Psychosen, Schizophrenie

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Psychosen, Schizophrenie
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Psychosen,
Schizophrenie
Psychosen, Schizophrenie & Soziales
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Soziallexikon
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Zu Asthma, Brustkrebs, Darmkrebs, Demenz, Depression, Diabetes,
Osteoporose, Rheuma, Schlaganfall.
Die Initiative „betaCare – Verbesserung der Patientenversorgung und Prävention“
wird gefördert durch die betapharm Arzneimittel GmbH,
ein Generika-Unternehmen mit hochwertigen und
preiswerten Qualitätsarzneimitteln.
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Michael Ewers
Liebe Leserin, lieber Leser,
betapharm setzt sich seit Jahren aktiv für eine verbesserte Versorgungsqualität
im Gesundheitswesen und Hilfen für Angehörige ein. Aus diesem Engagement
hat sich betaCare – das Wissenssystem für Krankheit & Soziales – entwickelt,
welches Antworten auf alle sozialen Fragen rund um eine Krankheit bietet.
Der vorliegende Ratgeber „Psychosen, Schizophrenie & Soziales“ informiert zu
sozialrechtlich relevanten Themen wie Krankengeld, Erwerbsminderungsrente und
Sozialhilfe sowie zu kritischen rechtlichen Fragen im Zusammenhang mit schweren
psychischen Erkrankungen. Darüber hinaus behandelt er alltägliche Themen wie
Arbeiten oder Wohnen, die für Psychiatrie-Erfahrene immer auch eine therapeutische
Dimension haben können.
Mit herzlichen Grüßen,
Michael Ewers
Geschäftsführer betapharm & beta Institut
Impressum
Herausgeber und Redaktion
beta Institut gemeinnützige GmbH
Institut für angewandtes Gesundheitsmanagement,
Entwicklung und Forschung in der Sozialmedizin
Geschäftsführer: Michael Ewers
Kobelweg 95, 86156 Augsburg
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Text
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Maria Kästle
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Layout und Gestaltung
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4. Auflage, August 2014
Schutzgebühr 5,– Euro
Inhaltsverzeichnis
Vorbemerkung ________________________ 2
Erkrankung___________________________
Formen psychotischer Störungen _________
Auftreten und Verlauf __________________
Ursachen ____________________________
Symptome ___________________________
Behandlung _________________________
Stationäre und teilstationäre Behandlung _
Medikamentöse Behandlung____________
Psychotherapie_______________________
Soziotherapie________________________
Psychoedukation _____________________
Ergotherapie ________________________
Psychoseseminare ____________________
Soteria_____________________________
Gerontopsychiatrische Einrichtungen _____
5
6
6
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15
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23
24
Rehabilitation _______________________ 57
Bereiche der Rehabilitation_____________ 58
Zuständigkeit________________________ 59
Stationäre medizinische Rehabilitation____ 60
Berufliche Rehhabilitation/
Teilhabe am Arbeitsleben ______________ 63
Rehabilitation psychisch kranker Menschen _ 66
Übergangsgeld ______________________ 67
Krankenversicherung _________________ 69
Krankenversicherungsschutz____________ 70
Säumige Beitragszahler _______________ 71
Zuzahlungen ________________________ 72
Zuzahlungsbefreiung _________________ 74
Schwerbehinderung __________________ 77
Grad der Behinderung ________________ 78
Schwerbehindertenausweis_____________ 81
Merkzeichen ________________________ 82
Sozialpsychiatrischer Dienst ____________ 25
Erwerbsminderungsrente_______________ 83
Arbeit ______________________________ 27
Stufenweise Wiedereingliederung________ 29
Nachteilsausgleiche bei Schwer­behinderung_________________________ 31
Zweiter Arbeitsmarkt und Integrations­
projekte ____________________________ 31
Tages- und Werkstätten für behinderte
Menschen __________________________ 34
Berufsfindung und Arbeitserprobung _____ 35
Arbeitstherapie und Belastungserprobung _ 36
Pflege ______________________________ 87
Pflegebedürftigkeit ___________________ 88
Leistungen der Pflegekassen ____________ 89
Pflegegeld __________________________ 90
Psychiatrische Krankenpflege ___________ 91
Finanzielle Leistungen bei Arbeits­
unfähigkeit und Arbeitslosigkeit ________ 37
Arbeitsunfähigkeit____________________ 38
Entgeltfortzahlung___________________ 39
Krankengeld_________________________ 39
Arbeitslosengeld _____________________ 42
Arbeitslosengeld bei Arbeitsunfähigkeit ___ 42
Grundsicherung für Arbeitssuchende
(Hartz IV) ___________________________ 43
Arbeitslosengeld II und Sozialgeld________ 47
Sozialhilfe __________________________ 49
Einsatz von Einkommen und Vermögen ___ 51
Hilfe zum Lebensunterhalt______________ 54
Grundsicherung im Alter und bei Erwerbs­
minderung__________________________ 55
Familie und Angehörige_______________ 95
Umgang miteinander__________________ 96
Angehörige von Psychose-Patienten______ 99
Selbstschutzmaßnahmen für Betroffene__ 101
Wohnen___________________________ 103
Betreute Wohnformen________________ 104
Wohnen in der Familie________________ 107
Wohngeld_________________________ 107
Autofahren und Führerschein__________ 109
Führerschein und schwere Krankheit______110
Zweifel an der Fahrtauglichkeit__________ 111
Autofahren bei Psychosen______________ 111
Rechtliche Aspekte der Betreuung______ 113
Vorsorge____________________________114
Betreuung __________________________115
Freiheitsentziehende Maßnahmen________118
Krisenpass _________________________ 120
Adressen___________________________ 121
Buchtipps __________________________ 123
Impressum__________________________ 125
1
Vorbemerkung
Psychotische Störungen (Psychosen) sind zum Teil schwer
exakt zu diagnostizieren.
Verkomplizierend kommt hinzu, dass in den letzten Jahren
• sich die Haltung „gegenüber“ dem Patienten und die Arbeit
mit dem Patienten wandelten,
• neue Behandlungsansätze hinzugekommen sind,
• verschiedene Lehrmeinungen und Terminologien miteinander
konkurrieren und
• ähnliche Symptome bei den verschiedensten Störungen auftreten.
Dieser Ratgeber gibt aus medizinisch-therapeutischer Sicht
nur einen kurzen Überblick – im Kern informiert er wie alle
betaCare-Ratgeber zu sozialrechtlichen und psychosozialen
Themen. Dies soll jedoch nicht heißen, dass die Autoren dem
sozialtherapeu­tischen Ansatz den Vorzug geben. Die Gewichtung
medikamen­töser, psychologischer und sozialer Therapieelemente
liegt in der Entscheidungshoheit von Arzt und Patient.
Sozialrecht
und Psychosen
Betroffene, Angehörige und Therapeuten sollten sich bewusst
machen, dass im Sozialrecht Formalitäten wie Anträge und
Fristen schwerwiegende Auswirkungen auf mögliche (finanzielle)
Leistungen und den Versicherungsschutz haben können.
Nur sehr selten wird es gelingen, bei Behörden und Versicherungen
eine abgelaufene Frist mit dem Hinweis auf eine Akut­phase
verlängern zu können. Eine besondere Wachsamkeit ist hier beim
Auslaufen des Krankengelds und der damit verbundenen Gefahr
des Verlusts des Krankenversicherungsschutzes (siehe S. 70)
erforderlich.
Das Sozialrecht ist schon für einen gesunden Menschen nicht
leicht verständlich. Patienten mit einer „verrückten“ Sicht auf die
Welt brauchen hier umso mehr Hilfe, wenn möglich in Form von
Hilfe zur Selbsthilfe. In Akutphasen müssen aber auch wachsame
Betreuer und Angehörige entsprechende Briefe und Fristen ernst
nehmen und sofort darauf reagieren.
2
Menschen müssen im Unterschied zu anderen Lebewesen
um ihr Selbstverständnis ringen. Es gehört zu unseren
Möglich­keiten, an uns zu zweifeln, andere(s) zu bezweifeln
und dabei auch zu verzweifeln, über uns hinaus zu denken
und uns dabei zu verlieren.
Psychosen – ein zutiefst
menschliches Phänomen
Wer lange Zeit verzweifelt ist, ohne Halt und Trost zu finden,
wer seine Gefühle nicht mehr mitteilen kann und sie nicht
mehr aushält, kann depressiv werden, wer die Flucht nach
vorne ergreift, auch manisch.
Wer sich selbst verliert, verliert auch seine Begrenzung und
Abgrenzung zu anderen. Entsprechend verändert sich die Art,
Dinge und Personen um sich herum wahrzunehmen.
Die Gedanken werden sprunghaft, probierend und weniger
folgerichtig.
Dauert dieser Zustand an, sprechen wir von Psychosen.
Wer psychotisch wird, ist also kein „Wesen vom anderen
Stern“, reagiert nicht menschen-untypisch, sondern zutiefst
menschlich.
Eine Psychose ist eine tiefe existenzielle Krise, eine meist alle
Lebensbereiche umfassende Verunsicherung. Subjektiv ist
nichts mehr, wie es war, auch wenn aus der Sicht von anderen
gar nicht viel passiert ist. Vorrangig können Stimmung,
Lebensgefühl und Lebensenergie wesentlich verändert sein,
dann spricht die Psychiatrie von „affektiver Psychose“.
Oder es können vorrangig Wahrnehmung, Denken und Sprache
be­troffen sein, das nennen Psychiater „schizophrene/kognitive
Psychose“. Letztlich hängen Wahrnehmung und Stimmung
(in beiden Richtungen) zusammen. Und jede Psychose ist
anders, so wie jeder Traum anders ist, weil jeder Mensch
anders ist.
Prof. Dr. Thomas Bock –
Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
Zitat aus:
„Es ist normal, verschieden zu sein!“ (Blaue Broschüre).
Verständnis und Behandlung von Psychosen
erstellt im Dialog von Psychose-Erfahrenen,
Angehörigen und Therapeuten/Wissenschaftlern
in der AG der Psychoseseminare (Hrsg.)
Download der gesamten Broschüre unter
www.irremenschlich.de > Download > Mediathek > Druck
3
4
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Erkrankung
5
Formen psychiotischer
Störungen
Bei den psychotischen Störungen (= Psychosen) werden
folgende Formen unterschieden:
• Organische Psychosen
Es gibt eine organische Ursache, z. B. Demenz, Hirnverletzungen.
• Psychosen aus dem schizophrenen Formenkreis
Sehr unterschiedliche Erscheinungsbilder mit einem Schwerpunkt auf kognitiven Störungen bei Wahrnehmung und
Denken.
• Affektive Psychosen
Veränderungen der Realitätsverarbeitung im Zusammenhang
mit eher affektiven Störungen von Stimmung und Antrieb
in Richtung einer Depression oder Manie oder in beide
Richtungen (= bipolare Störung).
• Schizoaffektive Psychosen
Wechsel von Symptomen einer Schizophrenie, einer Depression
und/oder einer Manie.
Auftreten und Verlauf
Bei Psychosen handelt es sich oft um vorübergehende
Phasen, die einmal oder mehrmals im Leben der Betroffenen
auf­treten können – meist im Zusammenhang mit Lebens­
krisen.
Psychotische Störungen sind relativ häufig; es wird davon ausgegangen, dass ca. 2 % der Bevölkerung im Lauf des Lebens eine
Psychose entwickeln, 1 % im Sinne von schizophrenen Psychosen,
1 % im Zusammenhang mit Depression und Manie. Der Verlauf
psychotischer Störungen ist sehr unterschiedlich und hängt
neben der diagnostizierten Störungsform auch vom Betroffenen
und von den therapeutischen Maßnahmen ab.
6
Psychosen verlaufen in Phasen. In der akuten Phase sind
die Symptome sehr ausgeprägt, die Patienten werden dann
möglichst dicht, häufig stationär betreut. In der sich daran
anschließenden Stabilisierungsphase brauchen viele Patienten
Ruhe und Zeit zur Erholung. In der dritten, der Remissionsphase,
gehen die Symptome stark zurück oder verschwinden ganz.
Ein Teil der Betroffenen durchlebt nur eine einmalige Akutphase.
Manche müssen in Lebenskrisen mit erneuten Phasen rechnen.
Bei anderen kann es zu bleibenden Beeinträchtigungen kommen.
Sie müssen lernen damit umzugehen, können mit entsprechenden
Hilfen aber ein eigenständiges und zufriedenstellendes Leben
führen. In vielen Fällen entwickelt sich eine Psychose chronisch
und verläuft in Schüben. Die Betroffenen können den Umgang
mit den zeitweisen Störungen aber lernen.
Ursachen
Mit Ausnahme der organischen Psychosen sind die Ursachen
weitgehend unbekannt.
Vermutet werden zum einen Störungen des Hirnstoffwechsels,
zum anderen anlagebedingte Faktoren im Zusammenhang mit
äußeren psychischen Belastungen.
Das derzeit aktuelle Vulnerabilitäts-Stress-Modell besagt, dass
bestimmte Belastungssituationen wie etwa Auszug aus dem
Elternhaus, Eheschließung, Tod eines Angehörigen, Drogen­­­­­kon­sum etc. im Zusammenhang mit einer angeborenen
Vulnerabilität (Anfälligkeit) eine psychotische Störung auslösen
könnten. Das heißt, dass einer Psychose genetisch-biologische
und psycho­soziale Ursachen zugrunde liegen könnten.
Bei extremer Reizüberflutung oder extremem Reizentzug kann
jeder Mensch gezwungen sein, aus der Realität auszusteigen.
Das unterstreicht die anthropologische Sicht, dass die Möglich­
keit, psychotisch zu werden, zum Wesen des Menschen gehört
(siehe S. 3).
7
Symptome
Nachfolgend eine Schilderung von Symptomen einer
psychotischen Störung am Beispiel der Schizophrenie.
Die Schilderung erfolgt in der Absicht, ein minimales Verständnis
für das Erleben der Patienten zu erreichen. Patienten können
versuchen, vertrauten Menschen das zu schildern, was sie in
einer akuten Psychose erlebt haben. Angehörige, Betreuer
und Thera­peuten können versuchen, für diese Erlebnisse ein
Verständnis zu entwickeln. Sie sollten jedoch immer beachten,
dass der Mensch nie nur aus psychotischen Symptomen besteht.
Dies kann gegenseitiges Verständnis fördern und Konflikte und
gegenseitige Verletzungen reduzieren.
Plussymptomatik
In einer schizophrenen Akutphase erscheint Außenstehenden die
gesamte Persönlichkeit des Betroffenen auf verschiedene Art
fremdgesteuert.
Charakteristisch sind Wahn, Halluzinationen, Ich-Störungen
und formale Denkstörungen. Diese Störungen werden als
Plussymptomatik bezeichnet.
• Wahn
Eine nicht korrigierbare, „falsche“ Beurteilung der Realität.
Am häufigsten leiden die Patienten unter Verfolgungsund Beziehungsideen. Sie beziehen das Verhalten anderer
Men­schen wahnhaft auf sich selbst. Ein Wahn kann sich
sowohl mit als auch ohne äußere Wahrnehmungen entwickeln.
• Halluzinationen
Empfunden wird eine Sinneswahrnehmung, der kein realer
Sinnesreiz zugrunde liegt. Diese Täuschung kann alle Sinnes­
organe betreffen, wobei es am häufigsten zu akustischen
Halluzinationen kommt. Der Patient hört Stimmen, die ihm
Befehle erteilen oder sich über ihn unterhalten.
• Ich-Störungen
Die Grenze zwischen der eigenen Person und der Umwelt
wird als durchlässig empfunden. Körper, Gedanken oder/und
Gefühle werden als fremd erlebt. Auch kann es zu einem
Gefühl der Beeinflussung oder Eingebung bzw. auch dem
Entzug der Gedanken kommen. Der Patient lebt zugleich in
einer wirklichen und einer wahnhaften Welt.
• Formale Denkstörungen
Darunter fallen Verzerrungen des herkömmlichen Denkablaufs,
Zerfahrenheit mit sprunghaften und unlogischen Gedankengängen oder Abbruch eines Gedankengangs ohne erkenn-
8
baren Grund. Der Patient verschmilzt verwandte Wörter oder
erfindet neue Wörter.
Zu den sogenannten Minussymptomen zählen
• sozialer Rückzug,
• emotionale Verarmung oder Verflachung,
•Antriebsunlust,
•Willensschwäche,
• mangelnde Körperpflege und
• psychomotorische Verlangsamung.
Minussymptomatik
Manche Patienten berichten von einer Überempfindlichkeit
gegenüber Licht oder Farben, Geräuschen, Gerüchen oder
Geschmacksempfindungen. Auch das Zeitempfinden kann
gestört sein. Die Intelligenz dagegen ist nie beeinträchtigt.
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Behandlung
Bei der Therapie von Psychosen wird ein mehrdimensionaler An­satz verfolgt, bestehend aus
medikamentösen, psycho­therapeutischen und sozialtherapeutischen Maßnahmen.
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In der Akutphase erfolgt in der Regel eine stationäre Behandlung.
In den darauf folgenden Phasen reicht meist eine ambulante
Be­treuung aus. Ein alternativer, ganzheitlicher Behandlungs­
ansatz ist das Soteria-Konzept.
Stationäre und
teilstationäre Behandlung
Im Krisenfall erfolgt die Behandlung von Patienten mit
Psy­cho­sen häufig in psychiatrischen Kliniken bzw.
psychia­trischen Abteilungen von Kliniken.
Eine stationäre Behandlung hat immer das Ziel, die aktuelle Krise
zu bewältigen und die Betroffenen so zu stabilisieren, dass sie
– mit der angemessenen therapeutischen Unterstützung – ihr
Leben möglichst selbstständig gestalten können.
Allerdings haben sehr viele Menschen große Vorbehalte gegen
„die Psychiatrie“, „Anstalten“ und Behandlung „auf Station“.
Doch die Erkenntnisse für die Arbeit mit psychotisch erkrankten
Menschen haben sich in den letzten Jahren stark erweitert und
vor allem in den Kliniken zu großen Veränderungen geführt.
Viele Betroffene haben mittlerweile erlebt, dass sie in ihrer
schwierigsten Zeit, als sie in die Klinik eingewiesen wurden, dort
erstmals auf Menschen trafen, die ihnen zuhörten, Zeit hatten,
sehr erfahren waren und so – zusammen mit dem Patienten – ein
Behandlungskonzept entwickelten, das auch über die Entlassung
hinaus Halt und Hilfe gab.
Wenn möglich und nötig, werden Angehörige mit ihrem Wissen
und ihrer Erfahrung von den Therapeuten der Klinik mit eingebunden. Je nach Situation kann der Aufenthalt in der Klinik
unterschiedlich lang sein, meist bewegt sich die Aufenthaltszeit
zwischen zwei und sechs Wochen. Die Entlassung muss sorgfältig
geplant werden, denn mit der Klinik verlassen die Betroffenen
auch einen Schutzraum und müssen stabil genug sein, die
Belastungen des Alltags wieder auszuhalten. Viele Kliniken
gestalten den Übergang deshalb fließend, z. B. durch Besuche
oder Übernachtungen zu Hause.
Zum Teil bleibt auch nach der Entlassung eine mehr oder weniger feste Bindung zur Klinik oder zu einem einzelnen Therapeuten, zu dem der Betroffene ein besonderes Vertrauensverhältnis
aufgebaut hat. Diese Bindung reicht von regelmäßigen Therapieterminen in der Institutsambulanz bis hin zur Notfallnummer für
Krisenzeiten.
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Die Krankenhausbehandlung beinhaltet alle Leistungen, die
für den Patienten nach Art und Schwere seiner Erkrankung
not­wendig und im Rahmen des Versorgungsauftrags des
Krankenhauses möglich sind. Dazu zählt neben der ärztlichen
Behandlung auch die Krankenpflege sowie die Versorgung mit
Arznei- und Ver­band­mitteln, Heilmitteln und Hilfsmitteln.
Die Kosten des Krankenhausaufenthaltes trägt die Krankenkasse
oder der Sozialhilfeträger.
Krankenhausbehandlung
Patienten ab Vollendung des 18. Lebensjahres müssen für die
vollstationäre Krankenhausbehandlung eine Zuzahlung von
10,– e pro Tag leisten. Diese Zuzahlung ist auf 28 Tage pro
Kalenderjahr begrenzt. Der Aufnahme- und der Entlassungstag
zählen jeweils als ganzer Tag.
Wird ein Elternteil stationär untergebracht, kann eine Haushaltshilfe beantragt werden. Eine Haushaltshilfe ist eine fremde oder
verwandte Person, die die tägliche Arbeit im Haus­halt erledigt.
Sie übernimmt alle notwendigen Arbeiten, z. B. Ein­kauf, Kochen,
Waschen oder Kinderbetreuung.
Wichtigste Voraussetzungen für die Antragstellung sind:
• Keine andere Person im Haushalt kann die Arbeiten
übernehmen und
• es ist ein Kind unter 12 Jahren zu versorgen.
Träger der Leistung kann die Krankenkasse, die Unfallversicherung
oder die Rentenversicherung sein, selten auch die Sozialhilfe.
Die Haushaltshilfe ist in jedem Fall vorher zu beantragen.
In der Regel ist an eine psychiatrische Klinik eine Instituts­ambu­lanz angebunden, in der psychiatrische Patienten ambulant
be­han­delt werden. Meist arbeiten dort verschiedene Berufsgruppen zusammen.
Institutsambulanzen
Die Übergänge in der Institutsambulanz sind fließend: sowohl
zum ambulanten Bereich (z. B. Betreuung in einer Arztpraxis)
als auch zum stationären Bereich (Wiederaufnahme in die Klinik).
Zum Teil sind Institutsambulanzen auch in integrierte Ver­­sor­gungsmodelle eingebunden, das heißt, dass die ambulante
und stationäre Versorgung aus einer Hand organisiert wird.
Tageskliniken gibt es unabhängig von psychiatrischen Kliniken
oder dort angebunden. Sie nehmen Patienten in der Regel nur
an Werktagen und tagsüber auf und bieten dort – bei Bedarf –
dasselbe Leistungsspektrum wie die Klinik.
Tageskliniken
13
Medikamentöse Behandlung
Medikamente sind meist wirksam in Bezug auf Positiv­­symp­tome wie Halluzinationen, Wahnideen, Ich- und
Denkstö­rungen. Sie können der psychosetypischen Reiz­
überflutung entgegenwirken und so der Entwicklung von
Symptomen vorbeugen sowie Symptome abschwächen oder
unterdrücken. Eingesetzt werden meist sogenannte Neuro­
leptika.
Über die medikamentöse Behandlung sollten Arzt und Patient
gemeinsam entscheiden. Eine vertrauensvolle Arzt-PatientenBeziehung ist eine wichtige Basis für diese Entscheidung und
den weiteren Behandlungsverlauf. Zentrale Probleme bei dieser
Ent­schei­dung sind die unterschiedlichen Wirkungs- und Neben­
wirkungsprofile der Medikamente sowie die Dosierung, d. h.
die Entscheidung darüber, wie viel Schutz bzw. Abschirmung
nötig ist und wie viele Erlebnisse auch anders zu verarbeiten
sind. Manchmal sind mehrere zeitintensive Anläufe notwendig,
bis das individuell passende Medikament gefunden wird. Auch
über das Ende der Medikation sollten Arzt und Patient sich
abstimmen.
Zuzahlung
Zuzahlungsfreie Medikamente
Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung, die das
18. Lebensjahr vollendet haben, müssen für viele Medikamente
Zuzahlungen in Höhe von 10 % des Abgabepreises bezahlen,
mindestens 5,– e und höchstens 10,– e – umgangssprachlich
oft als „Rezeptgebühr“ bezeichnet.
Zuzahlungsbefreiung ist möglich, Details siehe S. 74.
Manche Arzneimittelwirkstoffe können von der Zuzahlung
befreit sein. Auf den Internetseiten der GKV (Die gesetzlichen
Kranken­kassen), steht eine Übersicht über diese Wirkstoffe,
ebenso eine Liste der Arzneimittel, die tatsächlich zuzahlungs­
befreit sind: www.gkv-spitzenverband.de > Krankenversicherung
> Arzneimittel.
Darüber hinaus können Medikamente eines Arzneimittel­­her­stellers, mit dem die Krankenkasse einen Rabattvertrag
geschlossen hat, ganz oder zur Hälfte zuzahlungsfrei sein.
14
Psychotherapie
Die Psychotherapie orientiert sich an der jeweiligen
Erkran­kungsphase sowie den individuellen Möglichkeiten
des Patien­ten und seiner Lebenssituation. Die therapeutische
Beziehung kann helfen, sich zu spiegeln, zu spüren und zu
vergewissern. Langfristig kann sie helfen, psychotische
Symptome zu entschlüsseln und damit zusammenhängende
Konflikte zu entschärfen. Der Patient muss zu Beginn der
Psychotherapie einen gewissen Realitätsbezug aufweisen.
Bei psychischen Störungen mit Krankheitswert übernimmt die
Krankenkasse die Kosten bestimmter psychotherapeutischer
Behandlungen (im Sinne einer Krankenbehandlung. Derzeit
von den Kassen anerkannt sind psychoanalytisch begründete
Verfahren und Verhaltenstherapie. Für andere Therapien übernehmen die Kassen die Kosten nur im Einzelfall und auf Antrag.
Kosten
Bei der Behandlung von Patienten mit einer Psychose aus dem
schizophrenen Formenkreis wird häufig die kognitive Verhal­tens­
therapie eingesetzt. In der Therapie wird zunächst gemeinsam
mit dem Patienten ein Verständnis seiner Probleme erarbeitet
und er wird über die Störungen und Behandlungsmöglichkeiten
informiert. So sollen Ängste und Unsicherheiten abgebaut
werden. Dann wird der Patient befähigt, Frühwarnsymptome
zu erkennen und Strategien zu entwickeln, wie er darauf
reagieren kann, um einen Rückfall zu vermeiden oder zumindest
abzu­mildern. Weitere wichtige Themen der Therapie sind die
Akzeptanz fortbestehender Symptome und der Medikamenteneinnahme, die Ent­wicklung und Stärkung vorhandener Fähig­
keiten sowie die Förde­rung der Lebensqualität.
Kognitive Verhaltenstherapie
Für eine Psychotherapie ist keine Überweisung durch einen Arzt
erforderlich. Der gewählte Psychotherapeut muss allerdings eine
Kassenzulassung haben, damit die Krankenkasse die Kosten
übernimmt.
Therapeuten können entweder Psychologen („psychologischer
Psychotherapeut“) oder Mediziner („ärztlicher Psychotherapeut“)
sein. Für Patienten mit Psychosen ist es nicht einfach, den
richtigen Therapeuten zu finden. Häufig kommen auch noch
lange Wartezeiten bis zum Therapiebeginn dazu. Betroffene
sollten auf jeden Fall darauf achten und danach fragen, ob der
Therapeut Erfahrung mit Psychosen hat.
Therapeutenwahl
15
Praxistipps!
Die folgenden Tipps helfen bei der Therapeutensuche.
• Vermittlungsstellen für psychotherapeutische Behandlungen
Die meisten Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) auf Länder­
ebene bieten Vermittlungsstellen für psychotherapeutische
Behandlungen. Unter www.kbv.de > Die KBV > Mitglieder >
Adressliste stehen die Internetadressen der KVen.
• Einige KVen haben eine sogenannte „Koordinationsstelle
Psychotherapie“ eingerichtet. Dort werden Patienten über
unterschiedliche Therapiemöglichkeiten und -formen
informiert.
• Unter www.kbv.de > Service > Arztsuche können regional
Ärzte aller Fachrichtungen recherchiert werden, auch Psychotherapeuten.
• Der Suchservice der Bundespsychotherapeutenkammer steht
unter www.bptk.de > Psychotherapeutensuche
• Falls ein Patient nachweisen kann, dass erst nach mehr­
monatiger Wartezeit ein Therapieplatz in der Region frei
wird, kann die Krankenkasse auf Antrag auch die Therapie
bei einem Psychotherapeuten mit Berufszulassung, jedoch
ohne Kassen­zulassung genehmigen. Daher sollte eine Liste
der vergeblichen Suche mit Namen der Psychotherapeuten,
Anrufdatum und Wartezeit angefertigt und bei der Krankenkasse vorgelegt werden. Diese prüft jedoch selbst nach, ob
tatsächlich kein Platz bei Therapeuten, mit denen Verträge
bestehen, zu bekommen ist. Erst wenn die Genehmigung der
Krankenkasse vorliegt, kann die Therapie dort begonnen
werden.
• Institutsambulanzen können und sollen bei der Suche nach
Psychotherapeuten helfen, die Zeit bis zur Therapie über­
brücken und bestimmte psychotherapeutische Leistungen
integriert in einem Gesamtkonzept selbst erbringen. Das gilt
insbesondere für Krisengespräche, Gruppentherapien und
familientherapeutische Gespräche.
Probesitzungen
Der Patient kann bis zu 5 Probestunden (bei einer analytischen
Psychotherapie bis zu 8) bei einem Therapeuten machen, bis
er entscheidet, ob er dort die Therapie durchführen will. Nach
diesen „probatorischen“ Sitzungen, auf jeden Fall bevor die
eigent­liche Therapie beginnt, muss ein Arzt, z. B. Hausarzt oder
Neuro­loge, aufgesucht werden, der abklärt, ob eine körperliche
Erkrankung vorliegt, die zusätzlich medizinisch behandelt
werden muss. Dieser Arztbesuch ist jedoch nur nötig, wenn
es sich bei dem behandelnden Therapeuten um einen psycho­
logischen Psychotherapeuten handelt. Bei einem ärztlichen
16
Psychothera­peuten erübrigt sich dieser Arztbesuch.
Der Patient muss bei seiner Krankenkasse einen Antrag auf
Feststellung der Leistungspflicht für Psychotherapie stellen.
Zu diesem Antrag teilt der behandelnde Psychotherapeut der
Krankenkasse die Diagnose mit, begründet die Indikation und
beschreibt Art und Dauer der Therapie.
Nach Klärung der Diagnose und Indikationsstellung werden
vor Beginn der Behandlung der Behandlungsumfang und
die -frequenz festgelegt. Die Dauer einer Psychotherapie ist
abhängig von der Art der Behandlung und beträgt z. B. bei
einer Ver­hal­tenstherapie 45, in besonderen Fällen bis zu
60 Stunden.
Antragsverfahren
Dauer
Die Probesitzungen zählen nicht zur Therapiedauer. Eine Sitzung
dauert mindestens 50 Minuten. Eine Überschreitung ist dann
zu­lässig, wenn mit der Beendigung der Therapie das Behand­
lungsziel nicht erreicht werden kann, aber bei Fort­führung der
Therapie begründete Aussicht darauf besteht.
Soziotherapie
Soziotherapeutische Maßnahmen beziehen sich auf das
soziale Umfeld des Betroffenen und zielen darauf ab,
vorhandene soziale Fähigkeiten des Betroffenen zu fördern
und die Ver­stärkung sozialer Probleme zu verhindern.
Soziotherapie unterstützt vorrangig Patienten, die krankheitsbedingt in den Bereichen Wohnen, Arbeit, Bestreitung des
Lebensunterhalts, Freizeitgestaltung und soziale Beziehungen
beeinträchtigt sind. Der Betroffene soll gefördert werden, sein
Leben wieder aktiv zu gestalten.
Menschen mit Psychosen sind oft nicht in der Lage, Leistungen,
die ihnen zustehen, in Anspruch zu nehmen. Basis für eine Sozio­
therapie ist, dass der Patient die Therapieziele erreichen kann,
er über die hierzu notwendige Belastbarkeit, Motivierbarkeit und
Kommunikationsfähigkeit verfügt und in der Lage ist, einfache
17
Ziele
Leistungsinhalt
Therapeutensuche
Absprachen einzuhalten.
Ziel der Soziotherapie ist der Abbau psychosozialer Defizite,
damit Patienten selbstständig und eigenverantwortlich
medizinische Leistungen in Anspruch nehmen können, z. B.:
• Koordinierung der Leistungen, d. h. Organisation der not­
wendigen medizinischen Maßnahmen, z. B. deren zeitliche
Planung
• therapiegerechte Eigen-Einnahme von Medikamenten
• Motivation zur Verwendung medizinischer Leistungen
• Einsicht in die Notwendigkeit medizinischer Leistungen
• Bereitschaft zur Inanspruchnahme medizinischer Leistungen
Folgende Leistungen sind innerhalb der Soziotherapie
in jedem Fall zu erbringen:
• Erstellung eines Betreuungsplans
• Arbeit im sozialen Umfeld
• Soziotherapeutische Dokumentation, d. h. der Soziotherapeut
beschreibt die durchgeführten Maßnahmen (Art und Umfang),
den Behandlungsverlauf und die bereits erreichten und noch
verbleibenden Therapieziele.
Erbringen können diese Leistungen nur Diplom-Sozialarbeiter,
Diplom-Sozialpädagogen und Fachkrankenschwestern für
Psychiatrie mit Berufserfahrung, die bei der Krankenkasse als
Sozio­therapeuten zugelassen sind und mit dieser einen Vertrag
haben.
Die Krankenkassen vermitteln Adressen der zugelassenen
Sozio­therapeuten. Da die Soziotherapie noch eine recht junge
Leistung ist, gibt es jedoch nicht überall entsprechende
Angebote.
Ähn­liche Leistungen bieten aber mancherorts auch die Sozial­
psychiatrischen Dienste und diese wiederum kennen häufig die
regionalen Soziotherapie-Angebote.
Dauer
Verordnung
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Eine Soziotherapie dauert 120 Stunden innerhalb von 3 Jahren je
Krankheitsfall. „Krankheitsfall“ ist das Krankheitsgeschehen, das
eine einheitliche medizinische Ursache hat, z. B. eine Psychose,
die immer wieder zu Hilfebedürftigkeit führt.
Versicherte müssen eine Zuzahlung von 10 % der kalender­täg­lichen Kosten der Soziotherapie leisten, jedoch mindestens
5,– e, maximal 10,– e pro Tag. Zuzahlungsbefreiung ist
möglich, Details siehe S. 74.
Verordnen dürfen Soziotherapie in der Regel nur Nervenärzte
und Psychiater, die von der Kassenärztlichen Vereinigung (KV)
eine Befugnis zur Verordnung von Soziotherapie haben. Adressen
von entsprechenden Ärzten erhält man bei der KV. Die Verordnung von Soziotherapie muss von der Krankenkasse genehmigt
werden. Hierzu muss ein soziotherapeutischer Betreuungsplan
vorgelegt werden.
Verordnung
In Einzelfällen können auch andere Ärzte, z. B. der Hausarzt,
bis zu 3 Probestunden verordnen. Ziel ist hierbei die Überweisung
zu einem Nervenarzt oder Psychiater mit der entsprechenden
Befugnis zur Verordnung der Soziotherapie.
Bei Verordnung und Antragstellung sind auch die Soziothera­
peuten selbst behilflich.
Wer hilft weiter?
Soziotherapeuten sind nicht einfach zu finden, helfen können
Krankenkasse, Nervenärzte, Psychiater oder die Sozialpsychia­
trischen Dienste.
Psychoedukation
Bei der Psychoedukation handelt es sich um eine Schulung
von Patienten mit Psychosen und – in getrennten Gruppen
– ihren Angehörigen. Eingesetzt wird Psychoedukation vor
allem bei Störungen aus dem schizophrenen Formenkreis.
Die Teilnehmer werden über die Erkrankung und die not­
wendigen Behandlungsmaßnahmen informiert und tauschen
Erfahrungen vor dem Hintergrund wissenschaftlicher Forschung
aus. Dies soll die Krankheitsbewältigung fördern und zur
Therapietreue bei­tragen, denn ein Patient, der versteht, warum
er z. B. bestimmte Medikamente benötigt, wird sie eher ein­
nehmen als ein Patient, der von der Notwendigkeit nicht überzeugt ist. Die Psychoedukation soll Betroffene und Angehörige
für Symptome sensibilisieren, die auf eine herannahende Akutphase hindeuten.
19
Neben Information und Austausch ist die sogenannte „emotionale Entlastung“ ein wichtiger Aspekt, d. h., dass Betroffene und
Angehörige von dem gefühlsmäßigen Druck entlastet werden,
der oft mit der Erkrankung oder der Erkenntnis der Erkrankung
einhergeht.
Formen und Anbieter
Psychoedukation erfolgt in der Regel in Gruppen, kann aber
auch im Einzelgespräch zwischen Therapeut und Patient bzw.
Therapeut und Angehörigen stattfinden. Für Akutpatienten mit
psychotischen Symptomen oder starken Konzentrations- und
Aufmerksamkeitsstörungen ist eine Psychoedukation nicht
geeignet. Betroffene sollten nur in ausreichend stabilisiertem
Zustand an einer Gruppe teilnehmen, denn das Risiko einer
Psycho­edukation ist, dass die Information über die Erkrankung
und ihre möglichen Folgen und Symptome Betroffene stark
belastet.
Vorteil der Gruppe ist der gegenseitige Austausch unter den
Betroffenen. So kann der Patient von Erfahrungen anderer
Patienten lernen, daraus für sich Strategien für den Umgang
mit der Krankheit entwickeln, Anzeichen drohender Rückfälle
erkennen und lernen, entsprechende Gegenmaßnahmen ein­
zuleiten.
Psychoedukation wird zum Teil bereits während eines stationären
Aufenthalts in einer Klinik angeboten. Gruppenleiter sind
meist Ärzte, Psychologen, Diplom-Pädagogen oder geschultes
pflegerisches Personal.
Psychoedukative Gruppen treffen sich ein bis zwei Mal
wöchentlich. Die vermittelten Inhalte folgen einem festen
Curriculum, so dass die Gruppen in der Regel fest sind, d. h.:
Im Lauf einer Schulung kommen keine neuen Mitglieder hinzu.
Die Schulungen sind je nach Konzept unterschiedlich lang.
Sie können von ca. 8 gemeinsamen Sitzungen bis hin zu lang­
fristigen Edukationen mit bis zu 2 Jahren andauern.
Kostenübernahme
20
Erfolgt die Edukation in der Klinik, wird sie für Patienten im
Rahmen der stationären oder tagesklinischen Behandlung abgerechnet.
Erfolgt sie im ambulanten Bereich von Institutsambulanzen,
entstehen dem Patienten ebenfalls keine Kosten, er benötigt in
der Regel aber eine Überweisung seines Arztes.
Kliniken bieten Psychoedukation teilweise auch für Angehörige
an, häufig auch kostenfrei.
Psychoedukation im Rahmen einer Psychotherapie wird als Teil
dieser Therapie abgerechnet.
Wer hilft weiter?
Termine für Psychoedukationen (auch Psychosegruppe
genannt) kann man erfragen bei:
• Psychiatern und Psychotherapeuten,
• sozialpsychiatrischen Diensten,
• Kliniken und Tageskliniken oder
• Selbsthilfegruppen.
Ergotherapie
Im Rahmen einer Ergotherapie geht es für Menschen mit
Psy­cho­sen vor allem um die sogenannte „psychischfunktionelle Behandlung“.
Diese dient der Therapie krankheitsbedingter psychosozialer und
sozioemotionaler Störungen.
Dies umfasst z. B. Maßnahmen zur Verbesserung
• der psychischen Grundleistungsfunktionen wie Antrieb,
Motivation, Belastbarkeit, Ausdauer, Flexibilität und Selbst­
ständigkeit in der Tagesstrukturierung,
• der Realitätsbezogenheit, der Selbst- und Fremdwahrnehmung,
• des situationsgerechten Verhaltens, auch der sozioemotio­nalen Kompetenz und Interaktionsfähigkeit,
• der psychischen Stabilisierung und des Selbstvertrauens oder
• der eigenständigen Lebensführung und der Grundarbeits­
fähigkeiten.
Ergotherapie gehört zu den Heilmitteln, wie z.B. auch Massagen
und Krankengymnastik. Sie muss vom Arzt verordnet werden
und wird in der Regel von der Krankenkasse übernommen.
Die psychisch-funktionelle Behandlung kann als Einzel- oder
Gruppen­behandlung verordnet werden.
Verordnung
Erwachsene gesetzlich Krankenversicherte zahlen 10 % der
Kosten plus 10,– e je Verordnung zu. Eine Befreiung von der
Zuzahlung ist bei Überschreitung der Belastungsgrenze möglich,
Zuzahlung
21
Therapiebesuch zu Hause
Details siehe S. 74.
Die Verordnung von Ergotherapie außerhalb der Praxis des
Therapeuten, insbesondere in Form eines Hausbesuchs, ist
ausnahmsweise nur dann zulässig, wenn der Patient aus medi­
zinischen Gründen den Therapeuten nicht aufsuchen kann bzw.
wenn der Hausbesuch aus medizinischen Gründen zwingend
notwendig ist. Der Arzt muss dann auf der Verordnung „Haus­
besuch“ ankreuzen. Der Patient muss zusätzlich zur Zuzahlung
die Fahrtkosten übernehmen.
Wer hilft weiter?
Adressen von Ergotherapeuten vermittelt der
Verband der Ergo­therapeuten unter Telefon 07248 9181-0,
per E-Mail [email protected] oder im Internet unter www.dve.info/
therapeutensuche.html
Es gibt Ergotherapie-Praxen mit dem Schwerpunkt Psychiatrie.
Darauf sollten Patienten mit Psychosen bei der Ergothera­peu­tensuche achten.
Psychoseseminare
Psychoseseminare richten sich an Psychose-Erfahrene,
Ange­hörige und Therapeuten gleichzeitig und dienen dem
wechselseitigen Erfahrungsaustausch und der gegenseitigen
Fort­bildung (Trialog). Ziel ist ein breites Verständnis von
Psy­chosen und eine Unterstützung vielfältiger Bewälti­gungs­
strategien.
Die Vielfalt des subjektiven Erlebens und der individuellen
Verarbeitung von Psychosen nimmt in den Psychosesemina­
ren besonders viel Raum ein.
• Die Kommunikation auf Augenhöhe stärkt das Selbstwertgefühl der Betroffenen und lässt Therapeuten einen ent­
sprechenden wertschätzenden Umgang auch im psychia­
trischen Alltag üben.
• Für die Patienten ist der Austausch über eigene Erfahrungen in
der wohlwollenden Atmosphäre und ohne Veränderungs­druck
22
hilfreich bei der Integration des Erlebten.
• Der Austausch erweitert die Perspektive. Er hilft Patienten,
sich besser in ihre eigenen Angehörigen hineinzuversetzen,
wenn sie mit fremden Angehörigen sprechen. Dasselbe gilt
für teilnehmende Angehörige: Sie können sich besser in einen
Patienten hineinversetzen, wenn es nicht der Patient in der
eigenen Familie ist.
• Profis und Auszubildende können ihr Verständnis von
Psychosen erweitern und lernen eine Vielfalt von Ver­
arbeitungsmöglichkeiten kennen. Adressen von Psychose­
seminaren finden Sie unter www.trialog.psychoseminar.de >
Adressen. Dort finden sich auch detaillierte Informationen
zu Psychoseminaren.
Soteria
Soteria ist eine alternative stationäre Behandlungsform
speziell bei Psychosen aus dem schizophrenen Formenkreis,
aber auch bei anderen Psychoseformen.
Das Wort Soteria kommt aus dem Griechischen und bedeutet
„Wohl, Rettung, Heil“. Die Psychosebegleitung erfolgt in der
Form aktiven Dabeiseins („being-with“), mit neuroleptischer
Medi­ka­tion wird zurückhaltend umgegangen und es wird ein
milieu­therapeutischer Ansatz verfolgt.
Soteria erfolgt in kleinen heimartigen Häusern, maximal
10 Bewohner werden aufgenommen. Zentraler Gedanke ist
die Abschirmung der Bewohner von verwirrenden Umwelt­
einflüssen. Sie werden kontinuierlich unterstützt durch tragende
zwischenmenschliche Beziehungen und durch die Geborgenheit
der Um­gebung, die die Befindlichkeit beeinflusst.
Die Betreuung erfolgt rund um die Uhr mit einer festen Bezugs­
person pro Bewohner. Die Beziehung zwischen Bezugsperson
und Bewohner wird gleichwertig gestaltet. Es geht darum, eine
be­ruhigende, ausgeglichene Atmosphäre zu schaffen.
Die Mitar­beiter unterstützen und fördern je nach individuellem
Befinden des Bewohners. Behandlungsziele werden gemeinsam
entwickelt. Eine Tagesstruktur wird geschaffen und soll die
Bewohner zu alltäglichen Verrichtungen anhalten (Kochen,
Putzen etc.). Diese Aufgaben sind für die Bewohner überschau-
23
bar und die Ergebnisse und Erfolge sind unmittelbar erkennbar.
Wichtig ist die Kontinuität in der Betreuung, die durch 24- oder
48-Stunden-Dienste der Mitarbeiter ermöglicht wird. Soteria
legt zudem großen Wert auf eine enge Zusammenarbeit mit den
Angehörigen, weiteren Bezugspersonen und Betreuern.
Derzeit gibt es nur wenige Soteria-Einrichtungen in Deutschland,
z. B. in Zwiefalten, München, Köln und Leipzig. In manchen
psychiatrischen Kliniken werden Elemente des Soteria-Konzepts
angewandt. Adressen und weitere Informationen unter:
www.soteria-netzwerk.de.
Gerontopsychiatrische
Einrichtungen
Gerontopsychiatrie ist ein Teilgebiet der Psychiatrie, das
sich mit der diagnostischen Abklärung und Behandlung
psychischer Erkrankungen im Alter befasst.
Häufig werden Demenzerkrankungen und Depressionen
be­handelt, aber auch Wahnvorstellungen und Schizophrenien.
Manchmal können erst bei einem stationären Aufenthalt
dia­gnostische Maßnahmen ergriffen werden und eine sinn­volle medikamentöse Einstellung erfolgen.
Die Behandlungsmaßnahmen in gerontopsychiatrischen Ein­
richtungen dienen nicht nur der medikamentösen Therapie der
psychischen Beeinträchtigungen, sondern fördern auch noch
er­haltene Fertigkeiten und soziale Kontakte. Ziel ist die Verbes­serung der durch die Erkrankung beeinträchtigten Lebensqualität und die Entlassung des Patienten in seine häusliche
Umgebung.
24
© Alexander Raths_fotolia.com
Sozialpsychiatrischer Dienst
Eine Schlüsselrolle in der Beratung und Begleitung von Men­schen mit Psychosen nehmen
häufig die Sozialpsychiatrischen Dienste (SpDi) ein. Die Dienste gibt es nahezu überall,
meist sind sie an die lokalen Gesundheitsämter angegliedert, zum Teil, vor allem in
Süddeutschland, sind aber auch Wohl­fahrtsverbände die Träger.
25
Die Aufgaben und die Personalausstattung der SpDi sind sehr
unterschiedlich und variieren oft schon von einer Stadt zur
nächsten. In der Regel arbeiten Ärzte und Sozialarbeiter beim
SpDi, bisweilen auch Krankenschwestern oder Psychologen. In
der Regel bieten sie aber weder Psychotherapie an noch dürfen
sie Medikamente verschreiben. Fast überall werden die SpDi bei
Krisensituationen involviert, wenn es also z. B. um die Begut­
achtung akut gefährdeter Patienten geht und um die Frage, ob
sie stationär untergebracht werden sollen (siehe Seite 12). Häufig
halten sie Kontakte zu Menschen mit Psychosen, die sich stark
zurückziehen und wenig bis keine anderen sonstigen Kontakte
haben. Sie machen auch Hausbesuche bei betroffenen Familien
und bieten Kontaktmöglichkeiten (z. B. Patientenclubs) und
Beratung.
Die SpDi sind gut über regionale Hilfen, Angebote und
Ein­richtungen für Menschen mit psychotischen Störungen
informiert, so dass sie immer eine gute Anlaufstelle bei der
Suche nach entsprechenden Adressen sind. Die Inanspruch­nahme der SpDi-Angebote ist kostenlos.
Wer hilft weiter
Welcher Sozialpsychiatrische Dienst regional zuständig ist,
erfahren Sie beim Gesundheitsamt.
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Arbeit
Bei einer Chronifizierung der psychotischen Störung kommt es zu bleibenden bzw. immer
wiederkehrenden Beeinträch­tigungen, die nicht selten zum Verlust des Arbeitsplatzes führen.
Arbeitslosigkeit kann aber ein zusätzlicher Risikofaktor für eine erneute Akutphase sein.
Einer Berufstätigkeit ist daher nicht nur aus finanziellen, sondern auch vielen
weiteren Gründen eine hohe Priorität einzuräumen.
27
Arbeit
• schafft soziale Kontakte und Beziehungen.
• ermöglicht die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben.
• fördert Aktivität.
• strukturiert den Tagesablauf.
• gibt dem Menschen eine anerkannte Rolle und einen sozialen
Status und unterstützt damit die Bildung einer subjektiven
Identität.
Dabei muss aber ebenso berücksichtigt werden, dass der
Betroffene einer wie auch immer gearteten Arbeitstätigkeit
ge­wachsen sein muss, denn auch Druck und Überforderung
können eine Akutphase auslösen. Eine besondere Rolle spielt
hier der so­genannte Reha-Druck, d. h. die Vorgabe, innerhalb
einer be­stimmten Frist mit einer bestimmten Maßnahme das
vor­gege­bene Ziel zu erreichen.
Praxistipps
Folgende Tipps sind bei Menschen mit psychotischen
Störungen, die einen Arbeitsplatz haben, zu beachten:
• In einer Akutphase kann die Gefahr bestehen, dass der Patient
der Arbeit fernbleibt, ohne beim Arzt eine Krank­meldung
(= AU-Bescheinigung) zu besorgen. Angehörige können hier
helfen, indem sie zum Arztbesuch motivieren oder beim Arzt
einen Hausbesuch erbitten. Die AU-Bescheinigung muss an
den Arbeitgeber und an die Krankenkasse geschickt werden.
Ohne AU-Bescheinigung gefährdet der Patient sowohl seinen
Arbeitsplatz als auch eine spätere Krankengeldzahlung (siehe
auch S. 39).
• Wenn ein Arbeitnehmer gekündigt wird, endet die Pflicht­
mitgliedschaft in der Krankenkasse. Er muss sich dann rechtzeitig um seinen Krankenversicherungsschutz kümmern,
Details siehe S. 70.
28
Stufenweise
Wiedereingliederung
Patienten mit schweren Psychosen sind aufgrund der
Erkrankung häufig über Wochen oder Monate arbeits­unfähig.
Oft fühlen sie sich nicht in der Lage einen normalen
Arbeitstag durchzustehen. Ziel der Stufenweisen Wieder­
eingliederung (sogenanntes „Hamburger Modell“) ist,
arbeitsunfähige Arbeit-nehmer nach längerer schwerer
Krankheit schrittweise an die volle Arbeits­belastung heran­
zuführen und so den Übergang zur vollen Berufs­tätigkeit zu
erleichtern.
Die Stufenweise Wiedereingliederung ist eine Maßnahme der
Medizinischen Rehabilitation. Findet sie im unmittelbaren
Anschluss an eine medizinische Rehamaßnahme statt, d. h. wird
sie innerhalb von 14 Tagen nach der Entlassung aus einer Reha­
klinik angetreten, ist die Rentenversicherung der Kostenträger.
Trifft dies nicht zu, ist in den meisten Fällen die Kranken­
versicherung zuständig.
Für eine Stufenweise Wiedereingliederung müssen folgende
Voraussetzungen vorliegen:
• Es besteht noch Anspruch auf Krankengeld bzw. der Arbeitnehmer ist noch arbeitsunfähig (siehe S. 38).
• Der Versicherte ist mit der Maßnahme einverstanden.
• Der Arzt stellt einen Wiedereingliederungsplan auf.
• Der Arbeitgeber erklärt sich mit der Maßnahme einverstanden.
• Der Versicherte wird am bisherigen Arbeitsplatz eingesetzt.
Voraussetzungen
Die Dauer der Wiedereingliederung ist abhängig vom indivi­duellen gesundheitlichen Zustand des Arbeitnehmers. In der
Regel dauert sie 6 Wochen bis 6 Monate. Der Arbeitnehmer
ist während der Maßnahme weiterhin arbeitsunfähig.
Dauer
In der Regel erhält der Versicherte während der Wieder­eingliederung weiterhin Krankengeld von der Krankenkasse
bzw. Übergangsgeld vom Rentenversicherungsträger. Falls der
Arbeitgeber während der Maßnahme freiwillig Arbeitsentgelt
entrichtet, dann wird dies darauf angerechnet.
Entgelt
29
Praxistipps!
Vorgehensweise
• Dem Arbeitsversuch muss als Erstes aus medizinischer Sicht
zugestimmt werden: Nach Überzeugung des Arztes dürfen
einer Stufenweisen Wiedereingliederung keine medizinischen
Gründe entgegenstehen.
• Der Versicherte muss die Stufenweise Wiedereingliederung
selbst wollen.
• Arzt und Patient füllen gemeinsam den Antrag auf Stufen­
weise Wiedereingliederung aus. Dieses Formular hat jeder
Arzt vorliegen. Es kann bei der Krankenkasse oder beim
Rentenversicherungsträger angefordert werden.
• Arzt und Patient erstellen gemeinsam einen „Wiedereingliede­rungsplan“, aus dem hervorgeht, mit welcher Tätigkeit
und Stundenzahl begonnen wird und in welchem Zeitraum
Art und Umfang der Tätigkeit gesteigert werden.
• Der Antrag wird dem Arbeitgeber vorgelegt – von ihm hängt
die Stufenweise Wiedereingliederung ab: Er muss sein Ein­
verständnis mit der Maßnahme mit einer Unterschrift
bestätigen, ist dazu aber nicht verpflichtet.
• Schwerbehinderte Arbeitnehmer haben gegenüber dem
Arbeitgeber einen Anspruch auf Zustimmung zur Stufen­
weisen Wiedereingliederung, vorausgesetzt es liegt eine
ärztliche Bescheinigung vor, die einen Wiedereingliederungsplan und eine Prognose über den Zeitpunkt der zu
erwartenden Wiedererlangung der vollen Arbeitsfähigkeit
enthält.
• Es empfiehlt sich, eine Stellungnahme des Betriebsarztes bzw.
des MDK einzuholen.
• Der Antrag wird bei der Krankenkasse eingereicht. Diese prüft,
ob sie der Maßnahme zustimmt. Zum Teil bezieht auch die
Krankenkasse den MDK mit ein.
• Haben alle Beteiligten zugestimmt, kann die Maßnahme
beginnen.
• Während der eingeschränkten Beschäftigung bleibt der
Versicherte weiterhin arbeitsunfähig geschrieben.
Wer hilft weiter?
Informationen geben die Krankenkassen, Rentenversicherungsträger, der behandelnde Arzt und der Arbeitgeber.
30
Nachteilsausgleiche
bei Schwerbehinderung
Wenn ein Betroffener mit psychotischen Störungen als
schwer­­behindert (Details siehe S. 77) anerkannt ist, genießt er
einen besonderen Kündigungsschutz, bekommt zusätzlich fünf
bezahlte Urlaubstage im Jahr und kann eine vorgezo­gene
Altersrente ab 63 Jahren oder – mit Rentenkürzung – ab
60 Jahren beantragen.
Personen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50,
aber mindestens 30, können sich Schwerbehinderten gleich­
stellen lassen (Details siehe S. 80), wenn sie dann einen Arbeitsplatz erlangen oder behalten können.
Wer hilft weiter?
Hilfreiche Anlaufstelle für alle Fragen zu Arbeit bei Schwerbe­hinderung sind die Integrationsfachdienste. Sie
• unterstützen berufsbegleitend, wenn eine Arbeitsstelle
vorhanden ist, und
• vermitteln in Arbeit, wenn der Betroffene arbeitslos ist.
Zweiter Arbeitsmarkt und
Integrationsprojekte
Hat der Patient kein Arbeitsverhältnis (mehr) und ist die
Aufnahme einer Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt
nicht möglich, kommen Projekte auf dem sogenannten
zweiten Arbeitsmarkt in Frage.
Auf dem zweiten Arbeitsmarkt gibt es eine große Vielfalt von
Projekten, die regional sehr unterschiedlich ausgeprägt sind und
meist von mehreren Kostenträgern gemeinsam getragen werden.
Finanzierung und Träger
31
Mögliche Träger, Partner und/oder Geld­geber sind z. B.:
• Agentur für Arbeit
• Integrationsamt, Integrationsfachdienst
• Sozialpsychiatrischer Dienst (siehe S. 25), psychosozialer Dienst
• Gemeinden, Städte, Landkreise, Bezirke
• Ministerien, hier oft Sonderförderprogramme
• Aktion Mensch, Lebenshilfe
•Behindertenwerkstätten
• Wohlfahrtsverbände wie Caritas, Diakonie, Rotes Kreuz
•Kirchen
• Stiftungen und Spenden
•Firmen
Für die Beschäftigten handelt es sich dann zum Teil auch um
so­ge­nannte Ein-Euro-Jobs (= „Arbeitsgelegenheiten mit
Mehrauf­wand­entschädigungen nach SGB II“). Sie geben den
Beschäf­tigten die Möglichkeit, über den öffentlichen und
sozialen Sektor im Berufsleben wieder Fuß zu fassen und die
tagtägliche Arbeits­fähigkeit zu testen, Details siehe S. 46.
Integrationsfirmen
Integrationsfirmen können zusammen mit mehreren der eben
genannten Partner betrieben werden, aber auch unabhängig
agieren. Sie arbeiten wie ein normales Unternehmen und bieten
ihre Leistungen an, sind aber gleichzeitig gemeinnützig und
werden gefördert, weil sie einen besonderen Aufwand durch die
Struktur ihrer Mitarbeiter haben. Überwiegend sind diese Unter­
nehmen im handwerklichen und im Dienstleistungssektor aktiv.
Nach Angaben der Bundesarbeitsgemeinschaft Integrations­
firmen gibt es in Deutschland rund 600 Integrationsfirmen und
-projekte in den verschiedensten Branchen: von industrieller
Fertigung über Dienstleistungen, Handel, Handwerk, Hotel- und
Gaststättengewerbe bis hin zu Multimedia- und IT-Firmen.
Die Integrationsziele der Firmen sind unterschiedlich. Sie reichen
von der Ausbildung und Umschulung über die Hilfe zur Ver­­­mitt­lung in den ersten Arbeitsmarkt bis hin zur dauerhaften
Beschäf­tigung unter geschützten Arbeitsbedingungen.
Zum Teil bieten auch reguläre Firmen beschützte oder integrative
Arbeitsplätze für Menschen mit psychischen Störungen an.
Wer hilft weiter?
Eine Auflistung von Integrationsfirmen finden Sie bei der
Bundesarbeitsgemeinschaft Integrationsfirmen,
Telefon 06131 6035520 oder 030 2512082 im Internet unter
www.bag-if.de
32
Das Problem bei den meisten bisher genannten Arbeits­­mög­lichkeiten ist, dass sie von einer kontinuierlichen Vollzeitbe­schäftigung ausgehen. Das ist eine große Hürde für Menschen
mit Psychosen. Hilfreich sind hier sogenannte „Zuverdienst­
projekte“ für Menschen mit psychischen Störungen.
Zuverdienstprojekte
Sie bieten Arbeits- und Trainingsmöglichkeiten für weniger
als 20 Wochenarbeitsstunden und passen ihre Anforderungen
mit folgenden Maßnahmen an die Leistungsfähigkeit des
jewei­ligen Betroffenen an:
• Flexible Arbeitszeiten
• Flexible Arbeitsgeschwindigkeit und -produktivität,
bei Bedarf viele Pausen
• Rücksicht auf Leistungsschwankungen und Krankheitsausfälle
• Keine zeitliche Befristung der Beschäftigung (Loslösung von
Bewilligungszeiträumen)
• Kein Reha-Druck mit Zielvorgabe: Mitarbeiter können auch
„einfach so“ bleiben.
Die Trägerschaft ist ebenso vielfältig wie oben genannt, zum Teil
sind die Projekte an Integrationsfirmen (siehe S. 31) oder Tages­
stätten (siehe unten) angegliedert. Trotz der flexiblen Vorgaben
müssen wirtschaftlich verwertbare Produkte oder Dienst­leis­tungen erbracht werden. Kosten und Gehalt müssen erwirtschaftet werden, die Qualität der Arbeit muss stimmen und die
Entlohnung ist abhängig von der Arbeitsleistung.
33
Tages- und Werkstätten
für behinderte Menschen
Tagesstätten sind Einrichtungen, in denen Menschen mit
psychischen Störungen an Wochentagen tagsüber betreut
und zur Beschäftigung angeleitet werden.
Die Einrichtungen sind immer möglichst niedrigschwellig,
je nach Konzept ist das Kommen und Fernbleiben freiwillig
oder verbindlich. Mit der Tagesgestaltung in der Tagesstätte
beginnen die Betroffenen, eine Tagesstruktur aufzubauen und
einfache Aufgaben zu übernehmen.
Typische Angebote und Hilfen einer Tagesstätte sind:
• Tagesstrukturierende Angebote
• Förderung sozialer Kontakte
• Kreativkurse oder -arbeit mit Farben, Holz, Ton, Musik,
Förderung persönlicher Interessen
• Anleitung bei Dingen des alltäglichen Lebens
• Kognitive Arbeit (auch am PC)
• Entspannung und Bewegung
• Ausflüge und Ferienfreizeiten
• Unterstützung bei Behörden- und Wohnungsangelegenheiten
Häufig sind an Tagesstätten Beratungsangebote angegliedert,
die bei sozialrechtlichen Fragen helfen oder bei der Suche nach
Reha, Therapie- oder Arbeitsmöglichkeiten. Bisweilen machen
sie auch selbst solche Angebote. Manche Tagesstätten sind als
Vereine oder Clubs organisiert. In der Regel stellen sie dann an
die sozialen Fähigkeiten der Mitglieder höhere Anforderungen
und fordern eine etwas höhere Verbindlichkeit, z. B. durch die
Übernahme von Pflichten zu bestimmten Zeiten.
Manche Werkstätten für behinderte Menschen bieten
spezielle Arbeitsmöglichkeiten für Menschen mit psychischen
Behinde­rungen. Informationen zur Schwerbehinderung siehe
S. 77.
Wer hilft weiter?
Auf der Suche nach geeigneten Arbeitsmöglichkeiten helfen der
Sozialdienst in der Klinik, der ambulante Sozialpsychiatrische
Dienst (siehe S. 25), alle Träger mit entsprechenden Angeboten,
das sind meist Wohlfahrtsverbände, aber auch Gemeinden und
Vereine, sowie mögliche Kostenträger, z. B. Integrationsamt oder
Agentur für Arbeit.
34
Berufsfindung und
Arbeitserprobung
Berufsfindung und Arbeitserprobung dienen dazu, den
geeignetsten Weg der beruflichen (Wieder-)Eingliederung
zu finden.
Sie zählen zu den Leistungen der Teilhabe am Arbeitsleben (siehe
S. 63). In der Regel geht es dabei um das Finden und Erproben
eines neuen beruflichen Umfelds.
Die Maßnahmen werden meist in Berufsförderungs- und Berufsfindungswerken durchgeführt. Einige von ihnen haben sich auf
die Berufsfindung für psychisch kranke Menschen spezialisiert.
• Die Berufsfindung klärt das Leistungsvermögen, die Eignung
und Neigung sowie die Auswirkungen der Behinderung auf
eine spätere berufliche Tätigkeit des Versicherten.
• Die Arbeitserprobung soll nach weitgehender Klärung und
Entscheidung für einen Beruf noch bestehende Fragen zu bestimmten Ausbildungs- und Arbeitsplatzanforderungen klären.
Beim Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen übernimmt
der Rentenversicherungsträger die Kosten. Die Krankenkasse zahlt
nachrangig. Bei Geringverdienenden oder nicht Versicherten
kommt unter Umständen das Sozialamt für die Kosten auf.
Kostenübernahme
Praxistipps!
Die Anmeldung erfolgt durch den Reha-Träger in Abstimmung
mit den Fachdiensten der Agentur für Arbeit.
Erforderliche Unterlagen:
• Eingliederungsplan, der vom Reha-Träger zusammen mit der
Agentur für Arbeit vor Ort und dem Behinderten erstellt wird
• Eignungsgutachten des Fachpsychologen
• ärztliche Gutachten mit Befundunterlagen
• Kostenzusage des Reha-Trägers
Ein Verzeichnis der bundesweiten Berufsförderungswerke ist
mit der Bestellnummer A 714 erhältlich beim Bundesministerium
für Arbeit und Soziales oder kann unter www.bmas.de >
Publikationen > Suchwort „Berufsförderungswerke“ herunter­
geladen werden.
35
Wer hilft weiter?
Fragen beantworten der jeweils zuständige Sozialversicherungsträger oder die Service­stellen. Letztere klären im Zweifelsfall
auch ab, welcher Träger für die Berufsfindung und Arbeits­
erprobung zuständig ist.
Arbeitstherapie und
Belastungserprobung
Arbeitstherapie und Belastungserprobung unterstützen die
Wiedereingliederung in das Arbeitsleben und gehören zu den
Leistungen der Medizinischen Rehabilitation (siehe S. 60).
Als Arbeitstherapie gelten die Ausbildung und Klärung von
•Handfertigkeiten,
• handwerklich-technischen Fähigkeiten und/oder
• geistig-psychischen Befähigungen (z. B. Interesse, Ausdauer,
Pünktlichkeit, Auftreten im Arbeitsmilieu, Kontaktfähigkeit,
Kooperationsbereitschaft)
zur Vorbereitung auf die Arbeitsaufnahme im alten Beruf.
Als Belastungserprobung gelten
• die Feststellung der körperlichen und geistig-seelischen
Leistungsbreite durch praktische Überprüfung oder Tests.
• die Ermittlung der Eignung eines Menschen für die allgemeine
soziale oder berufliche Wiedereingliederung in den erlernten
oder einen neuen, angemessenen Beruf.
Kostenübernahme
Die Krankenkassen, die Rentenversicherungsträger oder die
Be­rufsgenossenschaften übernehmen unter bestimmten Voraus­­
set­zungen die Kosten. Bei Geringverdienenden oder nicht
Ver­si­cherten kommt unter Umständen das Sozialamt für die
Kosten auf.
Die Kosten werden nur übernommen, wenn die Maßnahmen
ärztlich verordnet sind und wenn noch nicht abschließend
beurteilt werden kann, welche Leistungen zur Teilhabe am
Arbeitsleben (siehe S. 63) für den Versicherten notwendig sind.
36
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Finanzielle Leistungen
bei Arbeitsunfähigkeit
und Arbeitslosigkeit
37
Arbeitsunfähigkeit
Menschen, die an einer Psychose leiden, sind aufgrund der
Erkrankung häufig arbeitsunfähig, teilweise über Wochen
und Monate. Oft fühlen sie sich nicht in der Lage einen
normalen Arbeitsalltag durchzustehen.
Definition „Arbeitsunfähigkeit“:
Arbeitsunfähigkeit (AU) ist ein durch Krankheit oder Unfall
hervorgerufener regelwidriger Körper- oder Geisteszustand,
aufgrund dessen der in der Kranken- und Unfallversicherung
Versicherte seine bisherige Erwerbstätigkeit nicht oder nur
unter Gefahr der Verschlimmerung des Zustands weiter
ausüben kann.
Die AU ist Voraussetzung für Entgeltfortzahlung und Krankenoder Verletztengeld. Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, dem
Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit und die voraussichtliche
Dauer unverzüglich mitzuteilen.
Arbeitsunfähigkeit: Welche Hilfen greifen wann?
Nachfolgend eine vereinfachte grafische Darstellung,
welche Hilfen greifen (können), wenn ein Arbeitnehmer längere Zeit arbeitsunfähig ist.
Arbeitsunfähigkeit (Krankmeldung) – Seite 38
Entgeltfortzahlung vom Arbeitgeber
(in der Regel 6 Wochen) – Seite 39
Krankengeld von der Krankenkasse
(bis max. 78 Wochen) – Seite 39
Aussteuerung aus der Krankenkasse – Seite 41
Erwerbsminderungsrente
Seite 83
38
Arbeitslosengeld
bei Arbeitsunfähigkeit
Seite 42
Medizinische Rehabilitation
Seite 60
Berufliche Reha – Seite 63
Übergangsgeld – Seite 67
Entgeltfortzahlung
Entgeltfortzahlung erhalten alle Arbeitnehmer – auch
geringfügig Beschäftigte, unabhängig von der wöchentlichen
Arbeitszeit –, die ein ununterbrochenes Arbeitsverhältnis
von mindestens 4 Wochen haben.
Die AU muss ohne Verschulden des Arbeitnehmers eingetreten
sein. Die gesetzliche Anspruchsdauer auf Entgelt­fort­zahlung
beträgt6 Wochen. Die Entgeltfortzahlung beträgt 100 % des
bisherigen üblichen Arbeitsentgelts, dazu zählen auch regel­
mäßig gewährte Zulagen sowie Urlaubsgeld und Weihnachtsgeld.
Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als 6 Wochen, erhält der
Versicherte Krankengeld.
Um Entgeltfortzahlung zu erhalten, müssen bestimmte
Voraussetzungen erfüllt sein:
• Entgeltfortzahlung erhalten alle Arbeitnehmer, auch
geringfügig Beschäftigte und Auszubildende, unabhängig
von der wöchentlichen Arbeitszeit, die ein ununterbrochenes
Arbeitsverhältnis von mindestens 4 Wochen haben.
• Die AU muss ohne Verschulden des Arbeitnehmers eingetreten
sein.
Im Anschluss an die Entgeltfortzahlung erhalten die meisten
Arbeitnehmer Krankengeld.
Voraussetzungen
Krankengeld
Krankengeld erhalten versicherte Patienten von der
Kranken­kasse, wenn sie länger als 6 Wochen arbeitsunfähig
sind. Das Krankengeld ist eine sogenannte Lohnersatz­
leistung, d. h., sie wird nur gezahlt, wenn nach 6 Wochen
kein Anspruch (mehr) auf Lohnfortzahlung durch den
Arbeitgeber besteht.
Voraussetzungen für den Erhalt von Krankengeld:
• Grundsätzlicher Anspruch auf Krankengeldbezug durch die
Krankenversicherung
• Arbeitsunfähigkeit aufgrund Krankheit oder stationärer
Behandlung in Krankenhaus, Vorsorge- oder Reha-Einrichtung
auf Kosten der Krankenkasse
• Es handelt sich immer um dieselbe Krankheit bzw. um eindeutige Folgeerkrankungen derselben Grunderkrankung. Tritt
während der Arbeitsunfähigkeit eine weitere Krankheit auf,
verlängert sich die Leistungsdauer dennoch nicht.
Voraussetzungen
39
Höhe
Das Krankengeld beträgt 70 % des Bruttogehalts, maximal aber
90 % des Nettogehalts. Der Höchstbetrag liegt bei 94,50 e
täglich.
Dauer
Krankengeld gibt es wegen derselben Krankheit für eine maximale Leistungsdauer von 78 Wochen innerhalb von je 3 Jahren
ab Beginn der Arbeitsunfähigkeit. Dabei handelt es sich um die
sogenannte Blockfrist.
Eine Blockfrist beginnt mit dem erstmaligen Eintritt der Arbeitsunfähigkeit für die ihr zugrunde liegende Krankheit. Bei jeder
Arbeitsunfähigkeit wegen einer anderen Erkrankung beginnt
eine neue Blockfrist. Es ist möglich, dass mehrere Blockfristen
nebeneinander laufen.
Wenn jedoch dieselbe Krankheit, z. B. die Schizophrenie, einen
Krankheitsschub (Akutphase) bewirkt, gilt dieselbe Block­frist.
Die Leistungsdauer verlängert sich auch nicht, wenn während
einer Arbeitsunfähigkeit eine weitere Krankheit hinzutritt. Es
bleibt bei maximal 78 Wochen.
Zeiten, in denen der Anspruch auf Krankengeld zwar theoretisch
besteht, aber tatsächlich ruht oder versagt wird, werden wie
Bezugszeiten von Krankengeld angesehen.
Beispiel
Der Arbeitgeber zahlt bei Arbeitsunfähigkeit des Arbeit­
nehmers dessen Arbeitsentgelt bis zu 6 Wochen weiter
(§ 3 EntgeltfortzahlungsG), d. h.: Der Anspruch auf Krankengeld besteht zwar, aber er ruht (§ 49 Abs. 1 SGB V).
Erst danach gibt es Krankengeld. Die 6 Wochen Entgelt­
fortzahlung werden aber wie Krankengeld-Bezugszeiten
behandelt, so dass noch maximal 72 Wochen (78 Wochen
abzüglich 6 Wochen = 72 Wochen) Krankengeld gezahlt wird.
Wegfall des Krankengeldes
bei fehlender Mitwirkung
40
Wenn der behandelnde Arzt oder der Arzt des MDK die
Erwerbsfähigkeit des Versicherten als erheblich gefährdet
oder gemindert einschätzt und dies der Krankenkasse mitteilt
(häufig kontaktieren die Krankenkassen Ärzte gezielt mit dieser
Fragestellung, um den weiteren Rehabilitationsbedarf abzu­
klären), kann die Krankenkasse dem Versicherten eine Frist von
10 Wochen setzen, um einen Antrag auf Rehamaßnahmen zu
stellen.
Kommt der Versicherte dieser Aufforderung nicht fristgerecht
nach, ruht mit Ablauf der Frist der Anspruch auf Krankengeld und
die Mitgliedschaft bei der Krankenkasse in ihrer bisherigen
Form endet. Um weiter krankenversichert zu bleiben, bietet die
zuständige Krankenkasse in der Regel die Möglichkeit der freiwilligen Versicherung oder der Familienversicherung an. Wird
der Antrag später gestellt, lebt der Anspruch auf Krankengeld
mit dem Tag der Antragstellung wieder auf.
Zu beachten ist hierbei, dass der Rentenversicherungsträger
nach Prüfung des Antrags auch zur Erkenntnis kommen kann,
dass Rehabilitationsmaßnahmen keine Aussicht auf Erfolg
(Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit) mehr haben und den
Antrag auf Rehamaßnahmen dann direkt in einen Antrag auf
Erwerbsminderungsrente umwandelt.
Wird der Anspruch auf Krankengeld (78 Wochen Arbeitsunfähigkeit innerhalb von 3 Jahren wegen derselben Erkrankung)
ausgeschöpft und ist der Versicherte noch immer arbeitsunfähig,
endet auch seine Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung! Dieser Vorgang wird Aussteuerung genannt.
Aussteuerung:
Ende des Krankengelds
durch Höchstbezugsdauer
In der Regel informieren die Krankenkassen das Mitglied
2–3 Monate vor der Aussteuerung. Damit weiter ein Anspruch
auf medizinische Leistungen besteht, ist es wichtig Mitglied
der Krankenkasse zu bleiben.
Es gibt folgende Möglichkeiten:
• Freiwillige Versicherung bei einer gesetzlichen Krankenkasse
• Familienversicherung (wenn z. B. der Ehemann/die Ehefrau
Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse ist)
• Beantragung von Arbeitslosengeld bei Arbeitsunfähigkeit,
einer Sonderform des Arbeitslosengelds im Sinne der Naht­
losigkeit
Praxistipp!
Ist abzusehen, dass der Krankengeldbezug endet, sollte sich
der Betroffene unbedingt rechtzeitig mit der Krankenkasse in
Verbindung setzen, um den künftigen Versicherungsschutz zu
klären. Nach Ende der Mitgliedschaft besteht für Krankengeldbezieher noch für einen Monat ein sogenannter nachgehender
Leistungsanspruch, allerdings ohne Krankengeld. Wer keinen
Anspruch auf eine kostenfreie Familienversicherung hat, sollte
daher spätestens innerhalb dieses Monats eine freiwillige Mitgliedschaft bean­tragen. Da die freiwillige Mitgliedschaft sich
unmittelbar an den Tag des Endes der Mitgliedschaft anschließen
muss, besteht auch keine Möglichkeit, diese erst zum Ende des
nachgehenden Leistungsanspruchs beginnen zu lassen.
41
Arbeitslosengeld
Die Regelungen zum Arbeitslosengeld sind von vielen
individuellen Voraussetzungen abhängig und teilweise
sehr kompliziert. Genaue und verbindliche Auskünfte
geben die Agen­turen für Arbeit.
Arbeitslosengeld gibt es normalerweise 12 Monate lang. Wer bei
Beginn der Arbeitslosigkeit mindestens 50 Jahre alt ist, hat einen
längeren Anspruch, je nach Alter bis zu 24 Monate. Das Arbeitslosengeld beträgt 60 % (ohne Kinder) bzw. 67 % vom letzten
Nettogehalt.
Voraussetzungen für den Erhalt von Arbeitslosengeld sind:
•Arbeitslosigkeit
• 65. Lebensjahr noch nicht vollendet
• Bereitschaft, der Arbeitsvermittlung zur Verfügung zu stehen
• Persönliche Arbeitslosenmeldung
• Erfüllung der Anwartschaftszeit
Die Anwartschaftszeit ist erfüllt, wenn der Antragsteller in
den letzten 2 Jahren vor der Arbeitslosmeldung und dem
Eintritt der Arbeitslosigkeit mindestens 12 Monate in einem
Versicherungspflichtverhältnis stand.
Krankheitsschub während
Arbeitslosengeld
Treten bei einem Empfänger von Arbeitslosengeld massive
psychotische Störungen auf, muss er sich bei der Agentur für
Arbeit arbeitsunfähig melden. Ab diesem Tag bekommt er noch
6 Wochen Leistungsfortzahlung und anschließend Kranken­geld
von der Krankenkasse (siehe S. 39) in Höhe des Arbeits­losengelds.
Arbeitslosengeld bei
Arbeitsunfähigkeit
Ist die Arbeitsfähigkeit eines Arbeitslosen gemindert, gibt es
als Sonderform das Arbeitslosengeld bei Arbeitsunfähigkeit,
die sogenannte Regelung im Sinne der Nahtlosigkeit.
Diese Zahlung überbrückt die Zeit ohne Arbeitslosengeld (weil
man nicht vermittelt werden kann), bis eine andere Leistung,
z. B. Weiterbildung oder Rente, gezahlt wird.
Wer hilft weiter?
Die örtliche Agentur für Arbeit hilft bei allen Fragen des Arbeits­
losengelds und führt individuelle Berechnungen durch.
42
Grundsicherung für
Arbeitssuchende (Hartz IV)
Die „Grundsicherung für Arbeitssuchende“ (SGB II) umfasst
Leistungen für erwerbsfähige, hilfebedürftige Menschen
von 15 bis 65 Jahren und 3 Monate (Stand 2014).
Die bekannteste Leistung ist das Arbeitslosengeld II (= ALG II,
siehe S. 47).
Die Grundsicherung wurde 2005 eingeführt und ist als „Hartz IV“
bekannt. Leistungen erhalten auch Personen, die mit erwerbs­
fähigen Hilfebedürftigen in einer Bedarfsgemeinschaft leben.
Erwerbsfähig ist, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung
auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedin­
gungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 3 Stunden
täg­lich zu arbeiten.
Erwerbsfähigkeit
Zumutbarkeit von Arbeit
Grundsätzlich ist jede Arbeit zumutbar, auch wenn
• sie nicht dem früheren Beruf oder der Ausbildung entspricht.
• der Beschäftigungsort weiter entfernt ist als der frühere.
• die Bedingungen ungünstiger sind als bei der letzten Tätigkeit.
Arbeit ist unzumutbar, wenn
• der Hilfebedürftige dazu geistig, seelisch und körperlich nicht
in der Lage ist.
• die Arbeit dem Hilfebedürftigen die künftige Ausübung seiner
bisherigen überwiegenden Tätigkeit wesentlich erschweren
würde, weil die bisherige Tätigkeit besondere körperliche
An­for­derungen stellt.
• die Arbeit die Erziehung eines Kindes oder des Kindes eines
Lebenspartners gefährden würde. Die Erziehung eines Kindes,
das das 3. Lebensjahr vollendet hat, ist in der Regel nicht
gefährdet, soweit seine Betreuung in einer Tageseinrichtung
oder in Tagespflege oder auf sonstige Weise sichergestellt ist.
• die Arbeit mit der Pflege eines Angehörigen nicht vereinbar
wäre und die Pflege nicht auf andere Weise sichergestellt
werden kann.
• der Ausübung der Arbeit ein sonstiger wichtiger Grund
entgegensteht.
Ablehnung von Arbeit
Wird zumutbare Arbeit oder Ausbildung, Erwerbsfähigkeit oder
Eingliederungsmaßnahme erstmalig abgelehnt, kann dies zu
einer Kürzung der Regelleistung zwischen 30 und 100 % führen.
43
Hilfebedürftigkeit
Hilfebedürftig sind Menschen, wenn sie ihren Lebens­unterhalt
nicht aus eigenem Einkommen und Vermögen be­streiten können.
Auf die Leistungen der Grundsicherung für Arbeits­suchende wird
eigenes Einkommen und vorhandenes Ver­mögen angerechnet.
Zu berücksichtigendes Einkommen
Grundsätzlich zählen alle Einnahmen in Geld oder geldwerten
Vorteilen zum Einkommen, z. B.:
• Einnahmen aus Arbeit (selbstständig oder abhängig beschäftigt)
• Arbeitslosengeld oder Krankengeld
•Unterhaltsleistungen
• Elterngeld über 300,– e
(bei doppeltem Bezugszeitraum über 150,– e)
• Kapital- oder Zinserträge
Nicht zum Einkommen zählen z. B.:
• Kindergeld und Kinderzuschlag (= Einkommen des Kindes)
• Elterngeld bis 300,– e bzw. 150,– e
•Blindengeld
•Pflegegeld
• Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz,
Rente nach dem Bundesentschädigungsgesetz
Vom Einkommen sind unter anderem abzuziehen:
• Steuern und Sozialabgaben
• Beiträge zu öffentlichen oder privaten Versicherungen, soweit
diese Beiträge gesetzlich vorgeschrieben oder angemessen sind
• geförderte Altersvorsorgebeiträge
Einkommen und Freibetrag
Einkommen aus Erwerbstätigkeit von ALG-II-Empfängern ist auf
das ALG II bis auf einen monatlichen Freibetrag anzurechnen.
Er beträgt mindestens 100,– e (= Grundfreibetrag) und steigt
mit steigendem Einkommen. Die individuelle Berechnung führt
die Agentur für Arbeit durch.
Als Vermögen sind alle verwertbaren Vermögensgegenstände
zu berücksichtigen, mit folgenden Ausnahmen:
• Grundfreibetrag
–Ein Grundfreibetrag in Höhe von 150,– e je vollendetem
Lebensjahr des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und seines
Partners, mindestens jeweils 3.100,– e.
– Grundfreibetrag für Menschen, die von 1948 bis 1957
geboren sind: maximal 9.750,– e.
–Grundfreibetrag für Menschen, die von 1958 bis 1963
geboren sind: maximal 9.900,– e.
44
–Grundfreibetrag für Menschen, die ab dem 1.1.1964
geboren sind: maximal 10.050,– e.
–Grundfreibetrag für jedes hilfebedürftige minderjährige
Kind: 3.100,– e.
• Private Altersvorsorge
–Altersvorsorge (z. B. Riester-Anlageformen), welche aufgrund von bundesgesetzlichen Vorschriften ausdrücklich
als Altersvorsorge gefördert wird, wird einschließlich
ihrer Erträge bei erwerbsfähigen Hilfebedürftigen nicht
berücksichtigt – allerdings nur, wenn der Inhaber die Altersvorsorge nicht vorzeitig verwendet.
– Weiteres Vermögen, das der Altersvorsorge dient, bis zu
einer Höhe von 750,– e je vollendetem Lebensjahr des
erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und seines Partners, ist
anrechnungsfrei. Auch hier gilt: Nur wenn das Vermögen
aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung nicht vor dem
Renteneintritt verwertet werden kann.
• Freibetrag für notwendige Anschaffungen in Höhe von 750,– e
für jeden in der Bedarfsgemeinschaft lebenden Hilfebedürftigen.
•Angemessener Hausrat.
•Angemessenes Kraftfahrzeug für jeden in der Bedarfsgemeinschaft lebenden Hilfebedürftigen.
•Selbstgenutztes Hausgrundstück von angemessener Größe
oder eine entsprechende Eigentumswohnung.
• Vermögen, solange es nachweislich zur baldigen Beschaffung
oder Erhaltung eines Hausgrundstücks von angemessener Größe
bestimmt ist, so weit dieses zu Wohnzwecken behinderter oder
pflegebedürftiger Menschen dient oder dienen soll und dieser
Zweck durch den Einsatz oder die Verwertung des Vermögens
gefährdet würde.
• Sachen und Rechte, sobald deren Verwertung unwirtschaftlich
wäre oder für den Betroffenen eine besondere Härte bedeuten
würde.
Zur Bedarfsgemeinschaft gehören:
• erwerbsfähige Hilfebedürftige
• im Haushalt lebende Eltern oder ein im Haushalt lebender
Elternteil eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes unter
25 Jahren und der im Haushalt lebende Partner dieses Elternteils
• Partner des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen
• dem Haushalt angehörende unverheiratete Kinder unter
25 Jahren des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen oder seines
Partners, soweit sie nicht aus eigenem Einkommen oder
Vermögen ihren Lebensunterhalt sichern können
Bedarfsgemeinschaft
45
Überblick über
die Leistungen
Im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitssuchende bieten
die Agentur für Arbeit oder die Jobcenter folgende Leistungen:
• Dienstleistungen, z. B. Information, Beratung und umfassende
Unterstützung mit dem Ziel der Eingliederung in Arbeit.
Jeder ALG-II-Empfänger bekommt einen persönlichen
Ansprech­partner bei der Agentur für Arbeit, mit dem eine
Eingliede­rungs­vereinbarung abgeschlossen wird.
• Geldleistungen, z. B. zur Eingliederung der erwerbsfähigen
Hilfebedürftigen in Arbeit (siehe unten) sowie zur Sicherung
des Lebensunterhalts der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen
(ALG II) und der mit ihnen in einer Bedarfs­gemeinschaft
lebenden Personen (= Sozialgeld)
• Sachleistungen
Außerdem können weitere Leistungen zur Eingliederung in
Arbeit erbracht werden, z. B.:
• Betreuung minderjähriger oder behinderter Kinder oder
häusliche Pflege von Angehörigen
•Schuldnerberatung
• psychosoziale Betreuung
•Suchtberatung
Eingliederung
Als Leistungen zur Eingliederung gelten die „Arbeits­gele­gen­
heiten mit Mehraufwandentschädigungen“. Dabei handelt es
sich um die sogenannten „Ein-Euro-Jobs“.
Für Empfänger von ALG II, die keine Arbeit finden können,
können Kommunen, Verbände der freien Wohlfahrtspflege und
Stiftungen Arbeitsmöglichkeiten schaffen. Diese Arbeitsgelegenheiten dürfen auf keinen Fall reguläre Arbeitsplätze verdrängen.
Diese Jobs sollen täglich bis 8 Stunden ausgeübt werden, der
ALG-II-Empfänger bekommt pro Stunde zwischen 1,– und 2,– e
zusätzlich zum ALG II. Es entsteht kein arbeitsrechtliches Ver­
hältnis. Wird diese Arbeitsmöglichkeit abgelehnt, kommt es zu
Kürzungen des ALG II.
Bei entsprechender Auswahl und Begleitung können diese
Arbeitsmöglichkeiten auch seelisch beeinträchtigten Menschen
bei der Integration in den Arbeitsmarkt oder zu einer Ausbildung
verhelfen. Weitere geförderte und betreute Arbeitsmöglichkeiten
siehe S. 31.
Wer hilft weiter?
Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende werden
in der Regel von den örtlichen Agenturen für Arbeit, den Jobcentern sowie den kreisfreien Städten und Kreisen (kommunale
Träger) erbracht. Sie beraten, betreuen und führen individuelle
Berechnungen durch.
46
Arbeitslosengeld II
und Sozialgeld
Arbeitslosengeld II (ALG II) erhalten Arbeitslose nach dem
Ar­beitslosengeld, wenn sie erwerbsfähig und hilfebedürftig
sind.
Sozialgeld erhalten nicht erwerbsfähige Angehörige, die
mit er­werbsfähigen Hilfebedürftigen in Bedarfsgemeinschaft
leben, wenn sie keine Leistungen zur Grundsicherung im
Alter und bei Erwerbsminderung bekommen.
Erklärungen der Begriffe „erwerbsfähig“, „hilfebedürftig“ und
„Bedarfsgemeinschaft“ (siehe ab S. 43).
ALG II und Sozialgeld entsprechen dem Niveau der Sozialhilfe und setzen sich im Wesentlichen auch aus denselben
Bausteinen zusammen:
• Pauschalisierte Regelbedarfe (= Leistungen zur Sicherung des
Lebensunterhalts). Diese sollen die Kosten für Ernährung,
Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie ohne
Heiz­kosten, Bedarfe des täglichen Lebens und Teilnahme
am kulturellen Leben abdecken.
• Kosten für Unterkunft und Heizung
• Beiträge zur gesetzlichen Kranken-, Pflege- und Renten­
versicherng
• Einmalige Bedarfe
• Mehrbedarfe in besonderen Lebenssituationen
Höhe und Umfang
47
48
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Sozialhilfe
Wer nicht in der Lage ist, aus eigenen Kräften und mit eigenen Mitteln
seinen Lebensunterhalt zu bestreiten oder sich in besonderen Lebenslagen selbst zu helfen,
hat unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf Sozialhilfe.
49
Hilfebedürftige erwerbsfähige Menschen von 15 bis 65 Jahren,
die mindestens 3 Stunden am Tag arbeiten können, haben keinen
Anspruch auf Leistungen der Sozialhilfe, sondern auf Grundsicherung für Arbeitssuchende und deren wesentliche Leistung,
das Arbeitslosengeld II und Sozialgeld (siehe S. 47). Dieses entspricht in der Höhe der Sozialhilfe.
Umfang
Antrag
Nachrangigkeit
Vorleistung
50
Die Sozialhilfe umfasst folgende Leistungen:
• Hilfe zum Lebensunterhalt
• Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung
(siehe S. 55)
• Hilfen zur Gesundheit (entspricht den Leistungen der
Krankenkassen, inklusive der Pflicht zu Zuzahlungen)
• Eingliederungshilfe für behinderte Menschen
• Hilfe zur Pflege (entspricht den Leistungen der Pflegekassen)
• Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten
• Hilfe in anderen Lebenslagen
Alle Sozialhilfeleistungen müssen beim Sozialamt beantragt
werden.
Die Sozialhilfe ist gegenüber allen anderen Sozialversiche­rungs­
trägern nachrangig, d. h. die Sozialhilfe tritt immer erst dann
ein, wenn sich der Betroffene nicht selbst und auch nicht durch
seine unterhaltspflichtigen Angehörigen (Eltern, Kinder, Eheoder Lebenspartner) helfen kann und auch kein anderer Sozial­
versi­che­rungsträger (wie Krankenkasse, Pflegekasse, Berufs­
genossen­schaft, Agentur für Arbeit, Jugendamt, Renten­versicherung) zuständig ist und Leistungen erbringt.
In Vorleistung geht das Sozialamt, wenn sich die Auszahlung von
Leistungen anderer Sozialversicherungsträger verzögert. Dies ist
z. B. der Fall, wenn bei der Pflegekasse ein Antrag auf Pflege­
leistungen gestellt wurde, das Überprüfungsverfahren mehrere
Wochen dauert und die Pflege schon stattfindet.
Einsatz von Einkommen
und Vermögen
Sozialhilfe erhalten nur Personen, die ihren notwendigen
Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen
Mitteln, insbesondere aus eigenem Einkommen und Vermögen
beschaffen können.
Auch das Einkommen und Vermögen von nicht getrennt lebenden
Ehegatten oder Lebenspartnern ist zu berücksichtigen. Zudem ist
bei minderjährigen unverheirateten Kindern im Haushalt der
Eltern oder eines Elternteils auch das Einkommen und Vermögen
der Eltern/des Elternteils zu berücksichtigen.
Grundsätzlich zählen alle Einnahmen in Geld oder geldwerten
Vorteilen zum Einkommen, z. B.:
• Einnahmen aus Arbeit (selbstständig oder abhängig beschäftigt)
• Arbeitslosengeld oder Krankengeld
• Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung
• Elterngeld über 300,– e
(bei doppeltem Bezugszeitraum über 150,– e)
•Betreuungsgeld
Zu berücksichtigendes
Einkommen
Nicht zum Einkommen zählen z.B.:
•Landeserziehungsgeld
• Grundrente nach dem Bundesverordnungsgesetz (BGV)
• Renten oder Beihilfen nach dem Bundesentschädigungsgesetz
bis zur Höhe der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz
• Elterngeld in Höhe des Sockelbetrags von 300,– e bzw. 150,– e
(bei doppeltem Bezugszeitraum)
•Landeserziehungsgeld
• Mittel der Bundesstiftung „Mutter und Kind” und Zuwendungen
anderer Stiftungen, z. B. für Krebshilfe, für ConterganGeschädigte oder aus Aidshilfe-Fonds für durch Blut­konserven Infizierte
•Schmerzensgeld
• Pflegegeld (Pflegegeld Pflegeversicherung, Pflegegeld Sozialhilfe, Pflegegeld Unfallversicherung)
Vom Einkommen sind unter anderem abzuziehen:
• Steuern und Sozialabgaben
• Gesetzlich vorgeschriebene oder angemessene Versicherungsbeiträge
51
Zu berücksichtigendes
Vermögen
52
Neben dem Einkommen wird auch das Vermögen herangezogen.
Als Vermögen sind alle verwertbaren Vermögensgegenstände zu
berücksichtigen.
Ausnahmen bildet das sogenannte „Schonvermögen“:
• Grundfreibeträge (siehe S. 44)
• Existenzsicherungsmittel aus öffentlichen Mitteln, z. B.
Aufbaudarlehen, Wohnraum- und Hausratshilfen nach dem
Lastenausgleichsgesetz.
• Zusätzliche Altersvorsorge, die staatlich gefördert ist.
• Angemessener Hausrat, z. B. Möbel, Haushaltsgegenstände.
• Gegenstände zur Berufsausübung, z. B. Pkw bei Handelsvertretern, Arbeitsgeräte, Fachliteratur, Schutzkleidung.
• Familien- und Erbstücke, so weit der Verkauf eine besondere
Härte für den Hilfesuchenden bedeuten würde.
• Gegenstände für kulturelle oder wissenschaftliche Bedürfnisse,
z. B. Musikinstrumente, Stereoanlage, Handbibliothek, Schallplatten, Briefmarkensammlung.
• Ein nach Größe und Verkehrswert angemessenes und selbst
genutztes Hausgrundstück oder eine solche selbst genutzte
Eigentumswohnung.
• Kleinere Barbeträge oder sonstige Geldwerte bei Hilfe zum
Lebensunterhalt:
– maximal 1.600,– e für Hilfesuchende unter 60 Jahren.
– maximal 2.600,– e, wenn der Hilfesuchende das
60. Lebensjahr vollendet hat, voll erwerbsgemindert im
Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung ist oder Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung erhält.
• Kleinere Barbeträge oder sonstige Geldwerte bei Gesundheitshilfe, Eingliederungshilfe für Behinderte, Hilfe zur Pflege
(Pflege Sozialhilfe), Hilfe zur Überwindung besonderer Sozialer
Schwierigkeiten, Hilfe in anderen Lebenslagen:
– maximal 2.600,– e für Hilfesuchende, zuzüglich 256,– e
für jede vom Hilfesuchenden unterhaltene Person.
• Zusätzliche kleinere Barbeträge oder sonstige Geldwerte bei
allen Leistungen der Sozialhilfe:
– maximal 614,- e für den Ehegatten bzw. Lebenspartner des
Hilfesuchenden oder für einen Elternteil bei minderjährigen
unverheirateten Hilfesuchenden.
– maximal 1.534,- e für den Ehegatten bzw. Lebenspartner
der Hilfesuchenden oder für einen Elternteil bei minder­
jährigen unverheirateten Hilfesuchenden, wenn der Hilfe­
suchende und sein Ehegatte bzw. Lebenspartner oder
beide Elternteile blind (Blindenhilfe) oder schwerst pflegebedürftig (Pflegestufe III) sind.
– maximal 256,– e für jede vom Hilfesuchenden, Ehegatten,
Lebenspartner oder von den Eltern unterhaltene Person.
– maximal 256,– e für den minderjährigen unverheirateten
Hilfesuchenden selbst.
Sozialhilfeempfänger können 30 % des aus Erwerbstätigkeit
erzielten Einkommens, höchstens jedoch 195,50 e (= 50 % der
Regelbedarfsstufe 1) für sich behalten. Hier wird davon ausgegangen, dass eine Erwerbstätigkeit eines Sozialhilfeempfängers
einen geringeren Umfang als 3 Stunden pro Tag hat, denn bei
höherer Leistungsfähigkeit würde er Grundsicherung für Arbeitssuchende (siehe S. 43) erhalten.
Hinzuverdienst
Das Sozialamt klärt im Zuge seiner Leistung für den Hilfebedürftigen, ob dessen Angehörige unterhaltspflichtig sind. Es
wird unterschieden zwischen gesteigert Unterhalts­pflichtigen,
normal Unterhaltspflichtigen und nicht Unter­haltspflichtigen.
Unterhaltspflicht
Gesteigert unterhaltspflichtige müssen einen höheren Unterhalt
leisten und können einen geringeren Selbstbehalt beanspruchen.
Gesteigert unterhaltspflichtig sind z. B.:
• Eltern gegenüber ihren minderjährigen und unverheirateten
Kindern,
• Eltern gegenüber ihren volljährigen und unverheirateten
Kindern bis zu deren Alter von 21 Jahren, wenn diese im
Haushalt der Eltern wohnen und sich in der allgemeinen
Schulausbildung befinden, sowie
• Ehegatten, gleichgeschlechtliche Lebenspartner und Partner
in eheähnlicher Gemeinschaft untereinander.
Wer hilft weiter?
Zuständig sind die örtlichen Sozialämter und die überörtlichen
Träger der Sozialhilfe. Die überörtlichen Träger sind in der Regel
für Hilfen zuständig, die in Einrichtungen gewährt werden;
die örtlichen Sozialämter in Landkreisen, großen und kreisfreien
Städten für alle anderen Hilfen.
Gemeinden sind nicht Träger der Sozialhilfe, können aber als
erste Anlaufstelle genutzt werden und wissen, wie und wo die
Ansprechpartner erreichbar sind. Sehr viele Beratungsstellen
informieren über Fragen der Sozialhilfe und angrenzende
Gebiete.
53
Hilfe zum Lebensunterhalt
Wenn umgangssprachlich von „Sozialhilfe“ gesprochen wird,
ist meist die Hilfe zum Lebensunterhalt gemeint.
Ihre Höhe summiert sich aus den folgenden Leistungen:
• Regelsätze der Sozialhilfe (siehe Tabelle)
• Kosten für Unterkunft und Heizung, wenn sie angemessen sind
• Mehrbedarfe bei Schwangerschaft, Alleinerziehung, Behinderung oder kostenaufwendiger Ernährung
• Einmalige Hilfen für
–Erstausstattung für Bekleidung (z. B. nach Brand)
–Bekleidung für Schwangere und Erstausstattungen
für Neugeborene
–Erstausstattungen für die Wohnung einschließlich
Haushaltsgeräten
–mehrtägige Klassenfahrten im Rahmen schulrechtlicher
Bestimmungen
• Beiträge für die Kranken- und Pflegeversicherung
Seit 1.1.2014 gelten folgende Regelsätze:
RS* Regelsätze für
1
Volljährige Alleinstehende oder Alleinerziehende
391,–
2
Volljährige Ehe- oder Lebenspartner in einer
Bedarfsgemeinschaft (= gemeinsamer Haushalt)
jeweils
353,–
3
Sonstige Volljährige in einer Bedarfsgemeinschaft
313,–
4
Jugendliche vom 14. bis zum 18. Geburtstag
jeweils
296,–
5
Kinder vom 6. bis zum 14. Geburtstag jeweils
261,–
6
Kinder bis zum 6. Geburtstag jeweils
229,–
* RS = Regelbedarfsstufe
54
Höhe
€
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Grundsicherung im Alter und
bei Erwerbsminderung
Die Grundsicherung soll den grundlegenden Bedarf für
den Lebensunterhalt von Menschen sicherstellen, die
wegen Alters oder aufgrund voller Erwerbsminderung aus
medizinischen Gründen endgültig aus dem Erwerbsleben
ausgeschieden sind und deren Einkünfte für den notwendigen
Lebensunterhalt nicht ausreichen.
Leistungsberechtigt sind Menschen mit gewöhnlichem
Aufenthalt in Deutschland,
• die die Altersgrenze für die Regelaltersrente erreicht haben
(2014: 65 Jahre und 3 Monate) oder
• die das 18. Lebensjahr vollendet haben und – unabhängig von
der jeweiligen Arbeitsmarktlage – aus medizinischen Gründen
dauerhaft voll erwerbsgemindert sind, wenn sie ihren Lebensunterhalt nicht aus eigenem Einkommen und Vermögen (siehe
S. 51) bestreiten können.
Voraussetzungen
Für Personen, die nach dem 31.12.1946 geboren sind, wird seit
2012 die Altersgrenze für die Grundsicherung im Alter schrittweise auf 67 Jahre angehoben.
Nicht leistungsberechtigt sind Personen,
• deren zu versteuerndes Gesamteinkommen der Eltern oder
Kinder jährlich 100.000,– e übersteigt. Bei einer Unterhaltspflicht von Eltern gegenüber ihrem Kind wird das gemeinsame
Einkommen betrachtet, bei Kindern gegenüber ihren Eltern
gilt diese Einkommensgrenze für jedes einzelne Kind.
• die ihre Bedürftigkeit in den letzten 10 Jahren vorsätzlich oder
grob fahrlässig herbeigeführt haben.
55
Umfang und Höhe
Die Grundsicherung ist abhängig von der Bedürftigkeit und entspricht in der Höhe der Hilfe zum Lebensunterhalt in der Sozial­
hilfe (siehe S. 39).
Die Grundsicherung setzt sich aus folgenden Leistungen
zusammen:
• Regelsatz der Sozialhilfe
• Angemessene tatsächliche Aufwendungen für Unterkunft
und Heizung
• Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge, wenn keine
Pflichtversicherung besteht
•Mehrbedarfszuschläge
• Einmalige Leistungen
• Hilfe zum Lebensunterhalt in Sonderfällen,
insbesondere Übernahme von Mietschulden
Von diesem Bedarf werden die eigenen Einkünfte abgezogen, die
Differenz wird als Grundsicherung ausgezahlt. Sind die Einkünfte
höher als der Bedarf, besteht kein Anspruch auf eine Grund­
sicherungsleistung.
Dauer
Die Grundsicherung wird in der Regel für 12 Kalender­monate
bewilligt.
• Erstbewilligung
Die Auszahlung beginnt am Ersten des Monats, in dem der
Antrag gestellt worden ist.
• Änderung der Leistung
Die Auszahlung beginnt am Ersten des Monats, in dem die
Voraussetzungen für die Änderung eingetreten und mitgeteilt
worden sind. Bekommt der Berechtigte infolge der Änderung
weniger Leistungen, beginnt der neue Bewilligungszeitraum
am Ersten des Folgemonats.
Wer hilft weiter?
Der Antrag kann beim zuständigen Sozialamt gestellt werden,
in dessen Bereich der Antragsberechtigte seinen gewöhnlichen
Auf­enthaltsort hat.
56
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Rehabilitation
Die Rehabilitation (Reha) ist ein sehr großer und komplexer Bereich,
für den alle Versicherungsträger zuständig sein können.
57
Grundsätzlich gilt:
Reha(bilitation) geht vor Rente (§ 9 SGB VI).
Das heißt: Es wird möglichst versucht, mit Rehamaßnahmen
den Renteneintritt zu verhindern oder zu verzögern.
Ambulant vor stationär (§§ 23 Abs. 4, 40 Abs. 2 SGB V).
Das heißt: Erst wenn ambulante Maßnahmen nicht ausreichen, werden stationäre Leistungen erbracht.
Bereiche der Rehabilitation
Hier ein kurzer Überblick über die Bereiche der
Rehabilitation:
• Medizinische Leistungen zur Rehabilitation
Sie dienen insbesondere der Ausheilung einer Erkrankung
und der Wiederherstellung der Gesundheit.
• Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben
Sie werden auch als „berufsfördernde Maßnahmen“ bezeichnet und sollen die Erwerbsfähigkeit Behinderter erhalten,
verbessern, (wieder-)herstellen und möglichst dauerhaft
sichern.
• Ergänzende Leistungen zur Rehabilitation und Teilhabe
Diese dienen dazu, das Ziel der Rehamaßnahmen zu erreichen
und zu sichern. Dazu zählen z. B. Übergangsgeld, Haushalts­
hilfe, Reisekosten, Kinderbetreuungskosten.
• Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft
(„soziale Reha“).
58
Zuständigkeit
Nahezu alle Träger der Sozialversicherung können für die
Kostenübernahme von Rehamaßnahmen zuständig sein:
• Krankenkassen
sind zuständig bei Leistungen zur Medizi­nischen Rehabilitation,
soweit es um den Erhalt oder die Wiederherstellung der
Gesundheit geht und wenn nicht andere Sozialversicherungsträger solche Leistungen erbringen.
• Rentenversicherungsträger
erbringen Leistungen zur Medizinischen Rehabilitation und zur
Teilhabe am Arbeitsleben, wenn die Erwerbsfähigkeit erheblich
gefährdet oder schon gemindert ist und durch die Rehamaßnahme wesentlich gebessert oder wiederhergestellt werden
kann und wenn die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen
für die Leistungen zur Medizinischen Rehabilitation und zur
Teilhabe am Arbeitsleben erfüllt sind.
• Berufsgenossenschaften
sind bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten für die
gesamte Rehabilitation verantwortlich.
• Agenturen für Arbeit
übernehmen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, wenn
kein anderer Sozialversicherungsträger hierfür zuständig ist.
• Sozialämter
treten nachrangig für die Leistungen zur Medizinischen
Rehabilitation und zur Teilhabe am Arbeitsleben ein, wenn
kein anderer Sozialversicherungsträger vorrangig zuständig ist.
• Jugendämter
erbringen Leistungen zur Teilhabe für seelisch behinderte
Kinder und Jugendliche und hiervon Bedrohte bis zu einem
Alter von 26 Jahren, wenn kein anderer Träger der Sozial­
versicherung zuständig ist.
Zuständigkeitsklärung
Spätestens 2 Wochen nachdem ein Antrag auf Reha-Leistungen
bei einem Reha-Träger eingegangen ist, muss dieser Träger
geklärt haben, ob er hierfür zuständig ist. Die „Zuständigkeitsklärung“ soll verhindern, dass ein Antrag zwischen verschiedenen
Trägern hin- und hergeschoben wird.
Nach einer weiteren Woche wird über die beantragte Leistung
entschieden, außer der Antrag wurde – bei Erklärung der
Unzuständigkeit – an einen weiteren Reha-Träger weitergeleitet.
Die Weiterleitung erfolgt (automatisch) durch den Träger, der
zunächst den Antrag erhielt. Dieser „weitere“ (= zweite) Träger
entscheidet innerhalb von 3 Wochen, nachdem der Antrag bei
ihm eingegangen ist.
59
Eine nochmalige Weiterleitung gibt es nicht, auch wenn sich
später herausstellen sollte, dass der zweite Träger nicht zuständig
ist. Die Erstattung der Aufwendungen erfolgt dann zwischen den
Trägern, ohne Auswirkung auf den Versicherten.
Sofern ein Gutachten zur Ermittlung des Reha-Bedarfs nötig ist,
muss das Gutachten 2 Wochen nach Auftragserteilung vorliegen
und die Entscheidung über den Antrag 2 Wochen nach Vorliegen
des Gutachtens getroffen sein.
Wer hilft weiter?
Wenn eine Rehabilitation empfohlen, aber noch nicht beantragt
wurde, weil erst geklärt werden muss, wer als Kostenträger
zuständig ist, sind die dafür eingerichteten „Servicestellen“
die richtigen Ansprechpartner. Es gibt sie bei fast allen Krankenkassen und Kommunen. Sie arbeiten rehaträgerübergreifend.
Stationäre Medizinische
Rehabilitation
Bei einer stationären Medizinischen Reha(bilitation)
(um­gangs­­sprachlich „Kur“) wohnt der Patient für die Zeit
der Reha­maß­nahme in einer entsprechenden Einrichtung.
Sta­tionäre Rehamaßnahmen sind z. B. bei Nachbehandlungen
schwerer Erkrankungen möglich, hierzu zählen auch
Psychosen.
Voraussetzungen
Dauer
60
Voraussetzungen für die Beantragung von stationären
Rehamaßnahmen sind:
• Eine ambulante Rehamaßnahme reicht nicht aus.
• Die stationäre Aufnahme ist aus medizinischen Gründen
erforderlich.
Stationäre Rehamaßnahmen dauern längstens 3 Wochen. Eine
Verlängerung aus medizinischen Gründen ist möglich.
Den Antrag auf eine Medizinische Rehamaßnahme beim zuständigen Träger (siehe oben) sollte zweckmäßigerweise der Arzt
gemeinsam mit dem Patienten stellen. Erforderlich sind ggf.
eine ärztliche Bescheinigung, Arztbericht(e) und ein eigenes,
persön­liches Schreiben. Der Leistungsumfang bei Rehamaß­
nahmen liegt im Ermessen des Sozialversicherungsträgers und
wird aufgrund medizinischer Erfordernisse festgelegt.
Antrag
Antragstellung bei der Krankenkasse
Erkennt der behandelnde Arzt die Notwendigkeit einer Reha,
so muss er bei der Krankenkasse einen Antrag auf „Einleitung
von Leistungen zur Rehabilitation oder alternativen Angeboten“
stellen. Kommt nach Ansicht der Krankenkasse eine Rehamaßnahme und sie selbst als Kostenträger in Betracht, dann bekommt
der Arzt die „Verordnung von medizinischer Rehabilitation“
zugeschickt. Falls der Antrag bei einem anderen Kostenträger
(z. B. Rentenversicherungsträger) gestellt werden muss, wird dies
von der Krankenkasse mitgeteilt.
Antragstellung mit ausführlicher Begründung
Eigentlich genügt bei den Anträgen auf Rehamaßnahmen die
Angabe der Indikationen nach der ICD 10 (Internationale Klassi­
fikation der Krankheiten). Es ist jedoch mittlerweile fast zur
Regel geworden, dass der Arzt die Notwendigkeit der medi­
zinischen Rehabilitation ausführlich begründet. Auf jeden Fall
vermindert es das Risiko einer Ablehnung beim Kostenträger,
wenn dem Antrag sofort eine ausführliche ärztliche Begründung
beigefügt wird. Es kann durchaus sein, dass der MDK (Medizi­
nischer Dienst der Krankenversicherung) über das ärztliche Attest
hinaus den Patienten zu einer Begutachtung einlädt, um die
Notwendigkeit der Rehamaßnahme zu prüfen.
Stationäre medizinische Rehamaßnahmen dürfen nicht auf den
Urlaub angerechnet werden. Deshalb besteht auch Anspruch auf
Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber (siehe S. 39).
Urlaub
Die Leistung wird in der Regel im Inland erbracht.
• Ist der Kostenträger die Krankenkasse, kann der Patient eine
zugelassene und zertifizierte Reha-Einrichtung selbst wählen.
Sind die Kosten höher als bei den Vertragseinrichtungen der
Krankenkasse, zahlt der Patient die Mehrkosten. Die letzte
Entscheidung liegt bei der Krankenkasse.
• Ist der Kostenträger die Rentenversicherung, kann der Arzt
eine Reha-Einrichtung vorschlagen. Soll die Maßnahme in
einer bestimmten Einrichtung stattfinden, muss der Arzt das
ausdrücklich vermerken und möglichst auch begründen. Auch
die persönliche Lebenssituation, das Alter, das Geschlecht, die
Familie oder die religiösen Bedürfnisse der Betroffenen sollten
bei der Wahl eine Rolle spielen und berücksichtigt werden.
Wahl der Reha-Einrichtung
61
Wartezeit
Zwischen 2 bezuschussten Rehamaßnahmen muss in der Regel
ein Zeitraum von 4 Jahren liegen. Nicht anzurechnen sind
Leistungen zur medizinischen Vorsorge.
Ausnahmen macht die Krankenkasse nur bei medizinisch
dringender Erforderlichkeit. Dies muss mit Arztberichten oder
einem Gutachten des behandelnden Arztes bei der Krankenkasse
be­gründet werden.
Der Rentenversicherungsträger genehmigt Medizinische Reha­
maß­nahmen vor Ablauf der 4-Jahres-Frist, wenn vorzeitige
Leistungen aus gesundheitlichen Gründen dringend erforderlich
sind, weil ansonsten mit einer weiteren Minderung der
Leis­tungs­fähigkeit zu rechnen ist.
Zuzahlung
62
Versicherte ab Vollendung des 18. Lebensjahres müssen bei
fast allen stationären Rehamaßnahmen 10,– e Zuzahlung
pro Tag leisten:
• In der Regel zeitlich unbegrenzt für Rehamaßnahmen der
Krankenkasse.
• Längstens 42 Tage innerhalb eines Kalenderjahres für
stationäre Medizinische Rehamaßnahmen des Rentenversiche­rungsträgers. Bereits im selben Kalenderjahr
geleistete Zuzah­lungen an den Rentenversicherungsträger
und die Kranken­kasse werden angerechnet.
• Findet die stationäre Rehamaßnahme als Anschlussheilbe­hand­lung statt, so begrenzt sich die Zuzahlung bei der
Kran­kenkasse auf 28 Tage und beim Rentenversicherungsträger auf 14 Tage. Eine bereits geleistete Zuzahlung für
die vorhergegangene Krankenhausbehandlung wird berücksichtigt.
Berufliche Rehabilitation/
Teilhabe am Arbeitsleben
„Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben“ umfassen
alle Rehamaßnahmen, die die Arbeits- und Berufstätigkeit
von kranken und/oder behinderten Menschen fördern.
Sie werden von verschiedenen Trägern übernommen, um
die Erwerbsfähigkeit herzustellen, zu erhalten oder zu
verbessern und die Teilhabe am Arbeitsleben zu sichern.
Praxistipp!
Die Anträge auf Kostenübernahme für die jeweiligen Leistungen
zur Teilhabe am Arbeitsleben sollten gestellt werden, bevor die
Maßnahmen in die Wege geleitet werden.
Aus Gründen der Art oder Schwere der Behinderung oder zur
Sicherung des Erfolgs der Reha können die Maßnahmen auch
stationär erbracht werden. Das umfasst neben der Unterkunft
auch die Verpflegung, wenn die Unterbringung außerhalb des
eigenen oder elterlichen Haushalts erforderlich ist, d. h. wenn
auf­grund der Erkrankung oder Behinderung ein begleitender
medizinischer, psychologischer und sozialer Dienst notwendig ist.
Es gibt mehrere Arten von Leistungen zur Teilhabe am
Arbeitsleben, unter anderem:
1. Hilfen zur Erhaltung oder Erlangung eines Arbeitsplatzes
2.Berufsvorbereitung
3. Berufliche Bildung
4. Leistungen in Werkstätten für Behinderte
5. Weitere Kosten
6. Zuschüsse an den Arbeitgeber
Leistungen der
beruflichen Rehabilitation
Nachfolgend Informationen zu den einzelnen Leistungen.
1. Hilfen zur Erhaltung oder Erlangung eines Arbeitsplatzes
Vorrangiges Ziel ist es, den bisherigen Arbeitsplatz zu
erhalten. Ist dies nicht möglich, wird nach einem anderen,
geeigneten Arbeitsplatz im bisherigen oder aber in einem
anderen Betrieb gesucht.
63
In diesem Rahmen übernehmen vorwiegend die Berufs­
genossenschaften und Renten­versicherungsträger im
Zusammenwirken mit der Bundesagentur für Arbeit unter
anderem folgende Leistungen:
• Umsetzung im Betrieb, Vermittlung eines neuen
Arbeitsplatzes in Form beruflicher Anpassung, Weiter­
bildung und Ausbildung.
• Gründungszuschuss für Arbeitslose, die sich selbstständig
machen, um dadurch die Arbeitslosigkeit zu beenden oder
zu verhindern.
• Fahrtkostenbeihilfe für die täglichen Fahrten zwischen
Wohnung und Arbeitsstelle, soweit der Versicherte ansonsten
unzumutbar belastet wäre und das Reha-Ziel absehbar ist.
• Trennungskostenbeihilfe bei erforderlicher auswärtiger
Arbeitsaufnahme und damit verbundener doppelter Haushaltsführung. Das tägliche Pendeln oder der Umzug der
Familie zum Arbeitsort müssen unzumutbar sein.
• Übergangsbeihilfe bei Arbeitsaufnahme bis zur ersten
vollen Lohnzahlung. Die Übergangsbeihilfe wird in der
Regel als Darlehen gewährt.
• Umzugskostenbeihilfe soweit eine Arbeitsaufnahme
am Wohnort unmöglich ist.
2.Berufsvorbereitung
Zu den Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zählt die
Berufsvorbereitung einschließlich der wegen eines Gesundheitsschadens erforderlichen Grundausbildung. Darunter
fallen die ganzheitliche Stabilisierung der Persönlichkeit
und des sozialen Umfelds neben Aufbau und Festigung der
Motivation und der beruflichen Fähigkeiten.
3. Berufliche Bildung
Zur beruflichen Bildung zählen Maßnahmen zur Anpassung
an den Beruf, Ausbildung und Weiterbildung einschließlich
des dafür erforderlichen Schulabschlusses. Nicht dazu zählen
allgemeinbildende Maßnahmen.
4. Leistungen in Werkstätten für Behinderte
Die Rentenversicherungsträger übernehmen vorwiegend
die folgenden berufsfördernden Maßnahmen:
• bis zu 4 Wochen, maximal 3 Monaten in einer anerkannten
Werkstatt für Behinderte zur Arbeits- und Berufsförderung
im Eingangsverfahren,
64
• bis zu 2 Jahren im Berufsbildungsbereich als berufs­
vorbereitende Bildungsmaßnahme, aber nur dann über
1 Jahr hinaus, wenn die Leistungsfähigkeit des Behinderten
weiterentwickelt oder wiedergewonnen werden kann.
5. Weitere Kosten
Die Berufsgenossenschaften und Rentenversicherungsträger
übernehmen auch Kosten, die mit den Leistungen zur Teilhabe
am Arbeitsleben in unmittelbarem Zusammenhang stehen.
Hierzu zählen z. B.:
• Lehrgangskosten, Prüfungsgebühren, Lernmittel,
• Arbeitskleidung, Arbeitsgeräte (z. B. Werkzeuge) sowie
• Kosten für Unterkunft und Verpflegung, wenn für die Teil­­
nehmer einer Maßnahme eine Unterbringung außerhalb
des eigenen oder des elterlichen Haushalts nötig ist (z. B.
unzumutbar weiter Anfahrtsweg), wegen der Art und Schwere
der Erkrankung bzw. der Behinderung oder zur Sicherung
des Erfolgs der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben.
6. Zuschüsse an den Arbeitgeber
Die Reha-Träger können Leistungen zur Teilhabe am
Arbeitsleben auch als Zuschüsse an den Arbeitgeber leisten.
Anspruchs- und antragsberechtigt ist der Versicherte; der
Arbeitgeber ist „nur“ Begünstigter ohne eigenes Antragsrecht.
Die Gewährung eines Zuschusses kann von Bedingungen und
Auflagen abhängig gemacht werden.
Zuschüsse an den Arbeitgeber gibt es z. B. als
• Ausbildungszuschüsse zur betrieblichen Ausführung von
Bildungsleistungen,
•Eingliederungszuschüsse,
• Zuschüsse für Arbeitshilfen im Betrieb,
• Kostenerstattung für eine befristete Probebeschäftigung,
• Umschulung, Aus- oder Weiterbildung im Betrieb.
Die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sollen für die
Zeit erbracht werden, die vorgeschrieben oder allgemein
üblich ist, um das angestrebte Berufsziel zu erreichen.
•Die berufliche Eingliederung dauert in der Regel bis zur
Erreichung des angestrebten Berufsziels in der hierfür
vorgeschriebenen oder allgemein üblichen Zeit im Sinne
der notwendigen Ausbildungsdauer.
•Die Ausbildung dauert in der Regel bis zu 2 Jahre bei ganztägigem Unterricht. Eine Teilförderung (eines Ausbildungs­
abschnitts) innerhalb einer geschlossenen Weiterbildungs­
maßnahme ist nicht möglich.
Dauer
Eine Verlängerung ist denkbar bei:
• bestimmter Art und Schwere der Behinderung
• Lage und Entwicklung des Arbeitsmarkts
• voller Ausschöpfung des Leistungsvermögens des Behinderten
• Erlernbarkeit des Ausbildungsberufs nicht unter 2 Jahren
65
Soziale Sicherung
Bei Teilnahme an Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben
werden Beiträge zur Kranken-, Unfall-, Pflege- und Renten­
versicherung übernommen.
Wer hilft weiter?
Das Integrationsamt und die Integrationsfachdienste helfen bei
Fragen der beruflichen Integration weiter.
Adressen der Integrationsämter unter www.integrationsaemter.de
Rehabilitation
psychisch kranker Menschen
Die „Rehabilitation psychisch kranker Menschen“, kurz RPK,
ist ein spezieller Reha-Bereich, bei dem medizinische,
berufliche und psychosoziale Hilfen aus der Hand eines
multi­professionellen Reha-Teams angeboten und Elemente
der stationären und ambulanten Reha kombiniert werden.
Für den Reha-Teilnehmer wird, orientiert an seinem persönlichen
Bedarf, ein Hilfeplan erstellt. Durch die enge Verzahnung aller
dieser Leistungen kann auf die besonderen Bedürfnisse und die
schwankende Leistungsfähigkeit sehr individuell eingegangen
werden.
Angebote und Einrichtungen der RPK sind regional unter­
schiedlich. Adressen und weitere Informationen bietet die
Internetseite der Bundesarbeitsgemeinschaft RPK unter
www.bagrpk.de > die PRKs > Standorte finden.
66
Übergangsgeld
Übergangsgeld überbrückt einkommenslose Zeiten während
der Teilnahme an Rehamaßnahmen oder an Maßnahmen zur
Teilhabe am Arbeitsleben.
Übergangsgeld wird je nach Voraussetzungen vom jeweiligen
Reha-Träger gezahlt. Höhe und Dauer sind im Wesentlichen
einheitlich geregelt, nur die Voraussetzungen unterscheiden
sich bei den Leistungsträgern.
Die Berechnungsgrundlage des Übergangsgelds beträgt bei allen
Trägern 80 % des letzten Bruttoverdienstes, höchstens jedoch
den Nettoverdienst.
Höhe
Das Übergangsgeld beträgt:
• 75 % dieser Berechnungsgrundlage bei Versicherten,
– die ein Kind haben oder
– die pflegebedürftig sind und durch ihren Ehegatten
gepflegt werden, der deshalb keine Erwerbstätigkeit
ausüben kann, oder
– deren Ehegatte pflegebedürftig ist und keinen Anspruch
auf Leistungen aus der Pflegeversicherung hat.
• 68 % dieser Berechnungsgrundlage für die übrigen Versicherten.
Die Reha-Träger zahlen Übergangsgeld
• für den Zeitraum der Leistung zur Medizinischen Reha­
bilitation bzw. zur Teilhabe am Arbeitsleben.
• während einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben maximal
6 Wochen bei gesundheitsbedingter Unterbrechung einer
Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben.
• nach einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben maximal
3 Monate bei anschließender Arbeitslosigkeit nach einer ab­
geschlossenen Leistung zur Teilhabe am Arbeits­leben, soweit
kein Anspruch auf Arbeitslosengeld für 3 Monate besteht.
• nach Abschluss von Leistungen zur Medizinischen Reha­bili­tation bzw. zur Teilhabe am Arbeitsleben bei Erforderlichkeit
weiterer Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, soweit Arbeitsunfähigkeit vorliegt und kein Anspruch auf Kranken­geld oder
keine Vermittelbarkeit in eine zumutbare Beschäf­tigung besteht.
Allerdings wird in diesem Fall das Übergangsgeld reduziert.
• Findet eine Stufenweise Wiedereingliederung (siehe S. 29) im
unmittelbaren Anschluss (maximal 14 Tage) an Leistungen zur
medizinischen Reha statt, dann wird das Übergangsgeld bis zu
deren Ende gezahlt.
Dauer
Wer hilft weiter?
Individuelle Auskünfte erteilt der zuständige Sozialversicherungsträger: Rentenversicherungsträger, Berufsgenossenschaften oder
Agentur für Arbeit.
67
68
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Krankenversicherung
Die gesetzliche Krankenversicherung übernimmt die Kosten für Leistungen,
soweit es um den Erhalt der Gesundheit oder die Wiederherstellung
der Gesundheit nach einer Krankheit geht. Zuständig sind die Krankenkassen.
69
Krankenversicherungsschutz
Ein durchgängiger Versicherungsschutz ist die Grund­voraus­setzung, um eine adäquate Behandlung zu erhalten.
Eine Gefahr bei Menschen mit psychiotischen Störungen ist,
dass sie durch das Verstreichenlassen von Fristen oder die
Nichtbeach­tung von Formalitäten ihren Krankenversicherungsschutz verlieren können.
Kritisch ist insbesondere das Auslaufen des Krankengelds und
die damit verbundene Aussteuerung (Details siehe S. 41) aus
der Krankenkasse. Hierauf sollten Patienten, Angehörige und
Betreuer/Therapeuten in besonderer Weise achten.
Praxistipp!
Auf folgende Punkte ist beim Krankenversicherungsverhältnis zu achten:
• Pflichtversicherte Mitglieder der Krankenkasse
Ihnen kann Aussteuerung drohen und die Wei­ter­versicherung
muss mit der Krankenkasse geregelt werden.
Wird einem Arbeitnehmer gekündigt und er erhält keine
anderweitigen Leistungen, z. B. Krankengeld oder Arbeits­
losengeld II, über die er krankenversichert ist, muss ebenfalls
die Weiterversicherung mit der Krankenkasse geregelt werden.
• Freiwillig versicherte Mitglieder der Krankenkasse
Besonders zu achten ist auf die Weiterbezahlung der Beiträge,
sonst ruhen die Leistungen und der Patient erhält nur
Leistungen für unaufschiebbare Behandlungen.
• Privat Krankenversicherte
Besonders zu achten ist auf die Weiterbezahlung der Beiträge,
sonst drohen vertragsrechtliche Konsequenzen.
Auf jeden Fall sollten Angehörige oder Betreuer in einer Akutphase auf Krankenversicherungsangelegenheiten achten und
ggf. Kontakt zur Krankenversicherung aufnehmen, da der
Betroffene zum Teil hierzu nicht mehr in der Lage ist und/oder
die Konsequenzen nicht abschätzen kann.
70
Wer hilft weiter?
Mit der Krankenkasse ist abzuklären, wie der Versicherungsschutz
und die Beitragszahlungen weiterhin geregelt werden können.
Beim Sozialamt oder beim Job Center gibt es unter bestimmten
Voraussetzungen einen Zuschuss zur Beitragszahlung.
Befindet sich der Patient in stationärer Behandlung, kann auch
der Sozialdienst der Klinik angesprochen werden, damit dieser
den weiteren Versicherungsschutz und gegebenenfalls den
zuständigen Kostenträger klären kann.
Säumige Beitragszahler
Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung, die
ihre Bei­träge nicht zahlen (Rückstand mindestens so
hoch wie 2 Monatsbeiträge), obwohl sie dazu in der Lage
wären, erhalten nur noch Leistungen für unaufschiebbare
Behandlungen, z. B. Behandlung bei akuten Schmerzen,
sowie bei Schwangerschaft und Mutter­schaft.
Der Anspruch für alle sonstigen Krankenversicherungsleistungen
ruht so lange, bis die rückständigen Beiträge samt Säumniszuschlägen (1 % der Beitragsschulden) ausgeglichen sind.
Ausgenommen von dieser Regelung sind Familienversicherte.
Sie erhalten weiterhin alle Leistungen.
Privat Versicherte, die ihre Beiträge nicht zahlen, werden in den
Notlagentarif umgestuft. Dieser umfasst nur die Notfallversorgung. Wenn alle Schulden beglichen sind, kann die Versicherung
im ursprünglichen Tarif fortgesetzt werden.
Wer hilft weiter?
Fragen zur gesetzlichen Krankenversicherung und zum
Versiche­rungsschutz beantwortet das Bürgertelefon des
Gesundheits­ministeriums: Mo–Do 8–18 Uhr und Fr 8–15 Uhr,
Telefon 030 3406066-01.
71
Zuzahlungen
Bei zahlreichen Leistungen der Krankenversicherung muss
der Patient Zuzahlungen leisten.
Die folgende Auflistung enthält auch Zuzahlungen, die bei
Psychosen nicht relevant sind. Denn für eine mögliche
Zuzahlungs­befreiung (siehe S. 74) werden alle Zuzahlungen
einbezogen.
Übersicht Zuzahlungen
Arznei- und Verbandmittel
Die Zuzahlung (umgangssprachlich „Rezeptgebühr“) beträgt 10 %
der Kosten, mindestens 5,– e, maximal 10,– e, in keinem Fall
mehr als die Kosten des Arznei- oder Verbandmittels.
Preis/Kosten
bis 5,– €
5,01 € bis 50,– €
50,– € bis 100,– €
Ab 100,– €
Zuzahlung
Preis = Zuzahlung
5,– €
10 % des Preises
10,– €
Diese Tabelle gilt entsprechend auch für Verbandmittel,
die meisten Hilfsmittel, Haushaltshilfe, Soziotherapie und Fahrtkosten.
Festbetrag:
Der Festbetrag ist der erstattungsfähige Höchstbetrag bei einem
Arzneimittel. Liegt der Preis eines verordneten Arzneimittels
darüber, muss der Versicherte selbst den Differenzbetrag (Mehrkosten) zahlen.
Die Zuzahlung richtet sich nach dem (niedrigeren) Festbetrag.
In der Summe zahlt der Patient also Mehrkosten plus Zuzahlung.
Den Differenzbetrag müssen auch Versicherte zahlen, die von der
Zuzahlung befreit sind.
Heilmittel
Die Zuzahlung beträgt 10 % der Kosten zuzüglich 10,– e je
Verordnung. Heilmittel sind äußerliche Behandlungsmethoden
wie Ergotherapie, Massage oder Fangopackungen.
72
Hilfsmittel
10 % der Kosten, mindestens 5,– €, maximal 10,– €. Bei zum
Verbrauch bestimmten Hilfsmitteln beträgt die Zuzahlung 10 %
je Packung, maximal jedoch 10,– € monatlich.
Hilfsmittel sind Gegenstände oder Geräte, wie z. B. Hörgerät,
Brille oder Rollstuhl.
Häusliche Krankenpflege
10 % der Kosten pro Tag, begrenzt auf 28 Tage im Kalenderjahr,
zuzüglich 10,– € je Verordnung.
Häusliche Krankenpflege bedeutet, dass ein Patient zu Hause von
Fachpersonal versorgt wird.
Soziotherapie
10 % der Kosten pro Tag, mindestens 5,– €, maximal 10,– €.
Soziotherapie ist die ambulante Betreuung schwer psychisch
kranker Menschen.
Haushaltshilfe
10 % der Kosten pro Tag, mindestens 5,– €, maximal 10,– €.
Eine Haushaltshilfe ist eine fremde oder verwandte Person, die
die tägliche Arbeit im Haushalt erledigt.
Krankenhausbehandlung, Anschlussheilbehandlung
10,– € pro Kalendertag, für längstens 28 Tage pro Kalenderjahr.
Bereits im selben Jahr geleistete Zuzahlungen zu Krankenhausund Anschlussheilbehandlung werden angerechnet.
Ambulante und stationäre Leistungen zur Rehabilitation
10,– € pro Kalendertag an die Einrichtung, in der Regel ohne
zeitliche Begrenzung.
Fahrtkosten
10 % der Fahrtkosten (bei medizinisch angeordneten Fahrten),
mindestens 5,– €, maximal 10,– €, in keinem Fall mehr als die
Kosten der Fahrt.
Folgende Zuzahlungen werden bei der Berechnung der
Zuzahlungsbefreiung nicht berücksichtigt:
Nicht befreiungsfähige
Zuzahlungen
• Zahnersatz
Die Krankenkasse übernimmt:
–50 % der Regelversorgungskosten (= Festzuschuss)
–60 % der Regelversorgungskosten bei 5 Jahren Vorsorge
(nachgewiesen durch das Bonusheft)
–65 % der Regelversorgungskosten bei zehn Jahren Vorsorge
(nachgewiesen durch das Bonusheft)
Den Rest zahlt der Versicherte zu. Darüber hinaus gelten beim
Zahnersatz besondere Härtefallregelungen.
• Kieferorthopädische Behandlung
20 % der Kosten und nur, wenn zusätzlich kieferchirurgische
Behandlungsmaßnahmen erforderlich sind, ansonsten zahlt
der Versicherte voll.
73
Zuzahlungsbefreiung
Bei zahlreichen Leistungen der Krankenversicherung muss
der Patient Zuzahlungen leisten. Die Belastungsgrenze soll
verhindern, dass insbesondere chronisch Kranke, Behinderte,
Ver­sicherte mit einem geringen Einkommen und Sozial­hilfe­
empfänger durch die Zuzahlungen zu medizinischen
Leis­tungen unzumutbar belastet werden. Die Belastungs­
grenze liegt bei 2 % des jährlichen Bruttoeinkommens.
Chronisch Kranke
Für chronisch Kranke, die wegen derselben schwerwiegenden
Krankheit in Dauerbehandlung sind, gilt eine andere Belastungs–
grenze: Sie gelten bereits dann als „belastet“, wenn sie mehr als
1 % der jährlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt für
Zuzahlungen ausgeben müssen/mussten.
Definition „schwerwiegend chronisch krank“
Als „schwerwiegend chronisch krank“ gilt, wer sich
wenigstens ein Jahr lang wegen derselben Krankheit
mindestens einmal pro Quartal in ärztlicher Behandlung
befindet und mindestens eines der folgenden Kriterien erfüllt:
• Pflegebedürftigkeit mit Pflegestufe 2 oder 3.
• Grad der Behinderung (GdB) von mindestens 60 oder
eine Minderung der Erwerbsfähigkeit bzw. ein Grad der
Schädigungsfolgen (GdS) von mindestens 60 % (Schwerbehinderte). GdB und GdS muss durch schwerwiegende
Krankheit begründet sein.
• Eine kontinuierliche medizinische Versorgung (ärztliche
oder psychotherapeutische Behandlung, Arzneimittel­
therapie, Versorgung mit Hilfs- und Heilmitteln) ist
erforderlich, ohne die aufgrund der chronischen
Krankheit nach ärztlicher Einschätzung eine lebens­
bedrohliche Verschlimmerung der Erkrankung, eine
Verminderung der Lebenserwartung oder eine dauerhafte
Beeinträchtigung der Lebensqualität zu erwarten ist.
Rückerstattung
74
Zuzahlungen werden als „Familienzuzahlungen“ betrachtet,
d. h. es werden die Zuzahlungen des Versicherten mit den
Zuzahlungen seiner Angehörigen, die mit ihm im gemeinsamen
Haushalt leben, zusammengerechnet. Dasselbe gilt auch bei
eingetragenen gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften.
Überschreiten die Zuzahlungen 2 % bzw. 1 % der o. g. Bruttoeinnahmen im Kalenderjahr (= Belastungsgrenze), erhalten der
Versicherte sowie sein Ehegatte und die familienversicherten
Kinder, die mit ihm in einem gemeinsamen Haushalt leben, für
den Rest des Kalenderjahres eine Zuzahlungsbefreiung bzw. den
Mehrbetrag von der Krankenkasse zurückerstattet.
Verschiedene Krankenkassen bieten ihren Versicherten ein
Quittungsheft an, in dem sie übers Jahr alle Quittungen von
Zuzahlungen sammeln können.
Quittungsheft
Praxistipp!
Die Belastungsgrenze wird im Nachhinein wirksam, weshalb der
Patient immer alle Zuzahlungsbelege aufbewahren sollte, da
nicht absehbar ist, welche Kosten im Laufe eines Kalenderjahres
auflaufen.
Wenn ein Versicherter im Lauf des Jahres die „Belastungsgrenze“
erreicht hat, sollte er sich mit seiner Krankenkasse in Verbindung
setzen. Bei Erreichen der Belastungsgrenze wird für den Rest des
Jahres auch eine Zuzahlungsbefreiung bescheinigt.
Es besteht auch die Möglichkeit, bereits zu Jahresbeginn die Zuzahlungen bis zur Belastungsgrenze (2 % bzw. 1 %) im Voraus zu
leisten. Der Patient erhält dann sofort einen Befreiungsausweis
und für das gesamte Kalenderjahr sind keine Zuzahlungen mehr
erforderlich.
Bei Empfängern von Hilfe zum Lebensunterhalt (Sozialhilfe),
von Arbeitslosengeld II und von Grundsicherung im Alter und
bei Erwerbsminderung wird jeweils nur der jährliche Regelsatz
der Regelbedarfsstufe 1 als Bruttoeinkommen für die gesamte
Bedarfsgemeinschaft gezählt, d. h.: Der jährliche Zuzahlungsgesamtbetrag beträgt 93,84 e, bei chronisch Kranken 46,92 e.
75
76
Schwerbehinderung
Eine schwere psychotische Störung kann dazu führen,
dass Patienten als behindert oder schwerbehindert eingestuft werden können.
77
Es ist in jedem einzelnen Fall abzuwägen, ob die Anerkennung
als Schwerbehinderter eine Stigmatisierung und/oder Belastung
darstellt, die dem Patienten zusätzliche Probleme bereiten kann,
oder ob die Anerkennung hilfreich ist, weil dadurch Leistungen
in Anspruch genommen werden können, die nur Schwer­behinderten offenstehen, z. B. in Zusammenhang mit der
beruflichen Integration.
Grad der Behinderung
Der Grad der Behinderung (GdB) beziffert bei Behinderten
die Schwere der Behinderung.
Er wird auf Antrag durch das Versor­gungsamt festgestellt,
soweit er nicht bereits anderweitig festgestellt wurde, z. B. durch
Rentenbescheid oder durch eine Verwal­tungs- oder Gerichts­
entscheidung.
Sozialrechtlich gilt ein Mensch mit einem festgestellten GdB von
mindestens 50 als schwerbehindert und kann damit viele Nach­
teils­ausgleiche für sich beanspruchen. Die Schwerbehinderten­
eigenschaft wird mit dem Schwerbehindertenausweis nach­ge­wiesen (siehe S. 81).
Grad der Behinderung
bei Psychosen
78
Das Versorgungsamt richtet sich bei der Feststellung der
Behin­de­rung, des GdB und der Ausstellung eines Schwer­behin­der­ten­ausweises nach den sogenannten „Versorgungs­
medizinischen Grundsätzen“. Diese gelten bundesweit und sollen
für eine möglichst einheitliche Praxis sorgen.
Sie enthalten allgemeine Beurteilungsregeln und Einzelangaben
darüber, wie hoch der GdB bei welchen Erkran­kungen festzusetzen ist. Es handelt sich allerdings nur um einen Orientierungsrahmen, die Berechnung des GdB ist vom indivi­duellen Einzelfall
abhängig. Maßgeblich für den GdB ist vor allem die tatsächliche
Leistungseinschränkung durch die Erkrankung bzw. Behinderung.
Bei der Beurteilung ist vom klinischen Bild und von den Funktions­
einschränkungen im Alltag auszugehen. Die GdB von mehreren
Erkrankungen werden dabei nicht zusammengerechnet. Maß­
gebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berück­sichtigung ihrer
wechselseitigen Beziehungen zueinander.
Anhaltspunkte für die Festsetzung des GdB für
„Schizophrene und affektive Psychosen“:
GdB
Langdauernde (über ein halbes Jahr anhaltende)
Psychose im floriden Stadium je nach
Einbuße beruflicher und sozialer Anpassungs­möglich­keiten
5–100
Schizophrener Residualzustand
(z. B. Konzentrationsstörung, Kontaktschwäche,
Vitalitätseinbuße, affektive Nivellierung) mit
geringen und einzelnen Restsymptomen …
…ohne soziale Anpassungsschwierigkeiten
10–20
…mit leichten sozialen Anpassungsschwierigkeiten
30–40
…mit mittelgradigen sozialen Anpassungs­ schwierigkeiten
50–70
…mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten
80–100
Affektive Psychose mit relativ kurz andauernden,
aber häufig wiederkehrenden Phasen …
… bei 1 bis 2 Phasen im Jahr von mehrwöchiger
Dauer je nach Art und Ausprägung
30–50
… bei häufigeren Phasen von mehrwöchiger Dauer
60–100
Nach dem Abklingen lang dauernder psycho­tischer
Episoden ist im Allgemeinen (Ausnahme siehe unten)
eine Heilungsbewährung von 2 Jahren abzuwarten …
… wenn bereits mehrere manische oder manische
und depressive Phasen vorangegangen sind
50
…sonst
30
Ausnahme: Eine Heilungsbewährung braucht nicht abgewartet
zu werden, wenn eine monopolar verlaufene depressive Phase
vorgelegen hat, die als erste Krankheitsphase oder erst mehr als
10 Jahre nach einer früheren Krankheitsphase aufgetreten ist.
79
Antrag auf Erhöhung
Verschlechtert sich der Gesundheitszustand eines schwer­behinderten Menschen oder kommt eine weitere dauerhafte
Ein­schrän­kung durch eine neue Erkrankung dazu, dann sollte
beim Ver­sorgungsamt ein Antrag auf Erhöhung des GdB gestellt
werden. Der Vordruck für den Antrag wird auf Anfrage vom
Versorgungs­amt zugeschickt und es wird geprüft, ob ein neuer
Schwerbehin­dertenausweis mit evtl. neuen Merkzeichen aus­
gestellt wird.
Kündigungsschutz
Die Kündigung eines Schwerbehinderten bedarf in der Regel der
vorherigen Zustimmung des Integrationsamts. Die Kündigungs­
frist beträgt mindestens 4 Wochen.
Zusatzurlaub
Schwerbehinderte haben Anspruch auf zusätzlich 5 bezahlte
Urlaubs­tage im Jahr. Bei mehr oder weniger als 5 Arbeitstagen
in der Woche erhöht bzw. vermindert sich der Zusatzurlaub entsprechend.
Gleichstellung
Für Personen mit einem GdB von weniger als 50, aber
mindestens 30 gelten dieselben gesetzlichen Regelungen wie
für Schwer­behinderte, wenn sie infolge ihrer Behinderung
keinen geeigneten Arbeitsplatz erlangen oder behalten können.
Gleichgestellte genießen wie Schwerbehinderte einen besonderen
Kündigungsschutz. Sie haben jedoch im Gegensatz zu Schwerbehinderten keinen Anspruch auf einen Zusatzurlaub von
5 bezahlten Arbeitstagen im Jahr und auf vorgezogene
Alters­rente ab 60 Jahren.
Praxistipp!
Diese Gleichstellung muss bei der Agentur für Arbeit beantragt
werden.
Benötigte Unterlagen:
Feststellungsbescheid des Ver­sorgungsamts sowie Arbeitsvertrag
und Bescheinigung des Arbeitgebers, der den Behinderten als
Schwerbehinderten ein­stellen bzw. weiterbeschäftigen würde.
80
Schwerbehindertenausweis
Der Schwerbehindertenausweis belegt Art und Schwere
der Behinderung und muss vorgelegt werden, wenn
Vergüns­ti­gungen für Schwerbehinderte beantragt oder
in Anspruch genommen werden. Er ist ab einem GdB
von 50 erhältlich.
Die Ausstellung eines Schwerbehindertenausweises erfolgt auf
Antrag des Schwerbehinderten. Antragsformulare sind beim
Ver­sorgungsamt erhältlich.
Antrag
Praxistipps!
Folgende Tipps können bei der Beantragung eines
Schwerbehindertenausweises helfen:
• Nicht nur die Grunderkrankung, sondern auch alle
zusätz­lichen Beeinträchtigungen (z. B. Sehfehler) sowie
Begleit­erscheinungen angeben.
• Kliniken und Ärzte anführen, die am besten über die
angeführten Gesundheitsstörungen informiert sind.
Dabei unbedingt die dem Antrag beiliegenden Schweige­
pflichtsentbindungen und Einverständniserklärungen aus­
füllen, damit das Versorgungsamt bei den angegebenen
Stellen die entsprechenden Auskünfte einholen kann.
• Antragstellung mit dem behandelnden Arzt absprechen.
Der Arzt sollte in den Befundberichten die einzelnen Aus­
wirkungen der Erkrankung detailliert darstellen. Diese
Kriterien, nicht allein die Diagnose, entscheiden über den
Grad der Behin­derung. Zusätzlich ist eine Beschreibung hilfreich, worin genau die Beeinträchtigung durch die psychische
Störung im Alltag besteht, z. B. in Handlungsunfähigkeit durch
das Gefühl von Bedrohung. Eventuell sollten auch die Wahr­
nehmungen von vertrauten Personen mit aufgeführt werden.
• Bereits vorhandene ärztliche Unterlagen gleich bei Antrag­
stellung mit einreichen, z. B. Krankenhausentlassungsbericht,
Reha-Bericht, alle die Erkrankung betreffenden Befunde
in Kopie.
• Lichtbild beilegen.
Nach der Feststellung des GdB bekommt der Behinderte vom
Ver­sorgungsamt einen sogenannten Feststellungsbescheid.
81
Gültigkeitsdauer
Der Ausweis wird in der Regel für längstens 5 Jahre aus­
gestellt.
Ausnahme: Bei einer voraussichtlich lebenslangen Behinderung
kann der Ausweis unbefristet ausgestellt werden.
Verlängerung: Die Gültigkeit kann auf Antrag höchstens zweimal
verlängert werden. Danach muss ein neuer Ausweis beantragt
werden.
Ausweis im
Scheckkartenformat
Seit 1.1.2013 kann der Schwerbehindertenausweis als Identifikationskarte im Bankkartenformat ausgestellt werden. Über den
genauen Zeitpunkt der Umstellung entscheidet jedes Bundesland
selbstständig. Ab 1.1.2015 wird er nur noch in dieser Form ausgestellt. Alle alten Ausweise im Papierformat, die bis 31.12.2014
ausgestellt werden, gelten noch solange, bis ihre eingetragene
Gültigkeitsdauer abläuft.
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales bietet ein Faltblatt zum neuen Ausweis. Es kann unter www.bmas.de > Service
> Publikationen kostenlos heruntergeladen oder bestellt werden.
Merkzeichen
Verschiedene Merkzeichen im Schwerbehindertenausweis
kennzeichnen die Behinderung und signalisieren, welche
Vergüns­tigungen der Behinderte erhält.
Bei Psychosen kann unter Um­ständen das Merkzeichen H
(= hilflos) erteilt werden. Dazu muss ein GdB von 100 vorliegen.
82
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Erwerbsminderungsrente
„Rente“ infolge von Psychosen verursacht bei Betroffenen oft Angst und Abwehr.
Die „Erwerbsminderungsrente“ wird hier vorgestellt,
weil es sich um eine grundsätzlich befristete Rente handelt, d. h.:
In Phasen sehr schwerer Erkrankung kann die Rente
einkommenslose Zeiten überbrücken, aber der Weg zurück
in die Arbeitswelt ist vorgesehen.
83
Vor einem Rentenantrag sollte aber immer intensiv überprüft
werden, ob alle Reha- und beruflichen Eingliederungsmöglichkeiten ausgeschöpft wurden.
Es gibt zwei Arten von Erwerbsminderungsrente:
die volle Er­werbs­minderungsrente und die teilweise Erwerbs­min­de­rungsrente. Sie werden in allen Fällen nur auf Antrag
gezahlt. Anspruch auf die Erwerbsminderungsrente besteht bis
zur Vollendung des 65. Lebensjahres. Seit 2012 wird die Altergrenze schrittweise auf 67 Jahre angehoben.
Volle
Erwerbsminderungsrente
Voll erwerbsgemindert ist, wer aus gesundheitlichen Gründen
auf nicht absehbare Zeit nur eine berufliche Tätigkeit von
weniger als 3 Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen
des allgemeinen Arbeitsmarktes ausüben kann.
Teilweise
Erwerbsminderungsrente
Teilweise erwerbsgemindert ist, wer aus gesundheitlichen
Gründen auf nicht absehbare Zeit eine berufliche Tätigkeit
von mindestens 3, aber weniger als 6 Stunden täglich unter
den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes
ausüben kann.
Berufsschutz
Voraussetzungen
Befristung
Versicherte, die vor dem 2.1.1961 geboren sind und in ihrem
oder einem vergleichbaren Beruf nur noch weniger als 6 Stunden
arbeiten können, bekommen eine teilweise Erwerbsminderungsrente wegen Berufsunfähigkeit, auch wenn sie auf dem all­gemeinen Arbeitsmarkt 6 und mehr Stunden arbeiten könnten.
Für den Erhalt von Erwerbsminderungsrente müssen
folgende Voraussetzungen erfüllt sein:
• Erfüllung der Wartezeit von 5 Jahren
(= Mindestversiche­rungszeit) und
• in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung
3 Jahre Pflichtbeiträge.
Die Erwerbsminderungsrente ist in der Regel befristet.
Sie wird für längstens 3 Jahre gewährt. Danach kann sie wiederholt werden. Unbefristet wird die Rente nur gewährt, wenn keine
Verbesserung der Erwerbsminderung mehr absehbar ist, davon ist
nach 9 Jahren auszugehen.
84
Praxistipps!
Dem Rentenantrag sind zweckmäßige ärztliche Unterlagen
(z. B. Befundbericht des Hausarztes) sowie alle Versicherungsnachweise beizufügen, damit er möglichst schnell bearbeitet
werden kann.
Bei Notwendigkeit der Weiterführung der Rente ist ein neuer
bzw. ein Verlängerungsantrag nötig. Im Antrag sind die
Einschrän­kungen des Versicherten durch den Arzt möglichst
genau zu beschreiben bzw. die Angaben aus dem Erstantrag
zu be­stätigen, falls keine Verbesserung eingetreten ist. Der
Versicherte kann dabei mithelfen, indem er sich selbst genau
beobachtet bzw. sich von seiner Umgebung beobachten lässt,
um festzu­stellen, worin er im Vergleich zu anderen Gleichaltrigen
behindert/eingeschränkt ist. Die meisten Ärzte schätzen es sehr,
wenn der Patient diese Aufzeichnungen mit zur Sprechstunde
bringt.
Für jeden Monat, den die Rente vor den 63. Geburtstag vor­gezogen wird, gibt es einen Rentenabschlag von je 0,3 %,
höchstens aber von 10,8 %.
Rentenabschläge bei
Erwerbsminderungsrente
Das heißt: Bei einem Rentenbeginn vor dem 60. Lebensjahr
be­trägt der Abschlag immer 10,8 %, bei einem Rentenbeginn
nach dem 63. Lebensjahr gibt es keinen Abschlag. Diese Renten­
kürzung ist dauerhaft, d. h. sie fällt mit dem Eintritt in eine
Altersrente nicht weg und führt nach dem Tod des Versicherten
auch zu einer Kürzung der Hinterbliebenenrente.
Vorgezogene Monate
vor dem 63. Geburtstag
Dauerhafte Kürzung
der Rente um
1 Monat
0,3 %
2 Monate
0,6 %
3 Monate
0,9 %
4 Monate
1,2%
…
…
33 Monate
9,9 %
34 Monate
10,2 %
35 Monate
10,5 %
36 Monate
10,8 %
85
Abschlagsfreie Rente
seit 2012
Hinzuverdienst
Seit 2012 wird die Altersgrenze für eine abschlagsfreie Erwerbsminderungsrente schrittweise von 63 auf 65 Jahre angehoben.
Die volle Erwerbsminderungsrente wird nur dann ungekürzt ausgezahlt, wenn der Hinzuverdienst monatlich 450,– e nicht übersteigt. Bei höherem Hinzuverdienst kann die Rente nur noch in
geringerer Höhe oder überhaupt nicht mehr ausgezahlt werden.
Jede Erwerbstätigkeit ist dem Rentenversicherungsträger zu
melden.
Praxistipp!
Bei der teilweisen Erwerbsminderungsrente kann die
Berechnung der individuellen Hinzuverdienstgrenzen beim
Rentenversicherungs­träger oder z. B. bei einem Rentenberater
durchgeführt werden.
Wer hilft weiter?
Auskünfte und Beratungsstellen vor Ort vermitteln die
Rentenversicherungsträger, welche auch individuelle Renten­
berechnungen vornehmen.
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Pflege
Psychotische Störungen können bei sehr schwerem,
chronischem Verlauf manchmal zu einer Pflegebedürftigkeit führen.
87
Pflegebedürftigkeit
Definition „Pflegebedürftigkeit“
Pflegebedürftig im Sinne der Pflegekassen ist, wer wegen
einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder
Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens
auf Dauer, voraussichtlich für mindestens 6 Monate,
in erheblichem oder höherem Maße der Hilfe bedarf.
Grundlage für die Feststellung der Pflegebedürftigkeit ist
der Hilfebedarf eines Menschen, den er in den Bereichen
Körperpflege, Ernährung, Mobilität und hauswirtschaftliche
Versorgung hat.
Die Schwere der Pflegebedürftigkeit wird in Pflegestufen ein­
geteilt. Damit eine Pflegebedürftigkeit festgestellt und der
Patient in eine Pflegestufe eingestuft wird, muss die Fähigkeit,
bestimmte Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auszuüben, eingeschränkt oder nicht vorhanden ist. Dies ist auch
dann gegeben, wenn der Pflegebedürftige die Verrichtung zwar
motorisch ausüben, ihre Notwendigkeit jedoch nicht erkennen
oder nicht in sinnvoll zielgerichtetes Handeln umsetzen kann.
So kann ein Mensch mit psychotischer Störung zwar durchaus
körperlich in der Lage sein, sich selbst zu waschen, zu kämmen
und Nahrung zu sich zu nehmen, doch er braucht Hilfen, um
diese Tätigkeiten in Angriff zu nehmen.
Anleitung
und Beaufsichtigung
Als Anleitung und Beaufsichtigung im Sinne der
Pflegeversi­cherung gelten:
• Unterstützung bei den pflegerelevanten Verrichtungen des
täglichen Lebens
• Teilweise oder vollständige Übernahme dieser Verrichtungen
• Beaufsichtigung der Ausführung oder Anleitung zur Selbst­
vornahme dieser Verrichtungen
Für eine vorübergehende Pflegebedürftigkeit unter 6 Monaten
kommt unter Umständen die gesetzliche Krankenversicherung
auf. Die entsprechende Leistung ist die sogenannte Häusliche
Krankenpflege, die es speziell für Menschen mit Psychosen in
Form der psychiatrischen Krankenpflege (siehe S. 91) gibt.
88
Leistungen der Pflegekassen
Die Leistungen der Pflegekassen werden im Folgenden
nur auszugsweise dargestellt. Über Details informieren
die Pflege­kassen.
Grundsätzlich wird unterschieden zwischen:
• Häuslicher Pflege
Der Patient wird im häuslichen Umfeld gepflegt.
• Teilstationäre Pflege
• Vollstationärer Pflege
Der Patient wird im Heim gepflegt.
• Kurzzeitpflege
• Pflege in einer Behinderteneinrichtung
Bei der häuslichen Pflege ist entscheidend, ob ein Angehöriger
oder ein Pflegedienst die Pflege übernimmt.
Häusliche Pflege
Angehöriger pflegt: Pflegegeld
Wenn ein Angehöriger oder eine nicht berufsmäßig tätige
Pflegekraft den Patienten pflegt, erhält der Patient ein
monatliches Pflegegeld von:
Pflegestufe I
➞
235,– e
Pflegestufe II
➞
440,– e
Pflegestufe III
➞
700,– e
Pflegedienst (Sozialstation) pflegt: Pflegesachleistung
Wenn ein Pflegedienst den Patienten zu Hause versorgt, erhält
der Patient die sogenannte Pflegesachleistung. Der Pflegedienst
rechnet monatlich mit der Pflegekasse ab.
Pflegestufe I
➞
bis zu 450,– e
Pflegestufe II
➞
bis zu 1.100,– e
Pflegestufe III
➞
bis zu 1.550,– e
Härtefall der Stufe 3
➞
bis zu 1.918,– e
Kombinationsleistung
Pflegesachleistung (= Pflegedienst pflegt) und Pflegegeld
(= An­gehöriger pflegt) können auch miteinander kombiniert
werden und werden dann anteilig von der Pflegekasse gezahlt.
89
Betreuungsleistungen bei erheblichem Betreuungsbedarf
Für Pflegebedürftige mit schwerer psychischer Erkrankung kann
die Pflegekasse zusätzliche Betreuungsleistungen bis zu 200,– e
monatlich übernehmen. Die Mittel müssen nachweislich zweckgebunden eingesetzt werden. Auch Menschen mit stark ein­
geschränkter Alltagskompetenz ohne Pflegestufe bekommen
je nach Betreuungsbedarf einen Betrag von der Pflegekasse.
Vollstationäre Pflege
Eine vollstationäre Pflege in einem Heim finanziert die Pflegekasse nur, wenn häusliche oder teilstationäre Pflege nicht
möglich sind.
monatliche Höhe
Pflegestufe I
➞
1.023,– e
Pflegestufe II
➞
1.279,– e
Pflegestufe III
➞
1.550,– e
Härtefall der Stufe 3
➞
1.918,– e
Die Kosten für Unterkunft und Verpflegung im Heim (die sogenannten „Hotelkosten“) und eventuelle Mehrkosten bei der
Pflege muss der Pflegebedürftige selbst zahlen. Wenn er sich
das nicht leisten kann, hilft unter Umständen das Sozialamt.
Pflegegeld
Pflegegeld bekommt ein Pflegebedürftiger, um eine selbst
beschaffte Pflegekraft zu bezahlen.
Dabei kann es sich z. B. um Angehörige, ehrenamtliche Pflegepersonen, erwerbsmäßige Pflegekräfte oder eine vom Pflegebedürftigen angestellte Pflege­person handeln. Pflegegeld gehört
im Rahmen der Pflegever­sicherung zur Häuslichen Pflege und
stellt die erforderliche Grundpflege und hauswirtschaftliche
Versorgung in geeigneter Weise sicher. Für Nichtmitglieder der
Pflegeversicherung tritt unter bestimmten Voraussetzungen das
Sozialamt ein.
Pflegegeld ist kein Einkommen des Pflegebedürftigen.
Wenn der Pflegebedürftige das Pflegegeld an die pflegende
Person weiterleitet, gilt dies ebenfalls nicht als Einkommen,
außer der Pfle­gende wird im Rahmen eines Arbeits- oder
Beschäftigungs­ver­hältnisses für den Pflegebedürftigen tätig.
90
Wenn die vorrangige Pflegekasse nicht oder nicht in vollem
Umfang leistet, kann das Sozialamt nachrangig eintreten.
Beim Pflegegeld der Sozialhilfe gelten bestimmte Einkommens­
grenzen.
Pflegegeld der Sozialhilfe
Das Pflegegeld der Sozialhilfe wird unter bestimmten
Voraussetzungen gekürzt:
• Werden der Pflegeperson neben dem Pflegegeld
Auf­wen­dungen erstattet oder einer Pflegefachkraft
angemessene Kosten gewährt, kann das Pflegegeld
um bis zu zwei Drittel gekürzt werden.
• Bei teilstationärer Betreuung (Tages- oder Nachtpflege)
des Pflegebedürftigen kann das Pflegegeld angemessen
gekürzt werden.
Wer hilft weiter?
Individuelle Auskünfte erteilen die Pflegekassen und das Sozialamt.
Psychiatrische Krankenpflege
Sozialrechtlich gesehen ist die psychiatrische Krankenpflege
ein Teil der häuslichen Krankenpflege, die von der Kranken­
kasse übernommen wird. In der Praxis wird häufig von
„Ambulanter Psychiatrischer Pflege“ gesprochen.
Bei zahlreichen psychotischen Störungen kann psychiatrische
Krankenpflege verordnet werden. Eine detaillierte Auflistung
der Diagnosen findet sich in den Richtlinien über die Verordnung
häuslicher Krankenpflege unter Punkt 27a „Psychiatrische
Kran­kenpflege“, Download im Internet unter www.g-ba.de >
Informations-Archiv > Richtlinien > Häusliche KrankenpflegeRichtlinie.
Die psychiatrische Krankenpflege dient
• der Erarbeitung der Pflegeakzeptanz (Beziehungsaufbau),
• der Durchführung von Maßnahmen zur Bewältigung von
Krisensituationen und
• der Entwicklung kompensatorischer Hilfen bei krankheits­
bedingten Beeinträchtigungen der Aktivitäten.
Der Krankenkasse ist ein Behandlungsplan vorzulegen.
91
Voraussetzungen
Häusliche Krankenpflege kann verordnet werden, wenn
• eine Krankenhausbehandlung erforderlich, aber nicht ausführbar ist (z. B. Patient verweigert aus nachvollziehbaren
Gründen die Zustimmung zur Krankenhauseinweisung) oder
• eine Krankenhausbehandlung vermieden oder verkürzt wird.
In beiden Fällen handelt es sich um die sogenannte Kranken­
hausvermeidungspflege oder
• sie zur Sicherung des ärztlichen Behandlungszieles erforderlich
ist (z. B. falls der Arzt Injektionen im nötigen Umfeld nicht
selbst vornehmen kann). In diesem Fall handelt es sich um
eine sogenannte Sicherungspflege, und
• keine im Haushalt lebende Person kann den Patienten im
erforderlichen Umfang pflegen und versorgen.
Spezielle Voraussetzungen für die Verordnung psychiatrischer
Krankenpflege:
• Der Patient weist eine ausreichende Behandlungsfähigkeit auf,
damit bestehende Funktionsstörungen durch die Maßnahmen
im Pflegeprozess positiv beeinflusst werden können.
• Es ist zu erwarten, dass die Therapieziele vom Patienten
erreicht werden können.
Können diese Voraussetzungen bei erstmaliger Verordnung nicht
eingeschätzt werden, ist eine Erstverordnung über einen Zeitraum von bis zu 14 Tagen zur Erarbeitung der Pflegeakzeptanz
und zum Beziehungsaufbau möglich. Dabei kann auch die
Anleitung der Angehörigen des Patienten im Umgang mit
dessen Erkrankung Gegenstand der Leistung sein. Zeichnet sich
in diesem Zeitraum ab, dass Pflegeakzeptanz und Beziehungsaufbau nicht erreicht werden können, ist eine Folgeverordnung
nicht möglich.
Verordnung
und Behandlungsplan
Die ärztliche Verordnung der psychiatrischen Krankenpflege
er­folgt durch einen Vertragsarzt des Fachgebiets Nervenheil­
kunde, Neurologie, Psychiatrie oder Psychotherapeutische
Medizin oder durch einen Arzt mit der Zusatzbezeichnung
Psychotherapie. Die Verordnung durch den Hausarzt erfordert
eine vorherige Diagnosesicherung durch einen der oben
genannten Fachärzte.
Zur Verordnung gehören der Verordnungsvordruck zur häuslichen
Krankenpflege und ein vom Arzt erstellter Behandlungsplan.
Dieser muss die Indikation, die Fähigkeitsstörungen, die
Ziel­setzung der Behandlung und die Behandlungsschritte
(Behandlungsfrequenzen und -dauer) enthalten.
Maßnahmen der psychiatrischen Krankenpflege und der Sozio­
therapie (siehe S. 17) können in der Regel nur nacheinander,
nicht zeitlich nebeneinander verordnet werden.
92
Ausnahme: Die Maßnahmen ergänzen sich aufgrund ihrer
jeweiligen Zielsetzung. Diese Abgrenzung gegeneinander ist
dann sowohl im Behand­lungsplan der psychiatrischen Krankenpflege als auch im soziotherapeutischen Betreuungsplan
darzulegen.
Psychiatrische Krankenpflege kann bis zu 4 Monate lang mit bis
zu 14 Einheiten pro Woche (abnehmende Frequenz) verordnet
werden.
Dauer und Häufigkeit
Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, zahlen 10 %
der Kosten pro Tag für längstens 28 Tage im Kalenderjahr sowie
10,– e pro Verordnung. Eine Zuzahlungsbefreiung ist möglich,
siehe S. 74.
Zuzahlung
Praxistipp!
Herkömmliche ambulante Pflegedienste haben ihren Schwer­
punkt in der Regel auf der Pflege älterer Patienten.
Psychiatrische Krankenpflege auf Verordnung kann aber nur ein
spezialisierter Dienst für psychiatrische Krankenpflege erbringen,
der mit der Krankenkasse des Patienten einen Versorgungsvertrag
haben muss. Nicht in jedem Bundesland gibt es entsprechende
Dienste.
93
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Familie und Angehörige
Die Familie merkt oft bald, dass mit dem Angehörigen „etwas nicht stimmt“.
Doch als Ursachen werden eher eine Sinnes­wandlung oder eine vorübergehende Krise
angenommen. Bis zur Diagnosestellung können Jahre vergehen und zwischenzeitlich brechen
Freundschaften auseinander und manchmal sogar die Familie.
95
Betroffenen kann die Psychose dagegen plötzlich kommen.
Denken und Fühlen, Wahrnehmung von Körper und Umfeld
sind gestört und führen – manchmal unmerklich – dazu, dass
gewohnte Lebensbahnen verlassen werden. Es kann zum Verlust
des Arbeitsplatzes kommen, zum Abbruch eines Studiums, zu
Auseinandersetzungen mit und Trennungen von Freunden,
Verwandten oder Lebenspartnern. Rückzug aus dem gewohnten
Umfeld und fehlende soziale Kontakte sind die Folgen.
Umgang miteinander
Im Umgang mit Menschen mit psychotischen Störungen
sind grundsätzlich akute Phasen von Zeiten der Remission
zu unterscheiden. In der Akutphase sind zum Teil stationäre
Aufenthalte erforderlich. In der Remissionsphase helfen
häufig vertraute Bezugspersonen und ein geregelter Tages­
ablauf – allerdings ist es sehr schwierig, hier allgemein
gül­tige Aussagen zu machen, da die Bedürfnisse der
Menschen sehr unterschiedlich sind und auch bei den
einzelnen Per­sonen je nach Befindlichkeit stark schwanken
können.
Achtsamkeit
für sich und andere
96
Menschen mit einer Psychose sind verletzlicher und dünn­
häutiger als gesunde Menschen. Durch eine ständige Rücksichtnahme seitens der Angehörigen können diese aber bald ihrerseits
überfordert sein. Leitlinien des Umgangs miteinander sollten
eine weitestgehende Offenheit und gegenseitige Anerkennung
der Bedürfnisse und Sichtweisen sein. Die besondere Schutzbedürftigkeit des Patienten darf keine Selbstaufgabe der
Angehörigen zur Folge haben. Als auf Dauer hilfreicher hat
sich das Bemühen um Verständnis und das Hineinversetzen in
die Welt des Betroffenen erwiesen.
„Hilfen im Dialog“
Fragt man psychoseerfahrene Menschen, was sie in akuten
Krisen brauchen, oder im Nachhinein, was zur Genesung
beigetragen hat, so sind scheinbar unbedeutende Dinge
wichtig:
• authentische, selbstverständliche, also das „normale“
Selbstverständnis fördernde Erlebnisse,
• Erfahrungen von Normalität,
• Zeit, Ruhe, Geduld,
• Rückzugsraum, „Spielraum“,
• Gewohnheiten und Eigenarten, die den „Eigen-Sinn“
fördern (Träume, Tagebücher, Naturerlebnisse usw.)
• Angehörige und Freunde, die zu einem halten,
Menschen, die einfach nur „da“ sind.“
(Zitat aus: Die Blaue Broschüre, Details siehe S. 3)
Wichtig ist für den Betroffenen und die Angehörigen, die
psychotische Störung zu erkennen und diese Situation zu
akzeptieren – wobei mit Akzeptieren kein Resignieren gemeint
ist. Viel produktiver ist ein „spielerischer“ Umgang mit den
ver-rückten Wahr­nehmungen/Äußerungen. Mit „spielerisch“ ist
hier gemeint: sehen und hören, offen und neugierig sein, näher
betrachten oder sich auch wieder zurückziehen, Erfahrungen
sammeln mit dem Ungewohnten und ihm auf diese Weise seine
Fremdheit und seinen Schrecken nehmen, dabei aber nie die oft
existenziell allumfassende Dimension der Erkrankung verharm­
losen. Schuldzuweisungen sollen nicht vorgenommen werden.
Die Situation akzeptieren
Die große Hürde auf dem Weg zur Akzeptanz ist, dass psychische
Erkrankungen mit vielen falschen Vorurteilen belegt sind – in der
Regel sowohl bei den Betroffenen und ihren Angehörigen als
auch im Umfeld. „Unberechenbar, gefährlich, träge, dumm,
unheilbar“ – in dieser Bandbreite bewegt sich das allgemeine
Bild. „Gespaltene Persönlichkeiten“, „genetische Veranlagung“
und „das Elternhaus“ sind weitere Bausteine der Vorurteile, die
die Betroffenen in eine (mentale) Ecke stellen, aus der sie nur
schwer herausfinden. Angesichts dieser Vorurteile ist es nur allzu
verständlich, dass viele Betroffene und Angehörige lange um
Akzeptanz ringen müssen, mit sich und mit dem Umfeld.
Inzwischen gibt es an vielen Orten trialogische Informationsund Aufklärungsprojekte unter Beteiligung von Experten,
Psychose-Erfahrenen und Angehörigen, die diesen Fehl­
einschätzungen entgegenwirken, z. B. www.irremenschlich.de
(siehe auch Psycho­seseminare S. 22).
97
In die Familie einbeziehen
Auch ein Mensch mit psychotischen Störungen sollte weiterhin
und ganz bewusst in Familienangelegenheiten einbezogen sein.
Er sollte seine Meinung zu Themen äußern, die für ihn von
Belang sind. Angehörige sind oft versucht, dem Betroffenen
alles abzunehmen. Dies kann jedoch die Minussymptomatik
verstärken. Ziel muss sein, trotz der Psychose eine weitgehende
Selbstständigkeit zu erhalten oder wiederzuerlangen.
Das Machbare anstreben
Psychose-Erkrankten fehlen häufig Antrieb und Energie.
Dies kann entweder in der Negativsymptomatik (verminderte
Auf­merk­samkeit, Sprachverarmung, Gemütsverflachung,
Interessenschwund und anderes) begründet sein oder als Nebenwirkung der Psychopharmaka auftreten. Hilfreich für den
Patienten ist, wenn er ermutigt und unterstützt wird, so viel
zu tun, wie ihm möglich ist. Dabei sollten kleine, allmähliche
Schritte anvisiert werden, damit Erfolgserlebnisse möglich sind.
Wichtige Bereiche, in denen Betroffene solche Unterstützung
brauchen, sind Hygiene, Körper­pflege und kleinere Aufgaben
im Haushalt.
Gemeinsame Unternehmungen
98
Manche Betroffene empfinden es als angenehm, mit einem
Ange­hörigen eher nonverbalen Aktivitäten nachzugehen, z. B.
einen Spaziergang zu unternehmen, gemeinsam fernzusehen
oder zu lesen. Auch wird es von Betroffenen als hilfreich
angesehen, wenn sie ihre Gefühle und Gedanken durch
kreatives Gestalten ausdrücken können, z. B. durch Schreiben,
Malen, Musizieren oder Töpfern. Ehrliche und positive Rück­
meldungen sind dabei sehr wichtig, ein falsches Lob kann die
unbedingt notwendige Vertrauensbasis schnell und auf lange
Zeit zerstören.
Angehörige von
Psychose-Patienten
Bei einer psychotischen Störung wie z. B. Schizophrenie sind
die Angehörigen in besonderer Weise mitbetroffen.
Die Diagnose stellt eine Belastung für das ganze familiäre
Umfeld dar. Deshalb ist es ratsam, dass auch die Angehörigen
professionelle Hilfe in Anspruch nehmen. Der Patient sollte
davon wissen, damit er nicht das Gefühl bekommt, dass hinter
seinem Rücken gehandelt wird.
Nachfolgend Anhaltspunkte für Angehörige zum Umgang
mit Psychose-Patienten. Sie sind der „Blauen Broschüre“
entnommen, genaue Angaben siehe S. 3.
Ergänzungen, Veränderungen und Auslassungen sind mit
[eckigen Klammern] gekennzeichnet.
Wenn eine Psychose u. a. mit einer Verunsicherung des inneren
Selbst, vielleicht auch den Verlust von eigenen Grenzen bedeutet,
dann macht es keinen Sinn, wenn die Mitmenschen „selbst-los“
handeln. Es ist wichtig, dass sie zwar Rücksicht nehmen und
den anderen immer wieder so selbstverständlich wie möglich
einbeziehen, die eigenen Interessen und Gewohnheiten aber
nicht völlig aufgeben.
Orientierung
[Die Gleichzeitigkeit sehr unterschiedlicher Verhaltensweisen]
bedeutet vor allem für die Angehörigen eine schwierige Balance
zwischen den beiden Polen, einerseits Verständnis für kindlich
[wirkende Verhaltensweisen] zu zeigen, andererseits die reale
Person und ihren realen Entwicklungsstand zu respektieren.
Entwicklung
Wenn Psychosen Rätsel aufgeben, dann steckt darin auch für die
An­gehörigen die Chance, mehr über sich, die Wahrnehmungen
des anderen und die Bedingungen des Zusammenlebens zu
erfahren. Das kann schmerzhaft sein und befreiend.
Die psychotische Kommunikation kann der einzige Ausweg aus
diesem Dilemma sein. Alle sind gefordert, ihre Wahrnehmung zu
vervollständigen und mehr von sich selbst wahr-zu-machen.
Jeweils eigene Fragen und Antworten zu finden, ist sicher nicht
leicht. Wechsel­wirkungen festzustellen, ohne Schuld zu verteilen,
ist eine hohe Kunst, die oft erst mit größerem zeitlichem Abstand
gelingen kann und manch­mal auch therapeutischer Hilfe bedarf.
Rätsel
99
Existenzsicherung
Wenn eine Psychose zum Verlust der eigenen Grenzen führt,
kann das große Gefahr bedeuten. Eher für den Betreffenden
selbst, seltener auch für andere. An dieser Stelle ist Gegnerschaft
gefordert. Die Orientierung an den Grenzen anderer kann die
einzige Orientierung sein. Die Sicherung der eigenen Existenz
kann vom Handeln anderer abhängen. Für den anderen Gegner/
Gegenüber zu sein, ohne ihn klein zu machen, ist sehr schwierig.
Scheuen Sie sich nicht, sich Hilfe zu holen.
Dabeisein
Wenn Psychosen mit panischen Ängsten zusammenhängen, so
können sich diese quasi durch die Poren auf andere übertragen.
Das macht es schwer, Notwendiges zu verwirklichen:
Gelassenheit und Geduld, räumliche Geborgenheit, Ruhe ohne
neue angstauslösende Reize, körperliche Nähe ohne Grenzüberschreitung, Anwesenheit ohne Forderung …
Kontakt
Wenn eine Psychose aus menschlicher Isolation erwächst oder
wenn sie sich in Isolation verstärkt, so ergibt sich daraus die
Notwendigkeit wie auch die Schwie­rigkeit, den Kontakt zu
halten, bzw. herzustellen. Dies geschieht oft in einem lang­
wierigen Ringen. Angehörige sind in dieser Situation besonders
wichtig. Auch scheinbar banale Kontakte können dabei wichtig
sein, wenn sie „selbstverständlich“ sind, auch seltene Kontakte,
wenn sie verlässlich sind. All­tägliche Kontakte zu Nachbarn,
Postboten usw. haben den Vorteil, dass sie „ungefährlich“ sind.
In Psychosen Kontakt zu halten bzw. zu bekommen ist schwierig,
weil notwendige Nähe und gefürchtete Grenzüberschreitung
sehr nah bei­einander liegen. In dieser Situation brauchen
Angehö­rige und Profis eine Abstützung in Angehörigen- oder
Balint­gruppen, um den Kontakt zu sich selbst nicht zu verlieren.
Grenzen des Verstehens
Wenn ein Mensch sich in der Psychose unverständlich macht, so
schützt er sich damit auch vor dem Verstehen: Gewissermaßen
prüft er das Bemühen der anderen um Verständnis und entflieht
gleichzeitig in einen Bereich, in den letztlich niemand folgen
kann. Das bedeutet Einsamkeit und Eigen­heit/Unangreifbarkeit.
Menschen in Psychosen senden somit eine Doppelbotschaft aus,
die zutiefst menschlich ist, weil sie letztlich das Spannungsfeld
konzentriert, dem wir alle ausgesetzt sind: das Spannungsfeld
zwischen dem sozialen Angewiesensein und der unausweich­
lichen Einsamkeit eines jeden Menschen. Um Verständnis zu
ringen, ohne Verstehbarkeit zu fordern, also die Eigenheit des
anderen zu respektieren, erfordert eine große Genauigkeit mit
sich selbst.
100
Hilfen bieten Selbsthilfegruppen für Angehörige, örtliche
Bera­tungsstellen, psychiatrische Kliniken, Gesundheitsämter
und Volks­hochschulen. In den Gruppen können Angehörige sich
austauschen, mit anderen Angehörigen oder auch mit Fach­
leuten wie Ärzten, Psychologen oder Sozialpädagogen ihre
Probleme erörtern und nach besseren Bewältigungsstrategien
suchen. Dadurch werden Angehörige entlastet und finden mehr
Ruhe und Gelassenheit im Umgang mit dem Patienten.
Selbsthilfegruppen und
andere Anlaufstellen
Wer hilft weiter?
Adressen für Selbsthilfegruppen vermitteln der Bundesverband
der Angehörigen psychisch Kranker und andere Selbsthilfeverbände, Adressen siehe S. 121.
Selbstschutzmaßnahmen
für Betroffene
Die nachfolgenden Hinweise richten sich direkt an
Betrof­fene, ihre Lektüre empfiehlt sich aber auch für alle
Menschen, die privat oder beruflich mit psychoseerfahrenen
Menschen zu tun haben.
Sie sind der „Blauen Broschüre“ (Details siehe S. 3)
entnommen, weil aus dieser vor allem eines spricht:
das hohe Ziel eines achtsamen und respektvollen Umgangs
miteinander. Ergänzungen, Auslassungen und Veränderungen
sind mit [eckigen Klammern] gekennzeichnet.
• Wenn Sie in eine existenzielle Krise geraten und dabei
psychotisch werden, ist es hilfreich, in gewohnter Umgebung
zu sein mit Menschen, die Ihnen vertraut sind, ohne allzu
viel zu wollen.
• Es kann hilfreich sein, gewohnte Aktivitäten beizubehalten.
Bei depressiven Tendenzen sollten Sie sich für jede kleinste
Kleinigkeit, die Sie noch schaffen, loben und belohnen.
Vermeiden Sie fremde Maßstäbe, suchen Sie Ihre eigenen.
Neigen Sie eher zu Manien, versuchen Sie herauszufinden,
wie Ungewöhnliches auch im Alltag zu integrieren ist.
Immer gilt: Sie müssen Ihre eigenen Maßstäbe finden.
• Schön ist es, wenn Sie eine neutrale (therapeutische) Person
haben, auf deren Beziehungs- und Tragfähigkeit Sie sich
verlassen können und deren Urteil Sie trauen.
101
• Wenn Sie Medikamente brauchen und nehmen wollen,
bestehen Sie auf einer sorgfältigen Auswahl und Abstimmung,
auch wenn es möglicherweise mehrere Versuche braucht,
bis das für Sie passende Medikament und seine optimale
Dosierung gefunden ist. Achten Sie auf Nebenwirkungen
und besprechen Sie alle Reaktionen Ihres Körpers mit Ihrem
Arzt. Er sollte Ihnen zuhören, auch wenn es lange dauert.
• Lassen Sie sich nicht einreden, Ihre Krise sei nur körperlich
bedingt, die Psychose nur eine Transmitterstörung.
Transmitter sind ein Zwischenglied im komplexen Zusammen­
hang von Körper, Seele und Geist. Verweisen Sie auf den
differenzierten Umgang von Internisten mit Fieber, verlangen
Sie auch ein Nachdenken über die Hintergründe des aktuellen
Konflikts.
• Wenn Sie an einer Psychoedukation teilnehmen, hören Sie gut
zu: Sie werden entdecken, dass auch das Wissen der Psychiater
relativ begrenzt ist. Die wirklichen Antworten lassen sich nicht
per Edukation, sondern nur im Dialog finden.
• Achten Sie auf die für Sie persönlich wichtigen Frühsignale,
lassen Sie sich aber nicht dazu verführen, ständig alarmbereit
alles zu hinterfragen und sich dauernd zu beobachten. Das
verwirrt nur und kann das schönste Leben vermiesen. Suchen
Sie Gruppen auf, um gemeinsam auf sich aufzupassen [oder
besuchen Sie ein Psychoseseminar].
• Achten Sie auf Ihre Grundbedürfnisse: auf gesundes Essen und
Trinken, auf regelmäßigen Schlaf, auf frische Luft.
• Versuchen Sie einen Aktivitätsgrad zu finden, der für Sie
richtig ist, nicht zu viel und nicht zu wenig. Abwechslung,
aber nicht Verwirrung; Beständigkeit, aber nicht Monotonie.
Was für jeden ungesund ist (z. B. Schichtarbeit), ist für Sie
besonders belastend.
• Achten Sie auch bei Kontakten und Beziehungen auf Ihre ganz
persönlichen Maßstäbe und Bedürfnisse: Wenige gute Freunde
sind besser als viele schlechte. Manchmal kann auch Rückzug
schützen; aber ein wenig Austausch braucht wohl jeder. Auch
entferntere, aber zuverlässige Kontakte können einen halten.
• Sie sind ein Mensch mit Bedürfnissen wie jeder andere. Ihr
Leben wird Krisen bringen, die nicht zu vermeiden sind.
Achten Sie auf sich, seien Sie sich selbst ein Freund. Das haben
viele [Menschen] verlernt. Machen Sie sich zum Maßstab,
nicht die Psychose.
Wer hilft weiter?
Adressen für Selbsthilfegruppen vermitteln der Bun­des­verband
Psychiatrie-Erfahrener und andere Selbsthilfe­ver­bände, Adressen
siehe S. 121.
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Wohnen
Rückzugsraum zu haben, in eine soziale Gemeinschaft eingebunden zu sein,
alltägliche Pflichten wie Putzen oder Kochen sowie eine Tagesstruktur zu haben,
Selbstständigkeit gewinnen – das sind für psychoseerfahrene Menschen oft zentrale Heraus­
forderungen. Der Wohnsituation kommt deswegen große Bedeutung zu, sowohl in der ersten
Zeit nach der klinischen Behandlung als auch als langfristige Lebensfrage.
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Neben dem Wohnen im bisherigen Familienumfeld gibt es,
regional stark unterschiedlich, verschiedenste geförderte und
begleitete Wohnformen. Nachfolgend ein kurzer Überblick
über die theoretischen Möglichkeiten. Was in der einzelnen
Region tatsächlich zur Verfügung steht, inklusive Aufnahme­
bedingungen und (häufig) Wartezeiten, wissen in der Regel die
Sozialpsychiatrischen Dienste sowie die Sozialdienste in den
Kliniken.
Betreute Wohnformen
Im Bereich „Wohnen für psychisch kranke Menschen“ ist in
den letzten Jahren viel in Bewegung gekommen ist. In dem
Maß, wie die klinische Behandlung zeitlich verkürzt wird,
entstehen Angebote für betreute Wohnformen.
Am deutlichsten sichtbar wird das bei den psychiatrischen
Kliniken, die mancherorts Klinikraum umwidmen und für offene
Wohnangebote nutzen.
Bei betreuten Wohnformen stehen dem Bewohner Sozialarbeiter,
Ärzte, Therapeuten oder Schwestern/Pfleger zur Seite. Die fach­
liche Ausrichtung ist je nach Konzept unterschiedlich. Im Idealfall kommen die Betreuer aus verschiedenen Berufsgruppen
und arbeiten eng zusammen. Die Betreuung richtet sich immer
nach dem individuellen Bedarf und unterscheidet sich deshalb
ebenfalls sehr stark, sowohl was die Themen und Ziele angeht
als auch in der Intensität. Wichtig ist, dass es verbindliche
Absprachen gibt, gemeinsam festgelegte Betreuungsziele und
ein Netz im Hintergrund, mit dem jederzeit auf Veränderungen
und Krisen reagiert werden kann.
Die Betreuungsangebote umfassen z. B.
• Tagesstrukturierende Hilfen
• Hilfen und Anleitung im Haushalt: Putzen, Waschen, Kochen
• Freizeitangebote: Sport, Ausflüge, kreatives Gestalten,
kulturelle Aktivitäten, Reisen
• Sozialrechtliche und finanzielle Beratung
• Hilfe im Umgang mit Geld
• Hilfe bei der Beantragung und Aufrechterhaltung von
Rehamaßnahmen
• Hilfen zur Erlangung von Arbeitsmöglichkeiten
• Sicherung der medizinischen Versorgung
• Einzel- und Gruppengespräche
•Krisenintervention
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Die Betreuer werden von den Trägern gestellt und finanziert,
und auch hier herrscht große Vielfalt. Viele Wohnprojekte haben
mehrere Träger oder einen Träger, der mit verschiedenen Partnern
kooperiert. Infrage kommen z. B. der Sozialpsychiatrische Dienst,
der Allgemeine Sozialdienst oder Wohlfahrtsverbände. Auch
an psychiatrische Akutkliniken, Behindertenwohnheime, Werk­
stätten für Behinderte oder Integrationsprojekte sind teilweise
Wohnmöglichkeiten angebunden.
Träger
Der Aufenthalt in den meisten betreuten Wohnformen ist
befris­tet. Die Dauer reicht von wenigen Monaten bis einigen
Jahren.
Die oben genannten Angebote gibt es in mannigfachen
Kombinationen mit den folgenden Wohnungsformen:
Wohnformen
• Betreutes Einzelwohnen
Dabei erfolgt die Unterstützung in der eigenen Wohnung.
In der Regel besucht ein Betreuer den Klienten mehrmals in
der Woche zu Hause zu fest ausgemachten Terminen, nachts
erfolgt keine Betreuung. Betreutes Einzelwohnen kommt
insbesondere für Menschen in Frage, die schon relativ sicher
mit ihrer Psychose umgehen und selbst ihren Tag strukturieren
können. Ziel ist, größtmögliche Selbstständigkeit zu erreichen
oder ganz ohne Betreuung zu leben.
• Appartementwohnen
Appartementwohnen ist eine Zwischenform zwischen betreutem
Einzelwohnen und Wohngruppe. Jeder Appartement­bewohner
ist eigenständig, hat ein eigenes Bad und eine kleine Küche,
wohnt aber in einem Appartementhaus mit anderen
Betroffenen. Gemeinschaftseinrichtungen ermög­lichen soziale
Kontakte, aber es ist auch der völlige Rückzug möglich.
Betreuer und Therapeuten haben separate Räume.
• (Therapeutische) Wohngemeinschaft
In einer Wohngemeinschaft (WG) wohnen mehrere Betroffene
zusammen. Jeder hat ein Zimmer für sich, Bad, Wohn- und
Esszimmer sowie die Küche werden gemeinschaftlich genutzt.
Bei therapeutischen WGs (TWG) liegt ein deutlicherer Akzent
auf dem therapeutischen Konzept, doch in der Praxis sind die
Übergänge fließend und konzeptabhängig: Im einen Fall wird
die Therapie betont, im anderen ist es Teil des Konzepts, die
Normalität zu betonen und zu leben. In jedem Fall fördert der
„normale“ Tagesablauf die Selbstständigkeit der Bewohner:
durch die Tagesstruktur, das Wechselspiel von sozialem Miteinander und Rückzug in das eigene Zimmer sowie die Übernahme von Pflichten in der Gemeinschaft. In der Regel ist ein
Zimmer oder Büro in der WG für die therapeutischen Begleiter
reserviert. Diese sind je nach Bedarf und Konzept zeitweise
oder ganztags oder auch über Nacht vor Ort.
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• Wohngruppe
Von einer Wohngruppe spricht man meist im Zusammenhang
mit einem Heim. Die Bewohner bilden innerhalb eines Heims
eine Art WG, lernen soziales Miteinander und die Übernahme
von Pflichten wie Kochen, Waschen und Putzen.
• Langzeitwohnprojekte
Im Gegensatz zu den bisher genannten Formen sind Langzeit­
wohnprojekte auf Dauer angelegt. Bewohner sind chronisch
psychisch kranke Menschen. Als Wohnformen werden Wohn­
gruppen, WGs oder ganze Häuser genutzt. Meist haben die
Bewohner einen höheren Schutz- und Betreuungsbedarf als in
den oben genannten Formen.
• Eine besondere Form der Wohngemeinschaft sind SoteriaHäuser, Details siehe S. 23.
• Wohnheim
In einem Wohnheim nutzt der Bewohner sein Zimmer, alle
anderen Einrichtungen sind Gemeinschaftseinrichtungen.
Das Wohnen im Heim kann eine dauerhafte Lebensform sein,
aber es besteht zunehmend die Tendenz, die Bewohner zu
möglichst viel Selbstständigkeit und sozialen Wohnformen
zu befähigen: über die Wohngruppe im Heim hin zur heim­
unabhängigen WG.
Wer hilft weiter?
Auf der Suche nach betreutem Wohnen helfen der Sozialdienst
in der Klinik, der ambulante Sozialpsychiatrische Dienst sowie
alle Träger mit entsprechenden Angeboten – das sind meist
Wohl­fahrtsverbände, aber auch Gemeinden und Vereine.
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Wohnen in der Familie
Das Zusammenleben mit der Familie sollte – wenn möglich –
bewusst geprüft und entschieden werden.
Je nach Alter und Störungsbild kann das Familienleben die
erstrebenswerte Wohn­form sein, weil die vertraute Umgebung
und die Angehörigen Sicherheit und Geborgenheit geben.
Aber ebenso kann eine familienunabhängige Wohnform Selbstständigkeit und Entwicklung erst ermöglichen.
Kommt ein Patient nach einem Klinikaufenthalt (wieder) nach
Hause, sollte eine ambulante Nachsorge durch ärztliche Behand­
lung, Beratungsstellen, Ambulanzen und/oder Tagesstätten für
psychisch kranke Menschen (siehe S. 34) gewährleistet sein. Dem
Betroffenen sollte ermöglicht werden, eine Balance zwischen
Rückzug und Teilnahme am Familienleben zu finden. Dazu
sollten ihm räumliche Rückzugsmöglichkeiten geschaffen
werden. Details zum Umgang miteinander siehe S. 96.
Ein wichtiges Thema ist der Auszug junger, psychotisch
erkrankter Menschen aus der elterlichen Wohnung. Fast allen
Eltern fällt es schwer, ihre Kinder gehen zu lassen, für ein
psychisch gefährdetes Kind gilt das umso mehr. Für den jungen
Erwachsenen ist die Loslösung aus dem Elternhaus ein großer
Schritt, der mit einem Therapeuten sorgfältig geplant werden
sollte. Denn der Umbruch kann sowohl positiv als auch negativ
wirken. Stützend kann hier der Umzug in eine der oben auf­
geführten betreuten Wohnformen wirken.
Wohngeld
Wohngeld ist ein staatlicher Zuschuss zu den Kosten für
Wohn­raum. Dieser Zuschuss wird entweder als Mietzuschuss
für Mieter einer Wohnung oder als Lastenzuschuss für
Eigentümer eines Hauses oder einer Wohnung gewährt.
Wohngeld ist abhängig von der Zahl der Familienmitglieder,
deren Einkommen und der regional unterschiedlichen Höhe der
zu­schussfähigen Miete oder Belastung. Das Wohngeld wird in
der Regel für 12 Monate gewährt und muss möglichst vor Ablauf
der Bezugszeit neu beantragt werden.
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Keinen Anspruch auf Wohngeld haben Empfänger von
• Arbeitslosengeld II und Sozialgeld,
• Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderungsrente und
• Hilfe zum Lebensunterhalt im Rahmen der Sozialhilfe,
bei deren Leistungen bereits Kosten für Unterkunft und Heizung
berücksichtigt und abgedeckt worden sind.
Schwerbehinderte –
besonderer Freibetrag
Bei Patienten, die eine Anerkennung als Schwerbehinderte
haben, wird bei der Ermittlung des für das Wohngeld maß­
geblichen Jahres­einkommens ein Freibetrag abgezogen:
Schwerbehinderte mit einem Grad
der Behinderung (GdB) von 100
➞
1.500,– e
Schwerbehinderte mit einem GdB von
mindestens 80 und häuslicher Pflege­
bedürftigkeit
➞
1.500,– e
Schwerbehinderte mit einem GdB von 50 bis
unter 80 und häuslicher Pflege­bedürftigkeit
➞
1.200,– e
Wer hilft weiter?
Der Antrag auf Wohngeld erfolgt bei der örtlichen Wohn­geld­
stelle, die auch weitere Auskünfte erteilt. Hier können auch
die lokalen Wohngeldtabellen eingesehen werden.
Die Stadt- oder Gemeindeverwaltung des Wohnorts nennt
die zuständige Stelle bzw. das zuständige Amt für Wohngeld.
Informationen und Downloads beim Bundesministerium
für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, www.bmvbs.de/
Wohnen > Bauen und Wohnen > Wohnraumförderung >
Wohngeldtabellen
Unter anderem gibt es dort die Broschüre
„Wohngeld 2014 – Ratschläge und Hinweise“ als Download.
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Autofahren und Führerschein
Die meisten Menschen wollen selbstständig und mobil sein und deshalb Auto fahren.
Doch wer sich infolge körperlicher oder geistiger Einschränkungen (dazu können auch
psychotische Störungen zählen) nicht sicher im Verkehr bewegen kann,
darf am Verkehr nur teilnehmen, wenn er selbst Vorsorge getroffen hat,
dass er andere nicht gefährdet, z. B. durch Anbringen geeigneter Einrichtungen oder
Beisein einer Begleitperson (§ 2 Abs. 1 Fahrerlaubnis-Verordnung).
109
Ist ein Patient fahruntauglich und steuert dennoch ein Kraft­
fahrzeug, macht er sich strafbar und muss für mögliche Schäden
selbst aufkommen. Bei einem Unfall muss er mit strafrechtlichen
und versicherungsrechtlichen Konsequenzen rechnen.
Erstantrag auf Führerschein
Der Antrag auf Erteilung einer Fahrerlaubnis ist bei der Führer­
scheinstelle im Landratsamt oder bei der Stadtverwaltung zu
stellen. Die Antragstellung kann auch über die Fahrschule
erfolgen. Bei diesem Antrag ist anzugeben, ob eine körperliche
oder geistige Einschränkung vorliegt. Dies sollte der Antragsteller
wahrheitsgemäß angeben. Die Führerscheinstelle entscheidet
dann, ob und welche Gutachten beizubringen sind und wer
diese erstellen kann.
Führerschein und
schwere Krankheit
Nach schweren Krankheitsphasen ist der behandelnde
Arzt ver­pflichtet, Führerscheininhaber auf mögliche
Einschrän­kungen und Gefahren hinzuweisen.
Der Arzt lässt den Patienten in der Regel auch schriftlich
bestä­tigen, dass er auf die Gefahr hingewiesen wurde, andernfalls kann der Arzt für die Kosten möglicher Unfälle haftbar
gemacht werden. Oft steht diese Empfehlung auch im Abschlussbericht von Rehamaßnahmen.
Ob der Patient dies dann bei der zuständigen Führerschein- bzw.
Kfz-Zulassungsstelle meldet und seine Fahrtauglichkeit überprüfen lässt, bleibt diesem selbst überlassen.
Auch Fahrradfahrer, die nach einer schweren Erkrankung am
Verkehr teilnehmen und aufgrund ihres Gesundheits­zustands
einen Unfall verursachen, können ihren Führerschein verlieren.
Bei entsprechendem Verdacht macht die Polizei eine Mitteilung
an die Führerscheinstelle, welche dann den Patienten auffordert,
die Fahrtauglichkeit prüfen zu lassen.
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Zweifel an der
Fahrtauglichkeit
Bestehen Zweifel an der Fahrtauglichkeit, z. B. bei einer
Ver­kehrsroutinekontrolle durch die Polizei, fordert die
Führer­scheinstelle in der Regel ein fachärztliches Gutachten.
Der Facharzt sollte nicht der behandelnde Arzt sein.
Bestehen laut diesem Facharztgutachten noch immer Bedenken,
fordert die Führerscheinstelle ein medizinisch-psychologisches
Gutachten bzw. eine medizinisch-psychologische Untersuchung
(MPU).
Die MPU setzt sich aus folgenden Teilen zusammen:
• Fragebögen, die vom Patienten ausgefüllt werden müssen,
als Vorbereitung des Arzt- und Psychologengesprächs
• Leistungstests zur Prüfung der Reaktions- und Wahr­
nehmungsfähigkeit sowie der Reaktionsgeschwindigkeit
• Medizinischer Bereich: Körperlicher Allgemeinzustand,
Sinnesfunktionen, fachärztlicher Befund, neurologischer
Befund (falls erforderlich), Medikamenteneinnahme werden
berücksichtigt.
• Psychologischer Bereich: Wahrnehmung, Aufmerksamkeit,
Orientierung, Reaktion, Belastbarkeit werden beurteilt.
Im Gespräch mit dem Arzt und Psychologen geht es um die
Einstellungen zum Straßenverkehr (Vorausschauen, Planen,
Erkennen von Gefahren), aber auch um die Fähigkeit zur
Selbsteinschätzung und den Umgang mit Schwierigkeiten.
Autofahren bei Psychosen
In der Akutphase einer Psychose darf kein Fahrzeug geführt
werden. Nach dem Abklingen der akuten Symptome darf ein
Fahrzeug geführt werden, allerdings abhängig von der Art
und Prognose des Grundleidens:
• Organisch-psychische Störungen
Ein Fahrzeug darf wieder geführt werden, wenn das
Grund­leiden eine positive Beurteilung zulässt und weder
Rest­symp­tome noch ein chronisches, hirnorganisches Psychosyndrom vorliegen. In der Regel sind regelmäßige Nach­
untersuchungen erforderlich.
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• Affektive Psychosen
Ein Fahrzeug darf wieder geführt werden, wenn nicht mit
dem Wiederauftreten der Symptome gerechnet werden muss.
Auswirkungen der medikamentösen Behandlung sind zu
berücksichtigen, insbesondere bei Veränderung der Dosierung
oder des Wirkstoffs.
• Schizophrene Psychosen
Ein Fahrzeug darf wieder geführt werden, wenn keine
Stö­rungen (z. B. Wahn, Halluzination, schwere kognitive
Störung) mehr nachweisbar sind, die das Realitätsurteil
erheblich beeinträchtigen. Bei mehreren psychotischen
Episoden sind regelmäßige Untersuchungen durchzuführen.
Psycho­pharmaka (auch bei Langzeitbehandlung) sind grundsätzlich kein Hindernis: Sie können sowohl stabilisierend
wirken (also die Fahreignung fördern) als auch die Fahr­eig­nung
beeinträchtigen. Die medikamentöse Behandlung sollte durch
den behandelnden Facharzt dokumentiert werden.
Dauerbehandlung
mit Arzneimitteln
Bei nachgewiesenen Intoxikationen und anderen Wirkungen von
Arzneimitteln, die die Leistungsfähigkeit zum Führen eines
Kraftfahrzeuges beeinträchtigen, ist bis zu deren völligem
Abklingen die Voraussetzung zum Führen von Kraftfahrzeugen
aller Art nicht gegeben.
Der Patient muss grundsätzlich wissen, dass er für die Fahr­­tüch­tigkeit selbst verantwortlich ist. Er muss sich kritisch
beobachten, bevor er ein Fahrzeug steuert. Im Zweifel sollte
er das Auto lieber stehen lassen. Gerade Psychopharmaka, die
eine dämpfende Wir­kung haben, können die Reaktionszeit
verlängern und somit die Fahrtauglichkeit einschränken.
Autofahrer, die Psychopharmaka einnehmen, sollten auf jedem
Fall mit ihrem Arzt besprechen, ob sie mit den verordneten
Medikamenten fahrtauglich sind.
Wer hilft weiter?
Bei Fragen helfen der behandelnde Arzt, die Führerscheinstelle,
TÜV oder DEKRA sowie Stellen, die medizinisch-psychologische
Untersuchungen durchführen.
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Rechtliche Aspekte
der Betreuung
Psychotische Störungen können, insbesondere in akuten Pha­sen,
zu tiefgreifenden Verhaltensänderungen, Wahrneh­mungs­störungen und zu einer völlig
ver-rückten Beurteilung von Sachverhalten weit außerhalb der gesellschaftlichen Norm
führen. Die Geschäftsfähigkeit ist dann zum Teil nicht mehr gegeben.
113
Definition „Geschäftsfähig“/„Geschäftsunfähig“
„Geschäftsfähig“ ist, wer seine Willenserklärungen oder
rechtsgeschäftlichen Handlungen selbst beurteilen und
verstehen kann.
„Geschäftsunfähig“ ist demgegenüber unter anderem, wer
sich in einem Zustand krankhafter und dauerhaft gestörter
Geistestätigkeit befindet, der die freie Willensbildung ausschließt.
Die Geschäftsunfähigkeit ist allerdings nicht automatisch
mit Erreichen eines bestimmten Krankheitsstadiums zu
vermuten, sondern muss konkret festgestellt werden.
Vorsorge
In der Akutphase einer Psychose sind Patienten in der Regel
geschäftsunfähig. Dann erledigt häufig ein Betreuer (siehe
unten) die notwendigen persönlichen Angelegenheiten.
Auf diese fremdbestimmten Regelungen können Menschen
aber im Vorfeld Einfluss nehmen, indem sie eine Vorsorge­
voll­macht oder Betreuungsverfügung erstellen:
• In einer Vorsorgevollmacht legt der Verfasser fest, wen er für
welche Aufgabenbereiche als Bevollmächtigten einsetzt, wenn
er selbst entscheidungsunfähig ist. Liegt eine ausreichende
Vorsorgevollmacht vor, darf kein Betreuer eingesetzt werden.
• In einer Betreuungsverfügung legt der Verfügende fest,
wer – oder wer auf keinen Fall – im Bedarfsfall als Betreuer
eingesetzt wird und welche Wünsche der Betreuer zu
beachten hat.
Betreuungsverfügung und/oder Vorsorgevollmacht sollten auf
jeden Fall mit den gewünschten Betreuern/Bevollmächtigten
abgesprochen werden.
114
Betreuung
Betreuung ist eine Fürsorgeform, in deren Rahmen ein
ge­richt­lich bestellter Betreuer die Angelegenheiten des
Be­troffenen erledigt. Betreuer wird in der Regel ein naher
An­gehöriger, in einigen Fällen auch ein neutraler Dritter.
Die Betreuung wird (im Gegensatz zur früheren „Entmündigung“)
zeitlich begrenzt und nur für die Aufgabenbereiche eingerichtet,
für die sie erforderlich ist. Nur ein Teil der Patienten mit psycho­
tischen Störungen braucht einen Betreuer zur Regelung
persönlicher Angelegenheiten.
Wenn offensichtlich wird, dass ein Mensch im Alltag nicht mehr
zurechtkommt, dann kann jeder, dem das auffällt, z. B. Arzt,
Apotheker, Nachbar, eine Betreuung beim Betreuungsgericht
anregen. Anzeichen dafür, dass jemand nicht mehr ohne Hilfe
zurechtkommt, sind beispielsweise zunehmende Verwahrlosung
der Wohnung und des äußeren Erscheinungsbildes, Ablehnung
von ärztlicher Hilfe und Versorgung, Auffälligkeiten bei
finan­ziellen Geschäften.
Im Rahmen des Betreuungsverfahrens verschafft sich der
Betreuungsrichter in der Wohnung des Betroffenen oder in
einer betreuten Wohnform einen persönlichen Eindruck von
der Gesamtsituation und der Erforderlichkeit einer Betreuung.
Dabei werden auch die Aufgabenkreise des künftigen Betreuers
erläutert und bestimmt.
Das Betreuungsgericht bestellt einen Betreuer, wenn
folgende Voraussetzungen erfüllt sind:
• Der Betroffene kann aufgrund seiner Erkrankung seine
Ange­legenheiten ganz oder teilweise nicht mehr selbst
erledigen. Dies wird regelmäßig durch ein fachärztliches
Gutachten festgestellt.
• Die Betreuung ist erforderlich, d. h.: Es liegen Angelegenheiten
vor, die geregelt werden müssen, und es gibt keinen Bevoll­
mächtigten, der sie regeln kann.
Voraussetzungen
Bei einer Betreuung bleibt die Geschäftsfähigkeit des Betreuten
– im Gegensatz zur früheren Entmündigung – in der Regel
erhalten. Wenn es aber zur Abwendung einer erheblichen Gefahr
für die Person oder das Vermögen des Betreuten erforderlich ist,
kann das Vormundschaftsgericht anordnen, dass Erklärungen des
Be­treu­ten zu ihrer Wirksamkeit der Einwilligung des Betreuers
bedürfen, um rechtswirksam zu werden.
Einwilligungsvorbehalt
115
Praxistipp!
Das kann in der Praxis bedeuten, dass der Betreuer der Bank
einen Betrag (z. B. 200,– e) nennt, den der Betreute in der
Woche ab­heben darf. Will er mehr Geld haben, muss die Bank
mit dem Betreuer Rücksprache halten.
Kein Einwilligungsvorbehalt ist möglich bei „Willenserklärungen,
die auf Eingehung einer Ehe gerichtet sind“ und „Verfügungen
von Todes wegen“.
Aufgabenkreise
Die Bestellung eines Betreuers führt zu einer Einschränkung des
Selbstbestimmungsrechts des Betreuten.
Der Betreuer kann, wenn es zum Wohl des Betreuten erforderlich
ist, Maß­nahmen gegen den Willen des Betreuten einleiten,
soweit diese zum Aufgabenkreis des Betreuers gehören.
Aufgabenkreise des Betreuers können u. a. sein:
•Gesundheitsfürsorge
– Veranlassung von ärztlicher Behandlung
– Zustimmung zu Operationen und Medikamentengabe
– Behandlung in einem Krankenhaus
• Aufenthaltsbestimmung
–Mietangelegenheiten
– Suche einer geeigneten Wohnform
– Entscheidung über Umzug in ein Heim
– Unterbringung in einer geschlossenen Einrichtung
gegen den Willen des Betreuten (nur mit Zustimmung
des Betreuungsgerichts)
• Vermögenssorge
– Verwaltung von Vermögen und laufendem Einkommen
– Antragstellung auf Sozialhilfe, Renten und andere
öffentliche Leistungen
–Erbschaftsangelegenheiten
Das Prinzip der Betreuung besteht darin, dem Patienten zu
helfen, dabei jedoch seine Fähigkeiten zur Selbstbestimmung
so weit als möglich zu achten. Dieses Selbstbestimmungsrecht
findet seine Grenzen, wenn die Wünsche des Patienten seinem
Wohl entgegenstehen.
116
Bei weitreichenden Eingriffen in die Persönlichkeitsrechte des
Betreuten muss der Betreuer die Zustimmung des Betreuungsgerichts einholen.
Zustimmung
des Betreuungsgerichts
Dies gilt z. B. bei
• Heilbehandlungen oder ärztlichen Eingriffen, wenn die
begründete Gefahr besteht, dass der Betreute aufgrund der
Maßnahme einen schweren und länger dauernden
gesundheitlichen Schaden erleidet oder stirbt
• Sterilisation des Betreuten
• Kündigung der Wohnung des Betreuten
• einer mit Freiheitsentziehung verbundenen Unterbringung
(Details siehe S. 118)
Darüber hinaus muss der Betreuer dem Betreuungsgericht
Rechenschaft ablegen und haftet für die Verletzung seiner
Pflichten.
Bei einer Betreuung entstehen folgende Kosten:
• Gerichtsgebühren
z. B. in Form von gerichtlichen Gebühren und als Auslagen.
Letztere insbesondere für das Sachverständigengutachten
über die Ermittlung der Notwendigkeit, den Umfang und
die voraussichtliche Dauer der Betreuung. Diese Kosten muss
der Betreute nur tragen, wenn sein Vermögen nach Abzug
der Verbindlichkeiten mehr als 25.000,– e beträgt.
Eine Eigentumswohnung oder ein eigenes Haus, das der
Betreute allein oder mit Angehörigen bewohnt, bleibt
unberücksichtigt und wird nicht zum Vermögen gerechnet.
Bei einem Reinvermögen über 25.000,– e wird für eine
dauerhafte Betreuung eine Jahresgebühr fällig. Sie beträgt
5,– e für jede angefangenen 5.000,– e, die über dem
Vermögen von 25.000,– e liegen.
Kosten
• Gebühren für Berufsbetreuer
Bei einem Reinvermögen ab 2.600,– e müssen der Betreute
oder seine Unterhaltspflichtigen (z. B. Ehegatte, Kinder) die
Kosten für einen Berufsbetreuer prinzipiell selbst tragen.
Berufsbetreuer haben bestimmte Stundensätze, abhängig
von ihrer Vorbildung:
– Ohne besondere Kenntnisse: 27,– e inkl. Mehrwertsteuer.
– Abgeschlossene Ausbildung: 33,50 e inkl. Mehrwertsteuer.
– Abgeschlossenes Studium: 44,– e inkl. Mehrwertsteuer.
• Ehrenamtlicher Betreuer
Dieser kostet entweder eine Aufwandspauschale von jährlich
323,– e inkl. Mehrwertsteuer, oder er erhält eine individuell
zu belegende Aufwandsentschädigung.
Ob ein Berufs- oder ein ehrenamtlicher Betreuer eingesetzt wird,
entscheidet das Betreuungsgericht.
117
Praxistipps!
Folgende Punkte sind in der Praxis zu beachten:
• Anregung der Einrichtung einer Betreuung: Wer meint, dass
eine Betreuung für einen Menschen nötig ist, kann sich an
das Betreuungsgericht oder an die örtliche Betreu­ungs­stelle
wenden. Das Betreuungsgericht wird dann im Rahmen seiner
Amtserhebungspflicht tätig.
• Es ist zu beachten, ob es bereits eine Betreuungsverfügung
gibt, in der der Betroffene festgelegt hat, wen er unter
welchen Bedingungen als Betreuer haben möchte.
• Aufhebung oder Änderung einer Betreuung müssen beim
Betreuungsgericht schriftlich oder persönlich vom Betroffenen
oder seinem Betreuer beantragt werden.
Wer hilft weiter?
Zuständig für Betreuungssachen ist das Betreuungsgericht beim
örtlich zuständigen Amtsgericht. Informationen und Auf­klärung
leisten auch die Betreuungsbehörden bei der örtlichen Kreisbzw. Stadtverwaltung und Betreuungsvereine.
Freiheitsentziehende
Maßnahmen
Als freiheitsentziehende Maßnahmen werden Maßnahmen
bezeichnet, die die Bewegungsfreiheit eines Menschen gegen
dessen Willen einschränken.
Alle nachfolgend aufgeführten Maßnahmen sind nur im Akutfall
zum Schutz des Patienten und seiner Umgebung erlaubt. Auf
längere Sicht muss immer eine richterliche Genehmigung durch
das Betreuungsgericht eingeholt werden. Die Maßnahmen
müssen vom Pflegepersonal täglich dokumentiert und auf ihre
Notwendigkeit geprüft werden.
Unterbringung
im Notfall
118
Die zwangsweise Einweisung zur medizinischen Behandlung in
die geschlossene Abteilung eines psychiatrischen Kranken­hauses
wird als „Unterbringung“ bezeichnet.
Diese ist nur im Notfall zulässig, wenn der Patient sich selbst
und/oder andere erheblich gefährdet. Oft ist ein Mensch in einer
akuten Psychose aber nicht in der Lage, zu erkennen, dass er sich
selbst oder andere gefährdet. In solchen Fällen kann eine Unter­
bringung gegen seinen Willen notwendig werden. Anzeichen
sind z.B. Verwahrlosung des Patienten in der eigenen Wohnung,
Erkrankung oder Unterernährung in Verbindung mit der Ab­
lehnung jeglicher Hilfe. Zudem können Patienten in Akutphasen
durch Unfälle gefährdet sein, weil sie Gefahren falsch ein­
schätzen oder sich für „allmächtig“ oder „unverletzlich“ halten.
Eine medizinische Behandlungsbedürftigkeit allein, die der
Patient aufgrund seiner Erkrankung nicht einsehen kann, oder
die Gefährdung seines Vermögens sind keine ausreichenden
Gründe für eine Unterbringung.
Sehen Ärzte, Angehörige oder Nachbarn Anzeichen für eine
Selbst- oder Fremdgefährdung, sollten sie sich an den Betreuer
des Betroffenen oder den Sozialpsychiatrischen Dienst wenden.
Im Notfall sind Polizei, Ordnungs- oder Gesundheitsamt weitere
Ansprechpartner, in manchen Städten gibt es auch psychia­trische
Krisendienste. Durch das Einschalten kompetenter Stellen und
deren Intervention kann eine Unterbringung oft vermieden
werden, denn immer mehr Therapeuten bemühen sich darum,
sich in die Lage der Patienten zu versetzen und so auf sie einzuwirken, dass sie sich freiwillig in stationäre Behandlung begeben.
Bei einer Unterbringung gegen Widerstand besteht immer auch
die Gefahr einer Traumatisierung.
Das Verfahren zur zwangsweisen Unterbringung von psychisch
kranken Menschen ist in jedem Bundesland unterschiedlich
geregelt. In jedem Fall ist für eine solche Unterbringung das
Betreuungsgericht zuständig.
Weitere freiheitsentziehende Maßnahmen sind mechanische
Maß­nahmen, z. B. Fixiergurte, Bettgitter oder andere Methoden,
die einem Menschen die Möglichkeit nehmen, das Bett, den
Stuhl oder den Raum zu verlassen. Sie werden bei psychotischen
Störungen nur sehr selten eingesetzt.
Mechanische Maßnahme
Auch sedierende (ruhigstellende) Medikamente zählen zu den
freiheitsentziehenden Maßnahmen. Sedierende Medikamente
bewirken eine Verlangsamung auf körperlicher und geistiger
Ebene und können bis zu Apathie und Dauerschläfrigkeit führen.
Der Arzt darf solche Psychopharmaka nur zum Zweck der Heilung oder Linderung bei Krankheitszuständen (z. B. momentane
Angst- oder Wahnvorstellungen) oder in Notfällen verordnen.
Sedierende Maßnahme
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Werden sedierende Medikamente jedoch dauerhaft über Wochen
zum Zweck der Ruhigstellung verordnet, ist dies eine freiheitsentziehende Maßnahme, die in die Per­sönlichkeitsrechte des
Patienten eingreift. Eine solche Medi­ka­mentengabe muss vom
Betreuungsgericht genehmigt werden.
Durch die Unterbringung in einer geschlossenen Abteilung ist
meist die Gefahr abgewendet. Eine zusätzliche Zwangs­be­hand­lung
mit Psychopharmaka ist rechtlich problematisch und nur in
seltenen Fällen vor dem Betreuungsgericht zu rechtfertigen.
Wer hilft weiter?
Bei Fragen und Unsicherheiten hilft das Betreuungsgericht.
Krisenpass
Beim Psychiatrie-Verlag ist für Betroffene ein Krisenpass
erhältlich, der im Notfall informiert über
• die aktuelle Medikation und Dosierung,
• erfahrungsgemäß hilfreiche Medikation im Krisenfall,
• Personen, die benachrichtigt werden sollen,
•Behandlungsvereinbarungen,
• unverträgliche Medikamente,
• spezielle Wünsche des Patienten im Krisenfall und
gegebenenfalls weitere Erkrankungen wie Allergien etc.
Der direkte Download aus dem Internet ist möglich unter
der Adresse www.psychiatrie-verlag.de > service > Nützliche
Materialien zum Download.
120
Adressen
121
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Bundesverband Psychiatrie-Erfahrener e. V.
Wittener Straße 87, 44789 Bochum
Telefon 0234 6405103
E-Mail: [email protected]
www.bpe-online.de
Dachverband Gemeindepsychiatrie e. V.
Oppelner Straße 30, 53119 Bonn
Telefon 0228 96399223
E-Mail: [email protected]
www.psychiatrie.de/dachverband
Deutsche Gesellschaft für soziale Psychiatrie
Zeltinger Straße 9, 50969 Köln
Telefon 0221 511002
E-Mail: [email protected]
www.dgsp-ev.de
Aktion Psychisch Kranke e. V.
Oppelner Straße 130, 53119 Bonn
Telefon 0228 676740 oder 676741
E-Mail: [email protected]
www.dpk-ev.de
Irre menschlich Hamburg e.V.
Martinistraße 52, 20246 Hamburg
Telefon 040 7410-59259
E-Mail: [email protected]
www.irremenschlich.de
Internationale Arbeitsgemeinschaft Soteria (IAS)
Klinikum München-Ost
Ringstr. 14, 85529 Haar
E-Mail: [email protected]
www.soteria-netzwerk.de
Internet:
www.betaCare.de
Suchmaschine für Sozialfragen im Gesundheitswesen mit
Sozialrechtsinformationen und zahlreichen Selbsthilfe-Adressen.
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Buchtipps
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Von Betroffenen
Dorothea Sophie Buck-Zerchin: Auf der Spur des Morgensterns
– Psychose als Selbstfindung.
Neumünster, Paranus-Verlag, 2005, ISBN 978-3-926200-65-5
Auch als Hörbuch: ISBN: 978-3-926200-66-2
Kerstin Kempker: Mitgift, Notizen vom Verschwinden.
Berlin, Lehmann Antipsychiatrieverlag, 2000.
ISBN 987-3-925931-15-4
Lilla Sachse: Heilsame Erfahrungen, Biotop Mosbach:
Eine Gruppe als Wegbegleiter durch psychotische Krisen.
Neumünster, Paranus-Verlag, 1998. ISBN 978-3926200266
Von und für Angehörige
Edda Hattebier: Reifeprüfung, eine Familie lebt mit
psychischer Erkrankung.
Bonn, Psychiatrie-Verlag, 1999. ISBN 978-3884142301
Helene und Hubert Beitler: Zusammen wachsen,
Psychose, Partnerschaft und Familie.
Bonn, BALANCE buch + medien Verlag, 2008.
ISBN 978-3-86739-023-1
Katrin Müller: Kinder psychisch kranker Eltern,
Lebenswelten und Hilfemöglichkeiten bei Kindern
schizophren und affektiverkrankter Eltern.
Hamburg, Diplomica-Verlag, 2008. ISBN 978-3-8366-5520-0
Corinna Soria: Leben zwischen den Seiten.
Klagenfurt, Wieser Verlag, 2007. ISBN 978-3-85129-716-4
Für fachlich Interessierte
Petra Hunold, Ewald Rahn: Selbstbewusster Umgang mit
psychiatrischen Diagnosen, ein Ratgeber.
Bonn, Psychiatrie-Verlag, 2000. ISBN 978-3884142455
Thomas Bock: Achterbahn der Gefühle.
Mit Manie und Depression leben lernen.
Bonn, BALANCE buch + medien, 2012. ISBN 978-3-86739-022-4
Andreas Knuf: Selbstbefähigung fördern.
Empowerment und psychiatrische Arbeit.
Bonn, Psychiatrie-Verlag, 2006. ISBN 978-3-88414-413-8
Von und für Fachleute,
Angehörige und Betroffene
124
Thomas Bock, Dorothea Buck, Ingeborg Esterer:
Stimmenreich, Mitteilungen über den Wahnsinn.
Bonn, Balance-Buch + Medien-Verlag, 2007.
ISBN 978-3-86739-013-2
Michael Ewers
Liebe Leserin, lieber Leser,
betapharm setzt sich seit Jahren aktiv für eine verbesserte Versorgungsqualität
im Gesundheitswesen und Hilfen für Angehörige ein. Aus diesem Engagement
hat sich betaCare – das Wissenssystem für Krankheit & Soziales – entwickelt,
welches Antworten auf alle sozialen Fragen rund um eine Krankheit bietet.
Der vorliegende Ratgeber „Psychosen, Schizophrenie & Soziales“ informiert zu
sozialrechtlich relevanten Themen wie Krankengeld, Erwerbsminderungsrente und
Sozialhilfe sowie zu kritischen rechtlichen Fragen im Zusammenhang mit schweren
psychischen Erkrankungen. Darüber hinaus behandelt er alltägliche Themen wie
Arbeiten oder Wohnen, die für Psychiatrie-Erfahrene immer auch eine therapeutische
Dimension haben können.
Mit herzlichen Grüßen,
Michael Ewers
Geschäftsführer betapharm & beta Institut
Impressum
Herausgeber und Redaktion
beta Institut gemeinnützige GmbH
Institut für angewandtes Gesundheitsmanagement,
Entwicklung und Forschung in der Sozialmedizin
Geschäftsführer: Michael Ewers
Kobelweg 95, 86156 Augsburg
Telefon 0821 45054-0,
Telefax 0821 45054-9100
E-Mail: [email protected]
www.betainstitut.de
Text
Sabine Bayer
Maria Kästle
Andrea Nagl
Layout und Gestaltung
Manuela Mahl
Autoren und Herausgeber übernehmen keine Haftung
für die Angaben in diesem Werk.
Alle Bausteine des betaCare-Wissenssystems mit seinen vielfältigen Inhalten
finden Sie unter www.betaCare.de.
Mehr über das soziale Engagement und die Produkte der
betapharm Arzneimittel GmbH finden Sie unter www.betapharm.de.
Alle Rechte vorbehalten
© 2014
Copyright beta Institut gemeinnützige GmbH
Der Ratgeber einschließlich all seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt.
Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes
ist ohne Zustimmung des Herausgebers unzulässig und strafbar.
Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen
und die Reproduzierung, Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen
Systemen oder Daten­verarbeitungsanlagen.
Weitere sozialrechtliche Informationen finden Sie unter www.betanet.de.
4. Auflage, August 2014
Schutzgebühr 5,– Euro
Ein Engagement der betapharm
betaCare-Wissenssystem
Psychosen,
Schizophrenie
Psychosen, Schizophrenie & Soziales
Gesundheit ist unser Ziel!
& Soziales
Soziallexikon
Die größte Suchmaschine für Sozialfragen im Gesundheitswesen in Deutschland.
4.800 Stichwörter helfen gezielt, soziale, rechtliche und finanzielle Fragen einfach und verständlich zu beantworten.
Finden Sie z.B. Antworten auf folgende Fragen:
– Wie ist die Zuzahlung bei Arzneimitteln geregelt?
– Wie bekomme ich einen Schwerbehindertenausweis?
– Welche Vorsorge kann ich treffen, für den Fall,
dass ich nicht mehr selbst entscheiden kann?
Patientenratgeber
Die Broschüren bieten gebündelt und verständlich sozialrechtliche und psychosoziale
Informationen zur folgenden Themen und Krankheiten:
–Behinderung & Soziales
–Brustkrebs & Soziales
–Demenz & Soziales
–Depression & Soziales
–Epilepsie & Soziales
–Migräne & Soziales
– Multiple Sklerose & Soziales
–Osteoporose & Soziales
–Palliativversorgung & Soziales
–Patientenvorsorge
–Pflege
–Prostatakrebs & Soziales
–Schmerz & Soziales
Patientenfilme
©Anja Greiner Adam_fotolia.com
Zu Asthma, Brustkrebs, Darmkrebs, Demenz, Depression, Diabetes,
Osteoporose, Rheuma, Schlaganfall.
Die Initiative „betaCare – Verbesserung der Patientenversorgung und Prävention“
wird gefördert durch die betapharm Arzneimittel GmbH,
ein Generika-Unternehmen mit hochwertigen und
preiswerten Qualitätsarzneimitteln.
www.betaCare.de