Teil II - Osteoporose Portal

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Teil II - Osteoporose Portal
7. PSYCHOSOZIALE FOLGEN UND LEBENSQUALITÄT
ZUSAMMENFASSUNG
Osteoporose und die daraus resultierenden Frakturen bedeuten für Betroffene häufig eine deutliche Verminderung ihrer Lebensqualität. Das wirkt sich oft auch auf ihr soziales Leben und ihr psychisches Wohlbefinden negativ aus.
Wirbelbrüche sind meist mit mehr oder weniger starken Rückenschmerzen verbunden, häufig sind die betroffenen Personen dauerhafte Schmerzpatienten. Bei diesen Personen ist die Einschränkung der physischen Funktionalität die stärkste Determinante für eine
niedrige Lebensqualität. Hüftfrakturen haben meist eine noch schlimmere Auswirkung auf die Lebensqualität.
Neben der eingeschränkten körperlichen Funktion und den Schmerzen sind vor allem die soziale Isolation, die Abhängigkeit von anderen und das durch all diese Umstände beeinflusste psychische Befinden schwerwiegende Folgen dieser Erkrankung. Viele der Betroffenen gehen nicht mehr aus und können auch ihre Freizeit nicht mehr genießen. Auch ihrer sozialen Rolle sowohl im privaten als auch
im beruflichen Leben werden sie häufig beraubt, da sie ihre Aufgaben nicht mehr erfüllen können.
7. PSYCHO-SOCIAL CONSEQUENCES AND QUALITY
OF LIFE
SUMMARY
Osteoporosis, and the resulting fractures, is frequently linked with a greatly diminished quality of life for those affected, often having
negative repercussions for a person’s social life and psychological well being.
Spinal fractures are mostly associated with severe back pain, with those affected frequently remaining long term pain patients. For
these people restriction in physical functionality is the strongest determinant for a poor quality of life. Hip fractures tend to have an
even worse effect on quality of life.
Besides the restrictions in body function and the pain, above all the social isolation, the dependency on others, and the influence of
these on mental health are the serious consequences of this disease. Many of those affected refrain from going out and can no
longer enjoy their leisure time. They are also frequently robbed of their social roles both private and professional, since they are no
longer able to perform various tasks.
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7. PSYCHOSOZIALE FOLGEN UND LEBENSQUALITÄT
Osteoporose wird als Zivilisationskrankheit häufig unterschätzt, zumal sie oft nicht als lebensbedrohlich eingeschätzt wird. Osteoporose und die häufig daraus resultierenden Frakturen bedeuten aber für Betroffene oft eine deutliche Verminderung ihrer Lebensqualität. Das wirkt sich häufig auf ihr soziales Leben und ihr psychisches Wohlbefinden negativ aus.
Die verschiedenen Arten von Knochenbrüchen, bedingt durch Osteoporose, haben meist auch eine unterschiedliche Auswirkung auf
die Lebensqualität. So konnten Hallberg et al. (2004) zeigen, dass Wirbelfrakturen und Hüftfrakturen einen deutlich größeren und
längeren negativen Einfluss auf die Lebensqualität einer Person haben als eine Fraktur des Ober- oder Unterarmknochens.
Wirbelbrüche sind meist mit mehr oder weniger starken Rückenschmerzen verbunden, häufig sind die betroffenen Personen dauerhafte Schmerzpatienten. Silverman et al. (2005) zeigten in einer an Frauen mit osteoporotischen Wirbelbrüchen durchgeführten Studie,
dass diese Frauen durch ihre Schmerzen deutlich an Lebensqualität einbüßen (Health Related Quality Of Life), und zwar sowohl hinsichtlich ihrer physischen als auch ihrer psychischen Verfassung. Zu ähnlichen Ergebnissen kamen auch Salaffi et al. (2007), wobei hier
außerdem gezeigt werden konnte, dass sich Frakturen im Bereich der Lendenwirbelsäule schwerwiegender auf die Lebensqualität
auswirkten als jene im Brustbereich. Dies konnte auch in einer weiteren Studie bestätigt werden (Lips & van Schoor, 2005). In dieser
Studie wurde gezeigt, dass zusätzliche Wirbelbrüche mit einer weiteren Minderung der Lebensqualität einhergingen.
Bei osteoporotischen Frauen mit Wirbelkörperfrakturen war die Einschränkung der physischen Funktionalität die stärkste Determinante für eine niedrige Lebensqualität, gefolgt von Komorbidität und Alter (Salaffi et al., 2007).
Hüftfrakturen haben meist noch schlimmere Auswirkungen auf die Lebensqualität. Dies zeigen zum Beispiel Tosteson et al. (2001) in
einer Studie an Frauen im Alter von 50–96 Jahren. Auf einer „Quality Adjusted Life Years“-(QALYs-)Skala, auf der 1 gleichgesetzt wird
mit völliger Gesundheit und 0 mit Tod, lag der Wert bei Personen mit einer oder mehr vertebralen Frakturen im Durchschnitt bei 0,82
und bei Frauen mit einer Hüftfraktur bei 0,63, verglichen mit 0,91 bei jenen ohne vorangegangene Knochenbrüche. Bei jenen mit einer
Hüftfraktur korrelierten die Zeit, die seit der Fraktur vergangen war, sowie zusätzliche Wirbelfrakturen signifikant mit den QALYs. Bei
Frauen, die Wirbelfrakturen aufwiesen, konnte kein solcher Zusammenhang festgestellt werden.
Neben der eingeschränkten körperlichen Funktion und den Schmerzen, die Osteoporose und osteoporotische Frakturen nach sich ziehen, sind vor allem die soziale Isolation, die Abhängigkeit von anderen und das durch all diese Umstände beeinflusste seelische Befinden schwerwiegende Folgen dieser Erkrankung. Viele der Betroffenen gehen nicht mehr aus und können auch ihre Freizeit nicht mehr
genießen (Bianchi et al., 2005). Dies oft nicht zuletzt, weil sie sich für ihre körperlichen Veränderungen schämen (Abbildung 7.1). Sie
werden durch ihre eingeschränkte Möglichkeit zur Bewältigung alltäglicher Aktivitäten auch häufig ihrer sozialen Rolle beraubt, die
sie am Arbeitsplatz oder in der Familie haben. Die Abhängigkeit, die durch diese Krankheit hervorgerufen wird, beeinflusst auch enge
zwischenmenschliche Beziehungen, weil der Osteoporosepatient die soziale Unterstützung seiner Angehörigen nicht erwidern kann
(Gold, 1996). Frauen mit Osteoporose zeigen deutlich höhere Levels an depressiven Symptomen und eine höhere Prävalenz an Depressionen – unabhängig von den damit eng verbundenen Faktoren wie Alter und Body-Mass-Index (Coelho et al., 1999).
Eine Befragung von über 75-jährigen Frauen zeigte, dass 80 % der Befragten lieber sterben würden, als ihre Unabhängigkeit durch
eine Hüftfraktur zu verlieren und dadurch erheblich an Lebensqualität einzubüßen (Salked et al., 2000).
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Abbildung 7.1. Der Verlauf von Osteoporose am Beispiel eines so genannten „Witwenbuckels“ als Folge von Wirbelbrüchen. Quelle:
Forum Osteoporose/ www.osteoporose.com, 2002.
Nicht nur die Frakturen aufgrund von Osteoporose sind für eine verminderte Lebensqualität verantwortlich, auch die Krankheit Osteoporose ohne Fraktur hat psychosoziale Folgen für die Patienten. In einer Studie von Bianchi et al. (2005) wurden osteoporotische Frauen mit einer oder mehreren Frakturen, osteoporotische Frauen ohne Fraktur und eine Kontrollgruppe von Frauen ohne Osteoporose
miteinander verglichen. Bei osteoporotischen Patientinnen war der Zusammenhang zwischen Knochendichte und dem Qualeffo-41Score (einem Fragebogen zur Lebensqualität, der fünf Domänen umfasst: Schmerz, körperliche Funktion, soziale Funktion, generelle
Gesundheitswahrnehmung, mentale Funktion/psychisches Befinden) signifikant, und zwar unabhängig davon, ob die Frauen davor
eine Fraktur erlitten hatten oder nicht. Diese Ergebnisse waren sogar dann signifikant, wenn die Daten nach Alter, sozialem Status und
Lebensstil standardisiert wurden.
66 % der osteoporotischen Frauen mit Fraktur und 40 % ohne Fraktur litten unter Schmerzen. Die körperliche Funktion war bei allen
osteoporotischen Frauen eingeschränkt, wenn auch in einem größeren Ausmaß bei jenen, die eine Fraktur erlitten hatten. Insgesamt
gaben 41 % der Frauen, die von Osteoporose betroffen waren, an, dass sie eine verminderte Lebensqualität hätten: 32 % waren es
bei jenen ohne und 55 % bei jenen mit Fraktur. Bei der Kontrollgruppe gaben hingegen nur 11,4 % an, dass ihre Lebensqualität vermindert sei. Diese Studie macht deutlich, wie sehr osteoporotische Personen in ihrer Lebensqualität eingeschränkt sind, selbst wenn
sie keine Fraktur erleiden. Deshalb sollte nicht nur die Prävention von Frakturen, sondern wirklich die Prävention der Ursache, der
Osteoporose selbst, im Vordergrund stehen!
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DISABILITY ADJUSTED LIFE YEARS
Die gesamten DALYs (Disability Adjusted Life Years), die aufgrund einer osteoporotischen Fraktur verloren werden, werden mit 5,8
Millionen angegeben. Von diesen werden 51 % Frakturen in Europa und Amerika zugeschrieben. In Europa sind osteoporotische Frakturen für mehr verlorene DALYs verantwortlich als häufige Krebsarten (mit Ausnahme von Lungenkrebs, siehe Abbildung 7.2). Verglichen mit anderen muskuloskelettalen Erkrankungen ist Osteoporose für weniger verlorene DALYs verantwortlich (2,0 Millionen) als
Osteoarthrose (3,1 Millionen), aber für mehr als rheumatoide Arthritis (1,0 Millionen) (Johnell, 2006).
Abbildung 7.2. Disability Adjusted Life Years (DALYs), verloren aufgrund einer Auswahl an Zivilisationserkrankungen in Europa
(COPD = Chronische Obstruktive Lungenerkrankung, „Raucherlunge“). (Johnell, 2006)
Etwa 20 % der Personen sind vor einer osteoporotischen Hüftfraktur nur eingeschränkt gehfähig. Von den vor einer Fraktur völlig mobilen Personen ist bei der Hälfte die Gehfähigkeit nach einer osteoporotischen Hüftfraktur dauerhaft massiv reduziert. Von Frauen, die
vor einer Hüftfraktur ein unabhängiges Leben geführt haben, leben ein Jahr nach der Fraktur etwa die Hälfte in einer Langzeitpflegeinstitution und benötigen Hilfe bei den Aktivitäten des täglichen Lebens. Etwa ein Drittel der Personen mit einer Hüftfraktur
werden vollständig abhängig und das Risiko für eine Institutionalisierung ist enorm. Nach einer osteoporotischen Wirbelfraktur sind
die größten Konsequenzen Rückenschmerzen, Kyphose und Verlust der Körpergröße. Das kann wie beschrieben mit Einbußen des
Selbstwertgefühls, des Körperschemas und negativen Effekten auf die Stimmung einhergehen (Cummings & Melton, 2002).
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LITERATUR
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8. DIAGNOSTIK VON OSTEOPOROSE
ZUSAMMENFASSUNG
Die Diagnose von Osteoporose umfasst im Idealfall mehrere unterschiedliche Elemente. Zu diesen zählen eine sorgfältige Anamnese
und Risikoerfassung, eine klinische Untersuchung, ein konventionelles Röntgen der Brust- und Lendenwirbelsäule, eine Osteodensitometrie (Knochendichtemessung) sowie eine Laboruntersuchung.
Die Anamnese soll dazu dienen, das Knochenbruchrisiko einer Person abzuschätzen. Auch wenn das Wissen um die Bedeutung derartiger
Faktoren zugenommen hat, sind diese selten Bestandteil diagnostischer Überlegungen. Dadurch bleiben viele Personen, die eine
Behandlung notwendig hätten, unbehandelt bzw. erhalten viele eine Therapie, auch wenn diese nicht notwendig wäre.
Einen zentralen Bestandteil in der Diagnostik von Osteoporose stellt die Knochenmineraldichtemessung dar, wobei hier unterschiedliche Technologien zur Verfügung stehen. Die Zwei-Spektren-Röntgen-Absorptiometrie (DXA-Scan) ist allerdings als einzige geeignet,
eine Diagnose laut WHO-Kriterien zu stellen. Die Anfertigung eines konventionellen Röntgens der Brust- und Lendenwirbelsäule vor
der Diagnosestellung ist ebenfalls eine unerlässliche Notwendigkeit, zumal bei vielen Personen, bei denen definitionsgemäß keine
Osteoporose vorhanden ist, ebenfalls Wirbelbrüche auftreten. Die Feststellung einer vertebralen Fraktur lässt auch eine Aussage über
das zu erwartende Risiko für weitere Frakturen zu. Laboruntersuchungen als Teil der diagnostischen Kaskade dienen in erster Linie dem
Nachweis oder Ausschluss sekundärer Ursachen einer Osteoporose. Die Diagnose einer Osteoporose oder der Ausschluss einer solchen
können anhand von Laboruntersuchungen jedoch nicht erfolgen. Zum Ausschluss gängiger sekundärer Ursachen einer Osteoporose
wird die Durchführung eines so genannten Basislabors empfohlen, jedoch kann es im weiteren Verlauf notwendig oder sinnvoll
erscheinen, auch weitere knochenstoffwechselrelevante Parameter zu bestimmen.
8. DIAGNOSIS OF OSTEOPOROSIS
SUMMARY
The diagnosis of osteoporosis ideally encompasses several different elements. These include careful history taking and risk assessment,
a clinical examination, a conventional x-ray of the chest and lumbar spine, a bone densitometry, as well as, a laboratory analysis.
History taking should serve to estimate the fracture risk of an individual. Even though awareness of the importance of these factors
has increased over the years, they are seldom an integral part of diagnostic considerations and many people who would otherwise
require treatment thus remain untreated, or conversely receive treatment which is unnecessary.
A central component in the diagnosis of osteoporosis is the measurement of bone mineral density, for which a variety of methods are
available. According to WHO criteria, dual energy x-ray absorptiometry (DEXA-scan) is, however, the only suitable tool for diagnosis.
The conventional x-ray of the chest and lumbar spine is also an absolute necessity, the more so since many people not classified as
having osteoporosis, may nevertheless sustain spinal breaks. The identification of a vertebral fracture also enables an estimate of the
expected risk for further fractures to be made. Laboratory examinations, as part of the diagnostic cascade, primarily serve to confirm
or rule out causes of secondary osteoporosis. The diagnosis of osteoporosis itself or the exclusion of such, cannot however follow purely on the basis of laboratory examinations. In order to rule out the common causes of secondary osteoporosis it is recommended that
basic laboratory parameters should be determined, although it may become necessary or desirable to measure further parameters
linked with bone metabolism.
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8. DIAGNOSTIK DER OSTEOPOROSE
Hans-Peter Dimai
Klinische Abteilung für Endokrinologie und Nuklearmedizin, Universitätsklinik für Innere Medizin, Graz
Die korrekte Diagnosestellung einer Osteoporose involviert im Idealfall mehrere unterschiedliche Elemente. Zu diesen zählen a) eine
sorgfältige Anamnese und Risikoerfassung, b) eine klinische Untersuchung, c) ein konventionelles Röntgen der Brust- und Lendenwirbelsäule, d) eine Osteodensitometrie (Knochendichtemessung) und e) eine Laboruntersuchung.
ANAMNESE UND RISIKOERFASSUNG
Eine sorgfältige Anamnese dient im Wesentlichen der Risikoerfassung hinsichtlich des Knochenbruchrisikos einer Person. Obwohl das
Wissen um die Bedeutung derartiger Faktoren in den letzten Jahren erheblich zugenommen hat, sind diese dennoch selten integraler
Bestandteil diagnostischer Überlegungen oder der daraus abgeleiteten therapeutischen Konsequenzen. Dies ist in erster Linie auf den
Umstand zurückzuführen, dass die Zuordnung eines Patienten/einer Patientin zu einer der im Jahr 1994 seitens der WHO vorgeschlagenen
diagnostischen Kategorien (Tabelle 8.1) ausschließlich an das Messergebnis einer Knochendichtemessung geknüpft ist.
Tabelle 8.1: Diagnostische Kategorien. (WHO, 1994)
Kategorie
Normal
Osteopenie
Osteoporose
Schwere (manifeste) Osteoporose
T-Score
>–1.0
–1.0 bis –2.5
≥ –2.5
≥ –2.5 + ≥ 1 Fragil.-FX1
Gültigkeit ausschließlich für DXA-Methode; 1Fragilitätsfraktur
Eine wesentliche Folge dieses pragmatischen Vorgehens ohne Berücksichtigung von individuellen Risikofaktoren ist, dass viele Personen,
die eine adäquate Osteoporosetherapie dringend benötigen würden, eine solche nicht erhalten – und umgekehrt viele Personen eine
Osteoporosetherapie erhalten, obwohl sie diese nicht benötigen würden. Die Liste jener Risikofaktoren, welche mit einem erhöhten
Frakturrisiko assoziiert sind, ist mittlerweile sehr umfangreich geworden. Sie umfasst neben genetischen Parametern auch solche, die
Lebensstil, bestimmte Medikamente oder das Vorliegen prädisponierender Erkrankungen betreffen (Tabelle 8.2; Brown et al., 2002).
Tabelle 8.2: Faktoren, assoziiert mit einem erhöhten Frakturrisiko. (Brown et al., 2002)
Relatives Risiko ≥ 2
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Alter >70
Menopause <45
Hypogonadismus
Fragilitätsfraktur
Hüftfraktur eines Elternteils
Glukokortikoide
Malabsorption
Hoher Knochenumsatz
Anorexia nervosa
BMI <18
Immobilisation
Chron. Niereninsuffizienz
Transplantation
Relatives Risiko 1–2
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Östrogenmangel
Calciumzufuhr <500 mg/d
Primärer Hyperparathyreoidismus
Rheumatoide Arthritis
M. Bechterew
Anticonvulsiva
Hyperthyreose
Diabetes mellitus
Nikotinabusus
Alkoholabusus
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Eine kleine Anzahl von Risikofaktoren hat kürzlich insofern besondere Bedeutung erlangt, als jeder einzelne dieser Faktoren Aspekte enthält, welche das individuelle Frakturrisiko besser erklären als die Knochenmineraldichtemessung alleine (Tabelle 8.3; Kanis et al., 2005).
Tabelle 8.3: Faktoren, die das Frakturrisiko besser erklären als die Knochendichtemessung alleine. (Kanis et al., 2005)
Faktoren, die das Frakturrisiko besser erklären als die Knochendichtemessung alleine.
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Alter
Hoher Knochenumsatz
Eingeschränktes Sehvermögen
Neuromuskuläre Erkrankungen
Glukokortikoidtherapie
Hüftfraktur in der Familie
Niedriges Körpergewicht
Zigarettenrauchen
Exzessiver Alkoholkonsum
Aufgrund der besonders hohen Aussagekraft dieser Risikofaktoren hinsichtlich des individuellen Frakturrisikos werden diese Faktoren
gemeinsam mit den Ergebnissen einer Knochendichtemessung die Basis eines neuen WHO-Risikoscores darstellen, anhand dessen das
individuelle absolute Zehn-Jahres-Frakturrisiko einer Person abgeschätzt werden kann.
Es ist zu erwarten, dass künftighin als Grundlage für eine Therapieentscheidung nicht mehr bloß das Ergebnis einer Knochendichtemessung herangezogen wird, sondern das Ausmaß des individuellen Zehn-Jahres-Frakturrisikos bzw. der Zehn-Jahres-Frakturwahrscheinlichkeit. Ab welchem Ausmaß (in Prozent) dann generell eine therapeutische Intervention eingeleitet werden sollte, ist derzeit
nicht sicher geklärt. Es hat sich jedoch gezeigt, dass eine Hüftfrakturprävention – beispielsweise in der schwedischen und britischen
Bevölkerung – bereits ab einem individuellen Zehn-Jahres-Hüftfrakturrisiko von zirka 10 % kosteneffektiv sein kann (Kanis et al.,
2002). Diese auf die schwedische bzw. die britische Bevölkerung bezogenen Daten können jedoch keinesfalls gleichermaßen für alle
anderen Staaten angewandt werden, da ja die Folgekosten nach osteoporotischen Frakturen von Staat zu Staat stark variieren
können. Um staatenspezifische Schwellenwerte errechnen zu können, ab welchen eine primäre oder sekundäre Prävention kosteneffektiv ist, besteht die Notwendigkeit einer möglichst lückenlosen Erfassung der tatsächlichen Kosten nach osteoporotischen Frakturen
in den einzelnen Staaten. Eine derartige internationale Kostenerfassungsstudie, an welcher auch Österreich teilnimmt, wurde erst kürzlich initiiert. Diese Datenerhebungsstudie (ICUROS = The International Costs and Utilities Related to Osteoporotic Fractures;
www.medscinet.com/icuros/) sollte bis zum Jahr 2010 für Österreich relevante Daten liefern, die die wahren Kosten sowie die Lebensqualität nach einer osteoporotischen Fraktur betreffen. Auf dieser Basis könnte auch für Österreich eine sinnvolle Therapieschwelle
errechnet werden, ab welcher die Einleitung einer Osteoporosetherapie kosteneffektiv sein könnte.
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OSTEODENSITOMETRIE
Einen zentralen Bestandteil der diagnostischen Kaskade der Osteoporose stellt die Knochenmineraldichtemessung (Osteodensitometrie)
dar. Es stehen derzeit weltweit mehrere unterschiedliche Technologien zur Verfügung, deren Messergebnisse Schlüsse auf das zu
erwartende Knochenbruchrisiko einer Person zulassen (Tabelle 8.4).
Tabelle 8.4: Methoden zur Messung des Knochenbruchrisikos.
Zentrales Skelett
• Dual Energy X-Ray Absorptiometry
(Zwei-Spektren-Röntgenabsorptiometrie; DXA)
• Quantitative Computertomografie (QCT)
Peripheres Skelett
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Radiografische Absorptiometrie (RA)
Digitale Radiogrammetrie (DXR)
Ein-Spektren-Röntgenabsorptiometrie (SXA)
Periphere DXA (pDXA)
Periphere QCT (pQCT)
Quantitativer Ultraschall*
*Erfasst andere Aspekte als die Knochenmineraldichte
Für die Diagnosestellung im Sinne der WHO-Klassifikation (Tabelle 8.1) ist allerdings ausschließlich die Zwei-Spektren-Röntgenabsorptiometrie (DXA – Dual X-Ray Absorptiometry) geeignet. Die Messergebnisse dieses „zweidimensionalen“ Verfahrens werden als
g/cm2 erfasst und in Form von T-Scores ausgedrückt. Der T-Score selbst entspricht der Standardabweichung eines Messwerts vom mittleren Normwert eines Kollektivs gesunder junger Erwachsener. Dieser Score steht in einem direkten Zusammenhang mit dem Knochenbruchrisiko einer Person (Abbildung 8.1; Kanis et al., 2001). Der ermittelte T-Score erlaubt weiters die Zuordnung eines Patienten/einer Patientin zu einer der WHO-konformen diagnostischen Kategorien (Tabelle 8.1). Demnach ist eine Osteoporose zu diagnostizieren, wenn der mittels DXA-Methode erfasste T-Score –2.5 oder weniger beträgt. Da diese diagnostischen Kategorien auf den epidemiologischen Daten von DXA-Messungen beruhen und sich das Ansprechverhalten anderer Technologien von der DXA-Technologie
unterscheidet, kann gegenwärtig auch nur mit Letzterer eine WHO-konforme Diagnose gestellt werden. Andere Technologien können
jedoch ungeachtet dessen eine mehr oder weniger zuverlässige Aussage über das Knochenbruchrisiko einer Person liefern.
Abbildung 8.1: Relation von T-Score und Frakturrisiko an der Hüfte. (Kanis et al., 2001)
Als relevante Messregionen stehen derzeit die Hüfte und die Lendenwirbelsäule (LWK1-LWK4) zur Verfügung. Wenn keine der genannten Regionen messbar sein sollte, steht als dritte (WHO-konforme) Möglichkeit die Messung des Radius zur Verfügung. Für die WHOkonforme Diagnosestellung ist das Messergebnis jener Region heranzuziehen, welche den niedrigsten T-Score aufweist (Writing Group
for the ISCD Position Development Conference, 2004a).
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Die Osteodensitometrie mittels DXA-Methode ermöglicht folgende Aussagen: 1) Diagnosestellung im Sinne der WHO-Kriterien aus
dem Jahre 1994, 2) eine grobe Abschätzung des Frakturrisikos und 3) die Möglichkeit der Feststellung von Änderungen der Knochenmineraldichte im zeitlichen Verlauf.
Die Knochendichtemessung mittels DEXA-Methode kann fallweise missinterpretiert werden (zB Osteophytose, Aortensklerose). In diesem Fall bietet sich als Second-Line-Methode die quantitative Computertomographie (QCT) an. Für die Computertomographie wurde
definiert: unterhalb 80 mg pro ml erhöhtes Frakturrisiko/Therapiebereich 80 - 120 mg/ml nicht signifikant erhöhtes Frakturrisiko/Kontrollbereich und ab 120 mg/ml kein Frakturrisiko (Bröll, 1996).
INDIKATIONEN ZUR OSTEODENSITOMETRIE
Die medizinischen Indikationen zur Osteodensitometrie sind vielfältig und in einem Positionspapier der International Society of Clinical
Densitometry (ISCD) nach erfolgter Bestätigung durch die International Osteoporosis Foundation (IOF) publiziert (Tabelle 8.5, Writing
Group for the ISCD Position Development Conference, 2004b). Diese umfangreiche Liste konnte (und kann) vor allem aus ökonomischen Gründen nicht von allen Staaten bzw. Sozialversicherungsträgern in der ursprünglichen Fassung übernommen werden. Aus diesem
Grunde weicht auch die für Österreich in Arznei & Vernunft im Jahr 2005 publizierte Indikationsliste geringfügig von der ursprünglichen Indikationsliste ab (Tabelle 8.5).
Tabelle 8.5: Indikationen zur Osteodensitometrie.
ISCD (International Society of Clinical Densitometry) / IOF (International Osteoporosis Foundation)
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Frauen ab einem Alter von 65 Jahren
Postmenopausale Frauen unter 65 Jahren, wenn Risikofaktoren vorliegen
Männer ab dem 70. Lebensjahr
Erwachsene mit einer Fragilitätsfraktur
Erwachsene mit einer Erkrankung, welche mit einer verminderten Knochenmineraldichte oder einem Knochenverlust
assoziiert ist
Erwachsene mit einer Medikation, welche mit einer verminderten Knochenmineraldichte oder einem Knochenverlust
assoziiert ist
Jede Person, bei welcher die Einleitung einer Osteoporosetherapie geplant ist
Aus Monitoringgründen jede Person, welche eine Osteoporosetherapie erhält
Jede unbehandelte Person, bei welcher Hinweise auf einen Knochenmasseverlust zu einer Osteoporosetherapie führen
würden
Anmerkung: Bei Frauen, welche eine Östrogentherapie beenden, sollte entsprechend o. g. Liste eine Knochenmineraldichtemessung
durchgeführt werden.
Initiative Arznei und Vernunft (2005; gültig für Österreich)
Eine Knochendichtemessung ist bei folgenden Personen sinnvoll:
• Frauen ab dem 65. Lebensjahr1
• Postmenopausale Frauen ab dem 60. Lebensjahr, wenn Risikofaktoren vorliegen
• Männer ab dem 70. Lebensjahr1
• Erwachsene mit einer Fragilitätsfraktur
• Erwachsene mit Erkrankungen, welche mit niedriger Knochendichte oder raschem Knochendichteverlust assoziiert sind
• Erwachsene, welche Medikamente einnehmen müssen, die den Knochenverlust beschleunigen
HINWEIS: Bei radiologisch eindeutig diagnostizierter manifester Osteoporose ist eine Knochendichtemessung
nicht unbedingt erforderlich (z. B. bei osteoporotischen Wirbelkörperfrakturen)!
Derzeit keine Leistung der Vorsorgeuntersuchung in Österreich
1
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KONVENTIONELLES RÖNTGEN
Etwa 25 % aller Frauen jenseits des 50. Lebensjahres weisen – weitgehend unabhängig von der geografischen Region – zumindest
eine oder mehrere vertebrale Frakturen auf (Dennison & Cooper, 2000). Darüber hinaus treten rund 50 % aller vertebralen Frakturen
bei einer Knochenmineraldichte auf, welche definitionsgemäß nicht einer Osteoporose entspricht (Greenspan et al., 2001). Daher ist
die Anfertigung eines konventionellen Röntgens der Brust- und Lendenwirbelsäule vor der Diagnosestellung eine unerlässliche Notwendigkeit. Aufgrund der sehr unterschiedlichen Auffassungen davon, was eine osteoporotische Wirbelkörperfraktur ist, hat die IOF
vor kurzem ein internationales Lehr- und Schulungsprogramm verabschiedet, mit dem Ziel, weltweit eine einheitliche Klassifikation
von Wirbelkörperfrakturen sicherzustellen (www.bonehealth.org). Im Zentrum dieses Schulungsprogramms steht die semiquantitative
Beurteilung von Wirbelkörperdeformitäten nach H. Genant (Abbildung 8.2; Genant et al., 1996). Demnach sollte ein Wirbelkörper als
frakturiert klassifiziert werden, wenn eine ventrale, dorsale oder Grund- und Deckplatten-assoziierte Höhenabnahme um 25 % oder
mehr vorliegt.
Abbildung 8.2: Semiquantitative Beurteilung von Wirbelkörperdeformitäten. (Genant et al., 1996)
Die Feststellung einer vertebralen Fraktur hat jedoch nicht nur diagnostische Bedeutung, sondern lässt auch eine Aussage über das zu
erwartende Risiko für weitere Frakturen zu. So hebt eine einmal eingetretene vertebrale Fraktur das Risiko für weitere vertebrale Frakturen um ein Vielfaches des ursprünglichen Risikos an (Abbildung 8.3; Lindsay et al., 2001). Darüber hinaus bedeutet eine einmal eingetretene vertebrale Fraktur auch eine Zunahme des Risikos für nichtvertebrale Frakturen. Die radiologische Diagnose einer vertebralen
Fraktur hat somit nicht nur Auswirkungen auf die Diagnosestellung selbst, sondern insbesondere auch auf das Risiko subsequenter
Frakturen einer Person.
Abbildung 8.3: Effekt von vertebralen Frakturen auf das Risiko nachfolgender Frakturen. (Lindsay et al., 2001)
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LABOR
Laboruntersuchungen als Teil der diagnostischen Kaskade dienen in erster Linie dem Nachweis oder Ausschluss sekundärer Ursachen
einer Osteoporose. Die Diagnose einer Osteoporose oder der Ausschluss einer solchen können anhand von Laboruntersuchungen (derzeit)
jedoch nicht erfolgen.
Zum Ausschluss gängiger sekundärer Ursachen einer Osteoporose wird die Durchführung eines so genannten Basislabors empfohlen
(Tabelle 8.6). Dieses umfasst Parameter, welche auch in der Praxis leicht bestimmt werden können und unter anderem das Vorliegen
von Leber- oder Nierenerkrankungen als Ursache einer Osteoporose ausschließen sollen. Im weiteren Verlauf kann es jedoch notwendig
oder sinnvoll erscheinen, zusätzliche knochenstoffwechselrelevante Parameter wie etwa Parathormon u. a. zu bestimmen (Tabelle 8.6).
Die Bestimmung von Knochenumsatzmarkern, welche Aufschluss über das Ausmaß des aktuellen Knochenan- bzw. Knochenabbaus
liefern können (z. B. Osteocalcin, knochenspezifische alkalische Phosphatase, so genannte Cross-Links, tartratresistente saure Phosphatase u. a.), ist zumeist spezialisierten Zentren vorbehalten. Solche Umsatzmarker können wichtige ergänzende Informationen,
betreffend das aktuelle Frakturrisiko einer Person, aber auch betreffend die Wirksamkeit einer therapeutischen Substanz dieser Parameter liefern (Garnero et al., 1996). So ist nach Einleitung einer Therapie mit einer antikatabol wirksamen Substanz (z. B. Bisphosphonate) ein deutliches Absinken der Knochenumsatzmarker zu erwarten, während unter einer knochenanabolen Therapie
(z. B. 1-34PTH) ein Anstieg derselben erfolgen sollte.
Tabelle 8.6: Laboruntersuchungen in der Diagnostik von Osteoporose. (Initiative Arznei und Vernunft, 2005)
Basislabor
Weiterführendes Labor
Serum-Calcium
Serum-Phosphat
Alkalische Phosphatase
Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG)
Blutbild
Kreatinin
Gesamteiweiß
g-GT
TSH
Bei erhöhter Blutsenkung: Protein-Elektrophorese
25 OH Vitamin D3
PTH (Parathormon)
FSH, Östradiol
Testosteron
Umbau-Marker (Anbau/Abbau)
Calcium-Kreatinin-Quotient (im 2. Morgenharn)
oder 24-h-Harn-Calciumausscheidung
Calciumausscheidung im 2. Morgenharn:
Normal2: <4 mmol (= 160 mg) Calcium/g Kreatinin
>5 mmol Calcium/g Kreatinin pathologisch
Calcium-Kreatinin-Quotient: normal <0,04
Berechnung: mmol Ca/l
mg Kr/dl
24-Stunden-Harn – Calcium:
Normwert: 1,5–7,5 mmol (60–300 mg) Calcium/Tag oder
<0,1 mmol (<4 mg) Calcium/kg Körpergewicht/Tag
Dieses „Basislabor“ sollte prinzipiell nach Vorliegen
Eine 25-OH-Vitamin-D3-Bestimmung empfiehlt sich,
eines pathologischen Befundes erhoben werden,
wenn aus der Anamnese eine inadäquate Vitamin-D-
um wesentliche Sekundärursachen einer
Versorgung vermutet werden kann (z. B. ältere
pathologischen Knochendichte ausschließen zu können.
Patienten/Patientinnen, Heimbewohner/Heimbewohnerinnen, immobilisierte Patienten/Patientinnen).
– 85 –
ZUSAMMENFASSUNG
Gegenwärtig erfolgt die WHO-konforme Diagnosestellung einer Osteoporose sowie die daraus abgeleitete Therapieindikation mehr
oder weniger ausschließlich unter Berücksichtigung des Messergebnisses einer Knochendichtemessung mittels Zwei-Spektren-Röntgenabsorptiometrie (Dual X-Ray Absorptiometry, DXA). In diesem pragmatischen Vorgehen finden jedoch jene Faktoren keine Berücksichtigung, welche das Knochenbruchrisiko einer Person unabhängig von der Knochenmineraldichte beeinflussen können. Um eine
fachlich gerechtfertigte sowie gleichzeitig auch ökonomisch sinnvolle Therapieindikation stellen zu können, werden auf Anregung der
WHO in naher Zukunft neben der Knochendichtemessung auch diese herausragenden Risikofaktoren zu berücksichtigen sein (z. B.
Alter, Frakturen nach dem 50. Lebensjahr, Nikotinabusus, Hüftfraktur bei Verwandten 1. Grades etc.). Die Kombination aus Knochenmineraldichte und Vorliegen solcher spezifischer Risikofaktoren sollte die Feststellung des absoluten individuellen Zehn-Jahres-Knochenbruchrisikos ermöglichen. Daraus sollte die Therapieindikation abgeleitet werden. Dies entspricht einer klaren Abkehr vom bisherigen pragmatischen Vorgehen und einer Wende hin zum individuellen „Case-Finding“, mit dem klaren Vorteil, dass vor allem jene Personen behandelt werden, welche eine Therapie tatsächlich benötigen.
– 86 –
LITERATUR
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– 87 –
– 88 –
9. THERAPIE
ZUSAMMENFASSUNG
Bei Osteoporose und den daraus häufig resultierenden Frakturen gibt es verschiedene Therapieansätze. Zum einen kann Osteoporose
mit Medikamenten behandelt werden. Hier gibt es verschiedene Arten von Substanzen, die sich durch unterschiedliche Wirkungsweisen
auszeichnen. Zu den antikatabolen Substanzen (knochenabbauhemmende Substanzen, Antiresorptiva) zählen weibliche Sexualhormone, männliche Sexualsteroide, Tissue Specific Steroids, Calcitonin, SERMs sowie Bisphosphonate. Bei einer anabolen Therapie
kommt es zur Osteoblastenstimulation; hierzu zählen Parathormon und Fluorid, wobei Letzteres aus osteologischer Sicht als überholt
betrachtet wird. Zu den dual wirksamen Substanzen zählen Strontiumranelat, Vitamin-D-Metabolite und Anabolika.
Eine adäquate Schmerzbehandlung ermöglicht eine frühere Rehabilitation der Patienten und ist deshalb auch wesentlicher Bestandteil der Therapie von Osteoporose bzw. vor allem der daraus resultierenden Frakturen. Zur Verfügung stehen hierbei medikamentöse
und physikalische Maßnahmen.
Bei einer bestehenden Osteoporose spielt auch die orthopädische Versorgung eine zentrale Rolle. Der Orthopäde wird bei Osteoporosepatienten und -patientinnen in zweierlei Hinsicht konfrontiert. Einerseits beim Auftreten von Frakturen, hier führen starke Schmerzen die Betroffenen in die Ordination bzw. Ambulanz. In erster Linie kommen Personen mit Wirbelkörperfrakturen zum Orthopäden.
Auf der anderen Seite stellt die schlechtere Knochenqualität bei Patienten mit Osteoporose eine Komplikation bei orthopädisch-chirurgischen Operationen dar. Frakturen des distalen Radius werden meist konservativ mittels Anlegen eines Gipsverbandes behandelt,
bei komplizierten Frakturen werden Osteosynthesen durchgeführt. Frakturen des proximalen Femur sind die schwerwiegendsten. Die
chirurgische Versorgung erfolgt meist durch Unfallchirurgen und seltener durch Orthopäden. Dabei werden Schrauben, Platten oder
Nägel verwendet. In zunehmendem Maße wird auch auf Hemiprothesen oder Totalendoprothesen zurückgegriffen. Wirbelkörperfrakturen
erfordern nur bei bestimmten Indikationen chirurgische Behandlung. Zur Mobilisierung nach frischer Fraktur werden Stützmieder
appliziert. Zur Therapie von akuten Wirbelkörperfrakturen gibt es minimal invasive chirurgische Verfahren, nämlich die Vertebroplastik
und die Ballonkyphoplastik.
Das Ziel der Rehabilitation ist es, funktionelle Defizite und chronische Schmerzen zu vermeiden, Stürze bzw. Frakturen so weit wie
möglich zu verhindern und weiters die pychosozialen Faktoren positiv zu beeinflussen. Eine Kyphose durch Wirbelkörperfrakturen kann
durch Kräftigung der Rückenstrecker zumindest teilweise kompensiert werden. Infolgedessen reduzieren sich die Schmerzen und das
Sturzrisiko. Die Rehabilitation hüftgelenksnaher Frakturen ist besonders wichtig, denn selbst sieben Monate nach der Schenkelhalsfraktur ist die Kraft des Musculus quadriceps noch um 60 % reduziert und dadurch die Standunsicherheit doppelt so hoch. Deshalb
sind körperliche Aktivität bzw. gezieltes Training ein sehr wichtiger Bestandteil der Rehabilitation. Dadurch verbessert sich die Funktion im Alltag, aber auch das Sturzrisiko wird gesenkt. Um auch im Falle eines Sturzes das Risiko eines Schenkelhalsbruchs möglichst
gering zu halten, wird das Tragen von Hüftprotektoren empfohlen.
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9. TREATMENT
SUMMARY
There are several methods of treatment of osteoporosis and the resulting fractures. Osteoporosis can be treated with medical drugs,
of which there are many different types having diverse modes of action. Anticatabolic agents (bone loss inhibiting agents, anitresorptive medication) include female sex hormones, male sex steroids, tissue specific steroids, calcitonin, SERMs, and bisphosphonates.
Anabolic treatment involves osteoblast stimulation; this includes parathormone and fluoride, although the latter is considered as being
outdated from the osteological point of view. Dual-action agents include strontium ranelate, vitamin D metabolites and anabolics.
Adequate pain treatment allows earlier rehabilitation of patients and is therefore an important part of osteoporosis therapy and in
particular the resulting fractures. Here medication as well as physical treatment measures are available.
With existing osteoporosis orthopaedic care also plays a central role. Osteoporosis patients come into contact with orthopaedics in
two ways. On the one hand in the case of a fracture, whereby the severe pain compels patients to seek out the orthopaedic practice
or hospital outpatient department. Primarily people with spinal breaks visit the orthopaedic. On the other hand the diminished bone
quality in osteoporosis patients poses a potential complication for orthopaedic surgical operations. Distal radius fractures are mostly
treated conservatively by application of a plaster cast, for more complicated fracture osteo-synthesis is carried out. Proximal femur
fractures are the most serious with surgical intervention mainly being carried out by the emergency surgeon and less frequently by
the orthopaedic surgeon. Here screws, plates or nails are used. Increasingly hemiprotheses and total endoprotheses are being reverted to. Vertebral body fractures only require surgical treatment for certain indications. Support corsets are applied to aid mobilisation
following a new fracture. There are minimally invasive surgical procedures used in the treatment of acute vertebral body fractures,
these being vertebroplasty and balloon kyphoplasty.
The aim of rehabilitation is to avoid functional deficits and chronic pain, as well as, to prohibit falls and fractures as far as possible
and positively influence psycho-social factors. Kyphosis or anterior curvature due to vertebral body fractures can, at least in part, be
compensated by strengthening extensor muscles in the back. As a consequence pain and risk of a fall can be reduced. Rehabilitation
of fractures in the hip area is particularly important, since even 7 months after a femoral neck fracture the strength of the quadricep
muscle is still reduced by 60% and as such instability when standing is twice as high. For this reason physical activity and targeted
training are an important part of rehabilitation. Through this day to day functioning can be improved and risk of falls lowered. Even
in the case of a fall, wearing a hip protector is recommended, in order to maintain a lower risk of a femoral neck fracture.
– 90 –
9. THERAPIE
THERAPIERICHTLINIEN DER ÖSTERREICHISCHEN GESELLSCHAFT ZUR
ERFORSCHUNG DES KNOCHENS UND MINERALSTOFFWECHSELS
Konsensus „Osteoporose – Prävention und Therapie“, ÖGEKM 2007
Die Osteoporose und ihre Therapie stellen ein besonders eindrucksvolles Beispiel dafür dar, dass der eigenverantwortlichen Kooperation des Patienten zur Unterstützung einer eventuellen medikamentösen Therapie ein sehr hoher Stellenwert eingeräumt werden muss.
Grundvoraussetzung für jede spezifische therapeutische Intervention ist stets der Ausschluss erkennbarer Ursachen einer Osteoporose
(sekundäre Osteoporose) und gegebenenfalls die Therapie der Grunderkrankung.
SCHMERZTHERAPIE
Die Schmerztherapie bedarf der klinisch-diagnostischen Differenzierung. Eine adäquate Schmerzbehandlung ermöglicht eine frühere
Rehabilitation der Patienten. Zur Verfügung stehen medikamentöse und physikalische Maßnahmen wie z. B. die Thermo-, Elektro- oder
Hydrotherapie, die Balneotherapie, der Einsatz von Gehhilfen und Heilbehelfen sowie trainings- bzw. übungstherapeutische Möglichkeiten und spezielle Operationstechniken (siehe unten).
Akuter Schmerz muss mit sofort wirksamen Medikamenten optimal therapiert werden. Eine Kombinationsbehandlung aus nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) und zentral wirksamen Analgetika inklusive Opioiden stellt das Mittel der Wahl dar. NSAR sind in der
Lage, das analgetische Profil zu verbessern, ihr Nebenwirkungsprofil ist allerdings zu beachten.
Nichtsteroidale Antirheumatika werden meist in der empfohlenen Standarddosis verabreicht, die Opiatdosis wird proportional zur
Schmerzintensität variiert. In Abhängigkeit von der zu erreichenden Schmerzbefreiung soll die Dosis nach variabler Behandlungszeit
(in der Regel >1 Woche) zurückgenommen werden (Decrescendo). Beim chronischen Schmerz empfiehlt sich ein anderes Vorgehen:
Hierbei werden Medikamente mit Retardgalenik in zunächst niedriger Dosis eingesetzt, um im Verlauf weniger Tage durch empfohlene Dosissteigerungen die optimale Dosis zu finden (Crescendo). Auch hier stellen NSAR und zentral wirksame Analgetika inklusive
Opioiden analog dem Stufenplan der WHO die Grundlage dar.
Die richtige Arzneiform und Dosierung von Opioiden schließt das Risiko auftretender Atemdepression sowie Störungen kognitiver
Fähigkeiten weitgehend aus.
ORTHOPÄDISCHE MAßNAHMEN
Die Problematik der Osteoporose beeinflusst die Wahl der Operationstechnik und Implantate bei orthopädischen und unfallchirurgischen Eingriffen. Bei schmerzhaften Wirbelkörperkompressionsfrakturen bietet sich als minimal invasives Verfahren die Zementaugmentation (Ballonkyphoplastie/Vertebroplastie) zur Stabilisierung und Fixierung der Frakturen an. Das Einbringen von Knochenzement
führt zu einer unmittelbaren signifikanten Schmerzreduktion bei gleichzeitiger Belastungsstabilität und Möglichkeit der früheren
Mobilisierung. Der Zeitpunkt zwischen Frakturereignis und indizierter interventioneller Therapie muss der individuellen Situation des
Patienten angepasst werden.
Beide Methoden zeigen in Bezug auf schnelle Schmerzreduktion und Mobilitätsverbesserung ähnliche Resultate (Taylor et al., 2007).
Hinsichtlich der Möglichkeit der morphologischen Korrektur der Wirbelsäulendeformität (Kyphosierung) ist die Ballondilatation (Ballonkyphoplastie) durch das Aufrichten komprimierter Frakturen der Vertebroplastie überlegen. Die Ballonkyphoplastie zeigt im Vergleich zur Vertebroplastie signifikant weniger Nebenwirkungen (Taylor et al., 2007). Für die Ballonkyphoplastie gibt es Hinweise darauf, dass das Folgefrakturrisiko im Gegensatz zur Folgefrakturrate bei bestehender Osteoporose bis zu einem Zeitpunkt von zwölf
Monaten nicht gesteigert ist (Grafe et al., 2005; Taylor et al., 2007).
– 91 –
Zur Mobilisierung nach frischer Fraktur sind Stützmieder nach wie vor indiziert, ihre Anwendungsdauer ist weitgehend von der
Compliance der Patienten limitiert. Hier gilt der Grundsatz: „Solange wie nötig.“ Die Indikation für den Einsatz eines Mieders richtet
sich nach dem Schmerz, daher sollte es als Unterstützung der Wirbelsäule und lediglich für eine beschränkte Zeit eingesetzt werden.
Eine Ausnahme stellt die sekundäre Osteoporose bei neoplastischen Knochenmarkserkrankungen (z. B. Plasmozytom) zur Verhinderung von Rückenmarks- und Nervenschädigungen dar.
Für die erste Mobilisierungsphase reicht anstelle eines Mieders oftmals eine externe Unterstützung, beispielsweise in Form von Stützkrücken, aus. Die nach dem Rucksackprinzip entwickelten Orthesen bewirken darüber hinaus propriozeptiv eine Haltungsverbesserung
und induzieren keinerlei Muskelatrophien (Pfeifer et al., 2004). Die Anwendung von Orthesen sollte ausschließlich nach Verordnung
durch einen Arzt durchgeführt werden.
Hüftprotektoren können im Falle eines Sturzes die Aufprallenergie im proximalen Femurbereich reduzieren. Es konnte gezeigt werden,
dass das Tragen von Hüftprotektoren die kumulative Inzidenz für hüftgelenksnahe Frakturen um 60 % zu senken imstande ist. Dabei
passiert der Großteil der aufgetretenen Frakturen nicht während des Tragens des Hüftprotektors, sondern eben genau dann, wenn die
Patienten ihn gerade nicht angelegt haben. Dieser additiven Maßnahme, die eine unmittelbare Protektion der Hüftregion ermöglicht,
sollte verstärkt Aufmerksamkeit geschenkt werden.
TRAUMATOLOGISCHE MAßNAHMEN
Eine Frakturversorgung sollte wie bei einem Nichtosteoporosepatienten durchgeführt werden. Eine möglichst kurze Immobilisation ist
anzustreben. Bei akuten Wirbelkörperfrakturen kann an die Option der Vertebroplastie und Ballonkyphoplastie gedacht werden. Im
Zuge der Ballonkyphoplastie werden Wirbelkörperkompressionsfrakturen reponiert; zur Wiederherstellung der Wirbelkörperanatomie
nach einer Fraktur müssen die Wirbelkörperendplatten in die korrekte anatomische Stellung reponiert werden. Dieser Vorgang erfordert die Vergrößerung des zuvor verminderten Wirbelkörpervolumens (durch Schaffung eines Hohlraums im Wirbelkörper) und eine
hinreichende Kraftentfaltung zur Bewegung der imprimierten Endplatten (Reposition).
Bei Fragilitätsfrakturen und hinsichtlich der Krafteinwirkung nicht eindeutig klassifizierbaren Frakturen ist eine Osteoporoseabklärung
vorzunehmen und sind – sofern erforderlich – die entsprechenden therapeutischen Konsequenzen zu ziehen.
REHABILITATIVE MAßNAHMEN
Bewegungsübungen oder Trainingsprogramme zur Steigerung der Knochenstabilität und Reduktion des Sturzrisikos sollten individuell
und in Abhängigkeit vom Patientenalter sowie von dessen körperlichem Zustand durchgeführt werden (siehe Übungs- und Trainingsempfehlungen in Kapitel „Public-Health-Strategien auf Individualebene“; Bonner et al., 2003). Die physiologische Gewichtsbelastung
durch Gehen, Gymnastik (exklusive Unterwassergymnastik und Schwimmen) und Kraft- oder Widerstandstraining vermag auch bei
postmenopausalen Frauen einen positiven Einfluss auf die Knochendichte auszuüben (Bonaluti et al., 2002; Pfeifer et al., 2004). Eine
Reduktion des Sturzrisikos kann durch ein individuell verordnetes Übungsprogramm, das Balancetraining, Krafttraining und Gehen
beinhaltet, sowie durch Tai Chi (mit einem progressiven Übungsaufbau) erreicht werden.
Ferner bilden Umfeldsanierung bzw. Adaptierungen (Haltegriffe im Badezimmer, rutschfeste Matten, Beleuchtung, Entfernung von
Stolperfallen, Brillen, Gehhilfen), graduierte Eliminierung von psychotropen Medikamenten bzw. ein multidisziplinäres, multifaktorielles Sturzrisikointerventionsprogramm weitere Maßnahmen zur Senkung des Sturzrisikos.
Die Wirksamkeit all dieser Maßnahmen ist eng an ein Sturzassessment gebunden, wodurch sich notwendige Therapien und Adaptierungen ergeben. Ziel des gesamten rehabilitativen Managements ist die Optimierung der persönlichen Unabhängigkeit von fremder
Hilfe bei gleichzeitiger Verbesserung der Lebensqualität.
ERNÄHRUNGSASPEKTE
Für Prävention und Therapie der Osteoporose sind Ernährungsmaßnahmen, die auf eine Erhöhung der Calcium- und Vitamin-D-Zufuhr
abzielen, von wesentlicher Bedeutung. Es werden daher der vermehrte Genuss von beispielsweise Milch und Milchprodukten, Fisch
und Gemüse – schon ab dem Kindesalter – sowie eine Verminderung des Salzkonsums dringend empfohlen. Eine nachhaltige Änderung der Ernährungsgewohnheiten ist auch deshalb sinnvoll, weil latenter Vitamin-D- und Calciummangel als Risikofaktoren für andere chronische Erkrankungen (Krebs, Bluthochdruck, chronisch entzündliche Darmerkrankungen etc.) anzusehen sind (Peterlik, 2005).
– 92 –
MEDIKAMENTÖSE BEHANDLUNG DER OSTEOPOROSE
THERAPIEZIEL
Das Ziel der Behandlung einer manifesten Osteoporose besteht zum einen in der Verbesserung der Knochenstabilität und somit der
Verhinderung neuer Frakturen und zum anderen in der Schmerzbehandlung und Rehabilitation, um eine altersgemäße soziale Reintegration zu ermöglichen. Die Wirkung von Osteoporosetherapeutika sollte rasch eintreten und sowohl Wirbel- als auch extravertebrale Frakturen verhindern (Roux et al., 2004; Harrington et al., 2004). Die Effizienz der Behandlung, gemessen an der absoluten Risikoreduktion, steigt mit zunehmendem Alter (Papapoulos et al., 2005). Unter antiresorptiven Therapien besteht weder für Wirbel- noch
für extravertebrale Frakturen eine Assoziation zwischen der Frakturrisikoreduktion und der Knochendichtezunahme (Delmas & Seeman,
2004), die maximal 20 % des frakturpräventiven Effekts erklärt.
Eine ausreichende Versorgung mit Calcium oral (additiv 500 bis 1000 mg Ca++/Tag je nach alimentärer Situation) und Vitamin D3 (400
bis 2000 IE/Tag) ist die Basis für eine spezifische medikamentöse Osteoporosetherapie. Sie alleine genügt allerdings nicht, um eine
manifeste Osteoporose zu behandeln.
ANTIKATABOLE SUBSTANZEN (KNOCHENABBAUHEMMENDE SUBSTANZEN, ANTIRESORPTIVA)
Weibliche Sexualhormone (Östrogene/Gestagene)
Unter Hormonersatztherapie (HRT = Hormon-Replacement-Therapie) ist die kontinuierliche Östrogenmedikation ergänzt durch
zyklische bzw. kontinuierliche Gestagensubstitution zu verstehen. Verwendung finden als Östrogenkomponente entweder konjugierte
equine Östrogene (CEE) oder 17-‚-Östradiol, zur Gestagensubstitution steht eine Vielzahl von Substanzen mit Gestagenwirkung mit
völlig unterschiedlichen Partialwirkungen zur Verfügung. Da der Gestagenzusatz praktisch ausschließlich dem Endometriumschutz
dient, wird bei hysterektomierten Frauen im Allgemeinen auf die Gestagensubstitution verzichtet, bei diesen kommt eine Östrogenmonotherapie (ERT = Östrogen-Replacement-Therapie) zum Einsatz. In klinischen Studien zeigte sich einheitlich, dass eine HRT zu
einem Anstieg der Knochenmasse führt. Prospektive Daten der Women’s-Health-Initiative-(WHI-)Studie an einem unselektierten
Kollektiv von Frauen zwischen dem 50. und 79. Lebensjahr ergaben eine Reduktion der Inzidenz vertebraler und nichtvertebraler
Frakturen (Cauley et al., 2003).
Vorteile einer HRT/ERT sind weiters eine Verminderung klimakterischer Beschwerden und eine Abnahme der Inzidenz an kolorektalen
Karzinomen. Diesem Benefit steht bei HRT und ERT eine Zunahme kardiovaskulärer, zerebrovaskulärer und venöser thromboembolischer
Ereignisse sowie bei HRT eine erhöhte Zahl von hormonrezeptorpositiven Mammakarzinomen gegenüber. Eine ERT ist hingegen mit
einer tendenziellen Reduktion der Mammakarzinom-Inzidenz assoziiert. Weiters ist anzumerken, dass in Bezug auf die verwendeten
Hormonpräparationen (insbesondere die Gestagenkomponente betreffend) nicht nur eine Vielzahl von verschiedenen Präparaten mit
durchaus unterschiedlichen Wirkungsprofilen zur Verfügung steht, sondern insbesondere auch das Nebenwirkungsprofil, so vor allem
die Inzidenz kardiovaskulärer Ereignisse, von der Art der Hormonzufuhr abhängig ist; so zeigen die Ergebnisse von wissenschaftlichen
Arbeiten, dass unter transdermaler Hormonsupplemention das kardiovaskuläre Risiko nicht erhöht ist, wobei zu dieser Applikationsform keine Frakturdaten vorliegen.
Zusammenfassend ist festzustellen, dass für die HRT/ERT keine osteologische Indikation vorliegt. Allerdings ist anzumerken, dass bei
gleichzeitigem Vorliegen klimakterischer Beschwerden und fehlenden kardiovaskulären Risikofaktoren der osteoprotektive Effekt der
HRT/ERT in Hinblick auf die Frakturprävention sinnvoll genützt werden kann. Der Benefit hinsichtlich der Reduktion der Frakturinzidenz
der HRT/ERT geht wenige Jahre nach Absetzen derselben wieder verloren.
Männliche Sexualsteroide beim hypogonaden Mann
Der Hypogonadismus, der eine mögliche Ursache für eine Osteoporose beim Mann darstellt, ist eine Indikation für eine Testosteronsubstitution unter Beachtung der Kontraindikationen. Allerdings liegen für diese Therapieform keine Frakturdaten vor. Alternativ kann
eine Osteoporose bei einem Mann mit Hypogonadismus auch mit Alendronat oder Risedronat behandelt werden. In Hinblick auf die
Prostatakarzinomproblematik sind bei Testosterongabe regelmäßige urologische Kontrollen erforderlich.
– 93 –
Tissue Specific Steroids
Zu den Tissue Specific Steroids zählt Tibolon, ein synthetisches Steroid, das in Österreich zur Behandlung klimakterischer Beschwerden
und zur Prävention der postmenopausalen Osteoporose zugelassen ist. Für die Therapie der postmenopausalen Osteoporose ist
Tibolon nicht zugelassen. Gerade im Lichte der WHI-Studie erscheinen Analysen zur kardiovaskulären Langzeitsicherheit von Tibolon
neben Daten zur Beeinflussung der Frakturraten für eine sinnvolle Nutzen-Risiko-Analyse erforderlich. Die LIFT-Studie ergab eine
Senkung des Wirbelfrakturrisikos um etwa 50 %, das Schlaganfallrisiko war jedoch erhöht (Cummings, 2006).
Calcitonin
Die hemmende Wirkung von Calcitonin, einem körpereigenen, in den C-Zellen der Schilddrüse gebildeten Peptid, auf die Osteoklasten
ist seit vielen Jahren bekannt. Nach den Kriterien der so genannten „Evidence Based Medicine“ konnte jedoch die subkutan verabreichte Form von Calcitonin weder den Nachweis einer präventiven noch einer therapeutischen Wirkung bei Osteoporose erbringen.
Auch der häufig postulierte analgetische Effekt ist umstritten.
Die europäische Zulassungsbehörde EMEA gibt als einheitliche Indikationsregelung für Calcitonin die Prävention des akuten
Knochenmasseverlustes bei immobilisierten Patienten mit frischen Frakturen zusätzlich zur Osteoporosetherapie, Morbus Paget und
tumorinduzierter Hypercalcämie an.
In der „PROOF Study“ wurde die intranasale Form von Calcitonin mit täglich 200 IE in einer Anwendung über fünf Jahre geprüft und
eine Senkung des vertebralen Frakturrisikos beschrieben. Der hohe Ausfall von Studienteilnehmern und die inkonsistenten Daten
hinsichtlich Knochendichte und Abbaumarker waren Kritikpunkte dieser Studie. Somit gehört intranasal eingesetztes Calcitonin nicht
zu den so genannten First-Line-Therapeutika bei Osteoporose. Der Calcitonin-Nasalspray ist EU-weit zur Behandlung der postmenopausalen Osteoporose zur Verhinderung des Risikos vertebraler Frakturen zugelassen.
Selektive Östrogen-Rezeptor-Modulatoren (SERMs)
SERMs üben in Abhängigkeit vom Zielgewebe partiell östrogenartige Wirkungen aus, i. e. sie inhibieren den Knochenabbau und
stabilisieren die Knochenmikroarchitektur ohne negative Beeinflussung der Proliferationsrate in Endometrium oder Brustdrüse (Initiative Arznei & Vernunft, 2005).
Die Aktivierung der Östrogenrezeptoren im Bereich des Knochens begründet den Einsatz von Raloxifen zur Therapie der Osteoporose.
Histomorphometrisch ist der Knochen nach Raloxifen-Behandlung normal. Eine Raloxifen-Behandlung führt zu einer meist geringen
Zunahme der Knochenmasse und zu einer signifikanten Verminderung der Anzahl neuer Wirbelkörperfrakturen, und zwar unabhängig
davon, ob bereits Wirbelkörperfrakturen vorliegen oder nicht. Bei densitometrisch verifizierter Osteoporose kommt es – analog zu den
Bisphosphonaten – etwa zu einer Halbierung der Wirbelkörperfrakturrate, wobei dieser Effekt bislang über einen Zeitraum von zumindest
acht Jahren studienmäßig abgesichert ist. Die Zahl der nichtvertebralen Frakturen konnte unter Raloxifen-Therapie nur in der Subgruppe jener Patientinnen mit zumindest einer vorbestehenden schweren Wirbelkörperfraktur im Vergleich zur Placebogruppe signifikant
reduziert werden. Das Risiko thromboembolischer Ereignisse im venösen Bereich scheint jenem der HRT/ERT vergleichbar zu sein. Die
neueste Publikation der RUTH-Studie zeigt, dass das Schlaganfallrisiko mit Ausnahme des tödlich verlaufenden Schlaganfalls nicht
signifikant erhöht ist (Barrett-Connor et al., 2006). Das Risiko der Entwicklung eines Mammakarzinoms ist hingegen nachweislich
deutlich reduziert. In der Studie (postmenopausale Frauen mit manifester koronarer Herzerkrankung oder dokumentierten Risikofaktoren für eine KHK bzw. koronare Ereignisse) hatte Raloxifen im Vergleich zu Placebo keinen Effekt auf die Inzidenz von Myokardinfarkten, Hospitalisierungen wegen akuten Koronarsyndroms, auf die Gesamtmortalität (einschließlich der Mortalität aufgrund kardiovaskulärer Komplikationen) oder die Inzidenz von Schlaganfällen. Bei Patientinnen der Raloxifen-Gruppe verlief ein Schlaganfall
jedoch häufiger tödlich. Die Inzidenz tödlich verlaufender Schlaganfälle lag unter Placebo bei 1,5 pro 1000 Frauen und Jahr im
Vergleich zu 2,2 pro 1000 Frauen und Jahr unter Raloxifen. Diese Studienergebnisse sollten bei der Verordnung von Raloxifen für postmenopausale Frauen mit signifikanten Schlaganfallrisikofaktoren wie Schlaganfall oder TIA (transitorische ischämische Attacke) in der
Vorgeschichte oder Vorhofflimmern berücksichtigt werden.
Raloxifen nimmt in der Stufentherapie der Osteoporose den Platz für jene postmenopausale Frau ein, welche weder vegetative Symptome noch ein erhöhtes Hüftfrakturrisiko aufweist.
– 94 –
Bisphosphonate
Eine Standardtherapie der postmenopausalen Osteoporose stellen die Bisphosphonate, metabolisch stabile organische Pyrophosphatverbindungen, dar. Sie haben eine orale Bioverfügbarkeit von <1 %, führen zu einer Zunahme der Knochendichte und zu einer Senkung
osteoporotisch bedingter Frakturen (Cranney et al., 2002). Derzeit stehen in Österreich Alendronat, Risedronat, Etidronat und
Ibandronat für die perorale und Ibandronat auch für die parenterale Verabreichung zur Verfügung.
Etidronat ist das älteste in Österreich zur Therapie der postmenopausalen Osteoporose zugelassene Bisphosphonat. Seine antiresorptive
Potenz, erkennbar an der relativ hohen Tagesdosis von 400 mg p. o., ist vergleichsweise gering. Zur Verhinderung des Auftretens von
Mineralisationsstörungen ist in der Langzeittherapie nur die zyklische intermittierende Gabe alternierend mit einem Calciumsupplement (alle drei Monate über jeweils zwei Wochen) möglich. Die Weiterentwicklung der Bisphosphonatbehandlung hat den Einsatz von
Etidronat in den Hintergrund gerückt.
Alendronat und Risedronat reduzieren den Knochenumbau, erhöhen die Knochendichte in allen Skelettregionen und verringern bei
kontinuierlicher Therapie die Häufigkeit vertebraler und auch nichtvertebraler Frakturen. Effekte auf vertebrale und nichtvertebrale
Frakturen konnten für Risedronat bereits nach einem halben Jahr demonstriert werden. Für diese beiden Substanzen ist auch die
Senkung der Hüftfrakturinzidenz nachgewiesen. Mit Alendronat und Risedronat konnte in klinischen Studien eine Senkung des Risikos
für Hüftfrakturen zwischen 55 % und 60 % gezeigt werden (Papapoulos et al., 2005; McClung et al., 2001).
Die Einnahmevorschriften – das Medikament ist mindestens 30 Minuten vor der ersten Tagesmahlzeit in aufrechter Körperhaltung mit
einem Glas Leitungswasser unzerkaut einzunehmen – sind zu beachten, um die Resorption wirksamer Mengen sicherzustellen und das
Auftreten unerwünschter ösophagogastraler Reizzustände (bis hin zur Ulkusbildung) zu vermeiden. Erwähnenswert ist, dass im
Gegensatz zu den Alendronat-Studien bei allen Phase-III-Studien mit Risedronat auch Patienten mit floriden Erkrankungen des
oberen Gastrointestinaltrakts und Komedikationen wie NSAR und Aspirin eingeschlossen wurden – trotzdem konnte hinsichtlich der
Verträglichkeit kein Unterschied zur Placebogruppe festgestellt werden. Von der gleichzeitigen Einnahme anderer Medikamente und
Nahrungsmittel ist unbedingt abzuraten; für Schilddrüsenhormone in Kombination mit Bisphosphonaten liegen keine expliziten Daten
vor. Zehn-Jahres-Ergebnisse für Alendronat erbrachten die Aufrechterhaltung seiner therapeutischen Wirksamkeit. Es gab keinerlei Hinweise auf Wirksamkeitsverluste oder nachteilige Auswirkungen auf die Knochenqualität infolge der Ultralangzeitbehandlung bei
einem anhaltend guten Verträglichkeitsprofil (Bone et al., 2004).
Für manche Patienten ist gemäß den Ergebnissen einer Extensionsstudie nach fünf Jahren Alendronat-Therapie eine Behandlungspause möglich, ohne das Frakturrisiko signifikant zu erhöhen. Frauen mit hohem Risiko für vertebrale Frakturen könnten von einer
Behandlung über fünf Jahre hinaus jedoch profitieren (Black et al., 2006). Die anhaltende Wirksamkeit von Risedronat (5 mg/Tag) hinsichtlich Verringerung vertebraler Frakturen wurde in einer Extensionsstudie über sieben Jahre gezeigt. Risedronat erwies sich zudem
als wirksam bezüglich Knochendichte und Knochenumbaumarker sowie als gut verträglich (Mellström et al., 2004).
Wenngleich für Alendronat und Risedronat auch orale Darreichungsformen zur Verfügung stehen, die eine einmal wöchentliche Dosierung
erlauben (Alendronat 70 mg, Risedronat 35 mg), und für Ibandronat auch eine Ein-Monats-Tablette (150 mg), ist der therapeutische
Erfolg mit oralen Bisphosphonaten aufgrund der relativ komplizierten Einnahmevorschriften häufig durch mangelnde Therapietreue
limitiert. Diese Problematik könnte theoretisch durch den Einsatz intravenöser Bisphosphonate (Ibandronat, künftig wahrscheinlich
auch Zoledronat) umgangen werden. Die parenteralen Bisphosphonate sind bei Auftreten unerwünschter gastrointestinaler Wirkungen
der oralen Substanzen, bei Patienten mit gastrointestinalen Resorptionsstörungen sowie bei ösophagealen Problemen, wenn Patienten
die Einnahmevorschriften der oralen Bisphosphonate nicht einhalten können (30 Minuten stehen oder sitzen), bzw. bei Vorliegen einer
Demenz indiziert. Perorales Ibandronat (täglich eingenommen) zeigte in einer Studie Wirbelfrakturreduktionen, die mit jenen anderer
Osteoporosetherapeutika vergleichbar sind. Eine Reduktion der nichtvertebralen Frakturen konnte nur mit der täglichen Einnahmeform
in einem Subkollektiv von Patientinnen mit einem T-Score von <–3 am Schenkelhals gezeigt werden. In Bezug auf unerwünschte
Wirkungen fand sich kein Unterschied zwischen Placebo- und Behandlungsgruppen (Chesnut et al., 2004). Ähnlich positive Effekte
ergab eine intermittierende perorale Ibandronat-Medikation mit 150 mg einmal im Monat (Miller et al., 2005).
Eine weitere Untersuchung verglich Ibandronat 3 mg parenteral alle drei Monate mit der peroralen Verabreichung (2,5 mg täglich),
wobei die intravenöse Formulierung eine signifikant bessere Wirksamkeit auf die BMD und gleiche Wirkung auf den Knochenumsatz
zeigte (Delmas et al., 2006). Das Verträglichkeitsprofil war jenem der oralen Applikationsform vergleichbar, die Inzidenz grippeähnlicher Symptome nach der Injektion mit 4,9 % gering. Zoledronsäure, 5 mg einmal jährlich als Infusion, erwies sich als hochwirksam hinsichtlich Risikoreduktion von vertebralen, nichtvertebralen und Hüftfrakturen, möglicherweise mitbedingt durch die fast
100%ige Compliance. In der mit Zoledronsäure behandelten Gruppe wurde vermehrt Vorhofflimmern beobachtet, zudem war die
Inzidenz grippeähnlicher Symptome mit 31 % relativ hoch. Diese Nebenwirkung relativiert sich allerdings aufgrund der geringeren
Häufigkeit bei den Folgeinfusionen und der nur einmal jährlichen Verabreichung (Black et al., 2007).
In Österreich liegt die Zulassung für Zoledronsäure in der Indikation „Morbus Paget“ bereits vor, das Zulassungsverfahren für die EUweite Verfügbarkeit zur Behandlung der postmenopausalen Osteoporose läuft gegenwärtig. Kontraindiziert sind Bisphosphonate bei
Überempfindlichkeit oder Hypocalcämie, wobei nach Behebung der Hypocalcämie die Behandlung durchgeführt werden kann.
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Osteonekrosen des Kiefers stellen eine äußerst seltene unerwünschte Wirkung der Therapie mit Bisphosphonaten dar, die vorwiegend
bei höherer intravenöser Dosierung beschrieben ist (onkologische Indikation). Daher sollte bei Patienten mit entsprechenden Risikofaktoren (Chemo- oder Radiotherapie bei Karzinomen sowie Kortikosteroidmedikation, aber auch mangelnde Mundhygiene) vor der
Behandlung eine zahnärztliche Untersuchung mit dementsprechenden Präventionsmaßnahmen veranlasst werden.
ANABOLE THERAPIE (OSTEOBLASTENSTIMULATION)
Parathormon (PTH)
Parathormon ist in Österreich als anaboles Osteoporosetherapeutikum zugelassen. Es gibt mittlerweile zwei in der EU zugelassene
Parathormone: Teriparatid (PTH 1-34) und das längere PTH (1-84). Beide Substanzen werden mittels Pen subkutan in fixer Dosierung
(20Ìg bei Teriparatid und 100Ìg bei PTH [1-84]) verabreicht. Die Therapiedauer ist auf 18 Monate (Teriparatid) bzw. 24 Monate (PTH
[1-84]) beschränkt und soll von einer antiresorptiven Therapie gefolgt werden, um den neu gebildeten Knochen zu erhalten und eine
vollständige Mineralisation zu gewährleisten.
Der Wirkungsmechanismus von intermittierend verabreichtem Parathormon scheint sich im Frühstadium hauptsächlich über eine Aktivierung zuvor ruhender Knochenbelegzellen zu entfalten, später dürften auch osteoblastenproliferationsfördernde und die Apoptose
der Osteozyten hemmende Effekte hinzukommen. Der Einsatz von Parathormon resultiert in einem Anstieg der Knochenmasse, der sich
im Lendenwirbelsäulenbereich, gemessen mittels DXA, im Ausmaß von etwa einer Standardabweichung (= 10 %) bewegt (Black et al.,
2003; Greenspan et al., 2007; Hodsman et al., 2003). Der Knochendichteanstieg kortikaler Messstellen hingegen ist anfänglich oft
noch wenig eindrucksvoll, da durch eine Steigerung der intrakortikalen Umbauvorgänge höher mineralisierter (alter) Knochen durch
noch weniger mineralisierten (jungen) Knochen ersetzt wird und diese Vorgänge den wahren anabolen Effekt vorerst maskieren. QCTAnalysen und histomorphometrische Studien zeigen Knochenmassezunahmen von 30–50 %.
Die 18-monatige Behandlung mit Teriparatid führte bei Frauen mit manifester Osteoporose zu einer signifikanten Reduktion des vertebralen und nichtvertebralen Frakturrisikos (Neer et al., 2001), unabhängig vom Ausmaß prävalenter Frakturen (Gallagher et al.,
2005) und unabhängig von der Zunahme der Knochenmineraldichte (Chen et al., 2006). Für PTH (1-84) liegen Daten bezüglich Reduktion der Inzidenz vertebraler Frakturen unabhängig vom Ausmaß prävalenter Frakturen vor (Greenspan et al., 2007).
Die häufigsten Nebenwirkungen einer Parathormontherapie sind Nausea und Kopfschmerzen. Patienten, die mit Teriparatid behandelt
wurden, zeigten in den Studien weniger derartige Nebenwirkungen sowie Hypercalcämien als Patienten mit PTH-(1-84)-Behandlung
im Vergleich zur jeweiligen Placebogruppe. Die Unterschiede beider Parathormone könnten auf das unterschiedliche pharmakokinetische Profil zurückzuführen sein; weiters ist anzumerken, dass die Studiendesigns beider Parathormone unterschiedlich konzeptioniert
wurden und auf voneinander abweichenden Patientenpopulationen beruhen. In Österreich ist es gängige Praxis, dass als Voraussetzung für die Kostenübernahme von PTH-Verschreibungen durch den Hauptverband der Sozialversicherungsträger neue Wirbelfrakturen unter einer zweijährigen Vortherapie der Patientinnen mit Resorptionshemmern verlangt werden. In begründeten Einzelfällen
weicht der Hauptverband von diesem Vorgehen ab. Die Behandlung mit Parathormon erscheint sinnvoll bei Patienten, bei welchen
trotz eines suffizienten Behandlungsregimes mit einer evidenzbasierten osteoprotektiven Therapie
• eine weitere vertebrale oder nichtvertebrale Fraktur auftritt (bei vertebralen Frakturen auch morphometrische),
• ein auffälliger Knochendichteverlust auftritt, der deutlich über dem LSC-(Least Significant Change-)Wert des Geräts liegt,
• laborchemisch und histologisch der Befund einer deutlichen Low-Turnover-Osteoporose mit im Vordergrund stehendem
Strukturverlust nach erster Fraktur bei besonderen klinischen Aspekten erhoben wird.
Begleitende klinische Kontrollen sind durchzuführen (Schmerzanamnese, Körpergröße) sowie Laboruntersuchungen als Parameter der
Aktivierung des Knochenstoffwechsels nach Therapiebeginn und bei Therapieende. Bei Behandlung mit PTH (1-84) sollte eine Kontrolle
des Serumcalciumspiegels einen Monat sowie drei und sechs Monate nach Therapieeinleitung durchgeführt werden; bei Teriparatid ist
eine solche Kontrolle nicht notwendig, wird aber aufgrund des Wirkmechanismus von PTH trotzdem empfohlen.
Fluorid
Fluorid fördert die Knochenneubildung über eine Stimulation der Osteoblastenproliferation – ein Effekt, der sich nahezu ausschließlich am trabekulären Knochen manifestiert. Die Qualität des unter hoher Dosierung neu gebildeten Knochens entspricht nicht jener
eines normalen Knochens. Obwohl in Österreich Natriumfluoridpräparate zur Osteoporosetherapie zugelassen sind, wird diese Therapie aus osteologischer Sicht als überholt betrachtet.
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DUAL WIRKSAME SUBSTANZEN
Strontiumranelat (SR)
Strontiumranelat besteht aus zwei stabilen Strontiumatomen, welche an einen organischen Rest, die Ranelic-Säure, gebunden sind.
Letztere wird nur zu einem geringen Teil resorbiert und nach derzeitigem Wissensstand im humanen Organismus nicht weiter verstoffwechselt. Strontiumranelat verfügt über einen knochenanabolen und einen antikatabolen Effekt – dieser duale Wirkmechanismus
konnte in zahlreichen experimentellen Studien belegt werden (Dimai, 2005).
In einem umfassenden Phase-III-Programm wurde gezeigt, dass unter einer Dosierung von 2 g SR täglich das Risiko für vertebrale und
nichtvertebrale Frakturen reduziert wird – die Reduktion vertebraler Frakturen in der TROPOS-Studie, die nicht für die Wirbelkörperfraktur ausgelegt war, erscheint mit 24 % über fünf Jahre gering. Andere Frakturdaten weisen nach vier Jahren auf eine Reduktion des
Risikos von Wirbelkörper- und nichtvertebralen Frakturen von 33 % hin (SOTI-Studie) (Reginster et al., 2005; Meunier et al., 2004).
Die außergewöhnlich hohe Zunahme der mittels DXA-Methode erfassten Knochenmineraldichte unter Therapie mit Strontiumranelat
ist unter anderem auch auf das höhere Atomgewicht von Strontium im Vergleich zu Calcium zurückzuführen.
In einer retrospektiv durchgeführten Subgruppenanalyse (Frauen 74 Jahre, T-Score von <–3) wurde weiters eine Reduktion des Risikos für Hüftfrakturen gezeigt (Reginster et al., 2005; 2006). Ferner ergab sich eine Wirbelkörperfrakturabsenkung unabhängig vom
Alter der Studienpatientinnen bzw. der Anzahl prävalenter Frakturen.
Strontiumranelat ist gemäß den Kriterien der EMEA als First-Line-Therapie in der Behandlung der postmenopausalen Osteoporose
zugelassen. Das österreichische Erstattungssystem limitiert den Einsatz von Strontiumranelat gegenwärtig auf jenes Patientenkollektiv, welches unter oralen Bisphosphonaten gastrointestinale Symptome aufweist.
Vitamin-D-Metabolite
Gesicherte Indikationen
• Renale Osteopathie
• Osteopathie bei primär biliärer Leberzirrhose
Relative Indikationen
Behandlung der manifesten idiopathischen und senilen Osteoporose, besonders bei:
• Störung der Aufnahme, Synthese bzw. Aktivierung des Vitamin-D3-Metabolismus
• Versagen bzw. Kontraindikation anderer Therapien
• Eingeschränkter Nierenfunktion
Die optimale tägliche Dosis muss für jeden Patienten in Abhängigkeit von Serum- und Harn-Calcium und Phosphat sorgfältig ermittelt
werden. Die Therapie mit 1,25-Dihydroxy-Vitamin-D3 (Calcitriol) sollte mit 0,25µg pro Tag beginnen. Für die Mehrzahl der Patienten
ist eine Dosierung von 2x 0,25µg pro Tag ausreichend. Im Serum müssen Calcium, Phosphor und Kreatinin, im Harn Calcium (falls möglich im 24-Stunden-Harn) kontrolliert werden. In Österreich steht weiters das 1-Hydroxy-Vitamin-D3 (Alfacalcidol) zur Verfügung
(Dosierung: 0,5 bis 1,0µg/Tag).
Anabolika
Es gibt Hinweise für die direkte Wirkung der Anabolika (Nandrolondecanoat) auf die Knochenzellen, es fehlen jedoch Frakturdaten. Die
muskelaufbauende und kraftfördernde Wirkung der Anabolika kann in Einzelfällen zusätzlich zur Osteoporosetherapie nützlich sein.
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ORTHOPÄDISCHE VERSORGUNG BEI PATIENTEN UND PATIENTINNEN
MIT OSTEOPOROSE
Gerold Holzer
Universitätsklinik für Orthopädie, Medizinische Universität Wien
Der Orthopäde spielt bei der Betreuung von Patienten und Patientinnen mit Osteoporose eine große Rolle. Er begleitet den Menschen
während des gesamten Lebens, beginnend mit der Untersuchung des Säuglings gleich nach der Geburt über Kontrollen von Fehlhaltungen und Fehlstellungen der Extremitäten bis zur konservativen und chirurgischen Therapie von degenerativen Erkrankungen der
Gelenke und Wirbelsäule im hohen Alter.
Die lebenslange Betreuung durch den Orthopäden bedeutet eine enorme Verantwortung bezüglich der Konsequenzen der getroffenen
Entscheidungen, die weit über die momentane Therapie hinausreichen. Zugleich stellt diese aber eine enorme Chance und Sicherheit
für den Patienten dar, weil Veränderungen, die vom Orthopäden beobachtet und diagnostiziert werden, rechtzeitig einer frühzeitigen
Therapie zugeführt werden können.
Die besondere Kenntnis, die der Orthopäde durch die lebensbegleitende Betreuung des einzelnen Patienten erwirbt – vor allem durch
das Wissen um die Familienanamnese, die Arbeitsbedingungen und die sportlichen Aktivitäten –, erlaubt dem Spezialisten, Risikofaktoren zu eruieren. Das gilt in besonderem Maß für die Osteoporose. Die Verantwortung des Orthopäden für die Diagnose und die Therapie der Osteoporose umfasst alle Altersgruppen und beide Geschlechter.
Der Orthopäde wird bei Patienten und Patientinnen mit Osteoporose in zweierlei Hinsicht konfrontiert: 1) Einerseits beim Auftreten
von Frakturen. In diesem Falle führen starke Schmerzen die Betroffenen in die Ordination bzw. Ambulanz. Zum Orthopäden kommen
in erster Linie Patienten mit Wirbelkörperfrakturen. 2) Die schlechtere Knochenqualität bei Personen mit Osteoporose stellt eine Komplikation bei orthopädisch-chirurgischen Operationen dar.
Die häufigsten Lokalisationen für osteoporotische Frakturen sind der distale Radius, das proximale Femur und Wirbelkörper:
FRAKTUREN DES DISTALEN RADIUS
Frakturen des distalen Radius loco typico werden bei postmenopausalen Frauen sehr häufig gesehen, besonders im Winter. Manchmal
reichen schon Bagatelltraumen, z. B. beim Abstützen mit der Hand beim Niedersetzen, aus, um eine Fraktur zu erleiden. Im „Jahrbuch
der Gesundheitsstatistik 2005“ finden sich keine Angaben über die Gesamtanzahl dieser Frakturen. In den meisten Fällen werden
diese Frakturen konservativ mittels Anlegen eines Gipsverbandes behandelt. Die Patienten bleiben mobil und brauchen nicht im Krankenhaus stationär aufgenommen zu werden. Bei komplizierteren Frakturen werden Osteosynthesen durchgeführt. In Österreich waren
dies 2005 für den distalen Radius (MEL 4081) insgesamt 3777, davon 1292 (34,2 %) bei Männern und 2485 (65,8 %) bei Frauen.
FRAKTUREN DES PROXIMALEN FEMUR
Frakturen des proximalen Femur machen nur etwa 20 % der osteoporotischen Frakturen aus, sind aber die schwerwiegendsten und
verursachen für die Gesundheitssysteme die höchsten Kosten. Die meisten dieser Frakturen werden durch einen lateralen Sturz auf den
Trochanter major ausgelöst. Laut „Statistik Austria“ gab es 2005 in Österreich 15.652 Frakturen des proximalen Femur („Schenkelhalsfraktur“, Fraktur der Hüfte“ <S72.0>, „Pertrochantäre Fraktur“ <S72.1>, „Subtrochantäre Fraktur“ <S72.2) bei Menschen über
dem 50. Lebensjahr, davon 24,7 % bei Männern und 75,3 % bei Frauen
Die chirurgische Versorgung erfolgt meist durch Unfallchirurgen oder seltener durch Orthopäden. Dabei werden Schrauben, Platten
oder Nägel verwendet. Das größte Problem bei der chirurgischen Versorgung von proximalen Femurfrakturen besteht im hohen Risiko für das Auftreten von Pseudoarthrosen und Hüftkopfnekrosen. Trotz längerer Operationszeit und höherer Kosten werden in zunehmendem Maße Hemiprothesen oder Totalendoprothesen gewählt, besonders bei pathologischen oder instabilen Frakturen. Für intertrochantäre Frakturen stellt die Implantation von Gleitplattensystemen die Methode der Wahl dar.
Da praktisch alle Frakturen des proximalen Femur chirurgisch versorgt werden, gibt es darüber auch genaue Zahlen im „Jahrbuch der
Gesundheitsstatistik 2005“: Ingesamt wurden Osteosynthesen des proximalen Femur und Hemiprothesen durchgeführt: 11.772, davon
bei Männern 3127 (26,6 %) und bei Frauen 8645 (73,4 %). Davon waren Osteosynthesen des Schenkelhalses (MEL 4236) insgesamt
2172, davon 730 bei Männern (33,6 %) und 1442 bei Frauen (66,4 %), Osteosynthesen von pertrochantären Oberschenkelfrakturen
(MEL 4237) insgesamt 5948, davon 1576 bei Männern (26,5 %) und 4372 bei Frauen (73,5 %) und Teilendoprothesen des Hüftgelenks
(MEL 4252) insgesamt 3652, davon 821 bei Männern (22,5 %) und 2831 bei Frauen (77,5 %).
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Darüber hinaus wurden – allerdings zu einem geringen Prozentsatz wegen Frakturen des proximalen Femur – auch Totalendoprothesen der Hüftgelenke implantiert (MEL 4262) (insgesamt 14.505, davon 5854 bei Männern (40,4 %) und 8651 bei Frauen (59,6 %).
Im Zusammenhang mit Hüftfrakturen sollte unbedingt auch auf die Möglichkeit der mechanischen Protektion der Hüftregion hingewiesen werden. Durch die Platzierung von Schutzelementen an der Lateralseite der Hüfte kann die auf den Femur gerichtete Kraft beim
Stürzen absorbiert werden. Durch das Tragen von Hüftprotektoren können bei einer Tragequote von 100 % die Hälfte der proximalen
Femurfrakturen vermieden werden. Dies konnte auch in klinischen Studien gezeigt werden. Der Hauptnachteil von Hüftprotektoren
(entweder starre Körbchen oder großflächige Schaumstoffauflage) liegt in deren niederen Compliance wegen des Tragekomforts.
Durch die Verwendung neuartiger Materialien in Kombination mit neuem Design kann der Tragekomfort und die Akzeptanz verbessert
werden (z. B. AHIP-Protector®).
WIRBELKÖRPERFRAKTUREN
Im Allgemeinen werden die Auswirkungen von Wirbelkörperfrakturen auf die Gesundheit, die Funktion und die Lebensqualität unterschätzt. Diese Frakturen erhöhen das Risiko für zukünftige Frakturen und die Zunahme der kyphotischen Deformität. Die meisten
Wirbelkörperfrakturen erfordern keine chirurgische Behandlung, außer bei bestimmten Indikationen (Dekompression des Rückenmarks, Wirbelkörperrekonstruktion, Stabilisierung bei neurologischen Komplikationen). Wenn sie erforderlich ist, sollte diese Therapie
in spezialisierten Zentren erfolgen.
Über die genaue Anzahl von Wirbelkörperfrakturen lassen sich keine Angaben machen. Zum einen ist davon auszugehen, dass die
vollständige Erfassung aller Wirbelkörperfrakturen gar nicht gelingt, oftmals werden sie aber auch nicht dokumentiert.
Zur Mobilisierung nach frischer Fraktur werden Stützmieder (für eine beschränkte Zeit) appliziert. Die Orthesen sollten leicht sein und
vom Patienten selbstständig angezogen werden können.
Zur Therapie von akuten Wirbelkörperfrakturen gibt es minimal invasive chirurgische Verfahren, nämlich die Vertebroplastik und die
Ballonkyphoplastik, bei denen Polymethylmethacrylat-Knochenzement in die frakturierten Wirbelkörper injiziert wird. Damit kann eine
Schmerzreduktion und frühere Mobilisierung erzielt werden. Während die Vertebroplastik zu einer In-situ-Stabilisierung des frakturierten Wirbelkörpers führt, vermag die Ballonkyphoplastik eine morphologische Rekonstruktion des Wirbelkörpers herzustellen.
Grundsätzlich ist die Indikationsstellung dieser Maßnahme jedoch an bestimmte Zentren gebunden.
Keine Angaben gibt es auch zu den durchgeführten Vertebroplastiken. Dafür gibt es keine MEL-Nummer. Bekannt ist aber von
Vergleichsstudien in anderen Ländern, dass die Verteilung zwischen Vertebroplastik und Kyphoplastik zirka 3:1 beträgt. Für die Kyphoplastik (MEL 1255) gibt die „Statistik Austria“ für 2005 323 Fälle an. Die Herstellerfirma berichtet von zirka 1300 Kyphoplastiken in
Österreich im Jahre 2006. Aufgrund dieser Zahlen muss man für Österreich deshalb etwa 4000 Vertebroplastiken annehmen. Es ist
jedoch anzumerken, dass diese Operationen erst jüngst eingeführt wurden. Daher ist anzunehmen, dass die Zahlen steigen werden.
DIE OSTEOPOROSE ALS KOMPLIKATION
In der langen Liste der Risikofaktoren für Osteoporose (sekundäre Osteoporose) finden sich auch solche, mit denen Orthopäden
konfrontiert sind. Nämlich die glukokortikoidinduzierte Osteoporose (GIOP) und die chemotherapieinduzierte Osteoporose (CIOP). Das
konnte sowohl beim Mammakarzinom als auch beim Osteosarkom gezeigt werden.
Darüber hinaus leiden viele ältere Patienten an degenerativen Erkrankungen wie Arthrosen. Die gegenwärtig verfügbaren Endoprothesen können vielen Patienten und Patientinnen helfen. Elektive Totalhüft- bzw. Totalknieendoprothesen ermöglichen schmerzfrei längere Mobilität. Die Osteoporose stellt jedoch bei der Implantation von Totalhüft- bzw. Totalknieendoprothesen wegen des rarifizierten
und weichen Knochens eine Komplikation dar. Deshalb müssen oftmals Prothesenteile zementiert implantiert werden. Diese Situation
gibt es auch bei Operationen anderer Gelenke und der Wirbelsäule.
ZUSAMMENFASSUNG
Der Orthopäde betreut Menschen jeden Alters. Hinsichtlich der Osteoporose bedeutet diese Rolle Verantwortung für Diagnose und Therapie. Vor allem die Komplikationen, nämlich Frakturen, und die schlechte Knochenqualität bei der Implantation von Endoprothesen
und Stabilisierungsoperationen der Wirbelsäule bedeuten eine ständige Herausforderung. Dafür stehen entsprechende Methoden und
Implantate zur Auswahl.
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REHABILITATION DER OSTEOPOROSE
Katharina Kerschan-Schindl, Veronika Fialka-Moser
Klinik für Neurochirurgie, Medizinische Universität Wien
Die bei der Osteoporose reduzierte Knochendichte ist symptomlos. Beschwerden treten erst nach einer Fraktur auf. Eine Kohortenstudie von Nevitt et al. (1998), in welche über 7000 Frauen eingeschlossen waren, zeigte die Folgen eines Wirbelkörperbruchs auf. Frauen mit einem Wirbelkörperbruch litten beinahe doppelt so häufig an Rückenschmerzen wie jene, die keine Wirbelkörperbrüche hatten.
Mehr als die Hälfte aller jener Frauen mit mindestens zwei Wirbelkörperbrüchen wurden von Rückenschmerzen geplagt. Es gibt auch
Untersuchungen, die zwar nicht kurzfristig, aber in weiterer Folge eine erhöhte Mortalität beschrieben haben (Cooper et al., 1993;
Center et al., 1999; Ismail et al., 1998; Kado et al., 1999).
Auch wenn die Daten in der Literatur schwanken, ist die Mortalität nach einer Schenkelhalsfraktur bis zu fünffach erhöht (Schürch et
al., 1996). Ein sehr hoher Prozentsatz der Patienten erlangt nicht mehr den gleichen Grad an Selbstständigkeit (Leibson et al., 2002)
und etwa ein Fünftel der Patienten muss anschließend in ein Pflegeheim (Chrischilles et al., 1991; Schürch et al., 1996).
FALLBEISPIEL
Eine 76-jährige Dame hat eine schwere Osteoporose mit multiplen Wirbelkörperfrakturen. Diese bedingen einen Rundrücken, der Rippenbogen berührt den Beckenkamm, es besteht eine muskuläre Insuffizienz (Osteoporosebäuchlein), die neuromuskuläre Funktionsfähigkeit ist beeinträchtigt, ebenso die Beweglichkeit sämtlicher Gelenke und das Gangbild. Dies führt bei der Betroffenen zu Schmerzen, wiederholten Stürzen, Angst, Ermüdbarkeit und Schwäche, natürlich auch zu Einschänkungen der Aktivitäten des täglichen Lebens
und der Anteilnahme am sozialen Leben.
PRÄVENTION
Um diese unangenehmen Folgen zu verhindern, wollen wir Patienten und Patientinnen mit Osteoporose gut therapieren und im Falle
von Frakturen auch gut rehabilitieren. Am besten ist wie immer die Prävention. Diesbezüglich gibt es zwei Angriffspunkte: die neuromuskuläre Funktionsfähigkeit, damit es erst gar nicht zu einem Sturz kommt, und die Knochendichte, denn zumindest die peripheren
Frakturen treten dann auf, wenn die strukturelle Kapazität des Knochens der Krafteinwirkung beim Aufprall nicht standhalten kann.
Neben einer calciumreichen Ernährung ist regelmäßige körperliche Aktivität beziehungsweise gezieltes Training besonders wichtig. In
der Kindheit und Jugend kann so die initiale maximale Knochenmasse gesteigert, später der Knochendichteabbau verlangsamt und im
Alter vor allem das Sturzrisiko gesenkt werden. Dass sich sämtliche Trainingsformen – am meisten aber sicherlich das Krafttraining –
auf die Knochendichte positiv auswirken, unterstreicht eine Arbeit der Cochrane Database Colaboration (Bonaiuti et al., 2002).
REHABILITATION
Ist es aber schon zu Frakturen gekommen, so ist es das Ziel der physikalischen Medizin und Rehabilitation, funktionelle Defizite und
chronische Schmerzen zu vermeiden, Stürze beziehungsweise Frakturen so weit wie möglich zu verhindern und weiters die psychosozialen Faktoren positiv zu beeinflussen.
Rehabilitation von Wirbelkörperfrakturen
In der Akutphase müssen die Schmerzen gelindert werden – medikamentös vor allem durch nichtsteroidale Antirheumatika oder
mittels physikalisch medizinischer Maßnahmen wie Thermo- und Elektrotherapie.
Wirbelkörperfrakturen verstärken die Kyphose im Bereich der Brustwirbelsäule. Durch Kräftigung der Rückenstrecker kann dies zumindest teilweise kompensiert und die Statik verbessert werden. In der Folge reduzieren sich die Schmerzen und das Sturzrisiko. Eine sehr
kleine, aber prospektive Arbeit zeigt, dass das zweistündige Tragen eines „posture training supports“ – eines Rucksacks mit Gewichten auf Höhe der Schulterblätter – bei Patientinnen mit eingeschränkter Sensomotorik innerhalb eines Monats die Balance verbessert
(Sinaki und Lynn, 2002). Ein progressives Training der Rückenstrecker führt bei postmenopausalen Frauen nach zwei Jahren und auch
bei der Zehn-Jahres-Nachuntersuchung zu einer Zunahme der Muskelkraft (Sinaki et al., 1989; Sinaki et al., 2002). Nach zehn Jahren
zeigte sich auch eine positive Entwicklung bei Knochendichte und Anzahl der Wirbelkörperfrakturen (Sinaki et al., 2002). Das regelmäßige Tragen spezieller Orthesen kann durch Verbesserung der Rückenmuskelkraft und durch Abnahme der Schmerzen zu einer
Erleichterung bei der Verrichtung der Aktivitäten des täglichen Lebens führen und sich somit positiv auf die Lebensqualität auswirken
(Pfeifer et al., 2004).
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Längerfristig schmerzhafte Wirbelkörperfrakturen können auch operativ mit einer Kyphoplastie versorgt werden. Dabei wird über eine
Hohlnadel ein Ballon in den Wirbelkörper eingebracht, dieser aufgeblasen und so der Wirbelkörper wieder aufgerichtet, anschließend
wird der Zement eingebracht. Indikationen sind schmerzhafte osteoporotische oder osteolytische Kompressionsfrakturen. Ziel ist die
Reduktion von Schmerz und Kyphose (Heini und Orler, 2004; Grohs et al., 2005) und dadurch bedingt die Verbesserung von Funktion,
Aktivität und Lebensqualität. Komplikationen stellen der Zementaustritt und die Anschlussfraktur dar.
Rehabilitation hüftgelenksnaher Frakturen
Die Rehabilitation hüftgelenksnaher Frakturen ist besonders wichtig, denn selbst sieben Monate nach der Schenkelhalsfraktur ist die
Kraft des Musculus quadriceps noch um 60 % reduziert und die Standunsicherheit doppelt so hoch (Sherrington und Lord, 1998). Diese
Zahlen sind besonders dramatisch, wenn man sich die stark eingeschränkte Fitness älterer Menschen vor Augen führt: In der Altersklasse 70 bis 74 Jahre sind 50 % der Frauen und 15 % der Männer nicht imstande, eine 30 cm hohe Stufe hinaufzusteigen, 80 % der
Frauen und 35 % der Männer können nicht problemlos eine Geschwindigkeit von 5 km/h gehen und ein Drittel der Frauen beziehungsweise ein Viertel der Männer können wegen Bewegungseinschränkungen in den Schultergelenken nicht problemlos ihre Haare
waschen (Young und Dinan, 2005).
Deshalb ist körperliche Aktivität/gezieltes Training ein sehr wichtiger Bestandteil der Rehabilitation. Der Cochrane Database Collaboration (Latham et al., 2003) zufolge besteht eindeutige Evidenz dafür, dass sich ein progressives Krafttraining positiv auf die Kraft und
einige funktionelle Limitationen wie die Gehgeschwindigkeit und das Aufstehen von einem Sessel auswirkt, einen fraglich positiven
Effekt auf das Sturzrisiko, aber keinen Effekt auf komplexe physische Aktivitäten, die Lebensqualität und Schmerz hat.
Ein gezieltes progressives Kraft- und Balancetraining, das sechs bis acht Wochen nach einer Hüftendoprothese begonnen wurde, führte nach drei Monaten, verglichen mit einer Kontrollgruppe, zu einer signifikanten Zunahme der Kraft, der Funktion und der Balance
(Hauer et al., 2002). Eine weitere Arbeit zeigte die positiven Effekte eines progressiven Krafttrainings nach Schenkelhalsfraktur bei
gebrechlichen älteren Personen auf. Nach sechs Monaten verbesserte sich die Funktion im Alltag und die Lebensqualität (Binder et al.,
2005).
Die Sturzrisikoreduktion stellt einen ganz wesentlichen Teil der Sekundärprophylaxe dar. Durch Kraft- und Balancetraining kann – so
es individuell angepasst ist – eine 20%ige Sturzrisikoreduktion erzielt werden. Durch regelmäßige, eventuell auch in der Gruppe ausgeführte Tai-Chi-Übungen ist eine Risikoreduktion um etwa die Hälfte möglich (Gillespie et al., 2003). Regelmäßige körperliche Aktivitäten, vor allem Balanceübungen, haben neben ihrem Benefit auf das Sturzrisiko älterer Personen auch einen positiven Effekt auf
das Hüftfrakturrisiko (Karlsson, 2004).
Um auch im Falle eines Sturzes das Risiko eines Schenkelhalsbruchs möglichst gering zu halten, wird häufig das Tragen von Hüftprotektoren empfohlen. Der Wirkmechanismus basiert auf einer Druckumverteilung der beim Aufprall freigesetzten Energie vom Trochanter in
Richtung umgebende Muskulatur. Ein Problem ist allerdings die eingeschränkte Akzeptanz und Compliance (van Schoor et al., 2002).
ZUSAMMENFASSUNG
Der erste Schritt nach einer Wirbelkörperfraktur ist die Schmerzreduktion, dann die Verbesserung der Haltung und der Balance zur
Sturzrisikoreduktion und natürlich die Einstellung auf osteoporosespezifische Medikamente. Nach der operativen Versorgung einer
hüftgelenksnahen Fraktur stehen die Funktion, die Kraft und das neuerliche Sturzrisiko im Vordergrund. Die medikamentöse Therapie
ist verpflichtend (Tabelle 9.1).
Tabelle 9.1: Osteoporoserehabilitation.
Vertebrale Fraktur
Hüftgelenksnahe Fraktur
Schmerzreduktion
Haltungsverbesserung
Sturzrisikoreduktion
Osteoporosespezifische Medikamente
Funktionsverbesserung
Kraftzunahme
Sturzrisiko-, Frakturrisikoreduktion
Osteoporosespezifische Medikamente
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STURZPRÄVENTION
Die größte klinische, soziale und ökonomische Gefahr bei Osteoporose resultiert aus osteoporotischen Frakturen, denen meist ein Sturz
zugrunde liegt. Deshalb kommt der Sturzprophylaxe im Management der Osteoporose eine entscheidende Bedeutung zu. Im extramuralen Bereich stürzen etwa 30 % der Menschen über 70 Jahre mindestens einmal pro Jahr (Campbell, 1989). Die jährliche Inzidenz
von Stürzen beträgt etwa 50 % bei Personen ab dem 80. Lebensjahr (Golding, 2006). Ein wichtiger Schritt in der Sturzprävention ist
die Identifikation von Risikofaktoren für Stürze. In den Guidelines zur Sturzprävention in der Geriatrie haben die britische und die amerikanische Gesellschaft für Geriatrie durch univariate Analyse folgende Risikofaktoren identifiziert (relatives Risiko bzw. Odds-Ratio in
Klammer):
• Muskuläre Schwäche (4,4)
• Stürze in der Anamnese (3,0)
• Gangstörung (2,9)
• Gleichgewichtsstörung (2,9)
• Benützen von Gehhilfen (2,6)
• Sehstörung (2,5)
• Arthrose (2,4)
• ADL-Defizite (2,3)
• Depression (2,2)
• Kognitive Einschränkung (1,8)
• Alter >80 Jahre (1,7) (American Geriatrics Society, 2001)
Demnach kommt der muskulären Schwäche, bei hochbetagten Menschen meist bedingt durch Muskelabbau (Sarkopenie), eine Schlüsselposition für das Zustandekommen von Stürzen zu und eine Steigerung der muskulären Kraft müsste einen großen Benefit in der
Sturzprävention mit sich bringen. Zu den weiteren vermeidbaren bzw. verminderbaren Risikofaktoren gehören gemäß dieser Analyse
Gang- und Gleichgewichtsstörungen, Sehstörungen und Depressionen.
Ein systematischer Review aller Interventionsstudien, die zum Ziel hatten, Stürze zu verhindern, wurde in Zusammenarbeit mit Cochrane Collaboration of Systematic Reviews durchgeführt. Dabei wurden die Auswirkungen von verschiedenen Sturzpräventionsmodellen in 40 Studien (zwei davon in Langzeitpflegeinstitutionen) untersucht. Der größte Benefit bezüglich Sturzprävention konnte durch
ein kombiniertes Kraft- und Gleichgewichtstraining erzielt werden (drei Studien, 566 Teilnehmer, gepooltes relatives Risiko (RR) 0,80,
95 % Konfidenzintervall: 0,66–0,98) (Gillespie et al., 2001). Auch Gardner et al. untersuchten elf randomisierte, kontrollierte Interventionsstudien zur Sturzprävention mit Personen im Alter von über 60 Jahren. Durch körperliche Betätigung konnte bei fünf dieser
Studien eine signifikante Reduktion der Sturzhäufigkeit verzeichnet werden (Gardner et al., 2000). Eine Metaanalyse mit insgesamt
1016 Personen im Alter von 65–97 Jahren zeigte, dass durch Kraft- und Gleichgewichtstraining eine Risikoreduktion für Stürze von
35 % (Incidence-Rate-Ratio = 0,65 95 % CI = 0,53–0,81) erreicht werden konnte. Den größten Benefit durch das Training hatten Personen im Alter von über 80 Jahren (Robertson et al., 2002).
Neben Kraft- und Gleichgewichtstraining sind weitere evidenzbasierte Maßnahmen zur Sturzprävention die Verwendung von adäquaten Gehhilfen, eine weitgehende Sanierung visueller Defizite, Schulung der Patientinnen und Patienten bezüglich technischer Hilfsmittel und häusliche Optimierungen wie das Achten auf gute Beleuchtung, Beseitigen von Hindernissen und Stolperfallen. Weiters sollten Medikamente, besonders psychotrope Pharmaka, hinsichtlich ihres Nutzens und Risikos bei sturzgefährdeten Patientinnen und
Patienten überdacht werden (American Geriatrics Society, 2001).
In einer australischen Studie wurde bei 1090 Personen im Alter von mindestens 70 Jahren die Effektivität von drei verschiedenen Interventionsmodellen zur Sturzprävention untersucht: körperliches Training in Gruppen, Verbesserungen der Wohnungsbedingungen
(Home Hazard Management) und Ausgleich von Sehdefiziten. Bei der Gruppe mit körperlichem Training war die Inzidenz von Stürzen
am niedrigsten (Rate-Ratio: 0,82). Bei dem Interventionsmodell „Exercise“ zeigte sich, dass lediglich 14 Personen behandelt werden
müssten, um einen Sturz zu verhindern (Number needed to treat: 14). Diese Effektivität konnte durch Kombination aller drei
Interventionsmodelle noch entscheidend verbessert werden (Rate-Ratio: 0,67, Number needed to treat: 7), siehe Tabelle 9.2 (Day et al.
2002).
– 102 –
Tabelle 9.2: Effektivität von Sturzpräventionsmodellen, einzeln und in Kombination. (Day et al., 2002)
– 103 –
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– 105 –
– 106 –
B. STATUS IN ÖSTERREICH
– 107 –
– 108 –
10. EPIDEMIOLOGIE ÖSTERREICH
ZUSAMMENFASSUNG
Die epidemiologischen Daten zu Osteoporose in Österreich sind sehr dürftig und beruhen meist auf Schätzungen oder Berechnungen
auf Basis von Krankenhausentlassungsstatistiken sowie Verschreibungen von Osteoporosemedikamenten und -therapien. Genauer
sind die Daten bezüglich Frakturen, da diese häufiger in Krankenhäusern versorgt werden und somit besser dokumentiert sind. Nimmt
man die aktuellsten Prävelenzzahlen von Deutschland und berechnet diese für Österreich, so sind etwa 740.000 der über 50Jährigen
von Osteoporose betroffen, davon rund 617.000 Frauen. Anderen Schätzungen zufolge haben in Österreich etwa 470.000 Frauen über
50 Jahren eine Osteoporose. Eine Sonderauswertung der Krankenhausentlassungen aus dem Jahr 2005 zeigte, dass in diesem Jahr
1382-mal Männer und 8080-mal Frauen mit der Hauptdiagnose Osteoporose aus österreichischen Krankenhäusern entlassen worden
waren. Hinzu kommen noch 9711 männliche und 54.840 weibliche Fälle, bei denen Osteoporose als Nebendiagnose bei der Krankenhausentlassung dokumentiert wurde. Am häufigsten waren Patientinnen und Patienten aufgrund einer Osteoporose in den Bundesländern Wien, Steiermark und Kärnten im Spital und am seltensten in den Bundesländern Tirol und Vorarlberg (unabhängig von der
Altersstruktur der Bundesländer). Die mittlere Krankenhausaufenthaltsdauer aufgrund von Osteoporose mit pathologischer Fraktur
betrug bei Männern 13,4 Tage und bei Frauen 13,6 Tage. Bei Osteoporose ohne pathologische Fraktur waren es 4,8 Tage bei den Männern und 6,3 Tage bei den Frauen. Nach neueren EU-Daten erleiden in Österreich jährlich rund 16.500 Personen eine hüftgelenksnahe Fraktur. Laut Spitalsentlassungsstatistik wurden im Jahr 2004 5243 männliche und 12.551 weibliche Fälle mit der Hauptdiagnose
Oberschenkelfraktur entlassen. Schätzungen der Europäischen Union zufolge beträgt die Inzidenz von Hüftfrakturen im Zusammenhang mit Osteoporose in Österreich 19,70/10.000 Einwohner pro Jahr. Die Prävalenz von vertebralen Frakturen in Österreich wird von
der EU je nach Altersgruppe auf 1580 bis 3080/10.000 Einwohner bei den Männern und auf 858 bis 5330/10.000 Einwohner bei den
Frauen geschätzt.
10. EPIDEMIOLOGY AUSTRIA
SUMMARY
Epidemiological data on osteoporosis in Austria are scanty and mainly based on estimates or calculations determined from hospital
discharge statistics. More specific are data regarding fractures, since these are more frequently treated in hospital and are therefore
better documented. Taking the current prevalence figures for Germany and factoring them for Austria, then it can be estimated that
approximately 740 000 of over 50 year olds are affected by osteoporosis, of whom around 617 000 are women. Further estimates
claim that around 470 000 women over 50 years in Austria have osteoporosis. A special analysis of the hospital discharge statistics
from 2005 showed that in that year men were discharged from Austria hospitals with the main diagnosis osteoporosis 1382 times and
women 8080 time. Added to this 9711 male cases and 54 840 females cases were documented with osteoporosis as a secondary diagnosis at hospital discharge. Patients were more frequently in hospital due to osteoporosis in the federal states of Vienna, Styria and
Carinthia and least frequently in the Tyrol and Vorarlberg (independent of the age structure within the federal state itself). The mean
duration of hospital stay due to osteoporosis with a pathological fracture was 13.4 days for men and 13.6 days for the women. For
osteoporosis without a pathological fracture this was 4.8 days for the men and 6.3 days for the women. According to more recent EU
data around 16 500 people per year in Austria sustain a fracture around the hip joint. Hospital discharge statistics from 2004 recorded 5243 male and 12 551 female discharges with the main diagnosis femoral fracture. The EU estimates incidence of hip fractures
related to osteoporosis in Austria at 19.70/10 000 inhabitants per year. The prevalence of vertebral fractures in Austria is estimated
by the EU according to age group, at 1580 to 3080/10 000 inhabitants for men and 858 to 5330/10 000 inhabitants for women.
– 109 –
10. EPIDEMIOLOGIE ÖSTERREICH
Die epidemiologischen Daten zu Osteoporose in Österreich sind sehr dürftig und beruhen meist auf Schätzungen oder Berechnungen
auf Basis von Krankenhausentlassungsstatistiken und Verschreibungsdaten.
Nimmt man die aktuellsten Prävelenzzahlen der deutschen Bevölkerung – die der österreichischen demographisch sehr ähnlich ist –
her und berechnet diese für Österreich, so ergibt sich eine geschätzte Zahl von rund 740.000 der über 50Jährigen die von Osteoporose betroffen sind, davon rund 617.000 Frauen (eigene Berechnungen basierend auf Haussler et al, 2007).
Anderen Schätzungen zufolge erkrankt in Österreich jede dritte Frau und jeder sechste Mann im Laufe seines Lebens an Osteoporose
(Bröll, 2006). Basiered auf einer Schätzung mit der Annahme, dass die Prävalenz von Osteoporose 30 % beträgt, haben in Österreich
etwa 470.000 Frauen über 50 Jahren eine Osteoporose. Lediglich etwa 200.000 Frauen über 50 Jahren befinden sich in Österreich
wegen einer Osteoporose in ärztlicher Behandlung (Bröll et al, 2007).
Nach anderen Expertenmeinungen leiden in Österreich etwa 600.000 bis 700.000 Personen an Osteoporose oder haben ein hohes
Osteoporoserisiko und etwa zwei Drittel der Frauen im Alter von über 80 Jahren leiden an Osteoporose (Resch, 2006).
KRANKENHAUSENTLASSUNGEN 2005 MIT DER DIAGNOSE OSTEOPOROSE
Für diesen Bericht wurden Daten einer Recherche der Statistik Austria bezüglich Häufigkeit von Osteoporose in österreichischen Krankenhäusern als Diagnose bei Spitalsentlassungen herangezogen. In der Spitalsentlassungsstatistik werden alle Erkrankungsfälle erfasst,
die in einer österreichischen Krankenanstalt stationär behandelt wurden und ihren Wohnsitz in Österreich haben. Erfasst werden
Individualdaten wie Geschlecht, Alter, Bundesland des Hauptwohnsitzes, die ICD-Codes (International Classification of Diseases) der
Hauptdiagnose und der Nebendiagnosen. Zur Codierung der Daten wird die 10. Auflage der International Classification of Diseases
(ICD-10) verwendet. Diese erfassten Individualdaten werden anonymisiert über die Landesfonds und das Bundesministerium für
Gesundheit und Frauen auf den Hauptrechner ISIS (Integrated Statistical Information System) bei der Statistik Austria transferiert.
Die Spitalsentlassungsstatistik gibt die Zahl der stationär versorgten Erkrankungsfälle, nicht der versorgten Personen wieder. Patientinnen und Patienten, die mehrfach in österreichischen Krankenhäusern stationär versorgt wurden, finden sich auch mehrfach in der
Spitalsentlassungsstatistik wieder. Aus diesem Grund wird im Folgenden von Entlassungsfällen und nicht von Patientinnen und Patienten
gesprochen.
Für die vorliegende Analyse wurden alle Fälle mit der Hauptdiagnose und der Nebendiagnose Osteoporose (ICD-10 M80-M82) auf
Viersteller-Subkategorieebene für Männer und Frauen in jedem Bundesland des Hauptwohnsitzes für jede Altersgruppe in Fünfjahresschritten für das Jahr 2005 bei Statistik Austria erhoben. In diesem Bericht wurde bei den erhobenen Diagnosen die Anzahl an Fällen
im Jahr 2005 in Österreich als Absolutzahl dargestellt. Um diese Zahlen in Relation zur Bevölkerung zu setzen, wurde die Anzahl an
Fällen durch die Bevölkerungszahl (Quelle: Statistik Austria, 2007a) dividiert und als Spitalsentlassungsintensität (Fälle/100.000 Einwohner) dargestellt.
Um die einzelnen Bundesländer miteinander zu vergleichen, wurden die Spitalsentlassungszahlen, bezogen auf Einwohner in den einzelnen Bundesländern, altersstandardisiert. Das bedeutet, die Spitalsentlassungen auf 100.000 Personen wurden multipliziert (gewichtet)
mit der Altersstruktur der Standardbevölkerung und aufsummiert über alle Altersgruppen. Die standardisierte Intensität gibt an, wie
viele Spitalsentlassungen auf 100.000 Personen entfallen wären, wenn der Altersaufbau der Bevölkerung dem der Standardbevölkerung
entsprochen hätte. Der vergleichsstörende Einfluss der Besonderheiten des jeweiligen Altersaufbaus ist dadurch ausgeschaltet. Als
Standardbevölkerung diente die österreichische Gesamtbevölkerung des Jahres 2005 (Quelle: Statistik Austria, 2007a).
Schließlich wurden die Fälle mit der Haupt- oder Nebendiagnose Osteoporose als Anteil an allen Spitalsentlassungen des Jahres 2005
(Quelle: Statistik Austria, 2007a) angegeben.
– 110 –
KRANKENHAUSENTLASSUNGEN MIT DER HAUPTODER NEBENDIAGNOSE OSTEOPOROSE
Im Jahr 2005 wurden aus österreichischen Krankenhäusern 1382-mal Männer und 8080-mal Frauen mit der Hauptdiagnose Osteoporose entlassen. Hinzu kommen noch 9711 männliche und 54.840 weibliche Fälle, bei denen Osteoporose als Nebendiagnose bei der
Krankenhausentlassung dokumentiert wurde. Bezogen auf die Bevölkerung, ergibt das eine Krankenhausentlassungsintensität für
Osteoporose als Haupt- oder Nebendiagnose von 277/100.000 Einwohner bei den Männern und 1487/100.000 Einwohner bei den
Frauen.
Von allen männlichen Fällen, die im Jahr 2005 in Österreichs Krankenhäusern stationär aufgenommen waren, war Osteoporose bei
0,95 % entweder als Haupt- oder Nebendiagnose dokumentiert. Bei den weiblichen Fällen waren es 4,48 % aller Krankenhausentlassungen. Bei 0,12 % der männlichen und bei 0,58 % der weiblichen Krankenhausfälle war Osteoporose die Entlassungshauptdiagnose.
Wie aus den Tabellen 10.1a+b hervorgeht, war die häufigste Osteoporoseform „Osteoporose ohne pathologische Fraktur“ (1101
männliche und 6523 weibliche Fälle als Haupt- und 8651 männliche und 48.962 weibliche Fälle als Nebendiagnose). Von der Diagnose
„Osteoporose mit pathologischer Fraktur“ waren 280 männliche und 1550 weibliche Fälle in der Hauptdiagnose und 1000 männliche
und 5729 weibliche Fälle in der Nebendiagnose betroffen. Mit der Diagnose „Osteoporose bei andernorts klassifizierten Krankheiten“
als Hauptdiagnose wurden im Jahr 2005 1 männlicher und 7 weibliche Fälle entlassen und als Nebendiagnose 60 männliche und 149
weibliche Fälle.
Tabelle 10.1a: Anzahl an männlichen Patienten mit Osteoporose als Haupt- oder Nebendiagnose bei Entlassung nach stationärem
Krankenhausaufenthalt in Österreich 2005. (Eigene Berechnungen nach: Statistik Austria)
– 111 –
Tabelle 10.1b: Anzahl an weiblichen Patientinnen mit Osteoporose als Haupt- oder Nebendiagnose bei Entlassung nach stationärem
Krankenhausaufenthalt in Österreich 2005. (Eigene Berechnungen nach: Statistik Austria)
Für die Haupt- und Nebendiagnosen „Osteoporose mit“ oder „ohne pathologische Frakturen“ betrug das Geschlechtsverhältnis Männer:Frauen 1:5,7. Für „Osteoporose bei andernorts klassifizierten Krankheiten“ betrug das Verhältnis 1:2,6. Von der Diagnose „Osteoporose nach Ovarektomie“ waren bis auf zwei Ausnahmen, bei denen es sich offensichtlich um einen Codierungsfehler handelt, ausschließlich Frauen betroffen. Deutlich ausgeprägt war der geschlechtsspezifische Unterschied bei der Diagnose „postmenopausale
Osteoporose mit pathologischer Fraktur“, von der 93 Männer und 2065 Frauen betroffen waren, und bei der Diagnose „postmenopausale Osteoporose ohne pathologische Fraktur“, von der 232 Männer und 7856 Frauen betroffen waren. Das Geschlechtsverhältnis
Frauen:Männer betrug bei der Diagnose „idiopathische Osteoporose“ etwa 1:3 und bei den Diagnosen „Inaktivitätsosteoporose“,
„arzneimittelinduzierte Osteoporose“, „Osteoporose infolge Malabsorption nach chirurgischem Eingriff“, „lokalisierte Osteoporose“,
„Osteoporose bei Plasmozytom“ und „Osteoporose bei endokrinen Störungen“ etwa 1:2.
Im Bundesländervergleich zeigten sich deutliche Unterschiede. Es ist jedoch unklar, ob diese tatsächlich verschiedene Prävalenzen
widerspiegeln oder ob hier beispielsweise Unterschiede im Bewusstsein von Osteoporose als codierungsbedürftiger Nebendiagnose
eine Rolle spielen. Osteoporose wurde als Hauptdiagnose sowohl bei Männern als auch bei Frauen am häufigsten in Wien bei der
Entlassung dokumentiert. Die altersstandardisierten Intensitäten betrugen in Wien 89,9/100.000 Einwohner bei den Männern und
449,9/100.000 Einwohner bei den Frauen. Am seltensten wurde Osteoporose als Hauptentlassungsdiagnose bei Personen aus den
Bundesländern Salzburg, Tirol und Vorarlberg dokumentiert. Die altersstandardisierten Intensitäten betrugen bei den Männern 12,7,
12,5 und 14,8/100.000 Einwohner und bei den Frauen 111,5, 100,9 und 65,9/100.000 Einwohner in den Bundesländern Salzburg, Tirol
und Vorarlberg (siehe Tabellen 10.2a+b).
Als Haupt- oder Nebendiagnose wurde Osteoporose bei Männern am häufigsten in den Bundesländern Steiermark, Wien, Salzburg,
Kärnten und Oberösterreich bei Spitalsentlassungen dokumentiert. In diesen Bundesländern war Osteoporose bei 1,16, 1,14, 1,07,
0,97 bzw. 0,96 % der Krankenhausfälle dokumentiert. Auch bei den Frauen wurde die Diagnose Osteoporose am häufigsten in diesen
fünf Bundesländern gestellt. Die Anteile an allen Krankenhausfällen betrugen 5,37, 5,32, 5,29, 4,35 bzw. 4,04 % in den Bundesländern Wien, Kärnten, Steiermark, Oberösterreich und Salzburg. In den Bundesländern Vorarlberg und Tirol war die Diagnose Osteoporose am seltensten dokumentiert. In Vorarlberg wurden 0,47 % der männlichen und 2,08 % der weiblichen Krankenhausfälle mit
Osteoporose in der Haupt- oder Nebendiagnose entlassen und in Tirol betrug dieser Anteil 0,67 % bzw. 3,00 % (siehe Abbildungen
10.1a+b).
– 112 –
Abbildung 10.1a: Spitalsentlassungen von männlichen Fällen mit Osteoporose als Haupt- oder Nebendiagnose als Anteil an allen
Krankenhausentlassungen nach Bundesland. (Eigene Berechnungen nach: Statistik Austria)
Abbildung 10.1b: Spitalsentlassungen von weiblichen Fällen mit Osteoporose als Haupt- oder Nebendiagnose als Anteil an allen
Krankenhausentlassungen nach Bundesland. (Eigene Berechnungen nach: Statistik Austria)
Tabelle 10.2a: Krankenhausentlassungen männlicher Patienten mit Osteoporose (ICD-10 M80-M82) in Österreich 2005 nach
Bundesland, pro 100.000 Einwohner, pro 100.000 Einwohner altersstandardisiert (a. s.)* und als Anteil an Krankenhausentlassungen
insgesamt. (Eigene Berechnungen nach: Statistik Austria)
– 113 –
Tabelle 10.2b: Krankenhausentlassungen weiblicher Patientinnen mit Osteoporose (ICD-10 M80-M82) in Österreich 2005 nach
Bundesland, pro 100.000 Einwohner, pro 100.000 Einwohner altersstandardisiert (a. s.)* und als Anteil an Krankenhausentlassungen
insgesamt. (Eigene Berechnungen nach: Statistik Austria)
Die Häufigkeit von Osteoporose als Hauptdiagnose stieg bei den Männern mit steigender Altersgruppe und erreichte, bezogen auf
Einwohner der jeweiligen Altersgruppe, einen Gipfel bei den 85–89-Jährigen. In dieser Altersgruppe betrug die Krankenhausentlassungsintensität 301,52/100.000 Einwohner und es waren 0,38 % aller männlichen Krankenhausfälle aufgrund von Osteoporose
im Spital (siehe Tabelle 10.3a und Abbildung 10.2).
Bezüglich der Nebendiagnose zeigte sich ein etwas anderes Bild. Auch hier nahmen die Krankenhausentlassungsintensitäten mit
steigender Altersgruppe zu. Ein Altersgipfel wurde jedoch erst bei den über 95-Jährigen erreicht. Die Intensität betrug in dieser Altersgruppe 19.087,84/100.000 Einwohner (siehe Tabelle 10.3a und Abbildung 10.3). Diese Unterschiede in den Altersgipfeln zwischen
Haupt- und Nebendiagnosen dürften darauf zurückzuführen sein, dass mit höherem Lebensalter die Wahrscheinlichkeit eines
Krankenhausaufenthalts aufgrund einer anderen Diagnose als Osteoporose steigt und Osteoporose als Zufalls- oder Nebenbefund bei
der Entlassung dokumentiert wird. In der Altersgruppe der über 94-Jährigen wurden von allen männlichen Krankenhausfällen 17,99 %
mit Osteoporose als Haupt- oder Nebendiagnose entlassen.
Tabelle 10.3a: Krankenhausentlassungen männlicher Patienten mit Osteoporose (ICD-10 M80-M82) in Österreich 2005 nach
Altersgruppen, pro 100.000 Einwohner und als Anteil an Krankenhausentlassungen dieser Altersgruppe insgesamt. (Eigene
Berechnungen nach: Statistik Austria)
– 114 –
Auch bei den Frauen stieg die Häufigkeit von Osteoporose als Hauptdiagnose mit steigender Altersgruppe und erreichte auch hier,
bezogen auf Einwohner der jeweiligen Altersgruppe, einen Gipfel bei den 80–84-Jährigen bzw. den 85–89-Jährigen. In diesen Altersgruppen betrugen die Krankenhausentlassungsintensitäten 1122 bzw. 1160/100.000 Einwohner. In diesen beiden Altersgruppen waren
1,28 bzw. 1,25 % aller weiblichen Krankenhausfälle aufgrund von Osteoporose im Spital (siehe Tabelle 10.3b und Abbildung 10.2).
Auch bei den Nebendiagnosen nahmen die Krankenhausentlassungsintensitäten mit steigender Altersgruppe zu und erreichten einen
Altersgipfel bei den 85–89-Jährigen. Die Krankenhausentlassungsintensität als Nebendiagnose betrug in dieser Altersgruppe
9871/100.000 Einwohner (siehe Tabelle 10.3b und Abbildung 10.3). In der Altersgruppe der 85–89-Jährigen wurden von allen weiblichen Krankenhausfällen 11,92 % mit Osteoporose als Haupt- oder Nebendiagnose entlassen.
Bei den Nebendiagnosen „Osteoporose ohne pathologische Fraktur“ zeigte sich bei den Mädchen der Altersgruppe der 5–9-Jährigen
ein bemerkenswerter zweiter Altersgipfel. In dieser Altersgruppe wurden häufig Mädchen mit den Nebendiagnosen „idiopathische
Osteoporose“ (83 Fälle), „lokalisierte Osteoporose“ (80 Fälle), „arzneimittelinduzierte Osteoporose“ (76 Fälle) und „Osteoporose
infolge Malabsorption nach chirurgischem Eingriff“ (39 Fälle) entlassen.
Tabelle 10.3b: Krankenhausentlassungen weiblicher Patientinnen mit Osteoporose (ICD-10 M80-M82) in Österreich 2005 nach
Altersgruppen, pro 100.000 Einwohner und als Anteil an Krankenhausentlassungen dieser Altersgruppe insgesamt. (Eigene
Berechnungen nach: Statistik Austria)
– 115 –
Abbildung 10.2: Spitalsentlassungen mit der Hauptdiagnose Osteoporose (ICD-10 M80-M82) in Österreich 2005 nach Geschlecht
und Altersgruppen pro 100.000 Einwohner. (Eigene Berechnungen nach: Statistik Austria)
Abbildung 10.3: Spitalsentlassungen mit der Nebendiagnose Osteoporose (ICD-10 M80-M82) in Österreich 2005 nach Geschlecht
und Altersgruppen pro 100.000 Einwohner. (Eigene Berechnungen nach: Statistik Austria)
Abbildung 10.4: Spitalsentlassungen mit der Haupt- oder Nebendiagnose Osteoporose (ICD-10 M80-M82) in Österreich 2005 nach
Geschlecht und Altersgruppen pro 100.000 Einwohner. (Eigene Berechnungen nach: Statistik Austria)
– 116 –
Abbildung 10.5: Spitalsentlassungen mit der Haupt- oder Nebendiagnose Osteoporose mit pathologischer Fraktur (ICD-10 M80) in
Österreich 2005 nach Geschlecht und Altersgruppen pro 100.000 Einwohner. (Eigene Berechnungen nach: Statistik Austria)
Abbildung 10.6: Spitalsentlassungen mit der Haupt- oder Nebendiagnose Osteoporose ohne pathologische Fraktur (ICD-10 M81) in
Österreich 2005 nach Geschlecht und Altersgruppen pro 100.000 Einwohner. (Eigene Berechnungen nach: Statistik Austria)
Abbildung 10.7: Spitalsentlassungen mit der Haupt- oder Nebendiagnose Osteoporose bei anderenorts klass. Krankheiten (ICD-10
M82) in Österreich 2005 nach Geschlecht und Altersgruppen pro 100.000 Einwohner. (Eigene Berechnungen nach: Statistik Austria)
– 117 –
Im Jahr 2005 wurden in Österreich insgesamt 1.166.970 männliche und 1.404.479 weibliche Fälle in Krankenhäusern (alle Diagnosen)
dokumentiert. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer betrug 8,0 Tage, sowohl bei den Männern als auch bei den Frauen (Statistik Austria, 2007b). Bei der Hauptdiagnose Osteoporose lag die mittlere Krankenhausaufenthaltsdauer deutlich darunter, bei den Männern
bei 6,5 und bei den Frauen bei 7,6 Tagen.
Die mittlere Krankenhausaufenthaltsdauer aufgrund von Osteoporose mit pathologischer Fraktur war allerdings deutlich länger und
betrug bei den Männern 13,4 und bei den Frauen 13,6 Tage. Aufgrund von Osteoporose ohne pathologische Frakturen waren Männer
im Mittel 4,8 und Frauen im Mittel 6,3 Tage im Krankenhaus. Die Diagnose Osteoporose bei andernorts klassifizierten Krankheiten
erforderte bei Männern einen durchschnittlichen Krankenhausaufenthalt von 3,0 und bei Frauen von 1,7 Tagen (siehe Tabelle 10.4).
Tabelle 10.4: Mittlere Krankenhausaufenthaltsdauer von Patientinnen und Patienten mit Osteoporose als Hauptdiagnose bei
Entlassung nach stationärem Krankenhausaufenthalt in Österreich 2005. (Eigene Berechnungen nach: Statistik Austria)
In der Krankenhausaufenthaltsdauer aufgrund von Osteoporose gab es deutliche Unterschiede zwischen den einzelnen Bundesländern. Am längsten waren Patientinnen und Patienten in Salzburg aufgrund einer Osteoporose im Spital. Die durchschnittliche
Krankenhausaufenthaltsdauer betrug hier 11,6 Tage bei den Männern und 11,8 Tage bei den Frauen. In Kärnten betrug die mittlere
Verweildauer im Krankenhaus aufgrund einer Osteoporose 10,6 Tage bei den Männern und 9,1 Tage bei den Frauen und in Oberösterreich 10,2 Tage bei den Männern und 10,0 Tage bei den Frauen.
Am kürzesten wurden Patientinnen und Patienten aufgrund einer Osteoporose aus den östlichen Bundesländern hospitalisiert. Die
mittlere Krankenhausaufenthaltsdauer mit der Hauptdiagnose Osteoporose betrug im Burgenland 6,7 Tage bei den Männern und 5,7
Tage bei den Frauen, in Wien 5,1 Tage bei den Männern und 6,8 Tage bei den Frauen und in Niederösterreich 5,8 Tage bei den Männern und 7,1 Tage bei den Frauen (siehe Abbildungen 10.8a+b).
– 118 –
Abbildung 10.8a: Mittlere Krankenhausaufenthaltsdauer von männlichen Fällen mit Osteoporose als Hauptdiagnose nach
Bundesland. (Eigene Berechnungen nach: Statistik Austria)
Abbildung 10.8b: Mittlere Krankenhausaufenthaltsdauer von weiblichen Fällen mit Osteoporose als Hauptdiagnose nach
Bundesland. (Eigene Berechnungen nach: Statistik Austria)
Die mittlere Krankenhausaufenthaltsdauer aufgrund einer Osteoporose stieg generell mit steigender Altersgruppe an. Während sowohl
bei Männern als auch bei Frauen der Spitalsaufenthalt aufgrund einer Osteoporose mit pathologischer Fraktur bei den Jüngeren deutlich
länger dauerte als aufgrund einer Osteoporose ohne pathologische Fraktur, war bei den höheren Altersgruppen dieser Unterschied
nicht mehr so stark ausgeprägt. Die Aufenthaltsdauer aufgrund von Osteoporose variierte zwischen einem Tag und 99 Tagen bei einem
unter 5-jährigen Mädchen mit der Diagnose „sonstige Osteoporose mit pathologischer Fraktur“ (siehe Tabellen 10.5a+b sowie Abbildung
10.9).
– 119 –
Tabelle 10.5a: Mittlere Krankenhausaufenthaltsdauer von männlichen Patienten mit Osteoporose (ICD-10 M80-M82)
als Hauptdiagnose in Österreich 2005 nach Altersgruppen. (Eigene Berechnungen nach: Statistik Austria)
Tabelle 10.5b: Mittlere Krankenhausaufenthaltsdauer von weiblichen Patienten mit Osteoporose (ICD-10 M80-M82)
als Hauptdiagnose in Österreich 2005 nach Altersgruppen. (Eigene Berechnungen nach: Statistik Austria)
– 120 –
Abbildung 10.9: Mittlere Krankenhausaufenthaltsdauer mit der Hauptdiagnose Osteoporose (ICD-10 M80-M82) in Österreich 2005
nach Geschlecht und Altersgruppen pro 100.000 Einwohner. (Eigene Berechnungen nach: Statistik Austria)
EPIDEMIOLOGIE VON OSTEOPOROTISCHEN FRAKTUREN IN
ÖSTERREICH
Gemäß Spitalsentlassungsstatistik von Statistik Austria wurden im Jahr 2004 5243 männliche und 12.551 weibliche Fälle mit der
Hauptdiagnose „Fraktur des Femur“ (ICD-10 S72) entlassen. 58 % der männlichen und 89 % der weiblichen Fälle betrafen Personen
im Alter von 65 Jahren und älter. Die mittlere Krankenhausaufenthaltsdauer mit dieser Diagnose betrug 16,4 Tage bei den Männern
und 18,4 Tage bei den Frauen (Statistik Austria, 2007c). Bei diesen Daten ist nicht ersichtlich, ob ein Zusammenhang der Frakturen mit
Osteoporose besteht oder Traumata unabhängig von Osteoporose zu der Fraktur geführt haben.
In einer älteren österreichischen Studie wurde die „Inzidenz“ osteoporoseassoziierter Schenkelhalsfrakturen berechnet, indem die
Krankenhausentlassungen aus öffentlichen Spitälern und von Unfallkrankenhäusern mit der ICD-9-codierten Diagnose „Hüftfraktur“
(ICD-9: 829) in der Haupt- oder in den ersten drei Nebendiagnosen im Jahr 1995 erhoben wurden. Um osteoporosespezifische Zahlen
zu bekommen, wurde – basierend auf geschlechtsspezifischen Regressionsmodellen – zunächst eine nichtosteoporosespezifische
„Grundinzidenz“ für Schenkelhalsfrakturen für die Altersgruppe der 20–39-Jährigen bestimmt und dann der Anteil der auf Osteoporose zurückzuführenden Schenkelhalsfrakturen als Differenz zwischen der „Grundinzidenz“ und der „nichtosteoporosespezifischen
Inzidenz“ errechnet.
In dieser Studie wurden für das Jahr 1995 insgesamt 14.468 Fälle in österreichischen Spitälern mit der Diagnose Hüftfraktur erhoben.
Von diesen waren 11.379 Fälle (79 %) durch Osteoporose verursacht. 82 % der osteoporosespezifischen Hüftfrakturen betrafen Frauen. Die „Inzidenz“ osteoporotischer Hüftfrakturen stieg bei beiden Geschlechtern mit dem Alter an, ab dem 80. Lebensjahr steil. Die
Häufigkeit osteoporosebedingter Hüftfrakturen erreichte das Maximum bei den über 95-jährigen Frauen mit 3000/100.000 Einwohner
und bei den 90–94-jährigen Männern mit 1743/100.000 Einwohner (siehe Abbildung 10.10) (Köck et al., 2001).
– 121 –
Abbildung 10.10: Intensitäten (hier als „Incidence/100.000“ bezeichnet) von Hüftfrakturen und nichtosteoporosebedingten
Hüftfrakturen („Basic Incidence“) in österreichischen Krankenhäusern im Jahr 1995. Die Differenz zwischen beiden Intensitäten
bildet die Intensität für osteoporosebedingte Hüftfrakturen. (Köck et al., 2001)
MÄNNER
FRAUEN
Die mittlere Dauer des Krankenhausaufenthalts mit osteoporosebedingten Hüftfrakturen betrug 22 Tage. Bei den Frauen betrug die
durchschnittliche Aufenthaltsdauer zwischen 8,5 Tagen in der Altersgruppe der 40–44-Jährigen und 27 Tagen bei den 75–79-Jährigen.
Bei den Männern betrug die durchschnittliche Aufenthaltsdauer zwischen 19 Tagen bei den 40–44-Jährigen und 23 Tagen bei den 80–
84-Jährigen (Köck et al., 2001).
Die EU hat Daten für Österreich zu Inzidenz von Hüftfrakturen und zu Prävalenz von vertebralen Frakturen in Zusammenhang mit
Osteoporose veröffentlicht (European Commission, 1998). Diese Daten stammen aus dem Jahr 1996 (siehe Tabelle 10.1). Bei diesen
Daten handelt es sich allerdings lediglich um Schätzungen auf Basis von Inzidenz- und Prävalenzstudien aus anderen europäischen
Ländern.
Die Prävalenz von vertebralen Frakturen beträgt gemäß den Schätzungen der EU je nach Altersgruppe zwischen 1580 und 3080/10.000
Einwohner bei den Männern und zwischen 858 und 5330/10.000 Einwohner bei den Frauen. Männer in den jüngeren Altersgruppen
zeigten eine deutlich höhere Prävalenz an vertebralen Frakturen als Frauen, im höheren Alter – ab zirka 75 Jahren – erleiden deutlich
mehr Frauen als Männer eine vertebrale Fraktur. Bei den Hüftfrakturen ist die Inzidenz bei Frauen und Männern bis zum 60. Lebensjahr nicht sehr unterschiedlich, jedoch ist ab diesem Alter die Inzidenz bei Frauen deutlich höher als bei Männern, wobei die Kluft mit
voranschreitendem Alter immer größer wird (Tabelle 10.6).
Tabelle 10.6: Prävalenz von vertebralen Frakturen und Inzidenz von Hüftfrakturen im Zusammenhang mit Osteoporose 1996 nach
Alter und Geschlecht, Fälle pro 10.000 Einwohner. (European Commission, 1998)
– 122 –
Neuere europäische Daten (European Parliament Osteoporosis Interest Group, 2004) zeigen, dass in Österreich jährlich rund 16.500
Personen eine hüftgelenksnahe Fraktur erleiden. Mit einer Frakturrate von 19,7 hüftgelenksnahen Frakturen pro Jahr, bezogen auf
10.000 Einwohner und Einwohnerinnen über dem 65. Lebensjahr, liegt Österreich damit im europäischen Spitzenfeld (dritter Platz hinter Schweden und der Slowakei; siehe Kapitel „Epidemiologie international“).
OSTEOPOROSE MORTALITÄT IN ÖSTERREICH
In der 2001 publizierten Auswertung der österreichischen Krankenhausdaten aus 1995 wurde gezeigt, dass von den Fällen mit osteoporotischen Hüftfrakturen 6,8 % (778 Personen) im Krankenhaus verstarben. Von den über 95-jährigen Männern verstarben 24 % im
Krankenhaus und von den Frauen dieser Altersgruppe verstarben 19 % (Köck et al., 2001). Jüngere Daten aus 2004 zeigten, dass von
den Krankenhausfällen mit der Hauptdiagnose „Fraktur des Femur“ noch im Krankenhaus 199 Männer (3,8 % der männlichen Fälle)
und 403 Frauen verstarben (3,2 % der weiblichen Fälle) (Statistik Austria, 2007c).
– 123 –
LITERATUR
BRÖLL, H, RESCH H, PIETSCHMANN P, SIEGHART S, DOBNIG H, ERLACHER L, FINKENSTEDT G, HOLZER G, PECHERSTORFER M, PIRICH C. Konsensus-Statement:
Therapie der postmenopausalen Osteoporose – Anwendungsbereiche von parenteralen Bisphosphonaten. Journal für Mineralstoffwechsel 2006; 13
(Sonderheft2), 3-6.
BRÖLL H, RESCH H, PIETSCHMANN P, ET AL. Konsensus-Statement: Therapie der postmenopausalen Osteoporose – Anwendungsbereiche von parenteralen Bisphosphonaten. J Miner Stoffwechs 1/2007.
EUROPEAN PARLIAMENT OSTEOPOROSIS INTEREST GROUP AND EU OSTEOPOROSIS CONSULTATION PANEL. Osteoporosis in Europe: Indicators of progress.
2004.
KOECK CM, SCHWAPPACH DL, NIEMANN FM, STRASSMANN TJ, EBNER H, KLAUSHOFER K. Incidence and costs of osteoporosis-associated hip fractures in Austria. Wien Klin Wochenschr. 2001 May 15;113(10):371-7.
RESCH H. www.osteoporose.co.at – fundierte Informationen über Osteoporose. http://www.osteoporose.co.at/haeufigkeit.html, accessed Jul. 31th, 2007.
STATISTIK AUSTRIA. Statistisches Jahrbuch 2007. Wien, 2007a. http://www.statistik.at/ web_de/services/stat_jahrbuch/ index.html accessed Jul. 31th, 2007.
STATISTIK AUSTRIA. Wien, 2007b. http://www.statistik.at/web_de/statistiken/gesundheit/ stationaere_aufenthalte/spitalsentlassungen_gesamt/index.html
accessed Jul. 31th, 2007.
STATISTIK AUSTRIA. Jahrbuch der Gesundheitsstatistik 2005. Wien, 2007c.
http://www.statistik.at/web_de/dynamic/services/publikationen/4/publdetail?id=4&listid=4&detail=294 accesses Aug.8th, 2007.
– 124 –
11. STATUS LEBENSSTILFAKTOREN
ZUSAMMENFASSUNG
Die Calciumaufnahme ist relativ gut bei Österreichs Vorschulkindern (3–6 Jahre), jedoch liegt hier die durchschnittliche Aufnahme
trotzdem knapp unter den Empfehlungen. Bei älteren Kindern und Jugendlichen ist die Aufnahme dieses für den Knochen wichtigen
Nährstoffs im Mittel deutlich unter den Empfehlungen. Erwachsene Männer haben im Durchschnitt eine ausreichende Aufnahme an
Calcium, allerdings ist sie bei den Frauen durchschnittlich viel zu gering. Bei den Senioren ist die Situation besonders drastisch; hier
liegen allerdings die Männer wesentlich weiter unter der empfohlenen Aufnahme als Frauen. Die Vitamin-D-Aufnahme liegt im Mittel
bei allen Altersgruppen deutlich unter den Empfehlungen. Hier ist die Situation bei alten Menschen, aber auch bei Kindern und Jugendlichen besonders drastisch. Positiv ist zu vermerken, dass der Verbrauch an Milchprodukten bzw. auch an Fisch – den Hauptlieferanten von Calcium bzw. Vitamin D – während der letzten vier Dekaden anstieg. Der Vitamin-D-Status ist bei Österreichs Erwachsenen
nicht zufriedenstellend und liegt im Durchschnitt im insuffizienten Bereich. Mehr als ein Viertel aller untersuchten Personen wies eine
deutliche Unterversorgung bzw. eine schwerste Defizienz auf.
Die Prävalenz von Untergewicht, einem Risikofaktor für Osteoporose, ist in Österreich relativ gering, sie ist allerdings bei älteren
Menschen ein nicht zu unterschätzendes Problem.
Die körperliche Aktivität scheint in Österreich immer mehr abzunehmen, was auch in Hinsicht auf Osteoporose kein wünschenswerter
Trend ist. Kinder und Jugendliche verbringen immer mehr Stunden vor dem Computer oder Fernseher. Verbrachten österreichische
Schüler 1991/92 noch 76 Minuten/Tag vor dem Fernseher und 16 Minuten/Tag vor dem Computer, so waren es 1998 148 bzw. 90
Minuten/Tag. Bei Wiener Jugendlichen zeichnete sich ein ähnliches Bild ab. Auch Erwachsene waren relativ wenig körperlich aktiv. Im
europäischen Vergleich liegen wir unter dem EU-Durchschnitt.
Das Rauchverhalten zeigt in Österreich nach wie vor einen nicht wünschenswerten Trend. Immer mehr Österreicher greifen zur
Zigarette, was sich negativ auf die Knochengesundheit auswirkt. Vor allem bei den Jugendlichen ist der Anteil der Raucher hoch.
11. STATUS LIFESTYLE FACTORS
SUMMARY
Calcium intake is relatively good in Austrian pre-schoolers (3-6 years), however the average intake is nevertheless lower than the
recommended value. For older children and adolescents the average intake of this important bone mineral is markedly below the
recommendations. Adult men have, on average, sufficient intake of calcium, however the average intake for women is much too low.
Amongst seniors the situation is particularly drastic; here intake for men falls much further below recommendations than for women.
Vitamin D intake is distinctly lower than the recommended intake for all age groups. Here too the situation is particularly drastic, not
only amongst the elderly, but also amongst children and adolescents. On a positive note the consumption of dairy products and also
fish, the main suppliers of calcium and vitamin D, has risen over the past 4 decades. The vitamin D status amongst Austria’s adult
population is not satisfactory and lies, on average, in the insufficient range. More than a quarter of all those investigated exhibited
an inadequate supply or severe deficiency of this vitamin.
The prevalence of underweight, a risk factor of osteoporosis, is relatively low in Austria, although it should not be underestimated as
a problem amongst older people.
Amount of physical activity undertaken appears to be ever decreasing in Austria, which, in connection with osteoporosis, is not a desirable trend. Children and adolescents are spending more and more time in front of the television or computer. In 1991/92 Austrian
children spent 76 minutes per day in front of the television and 16 minutes per day in front of the computer by comparison in 1998
this rose to 148 and 90 minutes respectively. Viennese youth painted a similar picture. Adults too were relatively inactive. European
comparison shows Austria as lying below the EU average.
In terms of smoking Austria still shows an undesirable trend. More and more Austrians are reaching for the cigarette, which in turn
has a negative effect on bone health. Above all amongst adolescents the proportion of smokers is high.
– 125 –
11. STATUS LEBENSSTILFAKTOREN
ERNÄHRUNGSSTATUS UND ERNÄHRUNGSVERHALTEN DER
ÖSTERREICHER IN HINBLICK AUF KNOCHENGESUNDHEIT UND
OSTEOPOROSE
Wie bereits im Kapitel „Lebensstilfaktoren“ beschrieben, spielt die Ernährung eines Menschen eine wesentliche Rolle für die
Knochengesundheit und somit in der Entwicklung von Osteoporose. Als wichtigste Einflussfaktoren wurden hierbei Calcium, Vitamin
D sowie Milch und Milchprodukte, Obst und Gemüse, aber auch andere Nährstoffe beschrieben. In diesem Kapitel sollen die wichtigsten Daten zum Ernährungsstatus der österreichischen Bevölkerung in Hinblick auf die Knochengesundheit präsentiert werden. Als
Hauptquellen werden Daten vom Department für Ernährungswissenschaften der Universität Wien, die unter anderem im Österreichischen
Ernährungsbericht 2003 und im Wiener Ernährungsbericht 2004 veröffentlicht wurden, verwendet.
Im Folgenden wird auf der Nährstoffebene hauptsächlich auf Vitamin D, Calcium, Kalium und Magnesium eingegangen. Zu Natrium
und Phosphor, die im Knochenmetabolismus ebenfalls eine Rolle spielen, gibt es in Österreich keine Aufnahmedaten. Verzehrsdaten
von für die Knochengesundheit wichtigen Lebensmitteln werden in diesem Kapitel – wenn vorhanden – ebenfalls präsentiert.
WICHTIGE HINWEISE ZU REFERENZWERTEN FÜR DIE NÄHRSTOFFZUFUHR
Um Daten zur Nährstoffaufnahme richtig interpretieren zu können, ist es wichtig zu wissen, was bei der Verwendung von Referenzwerten zu beachten ist. Die Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr von DACH – aber auch die meisten anderen – sind gemäß ihrer
Definition so gestaltet, dass fast alle Personen (nahezu 98 %) einer definierten Gruppe der gesunden Bevölkerung bei Einhaltung der
Empfehlungen ausreichend versorgt sind. Eine tägliche Nährstoffzufuhr in Höhe der Empfehlungen macht eine unzureichende Versorgung
sehr unwahrscheinlich. Es ist wichtig zu betonen, dass eine Unterschreitung der empfohlenen Zufuhr nicht zwangsläufig eine Unterversorgung bedeutet, sie erhöht lediglich die Wahrscheinlichkeit für eine unzureichende Versorgung. Die Empfehlungen beziehen sich
ausschließlich auf gesunde Personen (DACH, 2000). Vor dem Hintergrund der von DACH definierten Referenzwerte ist es anzustreben,
diese Empfehlungen zu erreichen, um die Wahrscheinlichkeit einer Unterversorgung gering zu halten. Man kann jedoch bei einer
Unterschreitung nicht automatisch von einer allgemeinen Unterversorgung ausgehen. Allerdings steigt wie erwähnt die Wahrscheinlichkeit der Unterversorgung und wohl auch der Prozentsatz an Personen, die tatsächlich unterversorgt sind.
– 126 –
ERNÄHRUNGSSTATUS VON KINDERN UND JUGENDLICHEN
Vorschulkinder (3–6 Jahre)
Die durchschnittliche Vitamin-D-Aufnahme bei den österreichischen Vorschulkindern liegt deutlich unter der in den DACH-Referenzwerten empfohlenen Menge von 5 µg/Tag (Abbildung 11.1; DACH, 2000). Die Referenzwerte für Calcium wurden in dieser Altersgruppe
teilweise erreicht. So hatten im Durchschnitt Buben aus Westösterreich und Vorschulkinder beiderlei Geschlechts aus Nordostösterreich eine ausreichende Zufuhr an diesem für die Knochenentwicklung wichtigen Nährstoff. In den übrigen Regionen war die
Aufnahme im Durchschnitt als eher kritisch zu betrachten, vor allem bei den Buben aus dem Südosten Österreichs war die Zufuhr sehr
gering. Die Versorgung mit Magnesium in dieser Altersgruppe war sehr gut und auch bei Kalium lagen nur die Buben aus dem
Südosten Österreichs im Mittel leicht unter den Empfehlungen (Elmadfa et al., 2003).
Abbildung 11.1: Abweichung (in %) der mittleren täglichen Zufuhr an Magnesium, Kalium, Calcium und Vitamin D von den
DACH-Referenzwerten bei österreichischen Vorschulkindern (3–6 J.). (Elmadfa et al., 2003)
Vergleicht man die durchschnittliche Aufnahme von ausgewählten Lebensmitteln mit den wünschenswerten Lebensmittelverzehrsmengen der „optimierten Mischkost“ (OptimiX; Alexy & Kersting, 1999), so zeigt sich, dass die Versorgung mit ausgewählten und für
die Knochengesundheit relevanten Lebensmitteln zum Teil deutlich unter den Empfehlungen lagen. Vor allem die Aufnahme von
Gemüse bei Vorschulkindern war sehr gering. Aber auch Fisch und Eier, die beide wichtige Lieferanten für Vitamin D sind, sowie Milch
und Milchprodukte wurden nicht in ausreichendem Maße verzehrt (Tabelle 11.1).
Tabelle 11.1: Vergleich der wünschenswerten Lebensmittelverzehrsmengen (optimierte Mischkost) mit tatsächlichen Verzehrsdaten
bei österreichischen Vorschulkindern (3–6 J.). (Elmadfa et al., 2003)
– 127 –
Schulkinder (7–14 Jahre)
Die Daten in Tabelle 11.2 zeigen ein deutliches Ost-West-Gefälle in der Aufnahme von den für die Knochengesundheit relevanten
Nährstoffen Vitamin D, Calcium, Kalium und Magnesium.
Tabelle 11.2: Nährstoffaufnahme (MW±SD) bei österreichischen Schulkindern (7–14 J.), getrennt nach Geschlecht,
Altersgruppe und Region. (Elmadfa et al., 2003; Elmadfa et al., 2004)
Diese geringere Nährstoffaufnahme bei den Schülern im Westen Österreichs dürfte aber hauptsächlich auf eine geringere Energieaufnahme zurückzuführen sein.
Wie bei den Vorschulkindern lag vor allem die Vitamin-D-Aufnahme deutlich unter der empfohlenen Menge und musste daher als
unzureichend bewertet werden. Auch die Calciumaufnahme lag sowohl bei den Burschen als auch bei den Mädchen weiter unter der
empfohlenen Menge als bei den Vorschulkindern. Lag bei den 3–6-Jährigen die Zufuhr an Magnesium noch weit über der empfohlenen
Aufnahme, so sieht das im Gegensatz dazu bei den Schülern anders aus. Hier wurden die Empfehlungen nicht immer erreicht. Mit
steigender Altersgruppe steigen die Referenzwerte für Kinder. Jedoch schien die Aufnahme an diesem Mineralstoff nicht in vergleichbarem Maße zu steigen, sondern blieb eher auf einem ähnlichen Niveau.
Die durchschnittliche Kaliumaufnahme lag im Großen und Ganzen über den Empfehlungen und wurde nur von den 10–12-jährigen
Burschen und den 13–14-jährigen Mädchen aus Westösterreich unterschritten (Elmadfa et al., 2003; Elmadfa et al., 2004).
– 128 –
Lehrlinge und AHS-Schüler (15–18 Jahre)
Wie bei Kindern ist auch bei Jugendlichen für die Knochengesundheit vor allem eine ausreichende Zufuhr an Calcium und Vitamin D
von großer Bedeutung, zumal in dieser Lebensphase das Knochenwachstum noch anhält und die Peak Bone Mass noch nicht erreicht
ist. Jedoch scheinen die österreichischen Lehrlinge und auch die Wiener Lehrlinge und AHS-Schüler im Durchschnitt nicht ausreichend
mit diesen beiden wichtigen Nährstoffen versorgt zu sein (Abbildung 11.2a+2b). Vor allem die durchschnittliche Vitamin-D-Zufuhr lag
bei den untersuchten Jugendlichen sehr weit unter den von DACH ausgesprochenen Empfehlungen, wobei die Wiener AHS-Schüler
noch besser versorgt zu sein schienen als die Wiener Lehrlinge und vor allem auch die Lehrlinge aus den Bundesländern. Dieser Trend
konnte sowohl bei den jungen Frauen als auch bei den jungen Männern festgestellt werden. Diese niedrigen Aufnahmen an Vitamin
D werden sehr gut durch den durchschnittlich niedrigen Vitamin-D-Status bei den Wiener Lehrlingen reflektiert (Elmadfa et al., 2004).
Auch bei der Calciumaufnahme zeigten die männlichen Lehrlinge aus ganz Österreich deutlich geringere Aufnahmen als jene aus Wien.
Am besten schienen wieder die männlichen, aber auch die weiblichen AHS-Schüler versorgt zu sein. Bei den weiblichen Lehrlingen
konnte kein Unterschied bei der Calciumaufnahme zwischen jenen aus Wien und jenen aus den Bundesländern festgestellt werden.
Abbildung 11.2a: Abweichung (in %) der mittleren täglichen Zufuhr an Magnesium, Kalium, Calcium und Vitamin D von den DACHReferenzwerten bei männlichen Lehrlingen und AHS-Schülern (15–18 J.) aus Wien (W) und Österreich (Ö). (Elmadfa et al., 2003;
Elmadfa et al., 2004)
Abbildung 11.2b: Abweichung (in %) der mittleren täglichen Zufuhr an Magnesium, Kalium, Calcium und Vitamin D von den DACHReferenzwerten bei weiblichen Lehrlingen und AHS-Schülern (15–18 J.) aus Wien (W) und Österreich (Ö). (Elmadfa et al., 2003;
Elmadfa et al., 2004)
– 129 –
Die niedrige Aufnahme an Calcium spiegelt sich im Calciumstatus der Wiener Lehrlinge wider. Bei nur 13,6 % der untersuchten Mädchen
und 26,7 % der untersuchten Jungen wurde eine optimale Calciumausscheidung von 2,5 mmol/d festgestellt. Diese Resultate wurden
durch eine weitere Auswertung der Calciumaufnahme bekräftigt, nach welcher nur 27,1 % der Wiener Lehrlinge eine Calciumaufnahme
von mindestens 1000–1200 mg erreichten (Elmadfa et al., 2004).
Die Kaliumaufnahme war sowohl bei den Lehrlingen als auch bei den AHS-Schülern im Durchschnitt höher als die Referenzwerte.
Lediglich bei den weiblichen Lehrlingen aus Wien lag die durchschnittliche Aufnahme unter der Empfehlung, was allerdings nicht weiter
als kritisch zu bewerten ist.
Anders als bei den Kindern lagen die untersuchten Lehrlinge und Schüler im Jugendalter bei der Magnesiumaufnahme durchwegs
deutlich unter der empfohlenen Zufuhr. Daher ist auch die Magnesiumversorgung als kritisch zu beurteilen.
Jene Lebensmittel, die für die Knochengesundheit von großer Bedeutung sind, wurden von den untersuchten österreichischen
Lehrlingen in viel zu geringem Ausmaß konsumiert (Tabelle 11.3). Es muss zwar berücksichtigt werden, dass sich die untersuchten
Lehrlinge aus den Bundesländern zur Zeit der Ernährungsbehebung aufgrund des Besuchs der Berufsschule in einem Lehrlingsheim in
Wien aufhielten – das heißt, die Ernährungsweise könnte in dieser Zeit etwas anders als normalerweise gewesen sein –, jedoch ist die
Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass sich die Lehrlinge auch außerhalb der Berufsschulzeit ungünstig ernähren.
Die Aufnahme von Milch und Milchprodukten deckte nur etwa 39 % des für diese Altersgruppe erwünschten Bedarfs. Fisch und Eier
– zwei wichtige Vitamin-D-Lieferanten – wurden auch in zu geringem Maße verzehrt. Auch die Aufnahme von Obst und Gemüse war
viel zu gering.
Tabelle 11.3: Vergleich der wünschenswerten Lebensmittelverzehrsmengen (optimierte Mischkost) mit tatsächlichen Verzehrsdaten
bei österreichischen Lehrlingen (15–18 J.). (Elmadfa et al., 2003)
Erwachsene (19–65 Jahre)
Die Vitamin-D-Aufnahme bei den österreichischen, aber auch bei den Wiener Erwachsenen scheint deutlich höher zu sein als jene der
Jugendlichen. Die Zufuhr stieg außerdem mit zunehmendem Alter. Das ist ein wünschenswerter Trend, da der Bedarf an Vitamin D aus
der Nahrung mit dem Alter steigt. Männer hatten durchschnittlich höhere Aufnahmen an diesem für den Knochen wichtigen Vitamin,
jedoch könnte das mit der generell höheren Energieaufnahme von Männern zu begründen sein.
Die durchschnittliche Versorgung mit Calcium war bei den männlichen Erwachsenen – sowohl österreichweit als auch in Wien – relativ
gut: entweder knapp über oder knapp unter den Empfehlungen. Die Calciumaufnahme bei den Frauen war grundsätzlich niedriger als
die der Männer, sie lag im Durchschnitt deutlich unter den Empfehlungen. Grundsätzlich wäre die Calciumaufnahme bei den erwachsenen Frauen sowohl in ganz Österreich als auch in Wien verbesserungswürdig.
Im Durchschnitt dürften die österreichischen und Wiener Erwachsenen mit Kalium sehr gut versorgt sein, aber auch die Versorgung
mit Magnesium ist relativ gut (Abbildung 11.3).
– 130 –
Abbildung 11.3: Abweichung (in %) der mittleren täglichen Zufuhr an Magnesium, Kalium, Calcium und Vitamin D von den DACHReferenzwerten bei Erwachsenen (19–≥65 J.) aus Wien (W) und Österreich (Ö). (Elmadfa et al., 2003; Elmadfa et al., 2004)
Senioren
Für Senioren sind Daten zur Nährstoffaufnahme nur für Wien verfügbar. Die Vitamin-D-Aufnahme war insgesamt vergleichbar mit jener
der österreichischen und Wiener Erwachsenen. Jedoch gelten für Senioren andere Empfehlungen. Personen ab 65 Jahren sollten
mindestens 10 µg Vitamin D pro Tag zu sich nehmen, da der Bedarf im Alter unter anderem aufgrund erniedrigter Eigensynthese erhöht
ist (DACH, 2000). Bei den Männern war bei den über 74-Jährigen eine geringere Aufnahme an Vitamin D zu beobachten als bei jenen
im Alter von 55–74 Jahren. Bei den untersuchten älteren Frauen war die Aufnahme bei den 65–74-Jährigen am höchsten, lag aber
auch hier weit unter den Empfehlungen der DACH-Referenzwerte (Tabelle 11.4).
Tabelle 11.4: Nährstoffaufnahme (MW±SD) bei Wiener Senioren (55–>84 J.), getrennt nach Geschlecht. (Elmadfa et al., 2003)
Betrachtet man die Vitamin-D-Aufnahme auf Basis der Lebenssituation der untersuchten Personen, so sieht man bei Männern, die in
Privathaushalten leben, eine deutlich höhere Zufuhr als bei jenen in Pensionistenwohnheimen. Bei Frauen hingegen war kaum ein
Unterschied zu erkennen. Jedoch ist möglicherweise eine niedrige Vitamin-D-Aufnahme bei in Pensionistenwohnheimen lebenden
Senioren kritischer, da diese häufig weniger an die Sonne kommen als jene, die in Privathaushalten leben, und daher die Vitamin-DSynthese in der Haut viel geringer ausfällt. Dies spiegelt sich in den Statusdaten wider: Heimbewohner wiesen im Durchschnitt signifikant niedrigere Werte im Plasma auf als jene Senioren, die zu Hause lebten. Es konnte außerdem eine Altersabhängigkeit beobachtet
werden, wobei sich der Status mit zunehmendem Alter signifikant verschlechterte (Elmadfa et al., 2004). Es muss jedoch angemerkt
werden, dass die Personen aus den Altersheimen ein deutlich höheres mittleres Alter aufwiesen als jene untersuchten Senioren, die in
Privathaushalten lebten. Dies könnte zu einem erheblichen Teil den Unterschied zwischen Heimbewohnern und in Privathaushalten
lebenden Senioren erklären.
Die Calciumversorgung lag bei den Untersuchten in allen Altersgruppen ebenfalls – sowohl bei in Pensionistenwohnheimen als auch
bei in Privathaushalten lebenden Senioren – unter der empfohlenen Zufuhr. In Abbildung 11.4 ist deutlich zu sehen, dass zwischen
Männern und Frauen aus Pensionistenwohnheimen ein deutlicher Unterschied in der Aufnahme zu beobachten war, bei jenen aus
Privathaushalten jedoch nicht.
– 131 –
Der Calciumstatus war bei etwa 17 % des Gesamtkollektivs leicht erniedrigt, wobei Frauen durchschnittlich signifikant bessere Messwerte aufwiesen als Männer (Elmadfa et al., 2004). Bei Kalium hingegen wiesen 36 % des Kollektivs einen leicht erniedrigten Status
auf und auch hier waren Frauen signifikant besser versorgt. Dem steht allerdings gegenüber, dass die Aufnahmedaten im Durchschnitt
über der empfohlenen Zufuhr lagen, und zwar bei Männern und Frauen, sowohl aus Privathaushalten als auch aus Pensionistenwohnheimen.
Die Magnesiumaufnahme lag im Durchschnitt im gesamten Kollektiv unter den Empfehlungen, wobei die Aufnahme bei den Männern
deutlicher von den DACH-Referenzwerten abwich als bei den Frauen. Am niedrigsten war die Aufnahme bei den männlichen Heimbewohnern. Ein erniedrigter Magnesiumstatus wurde bei 15 % der untersuchten Probanden festgestellt (Elmadfa et al., 2004).
Abbildung 11.4: Abweichung (in %) der mittleren täglichen Zufuhr an Magnesium, Kalium, Calcium und Vitamin D von den
DACH-Referenzwerten bei Wiener Senioren (55–>84 J.), aufgeteilt nach Lebenssituation (Pensionistenwohnheim/PWH oder
Privathaushalt/PHH). (Elmadfa et al., 2003)
Tabelle 11.5 zeigt, dass die Aufnahme von tierischem Protein in Form von Fleisch und Wurst sehr hoch war und weit über der empfohlenen Menge lag, wohingegen die Aufnahme von Gemüse sehr niedrig war. Auch die Zufuhr von Fisch und Obst lag unter den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE), Milch und Milchprodukte wurden jedoch in ausreichendem Maße konsumiert (Elmadfa et al., 2004).
Tabelle 11.5: Vergleich von wünschenswerten Lebensmittelverzehrsmengen mit tatsächlichen Verzehrsdaten (Mittelwert) bei Wiener
Senioren. (Elmadfa et al., 2004)
– 132 –
Schwangere
In einer 2001 an schwangeren Frauen aus dem Raum Wien, Tirol und Oberösterreich durchgeführten Studie wurde gezeigt, dass die
durchschnittliche Aufnahme von Vitamin D in dieser Gruppe ebenfalls deutlich unter den Empfehlungen der DACH-Referenzwerte lag.
Im Wiener Ernährungsbericht wurden die Daten der Wienerinnen noch einmal neu berechnet, und zwar in Hinblick auf Schulbildung
(Abbildung 11.5; Elmadfa et al., 2004). Hier zeigte sich, dass jene schwangeren Frauen, die die Pflichtschule absolviert hatten, niedrigere
Aufnahmewerte an Vitamin D hatten, verglichen mit jenen, die eine höhere Schule absolviert oder eine Universität bzw. Hochschule
besucht hatten.
Die durchschnittliche Calciumaufnahme lag, verteilt auf die Altersgruppen, durchgehend unter den Empfehlungen. Die Wiener
Schwangeren, die eine Universität oder Hochschule besucht hatten, waren die Einzigen, die über der empfohlenen Aufnahme von
1000 mg/Tag lagen.
Die Kaliumversorgung war im Durchschnitt bei den schwangeren Frauen aller Altersklassen und egal welcher Schulbildung ausreichend. Die Magnesiumaufnahme lag nur bei den Schwangeren, die die Pflichtschule absolviert hatten, leicht unter der empfohlenen
Zufuhr. Die höheren Aufnahmen an Kalium und Magnesium bei den Frauen mit höherer Schulbildung lassen auf einen höheren Obstund Gemüsekonsum schließen.
Abbildung 11.5: Abweichung (in %) der mittleren täglichen Zufuhr an Magnesium, Kalium, Calcium und Vitamin D von den DACHReferenzwerten bei Schwangeren aus dem Raum Wien (<25–45 J.), aufgeteilt nach Schulbildung. (Elmadfa et al., 2004)
Betrachtet man die Lebensmittelzufuhr bei Wiener Schwangeren, so zeigten Frauen, die eine Pflichtschule absolviert hatten, insgesamt
ein deutlich ungünstigeres Ernährungsverhalten als jene, die nach der Pflichtschule eine höhere Schule oder eine Universität/Hochschule besucht hatten (Tabelle 11.6). Die Gemüseaufnahme in dieser Gruppe war sehr gering im Vergleich zu den Schwangeren mit
höherer Bildung, wohingegen der Fleischkonsum in dieser Gruppe als zu hoch zu bewerten ist. Der Verzehr von Obst war viel zu gering
bei Frauen mit Pflichtschulabschluss, aber auch bei jenen mit Universitäts- bzw. Hochschulabschluss. Frauen, die eine höhere Schule
absolviert hatten, hatten eine relativ hohe Aufnahme an Obst. In der Gruppe der Frauen mit der geringsten Schulbildung wurde die
niedrigste Aufnahme an Fisch beobachtet, aber auch bei Frauen mit höherer Schulbildung war die Fischaufnahme zu gering. Bei jenen
Frauen, die eine Universität oder Hochschule besucht hatten, entsprach die Aufnahme von Fisch in etwa den Empfehlungen. Die
schwangeren Wiener Frauen aus der untersten Bildungsschicht schienen eine ausreichende Aufnahme an Milch und Milchprodukten
zu haben. Dass ihre Calciumaufnahme trotzdem unter den Empfehlungen lag, ist wohl auf den geringen Konsum von calciumreichen
Gemüsearten zurückzuführen.
Tabelle 11.6: Vergleich von wünschenswerten Lebensmittelverzehrsmengen mit tatsächlichen Verzehrsdaten (Mittelwert)
bei Wiener Schwangeren. (Elmadfa et al., 2004)
– 133 –
Stillende
Die Nährstoffaufnahme der Stillenden wurde nur als mittlere Aufnahme pro Megajoule aufgenommener Energie dargestellt, ein direkter
Vergleich mit den anderen Personengruppen ist daher schwierig. Die Daten sind außerdem nicht aktuell, sondern stammen von einer
1994/1995 durchgeführten Untersuchung. Es konnte jedoch bei den stillenden Frauen ebenfalls eine zu geringe Aufnahme an Vitamin
D beobachtet werden. Die Calciumversorgung schien hingegen ausreichend, vergleicht man sie mit der von DACH empfohlenen Menge
pro Megajoule. Auch die Magnesiumaufnahme schien ausreichend zu sein. Für Kalium waren keine Daten verfügbar (Tabelle 11.7).
Tabelle 11.7: Nährstoffaufnahme (MW±SD) bei Stillenden, getrennt nach Stillperiode. (Elmadfa et al., 2003)
Hobbysportler
Österreichs Hobbysportler schienen keine höhere Vitamin-D-Aufnahme aufzuweisen als der durchschnittliche Erwachsene (Tabelle
11.8). Vor allem die Mannschaftssportler hatten eine sehr geringe Aufnahme an diesem für den Knochen wichtigen Vitamin, sowohl
bei Frauen als auch bei Männern. Die höchsten Aufnahmen zeigten die Einzelsportler, wobei die männlichen Einzelsportler nur 10 %
unter den Empfehlungen lagen. Geht man davon aus, dass vor allem Einzelsportler, aber auch viele Mannschaftssportler sich aufgrund
ihrer Aktivitäten vermehrt im Freien und somit in der Sonne aufhalten, kann man annehmen, dass deren körpereigene Synthese relativ hoch ist. Trotzdem sollten vor allem die Mannschaftssportler, aber auch jene aus Turnvereinen und Fitnesscentern die Aufnahme an
Vitamin D steigern.
Tabelle 11.8: Nährstoffaufnahme (MW±SD) bei Hobbysportlern aus Ostösterreich, getrennt nach Geschlecht und Sportkategorie.
(Elmadfa et al., 2003)
Neben der Vitamin-D-Aufnahme ist auch die Aufnahme von Calcium bei den Hobbysportlern vergleichbar mit jener der österreichischen
Erwachsenen: Sie ist ebenfalls eindeutig verbesserungswürdig.
Die Kaliumaufnahme schien sowohl bei den männlichen als auch bei den weiblichen Hobbysportlern ausreichend zu sein. Die
Magnesiumaufnahme lag vor allem bei Sportlern, die in Turnvereinen und Fitnesscentern trainierten, unter den Empfehlungen.
– 134 –
ENTWICKLUNG DES VERBRAUCHS VON AUSGEWÄHLTEN LEBENSMITTELGRUPPEN IN
DER EUROPÄISCHEN UNION UND IN ÖSTERREICH
Die Food Balance Sheets der FAO (Food and Agriculture Organization of the United Nations) sind jährlich durchgeführte Agrarstatistiken,
die für die meisten Länder der Welt verfügbar sind. Diese Statistiken werden meist in statistischen Ämtern des jeweiligen Landes
erstellt (in Österreich Statistik Austria) und von der FAO gesammelt und vereinheitlicht. Der Lebensmittelverbrauch einer Bevölkerung
wird auf Basis von Produktion, Import, Export und Veränderungen im Lebensmittelvorrat berechnet und ist für die meisten Länder ab
1961 verfügbar. Daher sind sie sehr gut geeignet, um Trends im Ernährungsverhalten zu beobachten. Es muss hier allerdings beachtet
werden, dass Lebensmittelverbrauchsdaten nicht dem tatsächlichen Verzehr entsprechen – der Verbrauch liegt meist deutlich höher
als der Verzehr –, da z. B. Haushaltsabfälle nicht berücksichtigt werden können. Aber sie geben einen guten Überblick über positive
und negative Entwicklungen in einem Land.
Milch und Milchprodukte sind in unserer Ernährung wichtige Calciumlieferanten. Deshalb ist es als sehr positiv zu bewerten, dass der
Verbrauch dieser Lebensmittelgruppe in Österreich während der letzten vier Dekaden einen steigenden Trend zeigte. War der Pro-KopfVerbrauch der Österreicher 1961 noch 219 kg pro Jahr, so lag er 2001 bereits bei 291 kg. Österreich lag und liegt damit über dem EUDurchschnitt (Abbildung 11.6; Elmadfa & Weichselbaum, 2005).
Es ist wichtig zu erwähnen, dass es sich hier nicht nur um abgepackte Milch und handelsübliche Milchprodukte wie Käse, Joghurt,
Buttermilch etc. handelt, sondern auch die Milch, die in anderen Produkten wie Backwaren, Schokolade usw. verarbeitet wurde, zum
gesamten Milchverbrauch hinzugezählt wurde. Empfehlungen zum Konsum von Milch und Milchprodukten beziehen sich jedoch ausschließlich auf die handelsüblichen Milchprodukte.
Abbildung 11.6: Entwicklung des Verbrauchs an Milch und Milchprodukten (exkl. Butter) in Österreich und der EU (EU-15), 1961–
2001. (FAO, 2004)
Fisch und Meeresfrüchte enthalten zum Teil beachtliche Mengen an dem für die Knochengesundheit so wichtigen Vitamin D. Vor allem
in fettreichen Fischen wie Makrele, Hering und Lachs sind große Mengen an diesem Vitamin enthalten. Österreich ist ein Binnenland
mit einem dafür typisch niedrigen Verbrauch an dieser Lebensmittelgruppe. Im EU-Vergleich (EU-15) zeigt sich, dass der Verbrauch in
Österreich 2001 mit etwa 14,5 kg pro Kopf und Jahr nur etwa halb so hoch war wie jener in der EU (26,2 kg). Jedoch hat sich der Verbrauch in Österreich seit 1961 beinahe verdoppelt (von 8,6 kg auf 14,5 kg). Dieser Trend konnte auch in der gesamten Europäischen
Union (EU-15) beobachtet werden. Hier stieg der durchschnittliche Verbrauch von 17,4 kg auf 26,2 kg pro Einwohner und Jahr. Österreich lag gemeinsam mit Deutschland an vorletzter Stelle (Abbildung 11.7; Elmadfa & Weichselbaum, 2005).
– 135 –
Abbildung 11.7: Entwicklung des Verbrauchs an Fisch und Meeresfrüchten in Österreich und der EU (EU-15), 1961–2001. (FAO, 2004)
Die Aufnahme von Obst und Gemüse dürfte laut aktuellen Studien auch mit der Knochengesundheit in einem positiven Zusammenhang stehen. Der Obstverbrauch in Österreich lag während der letzten vier Dekaden beinahe immer über dem EU-Durchschnitt (EU15) und weist eine leichte Abnahme auf. In der EU insgesamt ist jedoch der Verbrauch an Obst 2001 deutlich höher als noch vor 40
Jahren (114 vs. 71 kg) (Elmadfa & Weichselbaum, 2005).
Der Verbrauch von Gemüse ist in Österreich deutlich niedriger als der von Obst. Die Empfehlungen zur Gemüseaufnahme der DGE
(Deutsche Gesellschaft für Ernährung) zum Beispiel sind jedoch höher als jene für die Obstaufnahme. Im EU-Vergleich lag 2001 der
Gemüseverbrauch in Österreich (99 kg pro Person und Jahr) im Durchschnitt unter jenem der EU (126 kg, EU-15). Positiv zu vermerken ist der steigende Trend im Verbrauch sowohl in Österreich als auch EU-weit. Der aktuelle Verbrauch (271 g pro Person pro Tag) in
Österreich reicht nicht aus, um die Empfehlung der DGE von 400 g Gemüse pro Tag zu erreichen, zumal es sich bei den Empfehlungen
um Gemüseaufnahme handelt (d. h., was von einer Person tatsächlich verzehrt wird) und diese generell deutlich unter dem Verbrauch
liegt (Elmadfa & Weichselbaum, 2005).
– 136 –
ENTWICKLUNG DES VERBRAUCHS VON CALCIUM UND VITAMIN D
IN DER EUROPÄISCHEN UNION UND IN ÖSTERREICH
Am Department für Ernährungswissenschaften der Universität Wien wurden die Verbrauchsdaten aus den Food Balance Sheets
herangezogen, um den Verbrauch an einzelnen Vitaminen und Mineralstoffen zu berechnen (Daten nicht publiziert). Dafür wurden
Durchschnittswerte von Lebensmittelgruppen (z. B. Obst, Gemüse) aus dem Bundeslebensmittelschlüssel v II.3 herangezogen. Die
daraus erhaltenen Daten zeigen Trends in der Versorgung dieser Vitamine und Mineralstoffe, sind aber nur Anhaltswerte; eine genaue
Berechnung konnte nicht gemacht werden, da es keine Verbrauchsdaten der einzelnen Lebensmittel gab. Daher sind diese Daten auch
dementsprechend zu interpretieren. Der Verbrauch darf keinesfalls der tatsächlichen Aufnahme gleichgestellt werden.
Der Pro-Kopf-Verbrauch an Vitamin D ist in der EU (EU-15) innerhalb der letzten vier Dekaden leicht, aber kontinuierlich gestiegen;
dieser Anstieg war in beinahe allen Teilnehmerstaaten zu beobachten. Österreich lag knapp unter dem EU-Durchschnitt, aber auch hier
konnte ein leichter Anstieg verzeichnet werden (Abbildung 11.8).
Da der Energieverbrauch insgesamt gestiegen ist und der Anstieg von Vitamin- und Mineralstoffverbrauch damit zu erklären sein könnte,
wurde auch die Nährstoffdichte in den verbrauchten Lebensmitteln berechnet. Dadurch konnte aufgezeigt werden, dass die Dichte an
Vitamin D in den verbrauchten Lebensmitteln in der EU während der letzten vier Dekaden auf gleichem Level geblieben ist. In Österreich allerdings stieg die Vitamin-D-Dichte im gesamten Lebensmittelverbrauch um 9,5 % (Tabelle 11.9).
Abbildung 11.8: Entwicklung des Verbrauchs an Vitamin D in Österreich und der EU (EU-15), 1961–2001. (Berechnet aus Daten der
FAO, 2004)
Der Verbrauch an Calcium ist im EU-Durchschnitt innerhalb der letzten vier Jahrzehnte kontinuierlich gestiegen und war 2001
(1115 mg/Kopf/Tag) um 28,6 % höher als 1961 (867 mg). Auch in Österreich konnte eine steigende Entwicklung im Calciumverbrauch
beobachtet werden. Er lag auch 2001 über dem EU-Mittel (Abbildung 11.9).
– 137 –
Abbildung 11.9: Entwicklung des Verbrauchs an Calcium in Österreich und der EU (EU-15), 1961–2001. (Berechnet aus Daten der FAO,
2004)
Auch für Calcium wurde die Dichte dieses Nährstoffs im gesamten Lebensmittelverbrauch berechnet. Hier konnte eine deutliche
Steigerung in der EU (+8,3), aber auch in Österreich (+9,6 %) festgestellt werden (Tabelle 11.9).
Tabelle 11.9: Unterschied im Verbrauch von Energie und der Vitamin-D- und Calciumdichte im gesamten Lebensmittelverbrauch
in europäischen Ländern und der EU, 1961–2001. (Berechnet aus Daten der FAO, 2004)
– 138 –
PRÄVALENZ VON UNTERGEWICHT IN ÖSTERREICH
Untergewicht ist ein unabhängiger Risikofaktor für die Entstehung von Osteoporose und auch bei jüngeren Menschen oft verbunden
mit einer niedrigeren Knochendichte. Im Österreichischen Adipositasbericht wurden nicht nur Daten zu Übergewicht und Adipositas in
der österreichischen Bevölkerung präsentiert, sondern auch Daten zur Verbreitung von Untergewicht (Verein Altern mit Zukunft, 2006).
Es waren jedoch nur wenige Daten zur Prävalenz von Untergewicht in Österreich vorhanden.
KINDER UND JUGENDLICHE
Die Prävalenz von Untergewicht bei Buben und Mädchen schien bei den Vorschulkindern geringer zu sein als bei den Volksschülern.
Einen Unterschied zwischen den Geschlechtern gab es nur bei den Vorschulkindern, hier waren Mädchen (7 %) häufiger untergewichtig als Buben (5 %). Bei den Volksschülern wurden sowohl 9 % der Buben als auch der Mädchen als untergewichtig eingestuft
(Elmadfa et al., 2003).
Eine Untersuchung an Wiener Jugendlichen (Lehrlinge und AHS-Schüler) machte deutlich, dass durch Verwendung von Selbstangaben
zu Körpergewicht und Körpergröße im Vergleich zu gemessenen Daten die Zahl der Übergewichtigen deutlich unterschätzt und die der
Untergewichtigen deutlich überschätzt werden kann. Nach den Selbstangaben mussten 7,4 % der männlichen und gar 16,6 % der
weiblichen Jugendlichen als untergewichtig eingestuft werden. Mit den im Subsample gemessenen Daten waren es lediglich 1,3 bzw.
4,4 %. Daher muss auch die Einstufung der AHS-Schüler (8 %) und -Schülerinnen (10 %) kritisch betrachtet werden, zumal diese ebenfalls auf Selbstangaben beruht (Elmadfa et al., 2004).
ERWACHSENE UND SENIOREN
Die Prävalenz von Untergewicht ist bei österreichischen Frauen deutlich höher als bei Männern. Vor allem in für die Knochengesundheit kritischen Phasen des Lebens scheint die Prävalenz von Untergewicht relativ hoch zu sein. In der für den Knochenaufbau wichtigen
Phase (bis etwa Ende der 3. Lebensdekade) waren 1999 bei den Frauen etwa 5,4–6,9 % untergewichtig, bei den Männern waren es
mit 0,9–2,1 % deutlich weniger. Danach sank bei beiden Geschlechtern – aber deutlicher bei den Frauen – die Prävalenz, um ab einem
Alter von etwa 65 Jahren wieder zu steigen (Verein Altern mit Zukunft, 2006; Statistik Austria, 2002). Diese Entwicklung im höheren
Alter ist nicht wünschenswert, zumal diese Altersgruppe besonders von Osteoporose betroffen ist. Außerdem liegen die BMI-Werte,
mit denen man in dieser Bevölkerungsgruppe als normalgewichtig gilt, höher als bei den Erwachsenen. Im Österreichischen Ernährungsbericht (Elmadfa et al., 2003) wurden Daten von Wiener Senioren präsentiert, die diese speziell für Senioren entwickelten Empfehlungen berücksichtigen. Demnach liegt die Prävalenz von Untergewicht bei älteren Menschen deutlich höher (Abbildung 11.10).
Abbildung 11.10: Prävalenz von Unter-, Normal- und Übergewicht bei Wiener Senioren nach Alter (in %). (Elmadfa et al., 2003;
Verein Altern mit Zukunft, 2006)
* BMI <23 kg/m2 (55–64 Jahre); BMI <24 kg/m2 (ab 65 Jahren)
** BMI 23–28 kg/m2 (55–64 Jahre); BMI 24–29 kg/m2 (ab 65 Jahren)
*** BMI >28 kg/m2 (55–64 Jahre); BMI >29 kg/m2 (ab 65 Jahren) (nach NRC, 1989)
Untergewicht scheint – abgesehen von älteren Menschen – im Gegensatz zu Übergewicht in Österreich keine sehr große Rolle zu spielen.
– 139 –
KÖRPERLICHE AKTIVITÄT UND SPORT IN DER ÖSTERREICHISCHEN
BEVÖLKERUNG
Körperliche Aktivität spielt für die Knochengesundheit eine wesentliche Rolle. Jede Veränderung im Bewegungsverhalten und damit
auch in der Muskulatur zieht Veränderungen im Knochen nach sich, sowohl im positiven als auch im negativen Sinn. Aber nicht nur
aufgrund seines Einflusses auf den Knochenbau ist ausreichend Bewegung von großer Bedeutung, durch einen kräftigeren Muskelapparat wird auch das Sturzrisiko gesenkt.
KINDER UND JUGENDLICHE
Gerade im Kindes- und Jugendalter spielt körperliche Aktivität zum Erreichen der Peak Bone Mass eine entscheidende Rolle.
Wünschenswert wäre für diese Altersgruppe eine sportliche Betätigung für mindestens eine Stunde am Tag. Der Turnunterricht in der
Schule könnte dazu einen wesentlichen Beitrag leisten. Es ist allerdings eine absteigende Tendenz mit steigender Schulstufe zu beobachten, ältere Schüler scheinen kaum mehr Bewegung durch den Schulunterricht zu bekommen (Pratscher, 1999).
Pratscher (1999) fragte in seiner Studie an österreichischen Schülern auch nach der sportlichen Aktivität außerhalb des Turnunterrichts,
wobei hier 19,6 % der Befragten angaben, keinen zusätzlichen Sport zu treiben. Die restlichen 80,4 % waren in mindestens einer der
drei Sportkategorien Schulsport, Vereinssport oder Freizeitsport aktiv (Tabelle 11.10).
Tabelle 11.10: Zusätzliche Sportausübung von österreichischen Schülern neben dem Turnunterricht. (Pratscher, 1999)
Aufgeteilt auf alle befragten Schüler (inkl. jener, die keinen zusätzlichen Sport trieben), wurden pro Person und Woche etwas mehr als
sechs Stunden Sport zusätzlich zum Turnunterricht betrieben, was doch sehr beachtlich ist. Jene Kinder und Jugendlichen, die zusätzlich keinen Sport treiben, dürften sich auch hinsichtlich Knochengesundheit nicht ausreichend bewegen. Programme, die Schüler dazu
animieren, auch in ihrer Freizeit sportlich aktiv zu sein, wären sehr zu begrüßen und sollten fixer Bestandteil eines jeden Programms
zur Prävention von Osteoporose sein, das bereits im Kindes- und Jugendalter ansetzt.
Bei Schülern waren vor allem jene Sportarten besonders beliebt, die sich sehr günstig auf den Knochenbau auswirken (Fußball,
Volleyball, Basketball, Tennis, Turnen, Badminton etc.) (Pratscher, 1999).
Im Zuge der am Department für Ernährungswissenschaften durchgeführten Studien an Wiener Berufsschülern und Wiener AHS-Schülern
wurde auch deren Sportverhalten erfragt. Bei den männlichen Lehrlingen gaben mehr als ein Drittel an, entweder täglich oder 3–5mal pro Woche sportlich aktiv zu sein, 27 % waren 1–2-mal pro Woche aktiv. Bei den weiblichen Lehrlingen sah die Situation völlig
anders aus, hier waren fast 60 % der Befragten selten oder nie sportlich aktiv. Der Anteil jener, die täglich oder 3–4-mal wöchentlich
Sport trieben, lag bei nicht mehr als 11 % (Abbildung 11.11, Elmadfa et al., 2004).
Wiener AHS-Schüler schienen sportlich aktiver zu sein als die Lehrlinge, denn über 50 % der AHS-Schüler und über 30 % der AHS-Schülerinnen gaben an, sich entweder täglich oder 3–5-mal wöchentlich sportlich zu betätigen. Nur 12 % der Burschen und 19 % der Mädchen
aus Allgemeinbildenden Höheren Schulen in Wien trieben nur selten oder nie Sport. Auch bei den AHS-Schülern gab es einen signifikanten Unterschied zwischen den Geschlechtern.
– 140 –
Abbildung 11.11: Häufigkeit von sportlicher Betätigung bei Wiener Berufsschülern (BS) und AHS-Schülern (AHS),
getrennt nach Geschlecht. (Elmadfa et al., 2004)
Als negativ ist die zwischen 1991 und 1998 von Pratscher (1999) beobachtete Entwicklung, dass immer mehr Zeit vor dem Fernseher
und dem Computer verbracht wird, zu bewerten, zumal diese Zeit wahrscheinlich oft auch zuungunsten anderer Aktivitäten, bei denen
man sich auch körperlich bewegt, genutzt wird (Abbildung 11.12).
Abbildung 11.12: Entwicklung der Fernseh- und Computerzeiten/Tag bei österreichischen Schülern zwischen 1991 und 1998.
(Pratscher, 1999)
Auch in Studien an Wiener Berufsschülern und Wiener AHS-Schülern konnte gezeigt werden, dass der Fernseher und der Computer
einen wichtigen Platz in der Freizeitgestaltung der Jugendlichen einnehmen dürften. Bei den Berufsschülern verbrachten 43,1 % täglich mehr als drei Stunden vor dem Fernseher oder dem Computer, bei den AHS-Schülern waren es gar 55,2 %. Mädchen schienen insgesamt weniger Freizeit vor Computer oder Fernseher zu verbringen (Tabelle 11.11; Elmadfa et al., 2005).
– 141 –
Tabelle 11.11: Stunden/Tag, die Wiener Berufsschüler (BS) und AHS-Schüler (AHS) vor dem Computer oder Fernseher verbringen,
getrennt nach Geschlecht. (Elmadfa et al., 2005)
ERWACHSENE UND ÄLTERE MENSCHEN
Das Bewegungsverhalten der österreichischen Erwachsenen lässt zu wünschen übrig. In einer im Jahr 2000 an 1000 Österreichern
durchgeführten Studie gaben lediglich 40 % der Befragten an, regelmäßig, d. h. mindestens einmal pro Woche bis täglich, körperlich
aktiv zu sein, wobei hier der größere Teil bei den jungen Studienteilnehmern zu finden war. Bei den über 50-Jährigen betrieben lediglich 16 % regelmäßig Sport, bei den 14–29-Jährigen lag der Anteil der regelmäßig Sporttreibenden immerhin bei 62 %. Weiters waren
Männer aktiver als Frauen. 37 % der Frauen gaben an, nie sportlich aktiv zu sein, bei den Männern waren es 29 %. Der Anteil der täglich sportlich Aktiven war bei Männern und Frauen gleich hoch, jedoch gaben doppelt so viele Männer wie Frauen an, mehrmals pro
Woche Sport zu treiben (Tabelle 11.12; Pratscher, 2000).
Tabelle 11.12: Sportengagement der Österreicher nach Geschlecht und Alter (Angabe in %). (Pratscher, 2000)
Betrachtet man den Anteil von Personen, die regelmäßig Sport treiben, nach Berufsgruppen, so findet man den größten Anteil bei den
Schülern, Studenten und Lehrlingen, wobei hier nur die sportliche Aktivität außerhalb des Turnunterrichts in der Schule erfragt wurde.
Gefolgt wurde diese Gruppe von den Selbstständigen, Freiberuflern und leitenden Angestellten/Beamten und von den qualifizierten
und einfachen Angestellten bzw. Beamten. Bei Arbeitern und Hausfrauen war das Sportengagement wesentlich geringer. Am wenigsten sportlich aktiv waren Pensionisten und Landwirte (Abbildung 11.13; Pratscher, 2000). Es muss hier allerdings erwähnt werden,
dass gerade Landwirte und Arbeiter beruflich körperlich meist sehr aktiv sind und dadurch der niedrige Anteil an zusätzlicher sportlicher Aktivität erklärt werden kann.
– 142 –
Abbildung 11.13: Regelmäßige Sportausübung nach Berufsgruppen;
*Sst Frb LA = Selbstständige, freiberuflich Tätige, leitende Angestellte/Beamte; Sch/Stud = Schüler, Studenten, Lehrlinge;
Bea Ang = qualifizierte bzw. einfache Beamte und Angestellte. (Pratscher, 2000)
Am beliebtesten dürfte bei den Österreichern der Radsport sein, und zwar bei Männern und Frauen gleichermaßen. An zweiter Stelle
steht das Schwimmen, wobei diese Sportart auf den Knochen keinen Einfluss hat. Dennoch kann es einen wertvollen Beitrag zur
Prävention von osteoporotischen Frakturen leisten, da der gesamte Muskelapparat gestärkt wird und dadurch das Sturzrisiko gesenkt
werden kann. Weiters sind Wandern, Skilaufen/Langlaufen, Laufen und Tennis sehr beliebt – alles Sportarten, die sich positiv auf den
Knochen auswirken (Pratscher, 2000).
Der an Wienern durchgeführte Gesundheits- und Sozialsurvey 2000/2001 (Freidl et al., 2001) zeigt ebenfalls deutlich, dass vor allem
alte Menschen körperlich viel weniger aktiv sind als junge, wobei der Anteil der körperlich Aktiven bei den Frauen geringer war als bei
den Männern. Dieser Trend konnte bei den Wienern in allen Altersgruppen festgestellt werden.
Auch in Wien waren wieder die Jüngsten körperlich am meisten aktiv. Bei den männlichen 16–24-Jährigen gaben 25,3 % an, täglich
oder fast täglich durch körperliche Bewegung ins Schwitzen zu kommen, und 36,5 % mehrmals pro Woche. Die weiblichen 16–24-Jährigen waren mit einem Anteil von 9,1 % täglich oder fast täglich bzw. 24,3 % mehrmals pro Woche weniger aktiv. Bei den Wiener Frauen stieg der Anteil der körperlich aktiven deutlich mit dem Bildungsgrad. Bei den Frauen mit einem Universitätsabschluss waren etwa
55 % täglich, fast täglich oder mehrmals pro Woche körperlich aktiv, wohingegen es nur etwa 18 % der Frauen mit Pflichtschulabschluss waren. Bei Männern war ein derartiger Zusammenhang zwischen Schulbildung und Bewegungsverhalten nicht zu erkennen
(Freidl et al., 2001).
Innerhalb Österreichs ist auch ein West-Ost-Gefälle hinsichtlich sportlicher Aktivität zu beobachten. Die Aktivitätsraten im Burgenland
und in Niederösterreich sind deutlich geringer als in den westlichen Bundesländern, sowohl bei Männern als auch bei Frauen. Die
beobachteten Unterschiede sind vor allem bei den alpinen Sportarten am stärksten. Bei anderen Sportarten ist das Gefälle in geringerem Ausmaß zu beobachten. Des Weiteren wird in Städten mit 20.000 bis 250.000 Einwohnern mehr Sport getrieben als in kleineren
Gemeinden, aber auch mehr als in Großstädten wie Wien (Weiss & Russo, 2005).
– 143 –
BEWEGUNGSVERHALTEN DER ÖSTERREICHER IM EUROPÄISCHEN VERGLEICH
Die in der EU durchgeführte Studie zum Gesundheitsverhalten der Europäer (European Commission, 2006a) zeigte, dass nur etwa die
Hälfte der Österreicher in ihrer Freizeit regelmäßig Sport betrieben („a lot“ und „some“), wohingegen die andere Hälfte in ihrer
Freizeit kaum oder gar nicht körperlich aktiv war („little“ und „none“; Abbildung 11.14).
Abbildung 11.14: Körperliche Aktivität in der Freizeit in Ländern der EU und anderen europäischen Ländern – „In the last 7 days,
how much physical activity did you get for recreation, sport and leisure-time activities?“ (European Commission, 2006a)
AT = Austria, BE = Belgium, CZ = Czech Rep., DK = Denmark, DE = Germany, EE = Estonia, EL = Greece, ES = Spain, FR = France, IE = Ireland,
IT = Italy, CY = Rep. of Cyprus, LV = Latvia, LT = Lithuania, LU = Luxembourg, HU = Hungary, MT = Malta, NL = Netherlands, PL = Poland,
PT = Portugal, SI = Slovenia, SK = Slovakia, FI = Finland, SE = Sweden, UK = United Kingdom, BG = Bulgaria, HR = Croatia, RO = Romania,
TR = Turkey, CY (tcc) Turkish Cypriot Com. D. K. … don’t know
Im EU-Vergleich lag Österreich damit unter dem EU-25-Durchschnitt, wenn man jene Prozentsätze mit den Angaben, sehr viel („a lot“)
Sport zu treiben, miteinander verglich. Fasst man jedoch jene der Befragten, die angaben, in ihrer Freizeit regelmäßig sportlich aktiv
zu sein, zusammen, so liegt Österreich mit einem Anteil von 50 % über dem EU-25-Durchschnitt von 44 % (European Commission,
2006a).
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RAUCHVERHALTEN IN ÖSTERREICH
In den letzten 30 Jahren ist die Anzahl der rauchenden Personen in Österreich stark gestiegen. Dieser Anstieg ist vor allem auf die steigende Zahl der Frauen, die rauchen, zurückzuführen, deren Anteil sich seit den 1970er-Jahren beinahe verdreifacht hat. Alleine in den
letzten zehn Jahren hat sich der Anteil verdoppelt. Mittlerweile gibt es kaum mehr einen Unterschied zwischen dem Anteil an Frauen
und Männern, die rauchen. Bei den Männern konnte bis in die 1990er-Jahre sogar ein Abfall des Raucheranteils verzeichnet werden,
allerdings stieg dieser Ende der 1990er-Jahre wieder stark an (Abbildung 11.15).
Abbildung 11.15: Entwicklung des Rauchverhaltens in Österreich (täglich + regelmäßig/nicht täglich + gelegentlich). (BMGF, 2005)
Bei den 14–19-Jährigen liegt der Raucheranteil bei etwa 60 %, wobei der Anteil bei den Burschen mit etwa 55 % deutlich niedriger
liegt als jener bei den Mädchen (64 %) (BMGF, 2005b). Bei den 15-jährigen Österreichern und Österreicherinnen rauchten 20 % der
Burschen und 25 % der Mädchen täglich, wobei auch hier vor allem bei den Mädchen ein steigender Trend zu beobachten war (Abbildung 11.16; BMGF, 2006).
Abbildung 11.16: Anteil täglich rauchender 15-Jähriger in Österreich nach Geschlecht. (BMGF, 2006)
Bei den Wienern konnte 2001 gezeigt werden, dass der Anteil der Personen, die täglich rauchten, bei den Männern noch höher lag als
bei den Frauen. Die höchsten Raucheranteile konnten in der jüngsten Altersgruppe beobachtet werden. So rauchten bei den 16–24jährigen Männern 56,1 % täglich, bei den Frauen derselben Altersgruppe waren es 51,6 %. Der Unterschied zwischen Männern und
Frauen war am größten bei den 25–59-Jährigen, bei den über 60-Jährigen war der Anteil in etwa gleich (Freidl et al., 2001).
In Wien konnte ein deutlicher Zusammenhang zwischen Schulbildung und Rauchverhalten festgestellt werden, und zwar sowohl bei
Männern als auch bei Frauen. Bei den Männern rauchten 58,1 % von jenen mit Pflichtschulabschluss und 40,5 % derjenigen, die eine
Lehre absolviert hatten, bei jenen mit Universitätsabschluss waren es nur 23,1 %. Bei Frauen wurde eine ähnliche Tendenz beobachtet,
wobei hier lediglich jene mit einer universitären Ausbildung deutlich unter dem Durchschnitt aller anderen Schulbildungsstufen lagen
(Freidl et al., 2001).
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RAUCHVERHALTEN IM EUROPÄISCHEN VERGLEICH
Die Zahl der Raucher scheint in Europa in den letzten Jahren relativ stark zurückgegangen zu sein. Das zeigen zumindest die Daten
des Eurobarometers über das Rauchverhalten der Europäer (European Commission, 2006b). Rauchten im Jahr 2002 in den damals 15
Mitgliedsstaaten der EU noch 33 % der befragten Personen, so waren es 2005 nur mehr 26 %, bzw. 27 %, wenn man die neuen Mitgliedsstaaten ebenfalls berücksichtigt. Die Zahl der Personen, die nie geraucht haben, stieg um 5 % und auch die Zahl der Personen,
die aufgehört haben zu rauchen, ist leicht gestiegen. Alles in allem ein überaus wünschenswerter Trend, auch in Hinsicht auf die
Knochengesundheit.
Betrachtet man Abbildung 11.17, so sieht man, dass in Österreich allerdings die Zahl der Raucher leicht gestiegen ist, nämlich von
36 % auf 37 %. Mit diesem hohen Raucheranteil liegt Österreich EU-weit an zweiter Stelle – gleich hinter Griechenland – und damit
auch weit über dem EU-Durchschnitt.
Abbildung 11.17: Anteil der Raucher (abgepackte Zigaretten) an der Gesamtbevölkerung in europäischen Ländern. Vergleich 2002
(wo vorhanden) mit 2005. (European Commission, 2006b)
AT=Austria, BE=Belgium, CZ=Czech Rep., DK=Denmark, DE=Germany, EE=Estonia, EL=Greece, ES=Spain, FR=France, IE=Ireland, IT=Italy,
CY=Rep. of Cyprus, LV=Latvia, LT=Lithuania, LU=Luxembourg, HU=Hungary, MT=Malta, NL=Netherlands, PL=Poland, PT=Portugal, SI=Slovenia,
SK=Slovakia, FI=Finland, SE=Sweden, UK=United Kingdom, BG=Bulgaria, HR=Croatia, RO=Romania, TR=Turkey, CY (tcc) Turkish Cypriot Com.
D. K ... don’t know
– 146 –
VITAMIN-D- UND CALCIUMVERSORGUNG IN DER
ÖSTERREICHISCHEN BEVÖLKERUNG
Eine Untersuchung der Österreichischen Gesellschaft zur Erforschung des Knochen- und Mineralstoffwechsels
Stefan Kudlacek,
Medizinische Abteilung, Krankenhaus Barmherzige Brüder, Wien
Ludwig Boltzmann Institut für Altersforschung
M. Peterlik
Institut für Pathophysiologie AKH Wien - für die Österreichische Gesellschaft zur Erforschung des Mineralstoffwechsels
VITAMIN D – DER AKTUELLE STAND IN ÖSTERREICH
Die Rekrutierung eines repräsentativen österreichischen Patientenkollektivs erfolgte mittels Zufallsgenerators eines Adressenbüros. An
17 osteologischen Zentren Österreichs wurden 1436 Probanden zwischen 20 und 79 Jahren per Aussendung einberufen. Anamnese,
Lebensgewohnheiten und Risikofaktoren wurde mittels eines fünf Seiten umfassenden Fragebogens erhoben. Entsprechend den Einschlusskriterien wurde die Untersuchung an 1089 Probanden durchgeführt. Diese Untersuchungen in Österreich konnten letztendlich
1048 Probanden für die Auswertung einschließen (Alter 25,3–74,3 Jahre, Mittelwert 44,5±9,8; 648 Frauen, 400 Männer). Wir fanden
eine schwerste Vitamin-D-Defizienz (<5 ng/ml) bei 19 (1,8 %) der Probanden sowie eine deutliche Unterversorgung bei 25 % (<12
ng/ml) (Abbildung 11.18; Tabelle 11.13). Die mittleren Vitamin-D-Serumspiegel waren in einem insuffizienten Bereich (25OH Vitamin
D 20,9±13,3 ng/ml, 2,2–99 ng/ml). Somit besteht bei etwa einem Viertel der gesunden österreichischen Bevölkerung eine deutliche
Hypovitaminose. Sämtliche Werte wurden in den Wintermonaten erhoben, was für eine Supplementation von Vitamin D in dieser Jahreszeit auch bei Gesunden spricht. Bisher sind wenige Untersuchungen bekannt, in denen die Versorgung mit Vitamin D bei Jugendlichen erfasst wurde. Aufgrund der vielfachen Effekte des Vitamin-D-Hormons sollte eine ausreichende Versorgung der gesamten
Bevölkerung angestrebt werden. Die alimentäre Aufnahme lag jedoch weit unter den Empfehlungen aus den DACH-Referenzwerten
für die Nährstoffzufuhr (Tabelle 11.14; DACH, 2000). Eine Prophylaxe wäre auch durch Supplementation der Milch mit Vitamin D denkbar, wie sie in einigen Ländern bereits erfolgt.
Tabelle 11.13: Einteilung des Vitamin-D-Status, 25 OH Vitamin D im Serum.
Tabelle 11.14: Vitamin-D-Aufnahme des untersuchten Kollektivs über die Nahrung.
Abbildung 11.18: 25(OH)-Vitamin-D-Serumspiegel in einem österreichischen Normalkollektiv (Vitamin-D-Defizit: <12 ng/ml).
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VITAMIN D/CALCIUM ALS SUPPLEMENTE
Die Datenlage zum Thema der Vitamin-D-Unterversorgung, der Osteomalazie ist bereits seit Jahren etabliert und bekannt. Bereits ein
geringes Vitamin-D-Defizit führt über die hochregulierte sekundäre Erhöhung des Parathormons zur Osteoporose.
Eine verbesserte Versorgung mit Vitamin D, insbesondere durch Supplementierung, kann demnach so breit wie möglich eingesetzt werden.
Um eine Rationale für die langfristige Gabe zu finden, ist eine umfassende Serumbestimmung von 25(OH) Vitamin D zu fordern. Damit
sind jene Personen mit Vitamin-D-Defizienz besser bestimmbar und können auch gezielt einer Substitution unterzogen werden. Dennoch ist der 25(OH)-Vitamin-D-Serumspiegel nur einer der Parameter, die auf eine optimale Versorgung schließen lassen. Wesentlich
sind eigentlich die intrazellulären 1,25(OH)2-Vitamin-D-Konzentrationen, die von der 25(OH)-Vitamin-D-1-Hydroxylase abhängen.
Eine Vitamin-D-Anreicherung von Nahrungsmitteln, wie sie in den USA und Kanada praktiziert wird, ist in Österreich aufgrund strenger
Nahrungsmittelgesetze nicht möglich.
ZUSAMMENFASSUNG
Sowohl Vitamin D als auch Calcium werden für den gesunden Knochenstoffwechsel in ausreichender Konzentration benötigt. Die erhobenen Normwerte für die tägliche Aufnahme sind mit der Nahrung vor allem für ältere Menschen oft schwierig abzudecken und die
Regulationsmechanismen von Parathormon führen zur Osteoporose. Bisher ist abgesehen vom Knochenstoffwechsel eine Reihe von
chronischen Erkrankungen bekannt, die wahrscheinlich mit einer Hypovitaminose D in Zusammenhang stehen. Da die gezielte Supplementation mit Vitamin D und Calcium in den meisten Studien einen nachweisbaren Effekt zeigt oder zumindest fixer Bestandteil
des Therapieregimes ist, kann die derzeit praktizierte Applikation als Standard gelten. Einen positiven Effekt auf Frakturdaten zeigte
auch eine kürzlich veröffentlichte Metaanalyse von Bischoff-Ferrari et al. (2005), allerdings bei einer Dosierung von 700–800 IU. Da
eindeutige Vitamin-D-Defizite in der gesunden Bevölkerung nachweisbar sind, sollte vermehrt Vitamin D appliziert werden, sei es
durch Sonne, Ernährung oder auch mittels Supplementation. Wünschenswert ist allerdings zukünftig eine Vitamin-D-Anreicherung von
Nahrungsmitteln, z. B. von Milch. Somit kann zumindest bei Risikogruppen, wie es Altersheimbewohner sind, eine den Richtlinien entsprechende Versorgung gewährleistet werden.
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