1.Das Rezept - Deutscher Apotheker Verlag

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1.Das Rezept - Deutscher Apotheker Verlag
1.1 Das rosa GKV-Rezept
1.
Das Rezept
Christiane Weber
Ob rosa, blau oder gelb: Ein Rezept ist immer eine Urkunde. Bei ihrer Bearbeitung in der
Apotheke ist inzwischen ein ganzes Arsenal an Rechtsvorschriften und formalen Vorgaben zu beachten. Die Rezeptbearbeitung ist somit eine echte Herausforderung und mit
jeder Menge Fehlerquellen verbunden. Für den Apothekenalltag ist es daher nützlich,
die wichtigsten Formularbesonderheiten, Taxationsvorgaben etc. für die verschiedenen
Rezepttypen im Überblick zu haben.
1.1
1
Das rosa GKV-Rezept
Das rosa Rezeptformular nach „Muster 16“ wird zulasten der gesetzlichen Krankenkassen
(GKV) abgerechnet. Es macht mit circa 450 Millionen pro Jahr den mit Abstand größten
Rezeptanteil in der Apotheke aus. Die rosa Hintergrundfarbe soll Fälschungen erschweren und kann als Blindfarbe bei der elektronischen Auswertung gut ausgeblendet werden.
Das GKV-Rezeptformular enthält rund 40 verschiedene Felder, bei denen es auf einige
besonders ankommt. So dürfen die eigenhändige Unterschrift des Arztes und das Ausstelldatum niemals fehlen. Nur dann handelt es sich um ein gültiges, abrechnungsfähiges
Dokument. An Ausstelldatum und Arztunterschrift darf in der Apotheke niemals herummanipuliert werden, das wäre Urkundenfälschung. Wird vom Arzt eine Eintragung nachträglich ergänzt oder verändert, hat er diese mit Datum und Unterschrift erneut abzuzeichnen. Das Ausstelldatum darf bei GKV-Rezepten maximal einen Monat zurückliegen
(bei Hilfsmitteln nur 28 Tage, bei Isotretinoin-Verordnungen nur 1 Woche). Später kann
das Rezept nicht abgerechnet werden, es wird von der GKV dann nicht mehr erstattet.
1.1.1
Wichtige Formalitäten
In der Apotheke dürfen nur ordnungsgemäß und vollständig ausgestellte Rezepte beliefert werden (Ⴜ Abb. 1.1). Welche Angaben dafür nötig sind, legt u. a. die Arzneimittelverschreibungsverordnung (AMVV) § 2 fest: Name, Vorname, Berufsbezeichnung und
Anschrift des Arztes sowie auch dessen Telefonnummer. Unverzichtbar sind außerdem
Ausstelldatum, Name und Geburtsdatum des Patienten, Bezeichnung, Menge und Darreichungsform des Arzneimittels etc. Darüber hinaus gelten noch andere Vorgaben (z. B.
Vereinbarung zwischen den Krankenkassen und dem Deutschen Apothekerverband) wie
z. B. die lebenslängliche Vertragsarztnummer (LANR), die an die Praxis gebundene
Betriebsstättennummer (BSNR), Status des Versicherten (z. B. Rentner, Familienversi-
1
1 Das Rezept
Barmer GEK
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52
Schulz
Helga
Grenzweg 140
D 54300 Gesundingen
28.03.51
104080005
B781846302
5
408056100
183249112
07.08.15
+5876161+
10,00
33,15
1 1 1 0 5 5 9 3 1
13,98
0 0 8 5 0 5 4 3 1
19,17
408056100
x Amlodipin Stada 5 mg 100 Tbl. N3
x Metohexal Succ 190 mg 100 Ret. N3
0 7 0 8 1 5
Dr. med. Wolfgang Verordner
Internist
Hauptstraße 2
54300 Gesundingen
Tel.: 06131 - 55555
Fax: 06131 - 55550
Beratungs-Apotheke, Im Zentrum 1,
54321 Machtspass
408056100
Ⴜ Abb. 1.1 Ein ordnungsgemäß ausgefülltes GKV-Rezept.
cherter). Die 9-stellige LANR kann man an zwei Stellen im GKV-Rezept finden: im Feld
„Arzt-Nr.“ sowie im Praxisstempel. Die ebenfalls 9-stellige BSNR kann an drei Stellen
vorhanden sein: im Feld „Betriebsstätten-Nr.“ sowie im vorgeprägten Codierstreifen des
GKV-Rezepts rechts unterhalb des Verordnungsfelds und im Praxisstempel. Wenn diese
Nummern nicht übereinstimmen, könnte es sich um eine Rezeptfälschung handeln.
Für Sie in der Apotheke sind bei der Rezeptbelieferung als Erstes die Angabe „Krankenkasse bzw. Kostenträger“ sowie die zugehörige „Kostenträgerkennung“ im Rezeptkopf
relevant. Auf letztere kommt es an, um z. B. die GKV-spezifischen Rabattverträge korrekt
umzusetzen und das Rezept gegenüber der richtigen Krankenkasse abrechnen zu können.
Die eigentliche Verordnung der Medikamente wird zwar inzwischen von den meisten
Ärzten maschinell vorgenommen, es dürfen jedoch nach wie vor handschriftlich ausgestellte Rezepte beliefert werden.
Links oben am Rezeptrand sollte vom Arzt entweder das Feld „Gebühr frei“ oder
„Geb.-pfl.“ angekreuzt sein. Daran erkennen Sie, ob ein Kunde die gesetzliche Rezeptzuzahlung leisten muss oder davon befreit ist. Die Zuzahlung beträgt für Fertigarzneimittel,
Rezepturen und Medizinprodukte 10 %, jedoch mindestens 5 Euro und maximal 10 Euro,
aber nie mehr als der Produktpreis. Blutzuckerteststreifen sind zuzahlungsfrei. Für Verbandstoffe errechnet sich die Zuzahlung nicht pro Produkt, sondern pro Verordnungszeile. Wurde kein Kreuz zum Zuzahlungsstatus gesetzt, gilt: Versicherte bis zum vollendeten 18. Lebensjahr sind stets zuzahlungsfrei. Wer Ihnen einen gültigen Befreiungsausweis
vorlegt, gilt ebenfalls als befreit. Außerdem sind Verordnungen zu Lasten einer Berufsgenossenschaft (BG) und Anspruchsberechtigte laut Bundesversorgungsgesetz (BVG)
2
1.1 Das rosa GKV-Rezept
zuzahlungsfrei zu behandeln. Bei Schwangeren entscheidet der Arzt, ob die Verordnung
schwangerschaftsbedingt und damit befreit ist oder nicht.
Sogenannte Mehrkosten entstehen, wenn der vom Pharmaunternehmen verlangte
Preis eines Medikaments über dem Preislimit des Gemeinsamen Bundesausschusses
(G-BA) liegt. Die Differenz muss der GKV-Versicherte zusätzlich selbst bezahlen. Und
vergessen Sie bei der Abgabe eines Hilfsmittels nicht, sich den Empfang auf der Rezeptrückseite im Feld „Unterschrift des Empfängers“ vom Kunden abzeichnen zu lassen.
1.1.2
Korrekt abrechnen
Am linken Rand des Verordnungsfelds eines GKV-Rezepts stehen drei „aut idem“-Kästchen. Hat der Arzt diese angekreuzt, darf das danebenstehende Präparat genauso abgegeben werden. Ansonsten muss ein rabattbegünstigtes Arzneimittel in der Apothekensoftware dazu herausgesucht werden. Stehen mehrere Rabattarzneimittel zur Auswahl, dürfen Sie bzw. der Patient auswählen. Existiert kein rabattbegünstigtes Präparat, dürfen Sie
das verordnete Medikament oder eines der drei preisgünstigsten abgeben.
Im Abrechnungsfeld rechts oben auf dem GKV-Rezeptformular druckt der Kassencomputer in der Apotheke die Abrechnungsdaten ein. Dazu gehören: die „ApothekenNummer/IK“, wodurch eine Apotheke im Abrechnungszentrum eindeutig identifiziert
werden kann. Unter dieser kommen Zuzahlung und Gesamt-Brutto-Betrag zu stehen.
Darunter sind drei Zeilen für die abzurechnenden Positionen vorgesehen, wobei vorne
die Pharmazentral- oder Hilfsmittelnummer und in der letzten Spalte der zugehörige
Einzelbetrag aufgedruckt wird. Im „Faktor“-Feld erscheint nicht nur die jeweils abgegebene Stückzahl, sondern auch die Faktoren zum Sonderkennzeichen (PZN 02567024).
Diese werden benötigt, wenn bei der Rezeptbelieferung aus unterschiedlichem Grund
(codiert durch die Zahlen 1 bis 7, s. Kasten) ein anderes als das vertraglich vorgesehene
Arzneimittel abgegeben wird.
1
Bedeutung der sieben Faktoren
1 = vertragsmäßig beliefert,
2 = Rabattarzneimittel nicht verfügbar,
3 = kein Reimport verfügbar,
4 = weder Rabattarzneimittel noch Reimport verfügbar,
5 = Nichtabgabe eines Rabattarzneimittels wegen Akutversorgung,
6 = Nichtabgabe eines Rabattarzneimittels aufgrund pharmazeutischer Bedenken,
7 = Abgabe eines vom Versicherten verlangten Wunscharzneimittels.
Auch für Sprechstundenbedarf nutzen Ärzte das rosa GKV-Rezeptformular. Hierbei
müssen zwar auch die Vorgaben der Verschreibungsverordnung, jedoch keine Rabattverträge beachtet werden (außer bei manchen Impfstoffen). Dafür hat bei der Abrechnung
von Sprechstundenbedarf die Wirtschaftlichkeit höchste Priorität, was oft die Abgabe von
Jumbopackungen (Packungen größer N3) erfordert.
3
1 Das Rezept
Das Wichtigste in Kürze
󠀂 GKV-Rezepte mit Arzneimitteln sind 1 Monat lang gültig.
󠀂 Ausstelldatum und Arztunterschrift dürfen nie fehlen.
󠀂 Existieren mehrere Rabattarzneimittel, darf unter diesen frei gewählt werden.
󠀂 Existiert kein Rabattvertrag, darf entweder das verordnete Arzneimittel oder
eines der drei preisgünstigsten abgegeben werden.
󠀂 Auf Sprechstundenbedarfsrezept hat die Wirtschaftlichkeit höchste Priorität,
weshalb oft Jumbopackungen abgegeben werden müssen.
1.2
Das Privatrezept
Sie haben meist Querformat und sind heutzutage in der Regel hellblau, kommen aber
auch in Violett, Weiß, Hochformat, DIN A 5, Überbreite bzw. Überlänge oder blumig
unterlegt daher: Bei Privatrezepten gibt es kein vorgeschriebenes Formularmuster (außer
bei BtM, s. u.). Jeder Arzt kann also sein Privatrezeptformular optisch so gestalten lassen,
wie er möchte (Ⴜ Abb. 1.2). Achtung Verwechslungsgefahr: Manche Ärzte verwenden
auch für ihre Privatverordnungen rosa GKV-Formulare! In jedem Fall müssen bei Privatrezepten mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln die Bestimmungen der Arzneimit-
+4497802+
Reutter
Rainer
Im Unterholz 12
D-87654 Bad Zeckingen
46,64
15.08.69
0 2 1 8 6 2 2 7 1
46,64
09.02.15
816683200
Encepur Erwachsene 0,5 ml FER
12.02.15
Süd-Apotheke, Im Flavi-Zentrum 3/1, 87654 Bad Zeckingen
Ⴜ Abb. 1.2 Ein Privatrezept (Beispiel blaues Formular).
4
Dr. Axel Stecker
Facharzt für Allgemeinmedizin
Inzidenzplatz 1
87654 Bad Zeckingen
Tel.: 07561 - 321654
Fax: 07561 - 321655
1.3 Das grüne Rezept
telverschreibungsverordnung (AMVV § 2) eingehalten werden und folgende Angaben
vorhanden sein: Name und Geburtsdatum des Patienten, Ausstelldatum, Vorname, Name,
Anschrift, Betriebsstättennummer (BSNR) sowie Berufsbezeichnung und Unterschrift
des Arztes. Wichtig: Privatrezepte sind drei Monate lang gültig.
Auf Privatrezepten kann vieles verordnet bzw. abgerechnet werden, was auf GKVRezept nicht erstattungsfähig ist. Trotzdem gilt auch hier: Bedenkliche Arzneimittel dürfen niemals kritiklos abgegeben werden, nur weil es ein Arzt verordnet hat! Beispiel:
Rezepturen mit bedenklichen Inhaltsstoffen (z. B. Bufexamac), obsoleten Darreichungsformen (z. B. Pillen) oder unplausible Dosierungen (z. B. Erwachsenendosis für ein Kleinkind). Oft lassen sich solche Fälle durch eine kurze Rücksprache mit dem verschreibenden Arzt klären.
Ein Privatrezept bleibt nach Bezahlen Eigentum des Patienten und wird ihm quittiert
wieder mitgegeben, damit er die Kosten gegenüber seiner Privatkasse geltend machen
kann.
1
1.3
Das grüne Rezept
Ein Sonderfall bei Privatrezepten ist das hellgrüne, querformatige Rezept, kurz „grünes
Rezept“ (Ⴜ Abb. 1.3). Es wurde im Jahr 2004 mit dem Hintergedanken eingeführt, dass
Ärzte ihren Patienten damit auch solche rezeptfreien Arzneimittel weiter „verschreiben“
können, die aus der GKV-Erstattung herausgefallen sind. Im Grunde stellt ein grünes
Rezept also lediglich eine schriftliche Merkhilfe für ein ärztlich empfohlenes Arzneimittel
dar. Dies wird jedoch manchen Kunden erst in der Apotheke klar, wenn es ans Bezahlen
geht.
Ein grünes Rezept ist zeitlich unbegrenzt gültig und erfordert keine speziellen
Pflichtangaben. Händigen Sie es Ihrem Kunden nach dem Bedrucken am besten wieder
aus, da manche Steuerpflichtige es gegenüber dem Finanzamt geltend machen wollen.
Doch Vorsicht: Wird Ihnen ein grünes Rezept vorgelegt, auf dem ein rezeptpflichtiges
Arzneimittel steht, dürfen Sie dieses Rezept zwar wie ein Privatrezept beliefern – aber nur
unter der Voraussetzung, dass dann auch alle für ein Privatrezept notwendigen Angaben
vorhanden sind (s. oben) und das Ausstelldatum nicht länger als drei Monate zurückliegt.
Das Wichtigste in Kürze
󠀂 Privatrezepte sind drei Monate lang gültig.
󠀂 Es gibt bei Privatrezepten keine Formularvorgaben; sofern die Angaben nach Arzneimittelverschreibungsverordnung vorhanden sind, darf das Rezept beliefert
werden.
󠀂 Bedenkliche Arzneimittel oder unplausible Dosierungen dürfen auch auf Privatrezept nicht ignoriert werden.
󠀂 Grüne Rezepte sind unbegrenzt gültig, außer wenn ein rezeptpflichtiges Medikament verschrieben ist.
5
2 Beratung zu verschiedenen Darreichungsformen
Vorteile des Elpenhaler® sind der günstige Preis und die visuelle sowie geschmackliche
Inhalationserfolgskontrolle. Ein praxisrelevanter Nachteil ist die optisch sowie feinmotorisch anspruchsvolle Handhabung des Geräts, was häufig zu Anwenderfehlern führt. Beispiele sind: Die Blisterstücke werden verkehrt herum aufgelegt, die Blisterdeckfolie wird
nicht abgezogen, das Gerät wird beim Inhalieren verkehrt herum gehalten, sodass das
Wirkstoffpulver herausrieselt, bevor es eingeatmet werden kann.
Pulverinhalatoren – Mehrdosensysteme
Nachfüllbare Mehrdosensysteme
Von den nachfüllbaren Mehrdosen-Pulverinhalaten spielt derzeit nur der Novolizer®
(z. B. Budecort®, Formotop®) eine apothekenrelevante Rolle (Ⴜ Abb. 2.11 und Ⴜ Abb. 2.12).
Die Patrone mit der Wirkstoff-Lactose-Mischung liegt den Novolizer®-FertigpräparatStartpackungen separat eingeschweißt bei. Bieten Sie Ihren Kunden als Service an, die
Patrone in der Apotheke gleich einzubauen! Hierzu wird zuvor die obere Abdeckung des
Novolizer® an den geriffelten Stellen leicht zusammengedrückt und kann dann nach oben
abgehoben werden. Damit wird das Fach zum Einsetzen der Patrone frei. Beim Einlegen
kann man nichts falsch machen, denn die Patrone passt nach dem Schlüssel-SchlossPrinzip nur in der richtigen Position ins Gerät (mit dem Zählwerk nach vorne).
Für die Inhalation muss beim Novolizer® nur die Schutzkappe vom Mundstück abgenommen und die Dosiertaste einmal gedrückt werden. Dabei wird das in der Patrone
enthaltene Pulver durch einen Klopfer gelockert und eine Einzeldosis in den Inhalationskanal auf den Dosierschlitten überführt. Außerdem springt das farbige Kontrollfenster
von Rot nach Grün. Wichtig: Danach die Dosiertaste loslassen und jetzt das Gerät nicht
mehr erschüttern! Ein Sperrmechanismus verhindert bei versehentlich erneutem Betätigen der Dosiertaste eine Überdosierung. Beim Inhaliervorgang muss das Gerät waagrecht
gehalten werden. Durch den Einatemstrom wird das im Dosierschlitten bereit gestellte
Pulver in einen Zyklon überführt und darin verwirbelt, bevor es durch das Mundstück
inhaliert wird. Dem Anwender bietet der Novolizer® eine Dreifachkontrolle über die
erfolgte Inhalation: der Farbwechsel im Fenster, ein Klickgeräusch und der LactoseGeschmack.
Zur Reinigung lässt sich der Novolizer® im Gegensatz zu seinem Nachfolger Genuair®
(s. u.) in mehrere Teile zerlegen: Verschlusskappe, Mundstück, Dosierschlitten, Patrone
und Abdeckung lassen sich herausnehmen (Ⴜ Abb. 2.11) und sollten spätestens bei jedem
Patronenwechsel mit einem Pinsel gereinigt werden. Nach rund einem Jahr sollte der
Inhalator wegen mechanischer Abnutzungserscheinungen durch einen neuen ersetzt
werden.
Praxistipp für den HV-Alltag: Im Rahmen der Packungsgrößenverordnung werden
derzeit die Novolizer®-Patronen von 100 auf 60 Einzeldosen umgestellt. Dabei wurde
jedoch nur der Füllungsgrad der Patronen, nicht ihre Form verändert, sodass weiterhin
jede Novolizer®-Patrone in jeden Novolizer® passt.
Nicht nachfüllbare Mehrdosensysteme
Genuair®: Der Genuair® (z. B. Duaklir®, Eklira®), der seit dem Jahr 2012 auf dem deutschen Markt ist, ähnelt vom Bauprinzip her dem Novolizer® (s. o.). Jedoch handelt es sich
beim Genuair® um ein nicht nachfüllbares Einwegsystem (Ⴜ Abb. 2.13). Das heißt, die
Patrone sitzt bei den entsprechenden Fertigpräparaten von vornherein im Gerät fest. Der
24
2.1 Inhalatoren
Ⴜ Abb. 2.11 Novolizer® (z. B. Budecort®, Formotop®) in geschlossenem Zustand und in Einzelteile
zerlegt.
2
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Ⴜ Abb. 2.12 Novolizer® im
Querschnitt.
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Ⴜ Abb. 2.13 Genuair® (z. B.
Duaklir®, Eklira®), ein nicht
nachfüllbares Einwegsystem.
25
2 Beratung zu verschiedenen Darreichungsformen
Genuair® wird entsorgt, nachdem die letzte Dosis inhaliert wurde und dann die Dosiertaste blockiert. Außer der Schutzkappe für das Mundstück ist beim Genuair® kein Auseinanderbauen und damit auch keine Innenreinigung möglich. Das soll die Anzahl potenzieller Fehlerquellen für den Anwender reduzieren. Die sonstigen Beratungshinweise
zum Genuair® entsprechen denen des bauähnlichen Novolizers®.
Easyhaler®-Präparate, die mit dem Easyhaler®-System arbeiten (z. B. Beclomet Easyha-
ler®, Budesonid Easyhaler®), enthalten den fertig wirkstoffbefüllten Inhalator, der sich
feuchtigkeitsgeschützt eingeschweißt in einem Aluminiumbeutel befindet (Ⴜ Abb. 2.14).
Das Starter-Kit (erkennbar in der Lauer-Taxe am Zusatz „SK“) umfasst außerdem eine
aufklappbare Kunststoffschutzbox, in die der feuchtigkeitsempfindliche Easyhaler® eingesetzt und darin aufbewahrt wird. Da oftmals den Patienten keine Starter-Kit-Packung
verordnet wird, können Sie diese Boxen kostenfrei bei der zuständigen Firma anfordern
und als nützlichen Kunden-Service abgeben.
Ein wichtiger (und für einen Pulverinhalator außergewöhnlicher) Abgabehinweis zum
Easyhaler® ist: „Vor jedem Gebrauch kurz schütteln!“ Dabei wird die enthaltene Wirkstoff-Lactose-Mischung aufgeschüttelt und rieselfähiger. Die aufgesetzte Verschlusskappe
verhindert währenddessen eine versehentliche Dosisfreigabe. Um eine Dosis auszulösen,
wird der mit dem Mundstück nach unten senkrecht gehaltene Easyhaler® zwischen Daumen und Zeigefinger einmal kurz, aber kräftig bis zum Klickgeräusch zusammengedrückt.
Das im Easyhaler® enthaltene Pulver wird beim Betätigen der Dosiertaste volumenmäßig über ein Schöpfradsystem dosiert, wobei sich eine Walze mit Dosiermulden
bewegt. Sollte dieser Mechanismus klemmen, hilft es meist, die im System angesammelten Pulverreste über das Mundstück auszuklopfen.
Eine häufige Frage im Apothekenalltag gilt der Überdosierungsgefahr. Diese ist beim
mehrmaligen Betätigen der Dosiertaste des Easyhaler® nicht ganz auszuschließen. Wenn
sich ein Anwender also nicht sicher ist, ob bzw. wie oft er die Taste schon betätigt hat,
sollte er sicherheitshalber die im Gerät bereitgestellte Pulvermenge über das Mundstück
ausklopfen und mit dem Ladevorgang erneut beginnen.
Auch der Easyhaler® ist mit einem Zählwerk ausgestattet. Bei Anzeige „0“ soll das
Device nicht weiterverwendet werden, weil dann keine exakte Dosierung mehr garantiert
ist. Durch die transparente Rückwand ist jedoch noch ein Pulverrestbestand für den
Anwender sichtbar. Doch dabei handelt es sich um eine technisch bedingte Überfüllung,
die nicht genutzt werden kann.
Nexthaler®: Mit dem Nexthaler® (Foster®) kam im Jahr 2013 ein neuer Pulverinhalator
auf den Markt, der die identische Wirkstoff-Zusammensetzung wie das entsprechende
Dosieraerosol bietet (Ⴜ Abb. 2.15). Für die Bedienung sind nur drei Schritte notwendig:
Öffnen des Geräts durch seitliches Wegklappen der roten Abdeckung – Inhalieren –
Schließen. Ein Dreifach-Feedback zeigt dem Patienten die korrekte Inhalation an: akustisch durch ein Klickgeräusch, optisch durch das Zählwerk und geschmacklich durch
Lactose als Träger. Ein Vorteil des Nexthaler® ist auch, dass beim alleinigen Öffnen und
Schließen noch keine Dosis verloren geht, weil das bereitgestellte Pulver in das Reservoir
zurückgeführt wird.
26
2.1 Inhalatoren
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,QKDODWLRQVNDQDO
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Ⴜ Abb. 2.14 Easyhaler®, Fa. Orion.
2
Ⴜ Abb. 2.15 Nexthaler® (Foster®) in geschlossenem (links) und geöffnetem Zustand mit abgenommenem Mundstück (rechts).
Da es sich beim Nexthaler® um ein Inhalat mit Pulverreservoir und Zyklontechnik
handelt, ist die feuchtigkeitsgeschützte Lagerung wichtig. Die Reinigung des Mundstücks
darf nur mit einem trockenen Tuch erfolgen.
Turbohaler®: Beim Turbohaler® (z. B. Oxis®, Symbicort®) handelt es sich um einen Pulverinhalator, welcher gut vor Feuchtigkeit geschützt werden muss (Ⴜ Abb. 2.16). Daher ist
es wichtig, die Kunden daran zu erinnern, die Verschlusskappe nach Gebrauch sofort wieder aufzusetzen und das Gerät nicht im feuchten Badezimmer etc. aufzubewahren. In
dem möglichst senkrecht zu haltenden Gerät wird durch einmaliges Hin- und Herdrehen
des farbigen Dosierrads bis zum Anschlag aus einem internen Wirkstoffpulver-Reservoir
über eine Scheibe mit trichterförmigen Dosiernäpfen die Einzeldosis abgeteilt. Danach
darf der Turbohaler® nicht mehr erschüttert werden. Die Inhalation erfordert einen recht
hohen inspiratorischen Fluss, wobei die Lufteinlassschlitze nicht zugehalten werden dür-
27
2 Beratung zu verschiedenen Darreichungsformen
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Ⴜ Abb. 2.16 Turbohaler® (z. B. Oxis®, Symbicort®) in offenem (links) und geöffnetem Zustand
(Mitte) sowie im Querschnitt (rechts).
fen. Das bewegliche, aber nicht abnehmbare Mundstück dreht sich beim Aufschrauben
der Schutzkappe, wodurch es von intern anhaftenden Pulverresten befreit wird.
Wichtig: Das Schüttelgeräusch des Turbohaler® lässt keine Rückschlüsse auf den Füllstand zu, da es durch ein im unteren Teil integriertes Trockenmittel verursacht wird.
Vor allem für Erstanwender ist wichtig zu wissen, dass die mit dem Turbohaler® inhalierten Pulvermengen so gering sind, dass man kaum etwas davon spürt oder schmeckt.
Um das inhalierte Pulver zu visualisieren, kann ein schwarzes Tuch über die Mundöffnung gelegt werden, worauf dann weiße Abscheidungen sichtbar werden.
Spiromax®: Der im Jahr 2014 in den Markt eingeführte Mehrdosenpulverinhalator Spi-
romax® (z. B. DuoResp®) arbeitet mit einem Druckimpuls-gestützten Vordosierungssystem: Beim Öffnen des Mundstücks wird eine Federmanschette komprimiert, welche
Druck auf das interne Pulverbett ausübt (Ⴜ Abb. 2.17). Ein Dosierschlitten fährt in Inhalationsposition und verschließt dabei das Pulverreservoir. Beim Inhaliervorgang selbst
strömt Luft durch Einlassöffnungen über die Pulverdosis und durch eine Verwirbelungskammer, sodass der Patient die vom Lactoseträger abgetrennten Wirkstoffpartikel über
das Mundstück inhalieren kann. Wird das geöffnete Mundstück ohne Inhalation wieder
verschlossen, verbleibt die bereitgestellte Dosis im Reservoir. Eine Überdosierungsgefahr
besteht somit nicht. Die Bedienung durch den Patienten umfasst also lediglich das Öffnen
des Mundstücks bis zum Klickgeräusch (signalisiert die bereitgestellte Dosis) sowie den
eigentlichen Inhaliervorgang und das Wiederverschließen des Geräts. Ein Zählwerk zeigt
die noch verbliebenen Restdosen an. Als großer Vorteil des Spiromax® wird gewertet,
dass es eine Seitenlage bis zu 90° toleriert, also auch in dieser Position noch konstante
Dosen abgibt. Somit kann der Spiromax® auch von Bettlägerigen angewendet werden.
28
12 Verdauung
12.3.3 Dem trägen Darm nachhelfen
Im Beratungsgespräch sollte man Kunden, die mit der Eigendiagnose „Verstopfung“ in
die Apotheke kommen, zunächst über die normale Stuhlfrequenz informieren. Denn hinsichtlich der Stuhlfrequenz gibt es große individuelle Unterschiede. Weitverbreitet ist die
Annahme, dass täglicher Stuhlgang ein „Muss“ ist. Als Faustregel gilt jedoch: Zwischen
dreimal täglich bis einmal alle drei Tage ist im Normalbereich. Für Kunden, die tatsächlich unter einer Obstipation leiden und diese nicht oder nur unzureichend mit Verhaltensmaßnahmen in den Griff bekommen, steht eine umfangreiche Auswahl an Laxanzien
zur Verfügung (႒ Tab. 12.2), die hinsichtlich ihres Wirkprinzips nach Füll- und Quellstoffen, osmotisch wirkenden Laxanzien, Stimulanzien und Gleitmitteln unterschieden werden (Ⴜ Abb. 12.2).
Füll- und Quellstoffe
Füll- und Quellstoffe werden im Darm nur unvollständig abgebaut und können aufgrund
ihrer chemischen Struktur viel Flüssigkeit binden. Dadurch vergrößert sich das Volumen
des Darminhalts und die Verdauung wird angeregt. Derartige Quellstoffe sind besonders
im Leinsamen (Linum usitatissimum) und im Indischen Flohsamen (Platago ovata) enthalten. Sie gelten als mildes Abführmittel und werden häufig bei Stuhlunregelmäßigkeiten in der Schwangerschaft oder nach Operationen am Enddarm eingesetzt. Aufgrund
ihrer geringen Nebenwirkungen sind sie auch zum Dauergebrauch bei chronischen Verstopfungen geeignet. Gelegentlich können Quellstoffe nach der Einnahme zu Völlegefühl
und Flatulenz (Blähungen) führen. Die Wirkung von quellstoffhaltigen Präparaten setzt
nach etwa ein bis zwei Tagen ein, somit sind sie nicht für das akute Abführen geeignet.
Wichtig ist der Hinweis, dass der Patient während der Einnahme von quellstoffhaltigen
Präparaten reichlich Flüssigkeit (circa 1,5 Liter pro Tag) zu sich nehmen muss, um die
abführende Wirkung zu unterstützen. Trinkt der Patient zu wenig, besteht die Gefahr,
dass die Mittel verklumpen und die Verstopfung verschlimmert wird.
Osmotisch wirkende Laxanzien
Osmotisch wirkende Laxanzien werden während der Darmpassage geringfügig oder gar
nicht resorbiert. Ähnlich den Quellstoffen binden sie Wasser und reduzieren somit die
Rückresorption von Flüssigkeit aus dem Darm, wodurch der Stuhl weicher und voluminöser wird. Zu den osmotisch wirkenden Abführmitteln gehören Zucker und Zuckeralkohole (z. B. Lactose, Lactulose, Mannitol oder Sorbitol), Polyethylenglykole (z. B. Macrogol) sowie schwer resorbierbare Salze wie Magnesiumsulfat (Bittersalz) oder Natriumsulfat (Glaubersalz). Glauber- und Bittersalz werden in der Regel heute nicht mehr für
eine regelmäßige Einnahme empfohlen. Bei der Einnahme von Lactulose als Laxans können gerade zu Therapiebeginn Blähungen und Bauchschmerzen auftreten. Dies beruht
darauf, dass Lactulose im Dickdarm von den Darmbakterien zu Milch- und Essigsäure
vergoren wird. Polyethylenglykole dagegen passieren die Darmpassage unverändert,
sodass Nebenwirkungen wie Flatulenz und Meteorismus nicht auftreten.
220
12.3 Verstopfung
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Ⴜ Abb. 12.2 Wirkungsweise von Abführmitteln.
Stimulanzien
Darmstimulierende Abführmittel wirken einerseits motilitätsfördernd, indem sie die
Darmmuskulatur anregen. Andererseits bewirken sie, dass weniger Wasser und Salze
über die Darmschleimhaut aufgenommen werden (antiresorptive Wirkung) und gleichzeitig der Einstrom von Wasser und Elektrolyten in den Darm gesteigert wird (hydrogogene bzw. hydragoge Wirkung). Somit reichert sich vermehrt salzhaltige Flüssigkeit im
Verdauungstrakt an, der Darminhalt wird weicher und voluminöser, wodurch die Darmentleerung beschleunigt wird. Zu den darmstimulierenden Abführmitteln gehören anthrachinonhaltige Arzneipflanzen wie Aloe, Senna oder Faulbaum und die chemischen
Wirkstoffe Bisacodyl und Natriumpicosulfat. Bei übermäßigem Gebrauch derartiger
Laxanzien besteht die Gefahr einer Elektrolytverschiebung, sodass dadurch wiederum
eine chronische Verstopfung verursacht werden kann.
12
221
12 Verdauung
႒
Tab. 12.2 Übersicht Laxanzien mit Präparatebeispielen
Wirkstoff
Handelspräparate (Beispiele)
Lactulose
Bifiteral® Sirup, Lactulose-Hexal® Sirup
Lactitol
Importal® Pulver
Macrogol
Macrogol Hexal®, Movicol® flüssig, Movicol® Junior
Indische Flohsamenschalen
Mucofalk®
Bisacodyl
Dulcolax® Dragees, Suppositorien
Natriumpicosulfat
Laxoberal®, Dulcolax® NP
Sorbitol
Microlax®
Glycerol
Glycilax® Suppositorien
Anthrachinone
Neda® Früchtewürfel, Midro® Abführtabletten
Das Wichtigste in Kürze
󠀂 Von einer Obstipation spricht man bei einem unregelmäßigen, erschwerten und
teilweise auch schmerzhaften Stuhlgang.
󠀂 Für das Auftreten einer Obstipation gibt es verschiedene Ursachen.
󠀂 Ernährungsfehler, Bewegungsmangel oder Stress schränken die Darmmotilität
ein. Obstipation kann auch als Folge von verschiedenen Grunderkrankungen wie
Diabetes und Schilddrüsenunterfunktion auftreten.
󠀂 Laxanzien werden hinsichtlich ihres Wirkprinzips nach Füll- und Quellstoffen,
osmotische wirkenden Laxanzien, Stimulanzien und Gleitmitteln unterschieden.
12.4
Reizdarm
Etwa 10 % der Bevölkerung leiden unter einem Reizdarmsyndrom (RDS), das sich mit
Symptomen wie Blähungen, Verstopfung, Durchfall und krampfartigen Bauchschmerzen
äußert. Das RDS ist eines der häufigsten krankhaften Phänomene des Magen-DarmTrakts. Die genauen Ursachen für die Beschwerden sind noch nicht eindeutig geklärt.
Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass bei Reizdarmpatienten die Darmbewegungen gestört sind und die Darmschleimhaut besonders empfindlich auf mechanische
und chemische Reize reagiert.
222
16 Diabetes mellitus
16.
Diabetes mellitus
Dr. Iris Hinneburg
Diabetes mellitus gehört zu den häufigsten Krankheitsbildern, denen Sie in der Apotheke
begegnen. Während Menschen mit Typ-1-Diabetes in der Regel sehr gut geschult sind,
besteht besonders bei Patienten mit Typ-2-Diabetes erheblicher Beratungsbedarf. Dazu
können Sie in der Apotheke einiges beitragen.
Der Glucosestoffwechsel wird durch eine Vielzahl von Mechanismen und Hormonen
reguliert (Ⴜ Abb. 16.1). Bei Störungen des Glucosestoffwechsels entwickelt sich das Krankheitsbild des Diabetes mellitus, zu dem eine ganze Reihe verschiedener Formen der
Erkrankung gehören. Die häufigsten Formen sind Typ-1- und Typ-2-Diabetes. Beim
16
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Ⴜ Abb. 16.1 Der Blutzuckerspiegel im Körper wird über eine Reihe von Hormonen gesteuert.
309
16 Diabetes mellitus
Typ-1-Diabetes besteht ein absoluter Insulinmangel, da die Bauchspeicheldrüse kein
Insulin mehr produziert. In vielen Fällen sind vermutlich autoimmune Reaktionen daran
beteiligt, deren genaue Ursache aber noch unbekannt ist. Entsprechend besteht die Therapie darin, das fehlende Insulin von außen zuzuführen.
Bei einem Typ-2-Diabetes dagegen spielt die Insulinresistenz, also eine unzureichende
Wirksamkeit des körpereigenen Insulins, eine wichtige Rolle. Dadurch steigt der Insulinbedarf, der durch die Eigenproduktion in der Bauchspeicheldrüse besonders im fortgeschrittenen Stadium nicht mehr ausreichend gedeckt werden kann. Allerdings beschränkt
sich die Behandlung bei einem Typ-2-Diabetes nicht ausschließlich auf die erhöhten Blutzuckerwerte, da in der Regel auch Übergewicht sowie erhöhte Blutdruck- und Blutfettwerte vorliegen, die das kardiovaskuläre Risiko erhöhen. Deshalb ist es sinnvoll, dass der
Arzt mit dem Patienten Therapieziele im Hinblick auf den Lebensstil (besonders Bewegung und Ernährung) vereinbart und bei Bedarf auch weitere Arzneimittel wie Antihypertonika oder Statine verordnet.
Die Behandlung des Typ-2-Diabetes beginnt in der Regel mit einer Basistherapie
(Schulung und Umsetzung von Veränderungen im Lebensstil). Wenn innerhalb von drei
bis sechs Monaten die angestrebten Blutzuckerwerte (in der Regel HbA1c-Wert von 6,5–
7,5 %, individuelle Abweichungen möglich) nicht erreicht werden, kommt als Mittel der
ersten Wahl Metformin zum Einsatz. Ist jedoch schon abzusehen, dass bei einem Patienten die Basistherapie allein nicht ausreicht, kann auch sofort nach Diagnosestellung mit
der Pharmakotherapie begonnen werden.
Reicht die Behandlung mit Metformin nicht aus, wird die Therapie in Stufen nach
Bedarf gesteigert. Derzeit besteht ein Dissens zwischen den Fachgesellschaften in
Deutschland, welcher Arzneistoff als nächste Steigerungsstufe zusätzlich zu Metformin
am ehesten empfehlenswert ist. Grund dafür ist vor allem die Studienlage (für viele neuere Antidiabetika fehlen Ergebnisse aus Langzeitstudien mit patientenrelevanten Endpunkten) und die schwierige Abwägung zwischen fehlender Erkenntnissicherheit zum
Nutzen und individuellen Vor- und Nachteilen der einzelnen Arzneistoffe. Deshalb wird
der Arzt in der Regel mit dem Patienten im Einzelfall überlegen, welche Therapievariante
für ihn konkret am sinnvollsten ist.
16.1
Insuline
Insuline kommen immer bei Typ-1-Diabetes, bei Typ-2-Diabetes häufig erst im fortgeschrittenen Stadium zum Einsatz. Konkrete Hinweise zum Umgang mit Insulinpens finden sich in Ⴉ Kap. 2.2. Eine Auswahl von derzeit erhältlichen Insulinpräparaten zeigt
႒ Tab. 16.1.
16.1.1
Individuelles Behandlungsschema
Wenn eine Insulintherapie notwendig ist, stehen verschiedene Behandlungsschemata zur
Verfügung, die verschiedene Vor- und Nachteile aufweisen. Deshalb ist eine patientenspezifische Auswahl wichtig. Allgemein gilt: Der Insulinbedarf ist individuell sehr ver-
310
16.1 Insuline
႒
Tab. 16.1 Auswahl von Insulinen
Wirkstoff
Handelspräparate (Beispiele)
Humaninsulin
Normalinsulin
Actrapid®, Insuman® Rapid
NPH-Insulin
Protaphane®, Insuman® Basal Huminsulin® Basal
Kurzwirksame Insulinanaloga
Insulin lispro
Humalog®, Liprolog®
Insulin aspart
NovoRapid®
Insulin glulisin
Apidra®
Langwirksame Insulinanaloga
Insulin glargin
Lantus®, Toujeo®, Abasaglar®
Insulin detemir
Levemir®
schieden. Dabei spielen unterschiedliche Parameter eine wichtige Rolle, etwa das Ausmaß
des Insulindefizits, die individuelle Insulinempfindlichkeit, die Pharmakologie der verwendeten Insulinpräparate, Nahrungszufuhr, körperliche Aktivität, Tageszeit oder vorliegende Infekte. Deswegen müssen Patienten, die Insulin spritzen, unbedingt eine ausreichende Schulung durch den Arzt erhalten. Dabei wird auch ermittelt, wie hoch der jeweilige basale und mahlzeitenbezogene Insulinbedarf ist.
Bei der basalunterstützten oralen Therapie (BOT) spritzt der Patient in der Regel vor
dem Schlafengehen Basalinsulin zusätzlich zu seinen oralen Antidiabetika. Dieses Prinzip
ist für den Patienten meist leicht zu handhaben und wird besonders bei erhöhten Nüchternglucosewerten angewendet. Sind dagegen hauptsächlich die postprandialen Blutzuckerwerte erhöht, kann eine supplementäre Insulintherapie (SIT) eingesetzt werden.
Dabei appliziert der Patient kurzwirksame Insuline zu den Hauptmahlzeiten.
Bei der konventionellen Insulintherapie (CT) werden häufig fixe Mischungen aus langund kurzwirksamen Insulinen verwendet. Die Dosierung und Applikationszeitpunkte
legen Arzt und Patient gemeinsam fest. Das vereinfacht die Therapie, allerdings ist der
Patient an diese Festlegungen gebunden und darf keine Mahlzeiten auslassen. Bei dieser
Therapieform muss der Patient wissen, wie er bei erhöhten Blutzuckerwerten oder geplanter körperlicher Aktivität die Insulindosis anpassen kann. Diese Therapieform erfordert
einen geregelten Tagesablauf, ist aber besonders für Patienten geeignet, die mit einer flexiblen Insulintherapie (häufige Injektionen und Blutzuckermessungen) nicht zurechtkommen. Die konventionelle Therapie kommt vor allem bei älteren Typ-2-Diabetikern zur
Anwendung. Typischerweise werden Mischungen aus Normal- und Intermediärinsulin
verwendet, die zweimal täglich (morgens und abends) appliziert werden. Neben den
16
311
16 Diabetes mellitus
Hauptmahlzeiten sind auch Zwischenmahlzeiten notwendig, um Hypoglykämien durch
die längere Wirkdauer der Intermediärinsuline zu vermeiden.
Die höchste Flexibilität, aber auch die höchsten Anforderungen an das Selbstmanagement ergeben sich bei der intensivierten Insulintherapie (ICT). Dabei werden die benötigten Insulinmengen für den Basisbedarf und die Mahlzeiten getrennt ermittelt und
appliziert. Für den Basisbedarf kommen Insuline mit (mittel-)langer Wirksamkeit zum
Einsatz, für den Mahlzeitenbedarf kurzwirksame Insuline. Auf diese Weise kann der Patient die Behandlung besser an die tatsächliche Nahrungsaufnahme und körperliche Aktivität anpassen, allerdings sind häufige Blutzuckerbestimmungen und Insulininjektionen
notwendig und damit auch eine gute Schulung und Motivation der Patienten. Mit der ICT
lässt sich der HbA1c-Wert stärker senken als mit der konventionellen Insulintherapie,
allerdings besteht auch ein höheres Risiko für Hypoglykämien und die Patienten nehmen
meist mehr an Gewicht zu.
Für die intensivierte Insulintherapie kann auch eine Insulinpumpe eingesetzt werden,
bei der der Patient eine Basisrate einstellt, die kontinuierlich abgeben wird. Je nach Situation, etwa beim Sport, kann diese Basisrate auch verändert werden. Für die Mahlzeiten
gibt der Patient über die Pumpe eine jeweils passende Insulinmenge zusätzlich als Bolus
ab. Bei der Therapie mit Insulinpumpen werden ausschließlich schnellwirksame Insuline
eingesetzt.
16.1.2
Humaninsuline
Insulin ist ein Protein, das aus zwei Aminosäuren-Ketten besteht. Weil Proteine im
Magen-Darm-Trakt durch die Verdauungssäfte zersetzt werden, muss Insulin parenteral
verabreicht werden. Zu Beginn der Insulinbehandlung war nur Insulin erhältlich, das aus
den Bauchspeicheldrüsen von Rindern isoliert wurde. Später folgte Schweineinsulin. Die
tierischen Insuline sind dem menschlichen Insulin sehr ähnlich, sie unterscheiden sich
im Aufbau aber um drei Aminosäuren beim Rind bzw. eine Aminosäure beim Schwein.
Für die Wirksamkeit spielen diese Unterschiede zwar keine Rolle, doch gab es immer wieder immunologische Reaktionen auf das tierische Eiweiß. Inzwischen ist es möglich,
durch genetisch modifizierte Hefen Humaninsulin zu produzieren.
Der Wirkstoff Humaninsulin (auch Alt- oder Normalinsulin) bildet in Lösung Einheiten von sechs Molekülen (Hexamere), die nach der Injektion zuerst in Aggregate aus zwei
Molekülen (Dimere) zerfallen und danach in Einzelmoleküle. Erst diese Einzelmoleküle
können an den Insulinrezeptor binden und wirken blutzuckersenkend. Humaninsulin
hat eine Wirkdauer von etwa 5–7 Stunden. Durch Bindung an ein Protein (NPH, neutrales Protein Hagedorn) kann die Wirkdauer des Insulins auf etwa 12–16 Stunden verlängert werden. In der intensivierten Insulintherapie wird NPH-Insulin als Basalinsulin mit
zweimal täglicher Injektion für den Grundbedarf des Körpers eingesetzt, Normalinsulin
zur Abdeckung des Mahlzeitenbedarfs (Bolusinsulin). Bei der konventionellen Insulintherapie wird in der Regel schnellwirksames Insulin gemeinsam mit Verzögerungsinsulin
gespritzt.
312
16.1 Insuline
16.1.3 Insulinanaloga
Seit Mitte der 1990er Jahre sind verschiedene Insulinanaloga auf den Markt gekommen.
Bei den Wirkstoffen wurde die Aminosäure-Kette des Insulinmoleküls gezielt verändert,
sodass unterschiedliche pharmakokinetische Eigenschaften resultieren. Dadurch ist es
möglich, Insuline mit einem schnelleren Wirkungseintritt zu produzieren oder umgekehrt die Wirkdauer zu verlängern. Bei den kurzwirksamen Insulinanaloga Insulin aspart,
Insulin lispro und Insulin glulisin wurden die Aminosäureketten so verändert, dass die
Moleküle sich in geringerem Umfang als bei Normalinsulin zu Hexameren zusammenlagern können. Dadurch steigt die Resorptionsgeschwindigkeit aus dem Unterhautfettgewebe.
Bei den langwirksamen Insulinanaloga bewirken verschiedene Mechanismen die verzögerte Wirkung. Insulinglargin liegt in der Patrone durch den sauren pH-Wert der
Zubereitung vollständig gelöst vor. Nach Injektion bilden sich in der pH-neutralen Umgebung des subkutanen Gewebes Ausfällungen (Mikropräzipitate), aus denen Insulin glargin sehr langsam freigesetzt wird. Bei Insulin detemir bilden sich durch einen Fettsäurerest am Ende der B-Kette vermehrt Hexamere, die zu einem langsameren Wirkungseintritt führen. Zusätzlich bindet Insulin detemir an Plasmaproteine (Albumin). Insulin
glargin wird einmal täglich appliziert, Insulin detemir ein- bis zweimal täglich.
Diskussion zum Nutzen der Insulinanaloga
Die Insulinanaloga werden damit beworben, dass bei den kurzwirksamen Substanzen
kein Spritz-Ess-Abstand notwendig ist und insgesamt weniger Hypoglykämien als bei
Humaninsulin auftreten. Auch wenn diese Aussagen auf der Basis der pharmakokinetischen Eigenschaften plausibel erscheinen, weisen Kritiker darauf hin, dass es mit Studien
bisher nicht eindeutig geklärt ist, ob Insulinanaloga tatsächlich einen klinisch relevanten
Vorteil haben. So beschreibt die aktuelle Leitlinie zur Behandlung des Typ-1-Diabetes,
dass es keine Belege für den Nutzen eines fixen Spritz-Ess-Abstands bei Humaninsulin
gibt. Vielmehr sollen die Patienten bei dem zeitlichen Abstand zwischen Insulininjektion
und Beginn der Mahlzeit mehrere Faktoren berücksichtigen: etwa die Blutzuckerwerte
vor der Mahlzeit, die Zusammensetzung der Mahlzeit und die geplante Bewegung. Hinzu
kommt, dass der Wirkungseintritt und die Wirkdauer der Insuline nicht nur von der
Pharmakokinetik der Substanzen bestimmt werden. Auch der Ort der Injektion und die
applizierte Insulinmenge spielen eine wichtige Rolle. Allerdings steigt mit Insulinanaloga
der Blutzuckerspiegel nach der Mahlzeit weniger stark an als mit Humaninsulin, wenn auf
einen Spritz-Ess-Abstand verzichtet wird. Eindeutige Unterschiede im Hinblick auf die
Langzeitkontrolle des Blutzuckers sind jedoch nicht nachweisbar. Auch Untersuchungen,
die ein vermindertes Hypoglykämierisiko für Insulinanaloga zeigen, sind umstritten.
Experten kritisieren, dass die in Studien ersichtlichen Unterschiede bestenfalls von marginaler klinischer Relevanz sind. Arzt und Patient müssen also individuell entscheiden,
welches Insulin im Einzelfall am besten geeignet ist.
16
313
22 Komplementärmedizin
Menschen hinzu und bezieht die Ebenen Leben, Seele und Geist mit ein. Diese sind nach
ihrem Selbstverständnis Grundlage für eine ganzheitliche Therapie. Der Mensch, als Patient, wird als aktiv mitwirkendes Individuum betrachtet.
22.4.1 Gesundheit durch Gleichgewicht
In der Anthroposophischen Medizin wird Gesundheit als individuelle Fähigkeit gesehen,
Krisen bzw. Krankheiten zu überwinden. Gesund sein und bleiben ist ein ständiger Balanceakt zwischen verschiedenen krankmachenden Tendenzen. Man erkennt, dass Krankheiten entweder in eine entzündliche Richtung tendieren, d. h. begleitet werden von
Symptomen, die mit Wärme und Auflockerung von Gewebe bis hin zur Auflösung einhergehen (z. B. Sinusitis), oder in eine sogenannte sklerotische (verhärtende) Richtung
gehen. Als sklerotische Erkrankungen in diesem Sinne betrachtet man Symptome, die mit
Verhärtungen und Ablagerungen (z. B. Arteriosklerose) zusammenhängen (Ⴜ Abb. 22.20).
Um gesund zu werden oder gesund zu bleiben, muss der Mensch die Mitte halten zwischen diesen beiden Polen. Anthroposophische Arzneimittel sind so konzipiert, dass sie
den Körper bei den Balanceprozessen unterstützen.
22.4.2 Indikationen aus der Selbstmedikation
Erkältung
Entscheidend für die Stabilität des menschlichen Organismus ist die Fähigkeit, auf äußere
Einflüsse, z. B. Kälteeinwirkungen mit genügend innerer Wärmebildung reagieren zu
können. Ist der innere Wärmeorganismus gestört, treten zuerst an den Grenzflächen zwischen innen und außen, an den Schleimhäuten, überschießende Reaktionen auf. Der
Organismus versucht hier, die fehlende Wärme durch eine verstärkte Wärmereaktion auszugleichen, Fieber bzw. Entzündungsprozesse sind die Folge. Infolge einer Entzündung
kommt es zu einer vermehrten Durchlässigkeit der Kapillaren: es tritt Wasser „über die
458
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Ⴜ Abb. 22.20 Gesundheit
durch Gleichgewicht.
22.4 Anthroposophische Medizin
Ufer“, die typischen Erkältungssymptome wie Schnupfen, Halsschmerzen und Hustenreiz
zeigen sich.
Fieber als natürliche Waffe: Fieber als Begleitung eines grippalen Infekts ist ein Selbst-
heilungsversuch des Organismus, eine natürliche „Waffe“ gegen die Erreger. In der Anthroposophischen Medizin wird Fieber kontrolliert und geleitet, wenn möglich aber nicht
unterdrückt. Infludoron® Streukügelchen und Aconitum/China comp. Supp. sind geeignete Arzneimittel, die bei einem grippalen Infekt mit Fieber empfohlen werden können
(႒ Tab. 22.4).
Warme Füße sind eine Grundvoraussetzung, um einem grippalen Infekt wirksam zu
begegnen. Deshalb lohnt es sich, das Beratungsgespräch darauf zu lenken mit der einfachen Frage, ob die Füße sich warm oder kalt anfühlen. Schon Pfarrer Kneipp empfahl
Fußbäder. Für die Erkältungssituation bietet sich das „ansteigende Fußbad“ (siehe Infokasten) an, das bestenfalls am Abend vor dem Zubettgehen durchgeführt werden sollte.
Ein Badezusatz mit dem ätherischen Öl der Fichtennadeln befreit zusätzlich die Atemwege. Wählt man Rosmarin, kann man die wärmende Wirkung des Wassers noch durch
die Heilpflanzenwirkung verstärken.
Ansteigendes Fußbad
Die Füße in einer Schüssel mit angenehm warmem Wasser baden. In mehreren
Schritten wird heißes Wasser hinzugefügt, sodass die Temperatur des Wassers auf
40 °C steigt. Die Badedauer beträgt 10–15 Minuten. Anschließend die Füße warm
halten.
Auch pflanzliche Öle haben auf der Haut eine wärmende Wirkung, denn das Öl aus den
Samen wirkt wie konzentrierte Sonnenkraft auf den erkälteten Organismus. Besonders zu
Beginn eines grippalen Infekts ist eine Einreibung mit einem medizinischen Öl hilfreich,
um die Wärmehülle zu stabilisieren.
Hierfür eignet sich auch eine Komposition öliger Auszüge aus den Blüten von Malve,
Johanniskraut und Holunder (Malvenöl). Besonders Kinder sprechen auf diese Anwendung an.
Tipps für die Beratung
󠀂 Empfehlen Sie bei Erkältungen ein abendliches, ansteigendes Fußbad, das für
warme Füße sorgt.
󠀂 Wichtig ist ausreichend zu trinken, am besten warmen Tee, z. B. Lindenblüte oder
Holunderblüte.
22
󠀂 Bettruhe und ausreichend Schlaf fördern die Heilung.
󠀂 Die Wärmehülle kann durch Einreibungen mit medizinischem Öl z. B. Malvenöl
(Wala) stabilisiert werden.
459
22 Komplementärmedizin
႒
Tab. 22.4 Arzneimittel bei grippalem Infekt mit und ohne Fieber
Handelspräparate
(Beispiele)
Indikation
Dosierung für Erwachsene
Infludoron® Streukügelchen (Weleda)
Begleitet alle Phasen eines
grippalen Infekts, mit und
ohne Fieber.
1–2-mal stündlich 15 Globuli, Einnahme bei den ersten Erkältungssymptomen
Aconitum/China comp.
Supp. für Kinder (Wala)
Fieberhafte, grippale
Infekte
1–2-mal täglich 1 Zäpfchen in den
Mastdarm des Kindes einführen
Meteoreisen Globuli
velati (Wala)
Bei Erschöpfung, beginnendem grippalen Infekt
und in der Rekonvaleszenz
3-mal täglich 10 Globuli, vorbeugend: 1-mal 10 Globuli
Agropyron Globuli velati
(Wala)
Schnupfen, Halsschmerzen, schleimlösend
Akut: alle zwei Stunden 3–5 Globuli, Weiterbehandlung: 3-mal
täglich 3–5 Globuli
Bronchialbalsam, Ölige
Einreibung (Weleda)
Durchwärmend, lösend,
entkrampfend
1–2-mal täglich Brust und Rücken
mit einigen Tropfen Bronchialbalsam einreiben
Hautverletzungen
Die gesunde Haut befindet sich im Gleichgewicht zwischen von innen nach außen strebenden Aufbaukräften und von außen nach innen wirkenden Abbaukräften. Wirken von
außen kommende Abbaukräfte zu stark auf die Haut ein, beispielsweise durch Verletzungen (Schürf- bzw. Schnittwunden), versucht die Haut das durch eine Aktivierung
der Aufbaukräfte auszugleichen und leitet die Phasen der Wundheilung ein:
erhöhte Stoffwechselaktivität in der Haut ermöglicht eine feuchte Selbstreinigung der Wunde durch Auflösungsprozesse. In der sich anschließenden
Granulationsphase werden die Auf- und Abbauprozesse so reguliert,
dass neue Hautzellen entstehen können. Damit die Wundheilung
durch Verdichtungs- und Grenzbildungsprozesse abgeschlossen werden kann, sind die regulierenden
Formkräfte wichtig.
Calendula als Vorbild für die Wundheilung
Zur Heilung der verletzten Haut sind
komplexe Prozesse humoraler und zellulärer Natur notwendig. Beeindruckend ist die Kommunikation der
Zellen im Wundgebiet untereinan-
Ⴜ Abb. 22.21 Ringelblume wird bei
Hauterkrankungen eingesetzt.
460
22.4 Anthroposophische Medizin
႒
Tab. 22.5 Therapeutische Maßnahmen für die Wundheilung in den Wundheilungsphasen
Reinigung
Resorption
Granulation
Epithelisierung
Regeneration
Reinigen
Stimulieren
Entwicklungsraum schaffen
Pflege des
neuen Epithels
Stabilisierung der
Narbe
Verdünnte
Calendula
Essenz (Wala/
Weleda) als
Spülung
Verdünnte
Calendula
Essenz als
Kompresse
Calcea Wundund Heilcreme
(Wala) oder
Calendula
Wundsalbe
(Weleda)
Calcea Wundund Heilcreme
oder Calendula
Wundsalbe
Calcea Wund- und
Heilcreme oder
Calendula Wundsalbe, anschließend Narben Gel
(Wala)
der, um eine gesunde Wundheilung zu ermöglichen. Zwei Behandlungsaspekte sind hierbei wichtig. Zum einen muss Fremdkeimen (z. B. Bakterien) die Lebensgrundlage entzogen werden und gleichzeitig soll über den Hautstoffwechsel die Neubildung des Granulationsgewebes angeregt werden. Das bedeutet kräftiges Wachstum einerseits, verbunden
mit klaren Ordnungsprozessen andererseits, um Wucherungen und Narbenbildung zu
vermeiden.
Ziel einer guten Wundversorgung ist es, die Wunde so schnell wie möglich in der Heilung zu unterstützen, indem man den Selbstregulationskräften der Haut arzneiliche Vorbilder gibt. Bestes Beispiel hierfür ist Calendula officinalis, die Ringelblume (Ⴜ Abb. 22.21).
Als berühmtes Wundkraut wirkt sie antimikrobiell, antibakteriell, antiviral, fungizid,
immunstimulierend, entzündungshemmend, wundheilungsfördernd (regt die Bildung
von Granulationsgewebe an) und verhindert eine überschießende Narbenbildung
(႒ Tab. 22.5). In ihren Wachstumsprozessen wird ihre Wirksamkeit als Wundheilpflanze
sichtbar: Sehr vital, aber ungegliedert erscheint das grüne Kraut der Ringelblume, auch
Wucherblume genannt. Es verwandelt sich in streng und symmetrisch geordnete gelborangene Korbblüten. Sie gibt ein Vorbild im Umgang mit den überschießenden,
wuchernden zur Auflösung neigenden Tendenzen in der Wundheilung.
Tipps für die Beratung
󠀂 Bei Bedarf kann die Wunde mit verdünnter Calendula-Essenz vorsichtig gesäubert werden.
󠀂 Zum Reinigen und Verbinden sollte fusselfreies Material verwendet werden
(Mullkompressen).
󠀂 Keine Salben auf die frische Wunde geben.
22
Augenbeschwerden
Nicht nur bei einer Allergie auf Pollen oder Hausstaub reagiert die Bindehaut im Auge mit
Rötung, Jucken, Tränenfluss oder Brennen. Auch in Erkältungszeiten, beim Skifahren
oder am Strand kommt es leicht zu Bindehautreizungen. Offensichtlich ist die Abgren-
461
22 Komplementärmedizin
႒
Tab. 22.6 Augentropfen und Augensalbe
Handelspräparate
(Beispiele)
Indikation
Dosierung für Erwachsene
Euprasia Augentropfen, Einzeldosen (Wala), Euphrasia
D3 Augentropfen (Weleda)
Bei geröteten und gereizten
Augen und Lidödemen,
allergischem Auge, Bindehautreizung
1–3-mal täglich 1 Tropfen.
Akut: 1–2-mal stündlich
Euphrasia comp. Augensalbe
(Weleda)
Bei Bindehautentzündung
und Gerstenkorn
Mehrmals täglich und zur
Nacht in den Bindehautsack
einbringen
zungsfähigkeit des Menschen am Auge gegen Fremdeinflüsse geschwächt und diese gilt es
mit der Anwendung von Augentropfen zu stärken.
Bei einem Gerstenkorn (Hordeolum) handelt es sich um eine akute Infektion im
Bereich der Talg- und Schweißdrüsen des Lidrandes, meist verursacht durch Staphylokokken. Der Kunde schildert einen Druckschmerz am Lidrand und eventuell ist auch
schon eine kleine Eiteransammlung („Pickel“) sichtbar.
Euphrasia spendet dem Auge Trost
Leitpflanze bei Bindehautreizung und Bindehautentzündung ist Euphrasia (Ⴜ Abb. 22.22). Diese Augenheilpflanze hemmt in Euphrasia Augentropfen Entzündungen, lindert Schmerzen und Juckreiz und wirkt
adstringierend an der gereizten Bindehaut
(႒ Tab. 22.6). In Kombination mit immunstärkendem Sonnenhut (Echinacea) und entzündungshemmender Ringelblume (Calendula) hat sich
Augentrost auch zur Behandlung des Gerstenkorns mit einer Augensalbe bewährt. Die Präparate sind frei von Konservierungsstoffen.
Das Auge von innen stärken
Neben der Behandlung mit Augentropfen ist
es auch möglich, durch innerliche Arzneigaben die Augenbeschwerden zu lindern und die
Heilung anzuregen (႒ Tab. 22.7). Bei Entzündungen am Auge unterstützt Quarz in Silicea comp.
Globuli die Heilung. Als Basisbehandlung bei allergischer Disposition ist eine längerfristige Einnahme über drei Monate mit Calcium Quercus
Globui sinnvoll, da die Auszüge aus Eichenrinde die
Ⴜ Abb. 22.22 Augentrost ist ein bewährtes Augenmittel.
462
24 Gefahrstoffe
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Ⴜ Abb. 24.1 Beispieletikett für die Abgabe von 250 ml Aceton an eine Privatperson.
Das Wichtigste in Kürze
󠀂 Auf das Kennzeichnungsetikett eines Gefahrstoffs gehören die Adresse und Telefonnummer der Apotheke, Name und EG-Nummer des Stoffs oder Gemischs, die
Gefahrenpiktogramme, das Signalwort, die H- und EUH-Sätze und möglichst
nicht mehr als sechs P-Sätze.
󠀂 Wenn notwendig, ist noch ein tastbarer Gefahrenhinweis und ein kindergesicherter Verschluss anzubringen.
󠀂 Die erforderlichen Daten sind im Sicherheitsdatenblatt des Herstellers angegeben.
󠀂 Bei der Abgabe an berufsmäßige Verwender dürfen die allgemeinen P-Sätze,
d. h. P101, P102, P103 und der Entsorgungssatz P501 entfallen, es muss jedoch
das Sicherheitsdatenblatt mitgegeben werden.
518
24.2 Kennzeichnung
24.2.3 Innerbetriebliche Kennzeichnung und Lagerung
Gefährliche Stoffe müssen nicht nur beim Inverkehrbringen, sondern auch bei der Verwendung gekennzeichnet werden. Das bedeutet, dass auch die Vorratsgefäße von Gefahrstoffen in Apotheken nach den Vorschriften der CLP-VO, also mit der Bezeichnung des
Stoffs, den Gefahrenpiktogrammen, dem Signalwort, den H- und P-Sätzen versehen sein
müssen. Die Technischen Regeln für Gefahrstoffe 201 „Einstufung und Kennzeichnung
bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen“ erleichtern diese Vorschriften jedoch.
Vereinfachte Kennzeichnung bei Tätigkeiten
Die vereinfachte Kennzeichnung in Betrieben ist erlaubt, wenn entsprechende Gefährdungsbeurteilungen, Betriebsanweisungen und Sicherheitsdatenblätter vorhanden sind
sowie die Unterweisung der Beschäftigten regelmäßig durchgeführt wird. Eine bestimmte
Gefäßgröße darf bei der vereinfachten Kennzeichnung nicht überschritten werden.
Labortypische Mengen bei Tätigkeiten sind gemäß TRGS 526 z. B. für Flüssigkeiten maximal 2,5 l, für Feststoffe maximal 1 kg, für akut toxische Stoffe sind die Mengenbegrenzungen geringer.
Die vereinfachte Kennzeichnung besteht aus der Angabe der Bezeichnung des Stoffs
oder Gemischs und der Gefahrenpiktogramme. Die Codes der H-Sätze müssen nur angegeben werden, wenn die Gefahr aus dem Piktogramm nicht eindeutig ersichtlich ist. In
der CLP-VO sind den 28 Gefahrenklassen neun unterschiedliche Piktogramme zugeordnet. Die eindeutige Zuordnung eines Stoffs in die entsprechende Gefahrenklasse ist nur
am H-Satz erkennbar. Deshalb ist die Angabe der H-Sätze sinnvoll. Auch Signalwort und
EUH-Sätze müssen lt. TRGS 201 nicht vermerkt werden. Die Angabe der EUH-Codes ist
jedoch für die Sicherheit der Beschäftigten ebenfalls sinnvoll. Die grundsätzliche Angabe
des Signalworts sowie der H- und EUH-Codes wird von den Berufsgenossenschaften und
der Bundesapothekerkammer empfohlen. Das Etikett für ein Vorratsgefäß mit Aceton,
Fassungsvermögen 1 l, sieht aus wie in Ⴜ Abb. 24.2.
Handelt es sich bei Vorrats- und Reagenziengefäßen um größere Mengen, müssen die
H-Sätze, EUH-Sätze und auch die P-Sätze auf dem Etikett vermerkt sein und zwar im
vollen Wortlaut.
Farbkonzept der Bundesapothekerkammer
Die H-Sätze geben genau an, welche Gefahr von dem betreffenden Stoff/Gemisch ausgeht.
Um bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen schnell feststellen zu können, welche Schutzmaßnahmen nach den Gefährdungsbeurteilungen gemäß Gefahrstoffverordnung zu treffen
sind, hat die Bundesapothekerkammer das sogenannte Farbkonzept entwickelt. Hierbei
handelt es sich nicht um eine gesetzliche Vorschrift, sondern um eine Empfehlung für die
innerbetriebliche Kennzeichnung von Gefahrstoffen. Nach diesem Konzept wird den
H-Sätzen der Reihe Gesundheitsgefahren und auch einigen EUH-Sätzen eine bestimmte
Farbe zugeordnet. So wird z. B. dem H-Satz H350 (Kann Krebs erzeugen.) die Farbe Rot
für CMR-Stoffe zugeordnet. Wenn ein Gefäß also zusätzlich zu der Kennzeichnung mit
einem roten Punkt versehen ist, ist auf den ersten Blick zu sehen, dass besondere Schutzkleidung erforderlich ist. Gefahren durch Hautkontakt (dermal) wird die Farbe Gelb,
durch Augenkontakt Hellblau und durch Einatmung (inhalativ) Orange zugeordnet
(႒ Tab. 24.5).
24
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24 Gefahrstoffe
႒ Tab. 24.5 Farbkonzept der Bundesapothekerkammer.
Quelle: BAK mit freundlicher Genehmigung
Farbe
Potenzielle Gefahr
Persönliche Schutzausrüstung
Gefahr durch Kontakt
(CMR-Stoffe Kat. 1A, 1B)
Geeignete Schutzkleidung, Schutzhandschuhe,
Atemschutz, Schutzbrille
Gefahr durch Hautkontakt
Schutzhandschuhe
Gefahr durch Einatmen
Atemschutz
Gefahr für die Augen
Schutzbrille
Ⴜ Abb. 24.2 Beispieletikett
für ein Standgefäß mit Aceton, 1 l.
$FHWRQ
*HIDKU
+ + + (8+
Lagerung von Gefahrstoffen in der Apotheke
Gemäß § 8 GefStoffV sind giftige Stoffe und Gemische so zu lagern, dass nur fachkundige
Personen Zugang haben. In der Apothekenpraxis werden diese Stoffe bzw. Gemische
unter Verschluss gelagert. Gemäß CLP-VO betrifft das alle Stoffe/Gemische mit der
Kennzeichnung GHS06 und/oder GHS08 mit den H-Sätzen H340 und/oder H350 und/
oder H360 und/oder H370 und/oder H372.
Weitere Lagerungsvorschriften, z. B. für die Lagerung von entzündbaren Flüssigkeiten,
enthält die TRGS 510.
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24.3 Abgabe von Gefahrstoffen
Das Wichtigste in Kürze
󠀂 Die Etiketten von Standgefäßen mit gefährlichen Stoffen und Reagenzien können
vereinfacht gekennzeichnet werden. Hier sind nur die Gefahrenpiktogramme,
das Signalwort und die Codes der H- und EUH-Sätze anzugeben.
󠀂 Zusätzlich kann das Farbkonzept der Bundesapothekerkammer eingesetzt werden. Dieses macht die Gefahren auf den ersten Blick sichtbar und erinnert an die
notwendige Schutzausrüstung: Gelb für Schutzhandschuhe, orange für Atemschutz, hellblau für Schutzbrille und rot für die besondere Schutzausrüstung bei
CMR-Stoffen.
24.3 Abgabe von Gefahrstoffen
Wird von Kunden in der Apotheke ein Gefahrstoff gewünscht, ist zu prüfen, ob eine
Abgabe dieses Stoffs erlaubt ist. Die europäische REACH-Verordnung, die Verordnung
über die Vermarktung von Explosivstoffen (VO (EU) 98/2013) und die deutsche Chemikalienverbotsverordnung beschränken bzw. verbieten teilweise die Abgabe von Stoffen.
Das Grundstoffüberwachungsgesetz (GÜG) fordert die Einhaltung bestimmter Vorgaben
bei der Abgabe von Stoffen, die der Drogengewinnung dienen können.
24.3.1 REACH-VO
Für Stoffe, von denen ein unangemessenes Risiko für die menschliche Gesundheit oder
die Umwelt ausgeht, gibt die REACH-VO die Möglichkeit der Beschränkung von Herstellung, Inverkehrbringen und Verwendung. Es können Beschränkungen und auch, falls
notwendig, Verbote verhängt werden. Die detaillierten Einschränkungen und Verwendungsverbote in Anhang XVII der REACH-VO sind sehr umfangreich. Die aktuelle Fassung ist unter www.reach-clp-biozid-helpdesk.de/de/REACH/Zulassung-Beschraenkung/Beschraenkung/Anhang-XVII/Anhang17.html zu finden.
Die Verbote und Beschränkungen gelten in der Regel nicht für die Verwendung in
Wissenschaft und Forschung, also z. B. auch nicht für die Verwendung dieser Stoffe als
Reagenzien in der Apotheke.
24.3.2 ChemVerbotsV und VO (EU) 98/2013
Die ChemVerbotsV bezieht sich in ihren Vorgaben noch auf das frühere Gefahrstoffrecht.
Sie wurde noch nicht an die CLP-VO angepasst. Die Verbots- und Dokumentationsvorschriften betreffen u. a. die giftigen und sehr giftigen sowie CMR-Stoffe der Kategorien 1A
und 1B und ausgewählte Sprengstoffgrundstoffe.
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