmigung der Konvention nur
aus wichtigen Gründen verweigern (BGE 5C.270/2004,
E. 5.1): Wenn diese nicht aus freiem Willen und nach reiflicher Überlegung geschlossen wurde oder nicht klar ist und
dann, wenn es die Vereinbarung als offensichtlich unangemessen erachtet. Bei der Prüfung der Angemessenheit ist
«ein Vergleich anzustellen zwischen der Vereinbarung und
dem Entscheid, den das Gericht ohne sie treffen würde». Er-
6
7
8
Daniel Steck, Gedanken zur Rechtsnatur der Scheidungskonvention im neuen Scheidungsrecht, in: Andreas Donatsch et al.
(Hrsg.), Festschrift 125 Jahre Kassationsgericht des Kantons
Zürich, Zürich 2000, 557 f.; Marion Jakob, Die Scheidungskonvention, Diss. St. Gallen, Zürich 2008, 113 ff.
Alexandra Rumo-Jungo, Reformbedürftiges Scheidungsrecht: ausgewählte Fragen, in: Alexandra Rumo-Jungo/Pascal
Pichonnaz (Hrsg.), Scheidungsrecht: Aktuelle Probleme und
Reformbedarf, Zürich/Basel/Genf 2008, 11 m.w.H.
Diese Praxis ist zu Recht kritisiert worden; vgl. Rumo-Jungo
(FN 7), 12 f.; Hausheer/Steck (FN 1), 17.
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3.3 Nach dem Gesagten hat die «Scheidungsvereinbarung
auf Vorrat» grundsätzlich zwei Hürden zu nehmen: Zum einen die Bestätigung durch beide Ehegatten im Rahmen des
geltenden Art. 111 Abs. 2 ZGB und zum anderen die gerichtliche Genehmigung nach Art. 140 ZGB (soweit der scheidungsrechtliche Vorsorgeausgleich in Frage steht: gemäss
Art. 141 ZGB). Auch durch die Integration scheidungsrechtlicher Nebenfolgen (also nachehelicher Unterhalt, Vorsorgeausgleich, güterrechliche Auseinandersetzung) in einen
Ehevertrag können solche Vereinbarungen der Genehmigung
durch den Scheidungsrichter nicht entzogen werden (BGE
121 III 395).
9
10
Thomas Geiser, Bedürfen Eheverträge der gerichtlichen Genehmigung?, in: Thomas Geiser et al. (Hrsg.), Festschrift für
Heinz Hausheer zum 65. Geburtstag, Bern 2002, 221.
Sollte die vorgesehene Novelle zu Art. 111 ZGB [vgl. im einzelnen Rumo-Jungo (FN 7), 13 f.] angenommen werden und
das Erfordernis der Einhaltung der zweimonatigen Bedenkfrist
wegfallen, besteht das einseitige Widerrufsrecht bis nach Abschluss der Anhörung [welche aus mehreren Sitzungen bestehen kann].
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gibt sich «eine eklatante, sofort erkennbare Differenz», ist
die Genehmigung zu verweigern.11
Dass die Intensität der gerichtlichen Überprüfung in der
Praxis nicht einheitlich ist,12 ist zutreffend, ändert indessen
aus unserer Perspektive nichts daran, dass eine Vorausvereinbarung, die massiv vom normierten Regelfall abweicht (z.B.
einen vollen Unterhaltsverzicht der wirtschaftlich schwächeren Partei nach langer, lebensprägender Ehe vorsieht)
diese Hürde kaum nehmen würde. Das Genehmigungserfordernis engt den Planungsspielraum zusätzlich ein.
3.5 Ein erstes Fazit ist einigermassen ernüchternd: Soweit
eine Vorausvereinbarung von beiden Ehegatten bestätigt
wird und sich in dem von Art. 140 und 141 ZGB abgesteckten Rahmen hält, wird sie zum Inhalt eines Scheidungsurteils
werden können. Soweit die Bestätigung eines Ehegatten im
späteren Scheidungsverfahren aber ausbleibt, ist es der anderen Partei unbenommen, im dann nach Art. 112 Abs. 3 ZGB
Platz greifenden kontradiktorischen Verfahren eine Gestaltung der scheidungsrechtlichen Nebenfolgen entsprechend
der nicht bestätigten Vorausvereinbarung zu beantragen. Der
Vereinbarung – da zumindest Ausdruck eines früher einmal
vorhandenen Konsenses – kommt dann allenfalls eine gewisse präjudizielle Wirkung zu (soweit sich die damaligen
Verhältnisse nicht wesentlich verändert haben); dies ist indessen eine zu fragile Basis, um darauf verlässlich disponieren zu können. Nachdem es sich nun nicht (mehr) um eine
«Vereinbarung» im Sinne von Art. 140 ZGB handelt, kann
auch nicht einseitig die Genehmigung verlangt werden. Der
Prüfungsmassstab ist damit nicht mehr die «offensichtliche
Unangemessenheit», sondern das Gericht wird im Sinne von
Art. 112 Abs. 3 ZGB eigenes Recht anwenden, womit in den
meisten Fällen eine ins Gewicht fallende Abweichung vom
Inhalt der Vorausscheidungsvereinbarung vorprogrammiert
sein wird.
3.6 Stellt also das schweizerische Recht – insbesondere dort, wo andere als besonders gute wirtschaftliche Verhältnisse vorliegen – keine tauglichen Instrumente für eine
Scheidungsplanung zur Verfügung? So allgemein lässt sich
die Frage nicht beantworten. Bis anhin sind zwar erhebliche
Schwierigkeiten lokalisiert worden; es macht indessen trotzdem Sinn, in einer differenzierten Betrachtungsweise die
verschiedenen in Frage kommenden Regelungsmaterien je
einzeln daraufhin zu überprüfen, ob es sich dabei um eine
scheidungsrechtliche Nebenfolge (mit Bestätigungs- und
Genehmigungserfordernis) handelt oder um ein anderes
Rechtsgeschäft, dem a) eine vertragliche Bindungswirkung
zukommt und das b) nicht der gerichtlichen Genehmigung
nach Art. 140 ZGB unterliegt.
3.7 Die nachfolgende Untersuchung (Ziff. 4 ff.) erfolgt für
jeden (im Kontext einer Scheidung einer Vereinbarung zugänglichen) Regelungsgegenstand aus drei verschiedenen
Blickwinkeln:
1. Kann – bei schweizerischer Zuständigkeit und bei Anwendung schweizerischen Rechts – mit bindender Wirkung überhaupt zum Voraus disponiert werden?
2. Sind – zur Vermeidung hiesiger Restriktionen – Vorausvereinbarungen zur direkten (internationalprivatrechtlichen) Zuständigkeit oder Schiedsgerichtsvereinbarungen
mit der Folge, dass der Regelungsgegenstand entweder
von einem Schiedsgericht oder einem ausländischen Gericht beurteilt wird, möglich?
3. Kann zum Voraus ein anderes Recht gewählt werden, das
den Parteien mehr entspricht als das schweizerische?
4.
Vorausvereinbarungen über die
Aufhebung des gemeinsamen Haushaltes und die Auflösung der Ehe
(Trennungs- und Scheidungspunkt)
4.1
Im innerstaatlichen Verhältnis
Bei Fragen der Aufhebung des gemeinsamen Haushaltes und
der Eheauflösung handelt es sich um höchstpersönliche Entscheidungen, bei denen aufgrund von Art. 27 ZGB von einem
absoluten Bindungsverbot auszugehen ist.13 Einer Vorausverpflichtung, der Aufhebung des gemeinsamen Haushaltes
oder der Scheidung auf gemeinsames Begehren zuzustimmen, d.h. auf die Anrufung der Art. 175, 114 und 115 ZGB
zu verzichten, geht mithin jegliche Bindungswirkung ab.
4.2
4.2.1 Für die direkte internationalprivatrechtliche Scheidungszuständigkeit existieren weder multi- noch bilaterale Übereinkommen.14 Die Zuständigkeitsvorschriften der
Art. 59 ff. IPRG sind zwingend und ausschliesslich; die
Scheidungszuständigkeit ist nicht derogierbar. Soweit bei
Eheschutzmassnahmen personenbezogene Wirkungen in
Frage stehen, sind die Zuständigkeitsvorschriften der Art. 46
und 47 IPRG nicht derogierbar.15
13
14
11
12
Hausheer/Steck (FN 1), 938 m.w.H. auf Literatur und Rechtssprechung in Fn. 83.
Was auch vielfach kritisiert wird; vgl. Hausheer/Steck
(FN 1), 941 mit Hinweisen in Fn 98.
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Vereinbarungen über die Zuständigkeit
15
Heinz Hausheer, Neuere bundesgerichtliche Rechtssprechung zu Umfang und Grenzen der Privatautonomie im Familienrecht: insbesondere zu Unterhaltsvereinbarungen ohne
konkreten Scheidungshorizont, zum Vorsorgeausgleich und zur
Wahlfreiheit beim Güterstand, in: ZBJV 2004, 875.
Lukas Bopp, in: Heinrich Honsell/Nedim Peter Vogt/Anton K.
Schnyder/Stephen V. Berti (Hrsg.), Basler Kommentar Internationales Privatrecht, 2. A., Basel 2007, Art. 59 N 3.
Maurice Courvoisier, in: Heinrich Honsell/Nedim Peter
Vogt/Anton K. Schnyder/Stephen V. Berti (Hrsg.), Basler Kommentar Internationales Privatrecht, 2. A., Basel 2007, Art. 46
N 25.
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4.2.2. Ob binnenstaatlich eine Gerichtsstandsvereinbarung
möglich ist, ist umstritten. Art. 15 Abs. 1 lit. a GestG (für
Eheschutzmassnahmen, inkl. Begehren um Abänderung, Ergänzung oder Aufhebung von solchen) sowie Art. 15 Abs. 1
lit. b GestG (für Scheidungsklagen, inkl. gemeinsame Scheidungsbegehren nach Art. 111 und 112 ZGB) begründen einen ausschliesslichen, zwingenden Gerichtsstand am Wohnsitz eines Ehegatten.16 Im Rahmen von Art. 15 Abs. 1 lit. a
und b GestG sollten die Parteien u.E. aber frei sein, eine Gerichtsstandsvereinbarung abzuschliessen mit der Wirkung,
dass der benachteiligte Ehegatte im Widerhandlungsfalle
unter Berufung auf die Vorausgerichtsstandsvereinbarung
die Unzuständigkeitseinrede erheben könnte. Denn mit Blick
auf teilweise erhebliche Unterschiede in der kantonalen Gerichtspraxis kann durchaus ein legitimes Bedürfnis bestehen,
den Gerichtsstand zu fixieren, etwa wie folgt:
«Die Parteien vereinbaren, dass für sämtliche Verfahren im Zusammenhang mit dieser Vereinbarung, insbesondere für ein Eheschutzverfahren gemäss Art. 175 ff. ZGB oder ein Scheidungsverfahren gemäss Art. 111 ff. ZGB, die ordentlichen Gerichte
am letzten gemeinsamen Wohnsitz der Ehegatten zuständig
sind, sofern im Zeitpunkt des Anhängigmachens mindestens ein
Ehegatte weiterhin dort seinen Wohnsitz hat.»
4.3
Rechtswahl
Eine Rechtswahl ist im Bereich des Scheidungs- oder Trennungspunktes nicht möglich.
5.
Vorausvereinbarungen über die
Kinder (Sorgerecht und persönlicher
Verkehr)
5.1
Im innerstaatlichen Verhältnis
Für sämtliche Kinderbelange gilt die uneingeschränkte Untersuchungsmaxime.17 Vereinbarungen der Eltern haben sich
am Massstab des Kindeswohls messen zu lassen; auch im
Bereich von Art. 133 Abs. 2 ZGB ist auf elterliche Vereinbarungen lediglich Rücksicht zu nehmen.18
Vereinbarungen der Eltern über die Kinderbelange (insbesondere hinsichtlich gar noch nicht geborener Kinder) fehlt
eine Verbindlichkeit in dem Sinne, dass das Gericht davon
nicht abweichen könnte. Breitschmid weist indessen zu
Recht darauf hin, dass das Gericht im Rahmen der Würdigung, ob einem Antrag eines Elternteils noch gefolgt wer-
16
17
18
Christoph Leuenberger, in: Heinrich Honsell/Nedim Peter
Vogt/Thomas Geiser (Hrsg.), Basler Kommentar Zivilgesetzbuch I, 3. A., Basel 2006, Art. 135 N 4.
Vgl. Botschaft über die Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches vom 15. November 1995, BBl 1996 I 1–227, 123.
Schwenzer (FN 4), 3.
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den könne, ein früheres (vertraglich festgelegtes) Einvernehmen der Beteiligten nicht einfach ausser Acht lassen wird.
Es wird diese Vereinbarung vielmehr in die pflichtgemässe
Abwägung der Gegebenheiten einzubeziehen haben, und
dies vor allem dann, wenn eine solche Absprache der effektiv
gelebten Elternverantwortung während einer gewissen Zeit
entsprochen hat.19
Sinnvoll kann die Aufnahme einer Klausel sein, in der sich
die Parteien bereit erklären, für den Fall von Differenzen im
Bereich der Kinderbelange die «guten Dienste» kompetenter
Drittpersonen in Anspruch zu nehmen.20 Wie bei einer Mediationsklausel ist die Durchsetzbarkeit indessen fraglich;21
zudem bleibt die gerichtliche Genehmigung der im Schlichtungsverfahren erzielten Übereinkunft vorbehalten, widrigenfalls ihr jegliche Bindungswirkung abgeht.
5.2
Zuständigkeit und Rechtswahl
Die Möglichkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung oder einer Rechtswahl besteht im Bereich der Kinderbelange nicht:
Innerhalb des Anwendungsbereiches des Haager Übereinkommens über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen (MSA) ist die Zuständigkeit zur Regelung der
elterlichen Sorge- und Besuchsrechte ausschliesslich und
abschliessend geregelt (Art. 63 Abs. 2 IPRG i.V.m. Art. 1
MSA). Die Primärzuständigkeit knüpft an den gewöhnlichen
Aufenthalt des Kindes an; subsidiär (und bei Vorliegen der
Voraussetzungen des Art. 4 MSA) sind die Heimatbehörden
zuständig.22
Nach dem neuen Haager Kindesschutzübereinkommen
vom 19. Oktober 1996 (HKsÜ) – das für die Schweiz Mitte 2009 in Kraft treten soll und das MSA ersetzt (Art. 51
HKsÜ) – ändert sich an der primären Zuständigkeit der Gerichte und Behörden am gewöhnlichen Aufenthaltsort des
Kindes grundsätzlich nichts. Hingegen ergeben sich gestützt
auf Art. 8 f. HKsÜ neuartige Möglichkeiten zur Übertragung
von Kompetenzen an andere Vertragsstaaten. Neu ist auch,
dass das Scheidungsgericht – neben der Behörde am Ort des
gewöhnlichen Aufenthaltes des Kindes – über eine alternative Zuständigkeit zur Regelung der Kinderbelange verfügt,
wenn die Voraussetzungen von Art. 10 HKsÜ erfüllt sind,
d.h. wenn ein Elternteil zu Beginn des Scheidungsverfahrens
seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Scheidungsstaat «und
ein Elternteil die elterliche Verantwortung für das Kind hat»
(Art. 10 Abs. 1 lit. a HKsÜ), sowie wenn beide Eltern diese
Zuständigkeit anerkennen (bzw. mit ihr einverstanden sind)
19
20
21
22
Peter Breitschmid, «Scheidungsplanung»?, Fragen um
«Scheidungskonventionen auf Vorrat», AJP/PJA 1999, 1612.
Vgl. dritter Teil der Formulierungsvorschläge, lit. B Ziff. 6.2.
ZR 99 (2000) Nr. 29.
BSK IPRG-Bopp (FN 14), Art. 63 N 22.
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und diese dem Kindeswohl entspricht (Art. 10 Abs. 1 lit. b
HKsÜ).
Gemäss Art. 15 HKsÜ wenden die Behörden der Vertragsstaaten ihr eigenes Recht an, ersatzweise – wenn es zum
Schutz des Kindes oder seines Vermögens erforderlich ist –
das Recht eines anderen Staates.
Diese neuen Aspekte dienen mit Sicherheit dem Erfordernis der Einheit des Scheidungsurteils und einheitlicher
Rechtsanwendung; die Möglichkeit des Abschlusses weitergehender Vorausvereinbarungen über die Zuständigkeit
eröffnen sie aber nicht.
6.
Vorausvereinbarungen bezüglich der
ehelichen Wohnung
6.1
Im innerstaatlichen Verhältnis
6.1.1 Im Bereich von Art. 169 ZGB
Gemäss Art. 169 Abs. 1 ZGB kann ein Ehegatte nur mit der
ausdrücklichen Zustimmung des andern einen Mietvertrag
kündigen, das Haus oder die Wohnung der Familie veräussern oder durch andere Rechtsgeschäfte die Rechte an den
Wohnräumen der Familie beschränken. Kann zum Voraus,
also ohne dass eine konkrete Kündigungs- oder Veräusserungsabsicht besteht, die verbindliche Zustimmung zu einem
solchen die Rechte an der Familienwohnung betreffenden
Rechtsgeschäft abgegeben werden? Die herrschende Lehre
geht davon aus, dass dies wegen des zwingenden Charakters
des Art. 169 ZGB und des besonderen Normzweckes nicht
möglich ist. Vielmehr ist sie zu jedem genügend konkretisierten und terminierten Rechtsgeschäft neu und separat erforderlich.23
6.1.2 Im Bereich des Eheschutzes
Kann zum Voraus darauf verzichtet werden, gemäss Art. 176
Abs. 1 Ziff. 2 ZGB bei einer Aufhebung des gemeinsamen
Haushaltes die Zuweisung der ehelichen Wohnung an sich
selbst zu verlangen? Soweit ein solcher Verzicht ohne konkreten Trennungshorizont abgegeben wird und sich später
herausstellt, dass er inzwischen veränderten Verhältnissen – neuen Bedürfnissen und Lebensumständen der Ehegatten und der Kinder – nicht mehr entspricht, wird er nach der
hier vertretenen Auffassung nicht bindend vereinbart werden
können. Auch wenn die Rechte und Pflichten der Ehegat-
ten – etwa bezüglich der Zuweisung der ehelichen Wohnung
bei Aufhebung des gemeinsamen Haushaltes – im Voraus
schriftlich fixiert worden sind, verliert eine solche Verständigung den Charakter einer durch den Eheschutzrichter jederzeit abänderbaren Vereinbarung nicht.24
6.1.3 Bei Scheidung
Ist ein Ehegatte wegen der Kinder oder aus anderen wichtigen Gründen auf die Wohnung der Familie angewiesen, so
räumt ihm Art. 121 ZGB die Möglichkeit ein, die Übertragung der Rechte und Pflichten aus dem Mietvertrag oder (gegen eine angemessene Entschädigung) ein befristetes Wohnrecht zu verlangen. Auch dieser Anspruch ist zwingend und
kann nicht zum Voraus vertraglich wegbedungen werden.25
6.1.4 Zum Stellenwert ehevertraglicher oder
sachenrechtlicher Dispositionen betreffend
der Familien- bzw. ehelichen Wohnung
Die Wahl eines Güterstandes und der geeigneten Eigentumsform (Alleineigentum oder eine Form gemeinschaftlichen
Eigentums, also Miteigentum oder Gesamteigentum infolge
Gütergemeinschaft oder einfacher Gesellschaft) ist die wichtigste Weichenstellung, um langfristig bezüglich der ehelichen Wohnung zu disponieren.
6.1.4.1 Steht die eheliche Wohnung im Alleineigentum eines
Ehegatten, entzieht sich eine sachenrechtliche Neuzuordnung der Kompetenz des Scheidungsgerichtes. Allerdings ist
die Immobilie nicht davor geschützt, Objekt von Massnahmen im Sinne der Art. 121, 169 und 176 Abs. 1 Ziff. 2 ZGB
zu werden.
6.1.4.2 Steht die eheliche Wohnung im Mit- oder Gesamteigentum, so kann ein Ehegatte im Rahmen der güterrechtlichen
Auseinandersetzung bei Nachweis eines überwiegenden Interesses verlangen, dass ihm die eheliche Wohnung gegen
Entschädigung des andern Ehegatten umgeteilt zugewiesen
wird (Art. 205 Abs. 2 ZGB). Analoge Bestimmungen finden sich im Bereich der Gütergemeinschaft (Art. 244 Abs. 3
ZGB, welche ihrerseits einen Anwendungsfall von Art. 245
ZGB darstellt) und der Gütertrennung (Art. 251 ZGB).
Beim Zuweisungsanspruch gemäss Art. 205 ZGB handelt
es sich um dispositives Recht, auf das die Ehegatten bei einer bereits bestehenden Form gemeinschaftlichen Eigentums
zum Voraus verzichten können.26 Ein solcher Verzicht be-
24
23
Ivo Schwander, in: Heinrich Honsell/Nedim Peter Vogt/Thomas Geiser (Hrsg.), Basler Kommentar Zivilgesetzbuch I, 3. A.,
Basel 2006, Art. 169 N 17 m.w.H; a.M. Andreas Bucher, Die
Wohnung der Familie im neuen Recht, in: Horst Albert Kaufmann/Bruno Huwiler (Hrsg.), Das neue Ehe- und Erbrecht des
ZGB mit seiner Übergangsordnung, BTJP 1987, 37 ff., 51 f.
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25
26
Verena Bräm/Franz Hasenböhler, Kommentar zum
Schweizerischen Zivilrecht, 2. Bd., 3. A., Zürich 1998, Art. 176
ZGB N 10 f.
Urs Gloor, in: Heinrich Honsell/Nedim Peter Vogt/Thomas
Geiser (Hrsg.), Basler Kommentar Zivilgesetzbuch I, 3. A.,
Basel 2006, Art. 121 N 3.
Heinz Hausheer/Regina e. Aebi-Müller, in: Heinrich Honsell/Nedim Peter Vogt/Thomas Geiser (Hrsg.), Basler Kommentar Zivilgesetzbuch I, 3. A., Basel 2006, Art. 205 N 21.
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darf – da er keine Abänderung des Güterstandes bedeutet –
nicht der Form des Ehevertrages.27 Demgegenüber ist ein
Verzicht gegenüber allem erst inskünftig zu begründendem
Mit- oder Gesamteigentum nicht möglich, weil eine unzulässige Änderung der Errungenschaftsbeteiligung darstellend
(a.a.O.). Auch im Bereich der Gütergemeinschaft ist Art. 245
ZGB nicht zwingend28, wobei dieser Güterstand kaum je im
Rahmen einer antizipierten Scheidungsplanung vereinbart
werden dürfte. Bezüglich des Güterstandes der Gütertrennung gehen Hausheer/Aebi-Müller29 davon aus, dass im
konkreten Einzelfall zum Voraus – aber nicht generell hinsichtlich erst zukünftig zu begründenden gemeinschaftlichen
Eigentums – auf den Zuweisungsanspruch verzichtet werden
kann.
Breitschmid30 hält entsprechende Absprachen für «unbedenklich», weil «die Absehbarkeit für alle Beteiligten ein
Vorteil» sei; auch er geht aber nicht von einer vollen Bindungswirkung aus und stellt sie unter den Vorbehalt einer
Anfechtung für den Fall, dass bei wesentlicher Veränderung
der Verhältnisse, etwa durch die spätere Geburt von Kindern
oder gesundheitliche Entwicklungen (Invalidität), eine massgebliche Verschiebung der Bedürfnislage eintritt.
6.2
Zuständigkeit
Gerichtsstandvereinbarungen erscheinen im Bereich der in
Frage stehenden Materie nicht möglich.
6.3
Rechtswahl
Auch wenn die Ehegatten ihre güterrechtlichen Verhältnisse
einem ausländischen Recht unterstellt haben, das einen Zuweisungsanspruch analog zu Art. 205 Abs. 2, 244 Abs. 3
oder 251 ZGB nicht kennt, bleiben die zwingenden Bestimmungen der Art. 169, 176 Abs. 1 Ziff. 2 (und insbesondere
Art. 121 ZGB) beachtlich; sowohl bezüglich der Eheschutzmassnahmen als auch bei Scheidung ist bei schweizerischer
Zuständigkeit grundsätzlich schweizerisches Recht anwendbar (Art. 48, 61 und 63 IPRG).
27
28
29
30
Heinz Hausheer/Ruth Reusser/Thomas Geiser, Berner
Kommentar, Kommentar zum schweizerischen Privatrecht,
Bd. II/1/3/1, Das Güterrecht der Ehegatten, Allgemeine Vorschriften, Art. 181–195a ZGB, Der ordentliche Güterstand der
Errungenschaftsbeteiligung, Art. 196–220 ZGB, Bern 1992,
Art. 205 ZGB N 58.
Hausheer/Reusser/Geiser (FN 27), Art. 245 ZGB N 7.
Hausheer/Aebi-Müller (FN 26), Art. 251 N 4.
Breitschmid (FN 19), 1612.
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7.
Vorausvereinbarungen im Zusammenhang mit dem Vorsorgeausgleich
nach Art. 122 ff. ZGB
7.1
Im innerstaatlichen Verhältnis
7.1.1 Das Bundesgericht hat in seinem Entscheid vom
4. Februar 2008 (BGE 5A.623/207) den in einem deutschen
Ehevertrag vereinbarten vorsorglichen Ausschluss des Vorsorgeausgleichs (auf den sich der Ehemann auch hinsichtlich der in der Schweiz angesparten Austrittsleistung berufen wollte) als rechtswidrig – nämlich als gegen zwingendes
Recht verstossend und damit als von Anfang an unzulässig –
bezeichnet.
Die Sicherstellung einer angemessenen Alters-, Invaliden- und Hinterlassenenvorsorge liegt auch im öffentlichen
Interesse. Die Art. 122 ff. ZGB sind deshalb insoweit zwingend, als das Gesetz die Dispositionsbefugnis der Ehegatten über ihre Ansprüche aus der beruflichen Vorsorge
einschränkt. Auf seinen Anspruch kann ein Ehegatte nur verzichten, wenn seine Alters- und Invalidenvorsorge auf andere
Weise gewährleistet ist (Art. 123 Abs. 1 ZGB); die Erfüllung
dieser Voraussetzung hat das Gericht von Amtes wegen zu
überprüfen (Art. 141 Abs. 2 ZGB).31 Die ganz überwiegende
herrschende Lehre teilt diese Betrachtungsweise.32
Auch wenn mit guten Gründen geltend gemacht wird, eine
Vereinbarung könne entgegen BGE 129 III 481 nicht nur im
Vorfeld einer konkreten Scheidung, sondern auch zum Voraus abgeschlossen werden,33 so ändert dies nichts am (auch
für die übrigen Vorausvereinbarungen über die Nebenfolgen
der Scheidung geltenden) Grundsatz, dass es mit der rechtsgeschäftlich herbeizuführenden Planungssicherheit für den
Scheidungsfall nicht weit her ist, wenn die Einigung der dann
tatsächlich Scheidungswilligen erst nach gerichtlicher Überprüfung und Genehmigung Verbindlichkeit und schliesslich
Rechtskraft erlangen kann.34
Zudem: Prüfungsmassstab gemäss Art. 141 ZGB ist im
Unterschied zu Art. 140 ZGB nicht die «offensichtliche Unbilligkeit», sondern es sind die Kriterien gemäss Art. 123
Abs. 1 ZGB massgebend.35 Die Messlatte liegt damit deutlich höher, was zur Folge hat, dass nur in Ausnahmefällen
von der hälftigen Teilung abgewichen werden darf. Selbst
wenn zum Zeitpunkt des Abschlusses einer Vorauskonvention die wirtschaftlichen Verhältnisse derart sind, dass von
einer Sicherung der Alters- und Invalidenvorsorge auch bei
einem Teilungsverzicht ausgegangen werden kann, stehen
solche Vereinbarungen unter dem Vorbehalt wesentlich ver-
31
32
33
34
35
BGE 129 III 481 E. 3.3.
Hausheer (FN 13), 877.
Vgl. Rumo-Jungo (FN 7), 20.
Hausheer (FN 13), 878.
Hausheer (FN 13), 878.
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änderter Verhältnisse, so dass nicht von einer Bindungswirkung im gewünschten Sinne ausgegangen werden kann.
7.1.2 Eine Reihe von Dispositionen im Rahmen der zweiten Säule bedürfen der Zustimmung beider Ehegatten. Das
gilt für Barauszahlungen gemäss Art. 5 Abs. 2 FZG und Vorbezüge zur Finanzierung selbstbewohnten Wohneigentums
gemäss Art. 30 c Abs. 5 BVG sowie für den Entscheid, ob
bei Eintritt ins Pensionsalter die Altersguthaben anstelle einer Rente in Form einer Kapitalauszahlung bezogen werden
sollen (Art. 37 Abs. 5 BVG). Alle diese Bestimmungen stellen zwingendes öffentliches Recht dar und sind damit der
Dispositionsbefugnis der Parteien in einer Vorauskonvention
entzogen. Auch der Anspruch des überlebenden Ehegatten
auf eine Witwen- oder Witwerrente oder eine Abfindung
im Sinne von Art. 19 BVG beruht auf öffentlichem, zwingendem Recht, das der Privatautonomie der Parteien keinen
Raum lässt.36
7.2. Zuständigkeit
Die Zulässigkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen ist zu
verneinen.
Die Ansparung von Vorsorgeguthaben im Ausland zum
Zweck der Vermeidung der Teilung im Scheidungsfall dürfte
kaum weiterhelfen. Gemäss dem Bundesgerichtsentscheid
vom 4. Februar 2008 (BGE 5A_623/2007) wird zwar das zuständige schweizerische Gericht das schweizerische Recht in
der Regel nicht direkt auf eine ausländische Vorsorgeeinrichtung anwenden und die im Ausland gelegenen Vorsorgeguthaben unmittelbar aufteilen oder den ausländischen Vorsorgeträger in das schweizerische Verfahren einbinden können.
Aber es wird eine angemessene Entschädigung nach Art. 124
Abs. 1 ZGB festzusetzen sein,37 sofern eine Ergänzung des
schweizerischen Scheidungsurteils im Ausland nicht möglich ist.
7.3
Rechtswahl
Es ist nicht zulässig, Ansprüche bezüglich in der Schweiz
gelegenen Vorsorgeguthaben durch Rechtswahl einem ausländischen Recht zu unterstellen.
8.
te können ihren Güterstand innerhalb des gesetzlichen Numerus clausus wählen, aufheben oder ändern. Die Ehevertragsfreiheit unterliegt den allgemeinen schuldrechtlichen
Schranken.38 In seinem Entscheid vom 4. Dezember 2003
(BGE 5C.114/2003 E. 3.2.2) hielt das Bundesgericht fest:
«Der Ehevertrag, mit dem einzig ein besonderer Güterstand
gewählt wird und der keine Abmachungen über die konkrete
güterrechtliche Auseinandersetzung, insbesondere aber auch
keine Vereinbarungen über die Nebenfolgen der Scheidung,
enthält, bedarf keiner Genehmigung durch den Scheidungsrichter (......). Müsste jeder Ehevertrag im Scheidungsfall
gerichtlich genehmigt werden, gäbe es keine verbindlichen
Eheverträge mehr. Es bliebe stets die Bestätigung durch die
Ehegatten im Verfahren nach Art. 111 f. ZGB vorbehalten
(......). Seit der am 1. Januar 1988 in Kraft getretenen Teilrevision des Zivilgesetzbuches vom 5. Oktober 1984 sind
Eheverträge im Übrigen in keinem Fall mehr von der Vormundschaftsbehörde zu genehmigen (vgl. aArt. 181 Abs. 2
aZGB). Es kann nicht Sinn und Zweck von Art. 140 ZGB
sein, sie einer (nachträglichen) Genehmigung im Scheidungsverfahren zu unterwerfen.»
Diese Rechtsprechung ist als rein formal kritisiert worden.39 Verschiedene Autoren fordern eine Inhaltskontrolle anlässlich der Scheidung.40 Schwander bezeichnet
die heutige Rechtslage als offensichtlich unbefriedigend:
«Während einer 10-, 20- oder 30-jährigen Ehe können sich
die Verhältnisse grundlegend ändern. Eine früher zu wenig
durchdachte oder ursprünglich angemessene ehevertragliche
Regelung erweist sich infolge veränderter Einkommens- und
Vermögensverhältnisse nachträglich als einseitig.»41 Der
Autor postuliert eine pointiertere Anwendung der clausula rebus sic stantibus (z.B.: Gütertrennung für solange, als
beide Eheleute einer Erwerbstätigkeit nachgehen; Beschränkung der zeitlichen Bindung an Verträge nach Art. 27 ZGB,
beispielsweise auf die Dauer von 10 Jahren, oder eben eine
gerichtliche Inhaltskontrolle, welche die ursprüngliche Angemessenheit der ehevertraglichen Regelung zu überprüfen
hätte).42 Hubert Stöckli spricht sich zum Schutz der Vertragsparteien für eine «zweckmässig ausgestaltete Anfechtungsbefugnis» früher abgeschlossener Eheverträge aus.43
So verständlich diese – teilweise de lege ferenda vorgetragenen – Postulate auf den ersten Blick erscheinen, so klar
steht ihnen aus praktischer Sicht das Interesse an Vertrauens-
Vorausvereinbarungen güterrechtlicher Art
38
8.1
Im innerstaatlichen Verhältnis
8.1.1 Eheverträge
Nach Art. 182 Abs. 1 ZGB kann ein Ehevertrag vor oder
nach der Heirat abgeschlossen werden. Braut- oder Eheleu-
39
40
41
42
36
37
Hausheer/Steck (FN 1), 12.
BGE 5A_623/2007 E. 2 a.E. mit Hinweisen auf die Literatur.
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43
Hubert Stöckli, Die Ehevertragsfreiheit und ihre Schranken,
in: Alexandra Rumo-Jungo/Pascal Pichonnaz (Hrsg.), Scheidungsrecht: Aktuelle Probleme und Reformbedarf: Symposium
zum Familienrecht 2007, Zürich/Basel/Genf 2008, 85 ff.
Schwenzer (FN 4), 7.
Schwenzer (FN 4), 9.
Ivo Schwander, Eheverträge – zwischen «ewigen» Verträgen
und Inhaltskontrolle, AJP/PJA 2003, 572 f.
Schwander (FN 41), 573; ähnlich Thomas Sutter-Somm/
Felix Kobel, FamPra.ch 2004, 775, 795 ff.
Stöckli (FN 38), 100.
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schutz und Berechenbarkeit gegenüber. Bindende ehevertragliche Abmachungen (beispielsweise die Vereinbarung
der Gütertrennung; die Erklärung von Vermögenswerten der
Errungenschaft, die für die Ausübung eines Berufes oder
den Betrieb eines Gewerbes bestimmt sind, zu Eigengut gemäss Art. 199 Abs. 1 ZGB; der Ausschluss der Mehrwertbeteiligung nach Art. 206 Abs. 3 ZGB oder eine von Art. 215
ZGB abweichende Teilung des während der Ehe erzielten
Vorschlages nach Art. 216 Abs. 1 ZGB) stellen in der Regel
die Grundlage für weitere Dispositionen dar, die etwa ein
selbständig Erwerbender oder ein Unternehmerehegatte im
Vertrauen auf den Bestand des Ehevertrages trifft. Dieses
Vertrauen ist zu schützen; es kann nicht sein, dass darüber –
möglicherweise gar während Jahrzehnten – die Damoklesschwerte einer Inhaltskontrolle gemäss Art. 140 ZGB im
Rahmen eines zukünftigen strittigen Scheidungsprozesses
oder bislang nicht existierende Anfechtungs- oder gar Nichtigkeitsgründe schweben.
Folgte man den Überlegungen der eine spätere Überprüfung oder Anfechtung befürwortenden Autoren, stellte sich
auch die nicht unwesentliche Frage, unter welchen Voraussetzungen denn ein Ehevertrag als offensichtlich unangemessen
zu betrachten sei. Es trifft sicher zu, dass früher vereinbarte
ehevertragliche Abmachungen im Ergebnis – verglichen mit
dem Resultat einer späteren güterrechtlichen Auseinandersetzung nach den Regeln des ordentlichen Güterstandes – zu einer Benachteiligung des einen oder anderen Ehegatten führen
können. Zutreffend ist wohl auch, dass vorab Brautleute und
Ehegatten in intakter Ehe bei Vertragsschluss die Möglichkeit einer Scheidung kaum in Betracht ziehen werden oder
wollen und entsprechende Überlegung zu diesem Zeitpunkt
daher nur untergeordnete Bedeutung haben. Demgegenüber
steht aber das Erfordernis der öffentlichen Beurkundung des
Ehevertrages zweier handlungsfähiger Parteien, mit welcher
sichergestellt werden soll, dass ihnen die Tragweite ihrer
Vereinbarung bewusst ist. Nachdem Ehegatten bewusst auf
Vorteile des gesetzlichen Güterstandes verzichten können,
kann ein solcher Verzicht auch nicht ethisch verpönt sein.
Diese Konsequenz hat der Gesetzgeber, indem er den Parteien die Möglichkeit eines Ehevertrages (allerdings in den
relativ engen Schranken des Art. 182 Abs. 2 ZGB) zur Verfügung stellte, vielmehr bewusst in Kauf genommen. Breitschmid44 weist in diesem Zusammenhang ferner darauf hin,
dass das Gesetz den späteren Scheidungsfall in verschiedener
Hinsicht bereits berücksichtigt, etwa dort, wo die Ehegatten
in Anwendung von Art. 217 oder 242 ZGB Vereinbarungen
über die Abänderung der gesetzlichen Beteiligung am Vorschlag bzw. Gesamtgut in Abweichung von der gesetzlichen
Vermutung auch auf den Scheidungsfall ausdehnen (was der
Ehevertrag indes ausdrücklich vorzusehen hat, Art. 217, 242
Abs. 3 ZGB).
Die Gegenüberstellung dieser Argumente für und wider eine Überprüfung des Ehevertrages im Rahmen eines
nachfolgenden Scheidungsverfahrens ergibt u.E., dass das
Interesse an der Rechtssicherheit jenes an einer späteren
richterlichen Überprüfung bei weitem überwiegt, zumal im
Rahmen der Festsetzung anderer scheidungsrechtlicher Nebenfolgen dem vorteilhaften oder nachteiligen (bzw. im Falle
der Gütertrennung gänzlich ausbleibenden) Ergebnis der güterrechtlichen Auseinandersetzung Rechnung getragen werden kann: So bei der Bestimmung der nachehelichen Eigenversorgungskapazität im Sinne von Art. 125 Abs. 1 ZGB,45
und – etwa im Falle einer Gütertrennung mit zugleich unterlassener beruflicher Vorsorge – bei der Festsetzung nachehelicher Unterhaltsbeiträge, welche nicht nur für die Zukunft
entsprechend erhöht werden, sondern für deren Finanzierung
auch das Vermögen des pflichtigen Ehegatten herangezogen
werden kann.46
Damit erweist sich der formgültig abgeschlossene Ehevertrag (neben erbvertraglichen Vereinbarungen) als sehr
wichtiges und wohl zentrales Instrument einer rechtsverbindlichen Scheidungsplanung.
44
48
Breitschmid (FN 19), 1608.
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8.1.2 Vereinbarungen über die güterrechtliche
Auseinandersetzung
Die konkrete Durchführung der güterrechtlichen Auseinandersetzung, die aufgrund des gesetzlichen oder eines vertraglichen Güterstandes erfolgt, unterliegt demgegenüber der
gesetzlichen Genehmigungspflicht durch das Scheidungsgericht im Sinne von Art. 140 ZGB. Diese betrifft nicht mehr
den Güterstand als solchen und ist deshalb nicht mehr Inhalt
eines «Ehevertrages» (und dies auch dann, wenn sie im gleichen Dokument vorgenommen wird) und nimmt daher an
dessen Wirkungen nicht teil.47
Soweit aber die güterrechtliche Auseinandersetzung ohne
konkreten Scheidungshorizont – etwa im Rahmen der Aufhebung des gesetzlichen Güterstandes der Errungenschaftsbeteiligung oder der Gütergemeinschaft und gleichzeitiger Begründung des Güterstandes der Gütertrennung – und gestützt
auf eine in den Ehevertrag aufgenommene Vereinbarung
(oder wohl auch im Rahmen eines separaten schriftlichen
Teilungsvertrages oder gar nur in Form blosser Realteilung)
erfolgt, wirkt diese sofort48 und ist sie deshalb der Genehmigung durch den Scheidungsrichter entzogen.
Diese unterschiedliche Behandlung der güterrechtlichen
Auseinandersetzung unter dem Aspekt von Art. 140 ZGB
ruft nach Beantwortung der Frage, wie der Begriff des «konkreten Scheidungshorizontes» zu definieren sei. Kann von
einem solchen bereits dann gesprochen werden, wenn die
Ehegatten – etwa im Zusammenhang mit vermögensrechtlichen Meinungsverschiedenheiten, aber während noch mehr
45
46
47
Hausheer (FN 13), 877.
BGE 129 III 7 ff. und BGE 129 III 257 ff.
BGE 5C.114/2003 E. 3.2.2; Geiser (FN 9), 225, 230; Hausheer/Reusser/Geiser (FN 27), N 15 zu Art. 182 ZGB.
Geiser (FN 9), 226.
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oder weniger intakter Ehe – ihren Güterstand wechseln und
die güterrechtliche Auseinandersetzung vornehmen? Wie
verhält es sich, wenn sich Ehegatten im Rahmen der Aufhebung des gemeinsamen Haushaltes auf die Gütertrennung
verständigen – oder wenn diese durch das Eheschutzgericht
auf Begehren eines Ehegatten angeordnet wird – und sie sich
alsdann über die güterrechtliche Auseinandersetzung einigen?
Die im Zusammenhang mit einem Wechsel des Güterstandes in einen Ehevertrag aufgenommene güterrechtliche
Auseinandersetzung bei anschliessend während Jahren fortdauerndem Zusammenleben der Ehegatten im Rahmen eines
später stattfindenden Scheidungsverfahrens unterliegt unseres Erachtens keiner Genehmigungspflicht nach Art. 140
ZGB. Weniger klar ist dies aber bei Vornahme der güterrechtlichen Auseinandersetzung im Rahmen einer vertraglich vereinbarten oder gerichtlich angeordneten Gütertrennung im Zusammenhang mit oder als Folge der Aufhebung
des gemeinsamen Haushaltes. Hier wird man sich an der
(uneinheitlichen) Praxis, welche für die gerichtliche Anordnung der Gütertrennung nach Art. 176 Abs. 1 Ziff. 3 i.V.m.
Art. 185 ZGB angewendet wird, zu orientieren haben und im
Zweifel damit rechnen müssen, dass die in diesem Kontext
vorgenommene güterrechtliche Auseinandersetzung als der
Scheidungsvorbereitung dienend betrachtet und mithin der
Genehmigungspflicht unterstellt werden wird – mit der Konsequenz, dass das Ausbleiben der Bestätigung im Rahmen
von Art. 111 f. ZGB die zuvor vereinbarte güterrechtliche
Auseinandersetzung wieder in Frage stellt.
Die Praxis ist indessen nicht einheitlich: Das Obergericht des Kantons Aargau qualifizierte in seinem Urteil vom
18. Oktober 2007 (ZOR.2007.54) eine sechs Jahre vorher,
nämlich im Rahmen eines Mediationsverfahrens im Jahre
2001, durchgeführte güterrechtliche Auseinandersetzung als
eine vor der Rechtshängigkeit des Scheidungsprozesses abgeschlossene Vereinbarung über eine Scheidungsfolge, die
im Rahmen von Art. 111 f. ZGB bestätigt und gerichtlich genehmigt werden müsse. Demgegenüber hat das Obergericht
des Kantons Bern in einem Entscheid vom 27. März 200849
den Widerruf der im Rahmen einer Scheidungskonvention
getroffenen und bereits vor der ersten Anhörung der Parteien
vollständig vollzogenen güterrechtlichen Auseinandersetzung nicht zugelassen. Häufig wird indessen das Ergebnis
einer bereits vor Rechtshängigkeit durchgeführten güterrechtlichen Auseinandersetzung im Scheidungsverfahren
von keiner Partei mehr thematisiert. Die Genehmigung der
«Saldoklausel» trägt dann rein formale Züge; denn dem Gericht sind in den meisten Fällen die güterrechtlichen Bemessungsfaktoren (anders als beim nachehelichen Unterhalt, wo
sie gemäss Art. 143 ZGB offen zu legen sind) nicht bekannt,
und sie werden in der Regel auch nicht erfragt.
8.1.3 Verfahrenstechnische Aspekte
Möglich ist demgegenüber eine bindende Verständigung zum
Voraus über «verfahrenstechnische» Aspekte. So können
beispielsweise die Kriterien, nach welchen ein Unternehmen geschätzt werden soll («Praktikerformel»; «Swiss Gaap
FER», etc.) definiert oder die Experten bestimmt werden,
welche abschliessend ein Unternehmen oder eine Liegenschaft bewerten (etwa: «Massgebend für die Bestimmung
des güterrechtlichen Anrechnungswertes ist der Mittelwert
je einer Schätzung des Hauseigentümerverbandes sowie der
Kantonalbank in jeweiligem Lagekanton»).
Nachdem sich die Parteien in der güterrechtlichen Auseinandersetzung über solche Aspekte nach Belieben einigen
können50, kann dies auch zum Voraus geschehen. Solche
Abmachungen unterliegen nicht der gerichtlichen Genehmigung nach Art. 140 ZGB.51
8.1.4 Rechtsgeschäfte zur Milderung einer den
einen Ehegatten benachteiligenden güterrechtlichen Disposition
Unterstellen sich die Ehegatten dem Güterstand der Gütertrennung oder erklären sie wesentliche Vermögenswerte
gemäss Art. 199 Abs. 1 ZGB zu Eigengut, besteht häufig
das Bedürfnis, den auf den gesetzlichen Güterstand verzichtenden Ehegatten mit einer Leistung aus dem Vermögen des
anderen für die nachteiligen wirtschaftlichen Folgen der gewählten ehevertraglichen Modifikation zu entschädigen (ein
Beispiel einer entsprechenden Abmachung findet sich im
zweiten Teil der Formulierungsvorschläge, lit. E.).
Solche Vereinbarungen sind, soweit es sich um Schenkungsversprechen handelt, in der von Art. 243 OR jeweils
geforderten Form abzuschliessen. Ob nun vereinbart wird,
dass nach jedem Jahr des Bestehens eines gemeinsamen
Haushaltes eine Zahlung in bestimmter Höhe erfolgt, oder
ob die Zahlung (oder eine andere in Aussicht genommene
Zuwendung) und deren Fälligkeit an die Voraussetzung einer
rechtskräftigen Scheidung geknüpft werden; es kann kein
Zweifel daran bestehen, dass solche Rechtsgeschäfte unbedenklich und bindend sind. Breitschmid52 weist darauf hin,
dass Schenkungen unter Ehegatten nicht allein wegen der
Tatsache einer nachfolgenden Scheidung der Ehe widerrufen werden können (anders, wenn eine entsprechende Rückfallklausel ausdrücklich vereinbart worden ist). Auch sofern
solche Rechtsgeschäfte im Zusammenhang mit einer ehevertraglich vereinbarten Gütertrennung abgeschlossen werden,
handelt es sich per se nicht um die konkrete Durchführung
der güterrechtlichen Auseinandersetzung (welche unter dem
Güterstand der Gütertrennung ohnehin entfällt), also nicht
um eine scheidungsrechtliche Nebenfolge, womit nach der
50
49
Obergericht des Kantons Bern, Entscheid vom 27. März 2008
in FamPra.ch 4/2008 Nr. 87.
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51
52
Hausheer (FN 13), Art. 214 N 7.
Meier (FN 3), 294.
Breitschmid (FN 19), 1609.
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hier vertretenen Ansicht diesbezüglich weder ein Bestätigungserfordernis noch eine Genehmigungspflicht besteht.
Bei Schenkungen muss steuerlichen Gegebenheiten Rechnung getragen werden: Im Kanton Zürich etwa sieht § 7 lit. c
ESchG vor, dass der Schenkungssteueranspruch bei Vermögensübergängen aus Schenkung im Zeitpunkt des Vollzuges
der Schenkung entsteht. Erfolgt die Zahlung mithin erst nach
Eintritt der Rechtskraft des Scheidungsurteils, können sich
Steuerfolgen ergeben. Dies soll gemäss Zürcherischer Praxis dann nicht der Fall sein, wenn ihr Rechtsgrund in der
gerichtlich genehmigten Scheidungskonvention liegt. Ist
das Schenkungsversprechen hingegen nicht in der dem Gericht zur Genehmigung vorgelegten Vereinbarung abgegeben
worden, sollte die Zahlung sicherheitshalber vor Eintritt der
Rechtskraft erfolgen (beispielsweise innerhalb von drei Arbeitstagen nach Vorlage des Nachweises des Versandes der
Bestätigungserklärung i.S.v. Art. 111 Abs. 2 ZGB an das Gericht, unter der Bedingung des Eintritts der Rechtskraft des
Scheidungsurteils).
8.2
Vereinbarungen zur Rechtswahl und
zur Zuständigkeit
8.2.1 Zur Rechtswahl
Angesichts der Wichtigkeit ehevertraglicher Dispositionen
als Planungsinstrument und der Zunahme der Zahl multinationaler Ehen soll auf einige Besonderheiten des Internationalen Privat- und Zivilprozessrechtes des Ehegüterrechts
hingewiesen werden, auf die Schwander53 vor kurzem aufmerksam gemacht hat. In methodischer Hinsicht empfiehlt
Schwander in einem ersten Schritt die Prüfung der objektiven Anknüpfung (d.h. Rechtslage ohne Rechtswahl), wobei
diese aus der Sicht der Gerichte jedes möglicherweise zuständigen Staates (Heimatstaat, Wohnsitzstaat, Staat der gelegenen Sache) untersucht werden muss. Erst in einem zweiten Schritt ist zu entscheiden, ob mit einer ausdrücklichen
Rechtswahl die objektive Anknüpfung verstärkt oder abgeändert werden soll. Art. 52 IPRG ermöglicht den Gatten die
Wahl zwischen dem Recht des Staates, in dem beide ihren
Wohnsitz haben oder nach der Eheschliessung haben werden, und dem Recht eines ihres Heimatstaaten (bei dem es
sich nicht um das effektive Heimatrecht, mit dem die Person
am engsten verbunden ist, handeln muss). Wer eine bestimmte Rechtslage zumindest auf absehbare Zeit hin stabilisieren
möchte, dem muss zu einem Ehevertrag geraten werden, der
die güterrechtlichen Verhältnisse einer bestimmten Rechtsordnung unterstellt und zudem die Erklärung enthält, dass
der gewählte Güterstand auch bei Wohnsitzwechsel beibehalten werden soll.54 (Die Wandelbarkeit des Güterrechtsstatutes gemäss Art. 55 IPRG kann wegbedungen werden.)
Gleichwohl erfordert jeder Wohnsitzwechsel neue Abklärungen der Rechtslage im Hinblick darauf, ob
– die Zuständigkeiten der Gerichte und Behörden ändern
(und damit ein anderes IPR zum Zuge kommt),
– die objektiv (d.h. ohne Rechtswahl) anwendbare Rechtsordnung wechselt,
– eine bisher bestehende Rechtswahlmöglichkeit oder andere Rechtsgestaltung (wie Rückwirkung oder Nichtrückwirkung bzw. solche Wirkungen ausschliessende Erklärungen; Schenkung; Ehevertrag) wegfällt, oder ob
– nach dem Wohnsitzwechsel neue Rechtswahl- und Gestaltungsmöglichkeiten entstehen.55
Von einer Rechtswahlerklärung in einfacher Schriftlichkeit
(was gemäss Art. 53 Abs. 1 IPRG genügt) ist abzuraten,
nachdem die meisten ausländischen Staaten eine Rechtswahl
zum Güterrecht – wenn überhaupt – nur in der Form bzw. im
Rahmen eines Ehevertrages anerkennen.56
8.2.2 Vereinbarungen über die Zuständigkeit
Schwander57 weist mit beachtlichen Gründen darauf hin,
dass die güterrechtliche Planung für den Scheidungsfall ohne
Zuständigkeitsvereinbarung auf halber Strecke stehen bleibt.
Art. 51 lit. a, b, und c, IPRG schliessen eine abweichende
Zuständigkeitsvereinbarung nach Art. 5 IPRG nicht aus, da
es sich beim Güterrecht um eine vermögensrechtliche Materie handelt. Auch eine Schiedsvereinbarung ist zulässig.58
Die Lehre rät von solchen Dispositionen für die güterrechtliche Auseinandersetzung mehrheitlich ab.59 In der Tat
können sich Fragen im Verhältnis zum Grundsatz der Einheit des Scheidungsurteils und der daraus abgeleiteten Zuständigkeit des Scheidungsgerichtes stellen. Zur Vorsicht
mahnen auch Erwägungen der Prozessökonomie: Für die
Festsetzung des nachehelichen Unterhaltes muss das Ergebnis der güterrechtlichen Auseinandersetzung bekannt sein.
Art. 278 Abs. 1 E BZPO hält den Grundsatz der Einheit des
Scheidungsurteils ausdrücklich fest; indessen ist auch vorgesehen, dass komplizierte güterrechtliche Auseinandersetzungen in ein separates Verfahren verwiesen werden können
Art. 278 Abs. 2 E BZPO). Das Scheidungsgericht wird diesfalls den bei ihm hängigen Prozess sistieren, bis das Ergebnis der güterrechtlichen Auseinandersetzung bekannt ist. In
gleicher Weise ist vorzugehen, wenn die Parteien mit einer
Gerichtsstandsvereinbarung oder einer Schiedsklausel den
Entscheid über das Güterrecht einem anderen Gericht zugewiesen haben.
55
56
53
54
Ivo Schwander, Internationales Privat- und Zivilprozessrecht
des Ehegüterrechts, AJP/PJA 2008, 1055 ff.
Schwander (FN 53), 1059.
AJP 03_2009.indb 311
57
58
59
Schwander (FN 53), 1060.
Schwander (FN 53), 1061.
Schwander (FN 53), 1069.
Schwander (FN 53), 1069.
Schwander (FN 53), 1069 mit Hinweisen in Fn. 20, 1061.
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Das Urteil des prorogierten Gerichts oder des Schiedsgerichts unterliegt nicht der Genehmigung nach Art. 140 ZGB,
da es sich dabei nicht um eine Scheidungsfolgenvereinbarung handelt.
9.
Vorausvereinbarungen mit
erbrechtlichem Charakter
9.1
Im innerstaatlichen Verhältnis
Geschiedene Ehegatten haben zueinander kein gesetzliches
Erbrecht mehr. Diese Bestimmung ist indessen dispositiver
Natur, wie das Bundesgericht noch unter der Herrschaft von
Art. 154 Abs. 2 aZGB festgestellt hat (BGE 122 III 308 ff.).
Daran hat die Scheidungsnovelle nichts geändert.60 Den
Scheidungsfall einbeziehende erbrechtliche Absprachen unter Ehegatten ausserhalb eines konkreten Scheidungsverfahrens sind mithin ohne Weiters möglich. Die Verbindlichkeit
von Verfügungen von Todes wegen, welche die Ehegatten
nach der Rechtshängigkeit des Scheidungsverfahrens errichtet haben, wird im Gesetz sogar explizit erwähnt (Art. 120
Abs. 2 ZGB e contrario). Entsprechende Vereinbarungen
müssen in den gesetzlich vorgeschriebenen Formen abgeschlossen werden, wobei Bedingungen (etwa der Eintritt der
Rechtskraft eines Scheidungsurteils) möglich sind.61 Nichtig – weil unvereinbar mit dem Schutz der Persönlichkeit
(Art. 27 Abs. 2 ZGB) – ist indessen das im Rahmen einer
Vorauskonvention abgegebene Versprechen, dereinst einen
Erbvertrag abzuschliessen.62
Im leider nicht veröffentlichten Entscheid vom 4. Dezember 2003 (BGE 5C.114/2003) hatte das Bundesgericht eine
Konstellation zu beurteilen, bei der ein Ehepaar vor der Ehe
einen Ehevertrag auf Gütertrennung, einen Erbvertrag und
eine Scheidungskonvention auf Vorrat abgeschlossen hatte.
Die Ehefrau verlangte eine Überprüfung des Vertragswerkes
als Einheit, mithin auch des Erbvertrages, unter dem Gesichtspunkt von Art. 140 ZGB. Dem hielt das Bundesgericht
(mit den beiden kantonalen Vorinstanzen) entgegen, dass die
Verträge nicht derart miteinander verknüpft seien, als dass
einer von den andern abhängig sei; keiner der Verträge setze
das Bestehen eines andern Vertrages oder eine Gegenleistung
aus einem solchen voraus, und durch die Aufhebung eines
Vertrages würden die Wirkungen der beiden andern nicht
tangiert. Die Gültigkeit und Verbindlichkeit der in Frage stehenden drei Verträge wurden deshalb je einzeln überprüft. Im
Zusammenhang mit dem Erbvertrag hielt das Bundesgericht
fest, dieser enthalte nichts, was für das Scheidungsverfahren relevant sei, weshalb eine Überprüfung sub specie von
Art. 140 ZGB nicht stattfinde.
60
61
62
Breitschmid (FN 19), 1608.
ZR 89 Nr. 99 sowie ZR 96 Nr. 10.
BGE 108 II 407.
AJP 03_2009.indb 312
Auch aus diesem Grund erweist sich der Erbvertrag als
taugliches Planungsinstrument.
Die erbvertragliche Vereinbarung kann – im Sinne eines
Systems aufeinander einwirkender Planungsinstrumente –
auf andere scheidungsrechtliche Nebenfolgen, insbesondere
den nachehelichen Unterhalt, ausstrahlen. Art. 125 Abs. 1
ZGB weist der Sicherung einer angemessenen Altersvorsorge bei der Gestaltung des nachehelichen Unterhaltes eine
grosse Bedeutung zu. Die erbvertragliche Begünstigung kann
dazu führen, dass eine nacheheliche Unterhaltsregelung, die
der Altersvorsorge keine Rechnung trägt, trotzdem genehmigungsfähig wird. Dies war der Fall im erwähnten Bundesgerichtsentscheid vom 4. Dezember 2003 (BGE 5C.114/2003),
wo der Ehefrau höhere Unterhaltsbeiträge als in der Vorauskonvention vorgesehen auch nicht unter dem Gesichtspunkt
der Altersvorsorge zugesprochen werden konnten, da ihr
nach dem Erbvertrag erhebliche Anwartschaften (in casu
knapp CHF 4 Mio.) zustanden.
Werden erbvertragliche Dispositionen in Betracht gezogen, dann sind die steuerlichen Rahmenbedingungen sorgfältig zu analysieren: Während in den meisten Kantonen die
Ehegatten von Erbschaftssteuern befreit sind, trifft dies für
geschiedene Eheleute nicht mehr zu. Vor allem deswegen
sollte immer auch geprüft werden, ob nicht die (unwiderrufliche) Begünstigung in einer (Todesfallrisiko-)Lebensversicherung die sachgerechtere Lösung sein könnte.
9.2
Zuständigkeit und Rechtswahl
Eine detaillierte Darstellung von planerischen Möglichkeiten im Bereich internationalprivatrechtlicher erbvertraglicher Dispositionen sprengt den Rahmen dieser Arbeit. Ein
Hinweis erscheint uns indes als wichtig: Soweit bei grenzüberschreitenden Sachverhalten mit Erbverträgen gearbeitet
wird, ist zu beachten, dass etliche Staaten des romanischen
und des iberoamerikanischen Rechtskreises einen Erbvertrag
im Sinne einer vertraglichen Bindung des Erblassers nicht
anerkennen. Dem ist bei der Planung Rechnung zu tragen.63
10.
Vorausvereinbarungen über den ehelichen (insbesondere den Trennungs-)
Unterhalt
10.1 Im innerstaatlichen Verhältnis
10.1.1 Vereinbarungen über die Beiträge der
Ehegatten an den Unterhalt der Familie
(Art. 163 ZGB)
Es steht den Ehegatten frei, bezüglich der von ihnen im Rahmen von Art. 163 Abs. 2 ZGB vorzunehmenden Verständi63
Vgl. die Hinweise bei Schwander (FN 53), 1055 ff., insbesondere 1060 ff.
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gung eine schriftliche Vereinbarung über ihre Lebensentwürfe, die Rollenverteilung und deren Folgen abzuschliessen.
Solche Abmachungen über die Aufgabenteilung können auch
bei einer Aufhebung des gemeinsamen Haushaltes Bestand
haben und das Ergebnis der dann konkret vorzunehmenden
Berechnung des ehelichen und nachehelichen Unterhalts
wesentlich beeinflussen, ist doch eine spätere einseitige Abänderung derselben nicht ohne weiteres möglich.64 Einer
Verständigung über die Rollenverteilung, Feststellungen zur
zukünftig beabsichtigten beruflichen Tätigkeit im Sinne einer Konkretisierung der Eigenversorgungskapazität u.a. im
Rahmen einer Vorausvereinbarung kommt u.E. ein deutlich
grösseres Gewicht zu als einer antizipierenden Quantifizierung von Unterhaltszahlungen, die sich angesichts veränderter Verhältnisse nach Jahr und Tag kaum noch als sachgerecht erweisen könnten.65
10.1.2 Vereinbarungen über die Geldbeiträge, die der eine Ehegatte dem
anderen schuldet (Art. 173 Abs. 1,
176 Abs. 1 Ziff. 1, 137 Abs. 2 ZGB)
Auch aussergerichtliche Vereinbarungen der Ehegatten über
den ehelichen Unterhalt sind auf der Grundlage von Art. 168
ZGB zulässig und jederzeit möglich. Solche Abreden sind
jedoch jederzeit einseitig widerrufbar. Für die gelebte Vergangenheit behalten sie zwar Geltung (mit der Folge, dass
Unterhaltsleistungen – entgegen Art. 173 Abs. 3 und 137
Abs. 2 ZGB – nicht mehr für ein Jahr vor Einreichung des
Begehrens gefordert werden können).66 Ist ein Ehegatte mit
der einst getroffenen mündlichen oder schriftlichen Absprache aber nicht mehr einverstanden und erfolgt keine neue Einigung, hat das Eheschutzgericht den Unterhalt auf Begehren
eines Ehegatten festzulegen. Dies erfolgt indes ungeachtet
der bisherigen Vereinbarung i.S.v. Art. 163 Abs. 2 i.V.m.
Art. 176 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB, weshalb nicht geprüft wird, ob
sich die ihr zugrunde liegenden Verhältnisse erheblich, dauerhaft und in unvorhersehbarer Weise geändert haben. Wurde
demgegenüber über den ehelichen Unterhalt (im Eheschutzoder Massnahmeverfahren) entschieden (oder eine von den
Parteien dem Gericht vorgelegte Vereinbarung genehmigt)
und verlangt ein Ehegatte eine Abänderung der Beiträge,
kann diese durch den Eheschutz- oder Massnahmerichter nur
64
65
66
Franz Hasenböhler/Andrea Opel, in: Heinrich Honsell/
Nedim Peter Vogt/Thomas Geiser (Hrsg.), Basler Kommentar
Zivilgesetzbuch I, 3. A., Basel 2006, Art 163 N 36 f.; Heinz
Hausheer/Thomas Geiser/Regina E. Aebi-Müller, Das
Familienrecht des Schweizerischen Zivilgesetzbuches: Eheschliessung, Scheidung, allgemeine Wirkungen der Ehe, Güterrecht, Kindesrecht, Vormundschaftsrecht, eingetragene Partnerschaft, 3. A., Bern 2007, Rz 08.18a ff.
Vgl. zu den beachtenden Gesichtspunkten die Formulierungsvorschläge unter Ziff. 17.4, 2. Teil, lit. E.
Vgl. ZR 104 Nr. 58.
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nach Massgabe von Art. 179 ZGB erfolgen, d.h. erst bei Vorliegen der bekannten Abänderungsgründe.67
Mit Blick auf entsprechende Vereinbarungen sind in
Zukunft überdies Art. 267 f. E BZPO zu beachten, die für
Massnahmen zum Schutz der ehelichen Gemeinschaft nach
Art. 172 bis 179 ZGB – also auch für den Ehegattenunterhalt – den Untersuchungsgrundsatz vorschreiben68; dieser
wird daher in noch weitergehendem Mass der Dispositionsfreiheit der Ehegatten entzogen sein. Auch aus diesem Grund
dürfte – nebst der einseitigen Widerrufbarkeit – eine quantifizierende Vorausvereinbarung zum ehelichen Unterhalt kein
zuverlässiges Planungsinstrument darstellen.
10.2 Rechtswahl
Für die Unterhaltspflicht zwischen Ehegatten gilt im internationalen Verhältnis gemäss Art. 49 IPRG das Haager Übereinkommen vom 2. Oktober 1973 über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht (SR 0.211.213.01; HUntÜ).
Dieses Abkommen, das in der Schweiz erga omnes gilt, sieht
keine Rechtswahlmöglichkeit vor.69
Zu beachten ist, dass – aufgrund eines von der Schweiz
angebrachten Vorbehaltes – immer dann schweizerisches
Recht angewendet wird, wenn sowohl Unterhaltsschuldner
als auch Unterhaltsgläubiger die schweizerische Staatsangehörigkeit besitzen und (kumulativ) der Unterhaltsschuldner
seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Schweiz hat. Klagt
also die im Ausland wohnende Ehefrau den in der Schweiz
lebenden Ehemann ein und besitzen beide die schweizerische Staatsbürgerschaft, findet demnach nicht das Recht
des ausländischen Aufenthaltes der Ehefrau Anwendung
(Art. 4 HUntÜ), sondern die schweizerische lex fori (Art. 15
i.V.m. Art. 24 HUntÜ).70
10.3 Gerichtsstands- und Schiedsvereinbarungen
Im innerstaatlichen Verhältnis sollte u.E. eine Prorogation
im eng umschriebenen Rahmen von Art. 15 Abs. 1 GestG
zulässig sein; nicht aber eine Schiedsabrede.71
Im internationalen Kontext sind demgegenüber nach
herrschender Auffassung nicht nur Gerichtsstandsvereinbarungen, sondern auch Schiedsklauseln möglich.
10.3.1 Im Rahmen des IPRG
Im Bereich der ehelichen Unterhaltspflicht – als vermögensrechtlichem Anspruch – kann die Zuständigkeit eines Ge67
68
69
70
71
Hausheer/Steck (FN 1), 937.
Hausheer/Steck (FN 1), 937.
BGE 119 II 167 ff., 171; BSK IPRG-Courvoisier (FN 15),
Art. 49 N 22.
BSK IPRG-Courvoisier (FN 15), Art. 49 N 19.
Vgl. vorne Ziff. 4.2.
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richtes für einen bestehenden oder einen künftigen Rechtsstreit zunächst kraft ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmung
durch eine Gerichtsstandsvereinbarung nach Art. 5 IPRG
oder durch Einlassung (Art. 6 IPRG) begründet werden;
Schiedsvereinbarungen sind gestützt auf Art. 7 IPRG zulässig. Diese Dispositionsbefugnis wird als problematisch
erachtet, weil wichtige gesetzgeberische Anliegen (rascher
Rechtsschutz zu Gunsten des klagenden Gatten durch Schaffung des Klägergerichtsstandes nach Art. 15 Abs. 1 GestG,
Aufgabe der Koordination der personen-, kindes- und vermögensrechtlichen Wirkungen der Ehe, zweifelhafte Befugnis
eines Schiedsgerichtes zur Anordnung von Vollstreckungsmassnahmen gemäss Art. 177 f. ZGB) dadurch unterlaufen
werden könnten.72
10.3.2 Im Bereich des LugÜ
Das LugÜ bietet Parteien, die ihren Wohnsitz in einem Vertragsstaat haben, für «Unterhaltssachen» neben dem allgemeinen Gerichtsstand des Art. 2 LugÜ am Wohnsitz des Beklagten eine besondere Zuständigkeit vor dem Gericht des
Ortes, an dem der Unterhaltsberechtigte seinen Wohnsitz
oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, an (Art. 5 Ziff. 2
LugÜ).
Gemäss Art. 17 LugÜ können Parteien, von denen mindestens eine ihren Wohnsitz in einem Vertragstaat hat, nicht
nur über eine bereits entstandene, sondern auch über zukünftige aus einem bestimmten Rechtsverhältnis entspringende
Rechtsstreitigkeiten Vereinbarungen über die Zuständigkeit
abschliessen. Dies gilt auch für Unterhaltsvereinbarungen
zwischen Ehegatten, gehören diese doch nicht zu den in
Art. 16 LugÜ bezeichneten Klagen, bezüglich welcher eine
Prorogation unzulässig ist.73
Im Resultat sind Gerichtsstandsvereinbarungen und
Schiedsklauseln daher zwar nicht im innerstaatlichen Bereich, wohl aber im internationalen Verhältnis zulässig, was
planerische Möglichkeiten eröffnet, wenn und solange mindestens ein Ehegatte seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen
Aufenthalt in einem Vertragsstaat behält.
11.
Vorausvereinbarungen über den
nachehelichen Unterhalt
11.1 Im innerstaatlichen Verhältnis
Einmal abgesehen von den grundsätzlichen Bedenken zur
Bindungswirkung von Vorauskonventionen74 tendiert die
neuere und neueste Lehre mehr oder weniger eindeutig dazu,
deren Wirksamkeit und Zulässigkeit schon mit Blick auf das
Verbot übermässiger Bindung gemäss Art. 27 Abs. 2 ZGB
zu verneinen, weil es dabei «um das Übermass an Bindung
in eine ungewisse Zukunft hinein und damit um einen nicht
hinnehmbaren Verlust an unverzichtbarer Gestaltungsfreiheit» geht. Denn: «Zentral ist im Zusammenhang mit einer
scheidungsunabhängig eingegangenen Scheidungsfolgenvereinbarung die Ungewissheit darüber, auf was man gegenüber dem in der Zukunft liegenden gesetzlichen Scheidungsunterhalt verzichtet hat.»75 Darüber hinaus dürften
insbesondere jene Scheidungskonventionen auf Vorrat, die
ohne konkreten Scheidungshintergrund und Jahre zum Voraus abgeschlossen worden sind, dann einen (sich grundsätzlich nur zurückhaltend anbietenden) Anwendungsfall der auf
Art. 2 ZGB abgestützten clausula rebus sic stantibus darstellen, wenn die ursprünglich vereinbarten Unterhaltsbeiträge
durch nachträgliche, nicht voraussehbare Umstände in einem
derart offenbaren Missverhältnis zu jenen stehen, die zur Zeit
des Scheidungsurteils zugesprochen werden würden oder
müssten, dass das Beharren des unterhaltspflichtigen Ehegatten auf den vertraglich vereinbarten Unterhaltsbeiträgen als
rechtsmissbräuchlich erscheint.
Da hilft auch die z.T. widersprüchliche Praxis des Bundesgerichtes76 nicht weiter. Bleibt es im Resultat dabei, dass
bereits Scheidungsvereinbarungen, die im Vorfeld einer
Scheidung oder im Rahmen von Art. 111 ZGB abgeschlossen wurden, bis zur Bestätigung durch die Parteien nach Ablauf der Bedenkfrist bzw. bis zur gerichtlichen Genehmigung
keine Bindungswirkung entfalten,77 so gilt dies nach dem
Gesagten insbesondere für Vorausscheidungskonventionen
ohne konkreten Scheidungshorizont. Darauf sind die immer
zahlreicheren Klienten, die aufgrund ihres Bedürfnisses nach
möglichst nachhaltiger Lebensplanung eine Scheidungskonvention auf Vorrat mit Regelung des (ehelichen oder) nachehelichen Unterhaltes nachfragen, in der anwaltlichen Beratungspraxis mit aller Deutlichkeit hinzuweisen.
11.2 Zuständigkeit
Im Anwendungsbereich des Lugano-Übereinkommens
kann für die Beurteilung von ehelichen und nachehelichen
Unterhaltsansprüchen gemäss Art. 17 LugÜ eine Vereinbarung über die Zuständigkeit abgeschlossen werden (womit
eine Differenz zum innerstaatlichen Recht besteht, wo Gerichtstandsvereinbarungen im Bereich des Eherechtes nicht
zulässig sind).78 Wird über den Unterhalt in einem Scheidungsverfahren entschieden, ist nach Art. 5 Ziff. 2 LugÜ
auch dasjenige Gericht kompetent, welches nach seinem
Recht für dieses Verfahren zuständig ist (es sei denn, diese
75
76
72
73
74
BSK IPRG-Courvoisier (FN 15), Art. 46 N 25.
BSK IPRG-Courvoisier (FN 15), Art. 46 N 31, m.w.H.
Vgl. vorne Ziff. 3.2.
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77
78
Hausheer/Steck (FN 1), 956, 922 mit Hinweisen; insbes.
auch Geiser (FN 9), z.B. 233.
Vgl. dazu Hausheer/Steck (FN 1), 957 f.
Vgl. vorne Ziff. 3.2.3.
Karl Spühler/Dominik Vock, Gerichtsstandsgesetz (GestG),
Zürich 2000, Art. 15 N 2.
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Zuständigkeit beruhe einzig auf der Staatsangehörigkeit einer der Parteien). Von Bedeutung ist, dass die Einrede der
Rechtshängigkeit gemäss Art. 21 LugÜ dazu führt, dass der
schweizerische Scheidungsrichter das Verfahren betreffend
die Unterhaltsklage auszusetzen beziehungsweise sich unzuständig zu erklären hat, wenn sie – etwa gestützt auf eine Gerichtsstandsvereinbarung – in einem anderen Vertragsstaat
früher anhängig gemacht worden ist und die Zuständigkeit
des zuerst angerufenen Gerichtes feststeht.79
Allerdings muss sorgfältig überprüft werden, welche Auswirkungen eine Gerichtsstandsvereinbarung auf das auf den
nachehelichen Unterhalt zur Anwendung gelangende Recht
haben wird: Das prioritär (also vor Rechtshängigkeit eines
schweizerischen Scheidungsverfahrens) aufgrund einer Gerichtsstandsvereinbarung nach Art. 17 LugÜ angerufene
ausländische Gericht wird nicht das auf die Ehescheidung
anzuwendende Recht gemäss Art. 8 HUntÜ anwenden, sondern wird diesfalls nach den Art. 4 bis 6 HUntÜ anknüpfen.
Primär untersteht damit der Unterhaltsanspruch dem Recht
des Staates, in dem der Unterhaltsberechtigte seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (Art. 4 HUntÜ), subsidiär ist das
gemeinsame Heimatrecht der Ehegatten anzuwenden (Art. 5
HUntÜ) und subsubsidiär gelangt die lex fori zur Anwendung.80 Es kann mithin sehr wohl sein, dass das nach Art. 4
bis 6 HUntÜ zu bestimmende Recht letztlich jenes ist, welches gemäss Art. 8 HUntÜ auf die Ehescheidung anzuwenden ist, womit in der Sache nichts gewonnen wird.
11.3 Rechtswahl
Im Bereich des in der Schweiz erga omnes angewendeten
HUntÜ besteht keine Rechtswahlmöglichkeit. Der nacheheliche Unterhalt des berechtigten Ehegatten folgt nach
Art. 8 HUntÜ dem auf die Scheidung angewandten Recht.
Art. 8 HUntÜ gilt in den Vertragsstaaten auch für alle künftigen Änderungen von Unterhaltsentscheiden; das Scheidungsstatut bleibt damit auf Jahre hinaus massgebend für
die Regelung und Anpassung des Unterhaltes zwischen den
geschiedenen Ehegatten.81 Gewährt das von Art. 8 HUntÜ
bestimmte Recht dem geschiedenen Ehegatten keinen Unterhaltsanspruch, bleibt es – unter Vorbehalt des ordre public
nach Art. 11 Abs. 1 HUntÜ – bei diesem Ergebnis. Gemäss
dem ausdrücklichen Wortlaut der Bestimmung gilt die für
solche Fälle vorgesehene Stufenanknüpfung gemäss Art. 4
bis 6 HUntÜ nicht für den nachehelichen Unterhalt.82
79
80
81
82
Andreas Bucher, Internationales Scheidungsrecht in der Praxis, in: Ingeborg Schwenzer/Andrea Büchler (Hrsg.), Vierte
Schweizer Familienrechtstage: 31. Januar/1. Februar 2008 in
Zürich, Bd. 10, Bern 2008, 48.
Haager Übereinkommen über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht vom 2.10.1973, SR 0.211.213.01. Vgl. im
Einzelnen BSK IPRG-Courvoisier (FN 15), Art. 49 N 10 ff.
Bucher (FN 79), 51.
BSK IPRG-Bopp (FN 14), Art. 63 N 14.
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Wegen dieser Koppelung von Unterhaltsrecht und Scheidungsstatut ist genau zu überlegen, ob die Scheidung nach
Art. 61 Abs. 1 IPRG dem schweizerischen oder nach Art. 61
Abs. 2 IPRG dem gemeinsamen ausländischen Heimatrecht
untersteht. Allenfalls kann es auch von Interesse sein, die
Scheidungsklage im Ausland einzureichen, wenn dort der
Unterhalt nach der Scheidung einem andern Recht untersteht.83
12.
Das Rechtsmissbrauchverbot als
Rettungsanker der Vorausvereinbarungen?
Setzt sich eine Partei, die irrtumsfrei und in voller Kenntnis
aller relevanten Umstände in einer «Scheidungsvereinbarung auf Vorrat» beispielsweise auf nachehelichen Unterhalt
und den Vorsorgeausgleich verzichtet hat, dem Vorwurf des
Rechtsmissbrauches aus, wenn sie sich später im konkreten
Scheidungsverfahren bei ihrem Verzicht nicht mehr behaften
lassen will?
Das Bundesgericht hat am 4. Februar 2008 (BGE 5A_
623/2007 E. 4.2) einer solchen Betrachtungsweise eine klare
Abfuhr erteilt: «Im Widerspruch zwischen der Zustimmung
zu einer Vereinbarung und der nachträglichen Geltendmachung ihrer Ungültigkeit unter Berufung auf zwingendes
Recht ist nur dann ein Rechtsmissbrauch zu erblicken, wenn
zusätzlich besondere Umstände gegeben sind. Solche Umstände können vorliegen, wenn diejenige Partei sich auf
zwingendes Recht beruft, welche die dagegen verstossende
Vereinbarung in eigenem Interesse und in Kenntnis ihrer
Unzulässigkeit selber vorgeschlagen und damit beim Rechtserwerb unredlich gehandelt hat. Besondere Umstände, welche die Berufung auf zwingendes Recht als missbräuchlich
erscheinen lassen, sind auch zu bejahen, wenn die von der
angerufenen Norm zu schützenden Interessen entfallen oder
sonst wie gewahrt wurden oder wenn die Partei mit der Geltendmachung der Nichtigkeit der Vereinbarung derart lange
zuwartet, dass der andern Partei dadurch verunmöglicht wurde, ihre eigenen Interessen zu wahren.»
Das Bundesgericht hat diese Grundsätze im Zusammenhang mit einem zum Voraus vereinbarten Verzicht auf den
Vorsorgeausgleich für anwendbar erklärt, weil nicht allein
der Schutz des Ehegatten, sondern auch das öffentliche Interesse an der Sicherstellung einer angemessenen Alters-, Invaliden- und Hinterlassenenvorsorge in Frage steht. Mutatis
mutandis gilt dies auch für den nachehelichen Unterhalt, wo
ein gänzlicher oder teilweiser Verzicht zu einer Fürsorgeabhängigkeit führen kann, die ebensowenig im öffentlichen
Interesse liegt. Auch wenn das Bundesgericht einen offenbaren Rechtsmissbrauch nicht völlig ausschliessen will, dürfte
83
Andreas Bucher (FN 79), 51.
10.3.2009 9:12:16 Uhr
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gestützt auf Art. 2 Abs. 2 ZGB die Rettung einer Vorauskonvention auf diesem Wege kaum je zu erreichen sein.
13.
Ausweichen auf eine dem Gericht
nicht vorgelegte Zusatzvereinbarung
als Ausweg?
Eine Zusatzvereinbarung (in der Praxis oft «Side Letter» genannt), die vor rechtskräftiger Scheidung abgeschlossen und
die dem Gericht zur Genehmigung vorgelegte Scheidungsvereinbarung abändert, ergänzt oder aufhebt, ist nur dann
verbindlich, wenn sie von den Parteien nach eingetretener
Rechtskraft neu bestätigt wird.84
Erfolgt keine nachträgliche Bestätigung, geht der Zusatzvereinbarung jegliche Wirksamkeit ab. Angesichts dieser
Unsicherheit handelt es sich auch hierbei um kein verlässliches Planungsinstrument.
14.
Sich gegenseitig bedingende ehe-,
erbvertragliche und scheidungsrechtliche Abmachungen als Lösung?
Arnaud Philippe85 schlägt vor, die «fragile» Scheidungsvereinbarung auf Vorrat in der Weise mit einer erbvertraglichen Begünstigung zu verbinden, dass letztere nur dann
gelten soll, wenn die Scheidung gestützt auf die beidseits bestätigte Vorauskonvention ausgesprochen wird. Oder es wird
eine ehevertraglich vereinbarte Gütertrennung mit einem
Schenkungsversprechen für den Fall der Auflösung der Ehe
durch Scheidung ergänzt, welches an die weitere Bedingung
geknüpft wird, dass die Vorauskonvention bestätigt wird.86
Bei solchen Konstruktionen ist allerdings der Entscheid
vom 4. Dezember 2003 (BGE 5C.114/2003) zu bedenken,
wo – wie erwähnt – das Vorliegen eines einheitlichen Vertragswerkes, das insgesamt der richterlichen Genehmigungspflicht unterliegt, nur deshalb verneint wurde, weil nicht ge-
84
85
86
BGE 127 III 357, insbesondere 361 lit. c; Walter Bühler/
Karl Spühler, in: Arthur Meier-Hayoz (Hrsg.), Berner Kommentar. Kommentar zum schweizerischen Privatrecht, Familienrecht/Die Ehescheidung. Art. 137–158 ZGB, Bern 1986,
Art. 158 aZGB N 166 ff.; Thomas Sutter/Dieter Freiburghaus, Kommentar zum neuen Scheidungsrecht, Zürich 1999,
Art. 140 ZGB N 9; wobei nach der hier vertretenen Meinung
der nachträgliche Verzicht nicht genehmigungsbedürftig ist
[was von Marcel Leuenberger/Ingeborg Schwenzer,
in: Ingeborg Schwenzer (Hrsg.), Familienrechts-Kommentar
Scheidung, 2. A., Bern 2005, Art. 140 N 8 postuliert wird].
Arnaud Philippe, Planification du divorce et conventions,
AJP/PJA 2007, 1241 ff.
Vgl. vorne Ziff. 8.1.4 sowie den Formulierungsvorschlag
Ziff. 17.
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sagt werden konnte, «die Verträge seien derart miteinander
verknüpft, dass einer von dem andern abhängig sei». Stehen
mithin verschiedene Verträge in einem Bedingungs- und
Abhängigkeitsverhältnis, dann riskieren die Parteien, dass
auch der Erbvertrag und/oder andere ehevertragliche oder
obligationenrechtliche Rechtsgeschäfte in die Angemessenheitsprüfung einbezogen werden, was sonst nicht der Fall
wäre. Diesen Zusammenhängen ist durch eine sorgfältige
Formulierung und gegebenenfalls durch eine Redaktion der
einzelnen Verträge in verschiedenen Dokumenten Rechnung
zu tragen.
15.
«Ehe light» – vertragliche Gestaltung
einer nichtehelichen Gemeinschaft
als Alternative?
Angesichts der erheblichen rechtlichen und ökonomischen
Risiken, die ein Paar – bereits mit der Eheschliessung an
sich, aber auch – mit dem Abschluss von Vorausvereinbarungen bezüglich der Scheidungsfolgen eingeht, mag die
Begründung oder Fortdauer einer nichtehelichen Gemeinschaft für jenen Partner, den die wirtschaftlichen Folgen einer Trennung oder Scheidung stärker belasten, auf den ersten
Blick als verlockend erscheinen. Die Nachteile gegenüber
der Ehe sind indessen evident; dies trifft etwa hinsichtlich
der Elternrechte, der hohen Steuerfolgen bei Schenkungen
und erbrechtlichen Zuwendungen an den Partner, aber auch
in sozialversicherungsrechtlicher Hinsicht zu. Zudem bietet
auch die Liquidation eines Konkubinates immer wieder juristische Knacknüsse und vermögensrechtliche Risiken, die
im Bewusstsein der Partner der nichtehelichen Gemeinschaft
nur in den wenigsten Fällen verankert sind.
Mit Blick auf die Begründung vertraglicher Vereinbarungen – z.B. die Verpflichtung zur Zahlung von Unterhaltsbeiträgen an den anderen Partner – ist auch hier das Verbot übermässiger Bindung nach Art. 27 ZGB zu beachten.
Im Schatten dieser Bestimmung stehen nicht nur etwa die
Verpflichtung zur Aufrechterhaltung oder Fortsetzung der
Beziehung, sondern auch jene zur Zahlung einer Entschädigung bei Auflösung der nichtehelichen Gemeinschaft, so
dass eine Verpflichtung zur Zahlung von Unterhaltsbeiträgen
ausserhalb einer Ehe höchstens nur sehr beschränkt vereinbart werden kann.87 Mangels gesetzlicher Grundlage für den
«vertraglichen» Unterhaltsanspruch gelten die Regeln des
Schenkungsversprechens; auch steuerlich werden entsprechende Leistungen als Schenkung qualifiziert.
Ob vor dem Hintergrund dieser Problematik die vertragliche Gestaltung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft der
Ehe vorzuziehen ist, wird von den betroffenen Paaren jeweils
einzeln und sorgfältig abzuwägen sein.
87
Vgl. zum Ganzen Hausheer/Geiser/Aebi-Müller (FN 64),
Rz 03.25, Rz 03.28 ff.
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16.
Ergebnis
16.1 Die Ausbeute der Untersuchung ist bescheiden: Abgesehen von ehevertraglichen Dispositionen, die – vorab im internationalen Verhältnis – möglicherweise mit Schiedsklauseln oder Zuständigkeitsvereinbarungen verstärkt werden
können, Einigungen über die güterrechtliche Auseinandersetzung ohne konkrete Scheidungsabsicht sowie erbvertraglichen Vereinbarungen bleibt wenig, was im Rahmen einer
Scheidungsvereinbarung auf Vorrat mit Bindungswirkung
zuverlässig vereinbart werden kann.
16.2 Ergeben sich daraus rechtspolitische Forderungen de
lege ferenda – etwa in dem Sinne, dass nicht nur Ehegatten, die vor einer Zweit- oder Drittehe stehen, sondern auch
solchen, die ihre erste Ehe eingehen, eine vermehrte scheidungsrechtliche Planungssicherheit eingeräumt werden soll?
Naturgemäss würde dies in der täglichen Beratungsarbeit
neue und faszinierende Facetten ermöglichen. Aber würde in
der Sache selbst etwas gewonnen? Hausheer/Steck haben
mit Blick auf die Rechtslage in Deutschland überzeugend
nachgewiesen, dass eine mehr oder weniger uneingeschränkt
zugelassene Privatautonomie (sich im Extremfall äussernd
im bekannten «Dreierpack», nämlich: Vereinbarung des
Güterstandes der Gütertrennung, beidseitiger Verzicht auf
Vorsorgeausgleich und beidseitiger Unterhaltsverzicht)88
zwangsläufig zu einer gerichtlichen Nachkontrolle führen
muss. Diese kann dazu führen, dass – je nach der im Scheidungszeitpunkt rückwirkend erfolgenden Beurteilung der
konkreten Umstände beim Abschluss des fraglichen Ehevertrages – die Wahl der Gütertrennung, der Ausschluss des
Versorgungsausgleiches und der Verzicht auf nachehelichen
Unterhalt – von allem Anfang schon sittenwidrig und damit rechtlich gar nie verbindlich geworden ist.89 Eine solche
nachträgliche umfassende Inhaltskontrolle trägt indessen
die Gefahr in sich, dass die Planungssicherheit dort, wo sie
heute noch besteht (nämlich insbesondere in ehe- und erbvertraglicher Hinsicht), dahinfällt. Mit Hausheer/Steck ist
deshalb davon auszugehen, dass das mit der Scheidung auf
gemeinsames Begehren verbundene Erfordernis der Bestätigung einer rechtsgeschäftlichen Scheidungsfolgenregelung
(zu welchem Zeitpunkt auch immer sie abgeschlossen wurde) und «die gerichtlich auf «offensichtliche Unbilligkeit»
hin gebändigte Privatautonomie» zwar nicht zur besten aller
denkbaren Scheidungsfolgenregelungen führen mögen; sie
verdient aber gegenüber einer (nur vordergründig!) erweiterten Privatautonomie, deren Kehrseite eine «vollumfassende» und «griffige» Gerichtskontrolle im Scheidungszeitpunkt darstellt, dennoch klar den Vorzug.90
16.3 Aufschlussreich ist ein Blick auf die Rechtslage in
England (und den meisten Teilstaaten der USA). Als Vor88
89
90
Schwenzer (FN 4), 5.
Hausheer/Steck (FN 1), 954.
Hausheer/Steck (FN 1), 958.
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aussetzungen, die eine Verbindlichkeit von «pre-nuptial
agreements» unterstützen können und daher zu beachten
sind, werden etwa genannt: «At present, full financial disclosure is required together with independent legal advice. The
pre-nup should be signed ideally at least 21 days before the
marriage. The most difficult test is that the terms of the prenup must be fair in the eyes of the judge at the time of the
divorce.» 91 Angesichts der darin zum Ausdruck kommenden
Unwägbarkeiten können wir uns über die ehevertraglichen
Planungsinstrumente, die uns hierzulande zur Verfügung stehen, nur freuen.
17.
Formulierungsvorschläge für
Scheidungskonventionen auf Vorrat
17.1 Die beste «Garantie» dafür, dass eine Scheidungsvereinbarung zum Voraus nach Jahr und Tag von beiden Ehegatten bestätigt wird, liegt nicht in der Anwendung möglichst
ausgeklügelter juristischer Formulierungskniffe, sondern
darin, dass die Vereinbarung mit Blick auf das spezielle Gepräge dieser Ehe die legitimen Interessen beider Ehegatten
wahrt. Wer demgegenüber gestützt auf eine ursprüngliche
Verhandlungsmacht ein für ihn «vorteilhaftes» Ergebnis
(etwa die voreheliche Vereinbarung der Gütertrennung, verbunden mit einem Erbverzicht o.ä.) durchsetzen kann, erzielt
oft nur einen Pyrrhussieg. Die solchen Vertragswerken immanente Ungerechtigkeit kann eine erhebliche Sprengkraft
entfalten und – wie in der Praxis mehrfach zu beobachten
ist – letztlich eine wesentliche (Mit-) Ursache für das Scheitern einer Ehe sein. Dass sich gewisse finanzielle Vorteile
sichern liessen, dürfte dann ein schwacher Trost für denjenigen sein, der den Ehepartner, «Haus und Herd» (und meist
auch noch die Kinder) verloren hat.
17.2 Da einer Vorauskonvention, die ohne konkreten Scheidungshorizont und damit in eine ungewisse Zukunft hinein
abgeschlossen worden ist, bekanntlich das Verbot übermässiger Bindung des Art. 27 Abs. 2 ZGB oder gar Art. 2 ZGB
entgegenstehen kann – zumal im Falle eines vollständigen
oder wesentlichen Verzichtes auf nachehelichen Unterhalt –
dürften am ehesten jene Konventionen auf Vorrat Chancen
haben, einer richterlichen Überprüfung stand zu halten, welchen besonders gute wirtschaftliche Verhältnisse zugrunde liegen.92 Mit anderen Worten ist der Einsatzbereich von
Scheidungsvereinbarungen auf Vorrat eher im Bereich ausgesprochen gehobener Verhältnisse anzusiedeln, etwa dort, wo
eine substantielle Kapitalabfindung für nachehelichen Unterhalt geleistet oder sonst für eine komfortable Eigenversorgungskapazität der berechtigten Partei gesorgt wird. Damit
kann zwar möglicherweise nicht mehr die bisherige – sehr
gehobene – Lebenshaltung fortgesetzt werden, aber es ist
91
92
Withers LLB, Family News, February 2008.
Vgl. dazu Hausheer/Steck (FN 1), 955 f.
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immer noch ein Standard gewährleistet, der unter dem Gesichtspunkt von Art. 140 ZGB unbenklich ist. In «normalen»
oder gar beengten Verhältnissen wird eine Abweichung von
den in Art. 125 ZGB normierten Grundsätzen demgegenüber
eher auf das Verdikt «offensichtlicher Unangemessenheit»
treffen als in luxuriöseren Verhältnissen.
17.3 Dass bei der Beratung auf die teilweise eingeschränkte
Bindungswirkung der nachstehenden Bestimmungen, bei
welchen es sich naturgemäss oftmals nicht um mehr als
rechtlich unverbindliche Absichtserklärungen handeln kann,
ausdrücklich (und im Interesse der Vermeidung späterer
Haftpflichtansprüche: schriftlich!) hinzuweisen ist, wurde
bereits mehrmals betont.
17.4 Formulierungsvorschläge
(Die nachstehenden Vorschläge dienen ausschliesslich Informationszwecken; sie enthalten keinerlei Rechtsauskünfte,
und die Autoren lehnen jede Haftbarkeit aus diesen ab.)
Öffentliche Beurkundung
Ehevertrag sowie Vereinbarung über die Folgen einer
allfälligen Trennung oder Scheidung
zwischen
Zustimmung erfolgt nach reiflicher Überlegung und frei von jeder
ungebührlichen Beeinflussung durch den anderen Ehegatten.
3. Die Parteien haben sich überdies je einzeln durch rechtskundige
Personen ihrer Wahl und ihres Vertrauens über Inhalt, Tragweite
und Verbindlichkeit dieser Vereinbarung aufklären lassen.
4. Die Parteien bestätigen, dass ihnen der vorliegende Vertragstext
in allen wesentlichen Teilen mindestens drei Wochen vor Unterzeichnung dieser Vereinbarung bzw. vor der Eheschliessung vorlag.
Kommentar: Diese Bestimmungen sind vor allem wichtig, wenn
nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Vertragswerk einem
Gericht des angelsächsischen Rechtskreises vorgelegt werden muss.
Unabhängig davon wird die Vereinbarung durch spätere Einwendungen einer Partei auch bei einem schweizerischen Gerichtsverfahren weniger gefährdet, wenn die massgebenden unterhalts- und
vermögensrechtlichen Bemessungsfaktoren offen gelegt (und allenfalls in einem Annex dokumentiert) werden und sich die Parteien je
unabhängig über Inhalt und Tragweite der Vereinbarung aufklären
liessen. Mit Blick auf die der Urkundsperson obliegenden Aufklärungspflicht ist stets eine öffentliche Beurkundung zu prüfen, auch
wenn dies wegen Fehlens ehe- und/oder erbvertraglicher Bestimmungen nicht notwendig sein sollte.
D. Verhältnis der heute eingegangenen Vereinbarung zu von
den Parteien früher abgeschlossenen Verträgen
(Sofern solche Vereinbarungen existieren, ist zu klären, in welchem
Verhältnis sie zur Vorauskonvention stehen.)
XX
und
YY
1. Teil: Absicht der Ehegatten und Feststellungen
A. Feststellungen
1. Die Ehegatten haben am ………… in ………… geheiratet.
2. Aus ihrer Ehe sind … Kinder hervorgegangen, nämlich
– ……, geb. …………,
– ……, geb. …………
3. Die Ehegatten leben im gemeinsamen Haushalt in
……………………
4. Die Ehegatten leben unter dem Güterstand der ………… Der
ausserordentliche Güterstand der Gütertrennung ist nicht eingetreten.
B. Absicht
In der Absicht und im Bestreben, unter allen Umständen allfällige
eheliche Konflikte einvernehmlich zu lösen, vereinbaren die Ehegatten bereits jetzt, was im Falle einer Trennung oder Scheidung
ihrer Ehe gelten soll.
Sie lassen sich dabei insbesondere von der Erkenntnis leiten,
dass negative Auswirkungen eines Scheiterns ihrer Ehe für die aus
ihrer Ehe hervorgegangenen Kinder dann am geringsten sind, wenn
sich die Eltern über sämtliche Nebenfolgen einer allfälligen Trennung oder Scheidung verständigen und ein strittiges gerichtliches
Verfahren vermieden werden kann.
C. Gegenseitige Information über die finanziellen Verhältnisse
1. Die Parteien schliessen diese Vereinbarung in Kenntnis der gegebenen finanziellen Bemessungsfaktoren, insbesondere in Kenntnis der beidseits vorhandenen Vermögen und Einkünfte sowie der
Lebenshaltungskosten der Familie.
2. Jede Partei hat diesen Vertrag eingehend studiert und ist sich
über den Inhalt und dessen Tragweite vollständig im Klaren. Die
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2. Teil: Ehevertragliche Vereinbarungen
Kommentar: Der Ehevertrag ist hier der Einfachheit halber in die
Vorauskonvention integriert worden. In jedem Fall ist aber unter
Berücksichtigung der Überlegungen unter Ziffer 14 zu entscheiden,
ob der Ehevertrag und die Vorauskonvention nicht in separaten Dokumenten stipuliert werden sollten.
A. Rechtswahl
1. Wir unterstellen unsere güterrechtlichen Verhältnisse im Sinne
von Art. 52 f. IPRG dem schweizerischen Recht. Diese Rechtswahl
bleibt gemäss Art. 53 Abs. 3 IPRG bestehen, wenn wir unseren
Wohnsitz ins Ausland verlegen.
2. Wir sind darauf aufmerksam gemacht worden, dass wir bei einer
Verlegung unseres Wohnsitzes ins Ausland selber abklären müssen,
ob die vorstehenden Rechtswahlerklärungen und die nachstehenden Vereinbarungen nach Massgabe unseres neuen Wohnsitzrechtes
gültig bleibt.
B. Gerichtstands- oder Schiedsgerichtsvereinbarung
(siehe vorne unter Ziff. 8.2.2)
Variante 1
C. Vereinbarung eines neuen Güterstandes
1. Wir heben den bisherigen Güterstand auf und begründen rückwirkend auf den Beginn unserer Ehe als unseren Güterstand die
Gütertrennung im Sinne von Art. 247 ff.
des schweizerischen Zivilgesetzbuches.
Die Gütertrennung bezieht sich auf das gesamte Vermögen beider
Ehegatten, einschliesslich des später durch Erbgang, Schenkung
usw. anfallenden Vermögens, sowie auf die Einkünfte aus Vermögen und den Erwerb aus Arbeit.
Innerhalb der gesetzlichen Schranken verwaltet und nutzt jeder
Ehepartner sein Vermögen und verfügt darüber. Jeder Gatte haftet
für seine eigenen Schulden.
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2. Art. 248 ZGB ist uns bekannt. Danach hat derjenige, der behauptet, ein bestimmter Vermögenswert sei sein Eigentum, dies zu
beweisen (beispielsweise mit auf seinen Namen lautenden Rechnungen, Quittungen, Bankbelegen o.ä.). Misslingt der Beweis, so
wird von Gesetzes wegen Miteigentum beider Gatten vermutet.
3. Ferner wissen wir, dass als Folge dieses Ehevertrages auf Gütertrennung die Gesetzesbestimmungen des ordentlichen Güterstandes der Errungenschaftsbeteiligung, beispielsweise über den Mehrwertanteil und die gegenseitige hälftige Vorschlagsbeteiligung, für
uns nicht anwendbar sein werden.
D. Durchführung der güterrechtlichen Auseinandersetzung
Kommentar: Diese ist vorzunehmen in den Fällen, da der Vertrag
nicht vor der Heirat abgeschlossen wurde oder wenn die Gütertrennung nicht auf den Zeitpunkt der Eheschliessung zurückwirkt.
E. Schenkungsversprechen des Ehemannes
1. Für den Fall, dass die Ehe der Parteien durch Scheidung oder
Ungültigerklärung aufgelöst wird, erhält die Ehefrau – vollständig
unabhängig von den Umständen, die zur Auflösung der Ehe geführt haben – für jedes volle Jahr, welches die Ehe gedauert hat,
einen Betrag von CHF …… .–, mindestens jedoch CHF …… .–,
maximal jedoch CHF …… .–, zahlbar innerhalb von zwei Arbeitstagen gegen den Nachweis des Eingangs der Bestätigung des anspruchsberechtigten Ehegatten gemäss Art. 111 Abs. 2 ZGB beim
Scheidungsgericht, jedenfalls aber vor Eintritt der Rechtskraft des
Scheidungsurteils.
Kommentar: Vgl. Ziffer 8.1.4 zu den zu beachtenden steuerlichen
Aspekten.
2. Die vorstehenden Beträge beruhen auf dem Index der Konsumentenpreise vom … von … Punkten (Basis …… = 100 Punkte)
und werden auf den Fälligkeitstermin hin an die Teuerung angepasst.
3. Die Zahlungspflicht des Ehemannes entfällt in denjenigen Kalenderjahren, in denen sein jährliches Nettoeinkommen aus Erwerbstätigkeit und Vermögensertrag gemäss der jeweiligen Steuererklärung den Betrag von CHF …… .– nicht erreicht hat. Dieser
Betrag unterliegt der Indexierung gemäss vorstehend Ziff. 2.
4. Die Zahlungspflicht des Ehemannes entfällt zudem ersatzlos,
wenn die Ehefrau die Vereinbarung im 3. Teil (mit Ausnahme «Kinderbelange» gemäss lit. B) vor Gericht und nach Ablauf der Bedenkfrist des Art. 111 Abs. 2 ZGB nicht bestätigt, sie anficht oder
andere Anträge bezüglich der Gestaltung der Nebenfolgen einer
allfälligen Trennung oder Scheidung stellt.
Kommentar: Vgl. zur Problematik eines Bedingungsverhältnisses
zwischen Vorauskonvention und zusätzlichen Leistungen die Bemerkungen vorne unter Ziffer 14.
Variante 2
C. Ehevertragliche Modifikation des ordentlichen
Güterstandes
Wir behalten den ordentlichen Güterstand der Errungenschaftsbeteiligung im Sinne der Art. 196 ff. ZGB bei, vereinbaren aber die
folgenden Modifikationen:
1. Sofern der Güterstand aus einem der in Art. 217 ZGB genannten
Gründe aufgelöst wird, behält jeder Ehegatte seinen eigenen Vorschlag. Eine Beteiligung des anderen Ehegatten findet ausdrücklich
nicht statt.
2. Sofern unsere Ehe durch den Tod eines Gatten aufgelöst wird,
fällt die Gesamtsumme der Vorschläge beider Ehegatten an den
überlebenden Ehegatten.
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3. Teil: Vereinbarung über die Gestaltung der Nebenfolgen
im Falle einer Trennung oder Scheidung in der Schweiz
A. Erfordernis der gerichtlichen Genehmigung dieser
Vereinbarung im Falle einer Trennung oder Scheidung
in der Schweiz
1. Die Ehegatten werden ihre Vereinbarung betr. Aufhebung des gemeinsamen Haushaltes dem zuständigen Eheschutzrichter zur Vormerknahme bzw. Genehmigung vorlegen. Sofern ein Ehegatte diese
Vereinbarung vor Gericht nicht bestätigt, ist der andere berechtigt,
eine gerichtliche Regelung der Modalitäten des Getrenntlebens entsprechend dieser Vereinbarung zu beantragen.
2.1 Die Eheleute wissen weiter, dass sie im Falle einer Scheidung
ihre Vereinbarung zunächst anlässlich des gerichtlichen Anhörungstermins und anschliessend ein weiteres Mal nach Ablauf der
zweimonatigen Bedenkfrist gemäss Art. 111 Abs. 2 ZGB bestätigen müssen. Die Ehegatten sichern sich verbindlich zu, die heute
abgeschlossene Vereinbarung, die sie aus freiem Willen getroffen
haben und an die sie sich gebunden erklären, in diesem Sinne zu
bestätigen.
2.2 Den Parteien ist weiter bekannt, dass ihre Vereinbarung der
richterlichen Genehmigung im Sinne von Art. 140 ZGB bedarf,
welche das Gericht dann ausspricht, wenn es sich davon überzeugt
hat, dass die Vereinbarung klar, vollständig und nicht offensichtlich
unangemessen ist.
Die Parteien sichern sich weiter zu, dass sie gemeinsam um gerichtliche Genehmigung ihrer Scheidungsvereinbarung im Sinne
von Art. 140 ZGB ersuchen werden, falls ein Scheidungsverfahren
gestützt auf ein gemeinsames Scheidungsbegehren anhängig gemacht wird.
2.3 Sofern ein Ehegatte entgegen dieser Abmachung die vorliegende Vereinbarung nicht bestätigt, ist der andere Ehegatte berechtigt, eine gerichtliche Regelung der scheidungsrechtlichen Nebenfolgen entsprechend dieser Vereinbarung zu beantragen.
Kommentar: Die Parteien sind unmissverständlich darauf hinzuweisen, dass es sich um eine unverbindliche Absichtserklärung
handelt. Eine Pflicht, die Vereinbarung zu bestätigen, kann nicht
wirksam vereinbart werden.
B. Kinderbelange
1. Elterliche Sorge
Die Eltern vereinbaren, dass sie das Sorgerecht über ihre gemeinsamen Kinder auch nach der Scheidung gemeinsam ausüben werden.
2. Wohnsitz der Kinder
Die Kinder werden bei der Mutter wohnen und dort ihren zivilrechtlichen Wohnsitz haben.
3. Betreuungszeiten
Über die Betreuungszeiten werden sich die Ehegatten dannzumal
auf einvernehmlicher Basis und unter Rücksichtnahme auf die Interessen und Bedürfnisse sämtlicher Familienmitglieder verständigen.
4. Kinderunterhalt
4.1 Der Vater verpflichtet sich, der Mutter an die Kosten des Unterhalts und der Erziehung je Kind, welches seinen Wohnsitz der
Mutter hat, mit Wirkung ab dem ersten Tage desjenigen Monats, in
welchem der gemeinsame Haushalt aufgehoben wird, bis zum dem
Zeitpunkt, in welchem jedes Kind eine Erstausbildung ordentlicherweise abgeschlossen hat, mithin auch über die Mündigkeit hinaus,
einen monatlichen, jeweils auf den Ersten eines jeden Monats zum
Voraus zahlbaren und gerichtsüblich indexierten Unterhaltsbeitrag
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(zuzüglich Kinderzulagen, sondern der Vater solche bezieht) zu bezahlen, der
– bei einem Kind 17 %;
– bei zwei Kindern 27 %, sowie
– bei drei Kindern insgesamt 35 %
des vom Ehemann dannzumals erzielten Nettoeinkommens beträgt,
maximal je Kind indessen CHF …… .– beträgt.
Kommentar: Diese Regelung, die sich an der «Berner Praxis»
orientiert und zugleich einen «Cap» vorsieht, dürfte mit Sicherheit
genehmigungsfähig sein.
4.2 Darüber hinaus übernimmt der Vater unter vollständiger Entlastung der Mutter sämtliche ausserordentlichen Auslagen für die Kinder (z.B. für Zahnkorrekturen, schulische Fördermassnahmen u.ä.)
wie auch sämtliche mit dem Besuch von Privatschulen verbundenen
Kosten, sofern er dazu vorgängig seine schriftliche Zustimmung erteilt hat. Wenn und solange ein Kind ein Internat besucht und unter
der Woche nicht mehr bei der Mutter lebt, reduziert sich der monatliche Unterhaltsbeitrag gemäss Ziffer 4.1 auf Fr. … .– für dieses Kind.
5. Information der Kinder
Die Eltern werden die Gestaltung der zukünftigen Eltern-/Kindbeziehung bei Aufhebung des gemeinsamen Haushaltes mit den Kindern besprechen.
6. Abweichende Regelung und Vereinbarung eines
Vermittlungsverfahrens
6.1 Das Recht eines jeden Ehegatten, aus unter dem Gesichtspunkt
des Kindeswohles beachtenswerten Gründen eine andere Gestaltung der Kinderbelange zu beantragen, bleibt von dieser Vereinbarung unberührt. Vorbehalten bleibt auch der Fall, dass ein Kind aus
beachtenswerten Gründen eine andere Lösung, die dem Kindeswohl entspricht, wünscht. Die Eltern wissen, dass die Gestaltung
der Kinderbelange der Untersuchungsmaxime unterliegt und das
Gericht im Interesse des Kindeswohls Anordnungen treffen kann,
die von der von ihnen getroffenen Vereinbarungen abweichen.
6.2. Die Eltern werden bei allfälligen Schwierigkeiten im Zusammenhang mit den Kinderbelangen im Interesse der Kinder möglichst rasch eine Lösung suchen, und dies gegebenenfalls unter Beizug einer gemeinsam zu bestimmenden Drittperson, die sich über
die erforderlichen Fachkenntnisse ausweist. Falls sie sich über die
beizuziehende Fachperson nicht verständigen können, wird diese
durch …… bestimmt.
C. Güterrechtliche Auseinandersetzung
1. Die Parteien unterstehen dem Güterstand der Gütertrennung
(vgl. den 2. Teil dieser Vereinbarung). Eine güterrechtliche Auseinandersetzung entfällt damit.
2. Den Hausrat und das Mobiliar werden die Parteien bei Aufhebung des gemeinsamen Haushaltes einvernehmlich aufteilen.
D. Scheidungsrechtlicher Vorsorgeausgleich
Die von den Ehegatten während der Ehe angesparten Vorsorgeguthaben sind (unter Berücksichtigung allfälliger Vorbezüge für
die Finanzierung selbstbewohnten Wohneigentums oder allfälliger
Einlagen, die nach dem Recht der Errungenschaftsbeteilung als Eigengut eines Ehegatten zu qualifizieren sind) auf den Zeitpunkt einer allfälligen Scheidung hin zu aktualisieren. Die so festgestellten
Austrittsleistungen sind gemäss Art. 122 ZGB zu teilen.
E. Nachehelicher Unterhalt
Variante 1: Vereinbarung bei einem kinderlosen Brautpaar
1. Sofern ein Ehegatte innerhalb von fünf (5) Jahren nach der
Heirat beim zuständigen Richter ein Begehren um Aufhebung des
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gemeinsamen Haushaltes (Trennung) im Sinne von Art. 175 ZGB
anhängig macht, verzichten die Parteien beidseitig auf (eheliche)
Unterhaltszahlungen im Sinne von Art. 176 Abs. 1 Ziff. 1 in Verbindung mit Art. 163 ZGB für die Dauer des Getrenntlebens.
2. Sofern ein Ehegatte innerhalb von sieben (7) Jahren nach der
Heirat beim zuständigen Richter ein Scheidungsbegehren im Sinne
von Art. 111 ff. ZGB anhängig macht, verzichten die Parteien
beidseitig auf (nacheheliche) Unterhaltszahlungen im Sinne von
Art. 125 ZGB.
3. Der beidseitige Verzicht auf ehelichen und nachehelichen Unterhalt gilt indessen nur, sofern
3.1 die Ehe der Parteien kinderlos geblieben ist, und
3.2 die auf Seiten des Ehemannes und der Ehefrau derzeit gegebene
vollumfängliche Erwerbsfähigkeit nicht aus schwerwiegenden gesundheitlichen Gründen in erheblichem Ausmasse beeinträchtigt ist.
4. Diese Vereinbarung gilt auch dann, wenn das Trennungs- oder
Scheidungsbegehren im Ausland anhängig gemacht wird.
Variante 2: Vereinbarung, bei der anstelle einer quantifizierten
Unterhaltsregelung eine Verständigung über die Aufgabenteilung
und die Lebensentwürfe, insbesondere auch über die Eigenversorgungskapazität, erfolgt
Angestrebt wird, dass sich die Partner Klarheit über ihre Lebensentwürfe und die daraus resultierende Aufgabenteilung zu verschaffen. Dies setzt in der Regel eine Auseinandersetzung und Einigung
über folgende Gesichtspunkte voraus:
1. Erwerbstätigkeit
– Welche beruflichen Ziele hat jeder Ehegatte?
– Ist noch einer der Partner in Ausbildung?
– Weiterbildung/Wiedereinstieg: Sind bereits Projekte vorhanden?
– Ist ein Wechsel zu selbstständiger Erwerbstätigkeit geplant?
– Ist aus anderen als Kinderbetreuungsgründen eine Reduktion
der Erwerbstätigkeit geplant? Wenn ja, und in welchem Umfang und für wie lange?
– Ist ein Wohnortswechsel/Auswanderung absehbar? Wer wird
deswegen die Berufstätigkeit zurückstecken/aufgeben?
2. Haushaltstätigkeit:
– Wer übernimmt Haushaltsarbeiten in welchem Umfang?
– Wird Erwerbstätigkeit wegen Haushaltsarbeit reduziert? Wenn
ja, in welchem Umfange und für wie lange?
3. Falls aus der Beziehung Kinder hervorgehen:
– Wer übernimmt die Betreuung in welchem Umfang? Wird deswegen Erwerbstätigkeit reduziert? Wenn ja, in welchem Umfange und für wie lange?
– Ist eine (Mit-)Betreuung durch Dritte (Au Pair, Nanny etc.) vorgesehen?
– Besuchen die Kinder Tagesschulen oder Internate?
– Falls ein gänzlicher oder partieller Ausstieg aus der Erwerbstätigkeit beabsichtigt ist: In welchem Alter der Kinder wird ein
Wiedereinstieg geplant?
4. Altersvorsorge
– Wie erfolgt die Altersvorsorge?
– Sind Erbanwartschaften vorhanden?
5. Vorgesehenes Sparverhalten
– Welche Auswirkungen ergeben sich daraus für den Lebensstandard?
6. Periodische Überprüfung und Bestätigung insbesondere der
Verständigung über Rollenverteilung vorsehen.
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Variante 3: Vereinbarung über eine konkrete Unterhaltsregelung
bei langer, lebensprägender Ehe:
1. Der Ehemann verpflichtet sich, der Ehefrau im Falle einer Scheidung gestützt auf Art. 125 ZGB (respektive gestützt auf Art. 163
ZGB in Verbindung mit Art. 176 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB im Falle einer
Aufhebung des gemeinsamen Haushaltes für die Dauer einer solchen Trennung) die folgenden, gerichtsüblich indexierten Unterhaltsbeiträge zu bezahlen:
1.1. Fr. ………… pro Jahr, zahlbar in 12 monatlichen, gleich hohen Teilbeträgen, jeweils auf den Ersten eines jeden Monates zum
Voraus, zahlbar ab dem ersten Tag desjenigen Monates, in dem der
eheliche Haushalt aufgehoben wird bis zum letzten Tag desjenigen
Monates, in welchem das jüngste gemeinsame Kind der Ehegatten
das ………… Altersjahr vollendet hat,
1.2. Danach Fr. ………… pro Jahr, zahlbar in 12 monatlichen,
gleich hohen Teilbeträgen, jeweils auf den Ersten eines jeden Monates zum Voraus, bis zum letzten Tag desjenigen Monates, in welchem die Ehefrau das ordentliche Pensionierungsalter erreicht hat.
2. Der Ehemann kann, falls er dies wünscht, nach einer Scheidung
zu jedem ihm richtig scheinenden Zeitpunkt in Tilgung sämtlicher
periodischer Unterhaltsansprüche gemäss den Ziffern 1.1 und 1.2
der Ehefrau eine einmalige Kapitalabfindung bezahlen. Deren Berechung erfolgt abschliessend anhand der Barwerttafeln von Stauffer/Schaetzle, Zürich 2001, Tafel 48 (Barwert einer Zeitrente),
Zinssatz 2.5 %/3.5 % und im Übrigen entsprechend der dannzumals
gegebenen Restlaufzeit der Unterhaltsbeiträge. Der so berechnete
Betrag wird pauschal um … % reduziert in teilweiser Kompensation
der steuerlichen Vorteile, die sich für die Ehefrau aus der Kapitalisierung der Unterhaltsbeiträge ergeben sowie mit Blick auf die auf
ihrer Seite gegebene statistische Wiederverheiratungswahrscheinlichkeit, resp. die Wahrscheinlichkeit, eine neue (aussereheliche)
Lebenspartnerschaft einzugehen.
Kommentar: Wird der Unterhalt in Kapitalform ausgerichtet, fällt
er in den meisten Kanton und im Bund unter die einkommensteuerfreien Leistungen; als Korrelat zur Steuerfreiheit kann die Kapitalleistung vom Pflichtigen nicht abgezogen werden. Dies gilt
indessen nur, wenn die Kapitalform (wenn auch nur als Eventualmöglichkeit) bereits in der Scheidungsvereinbarung vorgesehen ist
(Richner/Frei/Kaufmann/Meuter, Kommentar zum harmonisierten
Zürcher Steuergesetz, 2. A., Zürich 2006, § 31 N. 56).Es macht deshalb Sinn, den Parteien diese Option offenzuhalten.
3. Die von den Ehegatten vereinbarte Unterhaltsregelung beruht im
Sinne von Art. 143 ZGB auf folgenden Bemessungsfaktoren.
3.1. Der Unterhaltsbeitrag beruht auf dem heute gegebenen einem
unterhaltsrechtlich massgebenden jährlichen Nettoeinkommen des
Ehemannes von CHF …… .–.
Sofern sich im Zeitpunkt der Aufhebung des gemeinsamen Haushaltes die unterhaltsrechtlich massgebenden Einkünfte des Ehemannes um mindestens … % gegenüber dem dieser Vereinbarung
zugrunde liegenden Betrag von Fr. ……. reduziert haben sollten
(wofür er die Beweislast trägt), wird auf der Basis des dannzumaligen effektiven Einkommens des Ehemannes im Vorjahr der Unterhaltsbeitrag der Ehefrau nach folgender Formel berechnet:
Neuer Unterhalts=
beitrag
bisheriger Beitrag x Einkünfte im Vorjahr
CHF … (Referenzeinkommen im Zeitpunkt
des Abschlusses der Vorausvereinbarung)
Der Unterhaltsbeitrag beträgt jedoch maximal CHF ……… .–,
mindestens jedoch CHF ………… .– pro Monat (welche Beträge
an die Teuerung angepasst werden).
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3.2. Die Ehefrau erzielt derzeit keine Erwerbseinkünfte.
Die Parteien gehen davon aus, dass die Ehefrau spätestens nachdem
das jüngste Kind das ………… Lebensjahr vollendet hat, ein jährliches Nettoeinkommen von CHF ………… .– erzielen kann.
3.3 Auf dem auf ihrer Seite vorhandenen Vermögen lässt sich die
Ehefrau einen jährlichen Ertrag von .... % anrechnen, der bei der
Unterhaltsberechnung im Zeitpunkt der Trennung/Scheidung von
den Unterhaltsbeiträgen gemäss Ziffer 1.1. und 1.2. in Abzug zu
bringen ist.
3.4. Die Ehegatten gehen von folgendem gebührenden Unterhalt
der Ehefrau gemäss Art. 125 ZGB (ohne Lebenshaltungskosten der
Kinder, die aus den Kinderunterhaltsbeiträgen beglichen werden)
aus:
Wohnkosten
CHF
Ernährung zu Hause, Einladungen und Getränke
CHF
Mobilität
CHF
Kleider, Schuhe, Accessoires
CHF
Ferien
CHF
Freizeit, Kultur, Bücher, etc.
CHF
Coiffeur, Kosmetika
CHF
Drogerie, chem. Reinigung, Kleinanschaffungen
für Haushalt
CHF
Kommunikation
CHF
Gesundheit, Zahnarzt, Optik
CHF
Zwischentotal
CHF
Steuern (approximativ)
CHF
Total
CHF
3.5 Die Ehefrau verzichtet auf höhere Unterhaltsbeiträge auch
dann, wenn ihre Lebenshaltungskosten in der einer Trennung oder
Scheidung unmittelbar vorhergehenden Phase des gemeinsamen
Haushaltes höher als hier dargestellt gewesen sein sollten.
Variante 4: Vereinbarung, mit Tilgung sämtlicher Unterhaltsansprüche durch ein einmalige Kapitalzahlung
In vollständiger und abschliessender Tilgung sämtlicher Unterhaltsansprüche der Ehefrau gemäss Art. 163 und Art. 125 ZGB (insbesondere auch in Tilgung des Vorsorgeunterhaltes gemäss Art. 125
Abs. 1 ZGB) bezahlt der Ehemann der Ehefrau eine einmalige Kapitalabfindung von
– CHF …… wenn der gemeinsame Haushalt weniger als fünf
Jahre gedauert hat;
– CHF …… wenn der gemeinsame Haushalt weniger als zehn
Jahre gedauert hat;
– CHF …… wenn der gemeinsame Haushalt weniger als zwanzig
Jahre gedauert hat;
– CHF …… wenn der gemeinsame Haushalt nach Eintritt der
Ehefrau ins ordentliche Pensionierungsalter aufgehoben wird;
zahlbar innerhalb von dreissig Tagen nach Eintritt der Rechtskraft
des Scheidungsurteils.
Unterhaltszahlungen, die der Ehemann ab Aufhebung des gemeinsamen Haushaltes bis zum Eintritt der Rechtskraft des Scheidungsurteils erbringt, erfolgen à conto der oben vereinbarten Kapitalzahlung.
Die vorstehenden Kapitalzahlungen beruhen auf dem Index der
Konsumentenpreise vom …… von ……… Punkten (Basis ………
= 100 Punkte) und werden auf den Fälligkeitstermin hin an die Teuerung angepasst.
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F. Vereinbarungen im Hinblick auf das gerichtliche Verfahren
1. Der Ehemann übernimmt die Gerichtskosten eines allfälligen
Eheschutz- oder Scheidungsverfahrens, in welchem die Parteien
gemeinsam um Genehmigung dieser Vereinbarung ersuchen. Die
Ehegatten verzichten diesfalls beidseits auf Umtriebs- und Prozessentschädigung.
2. Die Ehegatten sind sich ausdrücklich einig darüber, dass die
getroffenen Vereinbarungen (mit Ausnahme von lit. B «Kinderbelange») eine Einheit darstellen und deshalb nur insgesamt bestätigt
oder verworfen werden können.
G. Schlussbestimmungen
1. Diese zum Voraus abgeschlossene Trennungs- und Scheidungsvereinbarung umfasst und regelt sämtliche gegenseitigen Ansprüche
bezüglich Unterhalt, Altersvorsorge und Güterrecht gemäss schweizerischem Recht, welchem eine allfällige Scheidung oder Trennung
unterstehen wird. Sie umfasst und regelt abschliessend auch sämtliche weiteren Ansprüche, die nach dem Recht anderer Länder, welches allenfalls zur Anwendung gelangen könnte, existieren.
2. Mit der Erfüllung dieser Scheidungsvereinbarung erklären sich
beide Ehegatten als per Saldo aller gegenseitigen Ansprüche aus
– Ehe-,
– Scheidungs-,
– Vermögens- und Güterrecht sowie
– Vorsorgerecht
auseinandergesetzt. Demzufolge behält jede Partei mit Aktiven und
Passiven zu Alleineigentum, was sie gegenwärtig besitzt bzw. was
auf ihren Namen lautet. Keine Partei hat nach Vollzug dieser Vereinbarung von der anderen noch etwas zu fordern.
3. Die Parteien beabsichtigen eine Mediation durchzuführen, falls
– Meinungsverschiedenheiten im Zusammenhang mit dieser Vereinbarung entstehen,
– die Notwendigkeit entsteht, diese Vereinbarung veränderten
Verhältnissen anzupassen,
und wenn sie sich darüber nicht einigen können.
Sofern sich die Parteien über den/die MediatorIn nicht einig sind,
wird diese(r) durch den Präsidenten des kantonalen Anwaltsverbandes, bei Verhinderung desselben durch den Präsidenten des
Obergerichtes des Kantons Zürich, bestimmt.
Ort / Datum:
(die Ehefrau)
AJP 03_2009.indb 322
(der Ehemann)
Dans l’activité de conseil quotidienne, on constate de plus en
plus le besoin de régler à l’avance par contrat les conséquences
économiques d’un éventuel divorce. Cet article tente – sous
forme d’indications de deux praticiens à des praticiennes – de
livrer des instructions concrètes pour agir et des propositions
pour formuler de telles «conventions de divorce en réserve»
en se basant sur la littérature récente et la doctrine dominante
tout en tenant compte des aspects correspondants du droit
international privé et de la procédure civile. Bien que le droit
suisse révèle d’importantes difficultés en matière de planification du divorce – d’une part, la confirmation par les deux
époux dans le cadre de l’art. 111 al. 2 CC et d’autre part, la ratification par le juge selon l’art. 140 CC – il est judicieux d'examiner les questions réglées préalablement par une approche
différenciée pour déterminer s’il s'agit d’effets accessoires du
divorce (soumis à l’exigence de confirmation et de ratification)
ou d’autres actes juridiques entraînant un lien contractuel
(sans exigence de ratification). Le résultat de cette recherche
montre qu’il n’y a que peu de marge pour des conventions de
divorce convenues préalablement avec effet obligatoire.
(trad. LT LAWTANK, Fribourg)
10.3.2009 9:12:18 Uhr
O f f e n l e g u n g v o n M a n a g e m e n t - Tr a n s a k t i o n e n i m e u r o p ä i s c h e n U m f e l d
AJP/PJA 3/2009
Offenlegung von Management-Transaktionen
im europäischen Umfeld
URS FELLER
Dr. iur., Rechtsanwalt,
Solicitor (England &
Wales), Zürich
Inhaltsübersicht
I.
II.
III.
IV.
Zur Verlegung des Aktienhandels von London nach Zürich
Weshalb Offenlegung von Management-Transaktionen?
Anwendbare Regeln
Inhalt der Regeln
A. Grundsätzliches
B. Betroffene Führungspersonen
C. Verbundene Personen
D. On Own Account
E. Transaktionen
F. Details zum Inhalt und zum Verfahren der Offenlegung
V. Durchsetzung der Regeln im Vereinigten Königreich
I.
Zur Verlegung des Aktienhandels
von London nach Zürich
Verschiedene SMI- bzw. SLI-Emittenten, deren Aktien an
der SWX Europe gehandelt werden, unterliegen auch den
europäischen Offenlegungsregeln. Nachdem für die meisten
Emittenten das Vereinigte Königreich der sogenannte Home
Member State ist, sind die Marktmissbrauchsrichtlinie
(«MAD») und deren Umsetzung im Vereinigten Königreich
massgebend. Nachstehend werden die aktuellen Regeln im
Vereinigten Königreich vor dem Hintergrund dargelegt, dass
die SIX den Handel in SMI- und SLI-Titeln Mitte 2009 von
London zurück nach Zürich verlegen wird.
1. Der kürzlich angekündigte Rückzug des Handels aus London erfolgt – so die Schweizer Börse – aus Kostengründen
und um sicherzustellen, dass die Emittenten nur noch die
Regeln der SIX und nicht mehr die Vorgaben von Grossbritannien bzw. der EU einzuhalten haben. Dies überrascht.
Zunächst ist zu erwähnen, dass die SIX ihre Regeln in den
AJP 03_2009.indb 323
323
letzten Jahren bereits weitgehend den europäischen Normen
angepasst hat. Dank der kontinuierlichen Anpassung an das
regulatorische Umfeld in Europa in der Vergangenheit erfüllen etliche schweizerische Emittenten heute die Anforderungen, um auf einem geregelten Markt europäischen Zuschnitts zu bestehen. Für einige Schweizer Emittenten wird
der Rückzug auch deshalb wenig verändern, weil sie nebst
der Kotierung an der SIX auch noch auf einer europäischen
Börse zugelassen sind und damit ohnehin unter die entsprechende europäische Regelung fallen.
2. Unbestrittenermassen bestehen aber dennoch gewisse Unterschiede, der wohl grösste besteht im Zusammenhang mit
der Offenlegung von Management-Transaktionen1. Die europäischen Regeln sind in diesem Bereich umfassender als
die schweizerischen. Die weniger strenge Regelung in der
Schweiz erscheint aus Sicht der SIX als Hauptvorteil für die
Emittenten; darauf ist näher einzugehen.
3. Im Folgenden werden vorerst einige Überlegungen zu den
potentiellen Nachteilen für den Finanzplatz Schweiz bzw. die
Emittenten erläutert. Anschliessend wird dargelegt, weshalb
die Offenlegung von Management-Transaktionen als wichtiges Element eines reifen Kapitalmarkts erachtet wird und
schliesslich, inwiefern die Regeln im Vereinigten Königreich
über die Bestimmungen in der Schweiz hinausgehen.
4. Für den einzelnen Emittenten können sich die potentiellen
Nachteile ganz unterschiedlich präsentieren. Was für den einen wünschenswert ist, ist für einen anderen unwesentlich
oder gar eine Last. Ohne einen spezifischen Fokus einzunehmen, ergeben sich zumindest folgende Überlegungen mit
mehr oder weniger Allgemeingültigkeit.
5. Aus der Sicht des schweizerischen Finanzplatzes ist es
schwierig zu begründen, weshalb betreffend Transparenz
und Offenlegung im gesamten europäischen Umfeld strengere Regeln gelten sollen als in der Schweiz. Es erscheint
merkwürdig, dass in der Schweiz für die Blue Chips geringere Standards als beispielsweise in den neuen EU-Ländern
wie Rumänien oder Bulgarien als genügend erachtet werden.
Verschiedene Ereignisse in der Vergangenheit lassen annehmen, dass eine Verminderung der Transparenz oder ein Zurückstehen hinter diesbezüglichen Entwicklungen sich für
1
Zu weiteren Unterschieden zwischen der schweizerischen Regelung und der Praxis im Vereinigten Königreich siehe Urs
Feller, Relevanz der EU-Finanzmarktrichtlinien für Schweizer Unternehmen, deren Aktien an der SWX Europe gehandelt
werden, in: Jusletter 19. Mai 2008; Stefan R. Sulzer, Insiderverzeichnisse, in: Thomas U. Reutter/Thomas Werlen (Hrsg.),
Kapitalmarkttransaktionen III, Zürich 2008, 153 ff.
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Urs Feller
AJP/PJA 3/2009
324
einen Finanzplatz kaum als vorteilhaft erweisen2. Transparenz im Bereich von Management-Transaktionen ist deshalb
genügend Aufmerksamkeit zu schenken.
6. Aus Sicht der einzelnen Emittenten ist zu erwähnen, dass
offen ist, ob die schweizerischen Emittenten ohne weiteres
auf die Vorteile der Zulassung auf einem geregelten Markt
der EU verzichten möchten. So erlaubt ein von der FSA
(oder einer anderen europäischen Aufsichtsbehörde) genehmigter Prospekt den Vertrieb von Aktien in ganz Europa.
Zweitens bestehen Anzeichen dafür, dass wichtige Investoren wie beispielsweise ausländische Pensionskassen in ihren
Investments in Aktien, die nicht auf einem geregelten Markt
der EU zugelassen sind, beschränkt sind. Drittens ist nicht
auszuschliessen, dass sich aufgrund geringerer Liquidität die
Kapitalkosten für die Emittenten verteuern. Viertens gilt die
Zulassung zu einem geregelten Markt der EU als Gütesiegel
betreffend die Einhaltung von anerkannten Standards guter
Unternehmensführung in Europa. Insbesondere diejenigen
Emittenten, deren Aktien heute auf einem geregelten Markt
der EU gehandelt werden und die eine gewisse Erfahrung im
Umgang mit den europäischen Normen gesammelt haben,
werden prüfen wollen, ob mit dem Rückzug der SIX aus der
europäischen Plattform ihren langfristigen Interessen gedient ist.
7. Je nach Konstellation für den einzelnen Emittenten ist offen, ob die Vorteile oder die Nachteile des Rückzugs überwiegen. Anderseits sichert sich die SIX mit der Konzentration in
der Schweiz ein grösseres Mass an operativer Freiheit.
II.
Weshalb Offenlegung von
Management-Transaktionen?
1. Was sind die Gründe, welche die EU bewegt haben, ein
vergleichsweise strenges Offenlegungsregime zu implementieren? Mit dem Erlass der Marktmissbrauchsrichtlinie3 («MAD») soll nach Auffassung der Mitgliedstaaten
der Marktmissbrauch verhindert und parallel dazu der Insiderhandel auf allen regulierten Märkten der EU so weit wie
möglich unterbunden werden. Die früher vorhandenen gesetzlichen Regeln der einzelnen Mitgliedstaaten zur Gewährleistung der Marktintegrität erschienen als verzettelt, basierten auf unterschiedlichen Definitionen und Konzepten und
boten nur ungenügenden Schutz4. Die Gewährleistung der
Integrität der Finanzmärkte einerseits und die Verbesserung
2
3
4
Christoph B. Bühler unter Mitarbeit von Conradin Cramer,
Gesellschaftsrechtliche Governance, Offenlegung von Management-Transaktionen: Neue Leitplanken und Bodenwellen auf
der Corporate-Governance-Schnellstrasse, in: Ernst A. Kramer/
Peter Nobel/Robert Waldburger (Hrsg.), Festschrift für Peter
Böckli zum 70. Geburtstag, Zürich 2006, 497 ff., 517 f.
2003/6/EC.
2003/6/EC, Einleitung, para. 11.
AJP 03_2009.indb 324
des Vertrauens der Investoren in diese Märkte sind die primären Ziele, denen die MAD dienen soll5. Dies wird erreicht
durch die umgehende Offenlegung von «inside information»
(Art. 6 Ziff. 1 MAD), die Führung von Insiderlisten (Art. 6
Ziff. 3 MAD) und die Offenlegung von Management-Transaktionen (Art. 6 Ziff. 4 MAD). Gemäss Ziffer 7 der Einleitung der MAD implementierenden Richtlinie6 besteht der
Zweck der Offenlegung von Management-Transaktionen in
der Überzeugung, dass diese Information für Marktteilnehmer wertvoll ist und es zusätzlich der Aufsichtsbehörde erlaubt, den Finanzmarkt besser zu überwachen.
2. Das erste Argument für die Offenlegung basiert auf der
Theorie des effizienten Marktes, wonach unternehmensrelevante Informationen möglichst frei und allen in gleicher
Weise zugänglich sein sollen. Ökonomische Studien zeigen,
dass Führungspersonen mit ihren Transaktionen in Aktien
des Emittenten wiederholt höhere Renditen erwirtschaften
konnten, als dies die Markttheorie erlauben würde7. Anders
gesagt verfügen Führungspersonen (wenig überraschend)
über Wissen, das ihnen erlaubt, grössere Gewinne zu erwirtschaften als Marktteilnehmer ohne dieses zusätzliche Wissen. Die Offenlegung dieser Transaktionen bezweckt also,
dass die übrigen Marktteilnehmer möglichst über gleiche
Voraussetzungen verfügen und zumindest indirekt am Wissen der Führungspersonen teilhaben können.
3. Zur Gewährleistung grösstmöglicher Effizienz eines
Markts ist somit u.a. die Offenlegung von ManagementTransaktionen erforderlich. Wenn sich bei Investoren der
Eindruck bestätigt, dass andere Marktteilnehmer regelmässig über mehr Informationen verfügen bzw. der Zugang zu
diesen Informationen nicht in gleicher Weise offen steht (Informationsasymmetrien), bleiben sie am Ende dem Markt
fern8. Damit aber werden die Kosten für die Aufnahme von
Kapital verteuert. Die Märkte gelten deshalb dort als besonders effizient und liquide, wo strenge Offenlegungs- und Insidernormen durchgesetzt werden9.
5
6
7
8
9
2003/6/EC, Einleitung, para. 12.
2004/72/EC.
Nejat Seyhun (Chair of Finance und Professor der University
of Michigan Business School) kommt in seiner breiten Untersuchung unter anderem zum Schluss, dass (i) Aktienkurse nach
Käufen durch das Management zum Steigen tendieren und den
Markt um 4.5 % übertreffen, (ii) Käufe durch das Management
in den meisten Jahren profitabel sind, (iii) Management-Transaktionen typischerweise nicht auf die Veröffentlichung von
ad-hoc-Meldungen ausgerichtet sind, sondern auf die Langzeiterwartungen des Managements, und (iv) die Signale von
Management-Transaktionen besonders stark sind, wenn das
Management in den letzten 12 Monaten keine gegenteiligen
Transaktionen getätigt hat (H. Nejat Seyhun, Investment Intelligence from Insider Trading, MIT Press, 1998, 63 ff.)
Jonathan Marsh/Brian McDonnell, A Practitioner’s Guide
to Inside Information: Managing the legal and regulatory risks,
Surrey 2006, 2.
Marsh/Mc Donnell (FN 8), 2.
10.3.2009 9:12:19 Uhr
O f f e n l e g u n g v o n M a n a g e m e n t - Tr a n s a k t i o n e n i m e u r o p ä i s c h e n U m f e l d
AJP/PJA 3/2009
325
4. Als zweites Argument wird ausgeführt, dass die Arbeit der
Aufsichtsbehörde vereinfacht werden soll10. Setzt ein Emittent beispielsweise eine Ad-hoc-Meldung ab, die zu einer
erheblichen Preisänderung der Wertpapiere führt, dann erleichtert es die Durchsetzung des Verbots des Insiderhandels
massgeblich, wenn Insider ihre Transaktionen bereits offengelegt haben. Mit der geltenden Regelung kann ein Computerprogramm die Überprüfung vornehmen, ob und von wem
im Zeitraum vor einer Ad-hoc-Meldung Transaktionen vorgenommen wurden.
5. Zusätzlich zu den vorerwähnten Punkten ist der Aspekt
der Reputation zu erwähnen. Das Ausnützen von Insiderwissen zum persönlichen Vorteil von Führungspersonen kann
zu schwerwiegenden Reputationsschäden sowohl der betreffenden Führungsperson als auch des Emittenten führen. Die
Bemühungen des schweizerischen Gesetzgebers in diesem
Zusammenhang zeigen sich unter anderem in der Revision
der Insiderstrafnorm (Art. 161 StGB). Die Insiderstrafnorm
stellt das Ausnützen vertraulicher kursrelevanter Informationen unter Strafe. Bis anhin war der Begriff der vertraulichen
kursrelevanten Tatsache auf eine bevorstehende Emission
neuer Beteiligungsrechte, auf eine Unternehmensverbindung
oder auf ähnliche Sachverhalte von vergleichbarer Tragweite beschränkt. Mit der ersatzlosen Streichung der Ziffer 3
des Artikels 161 StGB wird diese Einschränkung aufgehoben. Damit wird das Verbot des Ausnützens vertraulicher
Tatsachen auf praktisch alle kursrelevanten Tatsachen (einschliesslich Gewinnwarnungen) ausgedehnt. Die revidierte
Vorschrift wurde per 1. Oktober 2008 in Kraft gesetzt11.
III.
Anwendbare Regeln
1. Für schweizerische Emittenten, deren Aktien an der SWX
Europe Ltd. (früher virt-x, nachfolgend «SWX Europe»)
gehandelt werden, sind die europäischen Offenlegungsregeln dann von Bedeutung, wenn diese Emittenten von der
Ausnahmebestimmung gemäss Art. 9 Abs. 3 der MAD keinen Gebrauch machen können12. Alle am 1. Juli 2005 an der
SWX kotierten und bereits zum Handel auf der SWX Europe
zugelassenen Beteiligungsrechte wurden dem sog. EU-kompatiblen Segment der SWX zugewiesen, sofern der Emittent
10
11
12
2004/72/EC, Einleitung, para. 7. Auch der SIX scheint dies ein
Anliegen zu sein, wird doch am Monatsende pro meldepflichtige Person eine Meldung für diejenigen Transaktionen erwartet,
die unterhalb des Schwellenwerts von CHF 100 000 getätigt
wurden. Die entsprechenden Transaktionen, die den Schwellenwert von CHF 100 000 pro Kalendermonat nicht überschreiten, werden allerdings nicht veröffentlicht; siehe http://www.
six-swiss-exchange.com/admission/being_public/management_transactions_de.html.
AS 2008, 4501 f.
Vgl. im Detail: Feller (FN 1) Rz. 1 ff. und Sulzer (FN 1),
165 f.
AJP 03_2009.indb 325
nicht eine besondere Erklärung abgab, ins UK Exchange Regulated Market Segment wechseln zu wollen13. Die Mehrheit
der Emittenten gab keine solche Erklärung ab und wurde daraufhin dem EU-kompatiblen Segment zugeteilt14. Nach bereits früher dargelegter Auffassung dürfte eine nicht geringe
Anzahl von Emittenten des EU-kompatiblen Segments den
Normen des europäischen Offenlegungsrechts unterstehen15
und weil für die meisten Emittenten das Vereinigte Königreich der sog. «Home Member State» ist16, werden nachstehend die diesbezüglichen Pflichten der Emittenten und ihrer
Führungskräfte unter den anwendbaren Normen des Vereinigten Königreichs näher dargestellt.
2. Die Umsetzung der MAD-Bestimmungen im Vereinigten
Königreich erfolgte vorab in den Disclosure and Transparency Rules («DTR») der Financial Services Authority
(«FSA») gestützt auf die Ermächtigung in Section 96A und
96B der Financial Services and Markets Act («FSMA»).
Das dritte Kapitel der DTR, zugleich das kürzeste, befasst
sich ausschliesslich mit der Offenlegung von ManagementTransaktionen und implementiert Art. 6 Abs. 4 der MAD17.
3. Vorab ist auf eine Besonderheit hinzuweisen: Art. 9 Abs. 3
der MAD gewährt unter bestimmten Voraussetzungen eine
Ausnahme von den an die Emittenten gerichteten Verpflichtungen wie die Offenlegung von «inside information» und
das Führen von Insiderlisten. Die Ausnahmeklausel verweist
in ihrem Wortlaut allerdings nur auf Artikel 6 Abs. 1 – Abs. 3
der MAD, Art. 6 Abs. 4 der MAD wird nicht erwähnt. Dies
wirft die Frage auf, ob die Verpflichtungen gemäss Art. 6
Abs. 4 MAD (also die Offenlegung der Management-Transaktionen) nicht ohnehin anwendbar sind, unabhängig davon,
ob ein Emittent für sich die Ausnahmebestimmung von Art. 9
Abs. 3 MAD in Anspruch nehmen kann.
4. Eine Analyse der einschlägigen Umsetzungsbestimmungen lässt aber den Schluss zu, dass auch die Offenlegung der
Management-Transaktionen von der Ausnahmebestimmung
erfasst wird. Die Anwendbarkeit des Kapitels 3 der DTR umfasst ausländische Unternehmen, für die das Vereinigte Königreich der Home Member State unter den Bestimmungen
der EU Prospektrichtlinie ist18. Der FSA Glossar definiert
einen «issuer» für die Zwecke von Kapitel 1–3 der DTR allerdings als einen Emittenten, dessen Aktien zum Handel
auf einem geregelten Markt zugelassen sind oder der eine
entsprechende Zulassung beantragt hat und schliesst damit
Emittenten aus, welche dem Handel ihrer Aktien auf einem
13
14
15
16
17
18
Art. 38 des Zusatzreglements für die Kotierung im EU-kompatiblen Segment der SWX.
Siehe http://www.swx.com/admission/listing/equity_market/
eu_compatible/issuer_list_de.html.
Feller (FN 1), Rz. 19 ff.
Art. 23 und Art. 30 Ziff. 2 des Zusatzreglements für die Kotierung im EU-kompatiblen Segment der SWX.
Siehe http://fsahandbook.info/FSA/html/handbook/DTR/3/1.
Siehe DTR 1.1.1(4) und dazu List! 11, Sept. 2005, 10.
10.3.2009 9:12:19 Uhr
Urs Feller
AJP/PJA 3/2009
326
geregelten Markt weder verlangt noch ihm zugestimmt haben19. Diese analoge Formulierung, die möglicherweise Art. 9
Abs. 3 MAD entlehnt ist, ermöglicht den Emittenten auch die
Management-Transaktionen analog zu den Verpflichtungen
im Zusammenhang mit der Ad-hoc-Publizität bzw. der Führung von Insiderlisten zu behandeln. Es macht durchaus Sinn,
dass Emittenten, welche keine Pflicht trifft, «inside information» gemäss den Regeln der DTR offenzulegen, auch von
der Mitteilungspflicht von Management-Transaktionen ausgenommen sind. Solange sich Emittenten auf die Ausnahmebestimmung von Art. 9 Abs. 3 MAD berufen können, weil sie
den Handel ihrer Aktien auf einem geregelten Markt weder
verlangt noch ihm zugestimmt haben, spricht nichts dagegen,
gestützt auf die Definition von «issuer» im Glossary dieselbe
Ausnahme mit Bezug auf die Offenlegung von ManagementTransaktionen in Anspruch zu nehmen20.
5. Durch DTR 3.1.8 wird der Anwendungsbereich des Kapitels 3 auf Emittenten ausgeweitet, für welche das Vereinigte
Königreich nicht der Home Member State ist21. Entsprechend
gilt die Offenlegungspflicht von Management-Transaktionen
im Vereinigten Königreich beispielsweise auch für die UBS
AG, obwohl die UBS AG Deutschland als Home Member
State gewählt hat.
IV.
Inhalt der Regeln
A.
Grundsätzliches
1. DTR 3.1.3 verlangt, dass Führungskräfte und mit ihnen
verbundene Personen alle Transaktionen in Aktien des Emittenten oder in Finanzinstrumenten, die die Aktien betreffen,
innert vier Geschäftstagen dem Emittenten gegenüber zu
melden haben. DTR 3.1.4 wiederum verlangt vom Emittenten diese Meldungen umgehend (spätestens aber am folgenden Geschäftstag nach Eintreffen der Meldung) via ein
Regulatory Information Service22 («RIS») der Öffentlichkeit
zur Verfügung zu stellen. Nachfolgend werden die Einzelheiten dieser Regelung, insbesondere die angesprochenen
Personen, der Handel «on own account», die Art der Transaktionen und das Verfahren der Offenlegung dargelegt.
19
20
21
22
http://fsahandbook.info/FSA/glossary-html/handbook/Glossary/I?definition=G627; das gleiche ergibt sich auch aus der Definition des PDMR im FSA Glossar. Die DTR Definition basiert
auf der Ermächtigung in FSMA 96A(1)(c).
Allerdings dürften nach hier vertretener Auffassung nur wenige
Emittenten, deren Aktien im EU-kompatiblen Segment gehandelt werden, nach wie vor unter die Ausnahmebestimmung von
Art. 9 Abs. 3 MAD fallen; vgl. vorne III.1.
List! 11 Sept. 2005, 10 f.
Derzeit gibt es acht verschiedene Provider, welche über die
Zulassung der FSA verfügen, «regulatory information» zu verbreiten, vgl. http://www.fsa.gov.uk/pages/Doing/UKLA/RIS/
Contact/index.shtml.
AJP 03_2009.indb 326
B.
Betroffene Führungspersonen
1. Zur Umschreibung der betroffenen Führungspersonen
verwenden sowohl die MAD als auch die DTR den Begriff
der «Persons Discharging Managerial Responsibilities»
(«PDMR»). Art. 96B FSMA definiert PDMR a) als Verwaltungsräte eines Emittenten und b) als jene hochrangigen
Manager («senior executives»), die regelmässig Zugang zu
«inside information» haben, die den Emittenten betrifft23 und
die befugt sind, Managemententscheidungen zu treffen, die
die zukünftige Entwicklung und die Geschäftsaussichten des
Emittenten beeinflussen24.
2. Mit dieser umständlichen Definition soll sichergestellt
werden, dass nur solche Topmanager unter die Offenlegungspflicht fallen, deren Transaktionen für andere Investoren einen Informationswert haben. Es wird allerdings davon
ausgegangen, dass (neben den Verwaltungsräten) zumindest
diejenigen Führungskräfte, die in einem Executive Committee tätig sind, davon erfasst werden25. Wer nur Informationen aufbereitet und analysiert fällt nicht unter den Begriff
des PDMR, wenn er nicht selber an der Entscheidfindung
des Emittenten beteiligt ist26. Entsprechend dürfte der Legal
Counsel nur selten ein PDMR sein27. Ferner können auch
Manager, die nicht Angestellte des Emittenten sondern einer
anderen Gruppengesellschaft sind, als PDMR qualifizieren,
sofern die anderen Voraussetzungen erfüllt sind28. Es obliegt
dem Emittenten und den entsprechenden Führungskräften zu
bestimmen, welche Führungspersonen im Unternehmen die
Kriterien erfüllen und als PDMR qualifizieren. Es gibt auch
keine Maximalzahl an PDMR, sondern die Anzahl PDMR
bestimmt sich je nach Unternehmen unterschiedlich29.
Selbstverständlich ist, dass jeder PDMR auf den einschlägigen Insiderlisten erscheint30.
C.
Verbundene Personen
1. Die Offenlegungspflicht betrifft nicht nur PDMR, sondern
auch mit ihnen verbundene Personen (sog. «connected persons»).
23
24
25
26
27
28
29
30
Mit dieser Einschränkung werden Manager von Investmentabteilungen der Banken von der Definition ausgenommen, die
durch ihre Arbeit regelmässig Zugang zu «inside information»
haben, die aber in der Regel andere Emittenten betreffen und
nicht die Bank, für die sie arbeiten.
Die entsprechende Definition findet sich auch im Glossary der
FSA unter dem Stichwort «person discharging managerial responsibilities»: http://fsahandbook.info/FSA/glossary-html/handbook/Glossary/P?definition=G1689.
Market Watch, Issue 12, June 2005, 8.
List! 16, July 2007, 15.
List! 16, July 2007, 15.
Market Watch, Issue 12, June 2005, 9.
List! 16, July 2007, 16.
Marsh/McDonnell (FN 8), 93. Betreffend die Führung von
Insiderlisten wird auf die umfassende Darstellung von Stefan
R. Sulzer (FN 1), 153 ff. verwiesen.
10.3.2009 9:12:19 Uhr
O f f e n l e g u n g v o n M a n a g e m e n t - Tr a n s a k t i o n e n i m e u r o p ä i s c h e n U m f e l d
AJP/PJA 3/2009
327
2. Art. 96B (2) FSMA bezeichnet hiefür drei Gruppen von
Personen:
2.1. Zunächst wird auf die Definition in sec. 346 des
Companies Act 1985 verwiesen, wonach folgende Personen
als mit dem PDMR verbunden erachtet werden: der Ehepartner31, Kinder32 und Stiefkinder unter 18 Jahren33, Gesellschaften, bei denen PDMR oder dessen Ehepartner, Kind
oder Stiefkind 20 % des Aktienkapitals beherrschen34, und
Trustees von Trusts, in welchen PDMR oder dessen Ehepartner, Kind oder Stiefkind Begünstigte oder potentiell Begünstigte sind35.
2.2. Zweitens fallen unter die Gruppe der verbundenen
Personen auch Verwandte von PDMR, die zum Zeitpunkt der
Transaktion seit mindestens 12 Monaten mit dem PDMR im
gleichen Haushalt wohnen36.
2.3. Schliesslich werden auch Gesellschaften vom Begriff
der verbundenen Person erfasst, in welchen ein PDMR oder
eine mit dem PDMR verbundene Person (gemäss den vorstehenden ersten beiden Personengruppen), Verwaltungsrat ist
oder eine Managementposition innehat, die es ihm erlaubt,
Managemententscheidungen zu treffen, welche die zukünftige Entwicklung und die Geschäftsaussichten der Gesellschaft beeinflussen37.
3. Nachdem die Offenlegungspflicht auch eine persönliche
Pflicht der verbundenen Personen (mit entsprechenden
Sanktionsmöglichkeiten) ist, erscheint eine Information der
betreffenden Personen über ihre Pflichten als dringend angezeigt. Diese Information kann durch den PDMR oder den
Emittenten vorgenommen werden.
31
32
33
34
35
36
37
Einschliesslich des Partners gemäss dem Civil Partnership Act
2004. Nicht geklärt ist, wie eingetragene Partner aus anderen
Jurisdiktionen behandelt würden. Meines Erachtens sprechen
gute Gründe für die Annahme, dass beispielsweise eine eingetragene Partnerschaft nach Schweizer Recht unter den Anwendungsbereich von DTR 3 fällt.
Das britische Parlament hat auch illegitime Kinder ausdrücklich
eingeschlossen, Companies Act 1985 section 346 para. 3(a).
Diskutiert wurde, ob die erweiterte Definition von «connected
person» aus dem neuen Companies Act 2006, welche auch Kinder über 18 Jahre und Eltern, Geschwister, etc. umfasst, auch
für DTR 3 gelte. Die Definition der FSA verwies 2007 kurzfristig auf den neuen Companies Act 2006, wechselte dann aber
wieder zurück zur engeren Definition gemäss Companies Act
1985. Siehe auch FSMA section 96B. Entsprechend zu verstehen sind die Ausführungen von Stephen Mathews betreffend
dem Companies Act 2006 in Stephen Mathews, Continuing
Obligations, in: Maurice Button (ed.), A Practitioner’s Guide to
The Financial Services Authority Listing Regime 2008/2009,
London 2008, 196.
Für die zahlreichen Details siehe Companies Act 1985 section
346.
Ob und inwieweit diese Regeln im Zusammenhang mit den Anwartschaften von PDMR gegenüber Stiftungen der beruflichen
Vorsorge beachtlich sein können, wird in D.2. dargelegt.
Art. 96B (2) FSMA.
Art. 96B (2) FSMA.
AJP 03_2009.indb 327
D.
On Own Account
1. Der Meldepflicht unterliegen lediglich Transaktionen, die
«on own account» gemacht werden. Gemäss der Auffassung
der FSA erfolgt eine Transaktion «on own account», wenn sie
das Ergebnis einer Handlung des PDMR ist (z.B. in dessen
Auftrag) oder anderweitig mit seiner Zustimmung erfolgte,
wenn die Vorteile der Transaktion hauptsächlich beim PDMR
anfallen und diese eine wesentliche Auswirkung auf die Beteiligung des PDMR am Emittenten hat38. Nach Auffassung
der FSA gibt es allerdings keine abschliessende Definition
des Begriffs «on own account», weshalb bei jeder Transaktion zu überprüfen ist, ob die Qualifikation erfüllt ist39.
2. Für den Fall von Transaktionen mit vorsorgerechtlichem
Hintergrund, etwa im Zusammenhang mit Mitarbeiterbeteiligungsplänen (scheme administered by an «employee benefit trust») gilt, dass Transaktionen eines solchen Trusts dann
nicht offenzulegen sind, wenn der Trust für alle Berechtigten
handelt40. Anders wäre zu entscheiden, wenn Transaktionen
auf einen Auftrag eines PDMR zurückgeführt werden können – beispielsweise der Verkauf von Aktien beim Austritt
der Führungskraft aus dem Mitarbeiterbeteiligungsplan41.
3. An dieser Stelle ist anzumerken, dass der Begriff der «wesentlichen Auswirkung» (material impact) nicht dazu verwendet werden kann, kleinere Transaktionen, beispielsweise den
Kauf einer einzigen Aktie, von der Meldepflicht auszunehmen42. Das Merkmal der «wesentlichen Auswirkung» dürfte
vielmehr lediglich bei komplexen Geschäften wie der Beurteilung von Mitarbeiterbeteiligungsplänen herangezogen werden, bei welchen eine Vielzahl von Begünstigten es schwierig macht zu bestimmen, ob die Transaktion noch einem oder
mehreren PDMR zugeordnet werden kann oder nicht.
E.
Transaktionen
1. Der Begriff der Transaktion ist in DTR 3 nicht näher umschrieben. Sowohl die EU (CESR) als auch die FSA scheinen auf eine Definition darauf verzichtet zu haben. Allerdings hält DTR 3.1.2 fest, dass alle Geschäfte erfasst werden,
welche «shares of the issuer, derivatives or other financial
instruments relating to those shares» betreffen. Diese Formulierung macht hinreichend klar, dass der Anwendungsbereich weit gesteckt ist. Darunter fallen neben Aktienkäufen
und -verkäufen auch der Handel mit Differenzgeschäften
wie den im Vereinigten Königreich sehr populären Contracts
for Difference oder spread bets43, weiter alle Derivative, die
38
39
40
41
42
43
List! 11, Sept. 2005, 11.
List! 11, Sept. 2005, 11.
Marsh/McDonnell (FN 8), 95.
Marsh/McDonnell (FN 8), 95; List! 11, Sept. 2005, 11.
Es sind ausnahmslos alle Transaktionen mitzuteilen, vgl. nachstehend E.9.
List! 11, Sept. 2005, 11.
10.3.2009 9:12:20 Uhr
Urs Feller
AJP/PJA 3/2009
328
sich auf die Aktie beziehen (z.B. Optionen, Swaps, Futures
und Forwards). Zusätzlich dürften auch Positionen in Anleihen mit einem convertible-Element darunterfallen, weil auch
diesbezüglich die Verbindung zu den Aktien des Emittenten
hinreichend eng erscheint44.
2. Bei Index- und Basketprodukten kann aufgrund der relativen Gewichtung des einzelnen Titels recht einfach ausgerechnet werden, in welchem Umfang die Transaktion Aktien
des Emittenten betrifft. Es besteht Grund zur Annahme, dass
auch Transaktionen mit Index- und Basketprodukten unter
besonderen Umständen ebenfalls meldepflichtig werden
können. So wäre es ein Leichtes, ein Indexprodukt «short»
zu verkaufen und gleichzeitig alle im Index enthaltenen Titel ausser der Aktie des Emittenten zu kaufen. Ökonomisch
würde dieses Arrangement auf den Verkauf nur gerade der
Aktien des Emittenten hinauslaufen. Die FSA hat sich soweit ersichtlich noch nie zu dieser Problematik im Zusammenhang mit DTR 3 geäussert. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass das analoge Problem beim gegenwärtigen
Verbot des short selling von Finanztiteln im dargelegten
Sinne beurteilt wurde45. Wird also ein Index- oder Basketprodukt praktisch zur Umgehung der Meldepflicht benutzt,
ist diese trotzdem anwendbar. Als sehr weitgehend erschiene
demgegenüber Index- oder Basketkäufe, die nicht der Umgehung dienen, ebenfalls vollumfänglich der Meldepflicht zu
unterstellen.
3. Mit dem Begriff der «weiteren Finanzinstrumente» wird
gemäss dem FSA Glossar beabsichtigt sicherzustellen, dass
nichts durch die engen Maschen fällt.
4. Im Vereinigten Königreich ist der Begriff der Transaktion
zudem vor dem Hintergrund des Model Code46 zu betrachten.
Der Model Code gilt für Emittenten, die ein Primärlisting ihrer Aktien im Vereinigten Königreich haben. Auf Schweizer
Emittenten, deren Aktien nur an der SWX kotiert sind, ist der
Model Code somit nicht anwendbar. Im Gegensatz zu DTR 3
beinhaltet der Model Code keine Offenlegungspflicht, sondern Handelsverbote zu gewissen Zeiten sowie ein umfassendes Zustimmungssystem. In der Quintessenz schreibt
der Model Code vor, dass PDMR vor einem «dealing» die
Zustimmung einer übergeordneten Instanz einholen müssen.
Zusätzlich ist ein «dealing» vor der Bekanntgabe von gewissen Finanzzahlen sowie immer dann verboten, wenn das Unternehmen über inside information verfügt.
Zudem wird genau aufgezählt, welche Handlungen unter
den Begriff des «dealings» fallen. Von «dealing» wird nicht
nur das Verfügungs-, sondern bereits das Verpflichtungsgeschäft erfasst. Zusätzlich umfasst der Begriff auch stock
lending agreements47. Zu beachten ist auch der Umgang mit
dem Stellen von Sicherheiten. Gemäss Model Code gilt als
«dealing», wenn ein PDMR Aktien als Sicherheiten stellt,
da dadurch ökonomisch gesehen Wert aus den Aktien herausgenommen wird48. Dies liegt auf der Hand, wenn die Aktien die einzige Sicherheit bilden, die einer Kredit gewährenden Bank zur Verfügung stehen. Falls neben den Aktien
der PDMR auch persönlich haftet (was häufig der Fall sein
dürfte), ist der Zusammenhang mit einem «normalen» Aktienverkauf allerdings deutlich schwächer.
6. In den allgemeinen Geschäftsbedingungen der Banken
wird regelmässig vorgesehen, dass die Bank bei Nichtbezahlung von Gebühren etc. auf das Depot zurückgreifen kann.
Diese Konstellation allein dürfte kaum als Stellen einer Sicherheit im Sinne des Model Code qualifizieren. Dies gilt
umso mehr, solange der PDMR liquide ist. Es wäre auch
schwierig darzulegen, in welchem Umfang der PDMR gehandelt hat. Anders wäre der Fall zu beurteilen, wenn der PDMR
speziell für die Absicherung eines Kredites ein Aktienpaket
an eine Bank überträgt. In diesem Fall liegt ein «dealing» im
Sinne des Model Code vor und die Wahrscheinlichkeit, dass
dies auch als Transaktion gemäss DTR 3 qualifiziert würde,
ist nicht gering49.
7. Nunmehr erklärte die FSA – unter Hinweis auf den Model
Code – in einer Pressemitteilung vom 9. Januar 2009, dass
Verpfändungen («pledge, mortgage or charge») von Aktien
des Emittenten durch PDMR in gleicher Weise der Offenlegung unterstehen wie der Handel mit Aktien50. Zugleich
wurde auf eine Frist bis zum 23. Januar 2009 hingewiesen,
innert welcher allfällige Verpfändungen aus der Vergangenheit nachzumelden waren.
8. Ein weiteres Abgrenzungsproblem zwischen DTR 3 und
Model Code zeigt sich bei denjenigen Transaktionen, die
47
48
49
5. Im Gegensatz zu DTR 3 verwendet der Model Code nicht
den Begriff der Transaktion sondern spricht von «dealing».
44
45
46
Vgl. dazu E.10.
Siehe Frage 15 der FSA FAQ Version 2 zum Short Selling
(No. 5) Instrument 2009 vom 19. Januar 2009; http://www.fsa.
gov.uk/pubs/other/Short_selling_FAQs_V2.pdf.
Der Model Code findet sich in Annex 1 von Kapitel 9 der Listing Rules: http://fsahandbook.info/FSA/html/handbook/LR/9/
Annex1.
AJP 03_2009.indb 328
50
Model Code 1(c)(iv).
Model Code 1(c)(v).
Siehe diesbezüglich beispielsweise die Offenlegungsmeldung
durch die FTSE 250 Gesellschaft Carphone Warehouse vom
8. Dezember 2008, die zum Rücktritt eines Verwaltungsrates
führte, da er die Verpfändung seiner Aktien nicht offengelegt
hatte: http://www.investegate.co.uk/Article.aspx?id=200812080
700106904J und die anschliessende Pressekommentierung beispielsweise durch die Financial Times: http://www.ft.com/cms/
s/0/ccc678d8-c4f9-11dd-b516-000077b07658.html?nclick_
check=1.
http://www.fsa.gov.uk/pages/Doing/UKLA/company/disclosure/index.shtml, sowie http://www.fsa.gov.uk/pages/Library/Communication/PR/2009/005.shtml. Dies im Gegensatz zur
Regelung in der Schweiz, wonach die Verpfändung von der Meldepflicht ausdrücklich ausgeschlossen ist; vgl. Rz 17 der Richtlinie betreffend Offenlegung von Management-Transaktionen;
RLMT.
10.3.2009 9:12:20 Uhr
O f f e n l e g u n g v o n M a n a g e m e n t - Tr a n s a k t i o n e n i m e u r o p ä i s c h e n U m f e l d
AJP/PJA 3/2009
329
gemäss Model Code kein «dealing» darstellen, indessen
gemäss DTR 3 meldepflichtig sind, wie dies beispielsweise
beim Kauf von Aktien im Rahmen einer Kapitalerhöhung der
Fall ist51. Aufgrund der unterschiedlichen Natur der Regelwerke (Model Code verbietet gewisse Transaktionen, DTR 3
verlangt nur deren Offenlegung), ist der Model Code nicht
einschlägig und somit der Kauf von Aktien im Rahmen einer
Kapitalerhöhung gemäss DTR 3 offenzulegen.
9. Im Vereinigten Königreich wurde darauf verzichtet,
Kleinsttransaktionen von der Meldepflicht auszunehmen.
Gemäss Art. 6 Abs. 1 der MAD implementierenden Richtlinie52 sind Mitgliedstaaten berechtigt, Transaktionen unter
EUR 5000 von der Meldepflicht auszunehmen. Eine entsprechende Einschränkung ist nicht erfolgt, damit sind auch minimale Transaktionen offenzulegen.
2. Die Transaktion ist seitens der betreffenden Personen innerhalb von vier Werktagen dem Emittenten zu melden56.
Der Emittent muss unverzüglich, spätestens aber bis zum
Ende des darauffolgenden Werktages die Transaktion via ein
Regulatory Information Service (RIS) veröffentlichen57. Damit ist den Anforderungen der die MAD implementierenden
Richtlinie (worin eine Meldung innert fünf Tagen verlangt
wird) Genüge getan58. Die FSA hat ein Meldeformular59 veröffentlicht, welches für die Meldungen der Emittenten gebraucht werden kann, aber nicht gebraucht werden muss60.
Die Veröffentlichung des Emittenten hat zudem die Information zu enthalten, wann der Emittent über die Transaktion
informiert wurde61.
10. Welche Transaktionen sind von einer Offenlegungspflicht
ausgenommen? Dazu gehört beispielsweise der Kauf oder
Verkauf einer Schuldverschreibung des Emittenten53. Ebenfalls ausserhalb des Anwendungsbereich von DTR 3 sind
Transaktionen mit Credit Default Swaps (CDS)54.
3. Schliesslich ist noch darauf hinzuweisen, dass der zusätzliche Meldetatbestand, der in DTR 3.1.4(1)(c) erwähnt wird
(Offenlegung der gehaltenen Aktien gemäss sec. 793 Companies Act 2006), auf Schweizer Emittenten nicht anwendbar ist. Im Meldeformular für die Emittenten ist bereits vorgesehen, dass nicht in jedem Fall auch eine Meldung gemäss
Companies Act zu erfolgen hat.
F.
V.
Details zum Inhalt und zum Verfahren
der Offenlegung
1. Art. 6(3) der die MAD implementierenden Richtlinie55
umfasst eine abschliessende Liste der Informationen, welche an den Emittenten zu melden sind. Diese Liste wurde in
DTR 3.1.3 direkt übernommen. Sie umfasst
• den Namen des PDMR bzw. der mit ihm verbundenen
Person,
• den Grund für die Offenlegungspflicht,
• den Namen des Emittenten,
• eine Beschreibung des Finanzinstruments,
• die Natur der Transaktion (z.B. Kauf oder Verkauf),
• Ort und Zeit der Transaktion, sowie
• Preis und Volumen der Transaktion.
51
52
53
54
55
Model Code 2(a).
2004/72/EC.
Ausser es handelt sich um einen Convertible. Der Hinweis auf
«Debentures» im Meldeformular der FSA dürfte in diesem
Sinne verstanden werden (zum Formular siehe unten mehr), da
gewöhnliche Unternehmensanleihen nicht mit den Aktien des
Emittenten verbunden sind, was gemäss DTR 3.1.2 eine Voraussetzung der Offenlegungspflicht ist.
Diese Instrumente spiegeln das Konkursrisiko eines Emittenten
wieder und eignen sich sehr gut, sich gegen den Ausfall eines
Emittenten abzusichern. Handelt ein PDMR kurz vor dem Konkurs des Emittenten mit CDS, so dürften aber die Verbote des Insiderhandels und des Marktmissbrauchs gemäss sec. 118 FSMA
in Frage stehen, obwohl diese Instrumente m.E. ausserhalb der
Offenlegungspflicht liegen (siehe Market Watch Issue No. 30,
13).
2004/72/EC.
AJP 03_2009.indb 329
Durchsetzung der Regeln im
Vereinigten Königreich
1. Die FSA ist zuständig für die Einhaltung einer Vielzahl
unterschiedlicher Regeln mit unterschiedlichem Wichtigkeitsgrad. Eine Durchsicht der publizierten Urteile der FSA
bzw. der zuständigen gerichtlichen Organe zeigt, dass DTR 3
nicht im Zentrum der Vollstreckungsbemühungen zu liegen
scheint. Vielmehr liegt der Fokus auf der Durchsetzung des
Verbots des Insiderhandels und des Marktmissbrauchs.
2. Die Offenlegungsregeln von DTR 3 erscheinen daher in
einem gewissen Mass subsidiär zu anderen Regeln. Die FSA
dürfte nur dort wirklich interessiert sein, Verletzungen von
DTR 3 zu verfolgen, wo zugleich starke Hinweise auf Insiderhandel vorliegen bzw. eine Ad-hoc-Meldung nicht rechtzeitig abgesetzt wurde. Dies mag damit zu tun haben, dass
Emittenten nicht selten gesellschaftsinterne Sanktionen für
Verstösse im Zusammenhang mit DTR 3 vorsehen und sich
die FSA damit auf grobe Verletzungen konzentrieren kann.62
3. Beachtenswert bleibt jedenfalls, dass die möglichen Konsequenzen einer Nichtbeachtung von DTR 3 beträchtlich
56
57
58
59
60
61
62
DTR 3.1.2.
DTR 3.1.4 (2).
Siehe Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2004/72/EC.
http://www.fsa.gov.uk/pubs/forms/DR_responsibility.pdf.
DTR 3.1.7.
DTR 3.1.5.
Vgl. FN 49 betreffend den Rücktritt von David Ross aus dem
Verwaltungsrat von Carphone Warehouse vom 8. Dezember
2008 als Folge einer unterbliebenen Offenlegung.
10.3.2009 9:12:20 Uhr
Urs Feller
AJP/PJA 3/2009
330
sind. Zunächst fällt auf, dass im Gegensatz zur Regelung
in der Schweiz nicht nur der Emittent selber, sondern auch
die entsprechenden Führungspersonen (und auch die mit ihr
verbundenen Personen) persönlich zur Rechenschaft gezogen werden können63. Dabei sind im Extremfall Bussen in
unlimitierter Höhe vorgesehen. Wegen der Nähe der DTR 3
zu den Tatbeständen des Insiderdealings ist neben einer allfälligen Busse auch immer ein möglicher Reputationsverlust
zu beachten – der sowohl für den Emittenten als auch für die
entsprechende Führungsperson mit nicht geringen Nachteilen verbunden sein kann.
63
DTR 1.5.3.G und FSMA sec. 91.
AJP 03_2009.indb 330
Différents émetteurs SMI ou SLI, dont les actions sont négociées sur SWX Europe, sont soumis aux règles européennes
relatives à la publicité. La directive sur les abus de marché
(«MAD») et sa mise en œuvre dans le Royaume-Uni sont déterminantes, presque tous les émetteurs ayant ce pays comme
Etat membre d’origine (Home Member State). Le présent
article expose les règles en vigueur au Royaume-Uni, ayant
en vue que la SIX transfèrera le négoce des titres SMI et SLI
à la mi-2009 de Londres à Zurich. Les normes européennes
sont incontestablement plus complètes; elles s’appliquent,
par exemple, aussi au négoce d’instruments dérivés et elles
ne connaissent pas de franchise de CHF 100 000 par mois à
l’inverse de la Suisse.
(trad. LT LAWTANK, Fribourg)
10.3.2009 9:12:21 Uhr
Nachlassvertrag im Konkurs (Art. 332 SchKG)
AJP/PJA 3/2009
Nachlassvertrag im Konkurs (Art. 332 SchKG)
331
I.
FRANCO LORANDI
MICHAEL ERISMANN
Prof. Dr. iur., LL.M., Lehrbeauftragter an der Universität St. Gallen, Rechtsanwalt, Zürich
MLaw, Muri bei Bern
Inhaltsübersicht
I. Einleitung
II. Zustandekommen des Nachlassvertrages im Konkurs
A. Antragsrecht
B. Gläubigerversammlung
1. Einberufung
2. Aufgaben der Konkursverwaltung
3. Teilnahmeberechtigung
4. Wahlen und Wahlberechtigung
5. Zustimmung zum Nachlassvertrag
6. Antrag der Konkursverwaltung an den Nachlassrichter
C. Einstellung der Verwertung
D. Bestätigungsverhandlung und Entscheid des Nachlassrichters (Homologation)
1. Zustimmung der Gläubiger
a. Quoren
b. Berechnung der Quoren
2. Hinlängliche Sicherstellung
a. Beim ordentlichen Nachlassvertrag
b. Beim Liquidationsvergleich
III. Folgen bei Bestätigung des Nachlassvertrages
A. Widerruf des Konkurses
B. Folgen beim ordentlichen Nachlassvertrag
1. Folgen für das Konkursverfahren
2. Dividendenberechtigung
3. Bedeutung des Kollokationsplans
4. Auswirkungen auf Abtretungen gemäss Art. 260 SchKG
und gestützt darauf eingeleitete Prozesse
5. Auswirkungen auf sonstige Prozesse
C. Folgen beim Liquidationsvergleich
1. Folgen für das Konkursverfahren/Fortsetzung des Vollstreckungsverfahrens
2. Bedeutung des Kollokationsplans/
Dividendenberechtigung
3. Schicksal hängiger Kollokationsprozesse
4. Auswirkungen auf Abtretungen gemäss Art. 260 SchKG
und gestützt darauf eingeleitete Prozesse
5. Auswirkungen auf sonstige Prozesse
AJP 03_2009.indb 331
Einleitung
Das Gesetz regelt den Nachlassvertrag im Konkurs nur partiell1. Viele Fragen bei der praktischen Handhabung bleiben
daher offen. Nachfolgend soll aufgezeigt werden, welche
Normen gelten und wo besondere Regeln Platz greifen müssen. Dabei ist zuweilen zu unterscheiden, ob ein ordentlicher
Nachlassvertrag2 oder ein Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung3 in Frage steht.
II.
Zustandekommen des Nachlassvertrages im Konkurs
A.
Antragsrecht
Legitimiert, während eines Konkursverfahrens einen Nachlassvertrag vorzuschlagen, ist nach dem Wortlaut des Gesetzes einzig der Schuldner4. Dies ist auf ein gesetzgeberisches Versehen zurückzuführen5. Das Antragsrecht ist
deshalb – analog dem Nachlassverfahren ausser Konkurs6 –
auch jedem Gläubiger zuzugestehen, der ein Konkursbegehren stellen kann7.
Der Schuldner bzw. der antragsberechtigte Gläubiger
hat einen Nachlassvertrag auszuarbeiten8. Dabei genügt der
1
2
3
4
5
6
7
8
Art. 238 Abs. 2, Art. 252 Abs. 2, Art. 332 SchKG.
Art. 314 ff. SchKG.
Art. 317 ff. SchKG. Soweit eine Kombination von Dividendenvergleich und Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung abgeschlossen wird, gelten in aller Regel die Bestimmungen über
den Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung.
Art. 332 Abs. 1 Satz 1 SchKG.
Daniel Hunkeler, Das Nachlassverfahren nach revidiertem
SchKG, Diss. Freiburg 1996, Rz. 182.
Art. 293 Abs. 2 SchKG.
Hunkeler (FN 5), Rz. 184; Alain Winkelmann/Laurent
Lévy/Yvan Jeanneret/Olivier Merkt/Francesca Birchler, in: Adrian Staehelin/Thomas Bauer/Daniel Staehelin
(Hrsg.), Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung
und Konkurs, Basel/Genf/München 1998, Art. 332 SchKG N 6;
Karl Wüthrich/Fritz Rothenbühler, in: Daniel Hunkeler
(Hrsg.), Kurzkommentar zum Schuldbetreibungs- und Konkursgesetz, Basel 2008, Art. 332 SchKG N 9; BlSchK 2008,
153.
Die Expertengruppe Nachlassverfahren schlägt deshalb vor,
den Gesetzestext entsprechend zu ändern, vgl. Art. 332 Abs. 1
VE-SchKG; Revision des Schuldbetreibungs- und Konkursgesetzes (SchKG): Sanierungsverfahren, Bericht und Vorentwurf
der Expertengruppe Nachlassverfahren vom Juni 2008, 18, 31.
Art. 332 Abs. 1 Satz 1 SchKG.
10.3.2009 9:12:21 Uhr
Franco Lorandi/Michael Erismann
AJP/PJA 3/2009
332
blosse Entwurf. Dieser muss ernsthaft erscheinen9, d.h. er
darf nicht von vornherein aussichtslos sein.
Zusätzliche Unterlagen (wie etwa Bilanz, Erfolgsrechnung oder ähnliche Unterlagen10) oder die Unterschrift der
Gläubigermehrheit sind nicht erforderlich11. Es steht dem
Antragsteller aber frei, in einer kurzen Stellungnahme aus
seiner Sicht darzulegen, weshalb der Nachlassvertrag für die
Gläubiger Sinn macht. Der Entwurf des Nachlassvertrages
wird der Konkursverwaltung eingereicht12, welche die Funktion des Sachwalters übernimmt13. Diese begutachtet den
Entwurf14 und verfasst eine Beurteilung.
Das Antragsrecht besteht während der ganzen Dauer
des Konkursverfahrens bis zu dessen Schluss15, solange die
Schlussverteilung noch nicht statt gefunden hat16. Ein Antrag
kann insbesondere auch dann noch gestellt werden, wenn
schon alle Aktiven verwertet sind17. Wie alle sonstigen Handlungen im Rahmen eines SchKG-Verfahrens steht auch das
Recht, einen Nachlassvertrag im Konkurs vorzuschlagen,
unter dem Vorbehalt des Rechtsmissbrauchs. Ein solcher
kann vorliegen, wenn es dem Schuldner einzig darum geht,
das laufende Konkursverfahren in die Länge zu ziehen18.
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
Pierre-Robert Gilliéron, Commentaire de la loi fédérale sur
la poursuite pour dettes et la faillite, Lausanne 2001, Art. 332
SchKG N 10; BGE 48 III 136.
Vgl. Art. 293 Abs. 1 SchKG.
Carl Jaeger, Das Bundesgesetz betreffend Schuldbetreibung
und Konkurs, 3. A., Zürich 1911, Art. 317 SchKG N 2; Winkelmann/Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7), Art. 332
SchKG N 9 und N 14; Carl Jaeger/Hans Ulrich Walder/
Thomas M. Kull/Martin Kottmann, Bundesgesetz über
Schuldbetreibung und Konkurs, 4. A., Zürich 1997, Art. 332
SchKG N 9 und N 11; BGE 78 III 18; BlSchK 2008, 153; a.M.
BGE 38 I 323, welcher zum alten Wortlaut von Art. 293 SchKG
erging.
Art. 332 Abs. 1 Satz 1 SchKG.
Art. 332 Abs. 2 Satz 2 SchKG.
Art. 332 Abs. 1 Satz 1 SchKG.
Art. 332 Abs. 3 i.V.m. Art. 195 Abs. 2 SchKG; Hans Glarner,
Das Nachlassvertragsrecht nach schweizerischem SchKG, Diss.
Zürich 1967, 37.
Winkelmann/Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7),
Art. 332 SchKG N 5; Jaeger/Walder/Kull/Kottmann
(FN 11), Art. 332 SchKG N 10; Wüthrich/Rothenbühler
(FN 7), Art. 332 SchKG N 4; a.M. Urteil des Obergerichts des
Kantons Thurgau vom 28. November 2005, RBOG 2005, 192
(= BlSchK 2008, 152 ff.), welches – ungeachtet der bereits abgeschlossenen Verteilung – einen Nachlassvertrag auch nach
Schluss des Konkursverfahrens noch zulassen will, solange der
Entscheid des Konkursgerichts noch nicht rechtskräftig ist.
Jaeger (FN 11), Art. 317 SchKG N 2; Winkelmann/Lévy/
Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7), Art. 332 SchKG N 5;
Jaeger/Walder/Kull/Kottmann (FN 11), Art. 332 SchKG
N 10.
Gilliéron (FN 9), Art. 332 SchKG N 10.
AJP 03_2009.indb 332
B.
Gläubigerversammlung
1.
Einberufung
Die Verhandlung über den Nachlassvertrag findet frühestens in der zweiten Gläubigerversammlung statt19. In diesem
Zeitpunkt ist der Kollokationsplan zwar noch nicht zwingend rechtskräftig. Er ist aber zumindest aufgelegt, womit
eine gewisse Klarheit über die Passiven des Konkursiten
besteht. Dies ist von Bedeutung, weil der Kollokationsplan
die Grundlage für Teile des Bestätigungs- und Nachlassverfahrens bildet20. Da auch das Inventar in diesem Zeitpunkt
erstellt ist, besteht ebenso Klarheit über einen Grossteil der
Aktiven21.
Hat im ordentlichen Konkursverfahren die zweite Gläubigerversammlung schon stattgefunden, ist eine dritte einzuberufen22. Diesfalls hat der Schuldner für die Kosten der
Gläubigerversammlung einen Vorschuss zu leisten23. Beantragt ein Gläubiger einen Nachlassvertrag im Konkurs, so hat
dieser auch den Kostenvorschuss zu leisten24.
Im summarischen Konkursverfahren finden in der Regel
keine Gläubigerversammlungen statt25. Wenn jedoch ein
Nachlassvertrag vorgeschlagen wird, liegen die vom Gesetz geforderten besonderen Umstände26 vor. Die Konkursverwaltung hat deshalb ausnahmsweise eine Gläubigerversammlung einzuberufen27. Der Gemeinschuldner bzw. der
19
20
21
22
23
24
25
26
27
Art. 332 Abs. 1 Satz 2 SchKG.
Vgl. II.D.1.b. (Zustimmungsquoren), II.D.2.b.aa. (Sicherstellung), III.C.2. (Dividendenberechtigung).
Vgl. Pierre-Robert Gilliéron, Poursuite pour dettes, faillite
et concordat, 4. A., Basel 2005, N 3173.
Jaeger (FN 11), Art. 317 SchKG N 3; Ernst Blumenstein,
Handbuch des Schweizerischen Schuldbetreibungsrechtes,
Bern 1911, 724, 895; Winkelmann/Lévy/Jeanneret/Merkt/
Birchler (FN 7), Art. 332 SchKG N 11; Dominique Junod
Moser/Louis Gaillard, in: Louis Dallèves/Benedict Foëx/
Nicolas Jeandin (Hrsg.), Poursuite et faillite: commentaire de
la Loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite ainsi que
des articles 166 à 175 de la Loi fédérale sur le droit international privé (Commentaire Romand), Basel 2005, Art. 332 SchKG
N 15; Wüthrich/Rothenbühler (FN 7), Art. 332 SchKG
N 13; BlSchK 2008, 154; BGE 48 III 136.
Glarner (FN 15), 37; Winkelmann/Lévy/Jeanneret/Merkt/
Birchler (FN 7), Art. 332 SchKG N 11; Urs Bürgi, in: Adrian
Staehelin/Thomas Bauer/Daniel Staehelin (Hrsg.), Kommentar
zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, Basel/
Genf/München 1998, Art. 252 SchKG N 14; Gilliéron (FN 9),
Art. 332 SchKG N 10, N 17; BGE 78 III 18, 48 III 135 f.
Winkelmann/Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7),
Art. 332 SchKG N 11.
Art. 231 Abs. 3 Ziff. 1 SchKG.
Art. 231 Abs. 3 Ziff. 1 SchKG.
Winkelmann/Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7),
Art. 332 SchKG N 10; Urs Lustenberger, in: Adrian Staehelin/Thomas Bauer/Daniel Staehelin (Hrsg.), Kommentar zum
Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, Basel/Genf/
München 1998, Art. 231 SchKG N 32.
10.3.2009 9:12:21 Uhr
Nachlassvertrag im Konkurs (Art. 332 SchKG)
AJP/PJA 3/2009
333
antragstellende Gläubiger hat die entsprechenden Kosten
vorzuschiessen28. Die Gläubigerversammlung kann auch im
summarischen Konkursverfahren erst dann stattfinden, wenn
der Kollokationsplan aufliegt29.
Die Versammlung ist auch dann durchzuführen, wenn
schon eine genügende Anzahl von Gläubigern dem Nachlassvertrag zugestimmt hat30. Für einen Nachlassvertrag mit
Vermögensabtretung ist dies evident, da die Liquidatoren und
ein Gläubigerausschuss gewählt werden müssen31. Auch bei
einem Dividendenvergleich macht die Gläubigerversammlung aber in jedem Fall Sinn, da der Vorschlag anlässlich der
Beratung in der Versammlung noch abgeändert werden kann
und diesfalls die Gläubiger erneut zustimmen müssen32.
In Bezug auf die Publikation finden die Vorschriften von
Art. 301 und Art. 300 Abs. 1 Satz 2 SchKG33 analog Anwendung34, obschon Art. 332 Abs. 2 SchKG keinen Verweis
auf diese Normen enthält: Die Einladung zur Gläubigerversammlung ist mindestens einen Monat vor der Versammlung
in den Amtsblättern zu publizieren35. Die Publikation macht
deshalb Sinn, weil für das Zustimmungsquorum auch Forderungen zu berücksichtigen sind, welche zu diesem Zeitpunkt
noch nicht angemeldet sind36.
Zudem sind die bekannten Gläubiger durch Spezialanzeige einzuladen37. Die Einladung hat mindestens 20 Tage vor
28
29
30
31
32
33
34
35
36
37
Art. 96 lit. a KOV; Junod Moser/Gaillard (FN 22), Art. 332
SchKG N 17; Lustenberger (FN 27), Art. 231 SchKG N 32;
Gilliéron (FN 9), Art. 332 SchKG N 11, N 18; Wüthrich/
Rothenbühler (FN 7), Art. 332 SchKG N 13; BlSchK 2008,
154.
Art. 332 Abs. 1 Satz 2 SchKG; Art. 252 Abs. 2 SchKG analog;
Winkelmann/Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7),
Art. 332 SchKG N 10; Junod Moser/Gaillard (FN 22),
Art. 332 SchKG N 17; Gilliéron (FN 21), N 3173.
Jaeger (FN 11), Art. 317 SchKG N 4; Jaeger/Walder/
Kull/Kottmann (FN 11), Art. 332 SchKG N 18; Wüthrich/
Rothenbühler (FN 7), Art. 332 SchKG N 12.
Art. 317 Abs. 2 SchKG; Hunkeler (FN 5), Rz. 938; vgl.
II.B.4.
Jaeger (FN 11), Art. 302 SchKG N 2; Kurt Amonn/Fridolin
Walther, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 8. A., Bern 2008, § 54 N 63. Der Gemeinschuldner ist
jedoch nicht verpflichtet, derartige Änderungen am Nachlassvertragsentwurf vorzunehmen resp. Änderungen, welche die
Gläubiger vornehmen, gegen sich gelten zu lassen, vgl. Alexander Vollmar, in: Adrian Staehelin/Thomas Bauer/Daniel
Staehelin (Hrsg.), Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, Basel/Genf/München 1998, Art. 302
SchKG N 17.
A.M. Gilliéron (FN 9), Art. 332 SchKG N 28, in Bezug auf
Art. 300 SchKG.
Vgl. auch Winkelmann/Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler
(FN 7), Art. 332 SchKG N 12; Wüthrich/Rothenbühler
(FN 7), Art. 332 SchKG N 14.
Art. 301 Abs. 1 SchKG analog.
Vgl. II.D.1.b.
Art. 301 Abs. 2 i.V.m. Art. 300 Abs. 1 Satz 2 SchKG analog.
AJP 03_2009.indb 333
der Versammlung zu erfolgen38. In der Einladung ist darauf
hinzuweisen, dass über einen Nachlassvertrag verhandelt
werden soll39.
Die Akten können während 20 Tagen vor der Versammlung bei der Konkursverwaltung eingesehen werden40. Zu
den Akten gehören der Nachlassvertrag, eine allfällige Stellungnahme des Antragstellers41 und die Beurteilung durch
die Konkursverwaltung42.
2.
Aufgaben der Konkursverwaltung
Die Konkursverwaltung leitet die Versammlung. Sie erstattet
Bericht über die Vermögens- und die Ertrags- bzw. Einkommenslage des Schuldners43. Sie gibt Auskunft über den Stand
und den voraussichtlichen Ausgang des Konkursverfahrens.
Dies umfasst auch eine Einschätzung für den Ausgang hängiger Prozesse44. Sie begutachtet zudem zuhanden der Gläubigerversammlung den Vorschlag zum Nachlassvertrag45.
Die Konkursverwaltung kann den Nachlassvertrag auch
einem allfälligen Gläubigerausschuss46 unterbreiten; dazu
verpflichtet ist sie nicht47.
3.
Teilnahmeberechtigung
Teilnahmeberechtigt sind alle gemäss Kollokationsplan noch
nicht rechtskräftig abgewiesenen Gläubiger48. Ebenfalls teilnahmeberechtigt sind Gläubiger, welche ihre Forderung erst
nach Auflage des Kollokationsplans eingegeben haben49.
Teilnahmeberechtigt sind demnach auch Gläubiger, welche
nicht über die Annahme des Nachlassvertrages mitentschei-
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Es drängt sich hier die Anwendung der konkursrechtlichen
Regelung analog Art. 252 Abs. 1 SchKG auf; vgl. Jaeger
(FN 11), Art. 317 SchKG N 3; Jaeger/Walder/Kull/Kottmann (FN 11), Art. 332 SchKG N 16.
Art. 252 Abs. 2 SchKG; Jaeger (FN 11), Art. 317 SchKG N 3;
Jaeger/Walder/Kull/Kottmann (FN 11), Art. 332 SchKG
N 15; Junod Moser/Gaillard (FN 22), Art. 332 SchKG
N 19; Wüthrich/Rothenbühler (FN 7), Art. 332 SchKG
N 14; BGE 35 I 268.
Art. 301 Abs. 1 Satz 1 SchKG analog; Winkelmann/Lévy/
Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 11), Art. 332 SchKG N 12;
Junod Moser/Gaillard (FN 22), Art. 332 SchKG N 19;
Wüthrich/Rothenbühler (FN 7), Art. 332 SchKG N 14.
Vgl. II.A.
Junod Moser/Gaillard (FN 22), Art. 332 SchKG N 19.
Art. 302 Abs. 1 i.V.m. Art. 332 Abs. 2 Satz 2 SchKG.
Jaeger (FN 11), Art. 317 SchKG N 3.
Art. 332 Abs. 1 Satz 1 SchKG.
Art. 237 Abs. 3, Art. 253 Abs. 2 SchKG.
Jaeger (FN 11), Art. 317 SchKG N 3; Jaeger/Walder/Kull/
Kottmann (FN 11), Art. 332 SchKG N 14; Winkelmann/
Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7), Art. 332 SchKG
N 12.
Jaeger (FN 11), Art. 317 SchKG N 3; Junod Moser/Gaillard (FN 22), Art. 332 SchKG N 20.
A.M. Jaeger (FN 11), Art. 317 SchKG N 3.
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Franco Lorandi/Michael Erismann
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den können50, wohl aber an der Diskussion teilnehmen dürfen
sollen. Dies gilt für privilegierte Gläubiger, Pfandgläubiger
(im Umfang der Pfandsicherheit) und Ehegatten. Unmassgeblich ist auch, wann die Forderung angemeldet wurde51, oder
ob sie vom Gemeinschuldner bestritten worden ist52. Beim
Teilnahmerecht verhält es sich somit gleich wie beim Nachlassvertrag ausser Konkurs. Ob ein ordentlicher Nachlassvertrag oder ein Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung
vorgeschlagen ist, spielt für die Teilnahmeberechtigung keine Rolle.
4.
Wahlen und Wahlberechtigung
Handelt es sich beim Vorschlag um einen ordentlichen Nachlassvertrag, so wird weder ein Liquidator noch ein Gläubigerausschuss gewählt; die Gläubigerversammlung ist diesfalls
bloss beratend tätig53.
Anders verhält es sich beim Liquidationsvergleich: Bei
diesem sind von der Gläubigerversammlung die Liquidatoren und der Gläubigerausschuss zu wählen54. Wahlberechtigt sind dieselben Gläubiger, welchen auch das Stimmrecht55
für die Annahme des Nachlassvertrages zukommt56. Für die
Wahl gilt das einfache Mehr der abstimmenden Gläubiger
nach Köpfen57.
Die Versammlung untersteht weder bei einem Dividendenvergleich noch bei einem Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung dem Anwesenheitsquorum gemäss Art. 235 Abs. 3
SchKG58; es gilt kein Präsenzquorum59. Es verhält sich somit
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59
Junod Moser/Gaillard (FN 22), Art. 332 SchKG N 20; vgl.
auch Amonn/Walther (FN 32), § 54 N 62, für den Nachlassvertrag ausser Konkurs.
Solange die Forderung «suffisamment tôt pour participer»
eingegeben wurde, vgl. Junod Moser/Gaillard (FN 22),
Art. 332 SchKG N 20; a.M. Jaeger (FN 11), Art. 317 SchKG
N 3, welcher Gläubiger, die ihre Forderung i.S.v. Art. 251
SchKG verspätet eingegeben haben und deren Berechtigung
daher von der Konkursverwaltung noch nicht geprüft wurde,
nicht zulassen will.
Für den Nachlassvertrag ausser Konkurs: Winkelmann/Lévy/
Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7), Art. 317 SchKG N 17.
Winkelmann/Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7),
Art. 332 SchKG N 13; Wüthrich/Rothenbühler (FN 7),
Art. 332 SchKG N 15.
Art. 332 Abs. 2 i.V.m. Art. 317 Abs. 2 Satz 2 SchKG.
Zur Vermeidung von Missverständnissen wird hier die Berechtigung zur Teilnahme an der Wahl der Liquidatoren und
gegebenenfalls des Gläubigerausschusses als «Wahlrecht», die
Berechtigung zur Zustimmung oder Ablehnung des Nachlassvertrages dagegen als «Stimmrecht» bezeichnet.
Vgl. II.D.1.
Peter Ludwig, Der Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung
(Liquidationsvergleich), Diss. Bern 1970, 47.
Mindestens ein Viertel der bekannten Gläubiger bzw. mindestens die Hälfte der Gläubiger, wenn es vier oder weniger Gläubiger sind.
Art. 332 Abs. 2 i.V.m. Art. 302 Abs. 3 SchKG; Ludwig
(FN 57), 47; Winkelmann/Lévy/Jeanneret/Merkt/Birch-
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gleich wie bei Wahlen im Rahmen eines Nachlassvertrages
(mit Vermögensabtretung) ausser Konkurs60.
5.
Zustimmung zum Nachlassvertrag
Die Zustimmungen der Gläubiger zum Nachlassvertrag
müssen in jedem Fall schriftlich und individuell erfolgen61.
Es finden keine Beschlüsse in der Versammlung statt. Die
schriftlichen Zustimmungen können vor oder nach der Gläubigerversammlung erteilt werden. Sie müssen spätestens bis
zur Bestätigungsverhandlung vor dem Nachlassrichter vorliegen62.
6.
Antrag der Konkursverwaltung an den
Nachlassrichter
Nach der Gläubigerversammlung leitet die Konkursverwaltung den Nachlassvertrag mitsamt ihrer Beurteilung, den
bereits vorhandenen Zustimmungserklärungen63 und einer
Abrechnung über die bislang durch das Konkursverfahren
verursachten Kosten64 von Amtes wegen an den Nachlassrichter weiter65. Die Konkursverwaltung muss auch dann an
den Nachlassrichter gelangen, wenn bis dahin die erforderlichen Zustimmungen der Gläubiger nicht vorliegen66. Zum
einen kann die Konkursverwaltung nicht über das Zustandekommen des Nachlassvertrags entscheiden67; sie hat vielmehr für einen Entscheid des Nachlassrichters zu sorgen68.
Zum anderen können (weitere) Zustimmungserklärungen
noch bis zum Bestätigungsentscheid beigebracht werden69.
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ler (FN 7), Art. 332 SchKG N 13; Junod Moser/Gaillard
(FN 22), Art. 332 SchKG N 22; Wüthrich/Rothenbühler
(FN 7), Art. 332 SchKG N 16; BGE 82 III 87 ff. (allerdings für
den Nachlassvertrag ausser Konkurs); a.M. Jaeger (FN 11),
Art. 317 SchKG N 4; Jaeger/Walder/Kull/Kottmann
(FN 11), Art. 332 SchKG N 18; Gilliéron (FN 21), N 3178,
jedoch mit Ausnahme hinsichtlich der Beratung über den Nachlassvertrag.
Winkelmann/Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7),
Art. 317 SchKG N 15; Wüthrich/Rothenbühler (FN 7),
Art. 332 SchKG N 16; BGE 82 III 27.
Art. 332 Abs. 2 i.V.m. Art. 302 Abs. 3 SchKG.
Art. 332 Abs. 2 i.V.m. Art. 305 Abs. 1 Satz 1 SchKG; Hunkeler (FN 5), Rz. 945; Ludwig (FN 57), 46; Winkelmann/
Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7), Art. 332 SchKG
N 13; Wüthrich/Rothenbühler (FN 7), Art. 332 SchKG
N 15.
BGE 35 I 268.
Jaeger (FN 11), Art. 317 SchKG N 5; Winkelmann/Lévy/
Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7), Art. 332 SchKG N 16;
Wüthrich/Rothenbühler (FN 7), Art. 332 SchKG N 20.
Art. 332 Abs. 2 i.V.m. Art. 304 Abs. 1 SchKG.
Gilliéron (FN 21), N 3178; Wüthrich/Rothenbühler
(FN 7), Art. 332 SchKG N 18; BGE 35 I 268.
Winkelmann/Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7),
Art. 332 SchKG N 14; BGE 78 III 18.
BGE 35 I 267.
Vgl. II.B.5.; BGE 35 I 368.
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Nachlassvertrag im Konkurs (Art. 332 SchKG)
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C.
Einstellung der Verwertung
Grundsätzlich wird der Lauf des Konkursverfahrens durch
die Einreichung eines Nachlassvertragsvorschlages nicht unmittelbar beeinträchtigt70. Nach Art. 332 Abs. 2 SchKG wird
jedoch die Verwertung eingestellt, bis der Nachlassrichter
über die Bestätigung des Nachlassvertrages entschieden hat.
Die Einstellung der Verwertung erfolgt ex lege71; es bedarf
somit keines Einstellungsentscheides.
Der Gesetzeswortlaut gibt jedoch keinen Aufschluss darüber, ab wann die Verwertungshandlungen von Gesetzes wegen als eingestellt gelten. Die Einreichung des Vorschlags
für einen Nachlassvertrag genügt für sich alleine nicht, damit
die Verwertung sistiert wird72. Eine Sistierung findet aber in
jedem Fall statt, sobald sich die (zweite bzw. speziell einberufene) Gläubigerversammlung zum Nachlassvertragsentwurf äussern konnte73. Dies gilt u.E. unbesehen davon, dass
dannzumal in aller Regel noch nicht genügend Zustimmungen der Gläubiger vorliegen werden. Die Verwertung wird
somit nicht erst dann eingestellt, wenn die Quoren gemäss
Art. 305 SchKG erfüllt sind74, zumal dieser Zeitpunkt objektiv schwer feststellbar ist und überdies die Zustimmungen
noch bis zur Bestätigungsverhandlung beigebracht werden
können75.
Vor Durchführung der Gläubigerversammlung kann die
Konkursverwaltung nach eigenem Ermessen entscheiden,
ob die Verwertungshandlungen einzustellen sind76. Zudem
kann auch schon die erste Gläubigerversammlung77 die Einstellung der Verwertung beschliessen, wenn der Schuldner
dannzumal einen Nachlassvertrag vorschlägt78.
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78
Amonn/Walther (FN 32), § 54 N 19; Jaeger/Walder/Kull/
Kottmann (FN 11), Art. 332 SchKG N 12.
Gilliéron (FN 9), Art. 332 SchKG N 17; BGE 120 III 96, 35 I
269.
Winkelmann/Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7),
Art. 332 SchKG N 15; Jaeger/Walder/Kull/Kottmann
(FN 11), Art. 332 SchKG N 12; Gilliéron (FN 9), Art. 332
SchKG N 18, N 21; BGE 120 III 96, 78 III 17, 35 I 269.
Winkelmann/Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7),
Art. 332 SchKG N 15; BGE 78 III 18 (zu Art. 81 aKOV), 35 I
269 (von dem Zeitpunkt an, «wo das ordentliche Verwertungsverfahren der Art. 256 ff. beginnen darf»).
So aber Gilliéron (FN 9), Art. 332 SchKG N 17 f.; Erwin
Brügger, SchKG-Gerichtspraxis 1946–2005, Zürich 2006,
Art. 332 SchKG N 4; Junod Moser/Gaillard (FN 22),
Art. 332 SchKG N 25; BGE 120 III 96.
Vgl. II.B.5.
Winkelmann/Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7),
Art. 332 SchKG N 15; Junod Moser/Gaillard (FN 22),
Art. 332 SchKG N 26; Jaeger/Walder/Kull/Kottmann
(FN 11), Art. 332 SchKG N 6 f.
Für diese gilt das Präsenzquorum gemäss Art. 235 SchKG, vgl.
Gilliéron (FN 9), Art. 332 SchKG N 10, N 17.
Art. 238 Abs. 2 SchKG; Jaeger (FN 11), Art. 238 SchKG
N 8, Art. 317 SchKG N 2; Jaeger/Walder/Kull/Kottmann
(FN 11), Art. 332 SchKG N 12; Gilliéron (FN 9), Art. 332
SchKG N 10, N 17; Junod Moser/Gaillard (FN 22), Art. 332
AJP 03_2009.indb 335
D.
Bestätigungsverhandlung und
Entscheid des Nachlassrichters
(Homologation)
Nachdem die Konkursverwaltung im Anschluss an die Gläubigerversammlung an den Nachlassrichter gelangt ist79, setzt
dieser eine Bestätigungsverhandlung an und trifft seinen
Entscheid beförderlich80. Der Nachlassrichter lädt die Konkursverwaltung, welche die Interessen der Masse vertritt und
die Funktion des Sachwalters einnimmt81, zum Bestätigungstermin ein82.
Die Voraussetzungen für die Bestätigung des Nachlassvertrages richten sich auch beim Nachlassvertrag im Konkurs
nach Art. 305 (Annahme durch die Gläubiger) und Art. 306
SchKG (Voraussetzungen für den Bestätigungsentscheid)83.
Dieser Verweis auf die beim Nachlassvertrag ausser Konkurs
geltenden Regeln wirft, so einfach er gesetzgebungstechnisch
erscheinen mag, bei genauerer Betrachtung einige Fragen
auf. Der Grund dieser Unklarheiten bei der sinngemässen
Anwendung der Bestätigungserfordernisse auf den Nachlassvertrag im Konkurs liegt in folgendem Umstand: Das Konkurs- und das Nachlassverfahren folgen unterschiedlichen
Regeln. Beim Nachlassvertrag im Konkurs findet ein Wechsel
vom Konkursverfahren zum Nachlassverfahren statt. Fraglich
ist, wann dieser Paradigmenwechsel statt finden soll84. Der
beschriebene Verfahrenswechsel ist in seinen Konsequenzen
beim ordentlichen Nachlassvertrag wesentlich stärker ausgeprägt als beim Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung, da
letzterer ähnlichen Regeln folgt wie der Konkurs. Es drängt
sich daher nachfolgend eine Unterscheidung zwischen diesen
beiden Nachlassvertragsarten auf.
1.
Zustimmung der Gläubiger
a.
Quoren
Es gelten die Quoren gemäss Art. 305 SchKG: Bis zum Bestätigungszeitpunkt muss die Mehrheit der Gläubiger, welche ihrerseits mindestens zwei Drittel des Gesamtbetrages
79
80
81
82
83
84
SchKG N 27; Wüthrich/Rothenbühler (FN 7), Art. 332
SchKG N 12; BGE 120 III 96, 35 I 269. Die Verhandlung über
den Nachlassvertrag hat aber auch in diesem Fall erst nach Auflage des Kollokationsplans zu erfolgen, vgl. II.B.1.
Vgl. II.B.6.
Art. 332 Abs. 2 i.V.m. Art. 304 Abs. 2 und 3 SchKG.
Art. 332 Abs. 2 Satz 2 SchKG.
Jaeger (FN 11), Art. 317 SchKG N 5; Winkelmann/Lévy/
Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7), Art. 332 SchKG N 16;
Junod Moser/Gaillard (FN 22), Art. 332 SchKG N 24;
Wüthrich/Rothenbühler (FN 7), Art. 332 SchKG N 19.
Art. 332 Abs. 2 i.V.m. Art. 305 f. SchKG; Winkelmann/Lévy/
Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7), Art. 332 SchKG N 7 f.;
Gilliéron (FN 9), Art. 332 SchKG N 22.
Es stellt sich namentlich die Frage, ob der Wechsel schon bei
der Zustimmung zum Nachlassvertrag (II.D.1.b), bei der Sicherstellung des Vollzugs (II.D.2), oder aber erst bei der Dividendenberechtigung erfolgen soll (III.B.2/III.C.2.).
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der Forderungen vertreten, oder ein Viertel der Gläubiger,
welche mindestens drei Viertel des Gesamtbetrages der Forderungen vertreten, zugestimmt haben85.
Privilegierte Gläubiger und deren Forderungen werden
nicht mitgezählt86. Pfandgesicherte Forderungen sind nur im
Umfang des geschätzten Ausfallbetrages stimmberechtigt87.
Die Konkursverwaltung hat zu diesem Zweck eine Pfandschätzung vorzunehmen88; massgeblich ist der voraussichtliche Liquidationswert des Pfandobjektes89. Unabhängig von
einer allfälligen Privilegierung ist der Ehegatte90 des Schuldners in jedem Fall nicht stimmberechtigt91.
b.
Berechnung der Quoren
Für die Berechnung verweist Art. 332 Abs. 2 Satz 1 SchKG
auf Art. 305 SchKG. Dessen Abs. 3 sieht für den Nachlassvertrag ausser Konkurs vor, dass der Richter u.a. entscheidet,
ob und zu welchem Betrag bestrittene Forderungen mitzuzählen sind. Damit sind die vom Schuldner bestrittenen Forderungen gemeint92.
Aus «Nachlassvertrags-Optik» würde diese Regelung
für den ordentlichen Nachlassvertrag, mit Blick auf die
letztendliche Dividendenberechtigung im Falle des Zustandekommens des Nachlassvertrags, auch beim Nachlassvertrag im Konkurs Sinn machen: Massgebend ist diesbezüglich – unter Vorbehalt der rechtskräftigen Feststellung durch
den Richter – einzig die Anerkennung der Forderung durch
den Schuldner; der Kollokationsplan hingegen ist für die Dividendenberechtigung beim ordentlichen Nachlassvertrag
grundsätzlich bedeutungslos93.
Aus «Konkurs-Optik» jedoch will eine solche Regelung
für einen ordentlichen Nachlassvertrag im Konkurs nicht
recht passen: Im Konkurs wird über die Zulassung der Forderungen grundsätzlich im Kollokationsverfahren entschieden;
auf die Anerkennung oder Bestreitung durch den Schuldner
kommt es diesfalls nicht an. U.E. ist dieser konkursrechtlichen Sichtweise der Vorzug zu geben. Sie trägt zum Schutz
des rechtskräftig kollozierten Gläubigers94 vor der Bestäti85
86
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93
94
Art. 332 Abs. 2 i.V.m. Art. 305 Abs. 1 SchKG.
Art. 332 Abs. 2 i.V.m. Art. 305 Abs. 2 SchKG; für den Nachlassvertrag ausser Konkurs: Hunkeler (FN 5), Rz. 950.
Art. 332 Abs. 2 i.V.m. Art. 305 Abs. 2 SchKG; für den Nachlassvertrag ausser Konkurs: Hunkeler (FN 5), Rz. 954.
Art. 299 Abs. 1 SchKG analog; Gilliéron (FN 9), Art. 332
SchKG N 15; BGE 107 III 41.
BGE 107 III 41 f.
Gleichgestellt ist der Partner einer eingetragenen gleichgeschlechtlichen Partnerschaft (Art. 305 Abs. 2 Satz 1 SchKG).
Art. 332 Abs. 2 i.V.m. Art. 305 Abs. 2 SchKG; für den Nachlassvertrag ausser Konkurs: Hunkeler (FN 5), Rz. 951.
Winkelmann/Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7),
Art. 305 SchKG N 32; Gilliéron (FN 9), Art. 305 SchKG
N 16; Jaeger/Walder/Kull/Kottmann (FN 11), Art. 305
SchKG N 45.
Vgl. III.B.2.
Der Bestand seiner Forderung wurde durch die Konkursverwaltung immerhin summarisch geprüft (Art. 244 f. SchKG). Es
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gung eines sich für ihn allenfalls nachteilig auswirkenden
Nachlassvertrages bei.
Für die Berechnung der Quoren ist somit in erster Linie
auf den Kollokationsplan abzustellen95. Ob der Gemeinschuldner die betreffende Forderung bestritten hat, ist daher
unmassgeblich. Massgeblich sind die rechtskräftig kollozierten Gläubiger und deren Forderungen96. Im Rahmen der
Kollokation definitiv abgewiesene Forderungen werden bei
der Berechnung nicht mit einbezogen97.
Dies muss a fortiori für den Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung gelten, da sich bei diesem (im Unterschied
zum ordentlichen Nachlassvertrag) selbst die Dividendenberechtigung nach der Kollokation richtet98.
Beim Nachlassvertrag ausser Konkurs sind nur diejenigen
Gläubiger stimmberechtigt, welche ihre Forderungen rechtzeitig angemeldet haben99. Mangels vorgängiger Bekanntmachung100 eines Zeitpunkts, bis wann eine Forderungsanmeldung zu erfolgen hat, um das Stimmrecht zu wahren, gibt
es beim Nachlassvertrag im Konkurs keinen datummässig
bestimmten Zeitpunkt, bis wann die Forderungen angemeldet werden müssen. Da Zustimmungserklärungen zum
Nachlassvertrag noch bis zur Bestätigungsverhandlung geleistet werden können101, sind u.E. auch alle Forderungen zu
berücksichtigten, welche bis dahin angemeldet werden.
Der Nachlassrichter entscheidet, ob bzw. inwiefern
Forderungen, welche im Konkursverfahren verspätet eingegeben wurden102, so dass sie im Kollokationsplan nicht
aufgeführt sind, berücksichtigt werden103. Dasselbe gilt für
Forderungen, deren Kollokation ausgesetzt worden ist104.
Ebenso entscheidet er, inwieweit Forderungen, die im Zeitpunkt der Konkurseröffnung bereits Gegenstand eines Pro-
95
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98
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104
erscheint unbillig, die Stimmberechtigung trotz durchgeführter
Kollokation von der Anerkennung der Forderung durch den Gemeinschuldner abhängig zu machen und damit in dessen Belieben zu stellen oder gar für Manipulationen anfällig zu machen.
Ein neuer Schuldenruf findet nicht statt (Art. 332 Abs. 2 i.V.m.
Art. 300 SchKG e contrario; Junod Moser/Gaillard (FN 22),
Art. 332 SchKG N 10).
Jaeger (FN 11), Art. 317 SchKG N 5; Jaeger/Walder/
Kull/Kottmann (FN 11), Art. 332 SchKG N 19; Wüthrich/
Rothenbühler (FN 7), Art. 332 SchKG N 6.
Art. 332 Abs. 2 i.V.m. Art. 305 Abs. 3 SchKG; Winkelmann/
Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7), Art. 332 SchKG
N 7; Jaeger/Walder/Kull/Kottmann (FN 11), Art. 332
SchKG N 19 f.; Junod Moser/Gaillard (FN 22), Art. 332
SchKG N 20 f.
Vgl. III.C.2.
Art. 300 Abs. 1 Satz 1 SchKG.
Zum Nachlass ausser Konkurs vgl. Art. 300 Abs. 1 SchKG.
Vgl. II.B.5.
Art. 251 SchKG.
Vgl. Wüthrich/Rothenbühler (FN 7), Art. 332 SchKG N 6.
Gemäss diesen Autoren soll dies nur gelten, soweit die Forderung vom Schuldner bestritten wird.
Art. 59 Abs. 3 KOV; gemäss Wüthrich/Rothenbühler
(FN 7), Art. 332 SchKG N 6 soll dies nur gelten, soweit die
Forderung vom Schuldner bestritten wird.
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Nachlassvertrag im Konkurs (Art. 332 SchKG)
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337
zesses bildeten und daher im Kollokationsplan nur pro memoria aufgeführt wurden105, bei der Berechnung der Quoren
zu berücksichtigen sind106.
Der Richter hat auch darüber zu entscheiden, inwieweit
Forderungen, welche Gegenstand einer Anfechtung des Kollokationsplans sind, bei der Berechnung der Quoren gemäss
Art. 305 SchKG mit einbezogen werden107. Dies gilt sowohl
für Forderungen, welche Gegenstand einer positiven Kollokationsklage (eines Gläubigers gegen die Masse auf Zulassung seiner Forderung108) bilden, als auch für solche, welche
Gegenstand einer negativen Kollokationsklage (eines Gläubigers auf Wegweisung der Forderung eines anderen Gläubigers109) sind.
Bei seiner Entscheidung über die Stimmberechtigung
stellt der Nachlassrichter auf die Wahrscheinlichkeit der
Berechtigung der Forderung ab110. Dabei kann er eine Forderung auch nur teilweise als stimmberechtigt einstufen111.
Beim Nachlassvertrag ausser Konkurs stützt er sich bei
seiner Beurteilung auf den Bericht des Sachwalters und allenfalls auf die Stellungnahmen der betroffenen Gläubiger
und des Schuldners112. Der Antrag des Sachwalters über die
Stimmberechtigung ist dabei für den Richter nicht bindend,
hat aber praxisgemäss eine wichtige Bedeutung113.
Beim Nachlassvertrag im Konkurs tritt die Konkursverwaltung an die Stelle des Sachwalters114. Sie muss sich in
ihrem Bericht zuhanden des Nachlassrichters115 zur Berechnung der Quoren und damit auch zur Wahrscheinlichkeit
solcher Forderungen äussern. Der Nachlassrichter stützt sich
bei seinem Entscheid zudem auch auf die Konkursakten116.
Soweit es um Forderungen geht, die Gegenstand eines Prozesses bilden (gleichgültig, ob der Prozess bei Konkurseröff105
106
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108
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111
112
113
114
115
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Art. 63 Abs. 1 KOV.
Jaeger (FN 11), Art. 317 SchKG N 5; Gilliéron (FN 9),
Art. 332 SchKG N 15.
Jaeger (FN 11), Art. 317 SchKG N 5; Winkelmann/Lévy/
Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7), Art. 332 SchKG
N 7; Gilliéron (FN 9), Art. 332 SchKG N 15; Jaeger/
Walder/Kull/Kottmann (FN 11), Art. 332 SchKG N 20;
Junod Moser/Gaillard (FN 22), Art. 332 SchKG N 20;
Wüthrich/Rothenbühler (FN 7), Art. 332 SchKG N 6.
Art. 250 Abs. 1 SchKG.
Art. 250 Abs. 2 SchKG.
Gilliéron (FN 9), Art. 332 SchKG N 15; betreffend vom
Schuldner bestrittener Forderungen beim Nachlassvertrag ausser Konkurs: Hans Ulrich Hardmeier, in: Adrian Staehelin/
Thomas Bauer/Daniel Staehelin (Hrsg.), Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, Basel/Genf/
München 1998, Art. 305 SchKG N 32.
Für den Nachlassvertrag ausser Konkurs: Hardmeier (FN 110),
Art. 305 SchKG N 32.
Hardmeier (FN 110), Art. 305 SchKG N 32; Jaeger/Walder/
Kull/Kottmann (FN 11), Art. 305 SchKG N 38.
Brügger (FN 74), Art. 305 SchKG N 5.
Art. 332 Abs. 2 Satz 2 SchKG.
Art. 332 Abs. 2 i.V.m. Art. 304 SchKG.
«Le dossier de la faillite», vgl. Gilliéron (FN 9), Art. 332
SchKG N 15.
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nung schon hängig war oder ob es sich um einen Kollokationsprozess handelt), wird der Nachlassrichter auch auf die
Prozessakten abstellen und sich ein Urteil bilden. Die Anerkennung oder Bestreitung der Forderung durch den Schuldner ist für den Richter nur ein (eher ungewichtiges) Indiz.
2.
Hinlängliche Sicherstellung
Eine Voraussetzung für die Bestätigung des Nachlassvertrages ist, dass der Vollzug des Nachlassvertrages, die vollständige Befriedigung der angemeldeten privilegierten Gläubiger sowie die Erfüllung der während der Stundung mit
Zustimmung des Sachwalters eingegangenen Verbindlichkeiten hinlänglich sichergestellt sind, soweit nicht einzelne
Gläubiger ausdrücklich auf die Sicherstellung ihrer Forderung verzichten117. Diese Regelung ist auf den ordentlichen
Nachlassvertrag (Dividendenvergleich) ausser Konkurs zugeschnitten118. Beim Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung (Liquidationsvergleich) und bei Nachlassverträgen im
Konkurs ergeben sich Besonderheiten.
a.
Beim ordentlichen Nachlassvertrag
aa.
Vollzug des Nachlassvertrages
Sicherzustellen ist zunächst der «Vollzug des Nachlassvertrages»119. Darunter fällt beim Dividendenvergleich neben
den Verfahrenskosten auch die fristgerechte Auszahlung
der (gesamten120) Nachlassdividende121. Beim Nachlassvertrag ausser Konkurs ist darunter die Dividende für sämtliche angemeldeten Forderungen, die dem Nachlassvertrag
unterliegen, zu verstehen122. Sicherzustellen sind auch verspätet angemeldete Forderungen123 sowie (grundsätzlich)
vom Schuldner bestrittene Forderungen124, nicht jedoch die
aufgrund der Pfandschätzung gedeckten pfandgesicherten
Forderungen125. Ob diese für den Nachlassvertrag ausser
117
118
119
120
121
122
123
124
125
Art. 332 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Art. 306 Abs. 2 Ziff. 2 SchKG.
Hardmeier (FN 110), Art. 306 SchKG N 19; Amonn/Walther
(FN 32), § 54 N 77; Hunkeler (FN 5), Rz. 1004; Sylvain
Marchand, in: Louis Dallèves/Benedict Foëx/Nicolas Jeandin
(Hrsg.), Poursuite et faillite: commentaire de la Loi fédérale sur
la poursuite pour dettes et la faillite ainsi que des articles 166 à
175 de la Loi fédérale sur le droit international privé (Commentaire Romand), Basel 2005, Art. 306 SchKG N 37.
Art. 332 Abs. 2 i.V.m. Art. 306 Abs. 2 Ziff. 2 SchKG.
Jaeger (FN 11), Art. 306 SchKG N 10; Marchand (FN 118),
Art. 306 SchKG N 39; BGE 64 I 82.
Hardmeier (FN 110), Art. 306 SchKG N 20.
Hardmeier (FN 110), Art. 306 SchKG N 20; Marchand
(FN 118), Art. 306 SchKG N 40.
Hardmeier (FN 110), Art. 306 SchKG N 20; a.M. Hunkeler
(FN 5), Rz. 891 f.
Hardmeier (FN 110), Art. 306 SchKG N 20; Marchand
(FN 118), Art. 306 SchKG N 40; Gilliéron (FN 9), Art. 306
SchKG N 28.
Gilliéron (FN 9), Art. 306 SchKG N 27; Hardmeier
(FN 110), Art. 306 SchKG N 20.
10.3.2009 9:12:23 Uhr
Franco Lorandi/Michael Erismann
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338
Konkurs geltenden Grundsätze auch beim (ordentlichen)
Nachlassvertrag im Konkurs Geltung haben, ist unklar.
U.E. ist zur Beantwortung dieser Frage vom Grundsatz
auszugehen, dass die Sicherstellung in aller Regel alle dividendenberechtigten Forderung umfassen soll126. Die Dividendenberechtigung ist von der Kollokation unabhängig127.
Beim Dividendenvergleich im Konkurs kann u.E. somit
hinsichtlich des Umfangs der Sicherstellung – wie ausser
Konkurs – grundsätzlich auf die angemeldeten Forderungen
abgestellt werden; der Kollokationsplan ist in diesem Zusammenhang bedeutungslos.
Umstritten ist die Sicherstellungspflicht hinsichtlich vom
Schuldner bestrittener Forderungen. Ein Teil der Lehre (zum
Nachlassvertrag ausser Konkurs) spricht sich für die vollumfängliche Sicherstellung auch bestrittener Forderungen
aus128, ein anderer Teil will die Sicherstellung von der Begründetheit der Forderung abhängig machen, welche vom
Nachlassrichter analog Art. 305 Abs. 3 SchKG summarisch
zu prüfen ist129. U.E. ist letztere Meinung vorzuziehen, wonach der Nachlassrichter entscheidet, ob und in welchem
Umfang bestrittene Forderungen ebenfalls sicherzustellen
sind. Die Sicherstellung entfällt nachträglich, sofern der
Gläubiger der bestrittenen Forderung nicht innert der gesetzlich festgelegten Frist zur Feststellung seiner Forderung Klage einleitet130.
Weiter ist beim Dividendenvergleich im Konkurs unklar,
ob die Rechtzeitigkeit der Forderungsanmeldung relevant
ist und was Rechtzeitigkeit in diesem Kontext überhaupt be-
126
127
128
129
130
A.M. Hardmeier (FN 110), Art. 306 SchKG N 20, welcher
dafür hält, dass die Sicherstellungspflicht in der Regel mit der
Beurteilung der Stimmberechtigung übereinstimmen wird.
Vgl. III.B.2.
Marchand (FN 118), Art. 306 SchKG N 40; so wohl auch
BGE 36 II 461, wo eine indifferent formulierte Bürgschaft auch
bestrittene Forderungen sicherstellte.
Hardmeier (FN 110), Art. 306 SchKG N 20; Junod Moser/
Gaillard (FN 22), Art. 315 SchKG N 10; Gilliéron (FN 9),
Art. 306 SchKG N 28, mit Verweis auf BGE 47 III 186, wonach jedoch von der Sicherstellung nur bestrittene Forderungen
auszunehmen sind, die offensichtlich jeglicher Grundlage entbehren; Entscheid der Rekurskommission des Kt. Thurgau vom
18. November 1970, RBOG 1970 Nr. 6 = SJZ 1971 Nr. 145,
328; so auch der Vorentwurf der Expertengruppe SchKG, allerdings nur in Bezug auf bestrittene privilegierte Forderungen
(Art. 306 Abs. 2 Ziff. 2 Satz 2 VE-SchKG); ebenfalls für eine
analoge Anwendung von Art. 305 Abs. 3 SchKG auf privilegierte Forderungen Amonn/Walther (FN 32), § 54 N 77;
BGE 44 III 235 in Bezug auf Art. 310 aSchKG (heute Art. 315
Abs. 1 SchKG).
Art. 315 Abs. 1 SchKG; Marchand (FN 118), Art. 306 SchKG
N 40; Gilliéron (FN 21), N 3257; Ders. (FN 9), Art. 315
SchKG N 9; zur Frage, ob die Sicherstellung durch Hinterlegung bei der Depositenanstalt (Art. 315 Abs. 2 SchKG) kumulativ oder alternativ zu erfolgen hat vgl. BGE 36 II 460 f. und
Kritik dazu bei Junod Moser/Gaillard (FN 22), Art. 315
SchKG N 16 m.w.H.; vgl. III.B.2.
AJP 03_2009.indb 338
deutet. Da keine öffentliche Bekanntmachung unter Androhung des Verlustes des Stimmrechts131 (und damit allenfalls
auch des Anspruchs auf Sicherstellung132) erfolgt, scheint es
nicht angebracht, Gläubiger ihres Sicherstellungsanspruchs
zu berauben. U.E. ist daher grundsätzlich auch die Dividende solcher Gläubiger sicherzustellen, deren Forderung
nicht aus dem Kollokationsplan hervorgeht, sondern die
ihre Forderung bis spätestens zur Bestätigungsverhandlung
anmelden133. Der Schuldner hat sich über die Anerkennung
oder Bestreitung dieser Forderung zu erklären. Über die Sicherstellung bestrittener Forderungen entscheidet der Nachlassrichter aufgrund der Wahrscheinlichkeit ihrer Berechtigung134.
Wie das Zustimmungsquorum135 wird auch das Quantitativ der Sicherstellung somit erst im Zeitpunkt der Homologation vom Nachlassrichter festgelegt. Aus praktischen
Gründen wird man dem Schuldner eine kurze Nachfrist zur
allfällig erforderlichen Erhöhung der Sicherstellung gewähren können136.
Hingegen kommt bei der Sicherstellung – anders als
beim Zustimmungsquorum137 – eine auf die Dividendenberechtigung gerichtete «Nachlassvertrags-Optik»138 zur
Anwendung. Der beschriebene Paradigmenwechsel vom
Konkurs- zum Nachlassverfahren139 findet (zumindest beim
Dividendenvergleich) bei der Sicherstellung statt.
bb.
Privilegierte Forderungen
Sicherzustellen ist weiter die vollständige Befriedigung der
angemeldeten privilegierten Gläubiger140. Beim Dividendenvergleich im Konkurs wirft diese Voraussetzung keine besonderen Fragen auf. Es verhält sich gleich wie beim Nachlassvertrag ausser Konkurs.
cc.
Masseverbindlichkeiten
Schliesslich müssen beim Nachlass ausser Konkurs «die
während der Stundung mit Zustimmung des Sachwalters
eingegangenen Verbindlichkeiten» sichergestellt werden141.
Dieser Wortlaut nimmt auf Art. 310 Abs. 2 SchKG Bezug,
welcher die Masseverbindlichkeiten während der Nachlassstundung regelt. Bei sinngemässer Anwendung dieser Be-
131
132
133
134
135
136
137
138
139
140
141
Art. 300 Abs. 1 SchKG.
Hunkeler (FN 5), Rz. 891.
Vgl. II.D.1.b.
Vgl. II.D.1.b.
Vgl. II.D.1.b.
A.M. Hardmeier (FN 110), Art. 306 SchKG N 25, wonach
beim Nachlassvertrag ausser Konkurs kein Anspruch auf eine
derartige Nachfrist besteht.
Vgl. II.D.1.b.
Vgl. II.D.1.b.
Vgl. II.D.
Art. 332 Abs. 2 i.V.m. Art. 306 Abs. 2 Ziff. 2 SchKG; Hardmeier (FN 110), Art. 306 SchKG N 21.
Art. 306 Abs. 2 Ziff. 2 SchKG.
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Nachlassvertrag im Konkurs (Art. 332 SchKG)
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339
stimmung142 auf den Nachlass im Konkurs sind darunter die
seit Konkurseröffnung entstandenen Masseverbindlichkeiten
zu verstehen143. Sie müssen bei einem Dividendenvergleich
ebenfalls sichergestellt werden.
dd.
Hinlänglichkeit der Sicherstellung und Anrechnung
von liquidem Massevermögen
Beim Nachlassvertrag ausser Konkurs ist im gesetzlich vorgesehenen Umfang hinlänglich Sicherstellung zu leisten144.
Dies bedeutet in quantitativer Hinsicht grundsätzlich vollumfängliche Sicherstellung145, es sei denn, einzelne Gläubiger verzichten auf Sicherstellung146. Beim ordentlichen
Nachlass im Konkurs verhält es sich u.E. anders: Die Nachlassdividende wird (zumindest teilweise) aus den Konkursaktiven bestritten werden. Soweit diese in geldwerter Form
vorliegen, kann nur die Konkursverwaltung darüber verfügen147. Diese Gelder sind somit bereits aufgrund der gesetzlichen Ordnung während des Konkursverfahrens genügend
sichergestellt. Aufgrund dessen kann sich der Schuldner die
Konkursaktiven, soweit sie in geldwerter Form vorliegen, auf
die Sicherstellung anrechnen lassen, indem nur im darüber
hinausgehenden Betrag separat Sicherstellung zu leisten ist.
In qualitativer Hinsicht bedeutet Hinlänglichkeit, dass im
Zeitpunkt der Bestätigung des Nachlassvertrages gewährleistet ist, dass der sicherzustellende Betrag den Gläubigern im
Zeitpunkt, in welchem sie die Leistung vom Schuldner verlangen können, auch wirklich zur Verfügung steht148. Im Übrigen bestimmt der Nachlassrichter, welche Art der Sicherstellung er als hinlänglich erachtet149,150. Die Sicherstellung
kann durch den Schuldner oder durch Dritte erfolgen151.
142
143
144
145
146
147
148
149
150
151
Art. 332 Abs. 2 SchKG.
Art. 262 Abs. 1 SchKG.
Art. 306 Abs. 2 Ziff. 2 SchKG.
Vgl. II.D.2.a.aa.
Art. 306 Abs. 2 Ziff. 2 in fine SchKG. Der Verzicht hat von jedem Gläubiger einzeln, ausdrücklich und schriftlich zu erfolgen; ein genereller Verzicht im Nachlassvertrag ist ungenügend,
vgl. Hardmeier (FN 110), Art. 306 SchKG N 24; Marchand
(FN 118), Art. 306 SchKG N 47; Brügger (FN 74), Art. 306
SchKG N 6.
Art. 9, Art. 24, Art. 223 Abs. 2, Art. 241 SchKG.
Ursula Fuchs, Der Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung
an einen Dritten, Diss. Basel 1999, 152; Marchand (FN 118),
Art. 306 SchKG N 43; Hardmeier (FN 110), Art. 306 SchKG
N 20.
ZR 95 Nr. 81; Hans Fritzsche/Hans Ulrich Walder,
Schuldbetreibung und Konkurs nach schweizerischem Recht,
Bd. II, Zürich 1993, § 74 N 12.
In Betracht kommen Barhinterlage auf einem Sperrkonto, Realsicherheiten (Pfandbestellung, Sicherungsübereignung), Bürgschaften, Bankgarantien und andere Personalsicherheiten oder
auch der Schuldbeitritt, allenfalls auch die Übertragung besonderer Vollzugs- und Überwachungsaufgaben (Art. 314 Abs. 2
SchKG) auf einen Dritten.
Fuchs (FN 148), 152; Gilliéron (FN 9), Art. 306 SchKG
N 28.
AJP 03_2009.indb 339
b.
Beim Liquidationsvergleich
aa.
Vollzug des Nachlassvertrages
Bei einem Liquidationsvergleich sind unter diesem Titel einzig die Verfahrenskosten sicherzustellen, da die Nachlassgläubiger beim Liquidationsvergleich durch die Einräumung
des Verfügungsrechts an den schuldnerischen Aktiven ausreichend sichergestellt sind152.
Anders verhält es sich nur, wenn der Nachlassvertrag
eine spezielle Sicherstellungsverpflichtung oder eine zusätzliche Verpflichtung des Schuldners enthält, welche über
die Abtretung (von Teilen) seines Vermögens hinausgeht153.
Beim Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung im Konkurs
ist ein im vorangegangenen Konkursverfahren aufgestellter
(rechtskräftiger) Kollokationsplan massgebend für die Teilnahme am Liquidationsergebnis154. Ist demnach (infolge zusätzlicher Verpflichtungen des Schuldners neben der Vermögensabtretung) überhaupt eine Sicherstellung notwendig, so
hat diese u.E. nur die rechtskräftig kollozierten und die noch
nicht rechtskräftig abgewiesenen Gläubiger zu umfassen. Im
Gegensatz zum Dividendenvergleich kommt es hier somit
auf die Anerkennung oder Bestreitung der Forderung durch
den Schuldner nicht an. Verspätet angemeldete Forderungen
sowie pro memoria vorgemerkte oder im Kollokationsstreit
liegende Forderungen sind diesfalls grundsätzlich, d.h. vorbehältlich eines abweichenden Entscheides des Nachlassrichters aufgrund der voraussichtlichen Unbegründetheit der
Forderung, ebenso sicherzustellen.
Bei einem Liquidationsvergleich mit Vermögensabtretung
an einen Einzelnen155 umfasst die Sicherstellung zusätzlich
zu den Verfahrenskosten auch die Abtretungssumme, d.h. die
Gegenleistung des Abtretungsempfängers156. Für die Sicherstellung wird in diesen Fällen regelmässig der Abtretungsempfänger besorgt sein.
bb.
Privilegierte Forderungen
Beim Liquidationsvergleich ist die Pflicht zur Sicherstellung der privilegierten Gläubiger grundsätzlich durch die
im Nachlassvertrag enthaltene Vermögensabtretung erfüllt,
sofern die Aktiven voraussichtlich157 zu deren vollständigen
Befriedigung ausreichen158. Eine separate Sicherstellung ist
diesbezüglich nicht erforderlich.
152
153
154
155
156
157
158
Hardmeier (FN 110), Art. 306 SchKG N 26; Brügger (FN 74),
Art. 306 SchKG N 4 und N 9; Hunkeler (FN 5), Rz. 1006.
Dies ist selten bis (fast) nie der Fall. Als zusätzliche Verpflichtung kommt etwa eine garantierte Mindestdividende bei einem
kombinierten Dividenden-/Liquidationsvergleich in Betracht.
Vgl. III.C.2.
Art. 317 Abs. 1, Art. 318 Abs. 1 Ziff. 3 SchKG.
Ludwig (FN 57), 8; Hunkeler (FN 5), Rz. 1006; Fuchs
(FN 148), 152; Hardmeier (FN 110), Art. 306 SchKG N 26.
Gilliéron (FN 9), Art. 306 SchKG N 34 spricht dagegen von
«certitude».
Hunkeler (FN 5), Rz. 1007 f.; Brügger (FN 74), Art. 306
SchKG N 9; Hardmeier (FN 110), Art. 306 SchKG N 26.
10.3.2009 9:12:24 Uhr
Franco Lorandi/Michael Erismann
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340
cc.
Masseverbindlichkeiten
Bei einem Liquidationsvergleich gelten auch die Masseverbindlichkeiten159 durch die Vermögensabtretung als hinlänglich gesichert160, sofern das abgetretene Vermögen voraussichtlich zur vollständigen Erfüllung derselben genügt.
III.
Folgen bei Bestätigung des
Nachlassvertrages
Der Entscheid des Nachlassrichters über den Nachlassvertrag
wird der Konkursverwaltung mitgeteilt161. Wird der Nachlassvertrag nicht genehmigt, so nimmt das Konkursverfahren
seinen Fortgang162. Kommt der Nachlassvertrag hingegen
zustande, hat dies verschiedene Auswirkungen.
A.
Widerruf des Konkurses
Lautet der Entscheid des Nachlassrichters auf Bestätigung
des Nachlassvertrages, so beantragt die Konkursverwaltung
von Amtes wegen163 beim Konkursgericht den Widerruf des
Konkurses164. Erst mit Widerruf des Konkurses wird der
Nachlassvertrag wirksam165. Da der Konkurs widerrufen und
nicht abgeschlossen wird, werden keine Verlustscheine ausgestellt.
Obschon Art. 332 Abs. 2 SchKG keinen Verweis auf
Art. 308 enthält, ist u.E. nicht nur der Widerruf des Konkurses166, sondern auch die Bestätigung des Nachlassvertrages öffentlich bekannt zu machen167. Die Gläubiger und
159
160
161
162
163
164
165
166
167
Wie beim ordentlichen Nachlassvertrag (vgl. II.D.2.a.cc.) gelten die während des Konkursverfahrens entstandenen Kosten
als Masseverbindlichkeiten (Art. 261 Abs. 1 SchKG).
Hunkeler (FN 5), Rz. 1012; Hardmeier (FN 110), Art. 306
SchKG N 26.
Art. 332 Abs. 3 Satz 1 SchKG.
Jaeger (FN 11), Art. 317 SchKG N 7; Jaeger/Walder/Kull/
Kottmann (FN 11), Art. 332 SchKG N 27; Gilliéron (FN 9),
Art. 332 SchKG N 33.
Jaeger (FN 11), Art. 317 SchKG N 7; Jaeger/Walder/Kull/
Kottmann (FN 11), Art. 332 SchKG N 26; Winkelmann/
Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7), Art. 332 SchKG
N 17; Gilliéron (FN 9), Art. 332 SchKG N 34.
Art. 332 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. Art. 195 Abs. 1 Ziff. 3 SchKG;
Winkelmann/Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler
(FN 7),
Art. 332 SchKG N 17; Gilliéron (FN 9), Art. 332 SchKG
N 34; Marchand (FN 118), Art. 332 SchKG N 29; Wüthrich/
Rothenbühler (FN 7), Art. 332 SchKG N 21; BGE 85 III 88.
Jaeger (FN 11), Art. 317 SchKG N 7; Winkelmann/Lévy/
Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7), Art. 332 SchKG N 17
in fine; Jaeger/Walder/Kull/Kottmann (FN 11), Art. 332
SchKG N 26; Wüthrich/Rothenbühler (FN 7), Art. 332
SchKG N 22.
Gemäss Art. 195 Abs. 3 SchKG.
Winkelmann/Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7),
Art. 332 SchKG N 17; Wüthrich/Rothenbühler (FN 7),
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sonstige Interessierte sollen damit nicht nur vom Ende des
Konkursverfahrens (zufolge Widerruf), sondern auch vom
Grund hierfür, nämlich dem Zustandekommen eines Nachlassvertrages, Kenntnis erlangen. Ein zusätzlicher Aufwand
oder zusätzliche Kosten sind damit nicht verbunden; die beiden Publikationen können miteinander verbunden werden.
Die Publikation obliegt dem Gericht, welches den Entscheid
getroffen hat168; vorliegend dem Konkursgericht.
Die Folgen des Widerrufs des Konkurses sind unterschiedlich, je nachdem, ob ein ordentlicher Nachlassvertrag
oder ein solcher mit Vermögensabtretung zustande kommt.
B.
Folgen beim ordentlichen
Nachlassvertrag
1.
Folgen für das Konkursverfahren
Durch den Widerruf des Konkurses wird das Konkursverfahren in seiner Gesamtheit rückgängig gemacht. Die vor dem
Konkurs bestandenen Rechtsverhältnisse leben grundsätzlich wieder auf, soweit dies faktisch noch möglich ist169. Bereits vorgenommene Verwertungshandlungen bleiben jedoch
gültig170.
Die Konkursmasse als Sondervermögen und Rechtssubjekt wird aufgehoben171. Der Schuldner erlangt die Verfügungsgewalt über sein Vermögen wieder, soweit dieses noch
nicht verwertet worden ist172. Bei bereits durchgeführter
Verwertung besteht dieses Recht des Schuldners am Verwertungsergebnis. Ist der Schuldner eine juristische Person,
so wird die Vertretungsmacht der Organe wiederhergestellt.
168
169
170
171
172
Art. 332 SchKG N 23; a.M. Jaeger (FN 11), Art. 317 SchKG
N 6; Jaeger/Walder/Kull/Kottmann (FN 11), Art. 332
SchKG N 25; Gilliéron (FN 9), Art. 332 SchKG N 23, N 35.
Art. 308 SchKG und Art. 332 Abs. 3 i.V.m. Art. 195 Abs. 3 und
Art. 176 SchKG analog; Hardmeier (FN 110), Art. 308 SchKG
N 16; Alexander Brunner, in: Adrian Staehelin/Thomas
Bauer/Daniel Staehelin (Hrsg.), Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, Basel/Genf/München
1998, Art. 195 SchKG N 13.
Jaeger (FN 11), Art. 195 SchKG N 2.
Flavio Cometta, in: Louis Dallèves/Benedict Foëx/Nicolas
Jeandin (Hrsg.), Poursuite et faillite: commentaire de la Loi
fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite ainsi que des
articles 166 à 175 de la Loi fédérale sur le droit international
privé (Commentaire Romand), Basel 2005, Art. 195 SchKG
N 8.
Wüthrich/Rothenbühler (FN 7), Art. 332 SchKG N 25;
BGE 49 III 197.
Wüthrich/Rothenbühler (FN 7), Art. 332 SchKG N 25;
Glarner (FN 15), 37 f.; Winkelmann/Lévy/Jeanneret/
Merkt/Birchler (FN 7), Art. 332 SchKG N 18; Amonn/
Walther (FN 32), § 39 N 6; Gilliéron (FN 9), Art. 332
SchKG N 30; Walter A. Stoffel, Voies d’éxécution, Bern
2002, § 9 N 125; Cometta (FN 170), Art. 195 SchKG N 8;
Junod Moser/Gaillard (FN 32), Art. 332 SchKG N 32;
BGE 117 III 42, 49 III 198.
10.3.2009 9:12:24 Uhr
Nachlassvertrag im Konkurs (Art. 332 SchKG)
AJP/PJA 3/2009
341
Das Handelsregisteramt hat die anlässlich der Konkurseröffnung vorgenommenen Löschungen von Amtes wegen rückgängig zu machen173. Die Befugnisse der Konkursverwaltung
und eines allfälligen Gläubigerausschusses erlöschen vollumfänglich174. Allenfalls kann der Nachlassrichter eine Person einsetzen, die zur Durchführung oder zur Sicherstellung
der Erfüllung des Nachlassvertrages mit Überwachungs-,
Geschäftsführungs- oder Liquidationsbefugnissen betraut
wird175.
Die Pfandgläubiger erhalten die Befugnis zur Verwertung
ihrer Pfänder wieder, sofern der Nachlassrichter deren Verwertung nicht sistiert176. Betreibungen, die im Zeitpunkt der
Konkurseröffnung hängig waren, leben grundsätzlich nicht
wieder auf177. Eine Ausnahme gilt für Betreibungen auf
Pfandverwertung; diese werden fortgeführt178.
2.
Dividendenberechtigung
Dividendenberechtigt sind zum einen alle Gläubiger, deren
Forderungen (vor Konkurseröffnung bzw. bis zum Widerruf desselben mit voller materieller Rechtskraftwirkung179)
gerichtlich festgestellt wurden. Anspruch auf Dividende haben auch Gläubiger, deren Forderungen der Gemeinschuldner im Konkursverfahren bei der Prüfung der eingegebenen
Forderungen anerkannt hat180. Es ist damit der Schuldner,
der – gleich wie beim (ordentlichen) Nachlassvertrag ausser
Konkurs181 – über die Zulassung von Forderungen und damit über die Dividendenberechtigung entscheidet182. Auf die
173
174
175
176
177
178
179
180
181
182
Beurteilung der Forderung durch die Konkursverwaltung im
Rahmen der Kollokation kommt es (anders als beim Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung183) nicht an184.
Wenn der Schuldner eine Forderung im Konkursverfahren bestritten hat, setzt der Nachlassrichter bei Bestätigung
des Dividendenvergleichs dem Gläubiger eine Frist von
20 Tagen ab Widerruf des Konkurses185 an, um seine Forderung gerichtlich gegen den Schuldner geltend zu machen186.
Nach Massgabe des Prozessausgangs ist auch dieser Gläubiger dividendenberechtigt187. Selbst wenn der betreffende
Gläubiger die Frist verstreichen lässt, bedeutet dies nicht
die Verwirkung seiner Forderung. Er kann seinen Anspruch
auf Nachlassdividende unter Vorbehalt der Verjährung seiner
Forderung jederzeit geltend machen. Mit Ablauf der 20-tägigen Frist verliert er einzig das Privileg der Sicherstellung
seiner Dividende188.
Glarner (FN 15), 38; Art. 158 f. HRegV.
Jaeger (FN 11), Art. 317 SchKG N 7; Winkelmann/Lévy/
Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7), Art. 332 SchKG N 20;
Junod Moser/Gaillard (FN 32), Art. 332 SchKG N 36;
Wüthrich/Rothenbühler (FN 7), Art. 332 SchKG N 25.
Art. 332 Abs. 2 i.V.m. Art. 314 Abs. 2 SchKG.
Art. 332 Abs. 2 i.V.m. Art. 306a Abs. 1 SchKG; Winkelmann/
Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7), Art. 332 SchKG
N 19; Gilliéron (FN 9), Art. 332 SchKG N 36; Wüthrich/
Rothenbühler (FN 7), Art. 332 SchKG N 26; a.M. BGE
107 III 42 f., welcher allerdings zum alten Gesetzeswortlaut
erging, so dass dieser Entscheid nicht mehr massgeblich ist,
vgl. Gilliéron (FN 9), Art. 332 SchKG N 22.
Art. 332 Abs. 2 i.V.m. Art. 311 SchKG; Gilliéron (FN 9),
Art. 332 SchKG N 26; Brunner (FN 168), Art. 195 SchKG
N 11; Amonn/Walther (FN 32), § 39 N 7; Stoffel (FN 173),
§ 9 N 125; Cometta (FN 170), Art. 195 SchKG N 8; BGE 93
III 59, 75 III 67.
Art. 332 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Art. 311 SchKG.
Kollokationsurteile entfalten keine materielle Rechtskraft über
das Konkursverfahren hinaus (vgl. III.B.3.).
Art. 332 Abs. 2 i.V.m. Art. 315 sowie Art. 244 SchKG; Winkelmann/Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7), Art. 332
SchKG N 18; Gilliéron (FN 9), Art. 332 SchKG N 29; Junod
Moser/Gaillard (FN 22), Art. 332 SchKG N 33; Wüthrich/
Rothenbühler (FN 7), Art. 332 SchKG N 25; BGE 49 III
198 f.
Vgl. Art. 315 SchKG.
BGE 49 III 199.
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3.
Bedeutung des Kollokationsplans
Beim ordentlichen Nachlassvertrag189 im Konkurs verliert
der Kollokationsplan mit Bestätigung des Dividendenvergleichs jede Bedeutung190. Dies ergibt sich aus dem Wesen
des Kollokationsverfahrens, welches auf das Vollstreckungsverfahren beschränkt ist. Dies zeigt sich auch darin, dass es
sich bei der Kollokationsklage um eine betreibungsrechtliche
Klage mit Reflexwirkung auf das materielle Recht handelt.
Das Urteil im Kollokationsprozess hat keine über das betreffende Konkursverfahren hinausgehende materiellrechtliche
Bedeutung. Dies gilt für unangefochtene Kollokationsverfügungen a fortiori. Weder Kollokationsverfügungen noch
Kollokationsurteile begründen daher ausserhalb des betreffenden Konkursverfahrens die Einrede der res iudicata191.
Somit werden hängige Kollokationsklagen mit Widerruf
des Konkurses (zufolge Zustandekommens eines ordent-
183
184
185
186
187
188
189
190
191
Vgl. III.C.2.
Winkelmann/Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7),
Art. 332 SchKG N 18; Wüthrich/Rothenbühler (FN 7),
Art. 332 SchKG N 25; zur Relevanz der Kollokation und des
Kollokationsplans vgl. III.B.3.
Winkelmann/Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7),
Art. 332 SchKG N 18; Junod Moser/Gaillard (FN 22),
Art. 332 SchKG N 33 f.; Wüthrich/Rothenbühler (FN 7),
Art. 332 SchKG N 25.
Art. 332 Abs. 2 i.V.m. Art. 315 Abs. 1 SchKG; Winkelmann/
Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7), Art. 332 SchKG
N 18; Gilliéron (FN 9), Art. 332 SchKG N 29; Junod Moser/Gaillard (FN 22), Art. 332 SchKG N 33 f.
Aus diesem Grund sind grundsätzlich auch bestrittene Forderungen sicherzustellen (vgl. II.D.2.a.aa.).
Art. 315 Abs. 1 SchKG; vgl. II.D.2.a.aa.
Anders beim Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung, vgl.
III.C.2.
BGE 49 III 198.
Statt vieler: Amonn/Walther (FN 32), § 46 N 62; a.M. Daniel
Spichty, Gegenstand, Rechtsnatur und Rechtskraftwirkung des
Kollokationsplanes im Konkurs, Diss. Basel 1979, 146 ff.
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Franco Lorandi/Michael Erismann
AJP/PJA 3/2009
342
lichen Nachlassvertrages) gegenstandslos192. Dies gilt sowohl für Zulassungs-193 als auch für Wegweisungsklagen194.
Mit der Aufhebung der Konkursmasse fällt denn auch die
Prozessführungsbefugnis des Wegweisungsklägers dahin195.
Ganz generell gilt: «Die Gläubiger konkurrieren nicht mehr
miteinander mit Bezug auf das Recht, aus einem bestimmten Aktivum [nämlich der Masse] bezahlt zu werden. Jeder
einzelne von ihnen kann nur verlangen, dass er gemäss dem
Nachlassvertrag befriedigt [wird].»196
4.
Auswirkungen auf Abtretungen gemäss
Art. 260 SchKG und gestützt darauf eingeleitete Prozesse
Abtretungsgläubiger agieren als Prozessstandschafter in
eigenem Namen und auf eigene Rechnung, aber aus dem
Recht der Masse197. Die Abtretung gemäss Art. 260 SchKG
ist ein insolvenzrechtliches Institut (der Generalexekution)
zum Zwecke der Verwertung bestrittener Aktivforderungen
der Masse. Mit dem Widerruf des Konkurses wird die Masse aufgehoben198. Mit Zustandekommen eines ordentlichen
Nachlassvertrages findet keine Generalexekution mehr statt.
Damit entfällt die konkursrechtliche Grundlage der Abtretung. Die Abtretungen fallen daher mit Widerruf des Konkurses von Gesetzes wegen dahin199,200.
Gleichsam fehlt es dem Abtretungsgläubiger nunmehr an
der notwendigen konkursrechtlichen Legitimation zur Verfolgung des abgetretenen Anspruchs201. Somit werden Klagen,
welche vom Abtretungsgläubiger angehobenen worden sind,
grundsätzlich gegenstandslos202. Diese Regel gilt ausnahmslos, soweit es sich um rein vollstreckungsrechtliche Klagen
oder um betreibungsrechtliche Klagen mit Reflexwirkung
auf das materielle Recht handelt. Dazu gehören etwa paulia-
192
193
194
195
196
197
198
199
200
201
202
Winkelmann/Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7),
Art. 332 SchKG N 18; Gilliéron (FN 9), Art. 332 SchKG
N 29.
Art. 250 Abs. 1 SchKG.
Art. 250 Abs. 2 SchKG.
BGE 49 III 197.
BGE 49 III 198.
BGE 122 III 490, 113 III 137.
Vgl. III.B.1.
Jaeger (FN 11), Art. 260 SchKG N 3; Winkelmann/Lévy/
Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7), Art. 332 SchKG N 20;
Amonn/Walther (FN 32), § 47 N 71; Junod Moser/Gaillard (FN 22), Art. 332 SchKG N 36; BGE 109 III 29, 49 III
197, 43 III 75; noch offengelassen wurde die Frage in BGE 33 I
242.
Es handelt sich insofern nicht um eine bereits abgeschlossene
Verwertungshandlung, vgl. III.B.1.
BGE 109 III 29, 33 I 242.
BGE 49 III 197; vgl. auch Winkelmann/Lévy/Jeanneret/
Merkt/Birchler (FN 7), Art. 332 SchKG N 20; Brunner
(FN 168), Art. 195 SchKG N 11; Wüthrich/Rothenbühler
(FN 7), Art. 332 SchKG N 27.
AJP 03_2009.indb 342
nische Anfechtungsklagen (Art. 285 ff. SchKG)203 oder Aussonderungsklagen (Art. 242 SchKG)204.
Anders kann es sich u.E. dagegen für Prozesse verhalten,
welche eine rein materiellrechtliche Streitigkeit zum Gegenstand haben. In diesen Fällen ist es nach Massgabe des
Prozessrechts möglich, dass der Schuldner anstelle des Abtretungsgläubigers in den Prozess eintritt und diesen (anstelle des Abtretungsgläubigers) fortführt (sog. Parteiwechsel).
Denn mit Widerruf des Konkurses erlangt der Schuldner wieder die volle Verfügungsbefugnis über sein Vermögen205 und
damit über den Streitgegenstand. Sofern die massgebliche
Prozessordnung schon bei materiellrechtlicher Übertragung
des Prozessgegenstandes206 einen Parteiwechsel zulässt207, so
muss dies bei Wiedererlangung der Prozessführungsbefugnis
(zufolge Wegfalls der Abtretung gemäss Art. 260 SchKG) a
fortiori gelten.
5.
Auswirkungen auf sonstige Prozesse
Prozesse, welche vor Konkurseröffnung eingeleitet und zufolge Konkurs sistiert wurden (Art. 207 SchKG), werden
zwischen dem Schuldner und der Gegenpartei fortgeführt208.
Dies gilt sowohl für Aktivprozesse als auch für Forderungsprozesse gegen den Schuldner. Soweit der Schuldner in
einem Passivprozess die Forderung im Rahmen der Erwährung (weiterhin) bestritten hat, macht es keinen Sinn, solche
Prozesse als gegenstandslos zu betrachten und dem Gläubiger sogleich gemäss Art. 315 SchKG Frist anzusetzen209,
um eine neue Klage gegen den Schuldner zu führen. Hat der
Schuldner die Forderung im Konkurs hingegen anerkannt, ist
der Gläubiger zwar grundsätzlich dividendenberechtigt210,
jedoch nur vorbehältlich der gerichtlichen Feststellung von
Bestand und Umfang seiner Forderung. Der Prozess wird
daher nicht gegenstandslos, sondern ist fortzuführen. Da der
203
204
205
206
207
208
209
210
Statt vieler: Amonn/Walther (FN 32), § 52 N 39 ff.
Amonn/Walther (FN 32), § 45 N 46; Marc Russenberger,
in: Adrian Staehelin/Thomas Bauer/Daniel Staehelin (Hrsg.),
Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, Basel/Genf/München 1998, Art. 242 SchKG N 6; Nicolas
Jeandin/Philipp Fischer, in: Louis Dallèves/Benedict Foëx/
Nicolas Jeandin (Hrsg.), Poursuite et faillite: commentaire de la
Loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite ainsi que
des articles 166 à 175 de la Loi fédérale sur le droit international privé (Commentaire Romand), Basel 2005, Art. 242 SchKG
N 27; Gilliéron (FN 9), Art. 242 SchKG N 71.
Vgl. III.B.1.
Wie etwa bei Abtretung des einklagten Anspruchs, vgl.
Richard Frank/Hans Sträuli/Georg Messmer, Kommentar zur zürcherischen Zivilprozessordnung, 3. A., Zürich 1997,
§ 49 ZPO N 2; auch bei Veräusserung des Streitgegenstandes
auf Beklagtenseite: Hans Ulrich Walder-Richli, Zivilprozessrecht, 4. A., Zürich 1996, § 15 N 4.
Vgl. § 49 ZPO ZH; Art. 83 E-ZPO.
A.M. Gilliéron (FN 9), Art. 332 SchKG N 29.
Art. 244 Satz 2 SchKG.
Vgl. III.B.2.
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Nachlassvertrag im Konkurs (Art. 332 SchKG)
AJP/PJA 3/2009
343
Schuldner die Forderung anerkennt, wird er sich der Klage
kaum mehr widersetzen. Wenn der Schuldner nicht nur die
Forderung, sondern auch die Klage anerkennt, wird der Prozess als zufolge Klageanerkennung erledigt abgeschrieben.
Für Prozesse, welche die Konkursmasse gegen Dritte angehoben hat, verhält es sich u.E. gleich wie für Prozesse von
Abtretungsgläubigern211: Die Prozesse der Masse werden
mit Widerruf des Konkurses gegenstandlos, soweit es sich
um rein vollstreckungsrechtliche Klagen oder um betreibungsrechtliche Klagen mit Reflexwirkung auf das materielle Recht handelt. Prozesse, für welche der Konkurs eine Voraussetzung darstellt (wie etwa Verantwortlichkeitsklagen der
Gesellschaftsgläubiger; Art. 757 OR), sind abzuweisen, da
es mit Widerruf des Konkurses an der Aktivlegitimation der
Kläger fehlt212. Bei rein materiellrechtlichen Streitigkeiten
(für welche der Konkurs keine Voraussetzung ist) ist nach
Massgabe des Prozessrechts ein Parteiwechsel möglich, in
welchem Fall der Schuldner den Prozess gegen den Dritten
fortsetzen kann.
SchKG, soweit diese Ordnung nicht durch das vorangegangene Verfahren (Art. 332 SchKG) derogiert worden ist218.
Betreibungen können nicht fortgesetzt werden219. Vorbehalten bleibt das Absonderungsrecht der Faustpfandgläubiger220 und das Recht der Grundpfandgläubiger, ihr Pfand zu
verwerten221.
2.
Bedeutung des Kollokationsplans/
Dividendenberechtigung
Bei Annahme eines Nachlassvertrages mit Vermögensabtretung tritt das eine Verfahren der Generalexekution (Liquidationsvergleich) an die Stelle des anderen (Konkursverfahren). Die Auswirkungen sind daher bedeutend geringer als
bei Annahme eines ordentlichen Nachlassvertrages.
An die Stelle der Konkursmasse tritt die Nachlassmasse213.
Der Schuldner erlangt diesfalls die Verfügungsmacht über
sein Vermögen (zumindest im Umfang, da er seinen Gläubigern das Verfügungsrecht eingeräumt hat214) gerade nicht
wieder215. An die Stelle der Konkursverwaltung treten die Liquidatoren216. Sie vertreten die Nachlassmasse vor Gericht217.
Das nachfolgende Verfahren richtet sich nach den Art. 317 ff.
Beim Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung konkurrieren die Gläubiger (unbesehen des Widerrufs des Konkurses)
ebenso miteinander, wie dies im Konkurs der Fall war; sie
wollen aus denselben Aktiven befriedigt werden. Im Gegensatz zum Dividendenvergleich222 kommt es beim Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung (ausser Konkurs) für die
Frage, ob ein Gläubiger am Liquidationsergebnis teilhaben
kann, nicht auf die Anerkennung seiner Forderung durch den
Nachlassschuldner an223. Massgebend ist einzig der Kollokationsplan. Dieser wird im Regelfall (des Nachlassvertrages
ausser Konkurs) durch die im Liquidationsvergleich bezeichneten Liquidatoren aufgestellt224.
Beim Liquidationsvergleich im Konkurs besteht insofern
eine Besonderheit, als im Konkursverfahren, welches dem
Nachlassverfahren vorangegangen ist, bereits eine Kollokation durchgeführt werden musste225. Auf die Kollokation
beim Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung (ausser Konkurs) sind grundsätzlich die konkursrechtlichen Bestimmungen sinngemäss anwendbar226. Es ergäbe deshalb keinen
Sinn, die bereits durchgeführte Kollokation zu ignorieren
und ein neues Kollokationsverfahren durch die Liquidatoren
durchzuführen. Deshalb ist die Nachlassmasse an den im
Rahmen des Konkursverfahrens aufgestellten Kollokationsplan gebunden227. Es wird kein neuer Kollokationsplan aufgestellt228.
Dabei gilt es folgendes zu beachten: Im Konkurs müssen
bei der Kollokation grundsätzlich nur angemeldete Forde-
211
218
C.
Folgen beim Liquidationsvergleich
1.
Folgen für das Konkursverfahren/
Fortsetzung des Vollstreckungsverfahrens
212
213
214
215
216
217
Vgl. III.B.4.
Vgl. Winkelmann/Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7),
Art. 332 SchKG N 20; Wüthrich/Rothenbühler (FN 7),
Art. 332 SchKG N 27 sprechen von «Beendigung» solcher Verfahren.
Winkelmann/Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7),
Art. 332 SchKG N 21; Gilliéron (FN 9), Art. 332 SchKG
N 29.
Art. 332 Abs. 2 i.V.m. Art. 317 Abs. 1 SchKG.
Art. 332 Abs. 2 i.V.m. Art. 319 Abs. 1 SchKG; Winkelmann/
Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7), Art. 332 SchKG
N 21; Amonn/Walther (FN 32), § 55 N 22; Gilliéron
(FN 9), Art. 332 SchKG N 30 f.; Wüthrich/Rothenbühler
(FN 7), Art. 332 SchKG N 28.
Winkelmann/Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7),
Art. 332 SchKG N 21.
Art. 332 Abs. 2 i.V.m. Art. 319 Abs. 4 Satz 1 SchKG.
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219
220
221
222
223
224
225
226
227
228
Gilliéron (FN 9), Art. 332 SchKG N 31.
Art. 332 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Art. 311 SchKG.
Art. 332 Abs. 2 i.V.m. Art. 324 SchKG.
Art. 332 Abs. 2 i.V.m. Art. 323 SchKG.
Vgl. III.B.2.
Fritzsche/Walder (FN 149), § 77 N 24.
Art. 321 SchKG.
Art. 332 Abs. 1 Satz 2 SchKG.
Winkelmann/Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7),
Art. 332 SchKG N 21.
Ludwig (FN 57), 86; Winkelmann/Lévy/Jeanneret/Merkt/
Birchler (FN 7), Art. 332 SchKG N 21; Junod Moser/Gaillard (FN 22), Art. 321 SchKG N 7; BGE 49 III 198; missverständlich Amonn/Walther (FN 32), § 55 N 33; Wüthrich/
Rothenbühler (FN 7), Art. 332 SchKG N 28; BGE 49 III
198.
Gilliéron (FN 9), Art. 332 SchKG N 29.
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344
rungen berücksichtig werden229; einzig die aus dem Grundbuch ersichtlichen Forderungen sind von Amtes wegen zu
berücksichtigen230. Demgegenüber besteht beim Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung (ausser Konkurs) die Pflicht,
bei der Kollokation auch sämtliche Forderungen von Amtes
wegen zu berücksichtigen, welche sich aus den Geschäftsbüchern des Nachlassschuldners ergeben231. Trotz des Verweises in Art. 332 Abs. 3 Satz 1 SchKG auf die Bestimmung
beim Liquidationsvergleich ausser Konkurs müssen u.E.
Geschäftsbuchforderungen nicht von Amtes wegen berücksichtigt werden232. Da die Kollokation unter dem Regime des
Konkursrechts erfolgte und aus Gründen der Verfahrensökonomie für den Liquidationsvergleich übernommen wird, ist
es nicht gerechtfertigt, die Geschäftsbuchgläubiger besser zu
stellen als andere Gläubiger, welche ihre Forderungen nicht
anmelden.
3.
Schicksal hängiger Kollokationsprozesse
Ist beim Liquidationsvergleich der im vorangehenden Konkursverfahren erstellte Kollokationsplan massgebend233, so
sind folgerichtig auch hängige Kollokationsprozesse weiterzuführen. Sowohl die Liquidatoren (als Vertreter der beklagten Masse beim positiven Kollokationsprozess) als auch die
Wegweisungskläger (beim negativen Kollokationsprozess)
agieren aus dem Recht der Masse. Diese mutiert infolge der
Bestätigung des Nachlassvertrages von der Konkurs- zur
Nachlassmasse. Dies stellt jedoch keinen Rechtsübergang
dar. Die Mutation ändert auch nichts am Rechtsschutzinteresse der Parteien des Kollokationsprozesses.
Die Liquidatoren bzw. die Nachlassmasse treten an Stelle
der Konkursverwaltung bzw. der Konkursmasse in den positiven Kollokationsprozess ein234. Es findet u.E. von Bundesrechts wegen ein Parteiwechsel i.w.S. statt, welcher unbesehen der Bestimmungen der anwendbaren Prozessordnung
zum Parteiwechsel zulässig ist235. Auch der Wegweisungsprozess bleibt u.E. von der Bestätigung des Liquidationsvergleichs bzw. vom Konkurswiderruf unberührt.
229
230
231
232
233
234
235
Art. 244 Abs. 1 SchKG.
Art. 246 SchKG.
Art. 321 SchKG.
So auch Gilliéron (FN 9), Art. 332 SchKG N 31.
Vgl. III.C.2.
Ludwig (FN 57), 86; vgl. auch Winkelmann/Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7), Art. 332 SchKG N 21; Wüthrich/Rothenbühler (FN 7), Art. 332 SchKG N 28.
Es verhält sich insofern ähnlich, wie wenn in einem hängigen
Prozess anstelle der (vormals aufrechtstehenden) Partei die
Masse in den Prozess eintritt, vgl. Adrian Staehelin/Daniel
Staehelin/Pascal Grolimund, Zivilprozessrecht, Zürich
2008, § 13 N 78.
AJP 03_2009.indb 344
4.
Auswirkungen auf Abtretungen gemäss
Art. 260 SchKG und gestützt darauf eingeleitete Prozesse
Im Fall des Nachlassvertrages mit Vermögensabtretung muss
hinsichtlich des Schicksals von im Konkurs vorgenommenen
Forderungsabtretungen (Art. 260 SchKG) und gestützt darauf eingeleiteten Klagen unterschieden werden:
Bei der Abtretung gemäss Art. 260 SchKG (im Konkurs)
handelt es sich um eine Verwertungshandlung, wie sie ebenso beim Liquidationsvergleich möglich ist236. Sofern durch
den Nachlassvertrag das gesamte schuldnerische Vermögen
abgetreten wird und die Abtretung dieses Vermögens nicht
an einen Einzelnen erfolgt237, besteht kein Grund, die Forderungsabtretung dahinfallen zu lassen. Die konkursrechtliche
Grundlage wird durch die nachlassrechtliche substituiert.
Weder muss die Abtretung im Konkursverfahren widerrufen,
noch muss durch die Liquidatoren eine neue Abtretungsverfügung erlassen werden.
Dementsprechend fallen auch gestützt auf die Abtretung
angehobene Klagen nicht dahin. Die Abtretung und die gestützt darauf eingeleiteten Prozesse überdauern den Übergang vom Konkurs zum Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung unberührt.
Handelt es sich bei der nach Art. 260 SchKG abgetretenen
Forderung hingegen um einen strittigen Anspruch, in Bezug
auf welchen der Gläubigergesamtheit im Liquidationsvergleich das Verfügungsrecht nicht eingeräumt worden ist238,
so fällt der Anspruch an den Nachlassschuldner zurück239.
Es gilt damit dasselbe wie beim Dividendenvergleich: Die
bestrittene Forderung ist diesfalls nicht Teil der Nachlassmasse; der Abtretungsgläubiger kann nicht mehr aus deren
Recht agieren. Dasselbe gilt, wenn der strittige Anspruch, in
Bezug auf welchen eine Abtretung gemäss Art. 260 SchKG
erfolgt ist, im Nachlassvertrag an einen Dritten (und nicht an
die Gläubigergesamtheit) übertragen wird240. In beiden Fällen fällt die Abtretung nach Art. 260 SchKG dahin.
Hingegen ist u.E. auch in diesen Fällen ein Parteiwechsel nach Massgabe des anwendbaren Prozessrechts durchaus
möglich und sinnvoll: Voraussetzung ist jedoch, dass es sich
um eine rein materiellrechtliche Streitigkeiten handelt241. Je
nach Konstellation kann somit der Nachlassschuldner oder
der einzelne Abtretungsgläubiger in den Prozess eintreten.
Bei rein betreibungsrechtlichen Klagen und bei betreibungsrechtlichen Klagen mit Reflexwirkung auf das materielle
Recht besteht eine solche Möglichkeit dagegen nicht242.
236
237
238
239
240
241
242
Art. 332 Abs. 2 i.V.m. Art. 325 SchKG.
Art. 317 Abs. 1, Art. 318 Abs. 1 Ziff. 3 SchKG.
Art. 332 Abs. 2 i.V.m. Art. 317 Abs. 1 SchKG.
Junod Moser/Gaillard (FN 22), Art. 319 SchKG N 4.
Art. 317 Abs. 1, Art. 318 Abs. 1 Ziff. 3 SchKG.
Vgl. III.B.4., III.B.5.
Vgl. III.B.4.
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Nachlassvertrag im Konkurs (Art. 332 SchKG)
AJP/PJA 3/2009
345
5.
Auswirkungen auf sonstige Prozesse
Prozesse, welche vor Konkurseröffnung eingeleitet und
deshalb zufolge Konkurs sistiert wurden243, werden von der
Nachlassmasse weitergeführt, wenn die Liquidatoren (und je
nach dessen Kompetenzen auch der Gläubigerausschuss244)
dies so beschliessen245. Gleiches gilt für während des Konkursverfahrens angehobene Prozesse zwischen der Konkursmasse und Dritten.
Wenn der im Prozess liegende Aktivanspruch der Masse
im Nachlassvertrag einem Dritten übertragen worden ist246,
findet eine materiellrechtliche Übertragung des Anspruchs
statt. Soweit das massgebliche Prozessrecht in diesen Fällen
einen Parteiwechsel zulässt247, kann der Dritte in den Prozess
eintreten. Entsprechendes muss für den Nachlassschuldner
gelten, wenn der streitgegenständliche Anspruch vom Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung ausgenommen wird, so
dass er an den Nachlassschuldner zurückfällt.
Prozesse, für welche der Konkurs eine Voraussetzung
darstellt (wie etwa Verantwortlichkeitsklagen der Gesellschaftsgläubiger248), können trotz Widerruf des Konkurses
weitergeführt werden249; die Genehmigung eines Nachlassvertrages mit Vermögensabtretung wird einem Konkurs
gleichgesetzt250. Voraussetzung ist auch diesbezüglich, dass
der Anspruch der Gläubigergesamtheit im Nachlassvertrag
abgetreten worden ist.
243
244
245
246
247
248
249
250
Art. 207 SchKG.
Art. 318 Abs. 1 Ziff. 2, Art. 320 Abs. 1 SchKG.
Winkelmann/Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler (FN 7),
Art. 319 SchKG N 37.
Art. 317 Abs. 1, Art. 318 Abs. 1 Ziff. 3 SchKG.
Vgl. III.B.4 in fine.
Art. 757 OR.
Hunkeler (FN 5), Rz. 1099.
Peter Widmer/Dieter Gericke/Stefan Waller, in: Heinrich Honsell/Peter Nedim Vogt/Rolf Watter (Hrsg.), Basler
Kommentar zum Schweizerischen Priavtrecht, Obligationenrecht II (OR 530–1186), 3. A., Basel 2008, Art. 757 OR N 3;
BGE 65 II 4 f.
AJP 03_2009.indb 345
Le concordat dans la procédure de faillite donne lieu à un passage de la procédure de faillite à la procédure concordataire.
Les règles relatives au concordat hors de la faillite ne peuvent
dès lors pas s’appliquer sans autre au concordat dans la procédure de faillite qui n’est que partiellement réglé dans la loi. Par
ailleurs, il convient de distinguer le concordat-dividende et le
concordat par abandon d’actif.
Il existe notamment des particularités concernant l'assemblée des créanciers, le calcul des seuils d'approbation, la garantie du dividende concordataire et le droit au dividende.
Dans ce cadre, l'importance de la collocation dans la faillite est
plus ou moins prononcée. Finalement, l’homologation d’un
concordat dans la procédure de faillite entraîne des conséquences sur les cessions selon l’art. 260 LP ainsi que sur les
procès engagés sur cette base et d’autres procès. Le présent
article offre un aperçu de la procédure de concordat dans la
faillite et traite de manière approfondie certaines particularités
qui en découlent.
(trad. LT LAWTANK, Fribourg)
10.3.2009 9:12:25 Uhr
Chronik der Rechtsetzung/Législation
AJP/PJA 3/2009
Chronik der Rechtsetzung
Législation
346
Dr. iur. HSG Daniel Füllemann, St. Gallen
Stand / Etat: 17. Februar 2009 / 17 février 2009
1.
Verfassungs- und Verwaltungsrecht /
Droit constitutionnel et administratif
1.2.
Staatsorganisation und Behörden /
Organisation de l’Etat et autorités
• Bundesgesetz über die Bundesversammlung (Parlamentsgesetz, ParlG) (Geschäftsbericht des Bundesrates) vom
13. Dezember 2002 (SR 171.10). AS 2009 697.
Loi sur l’Assemblée fédérale (Loi sur le Parlement, LParl)
(Rapport de gestion du Conseil fédéral) du 13 décembre
2002 (RS 171.10). RO 2009 697.
Änderungserlass mit Themenangabe vom 3. Oktober 2008. Inkrafttreten am 1. März 2009.
Die Änderung betrifft die Regelung zur Vertretung des bundesrätlichen Geschäftsberichts vor dem Parlament.
• Geschäftsreglement des Nationalrates (GRN) (Geschäftsbericht des Bundesrates) vom 3. Oktober 2003 (SR 171.13).
AS 2009 699.
Règlement du Conseil national (RCN) (Rapport de gestion
du Conseil fédéral) du 3 octobre 2003 (RS 171.13). RO
2009 699.
Änderungserlass mit Themenangabe vom 19. Dezember 2008.
Inkrafttreten am 1. März 2009.
Die Änderung betrifft die Regelung zur Vertretung des bundesrätlichen Geschäftsberichts vor dem Nationalrat.
1.8.
Landesverteidigung. Militärrecht. Notstand /
Défense nationale. Droit militaire. Etat de
nécessité
• Militärstrafgesetz und Militärstrafprozess (Korrekturen
infolge der Revision des AT MStG und weitere Anpassungen) vom 3. Oktober 2008. AS 2009 701.
Code pénal militaire et procédure pénale militaire (Modifications découlant de la nouvelle PG CPM et autres adaptations) du 3 octobre 2008. RO 2009 701.
Anpassungserlass. Inkrafttreten am 1. März 2009.
Mit diesem Erlass werden die nachfolgenden Erlasse geändert:
– SR 321.0 Militärstrafgesetz vom 13. Juni 1927 (Änderung per
1. März 2009).
– SR 322.1 Militärstrafprozess vom 23. März 1979 (Änderung
per 1. März 2009).
Änderung des Inhalts vom 13. Januar 2009. Inkrafttreten am
1. Dezember 2008.
• Verordnung des EFD über die Ausfuhrbeitragsansätze für
landwirtschaftliche Grundstoffe vom 27. Januar 2005 (SR
632.111.723.1). AS 2009 381.
Ordonnance du DFF sur les taux des contributions à
l’exportation de produits agricoles de base du 27 janvier
2005 (RS 632.111.723.1). RO 2009 381.
Änderung des Inhalts vom 13. Januar 2009. Inkrafttreten am
1. Januar 2009.
• Verordnung des EFD über Zollerleichterungen für Waren
je nach Verwendungszweck (Zollerleichterungsverordnung,
ZEV) vom 4. April 2007 (SR 631.012). AS 2009 579.
Ordonnance du DFF sur les marchandises bénéficiant
d’allégements douaniers selon leur emploi (Ordonnance
sur les allégements douaniers, OADou) du 4 avril 2007 (RS
631.012). RO 2009 579.
Änderung des Inhalts vom 30. Januar 2009. Inkrafttreten am
1. Februar 2009.
• Verordnung des EFD über die anwendbaren beweglichen
Teilbeträge bei der Einfuhr von Erzeugnissen aus Landwirtschaftsprodukten vom 27. Januar 2005 (SR 632.111.722.1).
AS 2009 473.
Ordonnance du DFF concernant les éléments mobiles applicables à l’importation de produits agricoles transformés
du 27 janvier 2005 (RS 632.111.722.1). RO 2009 473.
Änderung des Inhalts vom 26. Januar 2009. Inkrafttreten am
1. Februar 2009.
1.13.
Wirtschaftsverwaltungsrecht /
Droit économique administratif
S. 3.10. / V. 3.10.
1.15.
Land- und Forstwirtschaft /
Droit rural et culture, exploitation forestière
• Verordnung über die zweite Teilinkraftsetzung der Änderung vom 15. November 2006 der Tierseuchenverordnung
vom 29. Oktober 2008. AS 2009 559.
Ordonnance concernant la deuxième partie de la mise
en vigueur de la modification du 15 novembre 2006 de
l’ordonnance sur les épizooties du 29 octobre 2008. RO
2009 559.
1.12.8. Öffentliche Finanzen / Finances publiques
Berichtigung vom 3. Februar 2009. Inkrafttreten am 1. Januar
2009.
Mit diesem Erlass wird der nachfolgende Erlass geändert:
– SR 916.351.0 Milchqualitätsverordnung vom 23. November
2005 (Änderung per 1. Januar 2009).
• Verordnung des EFD über die Ausfuhrbeitragsansätze für
landwirtschaftliche Grundstoffe vom 27. Januar 2005 (SR
632.111.723.1). AS 2009 377.
Ordonnance du DFF sur les taux des contributions à
l’exportation de produits agricoles de base du 27 janvier
2005 (RS 632.111.723.1). RO 2009 377.
• Verordnung des BLW über die Festlegung von Perioden
und Fristen sowie die Freigabe von Zollkontingentsteilmengen für die Einfuhr von frischem Gemüse, frischem Obst
und von frischen Schnittblumen (VEAGOG-Freigabeverordnung) vom 12. Januar 2000 (SR 916.121.100). AS 2009
717.
1.12.
AJP 03_2009.indb 346
Abgaben- und Finanzrecht /
Finances et droit fiscal
10.3.2009 9:12:26 Uhr
Chronik der Rechtsetzung/Législation
AJP/PJA 3/2009
347
Ordonnance de l’OFAG sur la fixation des périodes et des
délais ainsi que sur l’autorisation de parties de contingent
tarifaire de légumes frais, de fruits frais et de fleurs coupées
fraîches (Ordonnance sur l’autorisation des importations
relative à l’OIELFP) du 12 janvier 2000 (RS 916.121.100).
RO 2009 717.
Änderung des Inhalts vom 1. Februar 2009. Inkrafttreten am
6. Januar 2009.
• Allgemeine Verordnung über die Einfuhr von landwirtschaftlichen Erzeugnissen (Agrareinfuhrverordnung, AEV)
vom 7. Dezember 1998 (SR 916.01). AS 2009 485.
Ordonnance générale sur l’importation de produits agricoles (Ordonnance sur les importations agricoles, OIAgr) du
7 décembre 1998 (RS 916.01). RO 2009 485.
Änderung des Inhalts vom 23. Januar 2009. Inkrafttreten am
1. Februar 2009.
• Verordnung des BVET über Impfungen gegen die Blauzungenkrankheit im Jahr 2009 vom 14. Januar 2009 (SR
916.401.348.2). AS 2009 455.
Ordonnance de l’OVF concernant la vaccination contre la
fièvre catarrhale du mouton en 2009 du 14 janvier 2009 (RS
916.401.348.2). RO 2009 455.
Neuer Erlass. Inkrafttreten am 1. Februar 2009.
• Allgemeine Verordnung über die Einfuhr von landwirtschaftlichen Erzeugnissen (Agrareinfuhrverordnung, AEV)
vom 7. Dezember 1998 (SR 916.01). AS 2009 483.
Ordonnance générale sur l’importation de produits agricoles (Ordonnance sur les importations agricoles, OIAgr) du
7 décembre 1998 (RS 916.01). RO 2009 483.
Änderung des Inhalts vom 22. Januar 2009. Inkrafttreten am
3. Februar 2009.
• Tierseuchenverordnung (TSV) vom 27. Juni 1995 (SR
916.401). AS 2009 581.
Ordonnance sur les épizooties (OFE) du 27 juin 1995 (RS
916.401). RO 2009 581.
Änderung des Inhalts vom 14. Januar 2009. Inkrafttreten am
1. März 2009.
Mit diesem Erlass wird der nachfolgende Erlass geändert:
– SR 916.404.2 Verordnung über die Gebühren für den Tierverkehr vom 16. Juni 2006 (Änderung per 1. März 2009).
1.16.
Energie- und Umweltrecht /
Energie et environnement
• Bundesbeschluss über die Kompensation der CO2-Emissionen von Gaskombikraftwerken vom 23. März 2007 (SR
641.72). AS 2009 385.
Arrêté fédéral concernant la compensation des émissions
de CO2 des centrales à cycles combinés alimentées au gaz
du 23 mars 2007 (RS 641.72). RO 2009 385.
Änderung des Inhalts vom 3. Oktober 2008. Inkrafttreten am
1. Januar 2009.
Der Bundesbeschluss bleibt in Kraft, bis die Kompensation der
CO2-Emissionen von Gaskombikraftwerken im CO2-Gesetz vom
AJP 03_2009.indb 347
8. Oktober 1999 geregelt ist, längstens aber bis zum 31. Dezember 2010.
1.17.
Kommunikationsrecht /
Droit de la communication
• Verordnung des UVEK über Fernmeldeanschlüsse ausserhalb des Siedlungsgebiets vom 15. Dezember 1997 (SR
784.101.12). AS 2009 477.
Ordonnance du DETEC sur les raccordements de télécommunication situés hors des zones habitées du 15 décembre
1997 (RS 784.101.12). RO 2009 477.
Änderung des Inhalts vom 23. Januar 2009. Inkrafttreten am
15. Februar 2009.
• Verordnung des Bundesamtes für Kommunikation über
Fernmeldedienste und Adressierungselemente vom 9. Dezember 1997 (SR 784.101.113). AS 2009 715.
Ordonnance de l’Office fédéral de la communication sur les
services de télécommunication et les ressources d’adressage
du 9 décembre 1997 (RS 784.101.113). RO 2009 715.
Änderung des Inhalts vom 10. Februar 2009. Inkrafttreten am
1. März 2009.
1.18.
Transport- und Verkehrsrecht /
Droit des transports et de trafic
• Ausführungsbestimmungen zur Verordnung über die Abgasemissionen von Schiffsmotoren auf schweizerischen Gewässern (AB-SAV) vom 9. Januar 2009 (SR 747.201.31).
AS 2009 387.
Dispositions d’exécution de l’ordonnance sur les prescriptions relatives aux gaz d’échappement des moteurs de bateaux dans les eaux suisses (DE-OEMB) du 9 janvier 2009
(RS 747.201.31). RO 2009 387.
Neuer Erlass. Inkrafttreten am 1. Februar 2009.
Vorheriger Erlass: Ausführungsbestimmungen zur Verordnung
über die Abgasemissionen von Schiffsmotoren auf schweizerischen Gewässern vom 14. August 1997 (Aufhebung per 1. Februar 2009).
1.19.
Sozial- und Sozialversicherungsrecht /
Droit social et droit des assurances sociales
• Verordnung über die Einschränkung der Zulassung von
Leistungserbringern zur Tätigkeit zu Lasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung vom 3. Juli 2002 (SR
832.103). AS 2009 453.
Ordonnance sur la limitation de l’admission des fournisseurs de prestations à pratiquer à la charge de l’assurancemaladie obligatoire du 3 juillet 2002 (RS 832.103). RO
2009 453.
Änderung des Inhalts vom 14. Januar 2009. Inkrafttreten am
1. Februar 2009.
1.21.
Öffentliches Dienstrecht / Fonction publique
• Personalverordnung des Bundesgerichts (PVBger) vom
27. August 2001 (SR 172.220.114). AS 2009 353.
10.3.2009 9:12:26 Uhr
Chronik der Rechtsetzung/Législation
AJP/PJA 3/2009
348
Ordonnance sur le personnel du Tribunal fédéral (OPersTF)
du 27 août 2001 (RS 172.220.114). RO 2009 353.
capacité (CFC) du 1er décembre 2008 (RS 412.101.221.02).
RO 2009 373.
Änderung des Inhalts vom 23. Dezember 2008. Inkrafttreten am
1. Januar 2009.
Neuer Erlass. Inkrafttreten am 1. Februar 2009.
• Verordnung des EFD über Optimierungen im Lohnsystem
des Bundespersonals vom 20. Januar 2009. AS 2009 351.
Ordonnance du DFF sur l’optimisation du système salarial
du personnel fédéral du 20 janvier 2009. RO 2009 351.
Änderungserlass. Inkrafttreten am 1. Februar 2009.
Mit diesem Erlass werden die nachfolgenden Erlasse geändert:
– SR 172.220.111.31 Verordnung des EFD zur Bundespersonalverordnung vom 6. Dezember 2001 (Änderung per 1. Februar
2009).
– SR 172.220.111.71 Verordnung des EFD über die Personalbeurteilung und den Lohn des Personals der Reinigungsdienste
vom 22. Mai 2002 (Änderung per 1. Februar 2009).
1.25.
Forschungsrecht, Bildungs- und
Erziehungsrecht /
Droit de recherche, formation
et éducation
• Verordnung über die berufliche Grundbildung Korb- und
Flechtwerkgestalterin/Korb- und Flechtwerkgestalter mit
eidgenössischem Fähigkeitszeugnis (EFZ) vom 5. Dezember 2008 (SR 412.101.221.00). AS 2009 369.
Ordonnance sur la formation professionnelle initiale vannière créatrice/vannier créateur avec certificat fédéral de
capacité (CFC) du 5 décembre 2008 (RS 412.101.221.00).
RO 2009 369.
Neuer Erlass. Inkrafttreten am 1. Januar 2009.
• Verordnung über die berufliche Grundbildung Küferin/
Küfer mit eidgenössischem Fähigkeitszeugnis (EFZ) vom
5. Dezember 2008 (SR 412.101.221.01). AS 2009 371.
Ordonnance sur la formation professionnelle initiale tonnelière/tonnelier avec certificat fédéral de capacité (CFC) du
5 décembre 2008 (RS 412.101.221.01). RO 2009 371.
Neuer Erlass. Inkrafttreten am 1. Januar 2009.
• Verordnung über die berufliche Grundbildung Drucktechnologin/Drucktechnologe mit eidgenössischem Fähigkeitszeugnis (EFZ) vom 28. November 2008 (SR
412.101.221.03). AS 2009 375.
Ordonnance sur la formation professionnelle initiale technologue en impression avec certificat fédéral de capacité (CFC) du 28 novembre 2008 (RS 412.101.221.03). RO
2009 375.
Neuer Erlass. Inkrafttreten am 1. Januar 2009.
• Verordnung über die berufliche Grundbildung Bühnentänzerin/Bühnentänzer mit eidgenössischem Fähigkeitszeugnis (EFZ) vom 1. Dezember 2008 (SR 412.101.221.02). AS
2009 373.
Ordonnance sur la formation professionnelle initiale danseuse interprète/danseur interprète avec certificat fédéral de
AJP 03_2009.indb 348
• Verordnung über die berufliche Grundbildung Anlagenführerin/Anlagenführer mit eidgenössischem Fähigkeitszeugnis (EFZ) vom 12. Dezember 2008 (SR
412.101.221.04). AS 2009 563.
Ordonnance sur la formation professionnelle initiale opératrice de machines automatisées/opérateur de machines
automatisées avec certificat fédéral de capacité (CFC) du
12 décembre 2008 (RS 412.101.221.04). RO 2009 563.
Neuer Erlass. Inkrafttreten am 1. Februar 2009.
1.28.
Übriges Verwaltungsrecht /
Autres domaines du droit administratif
• Verordnung über Massnahmen gegenüber der Demokratischen Republik Kongo vom 22. Juni 2005 (SR
946.231.12). AS 2009 459.
Ordonnance instituant des mesures à l’encontre de la République démocratique du Congo du 22 juin 2005 (RS
946.231.12). RO 2009 459.
Änderung des Inhalts vom 16. Januar 2009. Inkrafttreten am
27. Januar 2009.
• Verordnung über den Schutz vor gefährlichen Stoffen
und Zubereitungen (Chemikalienverordnung, ChemV) vom
18. Mai 2005 (SR 813.11). AS 2009 401.
Ordonnance sur la protection contre les substances et les
préparations dangereuses (Ordonnance sur les produits
chimiques, OChim) du 18 mai 2005 (RS 813.11). RO 2009
401.
Änderung des Inhalts vom 14. Januar 2009. Inkrafttreten am
1. Februar 2009.
Mit diesem Erlass werden die nachfolgenden Erlasse geändert:
– SR 813.12 Verordnung über das Inverkehrbringen von und den
Umgang mit Biozidprodukten vom 18. Mai 2005 (Änderung
per 1. Februar 2009).
– SR 814.81 Verordnung zur Reduktion von Risiken beim Umgang mit bestimmten besonders gefährlichen Stoffen, Zubereitungen und Gegenständen vom 18. Mai 2005 (Änderung per
1. Februar 2009).
– SR 916.161 Verordnung über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln vom 18. Mai 2005 (Änderung per 1. Februar
2009).
• Verordnung des EDI über die Einstufung und Kennzeichnung von Stoffen vom 28. Juni 2005 (SR 813.112.12). AS
2009 443.
Ordonnance du DFI sur la classification et l’étiquetage officiels des substances du 28 juin 2005 (RS 813.112.12). RO
2009 443.
Änderung des Inhalts vom 9. Dezember 2008. Inkrafttreten am
1. Februar 2009.
• Verordnung des EDI über die erforderliche Sachkenntnis zur Abgabe besonders gefährlicher Stoffe und Zube-
10.3.2009 9:12:26 Uhr
Chronik der Rechtsetzung/Législation
AJP/PJA 3/2009
349
reitungen vom 28. Juni 2005 (SR 813.131.21). AS 2009
445.
Ordonnance du DFI sur les connaissances techniques
requises pour la remise des substances et des préparations particulièrement dangereuses du 28 juin 2005 (RS
813.131.21). RO 2009 445.
Änderung des Inhalts vom 9. Dezember 2008. Inkrafttreten am
1. Februar 2009.
• Verordnung des EDI über die Fachbewilligung für die Desinfektion des Badewassers in Gemeinschaftsbädern (VFBDB) vom 28. Juni 2005 (SR 814.812.31). AS 2009 447.
Ordonnance du DFI relative au permis pour l’emploi des
désinfectants pour l’eau des piscines publiques (OPer-D)
du 28 juin 2005 (RS 814.812.31). RO 2009 447.
Änderung des Inhalts vom 9. Dezember 2008. Inkrafttreten am
1. Februar 2009.
• Verordnung des EDI über die Fachbewilligung für die
allgemeine Schädlingsbekämpfung (VFB-S) vom 28. Juni
2005 (SR 814.812.32). AS 2009 449.
Ordonnance du DFI relative au permis pour l’emploi
des pesticides en général (OPer-P) du 28 juin 2005 (RS
814.812.32). RO 2009 449.
Änderung des Inhalts vom 9. Dezember 2008. Inkrafttreten am
1. Februar 2009.
• Verordnung des EDI über die Fachbewilligung für die
Schädlingsbekämpfung mit Begasungsmitteln (VFB-B)
vom 28. Juni 2005 (SR 814.812.33). AS 2009 451.
Ordonnance du DFI relative au permis pour l’emploi des
fumigants (OPer-Fu) du 28 juin 2005 (RS 814.812.33). RO
2009 451.
Änderung des Inhalts vom 9. Dezember 2008. Inkrafttreten am
1. Februar 2009.
• Verordnung des BAG über die Aufnahme von Wirkstoffen in die Liste I der Wirkstoffe zur Verwendung in Biozidprodukten nach Anhang 1 der Biozidprodukteverordnung
vom 26. Januar 2009. AS 2009 479.
Ordonnance de l’OFSP sur l’inscription des substances
actives dans la liste I des substances actives pour inclusion dans les produits biocides selon l’annexe 1 de
l’ordonnance sur les produits biocides du 26 janvier 2009.
RO 2009 479.
Änderungserlass. Inkrafttreten am 15. Februar 2009.
Mit diesem Erlass wird der nachfolgende Erlass geändert:
– SR 813.12 Verordnung über das Inverkehrbringen von und den
Umgang mit Biozidprodukten vom 18. Mai 2005 (Änderung
per 15. Februar 2009).
• Tierschutzverordnung (TSchV) vom 23. April 2008 (SR
455.1). AS 2009 565.
Ordonnance sur la protection des animaux (OPAn) du
23 avril 2008 (RS 455.1). RO 2009 565.
Änderung des Inhalts vom 14. Januar 2009. Inkrafttreten am
1. März 2009.
AJP 03_2009.indb 349
3.
Wirtschaftsrecht / Droit économique
3.5.
Wettbewerbsrecht – allgemein /
Droit de la concurrence – en général
• Geschäftsreglement der Wettbewerbskommission vom
1. Juli 1996 (SR 251.1). AS 2009 355.
Règlement interne de la Commission de la concurrence du
1er juillet 1996 (RS 251.1). RO 2009 355.
Änderung des Inhalts vom 14. Januar 2009. Inkrafttreten am
1. Februar 2009.
3.10.
Wirtschaftsverwaltungsrecht /
Droit économique administratif
• Bundesgesetz zur Umsetzung der revidierten Empfehlungen der Groupe d’action financière vom 3. Oktober
2008. AS 2009 361.
Loi fédérale sur la mise en œuvre des recommandations révisées du Groupe d’action financière du 3 octobre 2008. RO
2009 361.
Änderungserlass. Inkrafttreten am 1. Februar 2009.
Die Massnahmen zur Geldwäschereibekämpfung bewegen sich
in einem normativen Umfeld, das stetig an die Entwicklungen der
internationalen Wirtschafts- und Finanzkriminalität anzupassen
ist. Die Gesetzesänderungen betreffen und bezwecken insbesondere die Ausweitung des GwG auf die Terrorismusfinanzierung, die Verbesserung der Wirksamkeit des Meldesystems, die
Aufnahme von Vortaten der Geldwäscherei ins schweizerische
Recht, die Systematisierung und Verankerung der aktuellen Praxis der Sorgfaltspflichten, die Anpassung der Bestimmungen zur
Rechtshilfe sowie die Unterstützung der Zollverwaltung bei der
Bekämpfung der Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung.
Mit diesem Erlass werden die nachfolgenden Erlasse geändert:
– SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember
1937 (Änderung per 1. Februar 2009).
– SR 313.0 Bundesgesetz über das Verwaltungsstrafrecht vom
22. März 1974 (Änderung per 1. Februar 2009).
– SR 351.1 Bundesgesetz über internationale Rechtshilfe in
Strafsachen vom 20. März 1981 (Änderung per 1. Februar
2009).
– SR 955.0 Bundesgesetz über die Bekämpfung der Geldwäscherei und der Terrorismusfinanzierung im Finanzsektor vom
10. Oktober 1997 (Änderung per 1. Februar 2009).
– SR 631.0 Zollgesetz vom 18. März 2005 (Änderung per 1. Februar 2009).
• Verordnung über die Kontrolle des grenzüberschreitenden
Barmittelverkehrs vom 11. Februar 2009 (SR 631.052). AS
2009 709.
Ordonnance sur le contrôle du trafic transfrontière de
l’argent liquide du 11 février 2009 (RS 631.052). RO 2009
709.
Neuer Erlass. Inkrafttreten am 1. März 2009.
Diese Verordnung regelt die durch die Eidgenössische Zollverwaltung (EZV) vorgenommene Kontrolle des grenzüberschreitenden Barmittelverkehrs zur Bekämpfung der Geldwäscherei
und der Terrorismusfinanzierung und stützt sich auf den durch
das neue Bundesgesetz zur Umsetzung der revidierten Empfeh-
10.3.2009 9:12:27 Uhr
Chronik der Rechtsetzung/Législation
AJP/PJA 3/2009
350
lungen der Groupe d’action financière vom 3. Oktober 2008 geänderten Art. 95 Zollgesetz.
Mit diesem Erlass wird der nachfolgende Erlass geändert:
– SR 631.061 Verordnung über die Bearbeitung von Personendaten in der Eidgenössischen Zollverwaltung vom 4. April
2007 (Änderung per 1. März 2009).
7.8.
Strafrecht international /
Droit pénal international
7.8.3.
Völkerstrafrecht, internationaler Gerichtshof /
Droit pénal international public, cour international de justice
• Verordnung über die kollektiven Kapitalanlagen (Kollektivanlagenverordnung, KKV) vom 22. November 2006 (SR
951.311). AS 2009 719.
Ordonnance sur les placements collectifs de capitaux (Ordonnance sur les placements collectifs, OPCC) du 22 novembre 2006 (RS 951.311). RO 2009 719.
S. 8.13. / V. 8.13.
Änderung des Inhalts vom 28. Januar 2009. Inkrafttreten am
1. März 2009.
3.11.
Landwirtschaftsrecht / Droit rural
Zum Land- und Forstwirtschaft s. 1.15. / Pour le droit rural
et culture, exploitation forestière v. 1.15.
3.12.
Europäisches Wirtschaftsrecht /
Droit économique européen
S. 8.11.3. / V. 8.11.3.
8.
Völkerrecht und Europarecht /
Droit international public et droit européen
8.11.
Europäisches Wirtschaftsrecht /
Droit économique européen
8.11.3. Handelsrecht, Wertpapierrecht /
Droit commercial, droit des papiers-valeurs
• Beschluss Nr. 4/2007 des Rates zur Änderung der Anlage 2 zu Anhang K des Übereinkommens vom 4. Januar
1960 zur Errichtung der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) (Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit) (SR 0.632.31). AS 2009 605.
Décision no 4/2007 du Conseil portant modification de
l’appendice 2 à l’annexe K de la Convention du 4 janvier
1960 instituant l’Association européenne de Libre-Echange (AELE) (Coordination des systèmes de sécurité sociale)
(RS 0.632.31). RO 2009 605.
7.
Strafrecht / Droit pénal
7.3.
Strafrecht – Besonderer Teil – allgemein /
Droit pénal – Partie spéciale – en général
8.13.
7.3.5.
Strafbare Handlungen gegen die sexuelle Integrität / Infractions contre l’intégrité sexuelle
• Bundesbeschluss über die Genehmigung des Internationalen Übereinkommens zur Bekämpfung nuklearterroristischer Handlungen. AS 2009 491.
Arrêté fédéral portant approbation de la Convention internationale pour la répression des actes de terrorisme nucléaire. RO 2009 491.
• Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft (BV) vom 18. April 1999 (SR 101). AS 2009 471.
Constitution fédérale de la Confédération suisse (Cst.) du
18 avril 1999 (RS 101). RO 2009 471.
Änderung des Inhalts vom 13. Juni 2008. Inkrafttreten am
30. November 2008.
Diese Verfassungsänderung (Einführung der Unverjährbarkeit
der Strafverfolgung und der Strafe bei sexuellen und bei pornografischen Straftaten an Kindern vor der Pubertät) ist von Volk
und Ständen am 30. November 2008 angenommen worden und
damit in Kraft getreten.
7.3.19. Einziehung, Geldwäscherei, mangelhafte Sorgfalt bei Finanzgeschäften und Melderecht /
Confiscation, blanchiment d’argent, manque
de diligence dans (l’éxécution) des opérations
financières et droit de communication
• Bundesgesetz zur Umsetzung der revidierten Empfehlungen der Groupe d’action financière vom 3. Oktober
2008. AS 2009 361.
Loi fédérale sur la mise en œuvre des recommandations révisées du Groupe d’action financière du 3 octobre 2008. RO
2009 361.
Änderungserlass. Inkrafttreten am 1. Februar 2009.
Für weitere Informationen zu diesem Erlass s. 3.10.
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Internationales Strafrecht /
Droit pénal international
Bundesbeschluss über die Genehmigung eines Staatsvertrags.
• Internationales Übereinkommen zur Bekämpfung nuklearterroristischer Handlungen (SR 0.353.23). AS 2009 493.
Convention internationale pour la répression des actes de
terrorisme nucléaire (RS 0.353.23). RO 2009 493.
Auszug aus der Botschaft:
Das Übereinkommen will in erster Linie sicherstellen, dass die
Vertragsstaaten innerstaatlich über effektive Strafgesetze zur
Verfolgung nuklearterroristischer Handlungen verfügen. Weiter
möchte es den Informationsaustausch zwischen den Vertragsstaaten zur Verhinderung und Aufdeckung solcher Handlungen verbessern sowie die internationale Zusammenarbeit in Strafsachen
gewährleisten. Es regelt überdies die Rückgabe beschlagnahmten
Nuklearmaterials. Die Artikel 3–17 und 19–28 des Übereinkommens entsprechen weitgehend Bestimmungen anderer UNOÜbereinkommen gegen den Terrorismus, namentlich dem Übereinkommen vom 26. Oktober 1979 über den physischen Schutz
von Kernmaterial sowie dem Internationalen Übereinkommen
vom 15. Dezember 1997 zur Bekämpfung terroristischer Bombenanschläge. Die Schweiz hat diese Übereinkommen bereits ratifiziert und die landesrechtlichen Voraussetzungen zu ihrer Umsetzung geschaffen. Das Übereinkommen gegen Nuklearterrorismus
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enthält dementsprechend keine neuartigen Verpflichtungen für
die Schweiz. Im Unterschied zum Übereinkommen über den physischen Schutz von Kernmaterial ist der Anwendungsbereich des
Übereinkommens gegen Nuklearterrorismus weiter gefasst. So
ist es nicht auf für friedliche Zwecke genutztes Kernmaterial beschränkt, das sich im internationalen Nukleartransport befindet.
Es bestraft neben dem Missbrauch von waffenfähigem Nuklearmaterial auch die verbrecherische Verwendung von anderem radioaktivem Material, das wegen seiner Strahlung für Mensch und
Umwelt gefährlich ist. Allerdings enthält das Übereinkommen
gegen Nuklearterrorismus keine Verpflichtungen der Mitgliedstaaten, spezifische präventive Massnahmen zum Schutz von Nuklearanlagen und -material zu treffen. Es enthält lediglich einen
Aufruf an die Staaten, die entsprechenden Empfehlungen der
IAEO zum Schutz von radioaktivem Material zu berücksichtigen.
Im Vergleich zum Übereinkommen gegen terroristische Bombenanschläge sind in Bezug auf das strafbare Verhalten nur geringe
Unterschiede festzustellen, ist doch das Übereinkommen gegen
terroristische Bombenanschläge auch anwendbar, wenn Strahlung oder radioaktive Substanzen freigesetzt, verbreitet oder zur
Wirkung gebracht werden. Das Übereinkommen gegen Nuklearterrorismus erfasst zusätzlich den Besitz und die Herstellung von
Nuklearmaterial zu terroristischen Zwecken sowie die Drohung,
aus terroristischen Motiven Nuklearanschläge zu begehen. Das
Übereinkommen verfügt im Unterschied zu anderen internationalen Abkommen nicht über einen Kontrollmechanismus mit der
Pflicht zur regelmässigen Berichterstattung oder mit Überprüfungskonferenzen.
8.16.
Internat. gewerblicher Rechtsschutz.
Internat. Immaterialgüterrecht /
Droit de la propriété industrielle international. Droit de la propriété immatérielle
international
• Gemeinsame Ausführungsordnung zum Madrider
Abkommen über die internationale Registrierung von
Marken und zum Protokoll zu diesem Abkommen (SR
0.232.112.21). AS 2009 591.
Règlement d’exécution commun à l’arrangement de Madrid
concernant l’enregistrement international des marques et
au protocole relatif à cet arrangement (RS 0.232.112.21).
RO 2009 591.
8.19.
Öff. Gesundheitswesen. Soziale Sicherheit /
Santé publique. Sécurité sociale
• Verordnung (EWG) Nr. 574/72 des Rates vom 21. März
1972 über die Durchführung der Verordnung (EWG)
Nr. 1408/71 über die Anwendung der Systeme der sozialen
Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbstständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft
zu- und abwandern. In der Fassung von Anhang II zum
Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und
ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit.
Anpassung durch das Protokoll vom 26. Oktober 2004
über die Ausdehnung des Freizügigkeitsabkommens auf
die neuen EG-Mitgliedstaaten (SR 0.831.109.268.11). AS
2009 621.
AJP 03_2009.indb 351
Règlement (CEE) No 574/72 du Conseil, du 21 mars 1972,
fixant les modalités d’application du règlement (CEE) no
1408/71 relatif à l’application des régimes de sécurité sociale aux travailleurs salariés, aux travailleurs non salariés
et aux membres de leur famille qui se déplacent à l’intérieur
de la Communauté. Adapté selon l’annexe II à l’Accord
sur la libre circulation des personnes entre la Suisse d’une
part, et la Communauté européenne et ses Etats membres,
d’autre part. Modifié par le Protocole du 26 octobre 2004
relatif à l’extension de l’Accord sur la libre circulation
des personnes aux nouveaux Etats membres de la CE (RS
0.831.109.268.11). RO 2009 621.
8.21.
Kultur. Kunst. Freizeit. Sport /
Culture. Art. Loisir. Sport
• Bundesbeschluss über die Genehmigung des Internationalen Übereinkommens gegen Doping im Sport. AS 2009
519.
Arrêté fédéral portant approbation de la Convention internationale contre le dopage dans le sport. RO 2009 519.
Bundesbeschluss über die Genehmigung eines Staatsvertrags.
• Internationales Übereinkommen gegen Doping im Sport
(SR 0.812.122.2). AS 2009 521.
Convention internationale contre le dopage dans le sport
(RS 0.812.122.2). RO 2009 521.
Auszug aus der Botschaft:
Die Konvention besteht aus 43 Artikeln, zwei integralen Anlagen und drei Anhängen. Die Konvention und die zwei Anlagen
(Liste der verbotenen Substanzen und Methoden sowie ein Teil
des Standards über die Gewährung von Ausnahmebewilligungen
zu therapeutischen Zwecken) sind zwischenstaatlich verbindlich
und haben keinen self-executing-Charakter. Der Welt-Anti-Doping-Code und die zwei Internationalen Standards für Laboratorien und für Dopingkontrollen dienen als Anhänge zur Information und sind keine integralen Bestandteile der Konvention.
Bei der Ratifizierung durch einen Staat können keine Vorbehalte
(vgl. Art. 43 der Konvention) gemacht werden, die dem Ziel und
Zweck der Konvention widersprechen. Die Konvention soll dazu
beitragen, die Bestimmungen und Prinzipien des Welt-Anti-Doping-Codes in den Gesetzen der Vertragsparteien zu verankern.
Für die Regierungen besteht dabei eine grosse Flexibilität im
gewählten Ansatz. So kann die Konvention durch Gesetzgebung,
Reglemente, politische Mittel oder administrative Bestimmungen umgesetzt werden. Vertragsparteien müssen Massnahmen
ergreifen zur: Einschränkung der Verfügbarkeit von verbotenen
Substanzen und Methoden (ausser zu legitimen medizinischen
Zwecken) einschliesslich Massnahmen gegen deren Handel;
Erleichterung von Dopingkontrollen im eigenen Land und zur
Unterstützung des nationalen Dopingkontrollprogramms; Einstellung von finanziellen Beiträgen an Athletinnen und Athleten
und deren Umfeld, wenn sie gegen die Dopingbestimmungen
verstossen, sowie an Sportorganisationen, die die Bestimmungen des Codes nicht erfüllen; Ermutigung von Produzenten und
Vertreibern von Nahrungsergänzungsmitteln, eine «beste Praxis»
bei der Beschriftung, beim Marketing und beim Vertrieb von Produkten einzuführen, die verbotene Substanzen enthalten könnten;
Unterstützung der Dopingprävention für Athletinnen und Athleten und allgemein die Förderung eines sportlichen Umfeldes.
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8.25.
Naturschätze und Energie /
Ressources naturelles et énergie
• Briefwechsel vom 5./20. November 2008 zwischen dem
Schweizerischen Bundesrat und der Regierung der Französischen Republik betreffend den Bereich und die Einzelheiten der Alarmierung und/oder der Übermittlung von
Informationen im Falle von Kleinereignissen oder Unfallsituationen im Kernkraftwerk Fessenheim oder in den
schweizerischen Kernkraftwerken Beznau, Gösgen, Leibstadt und Mühleberg (SR 0.732.323.491). AS 2009 515.
Echange de lettres des 5/20 novembre 2008 entre le Conseil
fédéral suisse et le Gouvernement de la République française concernant le domaine et les modalités de l’alerte et/
ou de la transmission d’informations en cas d’événement
mineur ou de situation accidentelle dans la centrale nucléaire de Fessenheim ou dans les centrales nucléaires
suisses de Beznau, Gösgen, Leibstadt et Mühleberg (RS
0.732.323.491). RO 2009 515.
8.26.
Aussenpolitik, Sicherheitspolitik und internationale Beziehungen /
Politique extérieure, politique de sécurité et
relations internationales
• Notenaustausch vom 14. Januar 2009 zwischen der
Schweiz und der Europäischen Gemeinschaft betreffend
die Übernahme der Entscheidung 2008/905/EG des Rates
vom 27. November 2008 zur Änderung von Anlage 13 der
Gemeinsamen Konsularischen Instruktion mit Hinweisen
zum Ausfüllen der Visummarke (Weiterentwicklung des
Schengen-Besitzstands) (SR 0.360.268.121.5). AS 2009
511.
Echange de notes du 14 janvier 2009 entre la Suisse et la
Communauté européenne concernant la reprise de la décision du Conseil 2008/905/CE du 27 novembre 2008 modifiant l’annexe 13 des instructions consulaires communes
relative au remplissage de la vignette-visa (Développement
de l’acquis Schengen) (RS 0.360.268.121.5). RO 2009 511.
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Rechtsprechungsübersicht/Répertoire de jurisprudence
AJP/PJA 3/2009
Rechtsprechungsübersicht
Répertoire de jurisprudence
353
Rebekka Keller, B. A. HSG, St. Gallen
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Dans cette rubrique, les décisions publiées dans les semaines qui
précèdent la mise sous presse de PJA/AJP sont signalées à l'aide de
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Rechtsprechung des Bundes ■ Jurisprucence fédérale
• Rechtsprechung der Kantone • Jurisprudence cantonale
■
1.
Verfassungs- und Verwaltungsrecht /
Droit constitutionnel et administratif
1.4.
Grundrechte / Droits fondamentaux
1.4.1.
Persönliche Freiheit / Liberté personelle
■ Diskriminierungsverbot.
Behinderungsgerechte Prüfungsbedingungen. BV 7 Abs. 4, Behindertengesetz 2 Abs. 5. BVGE,
15.7.2008 (B-7914/2007). Mit Bemerkungen von Kurt Pärli und
Andreas Petrik. AJP/PJA 2009, 110.
1.4.11. Verfahrensgarantien / Garanties de procédure
■ EMRK/CEDH 6 Ziff. 1. BV/Cst. 29a. AHVG/LAVS 52. Überprüfung des Forderungsbetrages. Die von einer Schadenersatzforderung betroffene Person muss auf Grund der Rechtsweggarantie die
Möglichkeit gehabt haben, das Massliche der Beitragsforderungen,
für die sie haftbar gemacht wird, zumindest einmal bei einer Gerichtsinstanz bestreiten zu können, die den Sachverhalt frei prüft.
Aus der Unternehmung ausgeschiedene frühere Organe haben bei
späterer Zustellung der Beitragsverfügung keine Möglichkeit mehr,
in ihrer Organeigenschaft die Beitragsverfügung anzufechten oder
anfechten zu lassen, weshalb diese in ihrem Falle im Rahmen des
Schadenersatzverfahrens frei überprüfbar sein muss (Präzisierung
der Rechtsprechung). / Examen du montant de la créance. En raison
de la garantie de l’accès au juge, la personne à qui l’on réclame la
réparation du dommage résultant du non-paiement de cotisations
sociales doit avoir eu la possibilité de contester au moins une fois le
montant de la créance de cotisations devant une autorité judiciaire
disposant d’un plein pouvoir d’examen en fait et en droit. Dans la
mesure où un ancien organe de l’employeur n’a plus la possibilité
d’attaquer ou de faire attaquer en qualité d’organe une décision de
cotisations signifiée ultérieurement à son départ, cette décision doit
pouvoir être librement examinée dans le cadre de la procédure en
réparation du dommage (précision de la jurisprudence). BGer/TF,
8.10.2008 (9C_901/2007); BGE/ATF 134 V 401.
■ BV 29 Abs. 3. Gilt in einem Verfahren die Untersuchungsmaxime, so lässt dies die anwaltliche Vertretung nicht ohne Weiteres als
unnötig erscheinen. Abgesehen davon, dass die Untersuchungsmaxime allfällige Fehlleistungen der Behörde nicht zu verhindern vermag, ist zu bedenken, dass sie nicht unbegrenzt ist. Sie verpflichtet
die Behörde zwar, von sich aus alle Elemente in Betracht zu ziehen,
die entscheidwesentlich sind, und unabhängig von den Anträgen
der Parteien Beweise zu erheben. Diese Pflicht entbindet die Beteiligten indessen nicht davon, durch Hinweise zum Sachverhalt oder
Bezeichnung von Beweisen am Verfahren mitzuwirken. Somit kann
auch in Verfahren wie dem vorliegenden, die vom Untersuchungs-
AJP 03_2009.indb 353
grundsatz beherrscht sind, eine anwaltliche Vertretung erforderlich
sein. BGer, 24.9.2008 (1C_339/2008). Anwaltsrevue/Revue de
l’avocat 2009, 29.
■ Es ist nachvollziehbar, dass eine Partei von einem Richter, der
sie in einem anderen Verfahren als Gegenanwalt bekämpft(e), nicht
erwartet, er werde ihr plötzlich völlig unbefangen gegenübertreten,
weshalb in solchen Fällen ein Anschein von Befangenheit zu bejahen ist. / On peut comprendre qu’une partie ne puisse pas considérer
comme soudainement totalement impartial un juge qui l’a combattue comme avocat de la partie adverse dans une autre procédure.
Il faut donc admettre une apparence de partialité dans un tel cas.
BGer/TF, 6.10.2008 (5A_201/2008). Bearbeitet durch Markus
Felber. SJZ/RSJ 2009, 61.
1.12.
Abgaben- und Finanzrecht /
Finances et droit fiscal
1.12.1. Einkommenssteuer und direkte Steuern –
im Allgemeinen /
Impôt sur le revenu et impôts directs – en général
■ 32, 34 DBG/LIFD Gewinnungskosten. Unterhaltskosten. Wertvermehrende Investitionen. Mangelhafte Gartenbauarbeiten und
Durchführung einer Gesamtsanierung statt Nachbesserung: Das
Vorgehen der Beschwerdegegner bestätigt, dass die ursprünglichen
Aufwendungen keinen Mehrwert schufen, sondern erst die Arbeiten des Jahres 2004, welche demgemäss nicht als abzugsfähige
Unterhaltskosten qualifiziert werden können. / Frais d’acquisition.
Frais d’entretien; investissements entraînant une augmentation de
la valeur de l’immeuble. Travaux défectueux pour l’aménagement
du jardin et exécution d’un assainissement complet au lieu
d’une réparation: le procédé choisi par l’intimé confirme que les
dépenses encourues à l’origine n’ont en rien augmenté la valeur de
l’immeuble, au contraire de celles réalisées en 2004, qui ne peuvent
par conséquent pas être considérées comme des frais d’entretien
déductibles. BGer/TF, 11.12.2008 (2C.57/2008). StR/RF 2009,
117.
■ DBG/LIFD 33 Abs. 1 lit.a. StHG/LHID 9 Abs. 2 lit. a. Schuldzinsenabzug. Der Begriff «Schuldzinsen» in DBG 33 Abs. 1 lit. a
bzw. StHG 9 Abs. 2 lit. a ist wirtschaftlich auszulegen. Vorliegend
neutralisieren sich wirtschaftlich betrachtet die Wirkungen der
ausgerichteten Schenkung und des gewährten Darlehens gegenseitig. Es erübrigt sich, das Vorliegen einer Steuerumgehung zu
prüfen. / Déduction des intérêts passifs. Le terme «intérêts passifs» mentionné à LIFD 33 al. 1 lettre a, respectivement à LHID 9
al. 2 lettre a doit être interprété d’un point de vue économique.
Ici, d’un point de vue économique, les effets de la donation effectuée et du prêt accordé s’annulent l’un l’autre. Il n’est pas nécessaire d’examiner le cas sous l’angle de l’évasion fiscale. BGer/TF,
19.11.2008 (2C.393/2008). StR/RF 2009, 110.
■ LIFD/DBG 112. OG/OG 98a. LTF/BGG 86 cpv. 2, 130 cpv. 3.
Assistenza di altre autorità in favore del fisco. Procedura. Autorità
competent. Portata dell’obbligo di collaborazione. Giurisprudenza
in tema di autorità competenti ad esaminare le domande di assistenza in favore del fisco secondo LIFD 112. Esigenze poste dagli
OG 98a e LTF 86 cpv. 2. In tale ambito, se un’autorità cantonale
ammette la propria competenza, il Tribunale federale deve per ora
unicamente verificare che non si sia fondata su un’interpretazione
arbitraria del diritto cantonale. Portata dell’obbligo di collaborazione in virtù LIFD 112. Per quanto concerne la cernita dei documenti
vanno applicati per analogia i principi validi in materia di assistenza
giudiziaria internazionale, tenendo inoltre conto che nello scambio di informazioni in base LIFD 112 non si pongono problemi di
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Rechtsprechungsübersicht/Répertoire de jurisprudence
AJP/PJA 3/2009
354
salvaguardia della sovranità nazionale e che dev’essere garantita
un’ampia collaborazione tra le autorità. / Amtshilfe anderer Behörden zugunsten der Steuerbehörden. Verfahren. Zuständigkeit.
Tragweite der Pflicht zur Amtshilfe. Überblick über die Rechtsprechung zur Zuständigkeit von Behörden zur Prüfung von Ersuchen
um Amtshilfe zugunsten der Steuerbehörden gemäss DBG 112.
Anforderungen gemäss OG 98a und BGG 86 Abs. 2. Bejaht eine
kantonale Behörde ihre Zuständigkeit, so prüft das Bundesgericht
zurzeit nur, ob dies auf einer willkürlichen Auslegung des kantonalen Rechts beruht. Tragweite der Pflicht zur Amtshilfe gemäss
DBG 112. Geht es um die Ausscheidung von Dokumenten, so gelten die Grundsätze analog, die für die internationale Rechtshilfe
anwendbar sind, wobei zu berücksichtigen ist, dass der auf DBG
112 gestützte Informationsaustausch nicht Fragen der Gewährleistung der nationalen Souveränität aufwirft und eine umfassende
Zusammenarbeit zwischen den Behörden garantiert ist. TF/BGer,
28.7.2008 (2C_443/2007); DTF/BGE 134 II 318.
■ Abschreibungen. Geschäftsvermögen. In der Lehre wird die Auffassung vertreten, dass die Bedeutung des zivilrechtlichen Eigentums im Vermögenssteuerbereich teilweise vom Begriff des wirtschaftlichen Eigentums abgelöst werde. Auch die handelsrechtliche
Literatur stellt für die Aktivierung nicht so sehr auf das formelle
Eigentum am betreffenden Vermögensgegenstand ab, sondern darauf, ob ein Vermögenswert dem Unternehmen uneingeschränkt zur
Verfügung steht. Im vorliegenden Fall stellt die zur Diskussion stehende Remise eine auf lange Dauer ausgelegte Baute dar, für deren
Zuordnung zwingend die zivilrechtliche Betrachtungsweise und
nicht die faktische Nutzung des Gebäudes massgebend ist. / Amortissements. Fortune commerciale. Dans la doctrine, on trouve la
conception selon laquelle, pour ce qui est de l’imposition de la fortune, l’importance de la propriété au sens du droit civil est en partie
remplacée par la notion de propriété économique. De même, dans
la littérature de droit commercial, la question de l’activation n’est
pas tant résolue sur la base de la propriété formelle aux biens que
celle de la disponibilité illimitée d’un bien pour l’entreprise. Dans
le cas d’espèce, la remise qui fait l’objet du litige représente une
construction faite pour durer, pour laquelle seul le point de vue du
droit civil permet de trancher, et non son utilisation de fait. BGer/
TF, 4.12.2008 (2C.379/2008). StR/RF 2009, 113.
• Bei der Vermietung von Wohneigentum an Verwandte zu Vorzugsbedingungen ist nach bundesgerichtlicher Praxis eine Aufrechnung des Einkommens bis zur Höhe des Eigenmietwerts nur dann
zulässig, wenn die tatsächlich erzielten Mietzinse weniger als die
Hälfte des Eigenmietwerts ausmachen; in diesem Fall besteht eine
widerlegbare Vermutung der Steuerumgehung. Voraussetzungen
für eine Praxisänderung. Für die generelle Einkommensbesteuerung der Differenz zwischen einem unter dem Eigenmietwert liegenden Vorzugsmietzins und dem Eigenmietwert fehlt es an einer
gesetzlichen Grundlage. Der Vorwurf eines starren Schematismus
ist ungerechtfertigt; die Praxis hält vor dem Rechtsgleichheitsgebot
stand. / Impôt sur le revenu; imposition de loyers préférentiels. En
cas de location de locaux d’habitation par des proches à des conditions préférentielles, la jurisprudence du Tribunal fédéral n’autorise
une correction du revenu à concurrence de la valeur locative que si
le loyer effectif est inférieur à la moitié de la valeur locative; dans
un tel cas, une présomption – réfragable – de fait en vue d’éluder
l’impôt est admise. Conditions pour un changement de jurisprudence. Absence de base légale pour imposer de manière générale,
en tant que revenu, la différence entre le loyer préférentiel inférieur
à la valeur locative et cette dernière. Le reproche de schématisme
rigide est injustifié; la pratique est conforme au droit à l’égalité de
traitement. VerwGer BE, 18.9.2008. BVR 2008, 543.
AJP 03_2009.indb 354
1.12.2. Besteuerung juristischer Personen /
Taxation des personnes juridiques
■ Sociétés privilégiées. Rendements des participations. Un gain de
change comptabilisé dans le compte de pertes et profits est un rendement de participation s’il est directement lié à un prêt à long terme
octroyé à une filiale de la société contribuable. Ce seul poste étant
en l’espèce supérieur aux deux tiers des recettes, la seconde condition alternative de LIPM 22 est remplie. La recourante doit donc bénéficier du statut de holding pour la période litigieuse. / Privilegierte
Gesellschaften. Beteiligungsertrag. Ein in der Erfolgsrechnung
gebuchter Kursgewinn stellt Beteiligungsertrag dar, sofern er mit
einem langfristigen an eine Tochtergesellschaft der Steuerpflichtigen gewährten Darlehen im unmittelbaren Zusammenhang steht.
Diese Position allein macht mehr als zwei Drittel der gesamten Erträge aus. Die zweite alternative Bedingung von LIPM 22 ist deshalb erfüllt. Der Steuerpflichtigen muss also der Holdingstatus für
die strittige Steuerperiode gewährt werden. VerwGer GE, 1.7.2008.
StR/RF 2009, 17.
1.12.5. Indirekte Steuern / Impôts indirectes
■ MWSTG 10, 14. Dienstleistungsbezug aus dem Ausland; grenzüberschreitende Leistungen zwischen Hauptsitz und Betriebsstätte.
Vorsteuerpauschale für Banken. BGer, 22.7.2008 (A-1444/2006
und A-1445/2006). Bearbeitet durch Pierre Scheuner. StR/RF
2009, 44.
■ MWSTG 15a, 45a. MWSTV 28 Abs. 1, 29 Abs. 1. Vorsteuerabzug, Preisauffüllung. BGer, 27.6.2008 (A-1555/2006). Bearbeitet
durch Pierre Scheuner. StR/RF 2009, 44.
■ MWSTG 36 Abs. 1 lit. a Ziff. 2 und 9. Fakturierte Steuer. BGer,
29.8.2008 (2C_285/2008). Bearbeitet durch Pierre Scheuner.
StR/RF 2009, 39.
■ MWSTGV 45a. MWSTV 5 Abs. 1 und Abs. 2 lit. a. Leistungen an nahestehende Personen, Exportlieferungen, Ausfuhrbelege,
Stellvertretung. BGer, 1.9.2008 (2C_582/2007). Bearbeitet durch
Pierre Scheuner. StR/RF 2009, 40.
■ MWSTG 58 Abs. 1. MWSTV 47 Abs. 1, 48, 60. Umsatzschätzung. BGer, 30.7.2008 (2C_170/2008). Bearbeitet durch Pierre
Scheuner. StR/RF 2009, 35.
■ MWSTV 17. Umfang der Steuerpflicht. BGer, 26.8.2008 (2C_
694/2007). Bearbeitet durch Pierre Scheuner. StR/RF 2009, 38.
■ MWSTV 27 Abs. 1 lit. a Ziff. 12. Lemma. Saldosteuersatz, Abgabe von Ess- und Trinkwaren. BGer, 23.7.2008 (2C_662/2007).
Bearbeitet durch Pierre Scheuner. StR/RF 2009, 35.
■ Lastungsaustausch, Entgelt. BGer, 3.9.2008 (2A.264/2006). Bearbeitet durch Pierre Scheuner. StR/RF 2009, 40.
■ Nichtleisten des Kostenvorschusses. BGer, 4.9.2008 (2C_
552/2008). Bearbeitet durch Pierre Scheuner. StR/RF 2009, 41.
1.12.7. Andere Steuern. Abgaben und Gebühren /
Autres impôts. Taxes et émoluments
■ Droits d’enregistrement. Droits d’enregistrement perçus sur une
donation mixte. L’obligation de paiement d’un capital en espèces
constitue une contre-prestation, ne peut être assimilé à une charge
et confère un caractère onéreux à une partie de l’acte et doit être
soumise aux droits d’enregistrement. De ce fait, l’exonération de
tout droit d’enregistrement pour les donations faites par le donateur
à ses parents en ligne directe ne concerne que la partie donation
de l’acte. / Handänderungssteuern. Handänderungssteuer auf eine
gemischte Schenkung. Die Verpflichtung zu einer Kapitalzahlung
in bar stellt eine Gegenleistung dar, welche nicht als eine Last an-
10.3.2009 9:12:28 Uhr
Rechtsprechungsübersicht/Répertoire de jurisprudence
AJP/PJA 3/2009
355
gesehen werden kann und welche einem Teil der Transaktion einen
geldwerten Charakter verleiht. Diese Gegenleistung muss mit der
Handänderungssteuer erfasst werden. Die Befreiung von jeglicher
Handänderungssteuer für die Schenkungen des Schenkgebers an
seine Verwandten in direkter Linie betrifft lediglich den Teil der
Transaktion, welcher als Schenkung angeschaut wird. VerwGer
GE, 26.8.2008. StR/RF 2009, 22.
1.16.
Energie- und Umweltrecht /
Energie et environnement
• Gewässerschutz. Periodische Wasser- und Abwassergebühren.
Bemessungsgrundlagen.
Ein Gemeindereglement, welches vorsieht, dass die periodischen
Verbrauchsgebühren ausschliesslich nach Massgabe des umbauten
Raums bzw. der Belastungswerte erhoben werden, verstösst gegen
übergeordnetes Recht; ihm ist die Anwendung zu versagen. / Protection des Eaux. Taxes périodiques de consommation d’eau et
d’élimination des eaux uses. Bases de calcul. Un règlement communal qui prévoit que les taxes périodiques de consommation d’eau
sont fixées uniquement d’après l’espace construit et la charge proportionnelle qui en découle est contraire au droit supérieur et ne
peut être appliqué. VerwGer BE, 11.2.2008. BVR 2008, 557.
1.19.
Sozial- und Sozialversicherungsrecht /
Droit social et droit des assurances sociales
aAHVG/aLAVS 48quater Abs. 3 Satz 2. ATSG/LPGA 73 Abs. 3
Satz 2. Quotenvorrecht/Befriedigungsvorrecht. Der Haftpflichtige
kann sich gegenüber dem Sozialversicherungsträger, der seinen Regressanspruch geltend macht, nicht auf das Befriedigungsvorrecht
des Geschädigten berufen, wenn er dessen Direktanspruch die Verjährungseinrede entgegenhält. / Droit préférentiel/droit préférentiel de couverture. Le responsable ne peut pas se prévaloir, envers
l’assureur social qui exerce son droit de recours, du droit préférentiel de couverture du lésé, lorsqu’il excipe de la prescription de la
prétention directe de celui-ci. BGer/TF, 23.9.2008 (4A_246/2008);
BGE/ATF 134 III 636.
■ OAVS/AHVV 24 cpv. 4, 41bis cpv. 1 lett. f. LPGA/ATSG 26
cpv. 1. Interessi di mora e obbligo di segnalazione. Interpretazione
(scopo, funzione e portata) OAVS. 41bis cpv. 1 lett. f alla luce della
DTF 134 V 202. Rapporto tra obbligo di segnalazione OAVS 24
cpv. 4 e interessi di mora giusta OAVS 41bis cpv. 1 lett. f. / Verzugszinsen und Meldepflicht. Auslegung (Zweck, Funktion und Tragweite) des AHVV 41bis Abs. 1 lit. f im Lichte von BGE 134 V 202.
Verhältnis zwischen Meldepflicht im Sinne von AHVV 24 Abs. 4
und Verzugszinsen gemäss AHVV 41bis Abs. 1 lit. f. TF/BGer,
29.8.2008 (9C_738/2007); DTF/BGE 134 V 405.
■ LACI/AVIG 18c al. 1. OAC/AVIV 32. LAVS/AHVG 21. Imputation d’une prestation de retraite anticipée de la prévoyance professionnelle sur les prestations de l’assurance-chômage; prestation en
capital. Une avance AVS versée, en cas de retraite anticipée, jusqu’à
l’âge ouvrant le droit à une rente AVS (LAVS 21), puis remboursée
par des retenues sur la pension de retraite pendant dix ans, mais au
plus tard jusqu’au décès du retraité, ne constitue pas un simple prêt.
Une telle avance est une prestation de vieillesse de la prévoyance
professionnelle et doit être déduite des prestations de l’assurancechômage conformément à LACI 18c al. 1. Si elle est versée sous la
forme d’un capital, la prestation de vieillesse anticipée doit également être imputée sur les prestations de l’assurance-chômage, après avoir été convertie en une rente mensuelle. / Anrechnung einer
Leistung der beruflichen Vorsorge bei vorzeitiger Pensionierung
an die Leistungen der Arbeitslosenversicherung. Leistung in Kapi■
AJP 03_2009.indb 355
talform. Eine bei vorzeitiger Pensionierung bis zum Erreichen des
AHV-Rentenalters (AHVG 21) ausbezahlte Überbrückungsrente,
die alsdann während einer Dauer von zehn Jahren, längstens aber
bis zum Tode des Rentenbezügers, durch Abzüge von der Altersrente rückerstattet wird, ist kein gewöhnliches Darlehen. Ein derartiger Vorschuss bildet vielmehr eine Altersleistung der beruflichen
Vorsorge, welche gemäss AVIG 18c Abs. 1 von den Leistungen der
Arbeitslosenversicherung abgezogen werden muss. Auch wenn die
Altersleistung als Überbrückungsleistung in Kapitalform erbracht
wird, muss sie an die Leistungen der Arbeitslosenversicherung angerechnet werden, dies auf der Basis einer durch Umrechnung ermittelten Monatsrente. TF/BGer, 28.8.2008 (8C_566/2007); ATF/
BGE 134 V 418.
■ BVG/LPP 2 Abs. 1, 7 Abs. 1, 39 Abs. 2, 66 Abs. 2, 73 Abs. 2.
Aufgrund der Dispositionsmaxime steht es nach Eintritt des Leistungsfalles im Belieben der klagenden Partei, ob sie ihren Arbeitgeber auf Erfüllung der Beitragspflicht oder ihre Vorsorgeeinrichtung
auf Zahlung der Versicherungsleistungen einklagen will. / Après la
survenance d’un cas d’assurance, la maxime de disposition impose
de retenir que c’est à la partie plaignante de décider si elle entend
attaquer son employeur en exécution du paiement de la cotisation
obligatoire ou si elle entend s’en prendre à l’organe de prévoyance
en paiement des prestations d’assurance. BGer/TF, 27.10.2008
(9C_139/2008). Bearbeitet durch Markus Felber. SJZ/RSJ 2009,
63.
■ LAMal/KVG 43 al. 5, 46 al. 4. LTF/BGG 86 al. 1. Cst. / BV 29a,
189 al. 4. CEDH/EMRK 6 par. 1. Recevabilité d’un recours contre
un arrêté du Conseil fédéral. Aucune voie de recours au Tribunal
fédéral n’est ouverte contre une décision d’approbation du Conseil
fédéral relative à la révision de la structure tarifaire à la prestation
pour les prestations médicales TARMED. / Zulässigkeit der Beschwerde gegen einen Entscheid des Bundesrates. Gegen einen Genehmigungsentscheid des Bundesrates betreffend Änderung der für
medizinische Leistungen geltenden Tarifstruktur TARMED steht
kein Rechtsmittel an das Bundesgericht offen. TF/BGer, 20.10.2008
(9C_116/2008); ATF/BGE 134 V 443.
■ LAA/UVG 7 al. 2, 8 al. 2. OLAA/UVV 13. Assurée travaillant au
service de plusieurs employeurs à raison chaque fois de moins de
huit heures par semaine. Les durées d’occupation auprès de chaque
employeur ne peuvent pas être additionnées pour déterminer la durée de travail minimale requise pour la couverture des accidents non
professionnels. Dans la mesure où, dans sa version française, il assimile à des accidents professionnels seulement les accidents subis
par des travailleurs «pendant le trajet entre leur domicile et leur lieu
de travail», OLAA 13 al. 2 est conforme à la loi. / Teilzeitbeschäftigte Versicherte, die für mehrere Arbeitgeber tätig ist und deren
wöchentliche Arbeitszeit bei jedem Arbeitgeber weniger als acht
Stunden beträgt. Bei der Ermittlung der Mindestarbeitsdauer für die
Versicherung der Nichtberufsunfälle bei Teilzeitbeschäftigungen
können die Arbeitszeiten bei mehreren Arbeitgebern nicht zusammengezählt werden. Soweit UVV 13 Abs. 2 in der französischen
Fassung nur die auf der Strecke («trajet») zwischen Wohn- und
Arbeitsort erlittenen Unfälle den Berufsunfällen gleichstellt, ist er
gesetzeskonform. TF/BGer, 24.8.2008 (8C_328/2008); ATF/BGE
134 V 412.
■ Verordnung (EWG) Nr. 1408/71/Règlement (CEE) n° 1408/71 13
Abs. 1 und 2 lit. a, 14 Abs. 1 lit. a. Verordnung (EWG) Nr. 574/72/
Règlement (CEE) no 574/72 11. Entsandter Arbeitnehmer. Ein
Arbeitnehmer, der von einem Schweizer Unternehmen in einem
Mitgliedstaat rekrutiert wird, um unmittelbar in einem weiteren
Mitgliedstaat die Erwerbstätigkeit aufzunehmen, erfüllt die Voraussetzungen einer Entsendung im Sinne der Verordnung (EWG)
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356
Nr. 1408/71 14 Abs. 1 lit. a nicht und unterliegt daher den Rechtsvorschriften des Beschäftigungslandes gemäss 13 Abs. 2 lit. a dieser Verordnung. / Travailleur détaché. Un travailleur recruté dans un
Etat membre par une entreprise suisse afin d’entreprendre immédiatement une activité lucrative dans un autre Etat membre ne satisfait
pas aux conditions d’un détachement au sens de règlement (CEE)
n° 1408/71 14 par. 1 let. a. Partant il est soumis à la législation de
l’Etat sur le territoire duquel il exerce son activité conformément à
13 par. 2 let. a de ce règlement. BGer/TF, 4.8.2008 (U 50/07); BGE/
ATF 134 V 428.
• ATSG 21 Abs. 4. Kürzung und Verweigerung von Leistungen,
wenn sich der Versicherte einer zumutbaren Behandlung widersetzt:
Zur «Zumutbarkeit» einer Behandlung, zur Verletzung der Behandlungspflicht und zur Verhältnismässigkeit der verfügten Sanktion.
Sozialversicherungsgericht BS, 12.3.2008. BJM, 2008, 326.
• ATSG/LPGA 27 Abs. 2. Arbeitslosenversicherung. Anspruch
auf Arbeitslosenentschädigung wegen Verletzung der individuellen
Aufklärungs- und Beratungspflicht. Das regionale Arbeitsvermittlungszentrum RAV hat es unterlassen, anlässlich einer allgemeinen
Informationsveranstaltung in einem Arbeitsbetrieb darauf hinzuweisen, dass vorzeitig pensionierte Versicherte unter gewissen
Voraussetzungen Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung haben.
Eine Verletzung der individuellen Aufklärungs- und Beratungspflicht liegt nur vor, wenn das RAV über die geplante Frühpensionierung einzelner Teilnehmer der Veranstaltung orientiert war
und darüber hinaus ersichtlich war, dass diese im Begriff waren,
für sie nachteilige Dispositionen zu treffen. / Assurance-chômage.
droit à l’indemnité de chômage en cas de violation de l’obligation
d’information et de conseil individuels. Lorsque l’Office régional
de placement (ORP), lors d’une séance d’information générale dans
une entreprise, omet de mentionner que les assurés bénéficiant d’une
retraite anticipée peuvent aussi prétendre à l’indemnité de chômage
à certaines conditions, il viole son obligation d’information et de
conseil individuels, mais ceci uniquement si l’ORP était au courant
du fait qu’il était prévu de mettre certains collaborateurs à la retraite
anticipée et qu’il était apparent que ces derniers allaient prendre des
dispositions qui leur porteraient préjudice. VerwGer BE, 1.7.2008.
BVR 2008, 563.
1.21.
Öffentliches Dienstrecht /
Fonction publique
• Abgangsentschädigung bei Beendigung eines drittmittelfinanzierten Anstellungsverhältnisses. Massgebende Rechtsgrundlagen
für drittmittelfinanzierte Anstellungen an der Universität Bern. Das
Auslaufen der Drittmittel stellt einen triftigen Grund dar für die
Auflösung des Anstellungsverhältnisses. Wird ein Arbeitsverhältnis
durch Zeitablauf beendet, besteht grundsätzlich kein Anspruch auf
Abgangsentschädigung. Dass eine Anstellung drittmittelfinanziert
ist, steht der Ausrichtung einer Abgangsentschädigung nicht entgegen. Zulässigkeit von Kettenarbeitsverträgen. Vorliegend bestand
kein sachlicher Grund für die Aneinanderreihung befristeter Verträge und ist ein vernünftiger Grund für die Befristung nicht ersichtlich.
Das befristete Anstellungsverhältnis ist damit in ein unbefristetes
umzudeuten, welches nur durch Kündigung hätte aufgelöst werden
können. Der vertragliche Ausschluss einer Abgangsentschädigung
ist im Rahmen der Mindestansprüche nach OR zulässig. Eine Abgangsentschädigung ist damit geschuldet für jene Zeit, für welche
ein solcher Ausschluss nicht vereinbart wurde. / Indemnité de départ
à l’échéance d’un rapport de travail financé par des contributions
de tiers. Bases légales déterminantes pour les rapports de travail au
sein de l’Université de Berne financés par des contributions de tiers.
L’épuisement des contributions de tiers constitue un motif pertinent
AJP 03_2009.indb 356
pour la résiliation de l’engagement. Lorsqu’un rapport de travail
se termine en raison de l’écoulement du temps, il n’existe en principe aucun droit à une indemnité de depart. Le fait qu’un rapport
de travail est financé par des contributions de tiers n’empêche pas
le versement d’une indemnité de depart. Admissibilité de contrats
de travail de durée déterminée successifs. En l’espèce, aucun motif
concret ne justifiait une succession de contrats de travail de durée
déterminée. Le rapport de travail de durée déterminée doit dès lors
être considéré comme un rapport de travail de durée indéterminée, auquel un terme ne pouvait être mis que par une résiliation.
L’exclusion dans le contrat du droit à une indemnité de départ est
admissible du point de vue des droits minimaux garantis par le CO.
Une indemnité de départ est dès lors due en l’occurrence pour la
période pour laquelle une telle exclusion n’avait pas été convenue.
VerwGer BE, 21.5.2008. BVR 2008, 529.
2.
Privatrecht / Droit privé
2.3.
Personenrecht / Droit des personnes
■ OR/CO 1 Abs. 1 und 2, 19 Abs. 1. ZGB 70 Abs. 2. Konsensuale
Auflösung der Vereinsmitgliedschaft. Ein Ausscheiden aus einem
Verein ist nicht nur durch einseitigen Austritt (ZGB 70 Abs. 2)
möglich, sondern auch durch vertragliche Einigung zwischen Verein und Mitglied. In casu ist die Arbeitgeberfirma, ein Zimmereibetrieb, wie die meisten Holzbaufirmen aufgrund zulässiger vertraglicher Übereinkunft auf Ende März 2003 aus dem Schweizerischen
Baumeisterverband (SBV) ausgeschieden. Sie unterstand somit
nie dem Geltungsbereich des am 1. Juli 2003 in Kraft getretenen,
zwischen dem SBV und zwei Gewerkschaften geschlossenen Gesamtarbeitsvertrags für den flexiblen Altersrücktritt im Bauhauptgewerbe (GAV FAR), weshalb ihrem Arbeitnehmer von vornherein
keine Überbrückungsrente nach GAV FAR zusteht. / Dissolution
consensuelle du lien unissant le sociétaire à l’association dont il est
membre. Il est possible de quitter une association non seulement par
une déclaration unilatérale de sortie (CC 70 al. 2), mais également
par l’établissement d’une convention entre association et membre.
En l’espèce, l’employeur, une charpenterie, comme la plupart des
entreprises de construction actives dans le domaine du bois, s’est
retiré de la Société Suisse des Entrepreneurs (SSE) sur la base d’un
accord contractuel prenant effet à la fin du mois de mars 2003. Il
n’a par conséquent jamais été soumis à la convention collective
de travail pour la retraite anticipée dans le secteur principal de la
construction (CCT RA), entrée en vigueur le 1er juillet 2003, conclue entre la SSE et deux syndicats, raison pour laquelle il n’existe
a priori pas de droit pour ses employés à une rente intermédiaire
en cas de retraite anticipée selon la CCT RA. BGer/TF, 25.9.2008
(9C_547/2007); BGE/ATF 134 III 625.
2.4.
Familienrecht – allgemein /
Droit de famille – en général
2.4.1.
Eherecht / Droit de mariage
ZGB/CC 177. BGG/LTF 98 i.V.m. 46 Abs. 2. Anweisungen an
die Schuldner. Fristenlauf. Die Schuldneranweisung gemäss den
Bestimmungen zum Schutz der ehelichen Gemeinschaft ist eine vorsorgliche Massnahme, so dass der gesetzliche Fristenstillstand für
die Beschwerdeführung beim Bundesgericht nicht gilt. / Avis aux
débiteurs. Délai. L’avis aux débiteurs selon les dispositions visant
à assurer la protection de l’union conjugale est une mesure provisionnelle, de sorte que la suspension des délais prévue par la loi pour
déposer un recours auprès du Tribunal fédéral n’est pas applicable.
BGer/TF, 21.10.2008 (5A_585/2008); BGE/ATF 134 III 667.
■
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Rechtsprechungsübersicht/Répertoire de jurisprudence
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357
2.4.1.1. Scheidungsrecht / Droit de divorce
ZGB/CC 125, 163. Für die Frage, ob eine Ehe lebensprägend
war, kann das vorausgegangene Konkubinat nur in eng begrenzten bzw. qualifizierten Ausnahmefällen überhaupt in die Gesamtbetrachtung einbezogen werden. / Pour déterminer si le mariage a
eu un impact déterminant sur le niveau de vie d’un époux, on ne
doit tenir compte du concubinage précédant le mariage que de manière restreinte, à savoir dans des situations d’exceptions qualifiées.
BGer/TF, 3.11.2008 (5A_538/2008). Bearbeitet durch Markus
Felber. SJZ/RSJ 2009, 67.
■ ZGB/CC 163, 276 i.V. m. 285. Es wäre am Gesetzgeber, eine
taugliche Lösung für die unbefriedigende Situation zu schaffen,
die sich bei der familienrechtlichen Unterhaltsregelung aus der als
Praxis bestätigten einseitigen Mankoüberbindung an die Unterhaltsgläubiger ergibt. / Il incombe au législateur d’élaborer une solution appropriée pour régler la situation insatisfaisante en matière
de contribution d’entretien après divorce, mais qui découle d’une
pratique confirmée, selon laquelle c’est au créancier de la contribution de supporter le manque de ressources. BGer/TF, 23.10.2008
(5A_767/2007). Bearbeitet durch Markus Felber. SJZ/RSJ 2009,
65.
■
2.6.
Sachenrecht – allgemein /
Droits réels – en général
2.6.1.
Das Eigentum / La propriété
■ CC/OR 8, 679, 684. Responsabilité du propriétaire foncier. Causalité naturelle. Preuve. / Verantwortlichkeit des Grundeigentümers.
Natürliche Kausalität. TF/BGer, 17.4.2008 (5A_597/2007). Mit
Bemerkungen von Paul-Henri Steinauer. BR/DC 2008, 172.
■ ZGB/CC 679, 688. Nachbarrecht. Grundeigentümerhaftung. Verhältnis von Zivilrecht und öffentlichem Recht. / Droit de voisinage.
Responsabilité du propriétaire. Relation entre le droit civil et le
droit public. BGer/TF, 2.6.2008 (5A_749/2007). Mit Bemerkungen
von Jörg Schmid. BR/DC 2008, 172.
2.7.
2.7.2.
Schuldrecht – allgemein /
Droit des obligations – en général
Obligationenrecht – Besonderer Teil – allgemein /
Droit des obligations – Partie spéciale –
en général
2.7.2.1. Kauf, CISG und Tausch / Vente, et échange
■ Grundstückkaufvertrag. Baumeisterverpflichtung. Verjährung. /
Contrat de vente immobilière. Obligations de l’architecte. Prescription. BGer/TF, 3.7.2008 (4A_211/2008). Mit Bemerkungen von
Hubert Stöckli. BR/DC 2008, 166.
2.7.2.3. Miete, Pacht / Bail à loyer, bail à ferme
■ OR 272. Erstreckung und Mieterinvestitionen. Mieterinvestitionen von Fr. 100 000.– begründen nach neun Jahren Mietdauer mit
günstigem Mietzins keinen Härtegrund mehr. Trotz dringenden Eigenbedarfs der Vermieterin ist aber aufgrund der übrigen Umstände
eine definitive Erstreckung von drei Jahren für eine gemeinnützige
Organisation zur Wiedereingliederung von Arbeitslosen angemessen. BGer, 12.6.2008 (4A_85/2008). mp 2008, 225.
■ OR 272. Erstreckung Wohnungsmiete. Nicht zu beanstanden ist
eine definitive Erstreckung von drei Jahren für ein Ehepaar nach
einer Mietdauer von über 16 Jahren. Dies gilt auch, wenn der Vermieter seinen Eigenbedarf ausweist und die Mieter nicht an das
Quartier gebunden sind, in finanziell günstigen Verhältnissen leben
AJP 03_2009.indb 357
und keine Suchbemühungen unternommen haben. BGer, 26.5.2008
(4A_130/2008). mp 2008, 228.
■ OR 272 Abs. 2 lit. b. Erstreckung. Quartierverbundenheit. Es ist
nicht unangemessen, für die Annahme des Härtegrunds der Quartierverbundenheit eine Mietdauer von mindestens zehn Jahren vorauszusetzen. BGer, 14.3.2008 (4A_17/2008). mp 2008, 238.
■ OR 272, 273, 274a. Frist zur Einreichung des Begehrens um Zweiterstreckung. Das Begehren um Zweiterstreckung ist auch bei Hängigkeit des Verfahrens um Ersterstreckung innert gesetzlicher Frist
einzureichen. Die Abschreibung der gegenstandslos gewordenen
Beschwerde gegen eine Ersterstreckung bewirkt nicht unbedingt die
materielle Rechtskraft des angefochtenen Entscheids. Über Erstrekkungsbegehren im Anschluss an eine ordentliche Kündigung hat die
Schlichtungsbehörde und nicht die Ausweisungsbehörde zu entscheiden. Bestimmungen über die Miete und die Pacht von Wohn- und Geschäftsräumen. BGer, 30.4.2008 (4A_92/2008). mp 2008, 231.
2.7.2.7. Werkvertrag / Contrat d’entreprise
■ CO/OR 107 ss, 372, 378. Demeure. Interprétation. Résolution
du contrat. Werkvertrag. / Verzug. Auslegung. Rücktritt. TF/BGer,
9.9.2008 (4A_306/2008). Mit Bemerkungen von Pascal Pichonnaz. BR/DC 2008, 168.
■ OR/CO 369. Haftungsbefreiung trotz fehlender Abmahnung.
Wissenszurechnung. / Exclusion de responsabilité malgré un avertissement lacunaire. Imputation des volontés. BGer/TF, 7.8.2008
(4A_166/2008). Mit Bemerkungen von Hubert Stöckli. BR/DC
2008, 166.
■ CO/OR 366, 377. Qualification d’un contrat de développement
d’un logiciel. / Qualifikation eines Softwareentwicklungsvertrags.
TF/BGer, 28.8.2008 (4A_265/2008). Mit Bemerkungen von Pascal Pichonnaz. BR/DC 2008, 168.
■ OR 371. Verjährung von Mängelrechten. Ein Futtersilo ist kein
unbewegliches Bauwerk. / Prescription des droits liés au défaut.
Un silo à grains n’est pas une construction immobilière. BGer/TF,
23.7.2008 (4A_235/2008). Mit Bemerkungen von Hubert Stöckli. BR/DC 2008, 167.
2.7.2.9. Auftragsrecht / Mandat
■ CO/OR 6, 18, 394 al. 3. Contrat d’architecte et d’ingénieur. Fixation de la rémunération due au mandataire. Droit du mandataire
de se prévaloir tacitement d’un tarif professionnel. Règlement
d’honoraires VSI-ASAI. / Architekten- und Ingenieurvertrag. Festsetzung der Vergütung des Beauftragten. Recht des Beauftragten,
sich stillschweigend auf den Berufstarif zu berufen. Honorarverordnung VSI-ASAI. TF/BGer, 29.5.2008 (4A.100/2008). Mit Bemerkungen von Franz Werro. BR/DC 2008, 170.
■ CO/OR 398, 99 al. 3, 42 al. 2. CC/ZGB 8. Contrat d’architecte
et d’ingénieur. Responsabilité du mandataire. Preuve du dommage.
Lien de causalité. Fardeau de la preuve. / Architekten- und Ingenieurvertrag. Haftung des Beauftragten. Schadensbeweis. Kausalzusammenhang. Beweislast. TF/BGer, 21.4.2008 (4A_38/2008).
Mit Bemerkungen von Franz Werro. BR/DC 2008, 169.
2.7.2.10. Geschäftsführung ohne Auftrag /
Gestion d’affaires
■ OR/CP 419 ff. Architekten- und Ingenieurvertrag. Geschäftsführung ohne Auftrag. Architektenhonorar bei genehmigter
Geschäftsführung. / Gestion d’affaires sans mandate. Honoraires
d’architecte en cas d’approbation de la gestion. BGer/TF, 31.3.2008
(4A_496/2007). Mit Bemerkungen von Hubert Stöckli. BR/DC
2008, 169.
10.3.2009 9:12:29 Uhr
Rechtsprechungsübersicht/Répertoire de jurisprudence
AJP/PJA 3/2009
358
2.7.3.
Haftpflichtrecht / Responsabilité civile
Kann die Direktforderung gegenüber dem Haftpflichtigen nicht
mehr durchgesetzt werden, da dieser ihr die Verjährungseinrede
entgegenhält, so erübrigt sich ein Schutz des Geschädigten gegen
Insolvenz und es steht der Durchsetzung des Regressanspruchs des
Sozialversicherers nichts entgegen. / S’il n’est plus possible de faire
valoir l’action directe contre le responsable, parce que celui-ci lui
oppose l’exception de prescription, protéger le lésé contre la faillite du responsable devient inutile et plus rien ne s’oppose à ce que
l’assureur social fasse valoir ses prétentions récursoires. BGer/TF,
23.9.2008 (4A_246/2008). Bearbeitet durch Markus Felber. SJZ/
RSJ 2009, 17.
• OR/CO 58. Werkeigentümerhaftung. Begriff des Werkes. Mangelhafter Unterhalt. Grillplatz mit Baumbestand. / Responsabilité
pour les bâtiments et autres ouvrages. Notion d’ouvrage. Défaut
d’entretien. Place de grillade avec arbre. KGer BL, 4.3.2008. Mit
Bemerkungen von Hubert Stöckli. BR/DC 2008, 182.
■
3.
Wirtschaftsrecht / Droit économique
3.2.
Gesellschaftsrecht – allgemein /
Droit des sociétés – en général
3.2.2.
Kollektivgesellschaft / Société en nom collectif
CO/OR 568 al. 3, 120 al. 1. Société en nom collectif faillie, responsabilité personnelle des associés pour les dettes sociales (CO 568
al. 3). Rapport de réciprocité dans la compensation (CO 120 al. 1).
Caractéristiques de la société en nom collectif. Particularités de la
responsabilité des associés. Validité de la reconnaissance de dette
litigieuse. Notion de dette de la masse. Les créanciers sociaux pris
individuellement sont les titulaires directs et exclusifs des prétentions en responsabilité personnelle contre les associés de la société
en nom collectif faillie, et non la masse passive de celle-ci. / Kollektivgesellschaft in Konkurs, persönliche Haftung der Gesellschafter
für die Gesellschaftsschulden (OR 568 Abs. 3). Gegenseitigkeit der
Forderungen bei der Verrechnung (OR 120 Abs. 1). Charakteristika
der Kollektivgesellschaft. Besonderheiten der Haftung der Gesellschafter. Gültigkeit der strittigen Schuldanerkennung. Begriff der
Masseschuld. Die einzelnen Gesellschaftsgläubiger sind direkt und
ausschliesslich anspruchsberechtigt aus der persönlichen Haftung
der Gesellschafter der konkursiten Kollektivgesellschaft und nicht
die Konkursmasse derselben. TF/GBer, 23.9.2008 (4A_264/2008);
ATF/BGE 134 III 643.
■
3.9.
Arbeitsrecht / Droit du travail
■ ALCP/FZA 9. Reconnaissance des diplômes. Déni de justice.
Reconnaissance de diplôme de la profession d’assistante socioéducative, réglementée en Suisse. En vertu de ALCP 9, le système
européen de reconnaissance des diplômes est directement applicable. L’Office fédéral de la formation professionnelle et de la technologie (OFFT) est tenu de rendre une décision dans le délai de
quatre mois prévu par Directive 92/51 12 al. 2, dès qu’il dispose de
tous les éléments nécessaires pour comparer la formation reconnue
à l’étranger avec les exigences requises en Suisse. Il lui appartient
d’effectuer rapidement les recherches pour obtenir les informations
juridiques qui lui manquent. Le délai de quatre mois commence
alors à courir à partir de la réception des renseignements demandés.
Dans ce délai, l’Office compétent doit trancher sur le fond et ne
peut se contenter de suspendre la procédure, sous peine de violer
la directive européenne applicable. / Anerkennung von Diplomen.
Rechtsverweigerung. Diplomanerkennung auf dem Gebiet des in
der Schweiz geregelten Berufs einer sozialpädagogischen Assisten-
AJP 03_2009.indb 358
tin. Gemäss FZA 9 ist das europäische System der Anerkennung
von Diplomen direkt anwendbar. Das Bundesamt für Berufsbildung und Technologie (BBT) ist gehalten, innert der in Richtlinie
92/51 12 Abs. 2 vorgesehenen Frist von vier Monaten einen Entscheid zu fällen, sobald es über alle notwendigen Elemente verfügt,
um die im Ausland anerkannte Ausbildung mit den in der Schweiz
gültigen Erfordernissen zu vergleichen. Es muss die ihm fehlenden
rechtlichen Informationen rasch in Erfahrung bringen. Sobald es
die angeforderten Auskünfte erhalten hat, beginnt die viermonatige
Frist zu laufen. Innert dieser Frist muss das zuständige Bundesamt
in der Sache entscheiden. Begnügt es sich mit einer Sistierung des
Verfahrens, verstösst es gegen die anwendbare europäische Richtlinie. TF/GBer, 30.10.2008 (2C_416/2008); ATF/BGE 134 II 341.
■ Whistleblowing, secret bancaire, licenciement abusif. TF,
8.7.2008 (4A_2/2008). Mit Bemerkungen von Carlos Jaico und
Sébastien Micotti. AJP/PJA 2009, 115.
4.
Internationales Privat- und Verfahrensrecht / Droit international privé et droit
international de procédure civile
4.1.
Internationales Privatrecht – allgemein /
Droit international privé – en général
4.1.2.
Einzelne Gebiete des IPR /
Matières particulières du DIP
■ LDIP/IPRG 27 al. 1, 61, 63 al. 2, 64 al. 2. Action en complément
d’un jugement de divorce étranger. Reconnaissance d’un jugement
de divorce étranger. Le partage de la prestation de sortie de la prévoyance professionnelle est en principe régi par le droit applicable
au divorce. Le jugement de divorce étranger n’est pas lacunaire,
partant susceptible de complément, lorsque la prestation compensatoire allouée à l’épouse, en application du droit français, a été fixée
en tenant compte, notamment, de la prestation de sortie du mari
selon le droit suisse. La reconnaissance d’un jugement de divorce
étranger allouant à l’épouse une prestation compensatoire inférieure
à la moitié de la prestation de sortie du mari n’est pas manifestement incompatible avec l’ordre public matériel suisse. / Klage auf
Ergänzung eines ausländischen Scheidungsurteils. Anerkennung
eines ausländischen Scheidungsurteils. Die Teilung der Austrittsleistung der beruflichen Vorsorge untersteht grundsätzlich dem auf
die Scheidung anwendbaren Recht. Wurde die nach französischem
Recht an die Ehefrau zu leistende Ausgleichszahlung namentlich
unter Berücksichtigung der Austrittsleistung der beruflichen Vorsorge des Ehemanns gemäss schweizerischem Recht festgesetzt,
so ist das Scheidungsurteil diesbezüglich nicht unvollständig und
bedarf folglich keiner Ergänzung. Die Anerkennung eines ausländischen Scheidungsurteils, das der Ehefrau eine Ausgleichszahlung
zuspricht, die weniger als die Hälfte der Austrittsleistung der beruflichen Vorsorge des Ehemannes beträgt, ist mit dem schweizerischen materiellen Ordre public nicht offensichtlich unvereinbar.
TF/BGer, 12.6.2008 (5A_220/2008); ATF/BGE 134 III 661.
■ IPRG 166, 167, 168, 172, 173, 175. Prozessführungsbefugnis
eines ausländischen Konkursverwalters. BGer, 6.3.2008 (4A_
231/2007). Mit Bemerkungen von Ivo Schwander. SZIER 2008,
252.
■ IPRG 167 Abs. 1, 166 ff. Anerkennung eines finnischen Konkursdekrets. BGer, 4.1.2008 (5A_539/2007). Mit Bemerkungen von Ivo
Schwander. SZIER 2008, 251.
■ Scheidung in Frankreich. Ehegatten mit Wohnsitz in Frankreich
und schweizerischer und französischer Staatsangehörigkeit. «Prestation compensatoire» nach französischem Recht. Nur teilwei-
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Rechtsprechungsübersicht/Répertoire de jurisprudence
AJP/PJA 3/2009
359
se Berücksichtigung von Vorsorgeansprüchen der Ehefrau in der
Schweiz. Keine Ergänzung möglich. Keine Verletzung des Ordre
Public. BGer, 12.6.2008 (5A_220/2008). Mit Bemerkungen von
Andreas Bucher. AJP/PJA 2009, 117.
• Objektive Anküpfung eines Dienstleistungsvertrags. Verhältnis
zwischen der Anknüpfung aufgrund der charakteristischen Leistung (IPRG 117 Abs. 2 und 3) und derjenigen aufgrund des engsten
Zusammenhangs (IPRG 117 Abs. 1). Handelsgericht SG, 7.4.2008.
Mit Bemerkungen von Ivo Schwander. SZIER 2008, 246.
6.
Gerichtsorganisation und Verfahrensrecht/
Organisation judiciaire et procédure
6.1.
Gerichtsorganisation /
Organisation judiciaire
■ LTF/BGG 90 et 98. Sûretés en matière d’impôt. Caractère final au
sens de LTF 90 d’une décision mettant fin à une procédure relative
à des sûretés en matière d’impôt. Griefs recevables d’après LTF 98
et principe d’allégation/Sicherstellung der Steuer. Der verfahrensabschliessende Entscheid über eine Sicherstellungsverfügung stellt
einen Endentscheid im Sinne von BGG 90 dar. Zulässige Rügen
gemäss BGG 98 und Substantiierungspflicht. TF/BGer, 1.10.2008
(2C_414/2008); ATF/BGE 134 II 349.
■ LTF/BGG 123 al. 2 let. a. Révision d’un arrêt du Tribunal
fédéral. Conditions auxquelles un arrêt du Tribunal fédéral peut être
révisé en raison de faits nouveaux. / Revision eines Bundesgerichtsurteils. Bedingungen, unter denen ein Bundesgerichtsurteil infolge
neuer Tatsachen revidiert werden kann. TF/BGer, 15.9.2008 (5F_
4/2008 / 5F_5/2008); ATF/BGE 134 III 669.
■ OR/CO 5. Vertrag über Dienstleistungen für die Abfallentsorgung. Verspäteter Akzept. Behandlung von Beschwerden in Zivilsachen durch die II. öffentlich-rechtliche Abteilung des Bundesgerichts. Öffentlich vergebener Auftrag für den Abtransport
von Hauskehricht als privat- oder verwaltungsrechtlicher Vertrag?
Keine Bindungswirkung der Vertragsofferte über einen Zeitraum
von mehr als zwei Monaten. Schadenersatz gemäss OR 404 Abs. 2
wegen Kündigung zur Unzeit. / Contrat de prestations de service
pour l’élimination des déchets. Acceptation tardive. Traitement
des recours en matière de droit civil par la IIe Cour de droit public
du Tribunal fédéral. Contrat portant sur l’évacuation des déchets
ménagers conclu à la suite d’une adjudication publique: contrat de
droit privé ou de droit administratif? Une offre ne lie plus son auteur après une période de plus de deux mois. Réparation du dommage selon CO 404 al. 2 en cas de résiliation en temps inopportun.
BGer/TF, 5.11.2008 (2D_64/2008); BGE/ATF 134 II 297.
■ Die Ablösung der staatsrechtlichen Beschwerde in Doppelbesteuerungssachen und der Verwaltungsgerichtsbeschwerde in Steuerharmonisierungsangelegenheiten durch die Beschwerde in öffentlichrechtlichen Angelegenheiten gebietet es, der nach kantonalem Recht
zuständigen Behörde die Beschwerdelegitimation zuzuerkennen. / Le
remplacement du recours de droit public en matière de double imposition et du 2) recours de droit administratif en matière d’harmonisation
fiscale par le recours en matière de droit public offre la possibilité
de reconnaître la qualité pour agir aux autorités compétentes selon le
droit cantonal. BGer/TF, 17.6.2008 (2C_537/2007). Bearbeitet durch
Markus Felber. SJZ/RSJ 2009, 16.
6.2.
Anwaltsrecht /
Droit sur la profession d’avocat
■ LMI/BGBM 2 al. 4, 3. LLCA/BGFA 3. Loi vaudoise sur la profession d’avocat/Waadtländer Anwaltsgesetz 18. Inscription au ta-
AJP 03_2009.indb 359
bleau des avocats stagiaires. Relations entre la LLCA, dont 3 al. 1
réserve le droit des cantons de fixer les exigences pour l’obtention
du brevet d’avocat, et la LMI, dont 2 al. 4 1re phrase énonce le
principe du libre accès au marché à toute personne qui remplit
les conditions du premier établissement, sous réserve des restrictions figurant à LMI 3. Limites dans lesquelles les cantons peuvent
exercer les compétences qui leur sont réservées par LLCA 3 al. 1.
Examen de la conformité au regard de la LMI du refus signifié à un
avocat d’engager un stagiaire. L’exigence posée par la législation
vaudoise d’une pratique de cinq ans dans le canton, telle qu’elle a
été interprétée en l’espèce, viole le principe de la proportionnalité. La gratuité de la procédure prévue à LMI 3 al. 4 ne s’applique
pas aux procédures de recours. / Aufnahme in die kantonale Liste
der Anwaltskandidaten. Verhältnis zwischen dem BGFA, dessen 3
Abs. 1 das Recht der Kantone, die Anforderungen für den Erwerb
des Anwaltspatents festzulegen, vorbehält, und dem Binnenmarktgesetz, welches in 2 Abs. 4 Satz 1 jedermann – unter Vorbehalt
der Beschränkungen nach Art. 3 – nach den Vorschriften am Ort
der Erstniederlassung freien Zugang zum Markt gewährleistet.
Schranken der durch BGFA 3 Abs. 1 vorbehaltenen kantonalen
Regelungsbefugnis. Prüfung, ob das gegenüber einem Anwalt
ausgesprochene Verbot, einen Anwaltskandidaten anzustellen, mit
dem Binnenmarktgesetz vereinbar ist. Eine Auslegung des kantonalen Rechts in dem Sinn, dass dieses die Ausübung der Anwaltstätigkeit während fünf Jahren im Kanton verlange, verletzt das
Verhältnismässigkeitsprinzip. Die in BGBM 3 Abs. 4 vorgesehene
Unentgeltlichkeit des Verfahrens gilt nicht für Beschwerdeverfahren. TF/GBer, 24.9.2008 (2C_85/2008 / 2C_94/2008); ATF/BGE
134 II 329.
■ OR/CO 398. Anwaltshaftung. Geschuldete Sorgfalt. Kenntnis der Rechtsprechung. «Internet»-Urteile. / Responsabilité de
l’avocat. Diligence requise. Connaissance de la jurisprudence.
Décisions accessibles par internet. BGer/TF, 10.7.2008 (4A_
190/2008). Mit Bemerkungen von Hubert Stöckli. BR/DC
2008, 170.
■ Die Frage nach dem Berufsgeheimnis des Unternehmensanwalts
wird weiter offen gelassen, da sich dieses nur auf Informationen beziehen kann, über die der Anwalt Gewahrsam erlangt hat oder die
ihm ohne seinen Willen abhanden gekommen sind. / La question relative au secret professionnel de l’avocat d’entreprise est laissée indécise, car ce secret ne peut se rapporter qu’à des informations, qui
ont été confiées à l’avocat ou qui lui ont échappées sans sa volonté.
BGer/TF, 28.10.2008 (1B_101/2008). Bearbeitet durch Markus
Felber. SJZ/RSJ 2009, 14.
6.4.
Zivilprozessrecht / Procédure civile
Passivlegitimation bei Ausübung eines Vorkaufsrechtes. / Légitimation passive dans l’exercice d’un droit de préemption. GBer/TF,
30.4.2008 (5A_54/2008). Mit Bemerkungen von Peter Reetz.
BR/DC 2008, 181.
■
6.6.
Zwangsvollstreckungs- und Konkursrecht /
Exécution forcée et faillite
SchKG/LP 80 Abs. 1. Definitive Rechtsöffnung. Aberkennungsurteil. Definitive Rechtsöffnung kann aufgrund eines Urteils gewährt werden, in dem die Aberkennungsklage abgewiesen wurde,
die der Betriebene im Zuge einer früheren und nunmehr verwirkten
Betreibung bezüglich derselben Forderung angehoben hatte. / Mainlevée définitive de l’opposition. Jugement sur l’action en libération
de dette. La mainlevée définitive de l’opposition peut être accordée
sur la base d’un jugement rejetant l’action en libération de dette qui
avait été ouverte par le poursuivi lors d’une précédente poursuite
■
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Rechtsprechungsübersicht/Répertoire de jurisprudence
AJP/PJA 3/2009
360
(en l’occurrence périmée) relative à la même prétention. BGer/TF,
9.9.2008 (5A_164/2008); BGE/ATF 134 III 656.
■ SchKG 288 ff. Absichtsanfechtung und Sanierung. BGer,
29.5.2008 (5A_29/2007); BGE 134 III 452. Mit Bemerkungen
von Andrea Galliker und Hans Caspar von der Crone. SZW
2008, 602.
• SchKG/LP 82 Abs. 1 und 2. Der Arbeitsvertrag hat für die Entschädigung nach OR 337c Abs. 1 die Eigenschaft eines provisorischen Rechtsöffnungstitels, wenn nicht der Arbeitgeber die
Rechtmässigkeit der fristlosen Entlassung oder eine Anrechnungspflicht des Arbeitnehmers glaubhaft machen kann. Der Einwand,
die fristlose Entlassung sei berechtigt gewesen, stellt keine Einrede
aus dem Vertrag dar, sondern richtet sich gegen den Bestand des
Vertrages. Eine derartige Einwendung wird gleich behandelt wie
die Einwendung gegen eine einseitige Schuldanerkennung, d.h., der
Arbeitgeber muss die Einwendung, der Lohnanspruch sei infolge
Auflösung des Arbeitsverhältnisses entfallen, auch bei einer Schuldanerkennung für einen zweiseitigen Vertrag glaubhaft machen und
nicht bloss behaupten. / Le contrat de travail vaut pour des indemnités au sens de l’art. 337c CO comme titre de mainlevée provisoire,
sauf si l’employeur rend vraisemblable que la résiliation immédiate était justifiée ou qu’il dispose d’une prétention compensatoire
à l’égard de l’employé. L’objection consistant à soutenir que la résiliation immédiate était justifiée ne constitue pas une exception issue
du contrat mais se dirige contre l’existence même du contrat. Une
telle objection est traitée comme l’objection contre une reconnaissance de dette unilatérale, c’est-à-dire que l’employeur ne saurait
se contenter de simplement prétendre que la prétention en salaire
est tombée en raison de la dissolution du rapport de travail, mais
il doit pour une reconnaissance de dette issue d’un contrat bilatéral également rendre vraisemblable cette objection. KGer/TC SG,
11.4.2008. BlSchK/BPPF 2008, 222.
6.7.
Verwaltungsverfahrensrecht, Staats- und
Verwaltungsrechtspflege /
Procédure administrative, juridiction constitutionnelle et administrative
• Aktualität des Rechtsschutzinteresses. Die Beschwerdeerhebung
setzt in der Regel ein aktuelles Rechtsschutzinteresse voraus. Voraussetzungen, unter welchen trotz Fehlens oder Wegfalls eines aktuellen Rechtsschutzinteresses ausnahmsweise auf eine Beschwerde
einzutreten ist. Vorbehältlich spezialgesetzlicher Regelung vermag
der Umstand, dass eine Partei Staatshaftungsansprüche in Aussicht
stellt, ein Feststellungsinteresse hinsichtlich der Rechtswidrigkeit
der angefochtenen Verfügung nicht zu begründen. Auf die Beschwerde ist deshalb mangels Beschwerdebefugnis nicht einzutreten. Dies führt zu keiner unzulässigen Beeinträchtigung des Rechts
auf Gerichtszugang und steht im Einklang mit dem Anspruch auf
wirksamen Rechtsschutz gemäss EMRK 13. / Actualité de l’intérêt
à recourir. L’introduction d’un recours nécessite en règle générale
un intérêt à recourir actuel. Conditions auxquelles un recours peut
exceptionnellement être recevable en l’absence d’un intérêt à recourir actuel, ou lorsqu’un tel intérêt a disparu. Sous réserve d’une
réglementation particulière dans une loi spéciale, le fait qu’une partie entend faire valoir des prétentions en responsabilité à l’encontre
de l’Etat ne suffit pas à fonder un intérêt au constat de l’illicéité de
la décision contestée. En conséquence, il ne peut être entré en matière sur le recours, faute de qualité pour recourir. L’irrecevabilité
du recours n’entraîne pas une violation inadmissible de la garantie
d’accès à un tribunal, et est compatible avec le droit à un recours
effectif au sens de CEDH 13. VerwGer BE, 1.9.2008. BVR 2008,
569.
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7.
Strafrecht / Droit pénal
7.2.
Strafrecht – Allgemeiner Teil – allgemein /
Droit pénal – Partie générale – en général
■ OHG/LAVI 2, 11-17. OHV/OAVI 12. StGB/CP 98, 125. Entschädigung und Genugtuung nach OHG, Geltungsbereich des
OHG bei Straftaten mit grossem zeitlichem Abstand zwischen
Tathandlung und Erfolgseintritt (Asbestopfer). Bei fahrlässigen
Erfolgsdelikten mit grossem zeitlichem Abstand der Tathandlung
zum Eintritt des tatbestandsmässigen Erfolgs ist unter «Begehung
einer Straftat» im Sinne von OHV 12 Abs. 3 die Verwirklichung der
subjektiven und der objektiven Tatbestandsmerkmale zu verstehen.
Für den zeitlichen Geltungsbereich der opferhilferechtlichen Bestimmungen über Entschädigung und Genugtuung ist somit nicht
allein auf das sorgfaltswidrige Verhalten abzustellen. Entscheidend
ist vielmehr der Eintritt des tatbestandsmässigen Erfolgs solchen
Verhaltens. / Indemnisation et réparation morale selon la LAVI,
champ d’application de la LAVI lorsque le résultat de l’infraction intervient longtemps après l’activité coupable (victime de l’amiante).
En cas de délits de résultat commis par négligence, lorsqu’un grand
intervalle de temps s’écoule entre l’activité coupable et le résultat constitutif de l’infraction, l’expression «infraction commise»
au sens de OAVI 12 al. 3 doit s’entendre comme la réalisation des
éléments constitutifs subjectifs et objectifs de l’infraction. Ainsi,
l’application dans le temps des dispositions sur l’indemnisation et
la réparation morale aux victimes ne dépend pas uniquement du
comportement contraire au devoir de vigilance, mais bien plutôt du
moment où en survient le résultat constitutif de l’infraction. BGer/
TF, 1.10.2008 (1C_73/2008); BGE/ATF 134 II 308. Anwaltsrevue/
Revue de l’avocat 2009, 30.
7.2.6. Strafen / Peines
■ Beim Dauerdelikt verstösst eine weitere Verurteilung nicht gegen
ne bis in idem, doch muss die Summe der wegen des Dauerdelikts
ausgesprochenen Strafen dem Gesamtverschulden angemessen sein
und darf die angedrohte Höchststrafe nicht überschreiten. / En cas
de délit continu, une nouvelle condamnation ne contrevient pas au
principe ne bis in idem. Cependant, le total des peines prononcées
en raison du délit continu doit être proportionné à la faute globale
et ne doit pas dépasser la durée de la peine maximale possible pour
le délit spécifique. BGer/TF, 4.11.2008 (6B_114/2008). Bearbeitet
durch Markus Felber. SJZ/RSJ 2009, 19.
7.2.7.
Massnahmen (ohne Einziehung) /
Mesures (sans saisie)
■ StGB/CP 59, 64. SchlBest. StGB/Disp. fin. CP Ziff. 2. Abs. 2.
Überprüfung altrechtlicher Verwahrungen (SchlBest. StGB Ziff. 2
Abs. 2). Anordnung einer stationären therapeutischen Massnahme,
Voraussetzungen (StGB 59). Gegenüber einem altrechtlich verwahrten, psychisch schwer gestörten gefährlichen Straftäter hat der
Richter an Stelle der Weiterführung der Verwahrung nach neuem
Recht eine stationäre therapeutische Massnahme anzuordnen, wenn
die hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass durch eine solche
Massnahme über die Dauer von fünf Jahren die Gefahr von mit der
psychischen Störung in Zusammenhang stehenden Straftaten im
Sinne von StGB 64 deutlich verringert wird. Nicht erforderlich ist
hingegen, dass mit hinreichender Wahrscheinlichkeit bereits nach
fünf Jahren die Voraussetzungen für eine bedingte Entlassung aus
der stationären Massnahme erfüllt sind. / Examen des internements
ordonnés sous l’ancien droit (Disp. fin. CP ch. 2 al. 2). Mesure thérapeutique institutionnelle, conditions (CP 59). Lorsqu’un criminel
dangereux interné sous l’ancien droit souffre d’un grave trouble
mental, le juge doit remplacer la poursuite de l’internement selon le
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Rechtsprechungsübersicht/Répertoire de jurisprudence
AJP/PJA 3/2009
361
nouveau droit par une mesure thérapeutique institutionnelle s’il est
suffisamment vraisemblable qu’une telle mesure entraînera, dans
les cinq ans de sa durée normale, une réduction nette du risque que
l’intéressé commette, en raison de son trouble mental, un crime prévu à CP 64. Point n’est besoin, en revanche, que l’intéressé puisse
vraisemblablement bénéficier d’une libération conditionnelle de
l’exécution de la mesure en milieu institutionnel dans les cinq ans
déjà. BGer/TF, 10.10.2008 (6B_263/2008); BGE/ATF 134 IV 315.
■ CP/StGB 75a unitamente all’art. 62d. Cost. / BV 29 cpv. 1. Ricusa dei membri della commissione ex CP 62d cpv. 2. Il detenuto
che richiede la liberazione condizionale può ricusare i membri della
commissione chiamata a valutare la sua pericolosità pubblica giusta
CP 75a, analogamente a quanto avviene nei confronti di un esperto.
Il caso di esclusione previsto CP 62d cpv. 2 è limitato al rappresentante della psichiatria e non può essere esteso agli altri membri della
commissione. La presenza in seno alla commissione di un giudice
che ha condannato il richiedente la liberazione condizionale non
viola Cost. 29 cpv. 1. Il detenuto può ricusare il procuratore pubblico membro della commissione ex CP 62d cpv. 2 qualora abbia sostenuto l’accusa nei processi sfociati in condanne a pene detentive
da cui l’interessato chiede di essere liberato condizionalmente. Non
è per contro sufficiente che il magistrato abbia esercitato l’azione
pubblica in altri procedimenti conclusisi con un proscioglimento,
un abbandono o una condanna a pene ormai scontate, prescritte
oppure ancora non più esecutive per altre ragioni. / Ablehnung der
Mitglieder einer Kommission nach StGB 62d Abs. 2. Der Inhaftierte, der um bedingte Entlassung ersucht, kann die Mitglieder der
zur Beurteilung seiner Gemeingefährlichkeit gemäss StGB 75a zuständigen Kommission in analoger Weise wie einen Sachverständigen ablehnen. Der in StGB 62d Abs. 2 vorgesehene Ausschluss gilt
nur für den Vertreter der Psychiatrie und nicht auch für die übrigen
Mitglieder der Kommission. Die Kommissionszugehörigkeit eines
Richters, welcher den um bedingte Entlassung ersuchenden Täter
verurteilt hat, verstösst nicht gegen BV 29 Abs. 1. Der Inhaftierte
kann den öffentlichen Ankläger als Mitglied der Kommission nach
StGB 62d Abs. 2 ablehnen, wenn dieser die Anklage im Verfahren
vertreten hatte, das zur Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe führte,
aus deren Vollzug der Betroffene bedingt entlassen werden möchte.
Hingegen genügt es für die Ablehnung nicht, dass der öffentliche
Ankläger die Anklage vertreten hatte in anderen Prozessen, die zu
einem Freispruch, einer Verfahrenseinstellung oder zur Verurteilung
zu einer Strafe geführt haben, die bereits verbüsst oder verjährt ist
oder aus andern Gründen nicht vollzogen werden kann. TF/BGer,
29.8.2008 (6B_348/2008); DTF/BGE 134 IV 289.
7.2.8.
Verfolgungs- und Vollstreckungsverjährung /
Delais de la prescription de l’action pénale
et de la peine
■ aStGB/aCP 71. StGB/CP 98 lit. a. Verfolgungsverjährung. Beginn der Verjährung. Für den Verjährungsbeginn ist nach dem
Wortlaut des Gesetzes auf den Zeitpunkt der Tathandlung und nicht
auf denjenigen des Erfolgseintritts der Straftat abzustellen mit der
Konsequenz, dass Straftaten verjährt sein können, bevor der Erfolg
eingetreten ist. Dieses Ergebnis hält auch vor den Grundrechtsgarantien stand. / Prescription de l’action pénale. Point de départ de
la prescription. Conformément à la lettre de la loi, c’est le moment
auquel l’auteur a exercé son activité coupable et non celui auquel se
produit le résultat de cette dernière qui détermine le point de départ
de la prescription. Il s’ensuit que des actes pénalement répréhensibles peuvent être atteints par la prescription avant qu’en survienne le
résultat. Cette conséquence est conforme aux droits fondamentaux.
BGer/TF, 11.8.2008 (6B_627/2007 / 6B_629/2007); BGE/ATF 134
IV 297.
AJP 03_2009.indb 361
7.3.
Strafrecht – Besonderer Teil – allgemein /
Droit pénal – Partie spéciale – en général
7.3.17. Verletzung der Berufs- und Amtspflicht /
Violance des devoirs de fonction et des devoirs
professionels
CP/StGB 305ter cpv. 1, 97 seg. LRD/GwG 3–5. Carente diligenza in operazioni finanziarie, prescrizione. L’obbligo di identificazione sorge con la conclusione di una relazione d’affari e perdura
fino al termine della stessa. L’operatore finanziario, che nell’ambito
di una duratura relazione d’affari compie atti di gestione senza accertarsi dell’identità dell’avente economicamente diritto, agisce in
modo permanentemente contrario al diritto. In questo caso, la carente diligenza in operazioni finanziarie si configura come un reato permanente. Il termine di prescrizione comincia a decorrere dal
giorno in cui è cessata la relazione d’affari e con essa il relativo
dovere di identificazione o dal giorno in cui l’operatore finanziario ha posto un termine alla situazione illecita creatasi accertando
l’identità dell’avente economicamente diritto dei valori patrimoniali gestiti. / Mangelnde Sorgfalt bei Finanzgeschäften, Verjährung.
Die Pflicht zur Identifizierung der Vertragspartei entsteht mit der
Aufnahme der Geschäftsbeziehung und dauert bis zu ihrer Beendigung an. Der Finanzintermediär, der im Rahmen einer dauerhaften
Geschäftsbeziehung Geschäftsführungshandlungen tätigt, ohne die
Identität des wirtschaftlich Berechtigten festzustellen, handelt andauernd rechtswidrig. In diesem Fall stellt die mangelnde Sorgfalt
bei Finanzgeschäften ein Dauerdelikt dar. Die Verjährung beginnt
daher an dem Tag zu laufen, an dem die Geschäftsbeziehung aufhört
und damit die diesbezügliche Pflicht zur Identifizierung nicht mehr
besteht oder an welchem der Finanzintermediär der rechtswidrigen
Situation durch Feststellung der Identität des an den verwalteten
Vermögenswerten wirtschaftlich Berechtigten ein Ende gesetzt hat.
TF/BGer, 12.9.2008 (6B_249/2008); DTF/BGE 134 IV 307.
■
7.4.
Nebenstrafrecht des Bundes – allgemein /
Peines accessoires de la confédération
7.4.1.
Verwaltungsstrafrecht / Droit pénal administratif
VStrR/DPA 2, 11, 62, 63, 69. ZG/LD 129. MWSTG/LTVA 88
Abs. 1. StGB/CP 97 Abs. 1 lit. c, 333 Abs. 6. Verjährung von Zollund Mehrwertsteuerdelikten. Ruhen der Verjährung bei Verwaltungsstrafverfahren gegen mehrere Täter. Unter einem erstinstanzlichen Urteil, nach welchem eine Verjährung nicht mehr eintreten
kann, sind verurteilende, nicht aber freisprechende Erkenntnisse zu
verstehen. Führt die Regelung von StGB 333 Abs. 6 im Nebenstrafrecht dazu, dass für Übertretungen eine längere Verjährungsfrist als
für Vergehen desselben Gesetzes gelten würde, reduziert sich die
für die Übertretungen geltende Verjährungsfrist entsprechend. Bei
Verwaltungsstrafverfahren gegen mehrere Beteiligte, die gleiche
oder sich überschneidende Sachverhalte betreffen, ruht während
eines von einem der Beteiligten angehobenen Rechtsmittelverfahrens gegen die Festsetzung der Leistungspflicht die strafrechtliche
Verjährungsfrist gegenüber allen Mitbeteiligten. / Prescription des
infractions douanières et des infractions à la loi sur la TVA. Suspension en cas de procédures pénales administratives dirigées contre
plusieurs auteurs. La notion de jugement de première instance, à
partir duquel la prescription ne court plus, vise les prononcés de
condamnation et non les prononcés d’acquittement. Si la réglementation prévue à CP 333 al. 6 pour le droit pénal accessoire a pour
conséquence que le délai de prescription applicable aux contraventions est plus long que celui qui est applicable aux délits de la
même loi, le délai de prescription pour les contraventions est réduit
de manière correspondante. En cas de procédures pénales adminis■
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Rechtsprechungsübersicht/Répertoire de jurisprudence
AJP/PJA 3/2009
362
tratives dirigées contre plusieurs participants, qui concernent des
états de fait identiques ou qui se recoupent, le délai de la prescription pénale est suspendu à l’égard de tous les participants pendant
la procédure de recours introduite par l’un des participants sur la
question de l’assujettissement à la prestation. BGer/TF, 16.10.2008
(6B_686/2008); BGE/ATF 134 IV 328. Bemerkungen zu diesem
Urteil von Christof Riedo und Matthias Zurbrügg in AJP/PJA
2009, 372 ff.
7.6.
Strafprozessrecht und Gerichtsorganisation /
Procédure pénale et organisation judiciaire
7.6.1.
Allgemeines Strafprozessrecht /
Procédure pénale générale
■ Eine Einstellung aufgrund Wiedergutmachung ist im Gerichtsverfahren von Bundesrechts wegen ausgeschlossen. Abweichendes kantonales Strafprozessrecht ist insoweit unbeachtlich
(BV 49 Abs. 1). Es ist ein Schuldspruch allenfalls mit Strafverzicht
auszufällen. / Dans une procédure judiciaire, une suspension de
la poursuite en cas de réparation du préjudice causé est exclue en
vertu du droit fédéral. Le droit cantonal divergeant est ainsi écarté (Cst. 49 al. 1). Il faut prononcer un jugement de condamnation,
éventuellement avec une renonciation à toute peine. BGer/TF,
27.11.2008 (6B_522/2008). Bearbeitet durch Markus Felber.
SJZ/RSJ 2009, 69.
AJP 03_2009.indb 362
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Entscheidungen/Jurisprudence
AJP/PJA 3/2009
Entscheidungen
Jurisprudence
1.
Verfassungs- und Verwaltungsrecht /
Droit constitutionnel et administratif
1.4.
Grundrechte / Droits fondamentaux
(1) Die unbeschränkte Aufbewahrung von Zellproben, DNA-Profilen und Fingerabdrücken von einst
verdächtigten jedoch nicht verurteilten Personen
ist mit Art. 8 EMRK nicht vereinbar.
Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Grosse
Kammer, 4. Dezember 2008, S. und Marper gegen das
Vereinigte Königreich, Nr. 30562/04 und 30566/04.
Mit Bemerkungen von
DOMINIKA BLONSKI, MLaw, Assistentin am Institut
für öffentliches Recht der Universität Bern
Zusammenfassung des Sachverhalts:
Am 4. Dezember 2008 verkündete der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ein Urteil, mit dem Grundsätze der
konventionskonformen Aufbewahrung biometrischer Daten formuliert wurden. Die Kläger, S. (1989 geboren) und
Michael Marper (1963 geboren) sind zwei im Vereinigten
Königreich lebende britische Staatsangehörige. Im Januar
2001 wurde S. festgenommen und wegen versuchten Raubs
angeklagt. In diesem Zeitpunkt war er elf Jahre alt. Seine
Fingerabdrücke und Zellproben wurden genommen und ein
DNA-Profil erstellt. Im Juni 2001 wurde er freigesprochen.
Michael Marper wurde im März 2001 festgenommen und
wegen Belästigung seiner Lebensgefährtin angeklagt. Seine Fingerabdrücke und Zellproben wurden genommen und
ein DNA-Profil erstellt. Im Juni 2001 wurde das Verfahren
formell eingestellt, nachdem er und seine Partnerin sich versöhnt hatten. In beiden Verfahren wurden alle Daten in der
nationalen Datenbank gespeichert und trotz Freispruchs und
Verfahrenseinstellung dort belassen mit dem Ziel, permanent
aufbewahrt und regelmässig automatisch im Zusammenhang
mit Strafverfolgungen überprüft zu werden. Als die Verfahren
abgeschlossen waren, beantragten beide Kläger ohne Erfolg
die Entfernung der Fingerabdrücke und DNA-Profile aus der
nationalen Datenbank beziehungsweise die Vernichtung der
Zellproben, welche zur Erstellung der DNA-Profile gedient
hatten. Das Verfahren wurde bis vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte weitergezogen.
Die Kläger rügen, durch die Aufbewahrung der Daten einerseits in ihrem Recht auf Achtung des Privatlebens gemäss
Art. 8 EMRK und andererseits in ihrem Recht auf diskriminierungsfreie Behandlung gemäss Art. 14 EMRK verletzt
zu sein. Vor dem Gerichtshof stellt sich die Frage, ob die
Aufbewahrung von Zellproben, DNA-Profilen und Fingerabdrücken der Kläger durch staatliche Behörden mit Art. 8 und
14 EMRK zu vereinbaren ist, nachdem die strafrechtlichen
Verfahren der Kläger mit einem Freispruch und mit der Einstellung des Verfahrens beendet worden waren.
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Zusammenfassung der Erwägungen:
Der Gerichtshof prüft zunächst die Vereinbarkeit des Vorgehens mit dem in Art. 8 EMRK gewährleisteten Recht auf
Achtung des Privatlebens. Hinsichtlich des Schutzbereichs
erinnert das Gericht daran, dass der Begriff des Privatlebens
sehr weit ist und bisher nicht erschöpfend definiert wurde.
Es hebt hervor, dass auch der Datenschutz sowie Angaben
über die Gesundheit oder die ethnische Identität einer Person
erfasst werden. Die drei im vorliegenden Fall untersuchten
Arten von Daten (Zellproben, DNA-Profile und Fingerabdrücke) enthalten eine unterschiedliche Natur und Fülle von
Informationen über ein Individuum. Daher nimmt das Gericht übereinstimmend mit seiner früheren Rechtsprechung
eine getrennte Prüfung der Kategorien vor.
Zellproben enthalten sehr sensitive persönliche Informationen über ein Individuum. Es können beispielsweise Angaben über die Gesundheit extrahiert werden und die Proben
enthalten den einzigartigen genetischen Code, welcher sowohl für das Individuum als auch für seine Verwandten Relevanz hat. Daher ist die systematische Aufbewahrung solcher
Daten per se als Eingriff in das Recht auf Achtung des Privatlebens der betroffenen Individuen zu betrachten.
Die Eigenart von DNA-Profilen, als Mittel der Familienforschung dienen zu können, reicht dazu aus, in ihrer
systematischen Aufbewahrung einen Eingriff in das Recht
auf Achtung des Privatlebens der betroffenen Individuen zu
sehen. Dies wird durch die Möglichkeit, aus DNA-Profilen
Rückschlüsse auf den ethnischen Ursprung einer Person zu
ziehen, verstärkt. Es spielt keine Rolle, dass die Information
in DNA-Profilen nur unter Zuhilfenahme technischer Prozesse sichtbar gemacht werden kann.
Fingerabdrücke enthalten weniger einschneidende persönliche Informationen über ein Individuum als Zellproben
und DNA-Profile. Sie weisen jedoch genügend einzigartige
Information auf, um externe Identifikationsfähigkeiten zu
erfüllen. Ihre Aufbewahrung verbunden mit Angaben eines
identifizierten oder identifizierbaren Individuums stellt bereits einen Eingriff in das Recht auf Achtung des Privatlebens dar.
Somit stellt das Gericht bezüglich aller drei Kategorien
von Daten einen Eingriff in das von Art. 8 EMRK gewährleistete Recht fest.
Bei der Frage, ob der Eingriff gerechtfertigt werden kann,
hält das Gericht fest, dass sich im englischen Recht im Police
and Criminal Evidence Act (PACE) und im Criminal Justice
and Police Act eine genügende gesetzliche Grundlage für die
Aufbewahrung von Zellproben, DNA-Profilen und Fingerabdrücken findet. Als legitimes Ziel wird die Aufdeckung und
Prävention von Straftaten verfolgt.
Die entscheidende Frage im vorliegenden Fall ist, ob
die Aufbewahrung von Zellproben, DNA-Profilen und Fingerabdrücken der Kläger als Personen, welche bestimmter
Straftaten verdächtigt jedoch nicht verurteilt wurden, in einer demokratischen Gesellschaft notwendig ist, das heisst
ob ein dringendes soziales Bedürfnis und ein angemessenes
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Verhältnis zum verfolgten Ziel besteht und ob die Behörde
erhebliche und ausreichende Gründe zur Rechtfertigung vorlegen kann.
Der Gerichtshof analysiert die allgemeinen Prinzipien des
Datenschutzes, welche unter anderem im Übereinkommen
zum Schutz des Menschen bei der automatischen Verarbeitung personenbezogener Daten vom 28. Januar 1981 (Konvention 108, SR 0.235.1, für die Schweiz in Kraft getreten
am 1. Februar 1998) und daran anknüpfenden Empfehlungen
des Ministerkomitees des Europarates festgehalten sind, vergleicht das Recht und die Praxis der anderen Vertragsstaaten und kommt zum Schluss, dass die Datenaufbewahrung
in einem vernünftigen Verhältnis zum verfolgten Zweck stehen muss und eine zeitliche Beschränkung vorgesehen sein
muss. Die meisten Vertragsstaaten sehen als Voraussetzung
für die Entnahme von Zellproben eine Mindestschwere der
verdächtigten Straftat vor und schreiben die sofortige oder
fristgebundene Beseitigung der Zellproben und DNA-Profile nach erfolgtem Freispruch oder Entlassung vor. Nur eine
begrenzte Anzahl Ausnahmen von diesen Grundsätzen wird
von einigen Vertragsstaaten zugelassen.
Der in Art. 8 EMRK gewährleistete Schutz wird durch
den Einsatz moderner wissenschaftlicher Techniken im
Strafjustizsystem auf unakzeptable Weise abgeschwächt,
wenn dieser um jeden Preis erfolgt. Dies ist insbesondere der
Fall, wenn solche Techniken auf breiter Basis ohne sorgfältige Abwägung der Vor- und Nachteile gegen die Interessen
des Schutzes des Privatlebens eingesetzt werden. Auf jedem
Staat, welcher eine Vorreiterrolle in der Entwicklung neuer
Technologien einnimmt, lastet eine spezielle Verantwortung
diesbezüglich, das richtige Gleichgewicht zu finden.
Das Vereinigte Königreich ist aus Sicht des Gerichts der
einzige Staat im Europarat, welcher die systematische, unbefristete, umfassende, pauschale und unterschiedslose Aufbewahrung von DNA-Material und Fingerabdrücken zulässt.
Die Aufbewahrung ist auch bei freigesprochenen Personen
oder Personen, deren Verfahren eingestellt wurde, erlaubt
und erfolgt unabhängig vom Alter der Person und der Art
oder Schwere der verdächtigten Straftat. Freigesprochenen
Personen werden nur eingeschränkte Möglichkeiten zugestanden, ihre Daten aus der nationalen Datenbank beseitigen
zu lassen. Der Gerichtshof erkennt an, dass die Erweiterung
der Datenbank bisher bei der Aufdeckung und Prävention
von Straftaten mitgewirkt hat. Trotzdem hält er fest, dass die
blosse Aufbewahrung von persönlichen Daten durch staatliche Behörden direkt das Recht auf Achtung des Privatlebens
beeinträchtigt, unabhängig davon, wie die Daten erlangt
wurden und ob sie künftig weiterverwendet werden.
Als besonders bedenklich erachtet der Gerichtshof das
Risiko der Stigmatisierung. Auch Personen in der Situation
wie die Kläger, welche einst einer Straftat verdächtigt waren,
aber schliesslich nicht schuldig gesprochen wurden, haben
das in der Konvention gewährleistete Recht auf die Vermutung ihrer Unschuld. Die blosse Aufbewahrung ihrer Daten lässt sich nicht mit dem Ausspruch einer Verdächtigung
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gleichsetzen. Die Empfindung betroffener Personen, nicht
als unschuldig zu gelten, wird jedoch verstärkt, indem sie auf
die gleiche Art und Weise wie verurteilte Personen behandelt
werden. Dies ist insbesondere so, weil eine unbegrenzte Aufbewahrung ihrer Daten erfolgt und weil die Daten von nie
verdächtigten Personen gelöscht werden müssen.
Des Weiteren macht der Gerichtshof auf die nachteiligen
Auswirkungen der Aufbewahrung von Daten, insbesondere
bei Minderjährigen wie dem Kläger S. aufmerksam. Minderjährige befinden sich aufgrund der Bedeutung ihrer weiteren
Entwicklung und ihrer Integration in der Gesellschaft in einer speziellen Situation. Daher müssen höhere Massstäbe gesetzt werden und insbesondere dem Schutz der Jugendlichen
vor jedem Nachteil, welcher durch die Datenaufbewahrung
entstehen könnte, Beachtung geschenkt werden.
Im Ergebnis hält der Gerichtshof fest, dass mit der fortgesetzten Datenspeicherung kein angemessenes Gleichgewicht konkurrierender öffentlicher und privater Interessen
erzielt wird. Der angeklagte Staat hat jede akzeptable Grenze der Einschätzung diesbezüglich überschritten. Folglich
stellt diese Art der Aufbewahrung eine unverhältnismässige
Beeinträchtigung des Rechts der Kläger auf Achtung ihres
Privatlebens dar und kann nicht als in einer demokratischen
Gesellschaft notwendig angesehen werden. Der Gerichtshof
stellt einstimmig eine Verletzung von Art. 8 EMRK fest.
Hinsichtlich der Rüge, das Diskriminierungsverbot nach
Art. 14 i.V.m. Art. 8 EMRK werde verletzt, hält der Gerichtshof einstimmig fest, dass eine eigenständige Prüfung
nach der Feststellung einer Verletzung des Art. 8 EMRK
nicht mehr nötig ist.
Die Kosten und Auslagen werden den Klägern entschädigt. Eine Geldleistung als Genugtuung spricht das Gericht
nicht zu.
Bemerkungen:
1. a. Zellproben, DNA-Profile und Fingerabdrücke dürfen,
wenn eine Person freigesprochen wurde oder das Verfahren
eingestellt wurde, nach dem Strafverfahren nicht weiter aufbewahrt werden. Eine solche Aufbewahrung wäre unverhältnismässig und damit eine Verletzung von Art. 8 EMRK.
Das Urteil überzeugt. Das Gericht fällt damit einen wichtigen Grundsatzentscheid. Bisher war die Rechtslage im
Bereich der Aufbewahrung biometrischer Daten im Zusammenhang mit Strafverfahren nicht genügend konkretisiert.
Fingerabdrücke werden bereits lange zur Aufdeckung und
Verfolgung von Straftaten eingesetzt. Die technische und
wissenschaftliche Entwicklung hat vor einigen Jahren die
DNA-Analyse als weiteres Verfahren im Strafprozess ermöglicht. Insbesondere bezüglich der DNA-Analyse lagen
keine klaren Regelungen vor.
b. Das Urteil kann als logische Fortführung der bisherigen
Rechtsprechung des Gerichtshofs zum Datenschutzrecht und
als Anpassung an neue technische Gegebenheiten angesehen werden. In seiner Rechtsprechung hat der Gerichtshof
Grundsätze für das Datenschutzrecht entwickelt. Die reine
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Aufbewahrung von Daten, welche das Privatleben eines Individuums betreffen, stellt allein einen Eingriff in das Recht
auf Achtung des Privatlebens dar, wobei es nicht darauf ankommt, ob die Daten zu einem späteren Zeitpunkt verwendet
werden oder nicht. Bei der Aufbewahrung von Daten müssen
gewisse Mindestanforderungen erfüllt sein. Die gesetzliche
Grundlage muss ausreichend klare Regeln vorsehen, unter
anderem bezüglich der Dauer und Art der Speicherung, des
Gebrauchs der Daten, des Zugriffs durch Dritte, der Massnahmen zur Geheimhaltung und der Vorgehensweisen zur
Entfernung der Daten, um vor Missbrauch und Willkür zu
schützen.
c. Nationale Datenbanken, die für die Strafverfolgung
eingesetzt werden, stellen eine besondere Herausforderung
für den Datenschutz dar. Es geht dem Gerichtshof nicht generell um Aufbewahrung von Zellproben, DNA-Profilen
und Fingerabdrücken, sondern um die besondere Frage,
was nach einem Freispruch und einer Verfahrenseinstellung
mit ihnen zu geschehen hat. Nicht unmittelbar behandelt
wird die Frage der Zulässigkeit der Aufbewahrung bei Verurteilung. Hinsichtlich dieser Fragestellung kann aus dem
Urteil aber immerhin mittelbar abgeleitet werden, dass bei
verurteilten Personen weniger strenge Massstäbe zu setzen
sind. Jedoch gelten meines Erachtens auch bei verurteilten
Personen Grenzen der legitimen Speicherung. So dürfen die
Daten nicht für alle zugänglich sein, vor allem nicht für Private, das heisst solche Daten müssen unter strengen Geheimhaltungsregeln und mit Verschlüsselung für ganz bestimmte
Behörden reserviert werden. Auch müssen Anforderungen
an Schwere der Straftat und an die Aufbewahrungsdauer erfüllt werden. Daten von Verurteilten können sicherlich länger
aufbewahrt werden als jene von nicht verurteilten Personen.
Eine lebenslängliche Aufbewahrung wäre wohl aus Sicht des
Rechts auf Achtung des Privatlebens auch bei verurteilten
Personen nicht haltbar.
d. Das Gericht unterscheidet zwischen Zellproben, DNAProfilen und Fingerabdrücken. Diese Unterscheidung ist
sinnvoll, da unterschiedlich schwere Eingriffe gegeben sind.
Zellproben enthalten viele und sehr sensitive Angaben über
einen Menschen. Nebst den Identifikationsmöglichkeiten
können Informationen über den Gesundheitszustand oder
das Vorhandensein gewisser Krankheitsrisiken abgelesen
werden. Der einzigartige genetische Code, welcher über verschiedene Eigenschaften der Person Aufschluss gibt, ist in
Zellproben enthalten. Diese Erkenntnisse weisen eine sehr
grosse Persönlichkeitsnähe auf. Daher stellt der Umgang mit
Zellproben einen schweren Eingriff in das Recht auf Achtung des Privatlebens dar. Aus DNA-Profilen lassen sich
weniger weit reichende Angaben über einen Menschen ableiten. Immerhin können aufgrund von DNA-Profilen Aussagen zu Verwandtschaftsverhältnissen oder zum Geschlecht
der betroffenen Person gemacht werden (vgl. Botschaft zum
Bundesgesetz über die Verwendung von DNA-Profilen im
Strafverfahren und zur Identifizierung von unbekannten und
vermissten Personen vom 8. November 2000, BBl 2001 29,
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36 ff.). Die Verwendung von DNA-Profilen stellt daher einen
weniger weit gehenden Eingriff dar als jene von Zellproben.
Dasselbe gilt im Ergebnis auch für Fingerabdrücke. Die absolute Einzigartigkeit des Erscheinungsbildes der Fingerkuppenlinien bei jedem Menschen ermöglicht eine sichere
Unterscheidung und Identifizierung von Personen. Selbst bei
eineiigen Zwillingen sind die Fingerabdrücke verschieden.
Fingerabdrücke verändern sich im Laufe des Lebens nicht.
Aufgrund dieser Eigenschaften muss auch der Einsatz dieser
biometrischer Daten als Eingriff in den Schutzbereich des
Rechts auf Achtung des Privatlebens erkannt werden – wenn
auch dieser Eingriff weniger schwer wiegt als bei Zellproben
und DNA-Profilen.
e. Der Gerichtshof erachtet das Vorgehen als nicht verhältnismässig, weil er dessen Notwendigkeit in einer demokratischen Gesellschaft verneint. Dies weil kein angemessenes
Gleichgewicht zwischen konkurrierenden öffentlichen und
privaten Interessen erzielt werden kann. Die sich stellende
Frage im vorliegenden Fall betrifft nicht verurteilte Personen. Das Erscheinen in einer Verbrecherdatenbank bringt
die Gefahr der Stigmatisierung von betroffenen Personen mit
sich. Davor müssen insbesondere nicht verurteilte Personen
geschützt werden. Es müssen Vorschriften vorgesehen werden, welche eine Löschung der Daten von nicht schuldig gesprochenen Personen ermöglichen. Die Daten können nicht
mit der blossen Begründung, dass sie bereits erfasst wurden
und sich bei den Behörden befinden, gespeichert werden. Insofern hat der Gerichtshof zu Recht ein unverhältnismässiges
Vorgehen festgestellt.
2. Für die Schweiz stellt sich nach dem Urteil die Frage, ob
die vorhandenen Regelungen den Anforderungen der EMRK
genügen. Diesbezüglich fällt rasch auf, dass die Rechtsgrundlagen in vielen verschiedenen Gesetzen und Verordnungen sowohl auf Bundesebene als auch auf kantonaler
Ebene enthalten sind. Die neue eidgenössische Strafprozessordnung (Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007, StPO, BBl 2007 6977), welche voraussichtlich
am 1. Januar 2011 in Kraft treten wird, soll die Vereinheitlichung des Strafprozessrechts bringen. Der 5. Titel der StPO
regelt Zwangsmassnahmen. Darin finden sich die Kapitel
über die DNA-Analyse und die erkennungsdienstliche Erfassung (5. und 6. Kapitel).
a. Bezüglich der DNA-Analyse enthält die StPO ausschliesslich strafprozessuale Bestimmungen (Art. 255 ff.
StPO) und hält ausdrücklich die subsidiäre Anwendbarkeit
des Bundesgesetzes über die Verwendung von DNA-Profilen
im Strafverfahren und zur Identifizierung von unbekannten
oder vermissten Personen vom 20. Juni 2003 (DNA-Profil-Gesetz, SR 363) fest (Art. 259 StPO). Somit verbleiben
insbesondere die Regelungen über die Aufbewahrung beziehungsweise die Löschung von DNA-Daten im DNA-ProfilGesetz (Botschaft zur Vereinheitlichung des Strafprozessrechts vom 21. Dezember 2005, BBl 2006 1085, 1243). Zur
Aufklärung eines Verbrechens oder Vergehens kann bei der
verdächtigten Person eine Zellprobe (meist ein Wangen-
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schleimhautabstrich, WSA) abgenommen werden und daraus ein DNA-Profil erstellt werden (Art. 255 Abs. 1 StPO,
Art. 3 Abs. 1 DNA-Profil-Gesetz). Bei der Straftat muss es
sich um ein Verbrechen (Freiheitsstrafe von mehr als drei
Jahren; vgl. Art. 10 StGB) oder Vergehen (Freiheitsstrafe bis
zu drei Jahren oder Geldstrafe; vgl. Art. 10 StGB) handeln.
Eine Übertretung (Busse; vgl. Art. 103 StGB) genügt nicht.
Allerdings handelt es sich bei den meisten im StGB geregelten Delikten um Verbrechen oder Vergehen. Der Gerichtshof
hält die Schwere der Straftat als Kriterium für die Frage der
Zulässigkeit der Aufbewahrung von DNA-Daten fest. Ob die
pauschale Gestattung der DNA-Analyse auch bei Vergehen
erforderlich ist, ist zumindest fraglich. Zu Gunsten der effizienten Strafaufklärung sollte dies dennoch zugelassen werden. Die schweizerische Regelung erfüllt folglich meines
Erachtens die Anforderungen des Gerichtshofs bezüglich
Mindestschwere der Straftat.
b. Das DNA-Profil-Gesetz enthält eine Bestimmung betreffend Vernichtung von Zellproben. In Art. 9 DNA-ProfilGesetz wird festgehalten, dass die Strafbehörde die Zellprobe spätestens nach drei Monaten zur Analyse an ein Labor
senden muss, andernfalls wird die Probe vernichtet (Art. 9
Abs. 1 lit. b DNA-Profil-Gesetz). Das Labor darf die Probe
nochmals höchstens drei Monate aufbewahren, danach werden die Zellproben definitiv vernichtet (Art. 9 Abs. 2 DNAProfil-Gesetz). Insgesamt können die Zellproben somit nach
Abnahme von der betroffenen Person maximal sechs Monate
aufbewahrt werden.
Für Zellproben müssen besonders hohe Massstäbe angesetzt werden, da die Bearbeitung solcher Daten einen
schweren Eingriff in das Recht auf Achtung des Privatlebens
darstellt. Dass Zellproben vernichtet werden müssen, ist im
Sinne des Urteils des Gerichtshofs. Das DNA-Profil-Gesetz
sieht mit der Vorschrift über die Vernichtung von Zellproben nur eine kurze Aufbewahrungsfrist vor. Maximal sechs
Monate stellen eine angemessene zeitliche Limite dar. Bezüglich Freispruch und Verfahrenseinstellung werden keine
davon abweichenden Vorgehensweisen vorgesehen. Bei der
DNA-Analyse darf weder nach dem Gesundheitszustand
noch nach anderen persönlichen Eigenschaften mit Ausnahme des Geschlechts der betroffenen Person geforscht werden
(Art. 2 Abs. 2 DNA-Profil-Gesetz). Die Zellproben dürften
somit einzig zur Erstellung eines DNA-Profils verwendet
werden. Aufgrund der nur kurzen Aufbewahrungszeit der
Proben und der expliziten Einschränkung der Verwendungsmöglichkeiten von Proben kann der Umgang mit Zellproben
als verhältnismässig angesehen werden, so dass die Vorgaben des Gerichtshofs erfüllt werden.
c. DNA-Profile werden aus den nicht-codierenden Abschnitten der Erbsubstanz DNA gewonnen (Art. 2 Abs. 1
DNA-Profil-Gesetz). Aus diesen Bereichen der DNA können keine Rückschlüsse auf körperliche sowie psychische
Eigenschaften oder Krankheiten der betroffenen Person gezogen werden (Schlussbericht der Expertenkommission vom
18. Dezember 1998, Errichtung einer gesamtschweizerischen
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DNA-Profil-Datenbank, S. 16, abrufbar unter: http://www.
fedpol.admin.ch/etc/medialib/data/kriminalitaet/diverse_berichte.Par.0002.File.tmp/dna1298.pdf). Die aus Zellproben
erstellten DNA-Profile von als Täter oder Teilnehmer an
einem Verbrechen oder Vergehen verdächtigten Personen
werden in der nationalen, zentralen DNA-Datenbank CODIS
gespeichert. Um eine anonymisierte Speicherung zu gewährleisten, wird den Profilen eine PCN (Process-ControlNumber, Prozesskontrollnummer) zugewiesen (Art. 14 des
Bundesgesetzes über die polizeilichen Informationssysteme
des Bundes vom 13. Juni 2008 [BPI, SR 361], welches am
5. Dezember 2008 in Kraft getreten ist). Nebst der Speicherung des DNA-Profils werden in einer getrennten Datenbank
IPAS Personendaten (Personalien usw.) der betroffenen Person unter derselben PCN gespeichert (Verordnung über das
informatisierte Personennachweis-, Aktennachweis- und
Verwaltungssystem im Bundesamt für Polizei vom 15. Oktober 2008, IPAS-Verordnung, SR 361.2). Erst wenn es bei der
automatisierten Suche zu einer Übereinstimmung (Hit) mit
einem gespeicherten DNA-Profil kommt, wird über die PCN
eine Verbindung zu den Personendaten hergestellt und damit
die Person identifiziert.
Bezüglich der Löschung von DNA-Profilen ist das DNAProfil-Gesetz massgebend. Bei Ausschluss der Person von
der Täterstellung oder bei Tod der betroffenen Person ist die
sofortige Löschung vorgesehen (Art. 16 Abs. 1 lit. a und b
DNA-Profil-Gesetz). Wird das Verfahren mit einem Freispruch rechtskräftig abgeschlossen, muss das DNA-Profil
bei Eintritt der Rechtskraft gelöscht werden (Art. 16 Abs. 1
lit. c DNA-Profil-Gesetz). Die definitive Einstellung des Verfahrens bedingt die Löschung des DNA-Profils nach einem
Jahr nach der Verfahrenseinstellung (Art. 16 Abs. 1 lit. d
DNA-Profil-Gesetz). Erfolgte der Freispruch oder die Verfahrenseinstellung wegen Schuldunfähigkeit des Täters, werden die Daten hingegen nicht gelöscht (Art. 16 Abs. 2 DNAProfil-Gesetz). In allen Fällen ist die Löschung von Amtes
wegen spätestens nach 30 Jahren vorgeschrieben (Art. 16
Abs. 3 DNA-Profil-Gesetz).
Misst man die Löschungsvorschriften der gesetzlichen Regelungen an den Kriterien des Entscheids, so ist es zunächst
konventionskonform, dass sowohl nach Freispruch als auch
bei Verfahrenseinstellung überhaupt eine Löschung vorgesehen ist. Die nach Freispruch bei Eintritt der Rechtskraft zu
erfolgende Löschung erfüllt die Anforderungen des Gerichtshofs bezüglich zeitlicher Beschränkung der Aufbewahrung
von DNA-Profilen. Das Verfahren wird erst bei Eintritt der
Rechtskraft abgeschlossen. Es wäre nicht zweckdienlich, die
Daten zu einem früheren Zeitpunkt zu löschen. In den Fällen
der Verfahrenseinstellung sieht das schweizerische Recht die
Löschung zwar nur mit einjähriger Verzögerung vor, doch
steht auch dies nicht im Widerspruch zur EMRK. Die einjährige Frist ist zweckmässig, weil die Daten möglicherweise
bei einer Weiterführung des Verfahrens bei neuen Erkenntnissen verwendet werden könnten. Problematisch ist allein
die Regelung über Nichtlöschung im Falle von Freispruch
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oder Verfahrenseinstellung wegen Schuldunfähigkeit des Täters. Die DNA-Profile von schuldunfähigen Tätern werden
folglich erst nach 30 Jahren gelöscht. Geht man nach dem
Wortlaut des Gerichtsentscheids, dann wäre auch hier eine
kurzfristige Löschung vorzusehen, weil es sich um einen Fall
des Freispruchs oder der Verfahrenseinstellung handelt. Die
Schuldunfähigkeit ist allerdings ein Sonderfall, mit dem sich
der Gerichtshof noch gar nicht zu befassen hatte. Der Sache
nach handelt es sich um Situationen, in denen der Täter eigentlich schuldig zu sprechen wäre, wegen besonderer Umstände aber von einem Entschuldigungsgrund profitiert. Für
das Risiko zukünftiger Straftaten bleibt sein DNA-Profil dabei gleich relevant, als wäre er tatsächlich verurteilt worden.
Darum muss es zulässig sein, die Daten erst nach 30 Jahren zu löschen. Weil es sich bei Schuldunfähigkeit um einen
Sonderfall handelt, ist auch diese schweizerische Regelung
konform mit der Rechtsprechung des Gerichts.
d. Auch Fingerabdrücke unterstehen als erkennungsdienstliche Massnahme den Regelungen der neuen eidgenössischen StPO (Art. 260 ff. StPO). Jede gerichtspolizeilich
interessierende Person kann erkennungsdienstlichen Massnahmen unterzogen werden. Voraussetzung ist die Erforderlichkeit zur Sachverhaltsabklärung und die Wahrung der
Verhältnismässigkeit (Botschaft Strafprozessrecht, a.a.O.,
S. 1243). Wie auch bei den DNA-Profilen werden die Fingerabdrücke in einer nationalen zentralen Datenbank (Automatisiertes Fingerabdruck-Identifikations-System, AFIS)
gespeichert und ihnen eine PCN zugewiesen, wobei in der
getrennten Datenbank IPAS die Personendaten der betroffenen Person unter derselben PCN gespeichert sind (Art. 14
BPI). Erst wenn sich bei der automatisierten Suche ein Hit
ergibt, das heisst eine Übereinstimmung mit einem gespeicherten Fingerabdruck festgestellt wird, kann über die PCN
eine Verbindung zu den Personendaten hergestellt und damit
die Person identifiziert werden.
Die gestützt auf Art. 354 Abs. 4 StGB erlassene Verordnung über die Bearbeitung biometrischer erkennungsdienstlicher Daten vom 21. November 2001 (AFIS-Verordnung,
SR 361.3) regelt spezialgesetzlich die Aufbewahrungsdauer
und die Löschungspflichten bezüglich Fingerabdrücke. Die
erfassten Fingerabdrücke werden gelöscht, sobald die betroffene Person von der Täterstellung ausgeschlossen werden
kann (Art. 15 Abs. 1 lit. a AFIS-Verordnung). Eine sofortige
Löschung erfolgt auch nach dem Tod der betroffenen Person (Art. 15 Abs. 1 lit. b AFIS-Verordnung). Als allgemeine
Löschfrist für Fingerabdrücke wird eine Frist von 30 Jahren
vorgesehen (Art. 15 Abs. 1 lit. c AFIS-Verordnung). Definitiv werden alle AFIS-Daten spätestens nach 50 Jahren gelöscht (Art. 15 Abs. 3 AFIS-Verordnung). Auf Gesuch der
betroffenen Person werden Fingerabdrücke bei Abschluss
des Verfahrens mit Freispruch bei Eintritt der Rechtskraft
des Freispruchs gelöscht (Art. 16 Abs. 1 lit. a AFIS-Verordnung). Wird das Verfahren definitiv eingestellt, werden die
Fingerabdrücke auf Gesuch der betroffenen Person ein Jahr
nach der Verfahrenseinstellung gelöscht (Art. 16 Abs. 1 lit. b
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AFIS-Verordnung). Erfolgt der Freispruch oder die Verfahrenseinstellung wegen Schuldunfähigkeit des Täters, werden
die Daten dagegen nicht gelöscht (Art. 16 Abs. 2 AFIS-Verordnung).
Bei der Löschung von Fingerabdrücken nach Freispruch
oder Verfahrenseinstellung sind ähnliche Regeln vorgesehen
wie bei DNA-Profilen. Nach Freispruch werden die Fingerabdrücke bei Eintritt der Rechtskraft gelöscht und bei Verfahrenseinstellung erfolgt die Löschung ein Jahr nach der
definitiven Einstellung. Auch bei Fingerabdrücken wird vorgesehen, dass bei Schuldunfähigkeit keine Löschung erfolgt.
Es stellen sich diesbezüglich dieselben Fragen wie bei den
DNA-Profilen (vgl. vorne unter 2. c.). Bei den Vorschriften
zu Fingerabdrücken besteht jedoch ein wesentlicher Unterschied zur Regelung bei DNA-Profilen. Die Daten werden
sowohl bei Freispruch als auch bei Verfahrenseinstellung nur
auf Gesuch der betroffenen Person gelöscht. Die Erfassung
von Fingerabdrücken stellt einen weniger schweren Eingriff
in Grundrechte dar als jene von DNA-Profilen, weil aus Fingerabdrücken nicht gleich persönliche Informationen über
die betroffene Person extrahiert werden können. Daher ist
eine weniger strenge Regelung vertretbar. Jedoch dienen Fingerabdrücke immerhin als eindeutiges Identifizierungsinstrument. Erfolgt die Löschung nur auf Gesuch der betroffenen
Person, führt dies dazu, dass die Daten in den meisten Fällen
nicht gelöscht sondern langfristig aufbewahrt werden, weil
den betroffenen Personen die Erforderlichkeit der Gesuchseinreichung um Löschung ihrer Daten wohl kaum bekannt
sein wird. In der Praxis wirkt sich diese Regelung folglich so
aus, als ob keine Löschung vorgesehen wäre. Der Gerichtshof äusserte sich zu einer solchen Regelung nicht konkret.
Immerhin hält er im Urteil im Umkehrschluss fest, dass freigesprochenen Personen die Möglichkeit gegeben sein muss,
ihre Daten aus der Datenbank entfernen zu lassen. Mit dem
Mittel der Gesuchseinreichung wird diese Voraussetzung erfüllt. Somit erweisen sich die im schweizerischen Recht vorgesehenen Bestimmungen auch bezüglich Fingerabdrücken
insgesamt als konform mit den Vorgaben des Gerichtshofs.
Denn eine Löschungsmöglichkeit ist vorgesehen – wenn
auch nur auf Gesuch der betroffenen Person – und eine Befristung der Aufbewahrungsdauer ist auch vorgeschrieben.
3. Der Gerichtshof weist auf die spezielle Situation Minderjähriger hin, weil sie sich noch in der Entwicklung befinden und ihrer Integration in der Gesellschaft besonderes
Gewicht zuzumessen ist. Daher wirkt sich die Aufbewahrung
ihrer Daten – insbesondere wenn es sich um nicht verurteilte
Personen handelt – besonders schädlich aus. Es besteht die
erhöhte Gefahr der Stigmatisierung. Vor diesen Nachteilen
sind Minderjährige besonders zu schützen. Das Gericht verweist auf Art. 40 des UNO-Übereinkommens über die Rechte des Kindes vom 20. November 1989 (SR 0.107, für die
Schweiz in Kraft getreten am 26. März 1997). Dieser Artikel hält das Recht des Kindes fest, in einer Weise behandelt
zu werden, welche zu einer erfolgreichen Wiedereingliederung in die Gesellschaft führt, räumt Kindern eine besonde-
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re Stellung im Strafverfahren ein und hebt hervor, dass das
Privatleben von Kindern in Strafprozessen besonders zu
schützen ist. Des Weiteren schreibt der Artikel vor, dass für
Kinder besondere Verfahren, Behörden, Einrichtungen und
Vorkehrungen vorzusehen sind. Durch die unbefristete Aufbewahrung der Daten wird die Unschuldsvermutung, welche
im zitierten Artikel auch als Mindestgarantie erwähnt wird,
gefährdet. Der Gerichtshof macht diesbezüglich auf Bedenken der Vereinbarkeit der unbeschränkten Aufbewahrung der
Daten von Minderjährigen mit dem UNO-Übereinkommen
aufmerksam.
Das Argument der besonderen Schutzwürdigkeit von Minderjährigen zieht der Gerichtshof zur Bestärkung seiner Argumentation hinzu, da im vorliegenden Fall ein Minderjähriger am Verfahren beteiligt ist. Er stellt bloss allgemein fest,
dass Minderjährige mehr Schutz verdienen, stellt jedoch keine deutlichen Grundsätze für Minderjährige auf. Daher kann
nicht abgeleitet werden, welche Regeln für die Aufbewahrung von Daten Minderjähriger anzuwenden sind. Immerhin
erwähnt der Gerichtshof das Alter der betroffenen Person als
Kriterium für die Überprüfung der Verhältnismässigkeit der
unbeschränkten Datenaufbewahrung. Im schweizerischen
Recht werden nebst den allgemeinen Grundsätzen (besonderes Verfahren, andere Behörden und alternative Einrichtungen und Vorkehrungen) keine besonderen Bestimmungen
bezüglich des Umgangs mit Zellproben, DNA-Profilen und
Fingerabdrücken von Minderjährigen oder gar Altersgrenzen vorgesehen. Die im schweizerischen Recht vorgesehen
Löschungsfristen bei Freispruch oder Verfahrenseinstellung,
welche auch für Minderjährige gelten, sind nur von kurzer
Dauer. Daher kann diesbezüglich auch für Minderjährige
von der Vereinbarkeit der Regeln mit den Grundsätzen des
Gerichtshofs ausgegangen werden.
4. Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die
schweizerischen Bestimmungen den Anforderungen des
Gerichtshofs entsprechen und damit eine mit dem in Art. 8
EMRK gewährleisteten Recht auf Achtung des Privatlebens
vereinbare Regelung vorsehen. Im vorliegenden Fall hat
der Gerichtshof die entscheidende Frage, ob die pauschale,
unterschiedslose und unbefristete Aufbewahrung der Daten
nach Freispruch oder Verfahrenseinstellung verhältnismässig
sei, verneint. Das Gericht verlangt die Beachtung der Unterschiede zwischen den drei Datenarten und fordert insbesondere bei der Aufbewahrung von Zellproben erhöhte Schutzvorkehrungen. Die Verhältnismässigkeitsprüfung erfordert
die Abwägung von verschiedenen Kriterien, so insbesondere
die zeitliche Beschränkung der Aufbewahrung, die Erforderlichkeit einer Mindestschwere oder einer bestimmten Art der
Straftat und die Beachtung des Alters der Person.
Zwar erfüllt die schweizerische Regelung bezüglich der
Löschung von Fingerabdrücken aus der Datenbank nur auf
Gesuch der betroffenen Person die Voraussetzungen nach
dem Gerichtshof. Jedoch würde sich aus praktischen Gründen die Löschung von Amtes wegen empfehlen. Denn nur so
kann erreicht werden, dass die Daten auch wirklich gelöscht
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werden. Die bestehenden Vorschriften sind dennoch mit der
EMRK vereinbar.
Das vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte
gefällte Urteil zieht basierend auf dem aktuellen wissenschaftlichen Stand bezüglich der DNA-Analyse eine Grenze. Diese Schranke ist wichtig, denn zukünftig wird die
Forschung weitere Möglichkeiten in der DNA-Analyse – insbesondere bei der Verwendung von Zellproben – hervorbringen, welche auch in der Strafverfolgung zur Identifizierung
von Menschen erfolgsversprechend zum Einsatz kommen
werden. Diese Entwicklungen werden erneut rechtliche Regelungen, welche die Gewährleistung der Grundrechte sicherstellen, erfordern. In der Zukunft sollten zumindest die
im Urteil festgelegten Grundsätze weitergelten.
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2.
Privatrecht / Droit privé
2.6.
Sachenrecht – allgemein /
Droits réels – en général
2.6.4. Grundbuch / Registre foncier
(2) Art. 965 ZGB, Art. 24 Abs. 1bis lit. a GBV, Art. 164
Abs. 1 und 2 OR. Die Vereinbarung, wonach die
Übertragung eines selbständigen und dauernden
Baurechts der Genehmigung durch die Grundeigentümerin bedarf, hat keine dinglich wirkende Verfügungsbeschränkung zur Folge. Wird das Baurecht
veräussert, hat demnach der Grundbuchverwalter nicht zu prüfen, ob der dienstbarkeitsbelastete
Grundeigentümer seine Zustimmung zur Veräusserung erteilt hat.
Bundesgericht, II. Zivilrechtliche Abteilung, Urteil 5A_614/
2008 vom 26. November 2008 i.S. Burgergemeinde Bern
gegen Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion des Kantons
Bern, Beschwerde in Zivilsachen (BGE 134 III …).
Mit Bemerkungen von
Prof. Dr. ALFRED KOLLER, Universität St. Gallen
Zusammenfassung des Sachverhalts:
Die Burgergemeinde Bern ist Eigentümerin verschiedener
Grundstücke, welche mit einem selbständigen und dauernden Baurecht belastet sind. In ihren Baurechtsverträgen
vereinbart sie jeweils einen Vorbehalt für die Übertragung
der Baurechte mit folgendem Wortlaut:
«Die rechtsgeschäftliche Übertragung bedarf der Genehmigung durch die Grundeigentümerin. Die Genehmigung
kann verweigert werden:
– wenn der Übernehmer nicht alle Rechte und Pflichten aus
diesem Vertrag übernimmt;
– wegen fehlender Kreditwürdigkeit des Erwerbers oder
– aus anderen wichtigen Gründen.»
Am 19. September stellte die Burgergemeinde beim Kreisgrundbuchamt VIII Bern-Laupen ein «Gesuch um Feststellung, dass jede Handänderung von im Grundbuch zu Lasten
ihrer Grundstücke aufgenommenen selbständigen und dauernden Baurechte mit entsprechendem Genehmigungsvorbehalt ihrer Zustimmung bedürfe und ohne eine solche Zustimmung nicht im Grundbuch eingetragen werden dürfe.» Das
Grundbuchamt trat mangels Feststellungsinteresses nicht
auf das Gesuch ein. Dagegen reichte die Burgergemeinde
Beschwerde ein bei der Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion des Kantons Bern (JGK) und erneuerte ihr Gesuch
um Erlass einer Feststellungsverfügung. Die JGK kam zum
Schluss, dass das Grundbuchamt zu Recht auf das Gesuch
der Burgergemeinde nicht eingetreten sei, soweit es um die
Frage der Zustimmung zur Handänderung des Baurechts
AJP 03_2009.indb 369
gehe. Ob hingegen der Grundbucheintrag ohne eine solche
Zustimmung erfolgen dürfe, stelle eine verwaltungsrechtliche Frage dar. Sie bejahte das Vorliegen eines schutzwürdigen Feststellungsinteresses und erwog, das Grundbuchamt, dem die Handänderung eines Baurechts zum Eintrag
vorgelegt werde, habe nicht zu prüfen, ob die Burgergemeinde als belastete Grundeigentümerin ihre Zustimmung dazu
erteilt hat. Die Beschwerde wurde demzufolge abgewiesen.
Eine Beschwerde der Burgergemeinde beim Verwaltungsgericht des Kantons Bern hatte keinen Erfolg. Auch der beim
Bundesgericht eingereichten Beschwerde in Zivilsachen war
kein Erfolg beschieden. Auf die Erwägungen des Bundesgerichts wird im Rahmen der nachfolgenden Bemerkungen
eingegangen.
Bemerkungen:
1. Das Bundesgericht ist auf die Beschwerde mit folgender
Begründung eingetreten: «Strittig ist, ob für die Handänderung von im Grundbuch eingetragenen selbständigen und
dauernden Baurechten die Zustimmung des Grundeigentümers erforderlich ist. Es geht um eine Frage der Führung
des Grundbuchs, eine öffentlich-rechtliche Angelegenheit,
welche in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Zivilrecht steht (Art. 72 Abs. 2 lit. b Ziff. 2 BGG). Eine derartige
Streitigkeit weist keinen Vermögenswert auf (vgl. Urteil 5A_
35/2008 vom 10. Juni 2008 E. 2). Der kantonale Rechtsweg
ist zudem im Hinblick auf die Eintretensvoraussetzungen
nicht massgebend (BGE 131 V 271 E. 2; 123 III 346 E. 1a).
Die Beschwerde in Zivilsachen ist damit gegeben.»
2. Die Burgergemeinde, welche einem Dritten ein (selbständiges und dauerndes) Baurecht einräumt, will verhindern,
dass der Erwerber des Baurechts dieses ohne ihre Zustimmung weiterveräussert. Das jeweils zum Vertragsinhalt gemachte Zustimmungserfordernis soll nicht bloss obligatorische Wirkung zeitigen, sondern dingliche in dem Sinne,
dass eine Veräusserung des Baurechts ohne die erforderliche
Zustimmung unwirksam ist und keinen Rechtsübergang bewirkt. Mit anderen Worten soll das Zustimmungserfordernis
die Verfügungsbefugnis des Baurechtsinhabers beschränken.
Wäre dieser Parteiwille beachtlich, dürfte der Grundbuchverwalter bei einer Baurechtsveräusserung den Erwerber nur
ins Grundbuch eintragen (vgl. Art. 35 Abs. 2 lit. d GBV),
wenn die Zustimmung erteilt wurde und der entsprechende
Nachweis erbracht wird (Art. 965 Abs. 1 ZGB, 24 Abs. 1bis
lit. a GBV). Das Bundesgericht ist indes – wie die Berner
Instanzen – der Auffassung, dass die Verfügungsbefugnis
des Baurechtsinhabers nicht in dieser Weise beschränkt werden kann.
3. Die Auffassung des Bundesgerichts ist jedenfalls dann
zutreffend, wenn das selbständige und dauernde Baurecht
als Grundstück in das Grundbuch aufgenommen wurde.
Diesfalls gelten für die Übertragung dieselben Regeln wie
für Liegenschaften. Der Veräusserungsvertrag ist demnach öffentlich zu beurkunden, das Verfügungsgeschäft besteht in der Grundbucheintragung. Die Anmeldung erfolgt
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Entscheidungen/Jurisprudence
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durch den Baurechtsinhaber bzw. Grundstückseigentümer
(Art. 965 Abs. 1 ZGB); eine allfällige Einschränkung der
Verfügungsbefugnis kann – wie hinsichtlich einer Liegenschaft – nur obligatorische Bedeutung haben und ist daher
für das Eintragungsverfahren ohne Bedeutung (s. im Einzelnen Dominik Bachmann, Verfügungsbeschränkungen bei
gebuchten selbständigen und dauernden Rechten, insbesondere Baurechten, Diss. Zürich, Bern 1993, 144 ff.). Ist das
(selbständige und dauernde) Baurecht nicht als Grundstück
im Grundbuch eingetragen, so folgt die Übertragung ganz
anderen Grundsätzen. Das Veräusserungsgeschäft bedarf
nach wohl herrschender Ansicht der blossen Schriftform
(vgl. Pascal Simonius/Thomas Sutter, Schweizerisches
Immobiliarsachenrecht, Bd. II, Die beschränkten dinglichen
Rechte, Basel/Frankfurt a. Main 1990, § 1 Rn 65, § 4 Rn 51;
Jörg Schmid/Bettina Hürlimann-Kaup, Sachenrecht,
2. A., Zürich 2003, Rn 1386; anders [für öffentliche Beurkundung] und m.E. vorzugswürdig das Eidg. Grundbuchamt in einer Meinungsäusserung vom 8. Februar 1989, BN
1989, 411 Ziff. 32). Die Verfügung geschieht durch Zession
(Art. 164 ff. OR analog; Bachmann, a.a.O., 170; Schmid/
Hürlimann-Kaup, a.a.O., Rn 1386). Zwar ist eine Eintragung des neuen Baurechtsinhabers im Grundbuch nach herrschender Ansicht möglich (vgl. Art. 35 lit. d GBV), jedoch
nicht konstitutiv (z.B. Simonius/Sutter, a.a.O., § 1 Rn 65
m.w.Nw.; Schmid/Hürlimann-Kaup, a.a.O., Rn 1386).
Folgt man dem Gesagten, so läge an sich die Auffassung
nahe, dass die Verfügungsbefugnis des Baurechtsinhabers
dinglich beschränkt werden kann (Art. 164 Abs. 1/2 OR
analog). Art. 164 Abs. 1/2 OR sollte jedoch im vorliegenden
Kontext nicht angewendet werden, vielmehr drängt es sich
auf, eine dingliche Beschränkung der Verfügungsbefugnis
auszuschliessen, und zwar – in Übereinstimmung mit dem
referierten Entscheid – generell (Bachmann, a.a.O., 170 f.;
a.A. die vom BGer in E. 4.3 zitierten Isler und Schmid
sowie Simonius/Sutter, a.a.O., § 4 Rn 51 Anm. 61). BGE
72 I 233, der eine dinglich wirkende Verfügungsbeschränkung unter bestimmten Voraussetzungen für zulässig erachtet hatte, ist überholt.
4. Nach geltendem Recht kann ein Zustimmungserfordernis auch nicht durch Vormerkung im Grundbuch realobligatorisch ausgestaltet werden. Das soll sich ändern: «Die
Revisionsvorlage zum Immobiliarsachenrecht sieht nun
die Möglichkeit vor, die Vormerkung rechtsgeschäftlicher
Vereinbarungen im Grundbuch zu vereinbaren und damit
diese gegenüber Rechtsnachfolgern durchzusetzen. Dies
entspricht nach Ansicht des Gesetzgebers einem Bedürfnis der Vertragsparteien (Art. 779b E-ZGB; Botschaft vom
27. Juni 2007 zur Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches [Register-Schuldbrief und weitere Änderungen
im Sachenrecht], BBl 2007 5313). Damit erhalten vertragliche Abmachungen realobligatorischen Charakter und können insbesondere gegenüber dem Erwerber des Baurechts
durchgesetzt werden. Das Bundesamt für Justiz scheint in
seiner Vernehmlassung davon auszugehen, dass durch die
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Vormerkung der Vereinbarung über die Beschränkung der
Übertragbarkeit eines Baurechts das Verfügungsrecht des
Baurechtsberechtigten gemäss Art. 965 ZGB eingeschränkt
wird, womit das Grundbuchamt die Handänderung nicht
ohne Zustimmung des Grundeigentümers vornehmen dürfte.
Die Tragweite einer solchen neuen Vormerkungsmöglichkeit
kann indes erst nach Abschluss der Gesetzgebungsarbeiten
beurteilt werden.» (E. 4.4 des referierten Entscheids).
5. Wenn die Parteien eines Baurechtsvertrages eine Verfügungsbeschränkung abmachen, welche dingliche Wirkung
zeitigen soll, so ist die Vereinbarung auf die Begründung
eines in dieser Form nicht begründbaren (Bau-)Rechts gerichtet. Ein solches Recht kann daher nicht ins Grundbuch
eingetragen werden, eine entsprechende Anmeldung ist abzuweisen. Im vorliegenden Fall liess der Genehmigungsvorbehalt die dingliche Absicht nicht erkennen, vielmehr durfte
der Grundbuchverwalter davon ausgehen, die von den Parteien beabsichtigte Verfügungbeschränkung solle lediglich
obligatorische Wirkung zeitigen. Die Eintragung erfolgte
daher aus grundbuchrechtlicher Sicht zu Recht. Zivilrechtlich lag aber möglicherweise ein ungerechtfertigter Eintrag
vor. Dies traf dann zu, wenn tatsächlich eine dingliche Verfügungsbeschränkung beabsichtigt war und die damit verbundene rechtliche Unmöglichkeit Ganznichtigkeit des Vertrags
zur Folge hatte (Art. 20 Abs. 2 OR).
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2.7.
Schuldrecht – allgemein /
Droit des obligations – en général
2.7.2. Obligationenrecht – Besonderer Teil –
allgemein /
Droit des obligations – Partie spéciale –
en général
2.7.2.3. Miete, Pacht / Bail à loyer, bail à ferme
(3) Vorzeitige Kündigung des Mietverhältnisses
(Art. 257 f. Abs. 3 OR); Untervermietung ohne Zustimmung des Vermieters (Art. 262 OR). Der Mieter,
der das Mietobjekt untervermietet, ohne die Zustimmung des Vermieters einzuholen, riskiert eine
vorzeitige Auflösung des Mietverhältnisses, wenn
er auf eine schriftliche Abmahnung des Vermieters nicht reagiert und dieser sich aus einem der in
Art. 262 Abs. 2 OR genannten Gründe der Untervermietung hätte widersetzen können (E. 3).
Bundesgericht, I. Zivilrechtliche Abteilung, Urteil 4A_516/
2007 vom 6. März 2008 (BGE 134 III 300 = Pra 2008
Nr. 130).
Mit Bemerkungen von
Prof. Dr. ALFRED KOLLER, Universität St. Gallen
Zusammenfassung des Sachverhalts:
Das Ehepaar X. war seit dem Jahr 1988 Mieterin einer
8-Zimmerwohnung in einer Liegenschaft in Genf. Der Mietzins betrug CHF 4220 pro Monat. Art. 3 des Mietvertrages
sah hinsichtlich einer allfälligen Untervermietung Folgendes
vor:
«Der Mieter ist ermächtigt, nach seinem Belieben und auf
eigene Verantwortung seine Wohnung in den drei Sommermonaten unterzuvermieten. Der Mieter ist jedoch verpflichtet, den Vermieter jedes Jahr vorgängig über die genauen Daten und die Bedingungen der Untermiete zu informieren.»
Im Februar 1998 erwarb Y. die vermietete Liegenschaft zu
Eigentum und wurde damit gemäss Art. 261 OR neuer Vermieter. Am 10. Mai 2001 kündigte Y. das Mietverhältnis unter Berufung auf Art. 257f Abs. 3 OR – ausserordentlicherweise – per 31. August 2001. Zur Begründung führte er an,
die Mieter hätten die Wohnung untervermietet, ohne ihrer
Informationspflicht gemäss Art. 3 des Vertrags nachgekommen zu sein. Die Eheleute X. fochten die Kündigung an. Mit
Schreiben vom 29. Mai 2001 informierten sie Y. zudem darüber, dass die Wohnung vom 1. Juni bis zum 31. August 2001
zu einem Mietzins von CHF 12 000.– monatlich an einen
gewissen V. vermietet werde. Eine Untervermietung erfolgte
auch in den Monaten Januar und Februar 2002, wiederum für
monatlich CHF 12 000.–, allerdings ohne Kenntnisgabe an Y.
Mit Schreiben vom 21. Januar 2002 teilte Y. den Eheleuten
X. mit, er habe erfahren, dass die Wohnung – erneut ohne
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seine Zustimmung – untervermietet worden sei, und forderte
die Mieter auf, ihm die nach Vertrag nötigen Angaben zu machen. Am 24. Januar 2002, anlässlich der Anhörung im Rahmen des Verfahrens betreffend Anfechtung der Kündigung
vom 10. Mai 2001, stellten die Eheleute X. wahrheitswidrig
in Abrede, dass die Wohnung noch untervermietet sei. Hierauf liess Y. dem Ehepaar X. mit Schreiben vom 6. Februar
2002 eine neue (ausserordentliche) Kündigung zukommen.
Auch diese fochten die Eheleute X. an.
Mit Entscheid vom 20. Februar 2003 hat das Mietgericht
des Kantons Genf die Kündigung vom 10. Mai 2001 aufgehoben. Hingegen erklärte es die Kündigung vom 6. Februar
2002 für gültig (Urteil vom 22. Januar 2007). Der Appellationshof des Kantons Genf hat dieses Urteil – auf Berufung
der Mieter hin – bestätigt. Eine von den Eheleute X. beim
Bundesgericht eingereichte Beschwerde in Zivilsachen hatte
keinen Erfolg. Das Bundesgericht hat die Kündigung – gleich
wie der Vermieter und die Vorinstanzen – auf Art. 257 f.
Abs. 3 OR abgestützt.
Bemerkungen:
1. Im Ergebnis ist dem Bundesgericht zuzustimmen. Denn
der Vermieter musste es zweifellos nicht dulden, dass die
Mieter ständig ihre Informationspflicht (Art. 3 des Vertrags)
verletzten, nicht nur durch Unterlassung, sondern auch durch
positives Tun (Anlügen), und zudem einen im Verhältnis zum
Hauptmietzins missbräuchlichen Untermietzins verlangten.
Zweifelhaft ist hingegen, ob die dogmatische Grundlegung
der Kündigung die richtige ist. Art. 257 f. Abs. 3 OR, den das
Bundesgericht heranzieht, betrifft ja die Vertragsauflösung
wegen unsorgfältiger Behandlung der Mietsache (Abs. 1
und 4) bzw. fehlender Rücksichtnahme auf die Nachbarn
(Abs. 2), darum aber ging es in casu offensichtlich nicht.
Zumindest eine unmittelbare Anwendung der Bestimmung
fällt daher ausser Betracht. M.E. ist auch eine (einzel-)analoge Anwendung abzulehnen, denn die mit einer Untermiete verbundenen Mieterpflichten haben mit den in Art. 257 f.
OR geordneten Pflichten wenig gemein. Richtiger scheint
es vielmehr, das Vertragsauflösungsrecht im Wege einer Gesamtanalogie, in deren Rahmen freilich auch Art. 257f OR
beachtlich ist, zu begründen. Für die Darstellung der Einzelheiten lehne ich mich an das im OR AT Gesagte an (Alfred
Koller, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner
Teil, 3. A., Bern 2009, § 58 Rn. 8):
Dauerverträge wie der Mietvertrag können bei Vorliegen
wichtiger Gründe, welche einer Partei das weitere Festhalten am Vertrag unzumutbar machen, aufgelöst werden
(z.B. Art. 337 Abs. 1 OR; BGE 128 III 428). Als wichtiger
Grund kommt namentlich vertragswidriges Verhalten einer
Vertragspartei in Betracht (z.B. Art. 337b Abs. 1 OR; BGE
129 III 380 E. 2.2). Im Vordergrund steht die vertragswidrige
Nicht- oder Schlechterbringung der geschuldeten Leistung
(z.B. Art. 257d und 258 Abs. 1 OR), doch können im Einzelfall auch Nebenpflichtverletzungen einen wichtigen Grund
zur Vertragsauflösung abgeben. Das ist zwar im schweize-
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rischen Recht – anders als etwa im deutschen (§ 324 BGB) –
nicht allgemein, sondern nur für einzelne Tatbestände ausdrücklich festgestellt (z.B. Art. 257 f., 285, 309 Abs. 2, 337b
OR); aus den betreffenden Regeln ist jedoch – im Wege der
Gesamtanalogie (dazu allgemein Ernst A. Kramer, Juristische Methodenlehre, 2. A., Bern etc. 2005, 179; Koller,
a.a.O., § 28 Anm. 7, m.w.H.) – ein allgemeiner Rechtsgrundsatz abzuleiten.
Was für Dauerverträge gilt, gilt mutatis mutandis auch für
andere Verträge, etwa Kauf- oder Werkverträge (vgl. meinen
OR AT, § 29 Rn. 3 i.V.m. § 58 Rn. 8). Das sei hier der Vollständigkeit halber nachgetragen, obwohl es in casu um einen
Dauervertrag ging.
2. Gleichgelagert war der Fall BGE 134 III 300 = Pra 2009
Nr. 21. Auch hier wurde eine ausserordentliche Kündigung
wegen unerlaubter Untermiete in Anwendung von Art. 257f
Abs. 3 OR geschützt. Gleich wie im vorne referierten Entscheid wurde die Bestimmung unmittelbar zur Anwendung
gebracht.
7.
Strafrecht / Droit pénal
7.2.
Strafrecht – Allgemeiner Teil – allgemein /
Droit pénal – Partie générale – en général
(4) Der Jetlag dauert an oder Neue Unwägbarkeiten
im Recht der strafrechtlichen Verjährung.
Bundesgericht, Urteil der Strafrechtlichen Abteilung vom
16. Oktober 2008, 6B_686/2008 (BGE 134 IV 328).
Mit Bemerkungen von Dr. iur. CHRISTOF RIEDO,
Assoz. Professor an der Universität Fribourg
und MLaw MATTHIAS ZURBRÜGG,
Wissenschaftlicher Assistent an der Universität Fribourg
Zusammenfassung des Sachverhalts:
A. und B. züchteten ab 1994/95 im Elsass Pferde und verkauften diese auch in die Schweiz. Eine Untersuchung der
Zollkreisdirektion Basel ergab, dass zwischen 1996 und
1999 zahlreiche dieser Pferde illegal über Grenzübergänge
oder für den Warenverkehr geschlossene Zollstrassen zwischen Boncourt und Basel St. Louis in die Schweiz eingeführt wurden.
Die Zollkreisdirektion Basel nahm gegen A. und B. sowie
zahlreiche weitere Personen, darunter C. und D., Schlussprotokolle auf, in denen sie ihnen Widerhandlungen gegen das
Zollgesetz, das Tierseuchengesetz, die Mehrwertsteuerverordnung und das Mehrwertsteuergesetz zur Last legte.
Mit Verfügungen vom 31. Januar 2002 wurden A., B., C.,
D. und weitere Personen für die hinterzogenen Abgaben leistungspflichtig erklärt.
B., C. und D. fochten diese Verfügungen an. Über die Beschwerden von B. und C. entschied die Oberzolldirektion am
19. Mai 2004 bzw. am 17. November 2004; die Entscheide
erwuchsen in Rechtskraft. In Sachen D. entschied die Eidgenössische Zollrekurskommission am 29. September 2005
letztinstanzlich.
Am 11. Oktober 2006 überwies die Eidgenössische Oberzolldirektion die Anklageschrift gegen A., B. und C. an das
zuständige Gericht des Kantons Basel-Landschaft zur gerichtlichen Beurteilung. Alle übrigen Fälle wurden durch
verwaltungsstrafrechtlichen Entscheid der Zollverwaltung
erledigt.
Am 27. September 2007 gab das Strafgerichtspräsidium
Basel-Landschaft dem Verfahren gegen A. wegen eingetretener Verjährung keine weitere Folge.
Gegen B. und C. erliess das Strafgericht Basel-Landschaft
am 31. Januar 2008 Urteile, welche in Rechtskraft erwachsen sind.
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Am 16. Juni 2008 wies das Kantonsgericht Basel-Landschaft die Beschwerde der Oberzolldirektion gegen die vorinstanzliche Verfügung ab.
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt die Eidgenössische Zollverwaltung, das kantonsgerichtliche Urteil
aufzuheben, festzustellen, dass noch nicht sämtliche A.
vorgeworfenen Straftaten verjährt seien und die Sache zur
Neubeurteilung ans Kantonsgericht zurückzuweisen.
A. beantragt in seiner Vernehmlassung, die Beschwerde
abzuweisen.
Zusammenfassung der Erwägungen:
2.1 Die dem Beschwerdegegner angelasteten Delikte wurden zwischen März 1997 und Juli 1999 begangen und sollen
nach der Überweisungsverfügung der Oberzolldirektion als
Zollübertretung, Bannbruch und Steuerhinterziehung strafbar sein. Soweit das Verwaltungsstrafrecht keine besonderen
Regelungen kennt, ist der Allgemeine Teil des Strafgesetzbuches anwendbar (Art. 2 VStrR).
Art. 83 des im Deliktszeitpunkt geltenden Zollgesetzes
vom 1. Oktober 1925 bestimmte, dass die Verfolgungsverjährung gemäss Art. 11 Abs. 2 VStrR auch für den Bannbruch und die Zollhehlerei gelte. Im aktuellen Zollgesetz
vom 18. März 2005 (SR 631.0; ZG) bestimmt Art. 129, dass
Art. 11 Abs. 2 VStrR für alle Zollwiderhandlungen gilt. Die
im Deliktszeitpunkt geltende Mehrwertsteuerverordnung
vom 22. Juni 1994 enthielt keine spezielle Regelung der Verfolgungsverjährung; Art. 64 Abs. 1 verwies allgemein auf
das Verwaltungsstrafrecht. Daran hat sich im heute geltenden
Mehrwertsteuergesetz vom 2. September 1999 (SR 641.20,
MWSTG) nichts geändert, Art. 88 Abs. 1 erklärt lapidar
das Verwaltungsstrafrecht für anwendbar. Mangels abweichender spezialgesetzlicher Bestimmungen richtet sich
somit die Verfolgungsverjährung nach dem Verwaltungsstrafrecht und dem Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuches,
dessen revidierte Fassung auf den 1. Januar 2007 in Kraft
gesetzt wurde. Verjährungsfristen und deren Ablauf sind für
die Übertretungen in Art. 11 VStrR speziell geregelt. Die
Verjährungsfristen für Vergehen richten sich nach den allgemeinen strafrechtlichen Bestimmungen, deren Ablauf nach
Art. 11 Abs. 3 VStrR.
Altrechtlich verjährten die dem Beschwerdegegner vorgeworfenen Übertretungen relativ in 5, absolut in 71/2 Jahren
(Art. 11 Abs. 2 VStrR). Für Vergehen galten altrechtlich im
Ergebnis die gleichen Fristen (Art. 70 und 72 Ziff. 2 Abs. 2
aStGB).
Neurechtlich verjähren Vergehen in sieben Jahren (Art. 97
Abs. 1 lit. c StGB), wobei die Verjährung nicht mehr unterbrochen und nach dem erstinstanzlichen Urteil nicht mehr
eintreten kann (Art. 97 Abs. 1 lit. c StGB).
Fraglich ist, ob darunter nur Verurteilungen zu verstehen
sind oder auch Freisprüche und Verfahrenseinstellungen.
Der Wortlaut lässt beides zu. Die Verjährung bezweckt aus
verschiedenen prozessualen und materiell-strafrechtlichen
Gründen, die Strafverfolgung nach Ablauf einer bestimmten
AJP 03_2009.indb 373
Zeitspanne einzustellen. Mit einem Freispruch wird festgestellt, dass der Angeklagte wegen der gegen ihn erhobenen
Vorwürfe nicht verurteilt werden kann. Es widerspräche jeder Logik, an diese Feststellung die Rechtsfolge zu knüpfen,
dass der Freigesprochene wegen eben dieser Vorwürfe zeitlich unbegrenzt weiter verfolgt werden kann, weil die beurteilte Straftat nicht mehr verjährt. Unter «erstinstanzlichen
Urteilen» im Sinne von Art. 97 Abs. 3 und Art. 333 Abs. 6
lit. d StGB sind daher ausschliesslich verurteilende Erkenntnisse zu verstehen.
Art. 11 Abs. 2 VStrR, welcher die Verjährung der hier zu
beurteilenden Übertretungen regelt, ist noch nicht ans neurechtliche Verjährungssystem angepasst worden, welches
keine Unterbrechung mehr kennt. Bis dies erfolgt ist, gilt,
dass die Verfolgungsverjährungsfristen um die ordentliche
Dauer verlängert werden (Art. 333 Abs. 1 i.V.m. Abs. 6 lit. b
StGB). Ausgehend von der fünfjährigen Verjährungsfrist von
Art. 11 Abs. 2 VStrR ergäbe diese eine Verfolgungsverjährung von zehn Jahren. Es kann indessen nicht sein, dass für
Übertretungen eine längere Verjährungsfrist gilt als für nach
dem gleichen Gesetz zu ahndende Vergehen; diese ist daher auf das für letztere geltende Mass zu verringern. Daraus
folgt, dass neurechtlich sowohl die dem Beschwerdegegner
vorgeworfenen Übertretungen als auch die Vergehen innert
sieben Jahren verjähren. Das neue Verjährungsrecht ist somit
vorliegend das mildere und damit anwendbare.
2.2 Nach Art. 11 Abs. 3 VStrR ruht die Verjährung «bei Vergehen und Übertretungen während der Dauer eines Einsprache-, Beschwerde- oder gerichtlichen Verfahrens über die
Leistungs- oder Rückleistungspflicht oder über eine andere
nach dem einzelnen Verwaltungsgesetz zu beurteilende Vorfrage oder solange der Täter im Ausland eine Freiheitsstrafe verbüsst». Das Kantonsgericht vertritt im angefochtenen
Entscheid die Auffassung, der Beschwerdegegner habe die
Verfügung vom 31. Januar 2002, mit welcher seine Leistungspflicht festgelegt worden sei, nicht angefochten, weshalb die Verjährung nicht geruht habe und damit eingetreten
sei. Die Beschwerdeführerin sieht dadurch Art. 11 Abs. 3
VStrR verletzt, da ihrer Auffassung nach die Anfechtung der
Leistungspflicht durch einen Pflichtigen genügt, um die Verjährung gegen alle Mitangeklagten ruhen zu lassen. Gegen
die Verfügungen vom 31. Januar 2002, mit welchen der Beschwerdeführer und die weiteren am illegalen Pferdeimport
Beteiligten leistungspflichtig erklärt wurden, wurden drei
Rechtsmittel erhoben. Als letztes von ihnen wurde dasjenige von D. am 17. November 2005 endgültig erledigt. Die
Verjährungsfrist im Strafverfahren gegen den Beschwerdegegner hätte somit nach dieser Auffassung rund 23/4 Jahre geruht, würde sich um diese Dauer verlängern und wäre
damit jedenfalls in Bezug auf einzelne Delikte auch heute
im Zeitpunkt des bundesgerichtlichen Entscheids noch nicht
abgelaufen.
3.1 Die Beschwerdeführerin führt aus, bei Fiskaldelikten
hänge der Entscheid im Strafpunkt von demjenigen über die
Leistungspflicht bzw. über die Abgabenberechnung und die
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Tarifeinreihung ab und werde dementsprechend erst nach
dessen rechtskräftiger Erledigung gefällt. Aufgrund dieser
Abhängigkeit des Strafverfahrens von der Abgabenberechnung sei das Bundesgericht (BGE 88 IV 87 E. 4b; 89 IV
160 E. 6; 119 IV 330 E. 2d) bereits vor dem Inkrafttreten
von Art. 11 Abs. 3 VStrR davon ausgegangen, dass die Beschwerde gegen die Leistungspflicht die Verfolgungsverjährung ruhen lasse, und zwar gegen alle am Strafverfahren
Beteiligten. Der Entscheid über die Leistungspflicht betreffe sowohl die Frage, wer leistungspflichtig sei (subjektive
Leistungspflicht) als auch diejenige, ob überhaupt eine Leistungspflicht entstanden sei (objektive Leistungspflicht). Da
die Beurteilung der Straftat u.a. von diesem Punkt abhange,
es sich somit um eine nach dem einzelnen Verwaltungsgesetz
zu beurteilende Vorfrage im Sinne von Art. 11 Abs. 3 VStrR
handle, ergebe sich die verjährungshemmende Wirkung in
Bezug auf die Strafverfahren gegen alle Tatbeteiligte bereits
aus dem Gesetzeswortlaut.
3.2 Unter der Herrschaft des alten Zollgesetzes in seiner
bis Ende Mai 1973 geltenden Fassung (AS 1973 644) war
die Rechtslage gemäss expliziter gesetzlicher Regelung in
Art. 110 Abs. 2 aZG insofern klar, als die Beschwerde eines
Tatbeteiligten gegen die Festsetzung der Leistungspflicht für
alle beschwerdebefugten Personen Wirkung hatte. Daraus
hat das Bundesgericht in den aus den Jahren 1962 und 1963
(BGE 88 IV 87 und 89 IV 160) stammenden Entscheiden
den nahe liegenden Schluss gezogen, dass die Beschwerde
eines Beteiligten die strafrechtliche Verjährung gegen sämtliche Beschwerdebefugten ruhen lässt. Aus den Materialien
(BBl 1972 II 228 ff.) ergibt sich kein Hinweis, dass diese Regelung materiell geändert werden sollte; vielmehr diente die
erwähnte Revision dazu, eine Vielzahl spezialgesetzlicher
Verfahrensbestimmungen ins neue Bundesgesetz über das
Verwaltungsstrafrecht zu überführen, Art. 110 Abs. 2 aZG
konkret in Art. 11 Abs. 3 VStrR. Für die Beschwerdeführerin
hat sich dadurch die Rechtslage nicht geändert. Für sie ergibt
sich auch aus der neuen Bestimmung, dass eine Beschwerde
gegen die Festsetzung der Leistungspflicht die strafrechtliche
Verjährung auch gegenüber den Mitbeteiligten ruhen lässt.
3.3 Im Rechtsmittelsystem des Verwaltungsstrafrechts sind
Strafverfahren (Art. 62 VStrR) und Leistungs- bzw. Rückleistungsverfahren (Art. 63 VStrR), die gleiche oder sich
zumindest teilweise überschneidende Sachverhalte betreffen und sich gegen mehrere Beteiligte richten, wechselseitig voneinander abhängig. Fusst ein Strafbescheid auf einem
Entscheid über die Leistungs- oder Rückleistungspflicht
und wird dieser erfolgreich angefochten, so erlässt die Verwaltung einen neuen Strafbescheid (Art. 63 Abs. 3 VStrR).
Einsprachen gegen einen Strafbescheid haben zur Folge,
dass dieser mit Wirkung für alle Beteiligten zu überprüfen
ist, wobei das Einspracheverfahren auszusetzen ist, bis – soweit mitangefochten – über die Leistungspflicht befunden ist
(Art. 69 Abs. 1 und 2 VStrR). Nicht anders verhält es sich,
wenn einer der Beteiligten ans Strafgericht zu überweisen ist
(Art. 62 Abs. 1 und Art. 21 Abs. 1 VStrR).
AJP 03_2009.indb 374
Auch in diesem Fall muss davon ausgegangen werden,
dass die – für den Strafrichter nach Art. 77 Abs. 4 VStrR
grundsätzlich verbindliche – Änderung eines Leistungsentscheides zu einer Überprüfung bzw. Anpassung der Strafbescheide und Strafurteile gegenüber allen Beteiligten führt.
Daher ist mit der Überweisung an den Strafrichter solange zuzuwarten, als ein Verfahren über die Leistungspflicht
hängig ist, das sich auf die Strafverfahren gegen die Mitbeteiligten auswirken kann (Art. 69 Abs. 2 VStrR; Kurt Hauri, Verwaltungsstrafrecht, Bern 1998, S. 150 mit Hinweis auf
die Materialien). Dies setzt voraus, dass die Verjährung für
diesen Zeitraum nach Art. 11 Abs. 3 VStrR ruht, ansonsten
sie bei langwierigen Verwaltungsverfahren bereits vor der
Überweisung des Strafverfahrens an die kantonalen Strafgerichte eintreten könnte. Dieses aus der Logik des Rechtsmittelsystems zwingende Auslegungsergebnis wird vom Wortlaut der Bestimmung ohne weiteres gedeckt, womit Art. 11
Abs. 3 VStrR auch unter dem Gesichtspunkt von Art. 1
StGB («Keine Strafe ohne Gesetz») eine taugliche gesetzliche Grundlage bildet, die strafrechtliche Verjährung ruhen
zu lassen.
Dazu kommt, dass es unter Umständen verfassungsrechtlich geboten sein kann, Strafverfahren gegen Mittäter zu
vereinigen, insbesondere wenn die Gefahr besteht, dass die
Art und der Umfang der Beteiligung wechselseitig bestritten werden und somit die Gefahr besteht, dass ein Teilnehmer die Schuld dem anderen zuweisen will (BGE 116 Ia 305
E. 4b S. 313; vgl. auch 115 Ia 34 E. 2c/cc S. 40). Dies stand
vorliegend umso mehr zu befürchten, als die beiden Haupttäter in eine Kampfscheidung gerieten. Auch unter diesem
Titel erscheint es sachgerecht, Art. 11 Abs. 3 VStrR dahingehend auszulegen, dass die Beschwerde eines Tatbeteiligten
gegen seine Leistungspflicht die Verjährung der Strafverfahren gegen alle Mitbeteiligten ruhen lässt, weil sonst eine
möglicherweise gebotene Vereinigung der Strafverfahren jedenfalls bei einer längeren Dauer der Rechtsmittelverfahren
faktisch verunmöglicht würde.
3.4 Hat somit die strafrechtliche Verjährungsfrist für den
Beschwerdegegner während der Dauer der von einzelnen
Mitbeteiligten gegen die Festsetzungen ihrer Leistungspflicht angehobenen Rechtsmittelverfahren geruht, so waren
im Zeitpunkt des angefochtenen Entscheids jedenfalls nicht
alle Delikte des Beschwerdegegners absolut verjährt, und sie
sind es auch heute im Zeitpunkt des bundesgerichtlichen Entscheids noch nicht (vorne E. 2.2). Die Beschwerde ist daher
gutzuheissen, der angefochtene Entscheid aufzuheben und
die Sache dem Kantonsgericht Basel-Landschaft zu neuem
Entscheid zurückzuweisen. Angesichts der weiter laufenden
Verjährung wird dieses die Angelegenheit ohne Rückweisung an die erste Instanz beförderlich selber zu entscheiden
haben.
Die Beschwerde wurde gutgeheissen, der angefochtene
Entscheid vom 16. Juni 2008 aufgehoben und die Sache dem
Kantonsgericht Basel-Landschaft zu neuem Entscheid zurückgewiesen.
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Entscheidungen/Jurisprudence
AJP/PJA 3/2009
375
Bemerkungen:
I.
Altes und neues Verjährungsrecht
1. Am 1. Oktober 2002 sind die revidierten Bestimmungen
zur strafrechtlichen Verjährung in Kraft getreten. Gesetzgeberischer Leitgedanke war es, das als unnötig kompliziert
erkannte und teils unbillige Ergebnisse zeitigende Verjährungsrecht zu entschlacken und von seinen Mängeln zu
befreien. Dies geschah durch folgende Neuerungen (vgl.
zum Nachfolgenden Martin Schubarth, Das neue Recht
der strafrechtlichen Verjährung, in: ZStrR 2002, 321–339,
330 f.; Christian Denys, Prescription de l’action pénale:
Les nouveaux art. 70, 71, 109 et 333 al. 5 CP, in: SJ 2003 II
49-66, 50 f.; Christof Riedo/Oliver M. Kunz, Jetlag oder
Grundprobleme des neuen Verjährungsrechts, in: AJP/PJA
2004, 904–916, 904):
• Die in Art. 72 aStGB geregelten Institute des Ruhens und
des Unterbrechens der Verfolgungsverjährung wurden
aufgehoben. Damit einhergehend fiel die Unterscheidung
zwischen relativer und absoluter Verjährungsfrist dahin.
• Die durch die Aufhebung von Art. 72 aStGB erfolgte
faktische Verkürzung der (absoluten) Verjährung wurde
durch eine Verlängerung der Verjährungsfristen in Art. 70
aStGB (heute Art. 97 StGB) abgefedert.
• Schliesslich wurde der als unbillig empfundenen Möglichkeit, sich durch das Einlegen von Rechtsmitteln in die
Verjährung zu retten, der Riegel geschoben: Die Verjährung kann nicht mehr eintreten, sobald ein erstinstanzliches Urteil ergangen ist (Art. 70 Abs. 3 aStGB; heute
Art. 97 Abs. 3 StGB).
2. Die sich aus diesen Neuerungen ergebenden übergangsrechtlichen Fragen regelt Art. 389 StGB, wonach die Bestimmungen des neuen Verjährungsrechts auch auf den Täter
anwendbar sind, der vor Inkrafttreten des neuen Rechts eine
Tat verübt hat, sofern das neue Recht das mildere ist und das
Gesetz nichts anderes bestimmt.
Damit wird der für das materielle Strafrecht geltende
Grundsatz der lex mitior (Art. 2 Abs. 2 StGB) auch für die
Verjährung festgeschrieben, wenngleich besondere Übergangsbestimmungen, insbesondere bei bestimmten Straftaten zum Nachteil von Kindern unter 16 Jahren (Art. 97
Abs. 2 und 4 StGB) sowie bei Völkermord (Art. 101 Abs. 3
StGB), als lex specialis vorbehalten bleiben (vgl. dazu BSKStrafrecht II-Riedo, Art. 389 N 13–17).
3. Um die neuen Verjährungsregeln auch im Gestrüpp des
Nebenstrafrechts mit seinen häufig speziellen Verjährungsfristen umzusetzen, hat der Gesetzgeber mit Art. 333 Abs. 6
(aStGB: Abs. 5) eine für das gesamte Nebenstrafrecht geltende Transformationsnorm erlassen (vgl. dazu etwa Riedo/
Kunz, AJP/PJA 2004, 905; BSK-Strafrecht II-Wiprächtiger, Art. 333 N 30 f.):
• Bis zu ihrer ordentlichen Anpassung an das neue Verjährungsregime werden die Verfolgungsverjährungsfristen
für Verbrechen und Vergehen um deren Hälfte erhöht;
AJP 03_2009.indb 375
diejenigen der Übertretungen verdreifacht (lit. a). Nach
lit. b besteht indes eine Ausnahme für Verjährungsfristen,
die bereits über ein Jahr betragen: Diese werden lediglich
verdoppelt.
• Gemäss lit. c werden die Bestimmungen über das Ruhen
und die Unterbrechung der Verfolgungsverjährung auch
im Nebenstrafrecht aufgehoben. Vorbehalten bleibt einzig Art. 11 Abs. 3 VStrR. Die Verjährung ruht demnach
während der Dauer eines Einsprache-, Beschwerde- oder
gerichtlichen Verfahrens über die Leistungs- oder Rückleistungspflicht oder über eine andere nach dem einzelnen
Verwaltungsgesetz zu beurteilende Vorfrage oder solange
der Täter im Ausland eine Freiheitsstrafe verbüsst. Art. 11
Abs. 3 VStrR ist freilich immer nur dann anwendbar,
wenn das VStrR direkt oder indirekt (Art. 1 VStrR) für
anwendbar erklärt wird.
• Schliesslich kann, nachdem ein erstinstanzliches Urteil
ergangen ist, die Verjährung nicht mehr eintreten (lit. d).
II.
Der Beginn der Verjährungsfrist
1. Die Verfolgungsverjährung beginnt (nach altem wie nach
neuem Recht) im Zeitpunkt der strafbaren Handlung (Art. 98
StGB; Art. 71 aStGB).
Führt der Täter die strafbare Tätigkeit zu verschiedenen
Zeiten aus, beginnt die Verjährung «mit dem Tag, an dem er
die letzte Tätigkeit ausführt» (Art. 98 lit. b StGB bzw. Art. 71
Abs. 2 aStGB).
2. Diese Regelung hatte das Bundesgericht dazu veranlasst,
unter gewissen Voraussetzungen mehrere strafbare Verhaltensweisen zu einem einzigen Delikt zusammenzufassen.
2.1 Das geschah zunächst unter dem Titel des sog. «fortgesetzten Deliktes»: Das Bundesgericht betrachtete ein fortgesetztes Delikt als gegeben, wenn mehrere «gleichartige
oder ähnliche Handlungen, die gegen das gleiche Rechtsgut gerichtet» waren, auf «ein und denselben Willensentschluss» zurückgingen (BGE 102 IV 74, E. 2a, S. 77). Als
(historisches) Lehrbuchbeispiel galt etwa der wiederholte
ehebrecherische Verkehr (Art. 214 aStGB) mit derselben
Frau (Günter Stratenwerth, Schweizerisches Strafrecht,
Allgemeiner Teil I, 1. A., Bern 1982, § 19 N 12). Kein fortgesetztes Delikt sollte indes vorliegen, wenn sich der Täter
wiederholt entschlossen hatte, mit dem Delinquieren aufzuhören, dann aber der Versuchung jeweils wieder erlag (Stratenwerth, AT I, 1. A., § 19 N 15; Hans Schultz, Die
strafrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichts im Jahre
1964, in: ZBJV 1966, 41–69, 55; Jörg Rehberg/Andreas
Donatsch, Strafrecht I, 7. A., Zürich 2001, 321 f.). Ferner
sollte auch beim Willen, «zahlreiche gleichartige Straftaten
zu verüben, deren Ausführung nach Art, Zeit und Ort aber
ungewiss» war, kein fortgesetztes Delikt vorliegen (BGE 102
IV 74, E. 2b, S. 78).
Die Annahme eines fortgesetzten Delikts hatte verschiedene Konsequenzen (siehe dazu Günter Stratenwerth,
Schweizerisches Strafrecht, Allgemeiner Teil I, 3. A., Bern
2005, § 19 N 15; Franz Riklin, Schweizerisches Strafrecht,
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Entscheidungen/Jurisprudence
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Allgemeiner Teil I, 3. A., Zürich 2007, § 22 N 36; Stefan
Trechsel, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Kurzkommentar, 1. A., Zürich 1989, Art. 68 N 8):
• Eine Strafschärfung nach Art. 68 aStGB wegen Zusammentreffens mehrerer strafbarer Handlungen war ausgeschlossen.
• Die Rechtskraft des Urteils erstreckte sich auch auf Delikte, die dem Gericht nicht bekannt waren.
• Bei Antragsdelikten begann die Antragsfrist erst mit
Kenntnis des Täters und der letzten strafbaren Handlung
zu laufen. Der Strafantrag erfasste alsdann sämtliche zu
einer Einheit zusammengefassten Delikte.
• Die Verjährung begann erst mit der letzten Tatausführung
zu laufen (sog. verjährungsrechtliche Einheit).
Die Rechtsprechung zum fortgesetzten Delikt wurde in
der Lehre zunehmend kritisch beurteilt (Hans Schultz,
Einführung in den Allgemeinen Teil des Strafrechts, Bd. 1,
4. A., Bern 1982, 130 f.; Ders., ZBJV 1966, 55; Stratenwerth, AT I, 1. A., § 19 N 19; Werner Arnold Knecht,
Das fortgesetzte Delikt im schweizerischen Strafrecht, Diss.
Bern 1969, 99 f.). Es war sachlich nicht einsehbar, warum
der zur immer wiederkehrenden Delinquenz entschlossene
Täter im Vergleich zum zaudernden Wiederholungstäter mit
Bezug auf die Strafschärfung nach Art. 68 aStGB (heute:
Art. 49 StGB) bessergestellt sein sollte. Umgekehrt führte
das Hinausschieben des Verjährungsbeginns zu teilweise
unverhältnismässig langen Verjährungsfristen.
2.2 Mit BGE 116 IV 121 und BGE 117 IV 408 vollzog
das Bundesgericht eine erste Praxisänderung, indem es die
Rechtsfigur des fortgesetzten Delikts aufgab. Eine verjährungsrechtliche Einheit (ein sog. «Einheitsdelikt») sollte
nur noch dann angenommen werden, «wenn die gleichartigen und gegen dasselbe Rechtgut gerichteten strafbaren
Handlungen – ohne dass bereits ein eigentliches Dauerdelikt
gegeben wäre (Art. 71 Abs. 3 [a]StGB) – ein andauerndes
pflichtwidriges Verhalten» bildeten und diese andauernde
Pflichtverletzung «vom in Frage stehenden Straftatbestand
ausdrücklich oder sinngemäss mitumfasst» waren (BGE 117
IV 408, E. 2f bb), S. 413 f.; ebenso in der Folge BGE 118 IV
309, E. 2c, S. 317 f.; 118 IV 325, E. 2b, S. 328 f.; 119 IV 73,
E. 2b, S. 77 f.; 119 IV 199, E. 2., S. 200 f.; 120 IV 6, E. 2c,
S. 9; 124 IV 5, E. 2b, S. 8 f.; 126 IV 141, E. 1a, S. 142 f.; 127
IV 49 E. 1b, S. 54 f.; Riklin, § 22 N 37; Stratenwerth,
AT I, 3. A., § 19 N 17; Rehberg/Donatsch, 7. A., 322; Stefan Trechsel, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Kurzkommentar, 2. A., Zürich 1997, Art. 68 N 8).
2.3 Mit BGE 131 IV 83, E. 2.4, S. 90 ff., wurde dann auch
die Rechtsfigur des Einheitsdeliktes über Bord geworfen. Als
massgeblich betrachtete das Bundesgericht den Einwand von
Markus Hug, in: Andreas Donatsch, StGB, 16. A., Zürich
2004, 183 f., der fragte, ob die mit dem Wortlaut von Art. 71
lit. b aStGB schwerlich vereinbare Auslegung mit der Neuordnung der Verjährungsregeln nicht aufgegeben werden
könne.
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Mit dieser zweiten Praxisänderung wurde der Anwendungsbereich von Art. 98 lit. b StGB bzw. Art. 71 Abs. 2
aStGB entscheidend beschränkt: Unter die genannten Regelungen fallen nunmehr nur noch Fälle von (a) tatbestandlicher und solche von (b) natürlicher Handlungseinheit.
(a) Eine tatbestandliche Handlungseinheit wird angenommen, «wenn das tatbestandsmässige Verhalten schon begrifflich, faktisch oder doch typischerweise mehrere Einzelhandlungen voraussetzt» (BGE 131 IV 83, E. 2.4.5, S. 93),
nämlich:
• bei mehraktigen Delikten, bei denen der Täter in aufeinanderfolgenden Schritten verschiedene Rechtsgüter verletzt,
um den Erfolg zu erwirken (z.B. Raub: Art. 140 StGB),
• bei Delikten, die typischerweise ein länger dauerndes Verhalten bedeuten, das aus mehreren Einzelhandlungen besteht (z.B. politischer Nachrichtendienst: Art. 272 StGB).
(b) Eine natürliche Handlungseinheit soll bestehen, wenn
mehrere Delikte «auf einem einheitlichen Willensakt beruhen und wegen des engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhangs bei objektiver Betrachtung noch als ein einheitliches zusammengehörendes Geschehen erscheinen» (BGE
131 IV 83, E. 2.4.5, S. 94). Diese Voraussetzungen sind laut
Bundesgericht gegeben:
• bei iterativer Tatbestandsverwirklichung (z.B. eine
«Tracht Prügel»);
• bei sukzessiver Tatbegehung (z.B. Besprayen einer Mauer
mit Graffiti in mehreren aufeinanderfolgenden Nächten).
Eine natürliche Handlungseinheit falle indessen ausser Betracht, wenn zwischen den einzelnen Handlungen – selbst
wenn diese aufeinander bezogen seien – ein längerer Zeitraum liege.
Liegt keine – tatbestandliche oder natürliche – Handlungseinheit im beschriebenen Sinne vor, so soll der Lauf der
Verjährung für jede Tathandlung gesondert beurteilt werden.
Vorbehalten bleibt einzig der Sonderfall der Dauerdelikte
(Art. 98 lit. c StGB bzw. Art. 71 Abs. 3 aStGB).
3. Diese neue Rechtsprechung hat implizit auch im vorliegenden Fall Anwendung gefunden. Wie selbstverständlich
ist das Bundesgericht davon ausgegangen, die Verjährung
sei in casu für jede strafbare Handlung einzeln zu berechnen
(anders in einem ganz ähnlichen Fall etwa noch BGE 119 IV
73, E. 2b, S. 77 ff.).
4. Insgesamt war es sicherlich richtig, das sog. Einheitsdelikt
aufzugeben. Die Voraussetzungen, die eine verjährungsrechtliche Einheit entstehen liessen, entsprachen im Wesentlichen
jenen des fortgesetzten Delikts (vgl. auch Schubarth,
ZStrR 2002, 337 f.: Die Ersatzfigur der verjährungsrechtlichen Einheit lasse das eigentlich aufgehobene fortgesetzte
Delikt weiter dahinsiechen). Inwieweit sich die neue Konzeption indes mit dem strafrechtlichen Handlungsbegriff
vereinbaren lässt, wird an anderer Stelle zu prüfen sein.
5. Fraglich ist aber mindestens, ob sich die aktuelle Rechtsprechung zur Verjährung ohne weiteres auf andere Bereiche
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Entscheidungen/Jurisprudence
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377
übertragen lässt. Namentlich bei der Berechnung der Strafantragsfrist nach Art. 31 StGB können sich Konstellationen
ergeben, in denen dem Verletzten kaum zuzumuten ist, für
jede einzelne strafbare Handlung innert gesondert laufender
Frist rechtzeitig Strafantrag einzureichen. Zu denken ist etwa
an wiederholte Drohungen zum Nachteil einer nahe stehenden Person (vgl. dazu bereits BSK-Strafrecht I-Riedo,
Art. 30 N 18a f.).
III. Der Begriff des erstinstanzlichen Urteils im
Sinne von Art. 97 Abs. 3 und Art. 333 Abs. 6
lit. d StGB
1. Nach neuem Recht sollen strafbare Handlungen im
Rechtsmittelverfahren nicht mehr verjähren können (Botschaft BBl 1999 2134 f.). Gemäss Art. 97 Abs. 3 StGB tritt
deshalb die Verjährung nicht mehr ein, sofern vor Ablauf der
Verjährungsfrist ein erstinstanzliches Urteil ergangen ist.
Das Strafgerichtspräsidium Basel-Landschaft hatte dem
Verfahren gegen den Beschwerdeführer wegen Verjährung
keine weitere Folge gegeben und das Kantonsgericht eine
Beschwerde gegen diese Verfügung abgewiesen.
2. Ein Prozessentscheid ist unbestrittenermassen kein «Urteil» im Sinne der genannten Bestimmung: Als Urteile kommen von vorneherein nur Entscheide in Betracht, die eine
materiellrechtliche Beurteilung beinhalten (vgl. dazu Denys,
SJ 2003 II, 60; BSK-Strafrecht I-Müller, Art. 97 N 25).
Im Ergebnis ist also der Entscheid des Bundesgerichts insoweit nicht zu beanstanden.
3. Bedauerlicherweise hat es das Bundesgericht indessen für
nötig befunden, sich beiläufig auch noch zur Frage zu äussern, ob ein Freispruch als Urteil zu gelten habe:
«Der Wortlaut lässt beides zu. Die Verjährung bezweckt
aus verschiedenen prozessualen und materiell-strafrechtlichen Gründen, die Strafverfolgung nach Ablauf einer bestimmten Zeitspanne einzustellen. Mit einem Freispruch
wird festgestellt, dass der Angeklagte wegen der gegen ihn
erhobenen Vorwürfe nicht verurteilt werden kann. Es widerspräche jeder Logik, an diese Feststellung die Rechtsfolge zu knüpfen, dass der Freigesprochene wegen eben
dieser Vorwürfe zeitlich unbegrenzt weiter verfolgt werden
kann, weil die beurteilte Straftat nicht mehr verjährt. Unter
‹erstinstanzlichen Urteilen› im Sinne von Art. 97 Abs. 3 und
Art. 333 Abs. 6 lit. d StGB sind daher ausschliesslich verurteilende Erkenntnisse zu verstehen.»
Diese Auffassung scheint verfehlt:
3.1 Unhaltbar ist zunächst die Bemerkung, der Wortlaut
der Bestimmung sei nicht eindeutig. Ein Freispruch ist –
grammatikalisch ausgelegt – selbstverständlich ein Urteil.
Zu behaupten, der Wortlaut lasse beides zu, ist schlechterdings falsch – auch mit Blick auf die lateinischen Gesetzestexte («un jugement de première instance» bzw. «una sentenza di prima istanza»).
3.2 Wenn aber der Wortlaut klar ist, hätte das Abweichen
von eben diesem Wortlaut im Detail begründet werden müssen (zuletzt BGE 134 V 208, E. 2.2, S. 211). Das Bundesge-
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richt begnügt sich indessen mit dem Hinweis, dass es jeder
Logik widersprechen würde, wenn ein Freigesprochener
zeitlich unbegrenzt weiter verfolgt werden könnte, weil die
beurteilte Straftat nicht mehr verjähre.
Diese «Logik» vermag uns nicht einzuleuchten: Wird
ein Freispruch (von der Staatsanwaltschaft oder der Privatklägerschaft) mit einem ordentlichen Rechtsmittel angefochten, so wäre es stossend, wenn ein erstinstanzliches
Fehlurteil im Rechtsmittelverfahren nicht mehr korrigiert
werden könnte. – Genau das ist der Sinn der neuen Regelung
(vgl. dazu auch BGE 133 IV 112, E. 9.4.3, S. 116: «Art. 70
Abs. 3 StGB will nach seinem Sinn und Zweck verhindern,
dass die Verjährung – je nach der konkreten Ausgestaltung
des anwendbaren Prozessrechts – noch während des Rechtsmittelverfahrens eintreten kann»). Im Übrigen bestehen für
das Einreichen ordentlicher Rechtsmittel (kurze) Fristen,
und erwächst ein Freispruch schliesslich in Rechtskraft, widerspricht eine neuerliche Strafverfolgung regelmässig dem
Grundsatz «ne bis in idem». Ein unbilliges Hinauszögern des
Verjährungseintritts ist also nicht zu befürchten.
Betrachtet man auch einen Freispruch als «erstinstanzliches Urteil», so scheint indessen eine Revision zu Ungunsten eines Freigesprochenen prima vista unbegrenzt zulässig
zu sein. Das mag erklären, weshalb sich das Bundesgericht
veranlasst sah, hier jedwelchen Spekulationen über eine
«kalte» Ausdehnung der strafrechtlichen Unverjährbarkeit
rechtzeitig den Riegel zu schieben.
Allerdings greift die bundesgerichtliche «Lösung» in dieser Hinsicht zu kurz: Wird ein Angeschuldigter beispielsweise wegen fahrlässiger Tötung (Art. 117 StGB) schuldig gesprochen, so ist diese Verurteilung – auch nach Auffassung
des Bundesgerichts – fraglos ein erstinstanzliches Urteil im
Sinne von Art. 97 Abs. 3 StGB. Was ist nun, wenn sich aufgrund neuer Tatsachen herausstellt, dass ein Schuldspruch
wegen Mordes (Art. 112 StGB) hätte ausgesprochen werden
müssen? Offenbar ist das Problem hier kein anderes: Eine
Wiederaufnahme zu Ungunsten des Beschuldigten kann
auch in dieser Konstellation nicht zeitlich unbeschränkt zulässig sein.
Der einzig gangbare Ausweg aus der Misere scheint darin
zu bestehen, bei der Frage nach der zeitlichen Zulässigkeit
der Revision zu Ungunsten eines Beurteilten die Art. 97
Abs. 3 und 333 Abs. 6 lit. d StGB gänzlich aus dem Spiel zu
lassen. Das widerspricht zwar – wie die «Lösung» des Bundesgerichts – dem Wortlaut des Gesetzes, schliesst aber unerwünschte Unverjährbarkeiten wirksam aus.
3.3 Laut Bundesgericht ist ein Freispruch kein erstinstanzliches Urteil. Andererseits hat dasselbe Bundesgericht festgehalten, eine Strafverfügung im Sinne von Art. 70 VStrR
sei sehr wohl als Urteil im Sinne der genannten Bestimmung
zu qualifizieren:
«Gegen einen Strafbescheid der Verwaltung (Art. 64
VStrR) kann sie [die angeschuldigte Person] – wie vorliegend geschehen – Einsprache erheben (Art. 67 VStrR). Die
Verwaltung hat alsdann den angefochtenen Bescheid neu zu
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überprüfen (Art. 69 Abs. 1 VStrR) und eine Strafverfügung
zu treffen (Art. 70 Abs. 1 VStrR), welche zu begründen ist
(Art. 70 Abs. 2 VStrR).
Jeder Strafverfügung (Art. 70 VStrR) hat damit zwingend
ein Strafbescheid (Art. 64 VStrR) voranzugehen, welcher wie
ein Strafmandat (Strafbefehl) auf summarischer Grundlage
getroffen werden kann. Die Strafverfügung dagegen muss –
einem erstinstanzlichen Urteil ähnlich – auf einer umfassenden Grundlage beruhen und wird in einem kontradiktorischen Verfahren erlassen (vgl. hierzu MARKUS PETER, Das
neue Bundesgesetz über das Verwaltungsstrafrecht, ZStrR
90/1974 S. 337 ff., 353; JEAN GAUTHIER, La loi fédérale sur le
droit pénal administratif, in: Quatorzième Journée juridique,
Genf 1975, S. 23 ff., 61).
Während der Erlass eines Strafbescheids (Art. 64 VStrR)
somit Parallelen zu einem Strafmandat (Strafbefehl) aufweist, ist die Strafverfügung (Art. 70 VStrR) nach dem Gesagten im Ergebnis einem gerichtlichen Entscheid gleichzustellen und demnach unter den Begriff des erstinstanzlichen
Urteils im Sinne von Art. 70 Abs. 3 StGB zu subsumieren»
(133 IV 112, E. 9.4.4, S. 116 f.).
Nun kann die beschuldigte Person aber auch gegen eine
Strafverfügung Einsprache erheben; der Fall ist alsdann an
die zuständige richterliche Behörde zu überweisen (Art. 72
und 73 VStrR).
Das bedeutet aber:
• Wird ein Fall nach VStrR direkt (Art. 73 VStrR) oder nach
Erlass eines Strafbescheids, aber ohne Erlass einer Strafverfügung (Art. 71 VStrR) der zuständigen kantonalen
Staatsanwaltschaft zuhanden des Gerichts überwiesen,
läuft die Verjährung weiter, wenn das Gericht den Angeschuldigten freispricht.
• Erlässt die Behörde aber einen Strafbescheid und eine
Strafverfügung und fällt das erstinstanzliche kantonale
Gericht dann aufgrund eines Einspruchs einen Freispruch
(Art. 72 und 73 VStrR), kann die Verjährung nicht mehr
eintreten, weil bereits die Strafverfügung der Verwaltungsbehörde als erstinstanzliches Urteils gelten soll.
Diese Inkonsequenz widerspricht vielleicht nicht jeder, aber
doch unserer bescheidenen Logik: Es kann ja wohl nicht
sein, dass der Lauf der Verjährungsfrist ein anderer ist, je
nachdem, ob ein Fall direkt oder erst über eine Einsprache
gegen eine Strafverfügung zum Gericht gelangt.
Richtig ist deshalb in beiden Fragen der gegenteilige
Standpunkt:
• Strafverfügungen werden nicht von einem Gericht, sondern von einer Verwaltungsbehörde erlassen. Anzufechten sind Strafverfügungen nicht mit einem Rechtsmittel,
sondern mit einer blossen Einsprache. Entscheide der Verwaltungsbehörden (mithin auch Strafverfügungen) sind
deshalb keine Urteile erster Instanz (vgl. Emanuel Jaggi,
Ist der Strafbefehl ein erstinstanzliches Urteil im Sinne
von Art. 70 Abs. 3 StGB?, in: ZStrR 2006, 437–454; ferner Riklin, § 21 N 14; Riedo/Kunz, AJP/PJA 2004, 906;
Denys, SJ 2003 II, 56; Botschaft BBl 1999 2133).
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• Umgekehrt bedeuten aber sämtliche materiellen Beurteilungen durch ein Gericht ein Urteil im Sinne von Art. 97
Abs. 3 StGB. – Das gilt für den Freispruch nicht weniger
als für die Verurteilung (Riklin, § 21 N 14; Riedo/Kunz,
AJP/PJA 2004, 906; Denys, SJ 2003 II, 54).
3.4 Fällt ein erstinstanzliches Gericht einen Freispruch,
soll dieser kein erstinstanzliches Urteil darstellen. Wird der
Freigesprochene in oberer kantonaler Instanz indes schuldig
gesprochen, so müsste dieser Schuldspruch nach Auffassung
des Bundesgerichts als erstinstanzliches Urteil qualifiziert
werden – obwohl es sich offensichtlich um ein Urteil zweiter Instanz handelt. Die Auffassung des Bundesgerichts führt
also auch zu terminologischen Unstimmigkeiten.
3.5 Schliesslich scheint es durchaus möglich, dass die
Praxis aufgrund der neuen Rechtsprechung andere unbillige
«Lösungen» entwickelt. Es besteht von nun an die Gefahr,
dass ein erstinstanzliches Gericht – wenn der Eintritt der
Verjährung vor der Tür steht – präventiv in dubio contra reo
einen Schuldspruch verhängt, um nicht Gefahr zu laufen, einen materiell falschen Freispruch auf ewig in Stein zu meisseln. Die Auswirkungen dieser je nach rechtspolitischem
Standpunkt mehr oder minder begrüssenswerten, juristisch
aber schlicht falschen neuen Rechtsprechung dürften also
andernorts kompensiert werden.
IV. Die Dauer der Verjährungsfrist bei Übertretungen
im Sinne von Art. 11 Abs. 2 VStrR
Zustimmung verdienen demgegenüber die Ausführungen
des Bundesgerichts in E. 2.1 in fine des besprochenen Urteils
mit Bezug auf die Dauer der Verjährungsfrist gemäss Art. 11
Abs. 2 VStrR.
Tatsächlich kann für Übertretungen nicht eine längere
Verjährungsfrist gelten als für nach dem gleichen Gesetz
zu ahndende Vergehen. Die Verjährungsfristen für Übertretungen sind daher auf die für Vergehen geltende Dauer zu
verringern.
Neurechtlich verjähren Übertretungen im Sinne von
Art. 11 Abs. 2 VStrR also nicht erst nach zehn, sondern bereits nach sieben Jahren.
Hieraus indessen ohne weiteres den Schluss zu ziehen,
damit sei in casu das neue Verjährungsrecht das mildere, erweist sich bei näherem Hinsehen als voreilig… (vgl. dazu
gleich nachfolgend).
V.
Die Berücksichtigung eines Ruhens nach
Art. 11 Abs. 3 VStrR
1. Nach Art. 11 Abs. 3 VStrR ruht die Verjährung (nach neuem wie nach altem Recht) «bei Vergehen und Übertretungen
während der Dauer eines Einsprache-, Beschwerde- oder
gerichtlichen Verfahrens über die Leistungs- oder Rückleistungspflicht oder über eine andere nach dem einzelnen Verwaltungsgesetz zu beurteilende Vorfrage».
2. Das Bundesgericht hat in E. 3.2 f. überzeugend dargelegt,
dass die Beschwerde eines Beteiligten die strafrechtliche
Verjährung gegen sämtliche Beschwerdebefugten ruhen
10.3.2009 9:12:35 Uhr
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379
lässt. Das ergibt sich insbesondere aus der Bindung des Strafrichters an den konnexen verwaltungsrechtlichen Entscheid
(Art. 77 Abs. 4 VStrR) und der damit verbundenen Notwendigkeit, mit der Überweisung an das Strafgericht zuzuwarten, solange ein Verfahren über die Leistungspflicht hängig
ist, das sich auf die Strafverfahren gegen alle Mitbeteiligten
auswirken kann.
3. Bei der Anwendung der genannten Grundsätze hat sich das
Bundesgericht indessen einige Ungenauigkeiten geleistet:
3.1 Zunächst sind die Angaben im Entscheid widersprüchlich: Während gemäss Sachverhaltsdarstellung (B.) in
Sachen D. bereits am 29.9.2005 letztinstanzlich entschieden
wurde, wurde das Verfahren laut E. 2.2 erst am 17.11.2005
endgültig erledigt. Es mag im konkreten Fall eine erhebliche
Rolle spielen, ob dieses oder jenes Datum das richtige ist.
3.2 Im Übrigen blieb völlig unbeachtet, dass die Verjährung selbstredend nur dann ruhen kann, wenn sie überhaupt
noch läuft. Nun tritt die altrechtliche relative Verjährung gemäss Art. 11 Abs. 2 VStrR aber bereits nach fünf Jahren ein.
Vorliegend ruhte die Verjährung erst mit der Verfügung
vom 31.1.2002. Die mehr als fünf Jahre vor diesem Datum,
also vor dem 31.1.1997, begangenen Delikte sind altrechtlich mithin bereits verjährt.
Immerhin hat sich dies im konkreten Fall indes nicht ausgewirkt:
Nach neuem Recht verjähren alle Straftaten nach sieben
Jahren seit ihrer Begehung. Während der Dauer des verwaltungsrechtlichen Verfahrens über die Leistungspflicht, also
vom 31.1.2002 bis am 29.9.2005 oder bis am 17.11.2005
(vgl. vorstehend, 3.1), ruhten diese Fristen.
Im Ergebnis sind damit alle Taten verjährt, bei denen zwischen Deliktsbegehung und erstmaliger gerichtlicher Beurteilung mehr als zehneinhalb Jahre vergangen sind (Dauer
der Verjährung: sieben Jahre zuzüglich einer Phase des Ruhens: von mehr als dreieinhalb Jahren – abhängig vom vorliegend unklaren Termin der Erledigung des Verfahrens über
die Leistungspflicht).
Bereits im Zeitpunkt des bundesgerichtlichen Urteils
(16.10.2008) war damit die neurechtliche Verjährungsfrist
sicher für sämtliche Delikte abgelaufen, die vor Mitte April
1998 begangen wurden. Das neue Recht ist demnach im Ergebnis tatsächlich das für den Täter mildere.
Anders wäre es beispielsweise gewesen, wenn die erste
Verfügung im Verfahren über die Leistungspflicht nicht bereits am 31.1.2002, sondern erst zwei Jahre später ergangen
wäre: Dann wären altrechtlich bereits sämtliche Delikte
verjährt, die vor dem 31.1.1999 begangen wurden. Damit
wäre – der längeren absoluten Verjährungsfrist zum Trotz –
das alte Verjährungsrecht das für den Täter mildere (allfällige Unterbrechungshandlungen der Behörden vorbehalten;
vgl. im Übrigen auch die Bemerkungen unter VI., 3).
VI. Rückweisung an das Kantonsgericht
1. Im Ergebnis wurde die Beschwerde der Eidgenössischen
Zollverwaltung gutgeheissen, der angefochtene Entscheid
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aufgehoben und die Sache dem Kantonsgericht Basel-Landschaft zu neuem Entscheid zurückgewiesen. Ergänzend hielt
das Bundesgericht fest: «Angesichts der weiter laufenden
Verjährung wird dieses die Angelegenheit ohne Rückweisung an die erste Instanz beförderlich selber zu entscheiden
haben.»
2. Die Rückweisung an das Kantonsgericht zur beförderlichen Behandlung mag mit Blick auf das Gebot der Verfahrensbeschleunigung nahe liegen, bedeutet aber eine massive
Beschneidung der Verteidigungsrechte: Dem Angeschuldigten geht damit faktisch eine Instanz verloren.
Dem mag man entgegnen, ein Verfahren vor einer einzigen
unabhängigen und unparteiischen Instanz genüge den Anforderungen von Art. 6 Ziff. 1 EMRK und Art. 30 Abs. 1 BV.
Das trifft zwar zu, doch hat der Beschuldigte nach dem
einschlägigen basellandschaftliche Recht eben einen Anspruch auf eine zweite Instanz (§ 177 StPO-BL).
Dem Beschuldigten kann nicht zum Vorwurf gemacht
werden, er habe den «Umweg» über das Bundesgericht
selbst verschuldet: Die beiden kantonalen Gerichte haben ihren jeweiligen Entscheidungen falsche Rechtsauffassungen
zugrunde gelegt. Dies nun den Beschuldigten (im wörtlichen
Sinne) büssen zu lassen, scheint mindestens nicht unproblematisch.
3. Umgekehrt wäre aber eine Rückweisung an die erste Instanz mit Schwierigkeiten anderer Art verbunden gewesen.
Nach neuem Verjährungsrecht kann die Verjährung nicht
mehr eintreten, sobald ein Urteil erster Instanz ergangen ist
(Art. 97 Abs. 3 StGB, vorne, III.). Nach altem Recht hingegen muss vor Ablauf der Verjährungsfrist das letzte Sachurteil ergehen, das mit voller Kognition gefällt wird (Riedo/
Kunz, AJP/PJA 2004, 904).
Bei dieser Ausgangslage ist das Bundesgericht unter Umständen gar nicht in der Lage, darüber zu entscheiden, welche der beiden Ordnungen die für den Täter mildere ist. Das
hängt nämlich entscheidend davon ab, wie lange das Verfahren zwischen dem erst- und dem zweitinstanzlichen Urteil
dauern wird – und das lässt sich kaum zuverlässig prognostizieren. Da verwundert es wenig, dass das Bundesgericht
dazu neigt, aus pragmatischen Gründen Verfahrensrechte zu
schmälern.
VII. Fazit
1. Obwohl das neue Verjährungsrecht nun doch bereits seit
mehr als sechs Jahren in Kraft ist, bestehen nach wie vor
zahlreiche Rechtsunsicherheiten.
2. In zwei wesentlichen Punkten hat das Bundesgericht nun
für die nötige Klarheit gesorgt:
2.1 Die mit zehn Jahren übermässig lange Verfolgungsverjährung für Abgabeübertretungen (Art. 11 Abs. 2 VStrR
i.V.m. Art. 333 Abs. 6 lit. b StGB) wurde auf die für Vergehen geltende Verjährungsfrist von sieben Jahren verkürzt.
2.2 Ruht die Verjährung aufgrund von Art. 11 Abs. 3
VStrR während der Dauer eines Einsprache-, Beschwer-
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Entscheidungen/Jurisprudence
AJP/PJA 3/2009
380
de- oder gerichtlichen Verfahrens über die Leistungs- oder
Rückleistungspflicht oder über eine andere nach dem einzelnen Verwaltungsgesetz zu beurteilende Vorfrage für einen
der Beteiligten, so muss dies für alle Tatbeteiligten gelten.
3. Wenig überzeugend ist der besprochene Entscheid hingegen in anderen Punkten:
3.1 Strafverfügungen im Sinne des VStrR sind (entgegen
einem früheren Bundesgerichtsentscheid) keine Urteile im
Sinne von Art. 97 Abs. 3 StGB. Weshalb indessen ein gerichtlicher Freispruch kein Urteil sein sollte, vermag nicht
einzuleuchten.
3.2 Eine Rückweisung an das Kantonsgericht mit dem
verbindlichen Auftrag, den Fall nun selbst zu entscheiden,
beschneidet die Rechte des Beschuldigten: Er verliert eine
Instanz.
Der mit der Neuordnung des Verjährungsrechts eingetretene jetlag dauert also an …
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GmbH / Société à responsabilité limitée (s.r.l.)
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Kissling Mischa: AG und GmbH: Probleme bei Interessenkonflikten. pläd 6/2008, 27–29.
Steffek Felix: Der subjektive Tatbestand der Gesellschafterhaftung im Recht der GmbH – zugleich ein Beitrag zum
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Studer Peter: Darf «Tages-Anzeiger online» SF-TV-Beiträge «einbinden» und als Bild/Tondokument ausstrahlen? Jusletter, 16. Februar 2009.
Spirig Irène: Grundsätze im Erstreckungsrecht. mp 4/2008,
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Obligationenrecht – Besonderer Teil – allgemein /
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en général
Rüetschi David: Die Sage von der Teufelsbrücke – Eine
vertragsrechtliche Betrachtung. ius.full 6/2008, 200–202.
2.7.2.9. Auftragsrecht / Mandat
Huguenin Claire / Maissen Eva: Ein Hochzeitskleid mit
Hindernissen. ius.full 6/2008, 204–219.
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Hütte Klaus: Genugtuung an sexuell missbrauchte Kinder. Gedanken zu einem Urteil des OGer Zürich vom 9.6.2008.
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Küttel Pamela: Begriff der Teilnahme nach Art. 50 OR.
«Gemeinsame Verschuldung» eines Schadens durch Anstifter,
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Mannsdorfer Thomas M.: Schadenersatzansprüche aus
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Studer Peter: Darf «Tages-Anzeiger online» SF-TV-Beiträge «einbinden» und als Bild/Tondokument ausstrahlen? Jusletter, 16. Februar 2009.
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Flessner Axel: Die internationale Forderungsabtretung
nach der Rom I-Verordnung. IPRax 1/2009, 35–43. (D)
Graziano Kadner Thomas: The Law Applicable to NonContractual Obligations (Rome II Regulation). RabelsZ 2009/1,
1–77. (D)
Kadner Graziano Thomas: Le nouveau droit international privé communautaire en matière de responsabilité extracontractuelle (règlement Rome II). Revue Critique 3/2008,
445–512.
Mankowski Peter: Die Rom I-Verordnung. Das neue europäische IPR für Schuldverträge und seine Bedeutung insbesondere aus Schweizer Sicht. EuZ 1/2009, 2–17.
Mankowski Peter: Ist eine vertragliche Absicherung von Gerichtsstandsvereinbarungen möglich? IPRax 1/2009, 23–34. (D)
Maute Wolfgang / Stolz Tabea: Grenzüberschreitende
Aspekte aus sozialversicherungs- und steuerrechtlicher Sicht.
StR/RF 2/2009, 66–84.
Muir Watt Horatia: Régulation de l’économie globale et
l’émergence de compétences déléguées sur le droit internatio-
AJP 03_2009.indb 384
nal privé des actions des groupe (À propos de l’affaire Vivendi
Universal). Revue Critique 3/2008, 581–590.
Pamboukis Charalambos: La renaissance-métamorphose
de la méthode de reconnaissance. Revue Critique 3/2008, 513–
560.
Wagner Rolf: Konturen eines Gemeinschaftsinstruments
zum internationalen Güterrecht unter besonderer Berücksichtigung des Grünbuchs der Europäischen Kommission. FamRZ
4/2009, 269–281. (D)
Wagner Rolf: The Hague Convention of 30 June 2005 on
Choice of Court Agreements. RabelsZ 2009/1, 100–149. (D)
4.1.2.
Einzelne Gebiete des IPR /
Matières particulières du DIP
Guillaume Florence: Trust, réserves héréditaires et immeubles. AJP/PJA 1/2009, 33–46.
Mankowski Peter / Bock Stefanie: Fremdrechtsanwendung im Strafrecht durch Zivilrechtsakzessorietät bei Sachverhalten mit Auslandbezug für Blanketttatbestände und Tatbestände mit normativem Tatbestandsmerkmal. ZStW 2008/4,
704–758. (D)
Tschäpe Philipp / Kramer Robert / Glück Oliver: Die
Rom II-Verordnung – Endlich ein einheitliches Kollisionsrecht
für die gesetzliche Prospekthaftung? RIW 10/2008, 657–667.
(D)
4.2.
Internationales Verfahrens-, Vollstreckungsund Konkursrecht / Droit international de
procédure civile, exécution forcée internationale et droit international de la faillite
Dietze Jan / Schnichels Dominik: Die aktuelle Rechtsprechung des EuGH zum EuGVÜ und zur EuGVVO – Übersicht
über das Jahr 2007. EuZW 2/2009, 33–37. (D)
Jaques Charles: La reconnaissance en Suisse du concordat
homologué en faveur du groupe Parmalat. Jusletter, 2. Februar
2009.
Schneider Marcel: Funktionen des staatlichen Richters am
Sitz des internationalen Schiedsgerichts gemäss 12. Kapitel des
IPRG. Diss. St. Gallen, 2009, 167 Seiten.
4.3.
Internationale Schiedsgerichtsbarkeit /
Juridiction arbitrale internationale
Zhou Cui: Neue Entwicklungen im Recht der Schiedsgerichtsbarkeit und der Schiedskommission in der VR China.
RIW 10/2008, 686–691.
4.4.
Internationale Rechtshilfe /
Entraide judiciaire internationale
Schweizer Rainer J.: Steuerbehörden benutzen UBS AG
als Untersuchungsgehilfin. Jusletter, 9. Februar 2009.
Weinbörner Udo: Die Neustrukturierung und Aktualisierung des Länderteils der Rechtshilfeordnung für Zivilsachen
(ZRHO). IPRax 6/2008, 486–489. (D)
5.
Rechtsvergleichung / Droit comparé
5.1.
Ausländisches Recht / Droit étranger
Anning Paul / Terlau Matthias: Massnahmen gegen die
Finanzmarktkrise – Grossbritannien. RIW 1-2/2009, 54–56.
(GB)
10.3.2009 9:12:37 Uhr
Literaturübersicht/Bibliographie
AJP/PJA 3/2009
385
Assmann Heinz-Dieter: Unternehmenszusammenschlüsse
und Kapitalmarktrecht. ZHR 5-6/2008, 635–669. (D)
Bachmann Gregor: Kapitalmarktrechtliche Probleme bei
der Zusammenführung von Unternehmen. ZHR 5-6/2008, 597–
634. (D)
Barth Uli / Bongard Christian: Gesamtwirtschaftliche
Analyse: Die grosse Unbekannte der Mehrerlösermittlung.
WuW 1/2009, 30–43. (D)
Battes Robert: Echte Wertsteigerungen im Anfangsvermögen – immer Zugewinn? Ein neuer Vorschlag zur Reform des
gesetzlichen Güterrechts. FamRZ 4/2009, 261–264. (D)
Bederman David J.: Medellín’s new paradigm for treaty interpretation. AJIL 2008/3, 529–572. (USA)
Borth Helmut: Einführung in das Gesetz zur Reform des
Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der
freiwilligen Gerichtsbarkeit v. 17.12.2008 (FGG-ReformG).
FamRZ 3/2009, 157–171. (D)
Brüning Christoph: «Nichts geht mehr?» – Zum grundrechtlichen Schutz der Berufsfreiheit vor staatlicher Wirtschaftstätigkeit. JZ 1/2009, 29–35. (D)
Cannivé Klaus: Die Legal Vendor Due Diligence – Marktstandard oder Modeerscheinung? ZIP 2009/6, 254–260. (D)
Dammann Reinhard / Samol Michael: Massnahmen gegen die Finanzmarktkrise –Frankreich. RIW 1-2/2009, 57–59.
(F)
Flägel Peter / Smith Brian: Massnahmen gegen die Finanzmarktkrise – USA. RIW 1-2/2009, 51–53. (UAS)
Förster Christian: Soziale Verantwortung von Unternehmen rechtlich reguliert. RIW 12/2008, 833–840. (D)
Inwinkl Petra: Massnahmen gegen die Finanzmarktkrise –
Österreich. RIW 1-2/2009, 60–65. (A)
Luttermann Claus: Kreditversicherung (Credit Default
Swaps): Vertrag, Restrukturierung und Regulierung (HedgeFonds, Rating, Schattenbanken). RIW 11/2008, 737–742. (D)
Vorpeil Klaus: Neuere Entwicklungen im englischen Handels- und Wirtschaftsrecht. RIW 11/2008, 752–769. (GB)
6.
Gerichtsorganisation und Verfahrensrecht /
Organisation judiciaire et procédure
6.1.
Gerichtsorganisation /
Organisation judiciaire
Rüetschi David: Aufforderung zur extensiven Auslegung
von Art. 100 Abs. 6 BGG. Anwaltsrevue/Revue de l’avocat
1/2009, 27–29.
von Weissenfluh Marc: Finden der einschlägigen BGEEntscheide auf Internet – Suchstrategien. Anwaltsrevue/Revue
de l’avocat 1/2009, 23–27.
6.2.
Anwaltsrecht /
Droit sur la profession d’avocat
Behrens Alexander: Internal Investigations: Hintergründe und Perspektiven anwaltlicher «Ermittlungen» in deutschen
Unternehmen. RIW 1-2/2009, 22–32. (D)
Bohnet François: Kenntnisse des Anwalts bezüglich
Rechtsprechung – es zählt einzig die Veröffentlichung in der
Amtlichen Sammlung. SJZ/RSJ 2009/1, 12–14.
Kägi-Diener Regula: Die Beziehung zur Klientschaft:
Sind Anwältinnen anders als Anwälte? Anwaltsrevue/Revue de
l’avocat 1/2009, 17–23.
AJP 03_2009.indb 385
6.4.
Zivilprozessrecht / Procédure civile
Fischer Daniel: Sammelklagen: Auch in der Schweiz sinnvoll? pläd 6/2008, 48–55.
Guy-Ecabert Christine: La médiation dans les lois fédérales de procédure civile, pénale et administrative: petite
histoire d’un pari sur l’indépendance. AJP/PJA 1/2009, 47–56.
Merz Barbara: Entwicklungen in Zivilprozessrecht und
Schiedsgerichtsbarkeit. SJZ/RSJ 2009/2, 33–38.
Rüedi Yves: Materiell rechtswidrig beschaffte Beweismittel
im Zivilprozess. Diss. St. Gallen, 2009, 173 Seiten.
Scyboz Pierre: Les parties et leurs représentants dans le
Code de procédure civile suisse du 19 décembre 2008 – Bref
aperçu. Anwaltsrevue/Revue de l’avocat 1/2009, 12–17.
6.5.
Strafprozessrecht / Procédure pénale
S. 7.6.1. / V. 7.6.1.
6.6.
Zwangsvollstreckungs- und Konkursrecht /
Exécution forcée et faillite
de Coulon Yves: La préservation de l’entreprise du failli et
sa vente d’urgence. BlSchK/BPPF 2008/6, 205–217.
Emmel Simone / Stauffer Hans-Ulrich: Alle Forderungen
im Konkurs des Arbeitgebers privilegiert. SPV/PPS 11/2008,
94–95.
6.7.
Verwaltungsverfahrensrecht, Staats- und
Verwaltungsrechtspflege / Procédure
administrative, juridiction constitutionnelle
et administrative
Guy-Ecabert Christine: La médiation dans les lois fédérales de procédure civile, pénale et administrative: petite
histoire d’un pari sur l’indépendance. AJP/PJA 1/2009, 47–56.
7.
Strafrecht / Droit pénal
7.1.
Strafrecht – Allgemein – Theoretische
Grundlagen / Droit pénal – en général –
éléments nécessaires théoretiques
7.1.1.
Strafrechtstheorie / Théorie du droit pénal
Aebersold Peter: Straftäter-Studie: Naiv und wissenschaftlich ungenügend. pläd 5/2008, 30–31.
Hilgendorf Eric: Strafrecht und Interkulturalität: Plädoyer
für eine kulturelle Sensibilisierung der deutschen Strafrechtsdogmatik. JZ 3/2009, 139–144. (D)
7.2.
Strafrecht – Allgemeiner Teil – allgemein /
Droit pénal – Partie générale – en général
Ehrenzeller Bernhard / Guy-Ecabert Christine /
Kuhn André (Hrsg.): Das revidierte Opferhilfegesetz. Dike
Verlag, Zürich 2009, 242 Seiten, CHF 58.–.
Mankowski Peter / Bock Stefanie: Fremdrechtsanwendung im Strafrecht durch Zivilrechtsakzessorietät bei Sachverhalten mit Auslandbezug für Blanketttatbestände und Tatbestände mit normativem Tatbestandsmerkmal. ZStW 2008/4,
704–758. (D)
Sancinetti Marcelo A.: Hypothetische Kausalverläufe
und die Differenztheorie. ZStW 2008/4, 661–703. (D)
10.3.2009 9:12:37 Uhr
Literaturübersicht/Bibliographie
AJP/PJA 3/2009
386
7.2.6.
Strafen / Peines
Heine Günter: Das neue Strafensystem im Spiegel der
Rechtsprechung: blechen oder schwitzen statt sitzen – gegebenenfalls gemischt! recht 1/2009, 12–26.
Zünd Andreas: Ein Wegweiser zu den neuen Sanktionen.
pläd 6/2008, 36–47.
7.3.
Strafrecht – Besonderer Teil – allgemein /
Droit pénal – Partie spéciale – en général
7.3.3.
Straftaten gegen Ehre, Geheim- und Privatbereich / Infractions contre l’honneur et contre le
domain secret ou le domaine privé
Kett-Straub Gabriele: Hat Porsche eine Ehre? – Die
passive Beleidigungsfähigkeit von Personengemeinschaften.
ZStW 2008/4, 759–784. (D)
7.3.18. Korruptionsstrafrecht /
Droit pénal de corruption
Peek Markus: Strafrecht als Mittel der Bekämpfung politischer Korruption: Zur Reform des Tatbestandes der Abgeordnetenbestechung (§180e StGB). ZStW 2008/4, 785–825. (D)
7.4.
Nebenstrafrecht des Bundes – allgemein /
Peines accessoires de la confédération
7.4.4.
Steuerstrafrecht / Droit pénal fiscal
Dubs Jürg: Verdeckte Gewinnausschüttungen, solidarische
Mithaftung – Zündstoff im Steuerstrafrecht. AJP/PJA 1/2009,
70–82.
7.6.
7.6.1.
Strafprozessrecht und Gerichtsorganisation /
Procédure pénale et organisation judiciaire
Allgemeines Strafprozessrecht /
Procédure pénale générale
Guy-Ecabert Christine: La médiation dans les lois fédérales de procédure civile, pénale et administrative: petite
histoire d’un pari sur l’indépendance. AJP/PJA 1/2009, 47–56.
Knauer Florian: Pilotverfahren im Strafprozess. ZStW
2008/4, 826–854. (D)
Singelnstein Tobias: Strafprozessuale Verwendungsregelungen zwischen Zweckbindungsgrundsatz und Verwertungsverboten. ZStW 2008/4, 855–893. (D)
7.8.
Strafrecht international /
Droit pénal international
7.8.3.
Völkerstrafrecht, internationaler Gerichtshof /
Droit pénal international public, cour international de justice
S. 8.13. / V. 8.13.
Gänswein Olivier: Der Einsatz privater Militär- und Sicherheitsunternehmen in Krisengebieten aus völkerrechtlicher
Sicht. Jusletter, 2. Februar 2009.
Hilpold Peter: WTO-Recht und EU-Recht – neuste Entwicklungen in einem komplexen Rechtsverhältnis. RIW
12/2008, 817–823. (D)
Kotzur Markus: Kooperativer Grundrechtsschutz in
der Völkergemeinschaft / Zur Rechtsmittelentscheidung des
EuGH (Grosse Kammer) in den verb. Rsn. Kadi u.a., EuGRZ
2008/22-23, 673–679. (D)
Niestedt Marian / Boeckmann Hanna: Verteidigungsrechte bei internen Untersuchungen des OLAF – das Urteil
Franchet und Byk des Gerichts erster Instanz und die Reform
der Verordnung (EG) Nr. 1073/1999. EuZW 3/2009, 70–74.
(D)
Stadler Astrid: Grenzüberschreitender kollektiver Rechtsschutz in Europa. JZ 3/2009, 121–133. (D)
Urlesberger Franz W.: Europarecht: Das Neueste auf einen Blick. wbl 11/2008, 527–531. (A)
8.3.
Völkerrechtsgeschichte /
Histoire du droit international public
Fletcher Laurel E. / Weinstein Harvey M. / Jamie
Rowen: Context, Timing and the Dynamics of Transitional Justice: A Historical Perspective. HRQ 1/2009, 163–220. (USA)
8.4.
Verhältnis von Völkerrecht, Europarecht
und Landesrecht / Rapports entre le droit
international, le droit européen et le droit
interne
Calliess Christian: Europäische Gesetzgebung und nationale Grundrechte – Divergenzen in der aktuellen Rechtsprechung von EuGH und BVerfG? JZ 3/2009, 113–121. (D)
8.11.
Europäisches Wirtschaftsrecht /
Droit économique européen
8.11.1. Wirtschaftsrecht allgemein /
Droit économique en général
Cottier Thomas / Diebold Nicolas: Warenverkehr und
Freizügigkeit in der Rechtsprechung des Bundesgerichts zu den
Bilateralen Abkommen. Jusletter, 2. Februar 2009.
Epiney Astrid: Ausländerklauseln im Amateursport. Jusletter, 9. Februar 2009.
Hilpold Peter: Unterhaltsstipendien für Unionsbürger –
Die Rechtssache «Förster» und die Grenzen mitgliedstaatlicher
Solidarität. EuZW 2/2009, 40–43. (D)
Lemor Florian / Haake Kai: Ausgesuchte Rechtsfragen
der Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie. EuZW 3/2009,
65–70. (D)
8.11.2. Gesellschaftsrecht / Droit des sociétés
8.
Völkerrecht und Europarecht / Droit international public et droit européen
8.1.
Völkerrecht und Europarecht – allgemein /
Droit international public et de droit
européen – en général
Addis Adeno: Imagining the International Community: The
Constitutive Dimension of Universal Jurisdiction. HRQ 1/2009,
129–162. (USA)
AJP 03_2009.indb 386
Hadding Walther / Kiessling Erik: Die Europäische Privatgesellschaft (Societas Privata Europaea – SPE). WM 4/2009,
145–157. (D)
Mörsdorf Oliver: Beschränkung der Mobilität von EUGesellschaften im Binnenmarkt – eine Zwischenbilanz. EuZW
4/2009, 97–102. (D)
Nettesheim Martin: Unternehmensübernahmen durch
Staatsfonds: Europarechtliche Vorgaben und Schranken. ZHR
5-6/2008, 729–767.
10.3.2009 9:12:38 Uhr
Literaturübersicht/Bibliographie
AJP/PJA 3/2009
387
Zimmer Heiko: Einmal SE, immer SE? Zum Bestandsschutz einer Societas Europaea bei fehlerhafter Gründung. wbl
11/2008, 518–524. (A)
8.11.5. Wettbewerbsrecht / Droit de la concurrence
Roth Wulf-Henning: Aktuelle Probleme der europäischen
Fusionskontrolle. ZHR 5-6/2008, 670–715. (D)
Schwarze Jürgen: Rechtsstaatliche Defizite des europäischen Kartellbussgeldverfahrens. WuW 1/2009, 6–11. (D)
Stauber Peter: Neues zur Kontrolle von Zusammenschlüssen nach ihrem Vollzug. WuW 1/2009, 20–29. (D)
8.11.6. Konsumentenrecht / Droit des consommateurs
Gsell Beate / Schellhase Hans Martin: Vollharmonisiertes Verbraucherkreditrecht – Ein Vorbild für die weitere
europäische Angleichung des Verbrauchervertragsrechts? JZ
1/2009, 20–29. (D)
Wittinger Michaela: «Europäisches Familienrecht»: Die
familienrechtliche Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in jüngerer Zeit – Altbekanntes und
Neues. FamPra.ch 1/2009, 84–111.
8.12.3. UN-Menschenrechtspakte / Pactes ONU
Zehnder Regula: Verstösse gegen das Uno-Recht sind
klagbar. pläd 6/2008, 30–32.
8.13.
Internationales Strafrecht /
Droit pénal international
Fiss Owen: Within Reach of the State: Prosecuting Atrocities in Africa. HRQ 1/2009, 59–69. (USA)
8.13.3. Internationale Aspekte des Terrorismus. Piraterie. Luftpiraterie / Aspects internationales du
terrorisme
8.11.7. Banken- und Börsenrecht /
Droit bancaire et droit boursier
Vagts Detlev F.: Military Commissions: Constitutional limits on their role in the war on terror. AJIL 2008/3, 573–586.
Ackmann Bernd / Reder Lars: Geldwäscheprävention in
Kreditinstituten nach Umsetzung der Dritten EG-Geldwäscherichtlinie – Teil I. WM 4/2009, 158–170. (D)
Ackmann Bernd / Reder Lars: Geldwäscheprävention in
Kreditinstituten nach Umsetzung der Dritten EG-Geldwäscherichtlinie – Teil II. WM 5/2009, 200–210. (D)
8.15.
8.11.8. Immaterialgüterrecht /
Droit de la propriété immatérielle
Mitterer Patrick: Strawberry Fields Forever? Zur geplanten Verlängerung der Schutzdauer für Tonträger auf 95 Jahre. wbl 11/2008, 509–517. (A)
8.11.9. Arbeitsrecht / Droit du travail
Junker Abbo: Europäisches Arbeitsrecht 2007/2008. RIW
12/2008, 824–832. (D)
8.12.
Menschenrechte im Völkerrecht / Droits de
l’Homme en droit international public
Anaya Muñoz Alejandro: Transnational and Domestic
Processes in the Definition of Human Rights Policies in Mexico. HRQ 1/2009, 35–58. (USA)
Claude E. / Welch Jr.: Defining Contemporary Forms of Slavery: Updating a Venerable NGO. HRQ 1/2009, 70–128. (USA)
Hummer Waldemar / Karl Wolfram: Regionaler Menschenrechtsschutz – Dokumente samt Einführungen. Dike Verlag, Zürich 2009, 1223 Seiten, CHF 284.–.
Kirkup Alex / Evans Tony: The Myth of Western Opposition to Economic, Social, and Cultural Rights?: A Reply to
Whelan and Donnelly. HRQ 1/2009, 221–237. (USA)
L’Eplattenier-Burri Sabine: «Der Klimawandel wird die
Menschenrechte verändern». pläd 5/2008, 14–15.
Theidon Kimberly: Reconstructing Masculinities: The Disarmament, Demobilization, and Reintegration of Former Combatants in Colombia. HRQ 1/2009, 1–34. (USA)
8.12.2. EMRK / CEDH
Cremer Hans-Joachim: Freiheitsentzug und Zwangsbehandlung in einer Privatklinik, Rechtskraftdurchbrechung und
(mittelbare) Drittwirkung der EMRK / Der Fall Waldtraud
Storck vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.
EuGRZ 2008/19-21, 562–581. (D)
AJP 03_2009.indb 387
Handel und Entwicklung. Finanzbeziehungen / Commerce et développement.
Relations financières
Luttermann Claus: «Fair Value»: Mythos, Methoden und
Mass international. RIW 1-2/2009, 1–10. (D)
Mavroidis Petros C.: No outsourcing of law? WTO law as
practiced by WTO courts. AJIL 2008/3, 421–471.
Ratner Steven R.: Regulatory takings in institutional context: Beyond the fear of fragmented international law. AJIL
2008/3, 475–528.
8.18.
Internat. Arbeitsrecht /
Droit du travail international
Chichilnisky Graciela / Hermann Frederiksen Elisabeth: An equilibrium analysis of the gender wage gap. ILR
4/2008, 297–320.
Kucera David / Roncolato Leanne: Informal employment: Two contested policy issues. ILR 4/2008, 321–348.
Mesa-Lago Carmelo: Social protection in Chile: Reforms
to improve equity. ILR 4/2008, 377–402.
Weil David: A strategic approach to labour inspection. ILR
4/2008, 349–375.
11.
Rechtsphilosophie. Rechtstheorie. Rechtssoziologie / Philosophie du droit. Théorie
générale du droit. Sociologie du droit
Büchler Andrea (Hrsg.): Marie Theres Fögen – Opuscula.
Dike Verlag, Zürich 2009, 131 Seiten, CHF 35.–.
Hofmann Hasso: «In Europa kann’s keine Salomos geben.» – Zur Geschichte des Begriffspaars Recht und Kultur. JZ
1/2009, 1–10. (D)
Moor Pierre: Einige Gedanken über Recht und Gerechtigkeit. BJM 2008/6, 306–312.
Wielsch Dan: Die epistemische Analyse des Rechts: Von
der ökonomischen zur ökologischen Rationalität in der Rechtswissenschaft. JZ 2/2009, 67–77. (D)
10.3.2009 9:12:38 Uhr
Mitteilungen/Communications
AJP/PJA 3/2009
Mitteilungen
Communications
388
Veranstaltungskalender / Calendrier des manifestations
(ohne Gewähr)
Sommerkurs Mediation in Konstanz am Bodensee
Grundausbildung kompakt in 2 Kurswochen
Datum: 17. – 23. August und 21. – 27. September 2009
Aufbaukurse Familien- und Wirtschaftsmediation
ab Oktober 2009
Leitung: Dr. ELKE MÜLLER, Dr. HANSJÖRG SCHWARTZ,
TILMAN METZGER u.a.
CAS Finanz- und Rechnungswesen für Juristen
Certificate of Advanced Studies (Nachdiplomkurs)
Nächster Studienstart: 4. Mai 2009
Leitung: Prof. Dr. LINARD NADIG / Prof. Dr. DOMINIK C. ERNY
Weitere Informationen unter www.hslu.ch/ifz-weiterbildung
Infos zu diesen Kursen:
KONSTANZER SCHULE FÜR MEDIATION
Anerkanntes Ausbildungsinstitut durch BAFM,
BM, (D), SDM-FSM, SAV (CH)
Marktstätte 15, D-78462 Konstanz
Tel: +49(0)7531/819430
[email protected], www.ksfm.de
Iris Wigger,
Dr. iur., LL.M. (Maritime Law)
Global Ocean Management
in Partnership
2009. 238 Seiten, broschiert, CHF 58.– (ISBN 978-3-03751-111-4)
The oceans play a central role in regulating climate, being part of the food supply
chain, and providing routes for navigation and transport of cargo and passengers.
Shipping is the basic method for transporting goods and cargo. Virtually every
product ever made, bought, or sold has been affected by shipping.
The International Maritime Organization (IMO) is the UN system’s regulatory
agency for the maritime sector and its global mandate is safer shipping and
cleaner oceans. The common goal is to eradicate substandard shipping. The IMO
initiated and developed the Voluntary IMO Member State Audit Scheme. For the
first time ever, maritime administrations will be (voluntarily) subject to external
audit of how effectively they implement and enforce IMO safety and pollution prevention regulations. The results of the audits should allow resources from IMO’s Technical Cooperation Programme to be better targeted
at maritime administrations. States, acting in their functions as flag, port or coastal states, are given the guidelines to better fulfil their duties and responsibilities under international maritime law in general.
Capacity-building and education are needed to enable states and other various stakeholders to tackle the
problems threatening the oceans. Based on these facts and to provide assistance to states in order to fulfil the
corrective actions required after the carrying out of the IMO Audit, the Global Ocean Management in Partnership was developed. Innovative technologies and an exchange of knowledge can provide a basis for sound
policymaking towards a global ocean management.
The problems of ocean spaces are closely interrelated and must be considered as a whole. Understanding
the oceanic processes, the legal framework as well as the vulnerability of the marine environment is critical to
our survival.
Dike Verlag AG
Weinbergstrasse 41, 8006 Zürich, Tel. 044 251 58 30, Fax 044 251 58 29, www.dike.ch
AJP 03_2009.indb 388
10.3.2009 9:12:38 Uhr
Dr. iur. Miguel Enriquez,
LL. M. (Harvard), Rechtsanwalt
Die gewillkürte Freistellung des
Arbeitnehmers von seiner Arbeitspflicht
bis zum Ablauf der Kündigungsfrist –
Rechtsdogmatische Grundlagen
Zugleich ein Beitrag zur Lehre vom Gestaltungsrecht
2008. XL, 270 Seiten, gebunden, CHF 89.–
(ISBN 978-3-03751-131-2)
In der betrieblichen Praxis kommt es immer wieder zu Freistellungen von Arbeitnehmern von ihrer Arbeitspflicht bis zum Ablauf der
Kündigungsfrist. Trotz der Häufigkeit solcher Freistellungen werfen
diese oft Fragen auf, die noch nicht oder kaum geklärt sind.
Die vorliegende Zürcher Dissertation beantwortet viele dieser
Fragen umfassend, insbesondere unter Berücksichtigung sämtlicher dazu bestehender Rechtsprechung und Literatur. Da unklare
Rechtslagen gerade im gekündigten Arbeitsverhältnis nicht selten
zu Prozessen führen, leistet diese Arbeit mit ihren klaren und fundierten Antworten einen Beitrag zur Verminderung von Prozessen.
Zu den behandelten Fragen gehören u. a.:
– Wann ist von einer Freistellung, wann von einer Beurlaubung
und wann von einer Suspendierung zu reden?
– Unter welchen Voraussetzungen ist eine Freistellung überhaupt
gültig?
– Wie kann ein Arbeitnehmer auf eine unzulässige Freistellung reagieren?
– Muss ein Freigestellter die Arbeitsleistung von sich aus wieder anbieten?
– Kann der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auch nach einer Freistellung gegen dessen Willen zur Arbeit aufbieten?
– Lässt sich aus einer direkten Anwendung der arbeitsrechtlichen Annahmeverzugsbestimmung ableiten, dass sich ein Freigestellter den während der Freistellung anderweitig verdienten Lohn anrechnen lassen muss?
– Besteht das Konkurrenzverbot des Arbeitnehmers auch nach einer Freistellung?
– Inwieweit kann ein Arbeitgeber eine Freistellung mit einer Lohnkürzung verbinden?
Im Rahmen von Exkursen klärt diese Arbeit darüber hinaus folgende kündigungsrechtliche Streitfragen, die an die Problematik der Freistellung bloss angrenzen, aber ebenfalls von grosser praktischer
Bedeutung sind:
– Kann ein Arbeitgeber eine Kündigung aussprechen, aber deren Wirkung an die Bedingung knüpfen,
dass sich der Arbeitnehmer nicht vor Ablauf der Kündigungsfrist mit einer Lohnkürzung für die Zeit
nach Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist einverstanden erklärt?
– Berechtigt der blosse Verdacht einer strafbaren Handlung oder sonstigen Verfehlung des Arbeitnehmers unter gewissen Umständen zu einer fristlosen Entlassung?
– Kann sich der Kündigende im Prozess, in dem die Rechtsfolgen der Kündigung beurteilt werden,
auf Tatsachen berufen, die er vorher noch nicht geltend gemacht hat (z. B. weil er diese erst nach
der Kündigungserklärung entdeckt hat)?
– Inwiefern kann im Falle einer missbräuchlichen Kündigung neben einem Entschädigungsanspruch
auch noch ein Schadenersatz- und/oder Genugtuungsanspruch bestehen?
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Dr. iur. Marco Spadin
Nahestehende Personen nach den Internationalen
Rechnungslegungsstandards IFRS (IAS 24)
2008. LVI, 256 Seiten, broschiert, CHF 76.– (ISBN 978-3-03751-133-6)
(Schweizer Schriften zum Handels- und Wirtschaftsrecht Band 276)
Die Bedeutung der Internationalen Rechnungslegungsstandards IFRS steigt weltweit und
besonders auch in der Schweiz stetig. Der angelsächsischen Konzeption der Rechnungslegung entsprechend, verlangen die IFRS eine fair presentation und damit die Offenlegung
aller für die Investoren relevanten Informationen. Dazu gehört zentral die vom International
Accounting Standard (IAS) 24 gebotene Offenlegung der nahestehenden Personen (related
parties).
Im Mittelpunkt der vorliegenden Arbeit steht die Untersuchung darüber, welche – natürlichen oder juristischen – Personen im Sinne von IAS 24 auf die rechnungslegende Gesellschaft Einfluss nehmen können oder aber
dem Einfluss dieser Gesellschaft unterliegen und deshalb als ihr nahestehend zu qualifizieren sind. Besondere
Beachtung wird dabei der Anwendung von IAS 24 im Rahmen der schweizerischen Rechtsordnung geschenkt.
Dr. iur. Thomas S. Müller
Die Passing-on Defense im schweizerischen
Kartellzivilrecht
Unter besonderer Berücksichtigung des amerikanischen, europäischen
und deutschen Rechts
2008. XLII, 337 Seiten, broschiert, CHF 82.– (ISBN 978-3-03751-135-0)
(Schweizer Schriften zum Handels- und Wirtschaftsrecht Band 277)
Zivilrechtliche Schadenersatzklagen gegen Kartellrechtsverletzer haben insbesondere in der
europäischen Gemeinschaft in jüngster Zeit vermehrt Beachtung gefunden. Eines der Grundprobleme solcher Schadenersatzansprüche ist die Behandlung der Passing-on Defense. Die
Passing-on Defense behandelt die Frage, ob der Kartellrechtsverletzer im Zivilprozess gegen eine kartellrechtliche
Schadenersatzklage eines Teilnehmers der Marktgegenseite vorbringen kann, dieser habe den geltend gemachten
Schaden mittels eigener Preiserhöhung auf die untere Marktstufe abgewälzt. Infolge dieser Schadensabwälzung
stehe dem klagenden Teilnehmer der Marktgegenseite kein Schadenersatzanspruch zu. Umgekehrt kann das
Argument der Schadensabwälzung einem Teilnehmer einer tieferen Marktstufe als Grundlage einer Klage gegen
den Kartellrechtsverletzer dienen.
Die vorliegende Berner Dissertation nimmt sich der Frage der Passing-on Defense an, untersucht vor dem
Zweck kartellrechtlicher Schadenersatzklagen, ob die Passing-on Defense im schweizerischen Kartellzivilrecht zugelassen werden soll und wie sie auszugestalten ist. Besondere Berücksichtigung wird dabei den entsprechenden
Regelungen des amerikanischen, europäischen und deutschen Kartellrechts geschenkt.
Dr. iur. Oliver Hablützel
Solidarität in der aktienrechtlichen Verantwortlichkeit
2009. XLI, 301 Seiten, broschiert, CHF 73.– (ISBN 978-3-03751-148-0)
(Schweizer Schriften zum Handels- und Wirtschaftsrecht Band 278)
Die grundsätzlich unbeschränkte solidarische Haftung von Leitungsorganen und Revisionsstellen in der aktienrechtlichen Verantwortlichkeit wird seit Jahrzehnten in der schweizerischen Lehre und Praxis heftig und kontrovers diskutiert. Dies gilt insbesondere für die
Einbindung der Wirtschaftsprüfungsgesellschaften als aktienrechtliche Revisionsstellen in
die Solidaritätsordnung. Entsprechend war und ist die Revision der verantwortlichkeitsrechtlichen Solidaritätsbestimmungen immer wieder Gegenstand gesetzgeberischer Bemühungen.
Um das erhebliche Haftungsrisiko, welches sich bei einer Mehrzahl von verantwortlichen Personen für jeden einzelnen aus der Solidarhaftung ergeben kann, zu reduzieren, wurde mit der letzten grossen
Aktienrechtsrevision die so genannte differenzierte Solidarität eingeführt: Diese erlaubt es den verantwortlichen
Organen, sich bereits im Aussenverhältnis auf persönliche Schadenersatzreduktionsfaktoren zu berufen, insbesondere das eigene (geringe) Verschulden.
Im Mittelpunkt der vorliegenden St. Galler Dissertation steht die umfassende Untersuchung der geltenden
differenzierten Solidarität und ihrer Bedeutung bzw. ihrer Bedeutungslosigkeit für die verantwortlichkeitsrechtliche Praxis. Aufbauend auf den Ergebnissen dieser Untersuchung werden, als Diskussionsbeitrag zur momentan
laufenden grossen Aktienrechtsrevision und unter Berücksichtigung von internationalen Entwicklungen, Lösungsvorschläge für eine sachgerechte alternative Ausgestaltung der Solidaritätsordnung in der aktienrechtlichen Verantwortlichkeit präsentiert und kritisch gewürdigt. Besondere Berücksichtigung wird auch den für den Praktiker
relevanten Fragen der prozessualen Durchsetzung von Verantwortlichkeitsansprüchen gegen eine Mehrzahl von
Verantwortlichen und der Regelung des Rückgriffs zwischen den Verantwortlichen im Innenverhältnis geschenkt.
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Impressum
AJP/PJA 3/2009
AJP Aktuelle Juristische Praxis
PJA Pratique Juridique Actuelle
Publikationsorgan der Schweizerischen Richtervereinigung
Organe officiel pour les publications de
l'Association suisse des Magistrats de l'Ordre judiciaire
391
Wirtschaftsrecht / Droit économique
RA Dr. iur. MARTINA ALTENPOHL (Zürich) • RA Dr. iur. ROLAND
BÜHLER (Zürich) • Prof. JEAN-MARC RAPP, docteur en droit (Université
de Lausanne) • Prof. Dr. iur. BERND STAUDER (Université de Genève)
• RA lic. iur. HSG ERIC STUPP (Zürich) • Prof. Dr. iur. ROLF WATTER,
LL.M., Rechtsanwalt (Zürich)
Achtzehnter Jahrgang / Dix-huitième année
Schriftleitung / Direction
Prof. Dr. iur. IVO SCHWANDER
Bodanstrasse 4, 9000 St. Gallen, Tel. 071 224 22 42,
Fax 071 224 28 70, E-Mail: [email protected]
Verfassungs- und Verwaltungsrecht / Droit constitutionnel et
administratif
Prof. ANDREAS AUER, docteur en droit, LL.M. (Université de Genève)
• RA Prof. Dr. iur. REGULA KÄGI-DIENER (St. Gallen) • Prof. Dr. rer. publ.
ANDREAS KLEY (Universität Bern) • Prof. Dr. iur. PAUL RICHLI (Universität Luzern) • Prof. Dr. iur. PIERRE TSCHANNEN (Universität Bern) • Prof.
Dr. iur. ROBERT WALDBURGER (Universität St. Gallen)
lic. iur. RAINER BENZ (St. Gallen) • Dr. iur. DENISE BUSER (Basel)
• RA Dr. iur. JÜRG DUBS (Zürich/Winterthur) • Prof. Dr. iur. JEAN-LOUIS
DUC (Université de Lausanne) • Prof. Dr. rer. publ. YVO HANGARTNER
(Universität St. Gallen) • Prof. MICHEL HOTTELIER, docteur en droit
(Université de Genève) • RA PD Dr. iur. UELI KIESER (Zürich) • Fürsprecher lic. iur. BRUNO KNÜSEL (Steuerverwaltung des Kantons Bern)
• Fürsprecher Dr. iur. CHRISTOPH LANZ, LL.M. (Parlamentsdienste
Bern) • XAVIER OBERSON, docteur en droit, avocat (Genève) • Prof.
Dr. iur. RAINER J. SCHWEIZER (Universität St. Gallen) • Prof. Dr. oec. et
lic. iur. KLAUS VALLENDER (Universität St. Gallen)
Privatrecht / Droit privé
Prof. Dr. iur. THOMAS GEISER (Universität St. Gallen) • Prof. OLIGUILLOT, docteur en droit (Neuchâtel) • Prof. Dr. iur. HEINRICH
HONSELL (Zürich) • Prof. Dr. iur. THOMAS KOLLER (Universität Bern)
• Prof. Dr. iur. INGEBORG SCHWENZER, LL.M. (Universität Basel) • Prof.
URSULA NORDMANN-ZIMMERMANN, docteur en droit, lic. oec. HSG,
juge fédéral (Lausanne) • Prof. FRANZ WERRO, docteur en droit, LL.M.
(Université de Fribourg)
VIER
RA Dr. iur. Dr. rer. soc. oec. PETER BORER (Zürich) • Prof. Dr. PETER
BREITSCHMID (Universität Zürich) • Dr. iur. CHRISTIAN CALAMO
(St. Gallen) • Prof. Dr. iur. JEAN NICOLAS DRUEY, LL.M. (Universität
St. Gallen) • Prof. Dr. iur. WALTER FELLMANN, Rechtsanwalt und Notar
(Luzern) • Dr. iur. WILLI FISCHER (Schleitheim) • PD Dr. iur. PETER HIGI
(Zürich) • FABIENNE HOHL, juge fédérale (Lausanne) • Prof. Dr. iur.
ALFRED KOLLER (Universität St. Gallen) • Prof. Dr. iur. ERNST A. KRAMER
(Universität Basel) • RA Prof. Dr. oec. HANS RAINER KÜNZLE (Zürich)
• GÉRALD MOUQUIN, docteur en droit, avocat (Lausanne) • Dr. iur.
EVA PETRIG SCHULER (Einsiedeln) • Prof. PAUL-HENRI STEINAUER, docteur
en droit (Université de Fribourg) • Dr. iur. RUTH REUSSER (EJPD Bern)
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(EJPD Bern) • Prof. Dr. iur. THOMAS SUTTER-SOMM (Universitäten
Basel/Luzern) • Prof. Dr. iur. PIERRE WIDMER (Institut suisse de droit
comparé Lausanne/Universität St. Gallen) • Prof. Dr. iur. RAINER
WÖRLEN (Fachhochschule Schmalkalden)
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RA Prof. Dr. iur. MARC AMSTUTZ (Universität Fribourg) • Prof. GABRIEL
AUBERT, docteur en droit, LL.M. (Université de Genève) • Fürsprecher PHILIPPE BAECHTOLD (WIPO Genf) • Dr. iur. ALEXANDER BRUNNER
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WILFRIED HEINZELMANN (Zürich) • PD Dr. oec. publ. Dr. iur. MARKUS
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Internationales Privat- und Verfahrensrecht, Rechtsvergleichung,
Gerichtsorganisation und Verfahrensrecht / Droit international
privé et droit international de procédure civile, Droit comparé,
Organisation judiciaire et procédure
Prof. Dr. iur. ANDREAS FURRER (Rechtsanwalt in Zürich, Professor in
Luzern) • Prof. Dr. iur. JOLANTA KREN KOSTKIEWICZ (Universität Bern)
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Dr. iur. CHRISTOPH LEUENBERGER, Fürsprecher, LL.M. (Kantonsgericht St. Gallen) • RA PD Dr. iur. FRANCO LORANDI (Zürich) • RA lic.
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DOMINIQUE VON PLANTA (Lausanne/Zürich) • Prof. Dr. iur. KARL SPÜHLER
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NIGGLI (Universität Fribourg) • Dr. iur. NIKLAUS OBERHOLZER, Kantonsrichter (St. Gallen) • Prof. Dr. iur. HANS VEST (Universität Bern)
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Allgemeine Fragen des Völkerrechts und Europarechts /
Questions générales de droit international public et de droit
européen
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Neuchâtel) • FRANK EMMERT, LL.M. (Europa-Institut Basel) • Prof.
Dr. iur. ASTRID EPINEY (Universität Fribourg)
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sp. en droit européen (DFJP Berne) • Prof. Dr. rer. pol. DIETER FREIBURGHAUS (IDHEAP, Université de Lausanne) • Prof. CHRISTINE KADDOUS,
LL.M., lic. sp. en droit européen (Université de Genève) • MARIECLAUDE MEYLAN, dipl. en droit européen (DFPJ Berne) • Prof. Dr. KERSTIN ODENDAHL (Universität St. Gallen) • Fürsprecherin ERIKA SCHLÄPPI
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MANFRED WAGNER (Universität Bern) • Dr. iur. LUZIUS WASESCHA, Minister (EVD Bern)
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Antoine Roggo/Daniel Staffelbach
AJP/PJA 3/2009
392
An dieser Nummer haben mitgewirkt:
Ont collaboré à ce numéro:
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Universität Bern, Institut für öffentliches Recht
Schanzeneckstrasse 1, Postfach 8573, 3001 Bern
Lic. iur. Margherita Bortolani-Slongo, Rechtsanwältin
und Mediatorin
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Université de Lausanne
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Internef, 1015 Lausanne
Prof. Dr. iur. Roland Müller, Rechtsanwalt
Müller Eckstein Rechtsanwälte
Hauptstrasse 17, 9422 Staad
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Universität Freiburg
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Beauregard 11, 1700 Freiburg
Lic. iur. Marnie Engewald-Dannacher, wissenschaftliche
Assistentin
Universität Basel, Juristische Fakultät
Peter Merian-Weg 8, 4002 Basel
Lic. iur. Sonja Stark-Traber, Rechtsanwältin
Schellenberg Wittmer
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MLaw Michael Erismann
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Dr. iur. Daniel Trachsel, Rechtsanwalt und Mediator
Langner Stieger Trachsel & Partner
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Bodanstrasse 4, 9000 St. Gallen
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Rebekka Keller, B.A. HSG, Assistentin
Bodanstrasse 4, 9000 St. Gallen
Prof. Dr. iur. Alfred Koller
Universität St. Gallen
Bodanstr. 4, 9000 St. Gallen
PD Dr. iur. Nathalie Voser, LL.M.
Rechtsanwältin, Lehrbeauftragte an der Universität Basel
Schellenberg Wittmer
Löwenstrasse 19, P.O. Box 1876, 8021 Zürich
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an der Universität Fribourg
Lehrstuhl für Strafrecht und Strafprozessrecht
Beauregard 11, 1700 Freiburg
Vorschau AJP 4/2009
Aperçu PJA 4/2009
LT LAWTANK
Juristische Dienstleistungen − Legal Services −
Services juridiques − Servizi giuridici
Rue de Romont 18, PO BOX 906, 1701 Fribourg
(Übersetzungen)
Tom Frischknecht:
Zur Strafbarkeit des Gebrauchs eines fremden WLANs
zwecks Internetzugang
Dr. iur. Manuel Liatowitsch, Rechtsanwalt
Schellenberg Wittmer
Löwenstrasse 19, P.O. Box 1876, 8021 Zürich
Kaveh Mir Fakhraei:
L’ATF 134 III 497 et l’indemnité de clientèle du
distributeur exclusif
Prof. Dr. iur. Franco Lorandi, LL.M., Rechtsanwalt
Lehrbeauftragter an der Universität St. Gallen
Holenstein Rechtsanwälte
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und wie immer / et comme toujours
– Chronik der Rechtsetzung / Législation
– Rechtsprechungsübersicht / Répertoire de la
jurisprudence
– Entscheidungen und Entscheidbesprechungen /
Jurisprudence
– Literaturübersicht / Bibliographie
– Buchbesprechungen / Recensions
Lic. iur. Andrea Mondini, LL.M., Rechtsanwalt
Schellenberg Wittmer
Löwenstrasse 19, P.O. Box 1876, 8021 Zürich
AJP 03_2009.indb 392
Omar Abo Youssef:
Die Stellung des Opfers im Völkerstrafrecht
10.3.2009 9:12:41 Uhr

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