Kat. Metzkes - Galerie Brusberg
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Kat. Metzkes - Galerie Brusberg
Kabinettdruck 39 »Wanderoper« Öl auf Leinwand, 2003 60 x 90 cm Lager-Nr. BK 15239 Edition Brusberg Berlin Harald Metzkes Kabinettdruck 39 herausgegeben von Dieter Brusberg und Ernst Wilhelm Contzen »Schwarzgesicht und Weißgesicht oder Die menschliche Komödie« Bilder aus 50 Jahren Eine Ausstellung in der Deutschen Bank Luxembourg vom 26. April bis 15. Juli 2007 Deutsche Bank Luxembourg 2, Boulevard Konrad Adenauer L-1115 Luxembourg Telefon 00352. 421 22 223 Telefax 00352. 421 22 222 www.deutsche-bank.lu Inhalt Ernst Wilhelm Contzen 6 Grußwort Harald Metzkes 8 Biografische Daten 5 – 21 Gemälde 1957 - 1988 26 – 54 Gemälde 1989 - 2006 Jörg Makarinus 11 – 12 Das Fügen des Bildes Ute Bopp-Schumacher 16 »Der Strand« Anmerkungen zu einem Bild Dieter Brusberg 23 – 24 Besuche im Atelier Anmerkungen zu Harald Metzkes 55 Impressum »Mann mit Geigerzähler« Öl auf Leinwand, 1957 180 x 150 cm Berliner Volksbank 4 5 Ernst Wilhelm Contzen Geschäftsführendes Verwaltungsratsmitglied Deutsche Bank Luxembourg S.A. Grußwort Ausstellung Harald Metzkes »Schwarzgesicht und Weißgesicht oder Die menschliche Komödie« Unsere Kunstausstellungen der letzten Jahre konzentrieren sich immer wieder auf in der Sammlung der Bank vertretene Künstler, die einen wichtigen Beitrag zur aktuellen Kunstgeschichte geleistet haben. Dabei ist es uns ein Anliegen, das Schaffen der Künstler dicht und breit vor Augen zu führen. Schon lange hegten wir den Wunsch, das Werk des 1929 in Bautzen geborenen Künstlers Harald Metzkes in Luxemburg einem größeren Publikum vorzustellen. Von besonderem Interesse ist, dass Harald Metzkes seit Gründung der DDR in Ost-Berlin als Maler diskret und unermüdlich wirkte, aber keine offizielle DDR-Ästhetik repräsentierte. Das vielfältige und umfangreiche Alterswerk dieses Künstlers entwickelte sich vor dem Hintergrund dramatischer politischer Umwälzungen. Gemeinsam mit der Galerie Brusberg Berlin ist es uns gelungen, eine Ausstellung zu konzipieren, die die Genese und Umbrüche im Werk Harald Metzkes’ an herausragenden Werken exemplarisch vor Augen führt. Die Ausstellung konzentriert sich auf großfigurige Szenarien und lässt Landschaftsdarstellungen und Stilleben außen vor. Um dem umfangreichen Werk gerecht zu werden, beziehen wir erstmals in dieser Ausstellung neben der Halle im Erdgeschoß auch unser Dachgeschoß als Ausstellungsfläche mit ein. Um diese beeindruckende Ausstellung über den Anlaß hinaus zu dokumentieren, haben wir gemeinsam mit der Galerie Brusberg die Bildauswahl im vorliegenden Katalog festgehalten. Dem Maler Harald Metzkes danken wir für die Unterstützung unserer Ausstellung. Dieter Brusberg, Inhaber der Galerie Brusberg Berlin, sind wir für sein Engagement bei der Konzeption dieser Kunstausstellung zu besonderem Dank verpflichtet. Weiterhin danken wir allen Leihgebern für ihre großzügige Unterstützung der Ausstellung. Die Ausstellung Harald Metzkes »Schwarzgesicht und Weißgesicht oder Die menschliche Komödie« ist einer unserer Beiträge zum Programm »Luxemburg und Großregion, Kulturhauptstadt 2007«. Ich bin mir sicher, dass unserer aktuellen Ausstellung in der europäischen Kulturhauptstadt 2007 ein ähnlicher Erfolg beschieden ist, wie seinerzeit dem Konzept »Luxemburg, europäische Stadt der Kultur 1995«, das das Luxemburger Kulturleben nachhaltig belebte. »Modell und Zeichner« Öl auf Leinwand, 1969 180 x 150 cm Lager-Nr. BE 6663 6 7 Biografische Daten 1965 Studienreise nach Rumänien und Ausstellung mit Wilhelm Lachnit in der Galerie Moderne Kunst, Berlin/DDR, sowie im Staatlichen Museum Schwerin mit Manfred Böttcher, Rolf Schubert und Hans Vent 1967 Einzelausstellung im Kulturhistorischen Museum Magdeburg 1929 am 23.1. geboren in Bautzen 1939-1945 Besuch der Staatlichen Oberschule in Bautzen 1945 Einberufung zur Wehrmacht im März. Kurze Zeit in amerikanischer Gefangenschaft. Aufenthalt in Norddeutschland. Ende des Jahres 1945 wieder in Bautzen 1945-1946 Oberschule in Bautzen und Abitur 1946 erste Malstudien 1947-1949 Steinmetzlehre in Bautzen 1949-1953 Studium der Malerei an der Hochschule für Bildende Künste in Dresden bei Wilhelm Lachnit 1953-1955 freischaffend in Bautzen 1955-1958 Meisterschüler an der Deutschen Akademie der Künste zu Berlin/DDR bei Otto Nagel 1957 Studienreise nach China mit John Heartfield und Werner Stötzer seit 1959 freischaffend in Berlin/DDR 1963 erste Einzelausstellung im Institut für Lehrerweiterbildung, Berlin-Weißensee 1971 Gemälde und grafische Arbeiten zu Molière, »Arzt wider Willen«, Bühnenbild und Kostüme zur Aufführung der Volksbühne, Berlin/DDR 1974 Ausstellung in der Leipziger Galerie am Sachsenplatz mit Dieter Goltzsche und Joachim John 1976 Käthe-Kollwitz-Preis der Akademie der Künste der DDR 1977 Nationalpreis der III. Klasse und Einzelausstellung in der Nationalgalerie, Berlin/DDR 1978 Studienreise in die Bundesrepublik Deutschland und Einzelausstellung in der Galerie Kühl, Dresden 1981 Einzelausstellung in der Galerie Unter den Linden des Staatlichen Kunsthandels der DDR, Berlin 1982/83 erste Einzelausstellung in der Galerie Brusberg, Hannover sowie im Staatlichen Museum Burgk 1984 Teilnahme an der Biennale Venedig und Einzelausstellung in der Neuen Dresdner Galerie, Dresden sowie in der Leipziger Galerie am Sachsenplatz 1986 Ordentliches Mitglied der Akademie der Künste der Deutschen Demokratischen Republik und Einzelausstellungen in der Galerie De Maere, Brüssel und Paris 1988 Teilnahme an der Biennale Venedig und Einzelausstellung im Städtischen Museum Göttingen 1988 »Zeitvergleich ‘88« 13 Maler aus der DDR in Berlin (West) 1989 Retrospektive in der Akademie der Künste, Berlin (Ost) 1990 Retrospektive in der Staatlichen Kunsthalle, Berlin 1991 am 9. Dezember Austritt aus der Deutschen Akademie der Künste (Ost) 1992/93 Umzug von Berlin nach Wegendorf (Brandenburg) 1992, 1999 und 2005 Einzelausstellungen in der Galerie Brusberg Berlin 1997 »Deutschlandbilder« Kunst aus einem geteilten Land Martin-Gropius-Bau, Berlin 1997 »Ostwind« Kunstforum der GrundkreditBank, Berlin – eine Ausstellung im Rahmen der Berliner Festwochen 1999 Bilder aus 50 Jahren – Retrospektive im Stadtmuseum, Bautzen 2001 Galerie Brusberg Berlin Stilleben (mit Fernando Botero) 2004 »Kunst in der DDR« Neue Nationalgalerie, Berlin 2006 »Bilanz des Malers« - Retrospektive Stiftung Schleswig Holsteinische Landesmuseen Schloß Gottorf 2007 »Schwarzgesicht und Weißgesicht oder Die menschliche Komödie« Deutsche Bank Luxembourg »Januskopf« Öl auf Leinwand, 1977 130 x 114 cm Berliner Volksbank 8 9 »Samson und Dalila« Öl auf Leinwand, 1977 180 x 200 cm Berlinische Galerie – Landesmuseum für Moderne Kunst, Fotografie und Architektur Schenkung Winnetou Kampmann und Ute Weström Jörg Makarinus Das Fügen des Bildes Die Kunst des Malers, Zeichners und Graphikers Harald Metzkes entstand in beträchtlichem Umfang auf dem historischen Gebiet der DDR. Sie aber in diesem geographisch-politischen Kontinuum erklären zu wollen, wäre nicht angemessen. Denn sein Interesse galt anderen und vor allem größeren Zusammenhängen. Erscheinen uns seine turbulenten und dramatischen Bildfindungen oft als visionäre Kommentare auf die heutigen Zustände der Welt, so ist dieser Eindruck durchaus berechtigt. Denn sie berühren und verweben die kulturelle Identität der europäischen Kunst, von Theater und Literatur, Mythologie, Religionen und Utopien mit der gelebten Zeit, dem geschichtsdurchwucherten Alltag, den Episoden aller Tage … und selbstredend mit einem außergewöhnlichen Naturell. Metzkes' Hinwendung zu biblischen oder literarischen Stoffen findet in dieser Verschiebung und Überblendung mitunter zu einem irritierend ernsten Spiel und einer Art aufrührerischer Poesie in scheinbar vertrauten Gefilden: Herkules vor der Kulisse des Berliner Stadtbezirks Prenzlauer Berg, Don Quijote als Figur in einem kindlichen Marionettentheater, das Kostüm des Harlekins in eigenartiger Korrelation zu einer militärischen Uniform, und immer wieder Metzkes selbst – in wechselnden »Rollen«, manchmal versteckt oder im Hintergrund. Die malerische Virtuosität dieses Welttheaters menschlicher Verhaltensmuster und Schicksale, all der Komödien, Dramen und phantastischen Begebenheiten entfaltete Metzkes in vielgestaltigen Intervallen künstlerischer Produktion. Das Studium führte ihn nicht zu jener Gekonntheit naturbesessener Nachahmung, die dem Laien gern als Kunst erscheinen möchte. Frühzeitig nistete sich ein ganz persönliches Anderssein des Sehens und des Denkens in die Formensprache, so daß der stetigen Entwicklung eines Stils wohlwollend Raum belassen wurde. In den sechziger Jahren und im folgenden Jahrzehnt entstanden sur le motif ungezählte Stilleben und Akte, die eine zentrale Bedeutung für das Werk erlangen sollten. Auch Landschaften und Paardarstellungen, die diese Arbeit am Gegenüber sozusagen als emotionale Tatbestände inhaltlich weiter fassen ließen, bildeten feste Gruppen im Œuvre. Hier fügten sich nicht nur alltägliche Ereignisse oder Porträts von Freunden in eine kunstgeschichtlich geprägte Bildwelt und räumlich oder zeitlich Auseinanderliegendes in die Kontinuität eines einzigen Bildzusammenhangs. Auf ähnliche Weise verändert sich auch das Bild selbst: Hinzugekommene Assistenzfiguren erzeugen Bedeutung, machen aus der Geste Handlung, aus der Miene ein Spiel, oder sie kommentieren mit ihrem Kostüm und einer Haltung die Hauptfigur. 10 11 Szenen überlagern sich. Traumgebilden gleich und unbeachtet von anderen Akteuren im Bilde lassen es sich »Schwarzgesicht und Weißgesicht« im Heim anderer gefallen, werden die »Einrichtung des Frühlings« oder »Herr H. unter Palmen« zu einem Exkurs über das Schmücken, Maskieren und Kostümieren – und nicht zuletzt über die Malerei selbst, die Metzkes hier wie überall in seinen Bildern unbeschwert feiert. In diesen vielfigurigen Kompositionen hat sich während des Malens der Bildinhalt vom Sujet entfernt (und nicht umgekehrt, wie man leichthin glauben möchte): Metzkes spricht von Erlebnissen, die dem Bild zugetragen werden, von Zuflüssen aus dem Unbewußten und kleinsten Partikeln bildlich verwertbaren Materials, die sich wie Eisenspäne im Feld eines Magneten ordnen und zum Ornament werden würden. Dieses »Material« lagert sozusagen in der Stille seiner selbst. Mit dem Vorgang des Malens wird es nicht nur sichtbar. Es erlangt unweigerlich Bedeutungen, die auch in unseren eigenen Bilderfahrungen wie Repräsentanten existieren und darauf warten, angesprochen zu werden. Zugleich aber muss es immer wieder den Gesetzen des Bildes unterworfen werden, um in einer gültigen Form zu gerinnen, ohne die es auch seine Bedeutungen nicht halten könnte. Das Fügen zur Bildrichtigkeit. In all ihrer Schönheit und Pracht werden Pierrot und Harlekin gewissermaßen auch selbst Teil eines solchen Ornaments, sind sie doch Wesen, die einen Stoff repräsentieren, der anders nicht zum Ausdruck gelangen kann. Denn sie sind nicht nur Figuren der Commedia dell'Arte, nicht nur Symbol oder Personifikationen für die Künste. Sie gehören darüber hinaus auch keinem Stand an, sind nicht Bürger, Bauern, Edelleute, Proletarier oder Kaufleute. Sie bedürfen solcher Krücken nicht. Sie sind frei. Sie haben keinen »Job«, aber sie sind tätig, kreativ, agil. Sie brauchen kein Heim, denn sie sind allerorten zuhause. Sie nennen kein Parlament das ihre, denn sie waren schon vor hundert Jahren Europäer. Ihre Eignung für diesen »Stand« des Andersseins danken sie niemandem als ihrem eigenen Sinn. Und in Metzkes' Bildern sind sie noch freier, weil sie auch all das können, was wir nicht vermögen. Während sie glücklich über ihren Schatten springen, zeigen sie uns manche Enge, in die wir uns viel zu selbstverständlich gefügt haben. Februar 2007 »Die Komödie« Öl auf Leinwand, 1985 170 x 210 cm Sammlung Hartwig und Maria-Theresia Piepenbrock, Berlin 12 13 »Regentag im Atelier« Öl auf Leinwand, 1987 110 x 110 cm Lager-Nr. BE 3690 »Herkules erwürgt die Schlange« Öl auf Leinwand, 1988 150 x 180 cm Sammlung Ulla und Heiner Pietzsch, Berlin 14 15 Ute Bopp-Schumacher Zu Harald Metzkes »Der Strand« Bedeckter, noch leicht hellblauer Himmel, eine starke Meeresbrandung, Ferienatmosphäre und Sommerlaune bilden das Kolorit der Strandszene von 1988. Großfigurige Rückenfiguren dominieren fast den gesamten Bildraum: eine Frau im dunklen Badeanzug, die bereits bis zu den Knien im Wasser steht; eine junge Frau in kurzen Hosen mit Dalmatinerhund, der ihre Hand leckt; eine kniende Mutter im Bikinioberteil mit einem kleinen nackten Jungen und junge Männer, die mit einer kleinen Segeljolle in See stechen. Alle Figuren sind in Bewegung, eine kräftige Brise verweht ihre Haare. Metzkes’ realistisch gemaltes, aus Phantasie und Erlebtem entsprungenes, an Texturen reiches Gemälde wird auch von Erinnerungen des Malers an Ostseeaufenthalte gespeist. Das angenehm anzuschauende, ›schöne‹ Bild versetzt Betrachter in eine positive Stimmung, ist, um mit Matisse zu sprechen, zunächst »ein Sessel fürs Auge«. Aber steckt nicht mehr hinter diesem Bild bei einem Maler, der für gleichnishafte Bilder bekannt ist, die versteckt das Verhältnis des Einzelnen zur Gesellschaft thematisieren? »Strand« Öl auf Leinwand, 1956 80 x 130 cm Vergleicht man die Strandszene von 1988 mit Metzkes’ Gemälde »Der Strand« von 1956 könnte der Unterschied kaum größer sein, verharren die Personen auf dem frühen Strandbild doch in starren, nachdenklichen Posen. Jeder ist mit sich selbst beschäftigt. Existentialistische innere Kämpfe prägen die Figuren. Während das 1956 entstandene Gemälde horizontal aufgebaut ist, folgt der Aufbau der Strandszenerie von 1988 der Diagonalen von unten links nach oben rechts. Dadurch kommt eine Aufbruchstimmung in die bewegte, mehrfigurige Komposition. Mit dem Betrachter blicken die lebendig und wirklichkeitsnah agierenden Figuren fast alle in Richtung Meer. Dabei sind die Gesichter der Personen nicht näher spezifiziert oder gar individualisiert. Die Abgebildeten stehen für die Allgemeinheit. Ahnt der Maler in diesem Sommerbild bereits den Umschwung der Zeit, die Abkehr vom totalitären Staat hin zum wiedervereinigten Europa? Richten die Figuren ihren Blick nicht nur aufs Meer und ihr unmittelbares Tun, sondern auch in die unbekannte Zukunft? Stellt dieses Bild nicht auch die Frage, inwiefern Kräfte gelenkt und gebrochen werden können? ›Parallel zur Natur‹ erschafft der Maler Harald Metzkes seinem großen Vorbild Paul Cézanne folgend mit Farbe, Pinsel und Leinwand neue poetische Bildwelten. In dieser auf den ersten Blick eher ›harmlosen‹ traditionsverhafteten, empfindsamen Malerei nimmt der Künstler seismographisch vage in der Luft liegende Stimmungen und Umschwünge wahr. Metzkes’ sinnliche Malerei ist eine Einladung an den Betrachter, die tiefer liegenden Wirklichkeiten zu sehen und zu fühlen. Die in dem Bild »Der Strand« spürbare Ruhe vor dem Sturm, das Ende der DDR und die Wiedervereinigung Deutschlands kommentierte der Maler Harald Metzkes mit seinen Bildern der nie endenden ›menschlichen Komödie‹. Februar 2007 »Der Strand« Öl auf Leinwand, 1988 205 x 210 cm Deutsche Bank Luxembourg 16 17 »Das Kleeblatt« Öl auf Leinwand, 1988 150 x 120 cm Sammlung H. und D.B., Berlin »Das Abendbrot« Öl auf Leinwand, 1989 120 x 110 cm Deutsche Bank Luxembourg 18 19 »Die Einrichtung des Frühlings« Öl auf Leinwand, 1988 200 x 190 cm Lager-Nr. BK 11745 »Schwarzgesicht und Weißgesicht« Öl auf Leinwand, 1988 150 x 180 cm Berliner Volksbank 20 21 Foto Bernd Kuhnert, 80er Jahre Dieter Brusberg Besuche im Atelier Anmerkungen zu Harald Metzkes Der Maler Harald Metzkes liebt Masken. Und vor allem liebt er die Mütze, Zeichen des Unauffälligen und der Bescheidenheit, Zeichen dafür, still behütet das Leben schöpferisch fern der lauten, eitlen Welt zu verbringen – eine simple Mütze als Symbol. Er liebt das Theater, das Spiel mit dem Schein. Seine Bilder werden zur Bühne. Die Bühne wird zum Bild: Malkunst als Kunst der Verwandlung, der Täuschung des Auges. Aber dahinter die Wahrheit. Und die Schönheit. Das ist selten geworden. Das war, bei ihm, wohl schon immer so. Heute weiß auch ich das. Seit wann ich ihn kenne, ihn und seine Bilder? Es scheint lange her, daß ich zum ersten Mal die Stufen im dunklen Treppenhaus hochstieg. Mehr aus Pflichtgefühl als aus Lust. Aber mit einer vagen Hoffnung: Es war in Ostberlin, Prenzlauer Berg. Der Kollwitzplatz, damals noch still, lag um die Ecke. Das große Haus war farblos, schien mürbe, bröckelnd. Drinnen roch es nach Schimmel. Und nach gekochtem Kohl. Im fünften Stock, endlich, das Klingelschild: Metzkes. Ich wußte nicht viel von ihm. Ein Mann um die fünfzig. So hatte man mir gesagt. Die wenigen Bilder, die ich gesehen hatte, interessierten mich nicht sonderlich: Figurengruppen, Landschaften, Stilleben. Das übliche eben, so schien es: spät-impressionistischer Realismus östlicher Provenienz. Mittlere Formate, gut gemalt, aber doch wohl eher langweilig. Den zweiten Blick kaum wert fürs westliche Auge, wäre da nicht so ein fahles Flackern der sonst eher dunkelgebrochenen, wie verstaubt wirkenden Farben gewesen. Und diese leichte Verrückung alltäglich scheinender Formen ins Unwirkliche, mitunter Gespenstische. Spukgeschichten. Nun ja. Aber ein Bild ging mir nicht aus dem Kopf. Ein ungewöhnliches, ja verstörendes Bild. Ich hatte nur eine Reproduktion gesehen: ein männlicher Kopf im Profil. Nach rechts schauend. Helles Licht auf Stirn, Ohr und Nase fallend. Und auf das weit aufgerissene Auge. Der Mund fest verschlossen. Sprachlos. Einer, der sieht; einer, der hinsehen muß. Panischer Augenblick. Lust oder Entsetzen? Die Schönheit oder den Tod vor Augen? Einsicht jedenfalls. Die linke Kopfhälfte liegt im Schatten. Aus dem Haar wächst eine nachtdunkle Maske. Der Mund ist leicht geöffnet, das quellende Auge schwarz. Aber, keine Täuschung, es ist ein Auge: Janus, der Doppelgesichtige. Dieses Bild wollte ich sehen: den »Januskopf« von Harald Metzkes. Ich wollte wissen, was dahinter steckt, wer dieser Maler wirklich war. Nur deswegen war ich gekommen. Dieser Kopf und die anderen, so austauschbar scheinenden Bilder, das ging für mich nicht zusammen. Ich war skeptisch. Aber voller Spannung. 22 23 Wer war Harald Metzkes, wie seine Kunst? Ich klingelte. Die Tür ward aufgetan: kein Janus stand vor mir, kein Maler, kein Mann. Ein warmes Lächeln: Ich bin Frau Metzkes. Mein Mann ist im Atelier. Ich hole ihn. Trinken Sie Tee? Die Bilder haben doch Zeit? So fing es an. Vor nicht einmal zwanzig Jahren. Es scheint lange her. Das erste Gespräch. Zögernd, tastend, behutsam. Die grauen Augen, hellwach und fragend hinter den runden Brillengläsern. Dann das Atelier. Zwei oder drei große Fenster. Nordlicht. Grau. Der Blick auf den Wasserturm und weit über die Dächer hin. Weit auch der Raum, aber vollgestellt. Bild an Bild. Jedenfalls ein fleißiger Maler, so dachte ich damals. Wunderbar. Wann findet man schon ein gefülltes Atelier? Aber auch beunruhigend. Gibt er seine Bilder nicht her, will sie keiner? Heute weiß ich: Er liebt seine Bilder. Und malt immer. Er kann gar nicht anders. Das erste Bild. Das zweite. Das dritte. Zwiespältige Gefühle, gemischte Empfindungen. Vielleicht war es doch falsch zu kommen? Und dann, nein, kein Donnerschlag, kein Blitz der Erleuchtung, vielmehr: das kaum merkbare Gefühl, sich auf sanft, ganz sanft schwankendem Boden zu bewegen, Verunsicherung. Und schließlich: Verrückung. Das Gefühl der Stille. Stillstand der Zeit in der Unendlichkeit der Bewegung. Bilderglück. Ich habe seitdem viele Besuche bei Harald Metzkes gemacht: im schnell vertrauten Atelier über den Dächern der Stadt. Und dann, als ihm der Kollwitzplatz zu laut wurde, weit draußen, nicht weit von Berlin: ein kleiner Ort, Wegendorf, irgendwo bei Werneuchen. Irgendwo im märkischen Land. Eigentlich ist alles beim alten geblieben: die Stille, das Licht, die Staffelei, der Lehnstuhl davor, die vielen Bilder. Die Stunden im Atelier, die ganz einfach verfließen. Die Gastfreundschaft, die Gespräche am Tisch. Die fragenden Augen hinter der Brille. Das warme Lachen der Frau. Nur der Blick nach draußen ist ein anderer: weites Land. Und ein weites Feld. Und die Bilder? Nein, nichts hat sich beruhigt. Noch immer: Schwarzgesicht und Weißgesicht. Noch immer sind es Bilder, die vom Menschen handeln. Und von der Schönheit. Von unserem Leben, vom schönen Schein. Und von der Wahrheit. Janus ist überall: das doppelte Gesicht, der doppelte Boden. Der Torbogen, der Durchgang: nicht nur nach draußen. In die Welt. Der Weg durch das Tor, er führt, jedenfalls bei Harald Metzkes, auch nach innen. In unsere Seele. Die besten seiner Bilder, und davon gibt es viele, ich liebe sie. Harald Metzkes aber liebt Masken. Und, merkwürdigerweise, die Welt. Vor allem aber liebt er seine Frau. Berlin, im Februar 2007 gekürzte und überarbeitete Fassung eines Textes zum 70. Geburtstag von Harald Metzkes 1999 Foto Bernd Kuhnert, ca. 2000 24 25 »Der Abflug« Öl auf Leinwand, 1989 120 x 130 cm Privatsammlung »Die Flucht ins Papier« Öl auf Leinwand, 1989 180 x 150 cm Lager-Nr. BK 14805 26 27 »Die Teetrinker« Öl auf Leinwand, 1991 150 x 175 cm Privatbesitz, Berlin courtesy Galerie Brusberg Berlin »Der Blinde« Öl auf Leinwand, 1992 180 x 150 cm Lager-Nr. BK 15273 28 29 »Das Lied« Öl auf Leinwand, 1993 90 x 130 cm Sammlung H. und D.B., Berlin »Winzer und Winzerin« Öl auf Leinwand, 1992 180 x 150 cm Lager-Nr. BK 15274 30 31 »Die Wabe« Öl auf Leinwand, 1993 180 x 150 cm Privatbesitz, Berlin courtesy Galerie Brusberg Berlin »Serenade« Öl auf Leinwand, 1993 150 x 130 cm Sammlung H. und D.B., Berlin 32 33 »Pulcinella« Öl auf Leinwand, 1993 150 x 130 cm BEB Erdgas und Erdöl GmbH, Hannover »Lukretia« Öl auf Leinwand, 1994 180 x 150 cm Lager-Nr. BK 14799 34 35 »Handlesen« Öl auf Leinwand, 1994 100 x 120 cm Lager-Nr. BK 15244 »Hakelei« Öl auf Leinwand, 1995 140 x 130 cm Sammlung Hartwig und Maria-Theresia Piepenbrock, Berlin 36 37 »Capitano« Öl auf Leinwand, 2003 80 x 90 cm Privatbesitz, Berlin courtesy Galerie Brusberg Berlin »Komödianten mit Neufundländer« Öl auf Leinwand, 1998 190 x 190 cm Lager-Nr. BK 13157 38 39 »Armdrücken« Öl auf Leinwand, 2001 60 x 80 cm Privatbesitz, Berlin courtesy Galerie Brusberg Berlin »Frau, Hund, Kugel« Öl auf Leinwand, 2001 130 x 140 cm Lager-Nr. BK 15268 40 41 »Blinde Kuh« Öl auf Leinwand, 2000 150 x 180 cm Privatbesitz Dr. Andreas Köhler, Berlin »Die erste Balance« Öl auf Leinwand, 2003 130 x 140 cm Lager-Nr. BK 14301 42 43 »Die Radfahrerin« Öl auf Leinwand, 2003 150 x 180 cm Lager-Nr. BK 14803 »Briefschließerin« Öl auf Leinwand, 2002 120 x 90 cm Lager-Nr. BK 14305 44 45 »Hundscorrida« Öl auf Leinwand, 2001 60 x 80 cm Lager-Nr. BK 15238 »Die Perle« Öl auf Leinwand, 2004 190 x 200 cm Lager-Nr. BK 14804 46 47 »Duo mit Zwerg" Öl auf Leinwand, 2002 140 x 130 cm Privatsammlung, Berlin courtesy Galerie Brusberg Berlin »Herr H. unter Palmen« Öl auf Leinwand, 2002 130 x 140 cm Anna Augstein, Hamburg 48 49 »Premierenfeier« Öl auf Leinwand, 2005 70 x 80 cm Privatsammlung, Berlin courtesy Galerie Brusberg Berlin »Pomona« Öl auf Leinwand, 2005 180 x 150 cm Lager-Nr. BK 15247 50 51 »Die Fledermausmalerin« Öl auf Leinwand, 2005 120 x 95 cm Lager-Nr. BK 15350 »Schule der Mimik« Öl auf Leinwand, 2006 150 x 130 cm Lager-Nr. BK 15148 52 53 »Fackeln« Öl auf Leinwand, 1999 90 x 100 cm Lager-Nr. BK 15271 Impressum Kabinettdruck 39 Edition Brusberg, Berlin 2007 für Deutsche Bank Luxembourg aus Anlaß der Ausstellung Harald Metzkes »Schwarzgesicht und Weißgesicht oder Die menschliche Komödie« Bilder aus 50 Jahren Redaktion Dieter Brusberg Ruth Neitemeier Stefan Brusberg (EDV) Gestaltung Michael de Maizière, Berlin vom 26. April bis 15. Juli 2007 Reproduktionen Artnetworx Bernd Montag, Hannover eine Ausstellung der Galerie Brusberg für die Deutsche Bank Luxembourg in Zusammenarbeit mit Frau Dr. Ute Bopp-Schumacher Luxembourg Werkfotografien Bernd Kuhnert, Berlin Jochen Littkemann, Berlin Portraitfoto Udo Hesse, Berlin Atelierfotos Bernd Kuhnert, Berlin Alle Bilder ohne Namensnennung sind Leihgaben der Galerie Brusberg Berlin Druck und Verarbeitung Ruksaldruck GmbH & Co. KG, Berlin Brusberg Berlin Kurfürstendamm 213 D-10719 Berlin Copyright Galerie Brusberg Berlin und die Autoren Telefon 0049.30.882 76 82/3 Telefax 0049.30.881 53 89 Auflage 2000 Exemplare [email protected] www.brusberg-berlin.de 54 55 »Die Musici« Öl auf Leinwand, 2007 75 x 90 cm Lager-Nr. BK 15354